Titel:
Mangel, Zustellung, Streitwert, Vollmacht, Nachweis, Anlage, Zeitpunkt, Beschlussanfechtung, Kostenentscheidung, Zugang, Empfangsbekenntnis, Beseitigung, Beweis, Hausverwaltung
Schlagworte:
Mangel, Zustellung, Streitwert, Vollmacht, Nachweis, Anlage, Zeitpunkt, Beschlussanfechtung, Kostenentscheidung, Zugang, Empfangsbekenntnis, Beseitigung, Beweis, Hausverwaltung
Rechtsmittelinstanz:
LG München I, Endurteil vom 04.11.2021 – 36 S 14711/20 WEG
Fundstelle:
BeckRS 2020, 55129
Tenor
I. Der Beschluss Nr. 221 (19/08) der Eigentümerversammlung vom 27.11.2019 zu TOP 3 wird für ungültig erklärt.
II. Der Beschluss Nr. 229 (19/16) der Eigentümerversammlung vorn 27.11.2019 zu Top 9 wird für ungültig erklärt.
III. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages.
Tatbestand
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Die Klägerin und die Beklagten sind Mitglieder der WEG München. Die Hausverwaltung hatte bis 31.12.2019 die Firma inne. Ab 01.01.2020 hat die, vertreten durch den Geschäftsführer, die Hausverwaltung inne.
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Die Klägerin ist Sondereigentümerin der, sowie dem Tiefgaragenstellplatz Nr. 254 und dem Hobbyraum A5 im Anwesen, ...
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Mit Urteil des Landgerichts München I vom 27.09.2018, Az. 36 S 18251/18 WEG, wurden die in der Eigentümerversammlung am 14.03.2016 zu TOP 2 b), 2 ca), 2cb), 2 cc), 2 cd) 2 ce), 2 cf, 2 cg), 2 ch (Errichtung einer Befahranlage), 2 ci), 2 cj), 2 ck), 2 cl), 2 cm) und 2 d) gefassten Beschlüsse zur Durchführung und Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen am Haus Nr. 2 der WEG für ungültig erklärt. Das Urteil des Landgerichts München l vom 27.09.2018 ist rechtskräftig.
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Die Hausverwaltung hat mit Einladung gem. Schreiben vom 28.10.2019 zur Eigentümerversammlung eingeladen. Mit dieser Einladung zur Eigentümerversammlung am 27.11.2019 wurde den Eigentümern ein vorgefertigtes Vollmachtsformular übersandt. So heißt es im Einladungsschreiben: “ Im Falle Ihrer Verhinderung empfehlen wir Ihnen, sich vertreten zu lassen. Für die Erteilung der Vollmacht verwenden Sie bitte den beiliegenden Vordruck, den Sie entweder unmittelbar an den Vollmachtnehmer aushändigen oder zu unseren Händen senden können. Die Vollmacht bedarf der Schriftform.” Hinsichtlich der Einzelheiten wird die Einladung des WEG-Verwalters vom 28.10.2019 zur Eigentümerversammlung am 27.11.2019 gem. Anlage K7 verwiesen.
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In der Eigentümerversammlung waren 69 Wohnungseigentümer nicht anwesend und haben auch keinem Dritten eine Vollmacht erteilt. Ferner waren 30 Wohnungseigentümer nicht persönlich anwesend, hatten aber einem Vertreter eine Vollmacht erteilt. Bei dem jeweiligen Vertreter handelte es sich bis auf eine einzige Ausnahme um ein Mitglied des Verwaltungsbeirats. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anwesenheitsliste vom 27.11.2019 gem. Anlage K 1 verwiesen.
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Ausweislich des als Anlage K 2 vorgelegten Protokolls der Eigentümerversammlung am 27.11.2019 wurde unter TOP 3 (Beschluss Nr. 221 (19/08)) die Gesamt- und Einzelabrechnung 2018 genehmigt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der ETV vom 27.11.2019 Anlage K2 und die Gesamt- und Einzelabrechnung 2018 verwiesen.
