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VG Regensburg, Gerichtsbescheid v. 20.10.2020 – RO 3 K 19.1198
Titel:

Erstreckung der Rundfunkbeitragsbefreiung auf andere Mitbewohner

Normenketten:
RBStV § 4
SGB II § 7 Abs. 3, Abs. 3a
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6
BGB § 242
Leitsatz:
Es besteht kein Anspruch auf Ermäßigung des Rundfunkbeitrages, weil der Mitbewohner des Beitragspflichtigen einen der in § 4 Abs. 2 RBStV statuierten Befreiungstatbestände erfüllt. Die Regelung in § 4 Abs. 3 RBStV ist als Ausnahmebestimmung nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nicht auf die Ermäßigungstatbestände nach § 4 Abs. 2 RBStV anwendbar und begünstigt vor allem volljährige Personen, die mit der beitragsbefreiten Person in einer Wohnung im Rahmen einer Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft oder in eheähnlicher Gemeinschaft leben. (Rn. 23 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erstreckung der Rundfunkbeitragsbefreiung auf andere Mitbewohner, Rundfunkbeitragspflicht, Rundfunkgebühren, Sozialleistungen, Mitbewohner
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 14.02.2022 – 7 ZB 20.2845
Fundstelle:
BeckRS 2020, 55237

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt eine Ermäßigung von einem Drittel der Rundfunkgebühr ab 21. März 2019.
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Die Klägerin wird beim Beklagten für die Wohnung „I…, … R…“ mit der Beitragsnummer 7 … als private Rundfunkbeitragszahlerin geführt.
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Unter dem 28. Januar 2019 teilte sie mit, dass die Wohnung bereits von einem Mitbewohner, nämlich Herrn A … B …, unter der Nummer 2 … angemeldet sei.
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Mit Schreiben vom 14. März 2019 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass zwar zutreffend sei, dass nur ein Mitbewohner die Wohnung anmelden müsse. Der Mitbewohner sei jedoch vorliegend von der Rundfunkbeitragspflicht befreit. Die Voraussetzung, dass die Befreiung innerhalb der Wohnung auch für den Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartner sowie für die im Haushalt wohnenden Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahr gelten, käme bei der Klägerin nicht zum Tragen.
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Mit Schreiben vom 19. März 2019 teilte die Klägerin mit, sie betreue ein erwachsenes Kind mit einer Behinderung in ihrem Haushalt, nämlich Frau I1… B…, für die eine Befreiung vorliege. Diese sei ihre Tochter und befinde sich im Wachkoma. Sie werde von ihr gepflegt und daher müsse die Klägerin mitanwesend im Haushalt sein. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache werde beantragt, eine Befreiung von der Zahlung des Rundfunkbeitrags zu genehmigen.
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Mit Bescheid vom 2. Juli 2019 lehnte der Beklagte einen Antrag der Klägerin auf Ermäßigung des Rundfunkbeitrags vom 19. März 2019, eingegangen am 21. März 2019, ab. Voraussetzung sei die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ für die Klägerin oder ihren Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartner. Aus den von der Klägerin eingereichten Unterlagen ergebe sich, dass einem anderen Mitbewohner das Merkzeichen „RF“ zuerkannt worden sei. Daher werde der Antrag abgelehnt.
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Am 9. Juli 2019 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht erheben lassen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, die am … 1941 geborene Klägerin lebe mit ihrer Tochter und dem Enkel im gemeinsamen Haushalt in der I… in R… Die Tochter, Frau I1… B…, befinde sich im Wachkoma und werde zuhause vom Enkel und der Klägerin gepflegt. Als Schwerstpflegefall sei der Tochter das Merkmal „RF“ zuerkannt und diese von der Rundfunkbeitragspflicht befreit. Bisher sei die Wohnung beitragsrechtlich auf den Enkel A… B… unter der Beitragsnummer 2… angemeldet worden, dem seitens des Beklagten gleichsam eine Befreiung von der Rundfunkgebühr gewährt worden sei. Im Rahmen der Klärung zur Prüfung der Beitragspflicht habe der Beklagte die Klägerin angemeldet und Herrn B… zum Juli 2018 abgemeldet und begehre nunmehr die volle Rundfunkgebühr von der Klägerin. Ein Anspruch auf Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht ergebe sich aus Art. 6 Abs. 2, 1, 4 GG, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und § 242 BGB. Dem Beklagten sei zuzustimmen, dass sich der Ermäßigungsanspruch nicht unmittelbar aus dem RBStV ergebe, sofern man keinen Härtefall nach § 4 Abs. 6 RBStV annehme. Die Regelung des § 4 Abs. 3 RBStV sei für den nicht beitragsbefreiten Mitwohnungsinhaber kollusiv. Grundsätzlich stehe einem in Anspruch genommenen Gesamtschuldner im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs die Möglichkeit zu, von den weiteren nicht in Anspruch genommenen Gesamtschuldnern einen Ausgleich zu erhalten. Diese Möglichkeit werde jedoch durch die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags vereitelt. Im Rahmen des Innenausgleichsanspruchs könne sich der von der Rundfunkgebühr befreite Beitragsschuldner auf die ihm gewährte Befreiung gegenüber den in Anspruch genommenen Gesamtschuldnern berufen. Vorliegend könne die Klägerin weder von ihrer Tochter noch deren Sohn einen Ausgleich erhalten. An der Befreiung, die der Beklagte nach den Vorgaben des RBStV gewähre, sei die Klägerin nicht beteiligt. Die Befreiung wirke sich zulasten der Klägerin aus, da der Innenausgleichsanspruch der Klägerin verloren gehe. Dies entspreche dem klassischen Fall der Kollusion. Die Klägerin, die eine Wohnung mit anderen teilen müsse, werde durch die Regelung im RBStV deutlich schlechter gestellt als andere vergleichbare Wohnungsinhabergemeinschaften, bei denen keinem Inhaber eine Befreiung gewährt werde. Dies verstoße gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Die Gewährung einer Befreiung, die ausschließlich im Verhältnis der Rundfunkanstalt zu dem Mitwohnungsinhaber liege, dürfe nicht zulasten Nichtbetroffener gehen. Diese Last habe der Beklagte zu tragen und dem Nichtbetroffenen, wie vorliegend der Klägerin, zumindest ab Antrag die entsprechende anteilige Ermäßigung zu gewähren. Ob sich dieser Anspruch unmittelbar aus Art. 3 GG i.V. m. § 242 BGB ergebe oder über § 4 Abs. 6 RBStV (Härtefallantrag), könne dahinstehen. Die Mutter habe die Pflege ihrer im Wachkoma liegenden Tochter übernommen. Es handele sich in erster Linie nicht um eine gesetzliche Verpflichtung zur Pflegeübernahme, sondern um eine sozial-moralische Pflicht der Mutter und diese stehe letztlich auch unter dem Schutz des Art. 6 GG. Die Klägerin habe keine Möglichkeit sich Mitbewohner auszusuchen, die keiner Beitragsbefreiung unterlägen, ohne die Pflege der Tochter aufzugeben. Es müsse der Klägerin ein Anspruch auf Ermäßigung des Rundfunkbeitrags zuerkannt werden. Dies zumal die Klägerin mit ihrer Rente in Höhe von 1.252,89 Euro ohnehin für den Familienunterhalt zu sorgen habe, da auch der Enkel über kein eigenes Einkommen verfüge.
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Die Klägerin beantragt,
Unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 2. Juli 2019 wird der Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine Ermäßigung von einem Drittel der Rundfunkgebühr ab 21. März 2019 für die Beitragsnummer 7… zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Es bestehe Verständnis für die familiäre Situation der Klägerin. Es sei aber zu berücksichtigen, dass der Bayerische Rundfunk an den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag gebunden sei. Er stelle formelles Gesetz dar. Ohne Rechtsgrundlage könne keine Ermäßigung gewährt werden, da man sich ansonsten sukzessive der Gefahr aussetzen würde, man unterwandere seitens des Bayerischen Rundfunks das Gebot der Beitragsgerechtigkeit, wonach eben nur entsprechende Befreiungen oder Ermäßigungen gewährt werden könnten, wenn es hierfür eine Rechtsgrundlage gebe. Eine solche könne weder aus dem Grundgesetz noch aus § 4 Abs. 6 RBStV hergeleitet werden. Es liege kein atypischer Fall vor, da der Gesetzgeber bewusst den Personenkreis bestimmt habe, auf den sich eine Befreiung oder Ermäßigung auswirke. Hier könne auf die gesetzlichen Bestimmungen und die Ausführungen im Bescheid verwiesen werden. Die Klägerin als Mutter der schwerbehinderten Tochter zähle nicht dazu. Insofern spiele es auch keine Rolle, inwiefern die Klägerin intern bei den Mitbewohnern Rückgriff nehmen könne. Im Ergebnis könne lediglich über § 4 Abs. 3 Nr. 4 RBStV eine Erstreckung einer Befreiung erreicht werden, wenn einem Wohnungsinhaber eine genannte Sozialleistung gewährt werde und bei der Gewährung Einkommen und Vermögen eines anderen Wohnungsinhabers berücksichtigt würden. Hierfür sei aber in diesem Fall nichts ersichtlich. Dem entsprechenden Bescheid auf Sozialleistung sei nicht zu entnehmen, dass die Klägerin in der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt werde.
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Mit Schreiben vom 28. Oktober 2019 lässt die Klägerin noch vortragen, die Tochter der Klägerin erhalte Hilfe zur Pflege nach dem SGB VII. Es bestehe keine Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II. Es sei geprüft worden, ob die Klägerin als Unterhaltspflichtige für die Tochter monatlich 31,07 Euro aus übergegangenen Ansprüchen an die Stadt R… zu bezahlen habe. Mit Schreiben der Stadt R… vom 2. Juni 2015 habe die Stadt R… von der Zahlungsverpflichtung abgesehen, da die Klägerin hierzu finanziell nicht in der Lage sei. Die Annahme eines Härtefalls nach § 4 Abs. 6 RBStV sei grundsätzlich für den Beklagten möglich, da § 4 Abs. 6 RBStV keine abschließende Regelung darüber enthalte, in welchen Fällen eine Befreiung oder Ermäßigung zu gewähren sei. Sollte sich eine Ermäßigung nicht aus § 4 Abs. 6 RBStV ergeben, habe die Klägerin einen Anspruch auf Befreiung oder Ermäßigung aus Art. 6 Abs. 2, 1, 4 GG, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, § 242 BGB. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag würde ohne Annahme eines Härtefalls nach § 4 Abs. 6 RBStV dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie, zu dem auch das Mutter-Tochter-Verhältnis zähle, zuwiderlaufen. Die vorgenommene Befreiung sei eine Befreiung zulasten Dritter, vorliegend der Mutter, da sie im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs nicht Rückgriff auf die weiteren Wohnungsinhaber nehmen könne. Zivilrechtlich wäre von einem unzulässigen Vertrag zulasten Dritter die Rede. Bei der Betrachtung der Materialien zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, etwa Landtagsdrucksache 16/7001, könne nicht erkannt werden, dass der Gesetzgeber die vorliegende Konstellation - Mutter pflege rundfunkgebührenbefreite Tochter zuhause - bedacht habe.
