Titel:
Beseitigungsanordnung - Gegenstände auf öffentlicher Straße
Normenketten:
StVO § 32 Abs. 1 S. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 27
LStVG Bay Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
Leitsatz:
§ 32 Abs. 1 S. 1 StVO setzt nur eine öffentliche Straße voraus. Die Eigentums- und Besitzverhältnisse spielen keine Rolle. Vielmehr beschränkt die Widmung das private Eigentum und die aus dem Eigentum fließenden Herrschafts- und Verfügungsrechte. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigungsanordnung, öffentliche Straße, Gegenstände, Feldweg, Ordnungswidrigkeit, Widmung
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 05.01.2021 – 11 ZB 20.2963
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 21.01.2022 – 3 KSt 3.21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 55412
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung der Beklagten, ein Auto sowie Fichtenstämme und einen Tannenstamm auf dem öffentlichen Feld- und W.weg ... auf Fl.Nr. ... Gemarkung ... sofort zu beseitigen.
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Der Kläger ist seit 2005 Eigentümer des land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücks Fl.Nr. .... Über den südlichen Ausläufer dieses Grundstücks verläuft ein ca. 50 m langes Teilstück des Feld- und Waldwegs ....
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In einer Gemeinderatssitzung vom 23. Juni 2009 wurde die Widmung der Waldwege ...-Nord und ...-Süd als öffentliche Feld- und Waldwege beschlossen. Die Widmungsverfügung vom 24. Juni 2009, die sich u.a. auf eine Teilfläche des Grundstücks FlNr. ... bezieht, wurde durch Anschlag an der Gemeindetafel bekannt gemacht und die Wege am 3. September 2009 in das Bestandsverzeichnis der Beklagten eingetragen.
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Seine Klage auf Nichtigkeitsfeststellung wies das Verwaltungsgericht ab (VG Augsburg, U.v. 5.9.2012 - Au 6 K 12.619), weil die Widmung des Waldweges ...-Nord durch die Beklagte vom 24. Juni 2009 nicht wegen der fehlenden Zustimmung des Grundstückseigentümers nichtig sei. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte den hiergegen gerichteten Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ab (BayVGH, B.v. 23.5.2017 - 8 ZB 16.2059).
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Der Kläger erhob Klage auf Wiederaufnahme des mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts (VG Augsburg, U.v. 5.9.2012 - Au 6 K 12.619) beendeten Verfahrens. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab (VG Augsburg, U.v. 14.3.2018 - Au 6 K 17.1038). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte einen hiergegen gerichteten Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ab (BayVGH, B.v. 26.4.2018 - 8 ZB 18.744). Der Kläger erhob Klage auf Feststellung, dass das Grundstück Fl.Nr., Gemarkung, nicht Teil des öffentlichen Feld- und Waldwegs Nr. ... der Gemeinde ... sei.
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Das Verwaltungsgericht wies diese Klage ab (VG Augsburg, U.v. 30.5.2018 - Au 6 K 17.1359), nachdem es das Verfahren zwischenzeitlich wegen der daneben erhobenen Klage auf Wiederaufnahme bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorrangigen Verfahrens (Au 6 K 17.1038) vorläufig ausgesetzt hatte (VG Augsburg, B.v. 14.3.2018). Die gegen den Aussetzungsbeschluss eingelegte Beschwerde wurde verworfen (BayVGH, B.v. 26.4.2018 - 8 C 18.745). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte einen gegen das klageabweisende Urteil gerichteten Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ab (BayVGH, B.v. 12.10.2018 - 8 ZB 18.1349).
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Mit Schreiben vom 18. Januar 2018 erklärte die Gemeinde, dass Stürme auch im Wald des Klägers erhebliche Schäden verursacht hätten. Die Sturmschäden müssten dringend aufgearbeitet werden. Hierfür werde die Ausfahrt Richtung ... benötigt. Aus diesem Grund forderte die Beklagte den Kläger auf, ein auf dem W.weg abgestelltes Auto sowie Gehölz bis zum 5. Februar 2018 zu entfernen.
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Nachdem sich der Kläger mit Schreiben vom 20. Januar 2018 weigerte, dieser Aufforderung nachzukommen, verpflichtete die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 23. Februar 2018 unter Anordnung des Sofortvollzugs, das abgestellte Auto auf dem öffentlichen Feld- und W.weg sowie die Fichtenstämme und den Tannenstamm auf der Fl.Nr. ... Gemarkung ... sofort zu beseitigen. Falls er diese Verpflichtungen nicht bis zum 19. März 2018 erfülle, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 1800 EUR fällig.
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Am 14. März 2018 erhob der Kläger Klage. Zur Begründung trug er vor, dass Richter des Verwaltungsgerichts durch ihr Urteil eine gefälschte Urkunde in den Rechtsverkehr gebracht hätten und ihn und seine Vorgänger für Taten beschuldigen würden, die sie nicht begangen hätten.
