Inhalt

LG München I, Endurteil v. 04.09.2020 – 8 O 19823/17
Titel:

Keine Rückständigkeit der Einlage bei Stundung der Fälligkeit ohne entsprechenden Gesellschafterbeschluss

Normenkette:
HGB § 167 Abs. 3
Leitsatz:
Der von den Gesellschaftern noch nicht geleistete Teil ihrer Pflichteinlage nur insoweit „rückständig“ im Sinne des § 167 Abs. 3 HGB sein, als durch einen weiteren Gesellschafterbeschluss von den Gesellschaftern die Zahlung des noch ausstehenden Teils ihrer Pflichteinlage verlangt wird. Denn nur so wird verhindert, dass ein ausscheidender Gesellschafter ohne weiteren Gesellschafterbeschluss trotz vollständiger Einzahlung des bisher fällig gestellten Teils der Pflichteinlage noch darüber hinaus am Verlust der Gesellschaft teilnimmt. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kommanditeinlage, Rückstand, Fälligkeit, Stundung, Gesellschafterbeschluss
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 02.03.2022 – 7 U 5659/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 55724

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, die Nebenintervenienten tragen die durch die Nebenintervention verursachten Kosten selbst.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 8.420,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin, eine Publikums-Kommanditgesellschaft, fordert von dem Beklagten, einem früheren Kommanditisten, den Ausgleich des von ihr errechneten negativen Auseinandersetzungsguthabens.
2
Mit Unterzeichnung einer „Beitrittserklärung“ vom 26.11.2002 (Anlage K 1) trat der Beklagte der Klägerin mit einer Beteiligung von 100.000,00 € zuzüglich 5 % Agio als Direkt-Kommanditist bei. Der Beklagte bezahlte im Jahr 2002 einen Betrag von 55.000,00 € zuzüglich Agio als Einlage bei der Klägerin ein.
3
§ 4 Ziffer 3 Abs. 1 S. 3 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin sah in alter Fassung vor, dass 45 % der Pflichteinlage zinslos zur Zahlung fällig werden, wenn die Treugeber und Direktkommanditisten diesen Betrag in voller Höhe aus erwirtschafteten und zur Ausschüttung anstehenden Gewinnen der Gesellschaft leisten können (Bl. 11/Bl. 19 d.A.).
4
Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 24. Juli 2012 (Anlage K 2) wurde die Regelung des § 4 Ziffer 3 Abs. 1 S. 3 des Gesellschaftsvertrags wie folgt neu gefasst:
„6 % der Pflichteinlage werden zinslos fällig, wenn sie durch die Geschäftsführung der Gesellschaft zum Zwecke der Durchsetzung der steuerlichen Interessen sowie zur Bestandswahrung der Gesellschaft schriftlich eingefordert werden; der Rest der ausstehenden Pflichteinlage kann nur zinslos durch die Geschäftsführung eingefordert werden, wenn ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst wird.“
5
Mit Stand 10.07.2014 sah der Gesellschaftsvertrag damit u.a. folgende Regelungen vor (Anlage B3):
„§ 4 Gesellschaftsstruktur, Gesellschaftskapital
[…]
3. Kommanditeinlagen der Treugeber und Direktkommanditisten
Die Pflichteinlage eines Treugebers oder Direktkommanditisten beträgt mindestens EUR 25.000 zuzüglich eines Agio in Höhe von 5 % der Pflichteinlage und muss durch 5.000 teilbar sein. Die Treugeber und Direktkommanditisten sind verpflichtet, 55 % der Pflichteinlage zuzüglich eines Agio in Höhe von 5 % nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen als Geldeinlage zu leisten. 6 % der Pflichteinlage werden zinslos fällig, wenn sie durch die Geschäftsführung der Gesellschaft zum Zwecke der Durchsetzung der steuerlichen Interessen sowie zur Bestandswahrung der Gesellschaft schriftlich eingefordert werden; der Rest der ausstehenden Pflichteinlage kann nur zinslos durch die Geschäftsführung eingefordert werden, wenn ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst wird. Die Pflichteinlagen sind feste Kapitalbestandteile.