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Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 28. November 2019 mit, es handele sich nicht um eine atypische Konstellation, dass ein Familienangehöriger einen anderen Familienangehörigen pflege, welcher selbst aufgrund seiner gesundheitlichen Situation von der Rundfunkbeitragspflicht befreit sei. Im Gesetz sei ausführlich und dezidiert geregelt, wann zu befreien sei bzw. wann ein Ermäßigungstatbestand vorliege und auf wen sich eine Befreiung bzw. eine Ermäßigung auswirke. Dies sei aber vorliegend nicht der Fall. Auch wenn von behördlicher Seite auf eine Unterhaltszahlung verzichtet werde, da es um übergegangene Ansprüche auf die Behörde gehe, sei nicht ersichtlich, dass die Behörde bei der Gewährung von Sozialleistungen gegenüber der Tochter die finanzielle Situation der Mutter berücksichtigt habe.
14
Mit Schreiben vom 18. März 2020 übersandte die Klägerseite einen Bescheid betreffend die Gewährung von Grundsicherungsleistungen an die Tochter der Klägerin, Frau I1… B…, vom 25. November 2019.
15
Mit Schreiben vom 22. April 2020 teilte der Beklagte mit, es sei nicht ersichtlich, inwieweit die Klägerin bei der Berechnung der Gewährung von Sozialleistungen für die Tochter oder für deren Sohn in irgendeiner Weise betreffend ihr Einkommen und ihre Vermögensverhältnisse berücksichtigt worden sei. Dies ergebe sich aus dem Bescheid vom 25. November 2019 nicht. Bei der Berechnung der Grundsicherung werde nur Frau I1… A1… B… herangezogen als Bedarfsgemeinschaft B … Mit Schreiben vom 29. April 2020 lässt die Klägerin noch mitteilen, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag gegen höherrangiges Recht verstoße. Es sei hinsichtlich § 4 Abs. 3 RBStV verfassungswidrig, dass die Eltern, die die Pflege ihres schwerkranken rundfunkbefreiten Kindes zuhause übernommen hätten, für die Befreiung völlig unberücksichtigt bleiben. Hiermit werde in den Schutzbereich der Familie eingegriffen. Die Befreiungspraxis des Bayerischen Rundfunks zulasten Dritter betreffe auch die BAföG-Fälle, so dass von grundsätzlicher Bedeutung ausgegangen werde.
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Hierauf entgegnete der Beklagte, ein finaler Eingriff in den geschützten Bereich der Familie erfolge nicht. Es werde davon ausgegangen, dass letztlich bei der Klägerin samt Kindern entweder entsprechende Mittel vorhanden seien oder eben entsprechende Sozialleistungen gewährt würden. Es würden dann die Klägerin bei der Gewährung von Sozialleistungen an die Kinder oder eben umgekehrt die Kinder bei der Gewährung von Sozialleistungen an die Eltern berücksichtigt, so dass dann auch eine Befreiung in Betracht käme. Derartiges sei nicht nachgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht habe entschieden, dass zunächst einmal Sozialleistungen auch beantragt werden müssten, man sich also nicht auf die Argumentation stützen könne, auf einen derartigen Antrag zu verzichten.
17
Mit Schreiben vom 25. Mai 2020 wurden die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheids angehört.
18
Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 9. Juni 2020 mit, mit dem Erlass eines Gerichtsbescheids einverstanden zu sein.
19
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Akten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte gem. § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört, § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Ihre Zustimmung ist nicht erforderlich.
21
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
22
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Befreiung bzw. Ermäßigung der Rundfunkgebühr ab 21. März 2019 zu.
23
Hinsichtlich der Klägerin liegt kein Befreiungstatbestand nach § 4 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag - RBStV - vor. Hierzu hat sie keinen Nachweis erbracht, § 4 Abs. 7 RBStV.
