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AG Nürnberg, Endurteil v. 14.10.2020 – 21 C 4507/20
Titel:

Verkehrsunfall, Schadensersatzanspruch, Nutzungsausfall, Fahrzeug, Ersatzfahrzeug, Abschleppkosten, Schadensbehebung, Streitwert, Haftung, Erstattung, Ersatzbeschaffung, Zeitpunkt, Sicherheitsleistung, Auswahlverschulden, Kosten des Rechtsstreits

Schlagworte:
Verkehrsunfall, Schadensersatzanspruch, Nutzungsausfall, Fahrzeug, Ersatzfahrzeug, Abschleppkosten, Schadensbehebung, Streitwert, Haftung, Erstattung, Ersatzbeschaffung, Zeitpunkt, Sicherheitsleistung, Auswahlverschulden, Kosten des Rechtsstreits
Fundstelle:
BeckRS 2020, 55855

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.158,59 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.06.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.158,59 € festgesetzt.  

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatzanspruch aus einem Verkehrsunfall vom 25.02.2020 in N. Die Haftung der Beklagten zu 100% für den Schaden des Klägers ist streitig.
2
Der Kläger trägt vor, dass das klägerische Fahrzeug nach dem Unfall durch Auftrag der Polizei von dem Abschleppunternehmen geborgen und in deren Betriebsstätte verbracht worden sei zu Kosten in Höhe von 1812,64 €, wobei ein Standgeld von 11 Tagen berücksichtigt wurde.
3
Die Beklagte habe hierauf nur 564,05 € bezahlt.
4
Der Kläger trägt vor, dass er hinsichtlich der Auswahl des Abschleppunternehmens keine Möglichkeit hatte, da dieses seitens der Polizei vermittelt wurde.
5
Des weiteren begehrt der Kläger Nutzungsausfallentschädigung für 38 Tage zu je 65 €, wobei die Beklagte lediglich einen Nutzungsausfall für 24 Tage bezahlt habe. Der Kläger trägt vor, dass eine 1. Vorschusszahlung erst von Seiten der Beklagten am 24.03.2020 eingegangen sei und er ohne diesen Vorschuss sich kein Ersatzfahrzeug hätte anschaffen können. Die Vorschusszahlung sei dann in der Zeit des Lockdowns erfolgt, ab diesem Zeitpunkt hätten die Autohäuser in Bayern deswegen geschlossen gehabt und er hätte sich insoweit nicht um ein neues Fahrzeug kümmern können. Dann hätten auch die Zulassungsstellen nicht geöffnet, so das er keine Möglichkeit gehabt hätte, das Fahrzeug anzumelden.
6
Nachdem die Beklagte die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1059,35 € bezahlt hat, haben beide Parteien den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.
7
Der Kläger beantragt daher:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2158,59 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.09.2020 zu zahlen.
8
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
9
Sie legt dar, dass die Abschleppkosten in der erforderlichen Schadenshöhe beglichen worden seien.
10
Zum einen sei der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt, sodass er lediglich die Nettokosten verlangen dürfe.
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Hinsichtlich der Abschleppkosten sei bereits eine Einsatzzeit von 3 Stunden unangemessen gewesen, das Personal zu teuer berechnet, es werde bestritten dass der Abschleppunternehmer dem Gutachter bei Erstattung des Gutachtens Hilfestellung geleistet habe, diese Position sei auch nicht in der AbschleppRechnungen zu berücksichtigen, ebenfalls sei es nicht erforderlich gewesen, einen gesamten Sack Ölbinder zu verwenden, ein bergungsbedingter Auffangbehälter sei nicht nötig und damit nicht abbrechenbar, der Büroaufwand sei unüblich und nicht angemessen, die Standgebühren überhöht und die Vermittlungskosten des in dieser Höhe nicht angefallen, auch sei der Spätzuschlag für Fahrpersonal nicht angefallen, sodass der zur Schadensbehebung erforderliche Betrag seitens der Beklagten bezahlt wurde. Ein weitergehender Schadensbetrag sei von der Beklagten nicht zu bezahlen.
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Im Übrigen werde der Nutzungsausfall, soweit er 24 Tage übersteige, vollumfänglich bestritten. Der Lockdown hätte erst am 23.03.2020 begonnen und auch nach diesem sei es möglich gewesen, Kraftfahrzeuge zuzulassen. Der Kläger hätte auch finanziell die Möglichkeit gehabt, sich ohne Vorschusszahlung der Beklagten ein Ersatzfahrzeug zu finanzieren.
13
Auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen wird vollumfänglich Bezug genommen.
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Es wurde weiter Beweis erhoben durch die uneidliche Einvernahme der Zeugin in der Sitzung vom 23.09.2020. Auf das Sitzungsprotokoll wird diesbezüglich vollumfänglich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche zu.
16
Die Klage war zulässig.
17
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch aus §§ 7,18 StVG in Verbindung mit § 115 VVG gegenüber der Beklagten zu.
18
1. Hinsichtlich der Abschleppkosten hat der Kläger gegenüber der Beklagten den Anspruch auf Zahlung der Rechnung des Abschleppunternehmens in Höhe der gesamten 1812,64 €.
19