Direktkommanditisten werden jeweils mit 105 % der Pflichteinlage als Haftsumme, der Treuhandkommanditist wird für Treugeber jeweils anteilig mit 10 % der von diesen übernommenen Pflichteinlagen als Haftsumme in das Handelsregister eingetragen.
Der Treugeber (mittelbar über den Treuhandkommanditisten) und Direktkommanditisten haften gegenüber Gläubigern der Gesellschaft nach §§ 171, 172 HGB, insbesondere in Höhe der Differenz zwischen geleisteter Pflichteinlage und im Handelsregister eingetragener höherer Haftsumme.
Eine Verpflichtung zur Leistung von Nachschüssen oder sonstiger die Pflichteinlage zuzüglich Agio übersteigenden Zahlungen oder zur Teilnahme an Kapitalerhöhungen, die die übrigen Gesellschafter und Treugeber beschließen, besteht nicht. Dies gilt auch im Fall vorheriger vertragsgemäßer Entnahmen, die nicht durch Gewinne gedeckt sind, sodass in dieser Weise zurückbezahlte Kapitaleinlagen nicht als Pflichteinlagen wieder einzulegen sind.
[…]
5. Fälligkeit der in Geld einzubezahlenden Einlagen (Bareinzahlungen):
Die Bareinzahlungen (55 % der Pflichteinlage) zuzüglich Agio sind bis zu dem in der Beitrittserklärung genannten Zeitpunkt, spätestens eine Woche nach Wirksamkeit der Beitrittsvereinbarung, zur Einzahlung fällig. […]
§ 18 Vertragskosten
Die Kosten für diesen Vertrag, dessen Durchführung und die Vergütung des Treuhandkommanditisten trägt die Gesellschaft. Soweit ein Beteiligungsinteressent oder Treugeber ins Handelsregister eingetragen werden soll, hat er die Kosten der Beglaubigung der Handelsregistervollmachten, Handelsregistereintragungen und mögliche Änderungen zu tragen.
§ 23 Ausscheiden, Ausschluss eines Gesellschafters oder Treugebers
[…]
6. Soweit in diesem Vertrag nichts anderes geregelt ist, bemisst sich die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters oder Treugebers nach der Höhe des Verkehrswertes seines Kapitalanteils im Zeitpunkt des Ausscheidens. Kann über die Höhe der Abfindung zwischen dem Komplementär und dem ausscheidenden Gesellschafter oder Treugeber kein Einvernehmen erzielt werden, wird die Abfindung durch einen von der Wirtschaftsprüferkammer München zu benennenden Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter, der auch über die Kosten seiner Inanspruchnahme entsprechend den Bestimmungen der §§ 91 f. ZPO zu befinden hat, verbindlich ermittelt.
Die Abfindung ist in Raten zu entrichten, die jeweils mit den von der Gesellschaft vorzunehmenden Ausschüttungen fällig sind und demjenigen Betrag entsprechen, den der ausscheidende Gesellschafter oder Treugeber bei Verbleib in der Gesellschaft erhalten hätte. Die Raten sind nicht zu verzinsen. […].“
6
Mit Schreiben vom 27.01.2014 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass gemäß § 4 Ziffer 3 Abs. 1 S. 3 des geänderten Gesellschaftsvertrags ein Betrag von 6 % der Pflichteinlage von 100.000,00 €, mithin 6.000,00 € bei der Klägerin einzuzahlen sei. Dem kam der Beklagte nach.
7
Der Beklagte erklärte mit Anwaltsschreiben die Kündigung seiner Beteiligung und schied zum 31.12.2014 aus der Klägerin aus.
8
Die Klägerin ließ das Abfindungsguthaben des Beklagten auf den Stichtag 31.12.2014 durch eine Steuerberaterkanzlei ausrechnen. Mit Schreiben der Steuerberaterin Hengl vom 12.04.2016 (Anlage K 4) wurde dem Beklagten mitgeteilt, dass das Abfindungsguthaben zum 31.12.2014 negativ sei und bei minus 7.920,00 € liege. Ferner sei bei Ausscheiden aus der Gesellschaft ein Pauschalbetrag von 500,00 € zu ersetzen.
9
Der Beklagte bezahlte diesen Betrag nicht an die Klägerin.
10
Die Parteien konnten sich in der Folge nicht über die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens einigen.
11
Der Klägerin behauptet, dass ihr ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung eines negativen Auseinandersetzungsguthabens in Höhe von 7.920,00 € zuzüglich einer Pauschalzahlung von 500,00 € im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Beklagten zustehe. Es gebe eine Vereinbarung mit dem Beklagten bzw. dessen Prozessbevollmächtigten über die Pauschalzahlung von 500,00 €. Die Klägerin trägt vor, dass ihr für die Austragung des Beklagten aus dem Handelsregister Kosten in Höhe von 276,80 € entstanden und diese von der Klägerin bezahlt worden seien. Dieser Betrag von 276,80 € sei von dem Beklagten gemäß § 18 des Gesellschaftsvertrags zu erstatten und als unselbständiger Rechnungsposten zugunsten der Klägerin in die Berechnung des Abfindungsguthabens des Beklagten einzustellen.
12
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Einlagenforderung gegen den Beklagten nicht durch Fremdfinanzierung in Form aufgenommener Darlehen getilgt worden sei. Die Aufnahme der Darlehen sei auf Gesellschaftsebene erfolgt. Sie habe lediglich der Finanzierung von Filmprojekten gedient. Es sollten jedoch nicht die Gesellschafter selbst endgültig von ihrer Einlagepflicht befreit werden. Die mangelnde Fälligkeit der Einlagepflicht stehe der Annahme des Rückstandes mit der Einlage nicht entgegen.
13
Bei der Änderung des Gesellschaftervertrages handle es sich nicht um die Schaffung einer zusätzlichen Verpflichtung im Sinne eines Nachschusses. Die im ursprünglichen Vertrag vereinbarte Zahlung der Pflichteinlage in Höhe von 55 % und Verrechnung der übrigen 45 % stelle eine jederzeit durch Beschluss abänderbare Fälligkeitsregelung dar. Die Pflichteinlage sei noch nicht vollständig erbracht worden. Dem Beklagten stehe kein Anspruch gegen die Klägerin wegen fehlerhafter Prospektangaben oder wegen seitens eines Vermittlers begangener Aufklärungspflichtverletzungen zu.
14
Die Berechnung der Steuerberaterin … sei zutreffend nach der Höhe des mit der Discounted-Cash-Flow-Methode ermittelten Verkehrswerts des Kapitalanteils im Zeitpunkt des Ausscheidens festgesetzt worden. Der Verkehrswert habe an Hand der prognostizierten künftigen finanziellen Überschüsse ermittelt werden können.
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Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht verjährt.
16
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Schiedsgutachtervereinbarung in § 23 Ziffer 6 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der Geltendmachung des Auseinandersetzungsguthabens nicht im Wege stehe, da im vorliegenden Rechtsstreit nicht nur die Höhe, sondern auch der Grund des Anspruchs in Streit stehe. Die Berufung des Beklagten auf diese Klausel sei treuwidrig, da der Beklagte keine Anstrengungen für die Beauftragung des Sachverständigen unternommen habe. Das Gericht könne entsprechend § 319 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB selbst ein Sachverständigengutachten einholen. Jedenfalls sei der Klägerin durch das Gericht (erneut) eine angemessene Frist zur Erholung des Schiedsgutachtens einzuräumen.
17
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klägerin 8.420,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Hilfsweise, für den Fall, dass das erkennende Gericht von der Anwendbarkeit des § 23 Ziffer 6 S. 2 des Gesellschaftsvertrags (Schiedsklausel) ausgeht, beantragt die Klägerin,
1.
entsprechend den Regelungen der §§ 356, 431 ZPO eine angemessene Frist zur Einholung des fehlenden Schiedsgutachtens zu setzen.
2.
festzustellen, dass der Betrag von 276,80 € als unselbständiger Rechnungsposten zugunsten der Klägerin in die Berechnung des Abfindungsguthabens des Beklagten eingestellt wird.
18
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung in Bezug auf Haupt- und Hilfsanträge.
19
Der Beklagte behauptet, dass die 45 % der Einlage, die nicht direkt geleistet worden sind, über Darlehen fremdfinanziert worden seien. Diese Darlehen sollten durch Gewinne der Gesellschaft getilgt werden. Dies ergebe sich aus S. 16 und S. 56 des Emissionsprospektes (Anlage B1). Diese Darlehen seien prospektgemäß und fristgerecht zurückgezahlt worden (Anlage B2). Die Klägerin habe für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektangaben einzustehen.
20
Der Beklagte meint, dass deshalb die Einlage bereits voll erbracht worden sei. Der Beklagte nehme deshalb auch nicht gem. § 167 Abs. 3 HGB an den Verlusten der KG über eine negative Abfindung teil. Diese Funktionsweise der Beteiligung sei ihm auch bei der Vermittlung der Anlage beschrieben worden. Ferner sei er, der Beklagte, mit der Zahlung seiner Einlage, falls er sie doch dem Grunde nach schulde, nicht im Rückstand, da diese Einlage nur aufgrund eines entsprechenden Gesellschaftsbeschlusses gefordert werden dürfe, der aber noch nicht herbeigeführt worden sei. Die Fälligkeit der Einlagenzahlung sei Voraussetzung für ihre Rückständigkeit im Sinne von § 167 Abs. 3 HGB.
21
Durch die bankverbürgte Erlössicherung von 80 % des Produktionskostenanteils sei der Rückfluss der ausstehenden Kommanditeinlage gesichert gewesen. Hinsichtlich der zunächst offenen Pflichteinlage sei Erfüllung durch Verrechnung eingetreten.
22
Die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens in den Berechnungen der Steuerberaterin Hengl vom 12.04.2016 (Anlage K4) sei nicht nachvollziehbar, insbesondere sei dort keine konkrete Auseinandersetzungsbilanz aufgeführt. Die Ermittlung der Ertragswerte allein an Hand von Prognosen führe zu sehr unsicheren Werten. Das Auseinandersetzungsguthaben sei an Hand einer Vermögensbilanz festzustellen, die jedoch nicht nach den für die Handelsbilanz geltenden Grundsätzen aufzustellen sei.
23
Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Liquiditätsreserve bestehe nicht, der Beklagte habe seine Pflichteinlage bereits erbracht. Eine darüber hinausgehende Zahlungspflicht des Beklagten bestehe nicht. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Zahlung eines negativen Auseinandersetzungsguthabens zu.
24
Auch für die Erhebung eines Betrags von 500,00 € für das Ausscheiden aus der Gesellschaft gebe es keine Grundlage. Der Beklagte bestreitet Löschungskosten für die Austragung des Beklagten aus dem Handelsregister in Höhe von 276,80 €. Es existiere keine Vereinbarung mit dem Beklagten bzw. dessen Prozessbevollmächtigten über eine Pauschalzahlung von 500,00 € im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Beklagten.
25
Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung (Bl. 14 d.A.).
26
Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage wegen der Schiedsgutachtervereinbarung in § 23 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrags nicht begründet sei. Das Schiedsgutachten sei vorrangig von der Klägerin, die einen Anspruch geltend mache, zu erholen.
27
In der mündlichen Verhandlung vom 15.10.2018 traten zum Zwecke eines Vergleichsschlusses die Gesellschaften … dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin bei (Bl. 51 d.A.). In der Folge wurde in der mündlichen Verhandlung vom 15.10.2018 ein, für den Beklagten widerruflicher Vergleich mit Widerrufsfrist 05.11.2018, geschlossen (Bl. 51/52 d.A.). Für den Fall des Vergleichswiderrufs wurde der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung vom 15.10.2018 seitens des Gerichts eine Frist von 6 Monaten zur Vorlage eines Schiedsgutachtens zur Frage der Höhe der Fremdfinanzierung gesetzt (Bl. 53/54 d.A.).
28
Mit Schriftsatz des Beklagten vom 5.11.2018, Eingang am selben Tag bei Gericht, wurde der in der mündlichen Verhandlung vom 15.10.2018 geschlossene Vergleich widerrufen (Bl. 55 d.A.).
29
Mit Gerichtsbeschluss vom 05.12.2018 wurde auf übereinstimmenden Antrag der Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet (Bl. 57/59 d.A.). Die Wiederaufnahme des Verfahrens wurde mit Schriftsatz der Klägerin vom 05.06.2019, eingegangen am selben Tag bei Gericht, beantragt (Bl. 60/61 d.A.).
30
Auf Antrag der Klägerin mit Schriftsatz vom 03.12.2019 wurde die Frist zur Beibringung des Schiedsgutachtens bis zum 05.03.2020 verlängert (Bl. 73/75 d.A.). Auf erneuten Antrag der Klägerin mit Schriftsatz vom 05.03.2020 wurde die Frist zur Beibringung des Schiedsgutachtens erneut bis zum 06.07.2020 verlängert (Bl. 76/76 d.A.). Zugleich wurde die Klägerin seitens des Gerichts darauf hingewiesen, dass eine neuerliche Fristverlängerung ohne triftige Gründe nicht mehr in Betracht komme (Bl. 78 d.A.). Mit Schriftsatz vom 06.07.2020 beantragte die Klägerin die Frist zur Beibringung des Schiedsgutachtens bis zum 06.08.2020 zu verlängern (Bl. 82 d.A.). Der Fristverlängerungsantrag wurde mit Beschluss des Gerichts vom 20.07.2020 zurückgewiesen (Bl. 86/88 d.A.).
31
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den schriftsätzlichen Vortrag der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 15.10.2018 und 10.08.2020 (Bl. 50/54, 100/102 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

32
Die zulässige Klage ist als unbegründet abzuweisen.
I.
33
Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus §§ 12, 13 ZPO. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 23, 71 GVG.
II.
34
Die Klage ist (endgültig) unbegründet.
35
1. Die Klage ist unbegründet, da zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Beklagten am 31.12.2014 keine „rückständige Einlage“ mehr bestand, sodass in Ermangelung eines weiteren Gesellschafterbeschlusses im Sinne des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags neuer Fassung der Beklagte nicht über die von ihm bereits erbrachte Einlage hinaus am Verlust der Gesellschaft teilnimmt. Auch ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung einer Bearbeitungsgebühr von 500,00 € infolge seines Ausscheidens zum 31.12.2014 besteht nicht. Das Gericht macht sich die überzeugenden aktuellen Ausführungen des Oberlandesgerichts München, Urteil vom 27.05.2020, Az. 7 U 594/20, BeckRS 2020, 11625) zu Eigen, die auf den vorliegenden Fall passen.
36
a) Demnach gilt, dass da die Verluste der Gesellschaft entsprechend dem Verlustanteil des Gesellschafters abzuschreiben sind, sein Kapitalkonto grundsätzlich negativ werden kann. Dies bedeutet für den Kommanditisten nach § 167 Abs. 3 HGB jedoch nur, dass er in Ermangelung besonderer Abreden oder Beschlüsse der Gesellschafter grundsätzlich nicht nachschusspflichtig ist und auch die §§ 735, 738 BGB nicht gelten, so dass er gegenüber den Mitgesellschaftern nicht ausgleichspflichtig werden kann. Er verliert allenfalls seinen (bislang) positiven Kapitalanteil und hat bei Verlusten der Gesellschaft, die den Kapitalanteil übersteigen, maximal die rückständige Pflichteinlage sowie die rückzahlbaren Entnahmen zu leisten. Die Haftsumme spielt keine Rolle.
37
Da im streitgegenständlichen Fall unstreitig keine rückzahlbaren Entnahmen vorgenommen wurden, muss der Beklagte maximal eine etwaige noch rückständige Pflichteinlage leisten.
