Titel:
Arbeitnehmer, Urlaubsanspruch, Arbeitgeber, Betriebsvereinbarung, Altersteilzeit, Urlaubsabgeltung, Freistellungsphase, Verletzung, Verschulden, Freistellung, Streitwertfestsetzung, Urlaubstage, Beendigung, Urlaub, Freistellung des Arbeitnehmers, eigenes Verschulden, eigenes Fristenregime
Schlagworte:
Arbeitnehmer, Urlaubsanspruch, Arbeitgeber, Betriebsvereinbarung, Altersteilzeit, Urlaubsabgeltung, Freistellungsphase, Verletzung, Verschulden, Freistellung, Streitwertfestsetzung, Urlaubstage, Beendigung, Urlaub, Freistellung des Arbeitnehmers, eigenes Verschulden, eigenes Fristenregime
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG München, Urteil vom 11.08.2020 – 7 Sa 392/20
BAG Erfurt, Teilurteil vom 12.10.2021 – 9 AZR 577/20 (B)
BAG Erfurt, Vorlagebeschluss vom 12.10.2021 – 9 AZR 577/20 (A)
EuGH Luxemburg, Urteil vom 27.04.2023 – C-192/22
Fundstelle:
BeckRS 2020, 55757
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 1.794,81 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um eine Urlaubsabgeltung für neun Urlaubstage aus dem Urlaubsjahr 2016.
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Der Kläger war vom 07.01.1986 bis 30.09.2019 bei der Beklagten beschäftigt. Zwischen den Parteien wurde am 05.12.2012 ein Altersteilzeitvertrag im Blockmodell vereinbart. Die Arbeitsphase des Klägers lag im Zeitraum vom 01.02.2013 bis 31.05.2016 und die Freistellungsphase in der Zeit vom 01.06.2016 bis zum 30.09.2019.
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Der vom Kläger für den Zeitraum vom 04.05.2016 bis 25.05.2016 beantragte Urlaub, die noch offenen Urlaubstage für 2016, wurde von der Beklagten genehmigt. Aufgrund der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 11.05.2016 bis 31.05.2016 konnte der Kläger von dem genehmigten Urlaub neun Urlaubstage nicht einbringen.
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Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien finden die Tarifverträge der bayerischen Metall- und Elektroindustrie Anwendung.
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§ 18 A. Nr.7 MTV lautet:
„Der Anspruch auf Urlaub erlischt drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde.
Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten. Dies gilt nicht für den Teil des Tarifurlaubs, der den gesetzlichen Urlaubsanspruch übersteigt, wenn der Arbeitnehmer durch eigenes Verschulden aus einem Grunde entlassen worden ist, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt oder das Arbeitsverhältnis unberechtigt vorzeitig gelöst hat und in diesen Fällen eine grobe Verletzung der Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt.“
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Der Gesamtbetriebsrat der Beklagten vereinbarte mit der Beklagten am 13.02.2009 eine Betriebsvereinbarung zur Altersteilzeit (Bl. 39 f. d. A.).
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Ziff. 7 der Betriebsvereinbarung lautet:
„Der Urlaubsanspruch richtet sich nach den allgemein tariflichen und betrieblichen Regelungen.
In der Freizeitphase gelten mit der Freistellung des Mitarbeiters alle tariflichen und gesetzlichen Urlaubsansprüche als erfüllt.
Im Jahr des Wechsels von der Arbeitsin die Freizeitphase entsteht der Urlaubsanspruch anteilig entsprechend der Dauer der Arbeitsphase (d.h. 1/12 je Monat der Arbeitsphase).
Vor Eintritt in die Freizeitphase sind die bis dahin erworbenen Urlaubsansprüche vollständig abzuwickeln.“
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Im Altersteilzeitvertrag zwischen den Parteien wurde in Ziffer 10 Folgendes geregelt (Bl. 37 d. A.):
„Ihr Urlaubsanspruch während der Altersteilzeit richtet sich nach den allgemeinen betrieblichen und tariflichen Regelungen.
Vor Eintritt in die Freizeitphase sind die bis dahin erworbenen Urlaubsansprüche vollständig zu nehmen.