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Nach § 903 BGB habe er das Recht auf Eigentum, mit diesem dürfe er verfahren wie er wolle. Er habe als Eigentümer des Grundstücks keine Beseitigungsanordnung und Zwangsgeldandrohung anzunehmen, nur weil das Verwaltungsgericht und die Beklagte eine gefälschte Urkunde in den Umlauf gebracht hätten, in dem falsche Angaben über das Grundstück und dessen Eigentümer getätigt worden seien.
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Der Kläger beantragt (sinngemäß),
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den Bescheid vom 23. Februar 2018 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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Mit Schreiben vom 27. Oktober hat die Beklagte den Bescheid vom 23. Februar 2018 mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Der Kläger hat das Verfahren trotz entsprechender gerichtlicher Anregung nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt.
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Der Kläger ist zur mündlichen Verhandlung trotz Ladung nicht erschienen.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2020 entscheiden, weil der Kläger ordnungsgemäß geladen und in der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
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Die Klage ist unzulässig und unbegründet. 1. Aufgrund der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids hat sich das Verfah ren erledigt. Da der Kläger trotz der gerichtlichen Anregung, die Hauptsache nicht für erledigt erklärt hat, fehlt der Klage bereits das Rechtsschutzbedürfnis.
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Insbesondere konnte sie nicht als Fortsetzungsfeststellungsklage aufrechterhalten werden. Es fehlt nämlich am Fortsetzungsfeststellungsinteresse.
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Eine konkrete Wiederholungsgefahr scheidet aus, weil im Verfahren Au 3 K 20.1382 ohnehin über die Rechtmäßigkeit einer vergleichbaren Beseitigungsanordnung entschieden wird.
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Auch ein Amtshaftungsinteresse ist nicht hinreichend substantiiert dargelegt und auch nicht gegeben. Der Kläger muss auch insofern sein Fortsetzungsfeststellungsinteresse substantiiert darlegen und geltend machen, ob und gegen wen er eine Schadensersatzklage erheben will. Zudem sind konkrete Angaben über den Schaden erforderlich. Zudem darf die Absicht einen Amtshaftungsprozess zu führen nicht offensichtlich aussichtslos sein (vgl. Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 113 Rn. 87 und 89).
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Der Kläger hat vorliegend nicht dargelegt, inwieweit ihm gerade aus der Beseitigungsanordnung ein Schaden entstanden ist. Er hat vielmehr völlig unsubstantiiert und für das Gericht nicht nachvollziehbar behauptet, ihm sei ein angeblicher Schaden in Höhe von 420.000 EUR entstanden. Zudem möchte er diesen Schaden nach seinem Vorbringen vom Verwaltungsgericht ersetzt haben. Auch ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung ist für das Gericht erkennbar, dass ein solcher Anspruch wegen § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB offensichtlich nicht besteht. Zudem ist Streitgegenstand die Rechtmäßigkeit des Bescheids der Gemeinde ... und nicht die Rechtmäßigkeit gerichtlicher Entscheidungen. Wie und in welcher Höhe aus dem konkret streitgegenständlichen Bescheid dem Kläger ein Schaden erwachsen sein soll, ist weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich.
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2. Darüber hinaus wäre die Klage auch unbegründet. Die Beseitigungsanordnung der Beklagten war nämlich rechtmäßig, so dass sie den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt hat (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 3 VwGO).
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Rechtsgrundlage ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO. Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG kann die Beklagte als Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG) zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Einzelfall Anordnungen u.a. treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu verhüten oder zu unterbinden. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen das in § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO geregelte Verbot verstößt, Gegenstände auf Straßen zu bringen oder dort liegen zu lassen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann.
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Der Kläger hat vorsätzlich eine solche Ordnungswidrigkeit begangen, indem er auf dem öffentlichen Feld- und W.weg ... im Bereich der ihm gehörenden Fl.Nr. ... Gemarkung ... ein Auto sowie Baumstämme und Äste gelagert hat (siehe die Fotos auf Bl. 5 bis 10 der Akte der Beklagten). Dass es sich bei dem genannten Feld- und W.weg um eine öffentliche Straße im Sinne des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes handelt, steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 5. September 2012 (Az. Au 6 K 12.619) fest. Aus diesem Grund war auch nicht mehr den nur schriftsätzlich vorgetragenen Beweisanträgen nachzugehen. Auf diese kommt es nicht an. § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO setzt nämlich nur eine öffentliche Straße voraus. Die Eigentums- und Besitzverhältnisse spielen keine Rolle. Vielmehr beschränkt die Widmung das private Eigentum und die aus dem Eigentum fließenden Herrschafts- und Verfügungsrechte. Die öffentliche Dienstbarkeit wird auch nicht ins Grundbuch eingetragen (vgl. ausführlich zum Verhältnis von Widmung und Eigentum Häußler in: Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, 30. Ergänzungslieferung März 2020, Art. 6 Rn. 84 ff.).
27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.