Die uneidlich einvernommene Zeugin, die dem Gericht glaubhaft und glaubwürdig bekundet hat, dass sie als Fahrerin des Fahrzeuges im Krankenwagen saß und die Polizei in ihrem Auftrag den Abschleppunternehmer zum Unfallort gerufen hat. Trotz des Näheverhältnisses der einvernommenen Zeugin zu dem Kläger ist das Gericht davon überzeugt, dass die Zeugin das Gericht mit der Wahrheit bedient. Sie hat ihre Aussagen klar und eindeutig getroffen und hat widerspruchsfrei den Vorfall schildern können. Insoweit steht für das Gericht fest, dass den Kläger kein Auswahlverschulden an der Beauftragung des Abschleppunternehmens zugerechnet werden kann. Die Abschlepprechnung ist bereits bezahlt, sodass diesbezüglich eine Indizwirkung dahingehend entfaltet wird, dass die Kosten auch zur Schadensbehebung erforderlich waren. Nachdem der Geschädigte dem Schädiger nur hinsichtlich eines potentiellen Auswahlverschuldens haftet und sich insoweit einen Abzug von den Kosten der Rechnung gefallen lassen muss, liegt ein derartiges Auswahlverschulden nicht vor. Unstreitig wurde das Abschleppunternehmen von der Polizei gerufen.
20
Soweit von der Beklagten dargelegt wird, dass in der Abschlepprechnung eine Position geltend gemacht wird, die mit dem Abschleppvorgang nichts zu tun hat, ist auszuführen, dass wenn der AbschleppUnternehmer dem Gutachter eine Hilfestellung leistet, muss dies nicht kostenlos erfolgen, sondern er kann seine anfallenden Kosten dafür ebenfalls verlangen. Insoweit sind diese Kosten der Schadensermittlung, für die die Beklagte ebenfalls zu 100% haftet.
21
Nachdem den Kläger kein Auswahlverschulden trifft, haftet die Beklagte dem Kläger im Außenverhältnis vollumfänglich für die Bezahlung der abschleppen Rechnung. Gegebenenfalls kann die Beklagte sich vom Kläger die Forderung gegenüber dem Unternehmer abtreten lassen.
22
Da die Beklagte bereits auf die abschleppen Rechnung 564,05 € bezahlt hat, war sie noch zur Zahlung von weiteren 1248,59 € zu verurteilen.
23
2. Hinsichtlich der Nutzungsausfallentschädigung ist die Klage ebenfalls vollumfänglich begründet und der Kläger kann einen Nutzungsausfall für 38 Tage geltend machen, wobei die Beklagte bereits Nutzungsausfallersatz für 24 Tage geleistet hat.
24
Die uneidlich einvernommene Zeugin hat dem Gericht glaubhaft und glaubwürdig bekundet, dass sie und ihr Ehemann nicht in der Lage waren, ein Fahrzeug vorzufinanzieren. Ohne einen Vorschuss konnten sie sich kein Fahrzeug leisten. Nachdem die Beklagte die 1. Vorschussrechnung erst am 24. März überwiesen hat in Höhe von über 7000 € fallen bis zu diesem Zeitpunkt die Kosten für die Nutzungsausfallentschädigung an. Insoweit sind bereits 28 Tage hinsichtlich der Nutzungsausfallentschädigung berechtigt. Nachdem die Zeugin widerspruchsfrei und eindeutig erklären konnte, dass sie und ihr Mann sich kein Ersatzfahrzeug aus eigenen finanziellen Mitteln hätten leisten können, war ihnen eine Ersatzbeschaffung nicht möglich. Dies war erst nach der 2. Vorschusszahlung, die die Beklagte im April 2020 geleistet hat, möglich gewesen. Da die Vorschusszahlung der Beklagten erfolgt ist in Zeiten des Lockdowns, waren in Bayern die Autohäuser geschlossen und der Kläger war nicht in der Lage, sich Fahrzeuge in Autohäusern anzusehen. Auch sonst konnten gebrauchte Fahrzeuge allerhöchstens virtuell angesehen werden. Da bis zum 1. Vorschuss bereits 28 Tage verstrichen sind, hält es das Gericht in diesen besonderen Zeiten des Lockdowns für nachvollziehbar und plausibel, dass das Ersatzfahrzeug durch den Kläger nicht sofort beschafft werden konnte. Für die Suche eines Ersatzfahrzeuges sind aufgrund der besonderen Umstände der Pandemie mehr Tage in Anschlag zu bringen, sodass das Gericht weitere 10 Tage für angemessen hält. Insbesondere um den Kauf abwickeln zu können und ein Ersatzfahrzeug zu finden, hält das Gericht die weiteren 10 Tage für erforderlich.
25
Berücksichtigt man dann noch weiter dass der 2. Vorschuss erst am 20.04.2020 eingegangen ist und die Zeugin dem Gericht glaubhaft und glaubwürdig versichert hat, dass sie ohne den 2. Vorschuss das Fahrzeug nicht hätten kaufen können, ist dem Kläger erst ab diesem Zeitpunkt die Ersatzbeschaffung überhaupt möglich gewesen. Dies ist auf die langsame Zahlung der Beklagten zurückzuführen und muss sich der Kläger nicht anlasten lassen. Insoweit sind weitere 14 Tage Nutzungsausfall in Höhe von 65 €, mithin weitere 910 EUR von der Beklagten zu bezahlen.
26
Der Kläger hat mit der Anlage Seite 30 der Akte dem Gericht vorgelegt, dass er als Kleinstunternehmer behandelt wird und nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Damit kann der Kläger die Bruttokosten verlangen und muss sich nicht auf die Nettokosten verweisen lassen.
27
Die Klage war daher vollumfänglich begründet.
28
Die Zinsen ergeben sich aus Verzug gemäß §§ 280,288 BGB und waren unbestritten.
29
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
30
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO