Titel:
Herkunftsland, Nichtzulassung, Ausreise, Asylrecht, Abschiebung, Bescheid, Asylberechtigter, Bundesamt, Berufung, Drittstaat, Abschiebungsverbote, Verfolgungshandlung, Verfolgungsgrund, Arbeitslosigkeit, Kosten des Verfahrens, Anerkennung als Asylberechtigter, Furcht vor Verfolgung
Schlagworte:
Herkunftsland, Nichtzulassung, Ausreise, Asylrecht, Abschiebung, Bescheid, Asylberechtigter, Bundesamt, Berufung, Drittstaat, Abschiebungsverbote, Verfolgungshandlung, Verfolgungsgrund, Arbeitslosigkeit, Kosten des Verfahrens, Anerkennung als Asylberechtigter, Furcht vor Verfolgung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 03.12.2021 – 14 ZB 21.30040
Fundstelle:
BeckRS 2020, 55585
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung eines subsidiären Schutzstatus und weiter hilfsweise die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in seiner Person vorliegen.
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Der ausweislich der Bundesamtsakte am … geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens. Er stellte am 11.10.2018 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im weiteren Bundesamt) einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter.
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Bei der Anhörung durch das Bundesamt am 18.10.2018 gab der Kläger an, dass er selbst keine Probleme mit der Regierung gehabt habe. Weil seine Familie keinen Märtyrer gehabt habe, habe er aber nicht an eine normale Universität, sondern an eine Privatuniversität gehen müssen. Seine Familie sei politisch aktiv und sein Onkel Peschmerga gewesen und er sei deswegen anders behandelt worden. Er selbst sei politisch nicht aktiv gewesen. Sein Vater habe im politischen Bereich gearbeitet und zwei Telefone gehabt. Er habe gesehen, dass er mit einem davon seine politische Arbeit erledigt habe. Ungefähr 20 Tage vor der Ausreise nach Serbien sei an der Tür geklopft worden, als sein Vater gerade die Fernsehnachrichten angeschaut habe. Seine Schwester sei zur Tür gegangen und habe auf Aufforderung die Türe geöffnet. Es seien sechs oder sieben Leute hereingekommen, von denen einer Kurde gewesen sei. Er und seine Schwester hätten zur Seite gehen müssen und das Haus sei durchsucht worden, sogar die Nähsachen seiner Mutter, die als Näherin arbeite. Sie seien aufgefordert worden, die Telefone vorzuzeigen. Sein Vater sei gefragt worden, ob es sein einziges Telefon sei. Sein eigenes Telefon sowie die Telefone seiner Mutter und Schwester seien auch angeschaut, aber danach zurückgegeben worden. Die Männer seien wütend gewesen, weil im Fernsehen ein kurdischer Kanal gelaufen sei. Die Männer seien bewaffnet gewesen. Sie hätten seinen Vater mitgenommen. Er sei sicher, dass sie von der Etelaat gewesen seien.
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Mit Bescheid vom 21.12.2018 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und Asylanerkennung (Nr. 2) ab, erkannt ihm den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, im Falle der Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Für den Fall der Nichtausreise wurde ihm die Abschiebung in den Iran oder einen anderen, noch nicht benannten Staat angedroht, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass der Kläger selbst angegeben habe, politisch nicht aktiv gewesen zu sein und keine Probleme mit iranischen Behörden gehabt zu haben. Auch die Ablehnung an der staatlichen Universität führe zu keinem anderen Ergebnis, weil der Kläger lediglich vermute, dass die politische Aktivität seiner Familie dafür verantwortlich gewesen sei. Gegen ein verfolgungsinteresse spreche auch, dass der Kläger seine Heimat problemlos habe verlassen können.
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Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigte am 15.1.2019 Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg erheben.
den Bescheid des Bundesamts vom 21.12.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
ihm subsidiären Schutz zu gewähren,
festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
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Die Beklagte beantragt unter Berufung auf den streitgegenständlichen Bescheid,
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Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 7.7.2020 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
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Im Übrigen wird auf die in elektronischer Form vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakte mit den eingereichten Schriftsätzen und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 29.9.2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Dies gilt sowohl für den Hauptantrag (dazu I.) als auch für die Hilfsanträge (dazu II. bis IV.).
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I. Der Hauptantrag ist unbegründet. Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (dazu 1)) noch ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (dazu 2.)) zu.
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1. Die Ablehnung des klägerischen Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigter ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger nach eigenen Angaben von Serbien aus mit dem Bus weiter nach Deutschland gefahren, also aus einem sicheren Drittstaat i.S.d. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG und des § 26a Abs. 2 AsylG eingereist ist, sodass er sich nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 1 Satz 2 AsylG nicht auf das Asylrecht berufen kann.
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2. Auch die Ablehnung des klägerischen Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer - soweit hier von Interesse - Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 560 - Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
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Für den Kläger besteht zur Überzeugung des Gerichts eine solche begründete Furcht vor Verfolgung im oben dargestellten Sinne nicht.
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Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG meint die auf einem Verfolgungsgrund beruhende Verfolgungshandlung durch einen entsprechenden Akteur. Verfolgungshandlungen können nach § 3a Abs. 1 AsylG in schwerwiegenden Verletzungen grundlegender Menschenrechte oder einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die in ihrer Gesamtheit eine ähnliche Betroffenheit beim Verfolgten auslösen. Vorausgesetzt ist stets ein gezielter, aktiver Eingriff. Bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland - etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen - zu erleiden hat, fehlt es deshalb regelmäßig an einer tauglichen Verfolgungshandlung (OVG NRW, B.v. 28.3.2014 - 13 A 1305/13.A - juris Rn. 23; vgl. auch BVerfG, B.v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 - juris Rn. 43). Die Verfolgungshandlung kann gemäß § 3c AsylG vom Staat, Parteien oder Organisationen mit Gebietsherrschaft sowie von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen. Im letztgenannten Fall ist erforderlich, dass andere Akteure zur Schutzgewährung nicht willens oder fähig sind. Zwischen der Verfolgungshandlung und den in § 3 Abs. 1, § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung bestehen, das heißt der Verfolgungsgrund muss einen wesentlichen Faktor für die Verfolgungshandlung darstellen (Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 3a AsylG Rn. 7).
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Furcht vor Verfolgung ist dann begründet, wenn dem Betroffenen die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, also mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris Rn. 19; U.v. 19.4.2018 - 1 C 29/17 - juris Rn. 14). Eine derartige Prognose ist gerechtfertigt, wenn bei zusammenfassender Würdigung des betreffenden Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Gründe ein größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Tatsachen (BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29/17 - juris Rn. 14). Bei der Prüfung sind gemäß Art. 4 Abs. 3 RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikations-RL) neben den das Herkunftsland allgemein betreffenden Tatsachen auch das Vorbringen des Schutzsuchenden und seine individuelle Lage zu berücksichtigen. Entscheidend ist, ob die genannten Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorrufen können, wenn also aufgrund dessen eine Rückkehr in den Heimatstaat unzumutbar erscheint (BVerwG, B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - juris Rn. 37; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris Rn. 19; U.v. 19.4.2018 - 1 C 29/17 - juris Rn. 14). Die Tatsache, dass der Betreffende bereits verfolgt wurde, einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder solches unmittelbar drohte, ist gemäß Art. 4 Abs. 4 Qualifikations-RL als ernsthafter Hinweis auf eine begründete Furcht vor Verfolgung zu werten, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass solche Verfolgung erneut im Raum steht.
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Bei der Würdigung der vorliegenden Erkenntnisse vor dem Hintergrund dieser Anforderungen hat das Gericht zu berücksichtigen, dass sich der Asylsuchende typischerweise in einem Beweisnotstand befindet, weil ihm die üblichen Beweismittel regelmäßig nicht zur Verfügung stehen und im Herkunftsland in der Regel auch nicht erhoben werden können. Daraus folgt zum einen, dass dem persönlichen Vortrag des Betreffenden gesteigerte Bedeutung zukommen muss (BVerwG, U.v. 29.11.1977 - I C 33.71 - juris Rn. 15; U.v. 16.4.1985 - 9 C 109/84 - juris Rn. 16). Zum anderen darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen (BVerwG, U.v. 29.11.1977 - I C 33.71 - juris Rn. 15; U.v. 16.4.1985 - 9 C 109/84 - juris Rn. 16; B.v. 8.2.2011 - 10 B 1/11 - juris Rn. 8). Damit das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals erlangen kann, muss der Betreffende die Geschehnisse schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei schildern und durch konkrete, anschauliche und detailreiche Angaben erkennen lassen, dass er das Geschilderte tatsächlich erlebt hat (BVerwG, B.v. 26.10.1989 - 9 B 405/89 - juris Rn. 8; U.v. 10.5.1994 - 9 C 434/93 - juris Rn. 8). Erhebliche Widersprüche oder Steigerungen im Sachvortrag stehen dessen Glaubhaftigkeit entgegen, es sei denn, sie können überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris Rn. 18; B.v. 21.7.1989 - 9 B 239.89 - juris Rn. 3)
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Gemessen an diesen Maßstäben kann sich der Kläger weder auf eigene Verfolgungsgründe stützen (dazu a)), noch kann er aus den politischen Aktivitäten seines Vaters etwas für sich ableiten (dazu b)).
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a) Der Kläger hat selbst sowohl beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung angegeben, persönlich keine Probleme mit iranischen Behörden gehabt zu haben. Soweit er sich darauf beruft, er habe nicht an eine „normale“, sondern an eine private Universität gehen müssen, weil seine Familie „keinen Märtyrer“ habe, ist ein Verfolgungsgrund nicht glaubhaft gemacht. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger hierzu erläutert, dass er die Prüfung an der staatlichen Universität bestanden habe, aber wegen der politischen Aktivität seines Onkels nicht habe studieren dürfen. Zum einen war der insoweit wenig detailreiche Vortrag des Klägers, der sich im Wesentlichen in der Behauptung erschöpft hat, aus politischen Gründen nicht zugelassen worden zu sein, nicht geeignet, das Gericht davon zu überzeugen, dass die fehlende Zulassung des Klägers zu einer staatlichen Universität tatsächlich aufgrund des familiären Hintergrundes erfolgt ist. Dem entspricht auch, dass der Kläger beim Bundesamt selbst eingeräumt hat, es handle sich dabei nur um eine Vermutung. Zum anderen wäre auch fraglich, ob in der Nichtzulassung überhaupt eine asylerhebliche Verfolgungshandlung gesehen werden kann, zumal der Kläger nach eigenem Vorbringen an einer privaten Universität studieren konnte.
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b) Der Kläger kann auch aus dem Engagement seines Vaters für die Demokratische Partei Kurdistans-Iran (DPK-I) nichts für sich ableiten. Zwar kann ein Engagement in kurdischen Parteien unter bestimmten Voraussetzungen die begründete Gefahr von Verfolgung durch iranische Behörden nach sich ziehen. Ob eine solche auch beachtlich wahrscheinlich ist, muss aber im Einzelfall beurteilt werden. Das Gericht tritt angesichts der obenstehenden Erkenntnisse der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein (U.v. 24.3.2020 - 2 LB 18/19 - juris Rn. 39) bei, dass eine bloß passive Mitgliedschaft oder eine vereinzelte Teilnahme an Demonstrationen für eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht ausreicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die betreffende Person erkennbar und identifizierbar öffentlich aktiv geworden ist und deshalb Gefahr läuft, als kurdischer Oppositioneller eingeordnet und vom iranischen Staat als potenzieller Gegner identifiziert zu werden.
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Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs sieht das Gericht für den Kläger keine Gefahr einer Verfolgung. Er selbst hat bereits beim Bundesamt angegeben, nicht politisch aktiv gewesen zu sein. Das Gericht vermag auch nicht zu erkennen, dass dem Kläger wegen des Engagements seines Vaters Verfolgung drohen könnte. Dass alleine der familiäre Zusammenhang für die iranischen Behörden keinen Grund zur Verfolgung darstellt, zeigt sich im Übrigen daran, dass der Kläger und seine Eltern trotz der vorgetragenen erheblichen Aktivität seines Onkels als Peschmerga jahrelang keiner Verfolgung ausgesetzt waren.
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II. Ohne Erfolg bleibt auch das hilfsweise Begehren des Klägers, ihm subsidiären Schutz zu gewähren. Die Ablehnung des entsprechenden Antrags durch die Beklagte war rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Subsidiär Schutzberechtigter ist nach § 4 Abs. 1 AsylG, wer - ohne dass die Ausschlussgründe des § 4 Abs. 2 AsylG vorliegen - stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthaften Schaden definiert § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) sowie ernsthafte individuelle Bedrohungen des Lebens oder der Unversehrtheit von Zivilpersonen infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die Gefährdung ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG durch Vorbringen stichhaltiger Gründen nachzuweisen. Trotz der abweichenden Formulierung besteht kein sachlicher Unterschied zu der im Rahmen des § 3 AsylG geforderten beachtlichen Wahrscheinlichkeit (VGH BW, U.v. 3.11.2017 - A 11 S 1704/17 - juris Rn. 44). Der Antragsteller muss so vollständig und umfangreich wie möglich die Tatsachen vortragen, die zur Ausfüllung der einzelnen Tatbestandsmale erforderlich und geeignet sind und den Schluss auf das Vorliegen einer entsprechenden Gefahr zulassen oder nahelegen (Kluth in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.11.2018, § 4 Rn. 33).
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Solche Gefahren im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG sind für den Kläger nicht ersichtlich. So wie nach dem oben unter I. Festgestellten die für § 3 AsylG erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit fehlt, ist das Vorliegen stichhaltiger Gründe für eine tatsächlich bestehende Gefährdung zu verneinen.
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III. Der Kläger kann mit seiner Klage auch nicht durchdringen, soweit er hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten begehrt. Das Bundesamt hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG (dazu 1.) und des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (dazu 2.) zutreffend verneint.
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1. Zum einen ist die Abschiebung in den Iran nicht gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, weil sich dies aus der Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention, namentlich aus deren Art. 3 ergäbe.
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Zwar kann eine unmenschliche Behandlung im Sinne dieser Vorschrift auch aus der humanitären Lage und den allgemeinen Lebensbedingungen folgen; dies kommt aber nur in ganz außergewöhnlichen Fällen in Betracht, in denen zwingende humanitäre Gründe der Abschiebung entgegenstehen (EGMR, U.v. 27.5.2008 - 26565/05 - NVwZ 2008, 1334/1336; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 25). Dieser Rechtsprechung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention kein Bleiberecht zur Geltendmachung weiterer medizinischer, sozialer oder anderer Hilfe oder Unterstützung ableiten lässt (EGMR, U.v. 27.5.2008 - 26565/05 - NVwZ 2008, 1334/1336) und sich der Schutzbereich des Art. 3 EMRK ausdrücklich nicht allgemein auf soziale Leistungsrechte erstreckt. Die Menschenrechtskonvention gewährleistet in der Hauptsache vielmehr bürgerliche und soziale Rechte, weshalb die sozio-ökonomischen oder humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland nicht notwendig bedeutend und erst recht nicht entscheidend dafür sind, ob im Fall der Rückkehr ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK droht (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 23). Abschiebungsschutz über die genannte Vorschrift kommt deshalb nur in ganz außergewöhnlichen Fällen in Betracht, an die besonders hohe Anforderungen zu stellen sind (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285 - juris Rn. 19).
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Das Gericht sieht diese vorliegend nicht erfüllt. Der Kläger ist jung und arbeitsfähig. Es ist daher nicht ersichtlich, dass er im Fall einer Rückkehr seinen Lebensunterhalt nicht würde erwirtschaften können.
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2. Zum anderen ist nicht erkennbar, dass für den Kläger im Iran eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bestünde, angesichts derer die Beklagte von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in ermessensfehlerhafter Weise keinen Gebrauch gemacht hätte.
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Die Erkrankung des Klägers führt nicht zu einem Abschiebungsverbot. Das von der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung übergebene Attest der Praxis für Psychotherapie Nosrati bescheinigt dem Kläger zwar an „Depressionen, Ängsten, Konzentrationsproblemen, Albträumen, Ein- und Durchschlafstörungen, Schmerzen und Verspannungen“ zu leiden. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.erfasst aber lediglich Fälle schwerer Existenzbedrohung an Leib, Leben oder Freiheit (Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 60 Rn. 95 m.w.N.). Dafür, dass dem Kläger im Iran eine existentielle Verschlechterung seines Gesundheitszustands drohen würde, ist nichts ersichtlich, zumal nach Angaben der WHO 98% aller Iraner (in den Städten 100%) Zugang zu ärztlicher Versorgung haben und nach Auskunftslage die medizinische Versorgung zwar schwankt, aber jedenfalls in Teheran meist sogar auf einem recht hohen Niveau möglich ist (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.6.2019 - im folgenden BFA Länderinformation Iran -, S. 82 f.). Dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik gleichwertig ist (vgl. Koch in BeckOK, Aufenthaltsgesetz, 27. Aufl. 2020, § 60 Rn. 40), ist nicht erforderlich.
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IV. Rechtmäßig ist angesichts dessen auch die in Nr. 5 des Bescheids ausgesprochene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung. Sie beruht auf § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1 AsylG, § 59 AufenthG und ist gesetzliche Folge dessen, dass dem Kläger weder die Flüchtlingseigenschaft noch der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen ist, keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG eingreifen und der Kläger auch keinen Aufenthaltstitel besitzt.
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Bedenken gegen das verhängte Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (Nr. 6 des Bescheids) sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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V. Rechtsgrundlage der Kostenentscheidung ist § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
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VI. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.