24
Soweit die am 27. Juli 1963 geborene Frau I1 … B… als volljährige Tochter der Klägerin mit dieser in einer Wohnung wohnt und befreit ist bzw. zu befreien wäre, § 4 Abs. 1 RBStV, erstreckt sich eine derartige Befreiung nicht nach § 4 Abs. 3 RBStV auf die Klägerin. Dasselbe gilt für den in der Wohnung lebenden Enkel der Klägerin A… B… Frau I1… B… hat nach der Bescheinigung über Leistungsbezug zur Vorlage beim Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio der Stadt R… vom 14. Juni 2019 für den Zeitraum 1. August 2019 bis 31. Juli 2020 Grundsicherung bei vollständiger Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XII) bewilligt bekommen. Selbst wenn die Gewährung von Grundsicherung bereits ab dem 21. März 2019 für die Tochter der Klägerin oder auch für den Enkel der Klägerin vorgelegen hat, erstreckt sich eine entsprechende Befreiung von Tochter und/oder Enkel der Klägerin von der Rundfunkbeitragspflicht nicht auf die Klägerin. Nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 RBStV erstreckt sich eine dem Antragsteller gewährte Befreiung oder Ermäßigung innerhalb der Wohnung auf dessen Ehegatten, nach Nr. 2 auf den eingetragenen Lebenspartner, nach Nr. 3 auf Kinder des Antragstellers und der unter den Nrn. 1 und 2 genannten Personen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs und 4. auf die Wohnungsinhaber, deren Einkommen und Vermögen bei der Gewährung einer Sozialleistung nach Abs. 1 berücksichtigt worden sind. Die Tochter und der Enkel der Klägerin sind weder Ehegatte noch eingetragener Lebenspartner. Die Tochter ist älter als 25 Jahre und der Enkel kein Kind der Klägerin. Auch die Voraussetzungen von § 4 Abs. 3 Nr. 4 RBStV liegen nicht vor, da nach den Akten Einkommen und Vermögen bei der Gewährung einer Sozialleistung nach § 4 Abs. 1 RBStV nicht berücksichtigt worden sind. Vorliegend kommt es hierfür auf den Grundsicherungsbescheid an. Vorgelegt wurde der Bescheid der Stadt R… vom 25. November 2019. Aus diesem ergibt sich lediglich eine Bedarfsgemeinschaft von Frau I1… A1… B… Die Klägerin ist nicht Teil der Bedarfsgemeinschaft. Es ergibt sich auch nicht, dass bei der Berechnung der Sozialleistung an die Tochter der Klägerin Einkommen und Vermögen der Klägerin berücksichtigt worden sind. Soweit die Klägerseite ferner zwei Schreiben der Stadt R… aus dem Jahr 2015 vorgelegt hat, wonach der Übergang eines Unterhaltsbeitrags, den Frau B… gegenüber der Klägerin hätte, in Höhe von 31,07 Euro in Betracht käme und dieser gemäß dem Schreiben vom 2. Juni 2015 nicht geltend gemacht werde, liegt dies schon außerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums, da die Befreiung ab 21. März 2019 geltend gemacht wird.
25
Bei § 4 Abs. 3 Nr. 4 RBStV handelt es sich um die früher textlich abgewandelte Regelung von § 4 Abs. 3 Nr. 3 RBStV. Sie ist nach dem ausdrücklichem Wortlaut nicht auf die Ermäßigungstatbestände nach § 4 Abs. 2 RBStV anwendbar. Die Regelung begünstigt nun vor allem volljährige Personen, die mit der beitragsbefreiten Person in einer Wohnung im Rahmen einer Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft oder in eheähnlicher Gemeinschaft leben. Das können auch Eltern im Verhältnis zu volljährigen Kindern sein. Die Befreiung erstreckt sich damit auf alle volljährigen Mitbewohner, deren Einkommen und Vermögen bei der Berechnung der Sozialleistung berücksichtigt wurde (z.B. gemäß § 7 Abs. 3 SGB II), weil sie gemeinsam zu einer Einsatzgemeinschaft gehören (vgl. Binder/Vesting - Beck`scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 62 zu § 4 RBStV).