38
Das Oberlandesgericht München hat bezüglich der hiermit aufgeworfenen Problematik bereits entschieden, dass nach § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags alter Fassung die Pflichteinlage 100 % des Zeichnungsbetrages (und damit im streitgegenständlichen Fall 100.000,00 €) betrug. Die in § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags alter Fassung getroffene Regelung war nur eine Fälligkeitsregelung, mit der 45 % der Pflichteinlage zunächst gestundet und damit nicht zur Zahlung durch die Kommanditisten an die Gesellschaft fällig wurden. Denn dort war eine dahingehende Teilung des Pflichteinlagebetrages vorgesehen, dass 55 % „der Pflichteinlage“ zuzüglich eines Agios als Geldeinlage zu zahlen waren, wobei die diesbezügliche Fälligkeit sich aus der Beitrittserklärung und § 4 Ziffer 5. Abs. 1 S. 1 des Gesellschaftsvertrags ergab. Die in § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags ausdrücklich genannten weiteren „45 % der Pflichteinlage“ sollten demnach nach Vorliegen bestimmter Voraussetzungen erst später „fällig“ und durch Verrechnung mit erwirtschafteten und zur Ausschüttung anstehenden Gewinnen durch den Gesellschafter geleistet werden.
39
Weiter hat das Oberlandesgericht München bereits entschieden, dass mit der Neufassung des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags durch den Gesellschafterbeschluss vom 24.07.2012 weitere 6 % des jeweiligen Zeichnungsbetrages zur Zahlung durch die Kommanditisten als Teil der Pflichteinlage fällig gestellt wurden, die diesbezügliche Stundung also beendet wurde. Dieser Betrag von 6.000,00 € wurde vom Beklagten unstreitig bezahlt.
40
Die Frage welche Regelung die Gesellschafter mit ihrem Beschluss vom 24.07.2012 bezüglich der restlichen 39 % der Zeichnungssumme getroffen haben, wurde vom Oberlandesgericht München im Parallelverfahren zutreffend dahingehend entschieden, dass die Gesellschafter durch § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags neuer Fassung § 167 Abs. 3 HGB dahingehend abbedungen haben, dass der von den Gesellschaftern noch nicht geleistete Teil ihrer Pflichteinlage nur soweit „rückständig“ im Sinne des § 167 Abs. 3 HGB sein soll, als durch Gesellschafterbeschluss von den Gesellschaftern die Zahlung des noch ausstehenden Teils ihrer Pflichteinlage verlangt, diese also fällig gestellt wurde.
41
Dies ergibt sich aus der objektiven Auslegung des Gesellschaftsvertrags der Klägerin als Publikumsgesellschaft.
42
Ausgangspunkt der Auslegung hat dabei der Wortlaut des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags neuer Fassung zu sein. Dieser deutet darauf hin, dass die restlichen 39 % der Zeichnungssumme weiterhin Teil der Pflichteinlage sein sollen, mit der Folge, dass auch sie nur gestundet wären, da ausdrücklich vom „Rest der ausstehenden Pflichteinlage“ die Rede ist. Von einer Kapitalherabsetzung ist in der Neufassung des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags dagegen nicht die Rede. Eine solche wäre bei der im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigenden Interessenlage der Gesellschafter auch nicht interessengerecht, da Anlass der Neufassung des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags gerade ein weiterer Liquiditätsbedarf der Gesellschaft war. In einer solchermaßen angespannten finanziellen Situation kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Gesellschafter eine Kapitalherabsetzung um 39 % beschließen und der Gesellschaft damit die Möglichkeit zukünftiger Eigenkapitalbeschaffung nehmen.
43
Damit würde der Beklagte nach der Rechtsprechung des BGH zum Begriff der „rückständigen Einlage“ im Sinne des § 167 Abs. 3 HGB, wonach eine noch offene Einlageverpflichtung (wie hier die restlichen 39 % der Zeichnungssumme) unabhängig von ihrer Fälligkeit eine „rückständige Einlage“ im Sinne des § 167 Abs. 3 HGB darstellt, grundsätzlich bis zur vollen Höhe ihrer Pflichteinlage am Verlust der Gesellschaft teilnehmen.