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Zusätzlich wurde unter Top 9 (Beschluss Nr.229 (19/16)) ein Beschluss zur Beseitigung der Befahranlage an der Ost-/Süd-/Westseite des Hochhauses gefasst. Hinsichtlich der Einzelheiten der Beschlussfassung wird auf das Protokoll der ETV vom 27.11.2019 Anlage K2 verwiesen.
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Die wesentlichen Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander ergeben sich aus der Teilungserklärung vom 07.02.2001 nebst Gemeinschaftsordnung sowie den Nachträgen vom 27.02.2001, 10.04.2001, 30.02.2002 sowie 24.06.2002. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Teilungserklärung samt Nachträge 1 bis 4 gem. Anlage K 3 verwiesen.
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Die Verfügung den Gerichtskostenvorschuss von dem Klägervertreter anzufordern erfolgte am 28.01.2020 und der Gerichtskostenvorschuss sollte elektronisch laut Stempel der Geschäftsstelle am 29.01.2020 angefordert worden sein. Laut Empfangsbekenntnis erfolgte der Zugang der Anforderung des GKV am 24.02.2020. Der Gerichtskostenvorschuss wurde am 02.03.2020 einbezahlt.
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Der Kläger trägt u.a. vor, dass ein Ladungsmangel vorliege, denn bei dem Vollmachtsformular handelte es sich um keine BIankovoIlmacht, sondern es konnten nur die Mitglieder des Verwaltungsbeirates als Vertreter „angekreuzt“ werden. Es wurde also der Eindruck erweckt, dass nur den Mitgliedern des Verwaltungsbeirats Vollmacht erteilt werden kann. Eine solche Beschränkung im Rahmen der Einladung zur ordentlichen Eigentümerversammlung ist jedoch nicht zulässig, da die Teilungserklärung diesbezüglich keinerlei Beschränkungen vorsieht (vgl. Ziffer IX der Teilungserklärung).
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Der Kläger beantragt Sinngemäß
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Die Beklagten beantragen
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Die Beklagten machen geltend, dass aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen der Verwalter es versäumt habe, entsprechend der Bitte des Verwaltungsbeirats neben dessen Vollmachtformular auch dessen Begleitschreiben an die Eigentümer vom 21.10.2019 (Anlage B 2) seinem Einladungsschreiben vom 28.10.2019 beizufügen. Aus dem Einladungsschreiben des Verwalters vom 28.10.2019 selbst ergibt sich entgegen der Darstellung des Klägers aber nicht, dass er abweichend von der dort sogar ausdrücklich erwähnten Bestimmung der Ziffer IX GemO in der Eigentümerversammlung am 27.11.2019 die Vertretung von Wohnungseigentümern auf die Mitglieder des Verwaltungsbeirats beschränken wollte. Ausdrücklich empfohlen wird in diesem Einladungsschreiben zunächst, im Falle einer Verhinderung sich vertreten zu lassen, ohne dass diese Vertretung auf bestimmte Personen beschränkt wird. Anschließend werden die Wohnungseigentümer lediglich gebeten‚ den beiliegenden Vordruck für die Erteilung der Vollmacht zu verwenden, ohne dass damit zugleich die Verwendung einer anderen selbsterstellten Vollmachtsurkunde ausgeschlossen wird. Am Ende wird schließlich darauf hingewiesen, dass die Vollmacht - welche auch immer der Wohnungseigentümer erteilt - der Schriftform bedarf. Jedenfalls 11 Wohnungseigentümer gingen auch aufgrund des Einladungsschreibens des Verwalters vom 28.10.2019 (Anlage K 7) und des beigefügten Vollmachtformulars des Verwaltungsbeirats nicht davon aus, sie könnten entgegen der Bestimmung in Ziffer |X.7 GemO für die Eigentümerversammlung am 27.11.2019 nur ein Mitglied des Verwaltungsbeirats bevollmächtigen. Diese Eigentümer, zu denen auch der Kläger gehört, erteilten jeweils der Wohnungseigentümerin Frau Vollmacht zu ihrer Vertretung in der Eigentümerversammlung am 27.11.2019, wie sich aus der vom Kläger als Anlage K 1 bereits vorgelegten Anwesenheitsliste ergibt. Die reine Spekulation des Klägers, 69 Wohnungseigentümer oder zumindest ein Teil von ihnen, die in der Eigentümerversammlung am 27.11.2019 weder persönlich anwesend noch vertreten waren, hätten aufgrund des Einladungsschreibens des Verwalters vom 28.10.2019 und des beigefügten Vollmachtformulars des Verwaltungsbeirats davon abgesehen, eine dritte Person als Bevollmächtigten mit ihrer Vertretung in der Eigentümerversammlung am 27.11.2019 zu betrauen, wird von Beklagtenseite ausdrücklich bestritten.