In der Freizeitphase gelten mit der Freistellung alle Urlaubsansprüche als erfüllt.“
9
Der Kläger behauptet, der nicht eingebrachte Resturlaub von neun Urlaubstagen aus dem Jahr 2016 sei abzugelten. Ein wirksamer Verzicht auf einen erworbenen Urlaubsanspruch in der Arbeitsphase sei weder durch den Altersteilzeitvertrag noch durch die Regelungen der Betriebsvereinbarung wirksam festgelegt worden. Er führt aus, sein Resturlaub sei wegen seiner Arbeitsunfähigkeit am Ende der Arbeitsphase nicht vollständig eingebracht worden. Da es ihm auch während der Freistellungsphase seiner Altersteilzeit nicht möglich gewesen sei, den Urlaub einzubringen, sei er bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten.
10
Der Urlaubsanspruch sei auch nicht zum 31.03.2017 oder zum 31.03.2018 erloschen. Die Unmöglichkeit der Einbringung des Resturlaubs aus der Arbeitsphase während der Freistellungsphase verhindere ein Erlöschen dieses erworbenen Urlaubsanspruchs. Die bisherige Rechtsprechung zur Übertragung und Verfall von Urlaubsansprüchen bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit könne insoweit entsprechend angewendet werden. Der Kläger führt aus, wenn kein neuer Urlaubsanspruch während der Freistellungsphase erworben werden könne, müsse zumindest der in der Arbeitsphase erworbene und nicht vollständig eingebrachte Urlaub bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten werden. Hier handle es sich dann um keinen Surrogatanspruch, vielmehr um einen finanziellen Anspruch des Arbeitnehmers. Die Beklagte sei deshalb zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.794,81 € brutto verpflichtet.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.794,81 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit 01.10.2019 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
13
Die Beklagte trägt vor, dass sich bereits aus dem vereinbarten Arbeitsteilzeitvertrag sowie der einschlägigen Betriebsvereinbarung Altersteilzeit ergebe, dass mit der Freistellung des Mitarbeiters alle tariflichen und gesetzlichen Urlaubsansprüche als erfüllt gelten. Die Beklagte führt aus, der Kläger habe auch nicht entsprechend der Regelung in § 18 A. Nr. 7 MTV seinen Urlaubsanspruch erfolglos geltend gemacht, da dieser genehmigt worden sei und lediglich aufgrund der während des Urlaubs eingetretenen Arbeitsunfähigkeit nicht vollständig habe eingebracht werden können. Nach dem Manteltarifvertrag sei der tarifliche Urlaubsanspruch bereits zum 31.03.2017 verfallen, da der Manteltarifvertrag ein eigenes Fristenregime enthalte. Der gesetzliche Teil des Urlaubsanspruches sei entsprechend der Rechtsprechung zur lang andauernden Arbeitsunfähigkeit spätestens zum 31.03.2018 verfallen. Es sei insoweit ohne Rechtsfolge, dass der Kläger den Urlaub während der Freistellungsphase nicht habe einbringen können. Der Verfall des restlichen Jahresurlaubs 2016 sei durch die Unmöglichkeit der Einbringung während der Freistellungsphase nicht verhindert worden. Somit habe im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2019 kein Resturlaub mehr bestanden, der abzugelten sei.
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Im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Schriftsätze sowie der Sitzungsprotokolle.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abgeltung des Resturlaubs von neun Urlaubstagen aus dem Urlaubsjahr 2016. Der vom Kläger während seiner Arbeitsphase nicht eingebrachte Resturlaub ist hinsichtlich seiner gesetzlichen Anspruchsgrundlage zum 31.03.2018 und hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs zum 31.03.2017 verfallen.
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1. Der Kläger hatte seinen Urlaubsanspruch für 2016 nicht gem. § 18 A. Nr. 7 S. 1MTV erfolglos geltend gemacht.