44
Dieses Ergebnis wäre jedoch nicht interessengerecht und widerspräche dem sich unmittelbar aus der Regelung ergebenden Zweck des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags neuer Fassung. Dieser soll nämlich sicherstellen, dass über eine weitere Inanspruchnahme der Kommanditisten nicht - wie im Fall der eigens bezeichneten 6 % - die Geschäftsführung der Gesellschaft entscheiden kann, sondern es dazu immer eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedarf. Da dem Wortlaut des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags neuer Fassung keine Differenzierung zwischen nach dem Beschluss vom 24.07.2012 ausgeschiedenen Gesellschaftern wie dem Beklagten einerseits und weiterhin in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschaftern andererseits zu entnehmen ist, erstreckt sich der durch die Vorschrift bezweckte Schutz auch auf beide Gruppen gleichermaßen. Beide Gruppen sollen also nur dann weiter in Anspruch genommen werden können, wenn die Gesellschafter dies durch einen weiteren Beschluss für notwendig erachtet haben. Dieses sich schon aus dem Wortlaut des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags ergebende mit dem Beschluss vom 24.07.2012 verfolgte Ziel der Gesellschafter konnten diese hinsichtlich der Gruppe der nach dem 24.07.2012 ausscheidenden Gesellschafter nur durch eine teilweise Abbedingung des - wie sich aus § 163 HGB ergibt - dispositiven § 167 Abs. 3 HGB dahingehend erreichen, dass der von den Gesellschaftern noch nicht geleistete Teil ihrer Pflichteinlage nur insoweit „rückständig“ im Sinne des § 167 Abs. 3 HGB sein soll, als durch einen weiteren Gesellschafterbeschluss von den Gesellschaftern die Zahlung des noch ausstehenden Teils ihrer Pflichteinlage verlangt wird. Denn nur so wird verhindert, dass ein ausscheidender Gesellschafter ohne weiteren Gesellschafterbeschluss trotz vollständiger Einzahlung des bisher fällig gestellten Teils der Pflichteinlage noch darüber hinaus am Verlust der Gesellschaft teilnimmt. Ohne diese partielle Abbedingung des § 167 Abs. 3 HGB würde einem ausscheidenden Gesellschafter der Schutz des Erfordernisses eines Gesellschafterbeschlusses für jede weitere Inanspruchnahme entzogen. Denn beim Ausscheiden eines Gesellschafters würde sich in diesem Fall bei Vorliegen eines negativen Kapitalkontos - auf welcher Berechnungsgrundlage auch immer - allein dadurch eine weitere Inanspruchnahme des ausscheidenden Gesellschafters ergeben, ohne dass hierüber zuvor ein Gesellschafterbeschluss herbeigeführt worden wäre.
45
Soweit die Klägerin von einer Einlageforderung von noch 39 % der Zeichnungssumme ausgeht, ist ihr deshalb entgegen zu halten, dass in dieser Höhe eine rückständige Einlage nicht besteht, da es an einem entsprechenden Gesellschafterbeschluss, der jedoch aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelung erforderlich wäre, fehlt. Festzuhalten ist aber auch, dass nach Ausscheiden des Beklagten eine Einlageforderung in oben genannter Höhe auch nicht aufgrund eines künftigen Gesellschafterbeschlusses mehr gegenüber dem Beklagten geltend gemacht werden kann, da diesem eine Mitwirkung bei der Beschlussfassung nach Ausscheiden verwehrt ist.
46
Da im streitgegenständlichen Fall ein Beschluss der Gesellschafterversammlung über eine weitere Inanspruchnahme der Gesellschafter aber unstreitig nicht gefasst wurde, besteht aufgrund der vom Beklagten bereits erbrachten Zahlung von insgesamt 61 % der Zeichnungssumme keine „rückständige Einlage“ mehr, sodass der Beklagte als Kommanditist nicht mehr am Verlust der Gesellschaft teilnimmt und deshalb ein etwaiges negatives Kapitalkonto auch nicht ausgleichen muss.
47
Da demnach schon dem Grunde nach ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten nicht besteht, kommt es auf die Frage, ob vorab ein Schiedsgutachten zur Höhe des negativen Abfindungsguthabens zu erholen gewesen wäre, nicht an. Auch das als Anl. K6 vorgelegte, im Verfahren des Landgerichts München I, Az. 11 O 19833/17, erholte Sachverständigengutachten spielt daher im streitgegenständlichen Verfahren keine Rolle.