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Nach § 7 Abs. 3 SGB II gehören zwar u.a. die im Haushalt lebenden Eltern eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, zur Bedarfsgemeinschaft, wobei § 7 Abs. 3a SGB II die Vermutung aufstellt für den wechselseitigen Willen zur Tragung von Verantwortung. Allerdings stellt § 7 SGB II auf erwerbsfähige Personen ab und steht unter der Überschrift „Grundsicherung für Arbeitssuchende“. Die Tochter der Klägerin erhält Grundsicherung bei vollständiger Erwerbsminderung nach § 41 Abs. 1 SGB XII. Im Übrigen liegen auch die Voraussetzungen von § 4 Abs. 6 RBStV nicht vor. Danach kann unbeschadet der Beitragsbefreiung nach Abs. 1 in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht befreit werden. Ein solcher Härtefall liegt insbesondere vor, wenn eine Sozialleistung nach Abs. 1 Nrn. 1 bis 10 in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten. Eine derartige Bescheinigung liegt nicht vor (§ 4 Abs. 7 RBStV).
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§ 4 Abs. 6 RBStV stellt keinen Auffangtatbestand dar, der stets greift, wenn die Voraussetzungen für Befreiung nach § 4 Abs. 1 oder 3 RBStV nicht vorliegen. Auch ein besonderer Härtefall im Hinblick auf das in der Wohnung lebende behinderte aber erwachsene Kind unter oder über 25 Jahren kommt nicht in Betracht, da davon auszugehen ist, dass dem Gesetzgeber die Fallgruppe der schwerbehinderten Kinder bekannt war (vgl. Binder/Vesting - Beck`scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 83 und 61 zu § 4 RBStV).
28
Ein sonstiger Härtefall nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV liegt nach ständiger Rechtsprechung dann vor, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 RBStV nicht erfüllt sind, aber eine vergleichbare Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann (vgl. Binder/Vesting, 4. Auflage 2018, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 80; BayLT-Drs. 16/7001, S. 16). Nach der neuesten höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.2019 - 6 C 10/18 - juris) handelt es sich bei § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV nach seinem Normzweck um eine Härtefallregelung, mit der grobe Unbilligkeiten vermieden werden sollen, die durch das in § 4 Abs. 1 RBStV verankerte normative Regelungssystem der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit entstehen. Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, nicht zu den Personengruppen des § 4 Abs. 1 RBStV gehörende Beitragsschuldner von der Beitragspflicht zu befreien, wenn sich ihre Schlechterstellung gegenüber den befreiten Personengruppen nicht sachlich rechtfertigen lässt. Dabei kann die Annahme eines besonderen Härtefalls unter anderem auch aus Gründen der durch die Beitragspflicht herbeigeführten wirtschaftlichen Belastung gerechtfertigt sein (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.2019 - 6 C 10/18 - juris). Dies folgt bereits aus der Regelung in § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV, die dem Schutz des Existenzminimums dient, da ein Einkommen in Höhe der Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts allein dazu dient, das Existenzminimum sicherzustellen und nicht für die Erfüllung der Rundfunkbeitragspflicht einzusetzen ist (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.2019 - 6 C 10/18 - juris). Dieser Erwägung kommt auch bei der Auslegung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV eine entscheidende Bedeutung zu. Der Schutz des Existenzminimums kann auch in anderen Fallgestaltungen eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen eines besonderen Härtefalls rechtfertigen. Eine solche Fallgestaltung liegt bei Beitragsschuldnern vor, die ein den Regelleistungen entsprechendes oder geringeres Einkommen haben und nicht auf verwertbares Vermögen zurückgreifen können, aber von der Gewährung der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen mangels Vorliegen der Voraussetzungen ausgeschlossen sind (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.2019 - 6 C 10/18 - juris).
29
Die Klägerin hat jedoch nicht nachgewiesen, vom Bezug der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen mangels Vorliegen der Voraussetzungen ausgeschlossen zu sein.
30
Die Klägerin ist sonach nicht von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. Auch eine Ermäßigung auf ein Drittel nach § 4 Abs. 2 RBStV kommt für die Klägerin nicht in Betracht. Sie ist weder blind noch sehbehindert oder hörgeschädigt noch selbst behindert. Soweit ihrer Tochter und ihrem Enkel eine Ermäßigung gewährt würde, würde sich diese auf sie ebenfalls nicht nach § 4 Abs. 3 RBStV erstrecken. Insofern kann auf vorstehende Ausführungen Bezug genommen werden.