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Der von ihm für den Zeitraum vom 04.05. bis 21.05.2016 beantragte Urlaub für 13 Urlaubstage war vielmehr von der Beklagten genehmigt worden. Der Kläger hatte diesen Urlaub auch bereits teilweise eingebracht. Aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab dem 11. 05.2019 konnten jedoch nicht alle Urlaubstage genommen werden. Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den beantragten Urlaub erteilt, hatte die Geltendmachung des Arbeitnehmers erfolgt, da der Arbeitgeber die von ihm für die Urlaubseinbringung geschuldete Erfüllungshandlung, die bezahlte Freistellung des Arbeitnehmers vornimmt (vgl. BAG vom 19.01.2016, NZA-RR 2016, 235). Die spätere krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Klägers ist ein nachträgliches Erfüllungshindernis, das der vollständigen Einbringung des offenen Urlaubsanspruchs entgegenstand. Die vorausgehende Geltendmachung des Urlaubsanspruchs war jedoch nicht erfolglos. Aufgrund der nicht vollständigen Einbringung des anteiligen Urlaubsanspruchs für 2016 von insgesamt 13 Tagen verblieb ein offener Resturlaub von neun Urlaubstagen zum 31.05.2016 zum Ende der Arbeitsphase in der Altersteilzeit des Klägers.
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2. Der Resturlaubsanspruch des Klägers von neun Urlaubstagen war nicht bereits zum Ende der Arbeitsphase mit Beginn der Freistellungsphase zum 01.06.2016 abzugelten. Eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs setzt gem. § 4 Abs. 4 BUrlG ebenso wie § 18 A. Nr. 7 S. 2 MTV die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus (BAG vom 15.03.2005, AP BUrlG § 7 Nr. 31). Der Übergang von der Arbeitsin die Freistellungsphase ist keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 7 Abs. 4 BUrlG, vielmehr setzt auch bei der Altersteilzeit ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus, die erst mit dem Ende der Freistellungsphase eintritt. Ein Abgeltungsanspruch ist aber nur gegeben, wenn der Urlaubsanspruch nicht bereits vorher verfallen ist.
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3. Der offene Resturlaub des Klägers von neun Urlaubstagen für 2016 wurde aufgrund der Freistellungsphase des Klägers bis zum 31.12.2016 nicht eingebracht.
21
Die Unmöglichkeit der Urlaubseinbringung bestand wegen der Freistellung von der Arbeitspflicht in der Freistellungsphase der Alterszeit. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers sowie die Freistellungsphase des Blockmodells in der Altersteilzeit sind als Ursachen für die Unerfüllbarkeit eines Urlaubsanspruchs gleichzustellen (BAG vom 16.10.2012, NZA 2013, 575). Der gesetzliche Urlaubsanspruch ist deshalb nicht bereits zum 31.03.2017, sondern erst nach 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres, somit zum 31.03.2018 erloschen (BAG a.a.O.).
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Entgegen der Ansicht des Klägers steht die Unmöglichkeit der Urlaubseinbringung während der Freistellungsphase einem Verfall des offenen Urlaubsanspruchs grundsätzlich nicht entgegen.
23
Es ist nicht gerechtfertigt, die Unmöglichkeitsgründe für die Einbringung von Resturlaub - eine lang andauernde Arbeitsunfähigkeit zum einen und die Freistellungsphase beim Blockmodell der Altersteilzeit zum anderen - unterschiedlich zu behandeln.
24
Auch bei einem Altersteilzeitvertrag ist es, je nach der zeitlichen Regelung, nicht ausgeschlossen, dass ein während der Arbeitsphase erworbener Resturlaubsanspruch, den ein Arbeitnehmer wegen Arbeitsunfähigkeit am Ende der Arbeitsphase nicht einbringen konnte, noch zum Ende des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Freistellungsphase abzugelten ist. So wäre beispielsweise bei einem Altersteilzeitvertrag mit einer Arbeitsphase vom 01.03.2014 bis zum 29.02.2016 und einer Freistellungsphase vom 01.03.2016 bis zum 28.02.2018 ein im Jahr 2016 noch offener Resturlaub zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.02.2018 noch nicht verfallen und deshalb abzugelten. Ein Verfall würde erst zum 31.03.2018 eintreten.