48
b) Bezüglich der von der Klägerin vom Beklagten verlangten Gebühr in Höhe von 500,00 € war die Klage ebenfalls abzuweisen. § 18 S. 2 des Gesellschaftsvertrags sieht nämlich nur vor, dass, soweit ein Beteiligungsinteressent oder Treugeber ins Handelsregister eingetragen werden soll, er die Kosten der Beglaubigung der Handelsregistervollmachten, Handelsregistereintragungen und möglicher Änderungen zu tragen hat. Derartige Register- und/oder Beglaubigungskosten hat die Klägerin aber zum Hauptantrag nicht vorgetragen. Vielmehr ist im Anschreiben der Steuerberaterin (Anlage K4, S. 3) davon die Rede, dass bei Ausscheidensfällen von ehemaligen Mitgesellschaftern pauschal 500,00 € pro Ausscheidensfall zu ersetzen seien. Derartige Kosten sind aber schon nicht vom Wortlaut der Regelung des § 18 S. 2 des Gesellschaftsvertrags gedeckt. Der Beklagte hat zudem eine Vereinbarung über eine Pauschalzahlung von 500,00 € im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden wirksam bestritten. Die Klägerin ist in Bezug auf die entsprechende Behauptung beweisfällig geblieben.
49
Auch kann nicht der zum Hilfsantrag berechnete Betrag von 276,80 € im Rahmen des Hauptantrags in Ansatz gebracht werden. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Austragung des Beklagten aus dem Handelsregister in Höhe von 276,80 € zu. Als Anspruchsgrundlage einzig infrage käme § 18 S. 2 des Gesellschaftsvertrages. Demnach gilt, dass „soweit ein Beteiligungsinteressent oder Treugeber ins Handelsregister eingetragen werden soll, er die Kosten der Beglaubigung der Handelsregistervollmachten, Handelsregistereintragungen und mögliche Änderungen zu tragen hat“. Hieraus folgt jedoch kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Austragung des Beklagten aus dem Handelsregister. Hierfür spricht bereits der Wortlaut von § 18 S. 2 des Gesellschaftsvertrages. So ist nur von Kosten der Beglaubigung der Handelsregistervollmachten, Handelsregistereintragungen und möglicher Änderungen die Rede. Löschungen aus dem Handelsregister sind nicht erwähnt und auch nicht unter den Begriff der „Änderungen“ zu subsumieren. Dies folgt auch daraus, dass Adressaten der Regelung des § 18 S. 2 des Gesellschaftsvertrages „Beteiligungsinteressenten oder Treugeber“ sind. Der Begriff des „Beteiligungsinteressenten“ macht deutlich, dass die Regelung lediglich Kosten vor Abschluss der Beteiligung betrifft. Der Beklagte war im Zeitpunkt der Löschung des Beklagten aus dem Handelsregister weder „Beteiligungsinteressent“ noch „Treugeber“ im Sinne von § 18 S. 2 des Gesellschaftsvertrages, sondern bereits im Handelsregister eingetragener Direktkommanditist (vgl. Anlage K1). Aus § 18 S. 2 des Gesellschaftsvertrages folgt damit kein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Erstattung von Kosten für die Austragung des Beklagten aus dem Handelsregister.
50
2. Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Zinsanspruch.
51
3. Über die Hilfsanträge war nicht zu entscheiden, da die Klage als endgültig unbegründet abgewiesen wurde und es auf die Anwendbarkeit des § 23 Ziffer 6 S. 2 des Gesellschaftsvertrags (Schiedsklausel) nicht ankam. Die Bedingung der Hilfsanträge ist damit nicht eingetreten.
III.
52
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 S. 2 ZPO.
IV.
53
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, S. 2, 711 S. 1, S. 2 ZPO.
V.
54
Der Streitwert war nach § 63 Abs. 2 GKG festzusetzen und beruht auf § 3 ZPO.