31
Eine Ermäßigung auf ein Drittel kommt auch nicht - wie klägerseits geltend gemacht wird - unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 2, 1, 4 GG, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und § 242 BGB in Betracht.
32
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 15. Mai 2014 (Vf. 8-VII-12; Vf. 24-VII-12 - juris) für die Gerichte verbindlich (vgl. Art. 29 Abs. 1 VfGHG) die Vereinbarkeit des § 2 Abs. 1 RBStV mit der Bayerischen Verfassung festgestellt. Mit Urteil vom 18. Juli 2018 hat auch das Bundesverfassungsgericht die Rundfunkbeitragspflicht im privaten und im nicht privaten Bereich im Wesentlichen als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt (U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 981/17 - juris); soweit es nach den Entscheidung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar sei, dass auch für Zweitwohnungen ein Rundfunkbeitrag geleistet werden müsse, kommt es darauf im vorliegenden Fall nicht an.
33
Durch die Zahlung von Rundfunkbeitrag werden Rechte der Klägerin aus Art. 6 GG bereits nicht eingeschränkt. Art. 6 GG ist vorrangig ein Abwehrrecht und durch das Schutzgebot muss nicht jegliche Belastung ausgeglichen werden. Zudem handelt es sich bei der Tochter der Klägerin nicht mehr um ein minderjähriges Kind, sondern um einen Erwachsenen, wenngleich dieser pflegebedürftig ist. Auch die Würde des Menschen nach Art. 1 Abs. 1 GG ist durch die Zahlung von Rundfunkbeiträgen grundsätzlich nicht angetastet. Es besteht auch kein Anspruch auf Drittelung des Rundfunkbeitrags, wenn die Klägerin bei ihrer Tochter und ihrem Enkelsohn, die gemeinsam mit ihr in einer Wohnung leben und ihrerseits von einer Rundfunkbeitragspflicht befreit sind, keinen Regress nehmen könnte. Derartige Fallkonstellationen sind von § 4 Abs. 3 RBStV nicht planwidrig nicht umfasst und erfordern keinen besonderen Ausgleich. Soweit die Klägerin nicht ihrerseits von der Rundfunkbeitragspflicht befreit ist, ist davon auszugehen, dass sie diesen alleine auch zahlen kann. Das wesentlich Gleiches dadurch ungleich behandelt würde (Art. 3 Abs. 1 GG), ergibt sich dadurch nicht. Es handelt sich auch nicht um eine Befreiung zulasten Dritter oder um einen unzulässigen Vertrag zulasten Dritter. Vielmehr trifft die Rundfunkbeitragspflicht jeden Inhaber einer Wohnung nach § 2 Abs. 1 RBStV in gleicher Weise. Wenn Mitbewohner von der Rundfunkbeitragspflicht befreit sind, hat dies primär weder positive noch negative Folgen auf den seinerseits rundfunkbeitragspflichtigen Inhaber einer Wohnung. Denn dadurch vervielfältigt sich weder die Pflicht zur Zahlung von Rundfunkbeitrag noch erhöht sich der Rundfunkbeitrag dadurch. Soweit Sohn und Tochter die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Beitragspflicht nach § 4 Abs. 1 RBStV erfüllen, liegt hierfür auch ein sachlicher Grund vor. Insofern kann ebenfalls nicht von einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber der Klägerin gesprochen werden. Das gefundene Ergebnis widerspricht auch nicht § 242 BGB. Insbesondere ist es nicht treu- oder zweckwidrig, von der Klägerin den vollen Rundfunkbeitrag zu fordern.
34
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge von § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
35
Das Verfahren ist gemäß § 188 VwGO gerichtskostenfrei.
36
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.