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Außerdem verfällt auch ein Urlaubsanspruch, der wegen einer lang andauernden Arbeitsunfähigkeit nicht eingebracht werden kann, mit Ablauf der fünfzehnmonatigen Übertragungsfrist, obwohl die Ursache der Nichteinbringung ein vom Arbeitnehmer nicht beeinflussbares schicksalhaftes Geschehen ist. Demgegenüber beruht der Altersteilzeitvertrag auf einer Vereinbarung, häufig auf Wunsch des Arbeitnehmers, weshalb er bereits vorher weiß, dass er zum einen während der Freistellungsphase keinen Urlaub erwirbt und den anteiligen Urlaub aus der Arbeitsphase grundsätzlich noch vor Beginn der Freistellungsphase einbringen muss. Es kann je nach der zeitlichen Ausgestaltung - wie beim obigen Beispiel - trotzdem die Möglichkeit der Abgeltung eines nicht eingebrachten Resturlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses geben, falls der Urlaubsanspruch noch nicht verfallen ist. Die möglichen Rechtsfolgen für einen in der Arbeitsphase nicht eingebrachten Resturlaub kann der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitvertrages nachvollziehen.
26
Ein anderes Ergebnis ist auch nicht deshalb angezeigt, weil während der Freistellungsphase der Altersteilzeit kein neuer anteiliger Urlaubsanspruch entsteht (BAG vom 24.09.2019, 9 AZR 481/18). Der Urlaubsanspruch ist für jedes Urlaubsjahr gesondert zu prüfen. Er entsteht für jedes Urlaubsjahr, weshalb auch die Voraussetzungen für eine mögliche Übertragung über den 31.12. des Urlaubsjahres hinaus gesondert zu prüfen sind. Es ist deshalb für den Urlaubsanspruch 2016 unerheblich, dass mit Beginn der Freistellungsphase des Klägers ab dem 01.06.2016 kein neuer Urlaubsanspruch entstand. Vielmehr kommt es nur darauf an, ob zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein noch offener bestehender Urlaubsanspruch abzugelten war. Dies setzt jedoch voraus, dass ein solcher Urlaubsanspruch nicht zwischenzeitlich verfallen ist.
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Ein solcher Verfall ist für den gesetzlichen Urlaubsanspruch zum 31.03.2018 eingetreten.
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4. Der anteilige tarifliche Mehrurlaubsanspruch des Klägers ist bereits zum 31.03.2017 verfallen.
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Der für das Arbeitsverhältnis der Parteien geltende Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie in Bayern enthält in § 18 A. Nr. 7 MTV für den tariflichen Mehrurlaub gegenüber dem Bundesurlaubsgesetz eine strengere Regelung.
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Für den tariflichen Mehrurlaub wurde ein eigenes Fristenregime im MTV geschaffen, wonach der Arbeitnehmer das Risiko tragen soll, dass der Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub infolge Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllbar ist, weswegen auch in diesem Fall der Urlaubsanspruch spätestens zum 31.03. des Folgejahres erlischt (BAG vom 17.11.2015, AP, BUrlG § 7 Nr. 78).
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Der Kläger kann sich deshalb auf keine günstigere Regelung für die Übertragung nicht eingebrachten Urlaubs berufen (die Entscheidung des LAG München vom 16.01.2019 - 8 Sa 348/18, Beck RS 2019, 8193 erging zum Manteltarifvertrag für die privaten und öffentlichen Banken, der keine Verfallsregelung enthält).
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Somit ist der anteilige Urlaubsanspruch des Klägers für 2016 hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs (über 20 Arbeitstage hinaus) bereits zum 31.03.2017 und hinsichtlich des gesetzlichen Urlaubsanspruchs zum 31.03.2018 verfallen. Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2019 bestand kein Urlaubsanspruch mehr, der abzugelten wäre. Die Klage ist deshalb abzuweisen.
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II. Die Kostenentscheidung ergeht gem. §§ 91 Abs. 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG.
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III. Der Streitwertfestsetzung liegen die §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ZPO zugrunde.