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Die Beklagten berufen sich zusätzlich noch darauf, dass der Gerichtskostenvorschuss verzögert einbezahlt worden sei, weil die Gerichtskostenvorschussanforderung bereits am 29.01.2010 hätte zugehen müssen, denn an diesem Tag habe die Geschäftsstelle mittels BeA den GKV angefordert.
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Die Klägerin macht in der Replik geltend, dass laut Empfangsbekenntnis der Zugang des GKV erst am 24.02.2020 erfolgt sei und damit der GKV rechtszeitig einbezahlt worden sei.
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Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteienvortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der öffentlichen Sitzung verwiesen.
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Sämtliche Parteien haben sich mit dem schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt, so dass das Gericht das schriftliche Verfahren angeordnet hat.
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Die Beklagtenpartei zu 1) hat der Firma den Streit verkündet.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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I. Die Klage ist zulässig.
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Es ist das Wohnungseigentumsgericht örtlich und sachlich ausschließlich zuständig.
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II. Die Klage ist begründet.
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1. Die Beschlussanfechtungsfrist des § 46 I S.2 WEG von einem Monat wurde nicht versäumt.
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1.1. Die Verfügung den Gerichtskostenvorschuss von dem Klägervertreter anzufordern erfolgte am 28.01.2020 und der Gerichtskostenvorschuss wurde laut Stempel der Geschäftsstelle am 29.01.2020 angefordert. Laut Empfangsbekenntnis erfolgte der Zugang der Anforderung des GKV am 24.02.2020. Der Zugang der Aufforderung den GKV zu zahlen, wird mit dem Empfangsbekenntnis nachgewiesen.
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1.2. Das Empfangsbekenntnis ist Privaturkunde (BGH NJW 90, 2125 u MDR 2012, 798 = NJW 20, 2012, 2117 Tz 6 sowie FamRZ 95, 799). Es erbringt Beweis für die Entgegennahme des bezeichneten Schriftstücks als zugestellt und für den Zeitpunkt dieser Entgegennahme (Zustellung, BVerfG NJW 2001, 1563 [1564; Beweis des Zustellungszeitpunkts]; BGH NJW 90, 2125, NJW 2001, 2722 [2723], MDR 2002, 1332 = NJW 2002, 3027 [3028], NJW 2003, 2460 u NJW 2012, 2117 Tz 6).
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1.3. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der Angaben ist zulässig (BGHZ 35, 236 [238,239] = NJW 61, 575; BGH NJW 87,325 u 1335 sowie MDR 91, 33 = NJW 90, 2125 mwN). Dafür genügt allein die Möglichkeit der Unrichtigkeit nicht (dass die Richtigkeit der Angabe nur erschüttert ist, BGH NJW 96, 2514 u 2006, 1206 [1207]); es muss die Beweiswirkung des § 174 vollständig entkräftet, jede Möglichkeit der Richtigkeit der Empfangsbestätigung somit ausgeschlossen werden (BGHZ 16, 217 [227]; BGH NJW 90, 2125 u MDR 96, 958 = NJW 96,2514 sowie NJW-RR 97, 769, NJW 2001, 2723, NJW 2002, 3027 [3028], NJW 2003, 2460, 2006, 1206 [1207] u NJW 2012, 2117; BSG NJW-RR 2002, 1652; BayObLG NJW-RR 2000, 606); an den Gegenbeweis werden damit strenge Anforderungen gestellt (BVerfG NJW 2001, 1563 [1564]; BGH FamRZ 95, 799; vgl. Zöller § 174 Rn. 20 ZPO).
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1.4. Ein äußerer Mangel, der die Beweisregeln der §§ 415-418 ausschließt, nimmt dem Empfangsbekenntnis nicht schlechthin jede Beweiskraft (BGH NJW 88, 60 [62]); nach freier Überzeugung entscheidet das Gericht (§§ 419, 286) über den Zustellungszeitpunkt, wenn das Datum der Zustellung 'nicht angegeben ist (BGH NJW 2005, 3216 [3217: Konkretisierung an Hand des Eingangsstempels des Gerichts])‚ wenn das angegebene Zustellungsdatum einen Tag nach dem Datum des Eingangsstempels bezeichnet (VGH Mannheim NJW 2005, 1678 LS =NVwZ-RR 2005, 364) oder wenn das Empfangsdatum überstempelt und daher nicht eindeutig ist (BGH NJW 92, 512).
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1.5. Hier liegt insofern ein äußerer Mangel vor, als aus dem EBK nicht hervorgeht, welches konkrete Schriftstück bzw. welche Blattzahl zugestellt werden sollte. Zudem wurde laut Auskunft der zuständigen Geschäftsstellendame und dem AusführungsStempel auf Bl. 18 d.A. die Gerichtskostenvorschussanforderung per beA dem Klägervertreter bereits am 29.01.2020 zugeschickt und wurde auch im Computersystem als zugestellt vermerkt.
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1.6. Auf dem elektronischen EBK (Anlage K 11), das die Klägerin vorgelegt hat, ist jedoch vermerkt, welches konkrete Schriftstück zugestellt wurde. So steht im letzten Absatz der Seite 1 unter der Überschrift „beA-Nachricht“:
„Nachrichtentyp: Allgemeine Nachricht
Betreff: KOST-Ausdruck Kostenübersicht
Aktenzeichen: 484 C 22248/19 WEG"
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Insofern geht aus dem EBK unter Anlage K11 hervor, welches konkrete Schriftstück hier zugestellt worden ist, nämlich die Kostenanforderung. Dies ergibt sich im Übrigen zusätzlich auch aus den Gerichtsakten, da zu diesem Zeitpunkt keine weitere Kostenübersicht, sondern nur die Kostenanforderung versandt worden ist. Es liegt daher weder ein äußerer Mangel des EBK vor, noch können Zweifel bestehen, dass es sich bei dem zugestellten Schriftstück um die streitgegenständliche Kostenanforderung handelt.
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1.7. Es ist hier auch nachträglich nicht aufzuklären, warum im Computersystem des Gerichts der 29.01.2020 als Versandtermin eingetragen ist, die Kostenanforderung aber erst am 24.02.2020 um 15:39 Uhr beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangen ist. Gerade wegen der auch gerichtsbekannten, immer wieder auftretenden, nicht aufklärbaren technischen Übermittlungsprobleme des beA (mögen diese am beA-System selbst oder an der verwendeten Anwalts-Software liegen) kann es auch bei diesem Übermittlungsweg für den Zeitpunkt der Zustellung entscheidend nur auf den im Empfangsbekenntnis vermerkten Zugangszeitpunkt ankommen, ansonsten wäre das Erfordernis zur Ausstellung eines solchen Empfangsbekenntnisses ja auch völlig überflüssig.
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Die Klageerhebungsfrist ist daher eingehalten worden. Die Klagezustellung erfolgte demnächst i.S.v. 167 ZPO.
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2. Beschluss Nr. 221 und Beschluss Nr. 229 waren für ungültig zu erklären, da sie an einem formellen Ladungsmangel leiden.
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2.1. Bei dem Vollmachtsformular, das der Einladung beigefügt war, handelte es sich um keine BIankovoIlmacht, sondern es konnten nur die Mitglieder ‚des Verwaltungsbeirates als Vertreter „angekreuzt“ werden. Es wurde also der Eindruck erweckt, dass nur den Mitgliedern des Verwaltungsbeirates Vollmacht erteilt werden kann. Eine solche Beschränkung im Rahmen der Einladung zur ordentlichen Eigentümerversammlung ist jedoch nicht zulässig, da die Teilungserklärung diesbezüglich keinerlei Beschränkungen vorsieht (vgl. Ziffer IX der notariellen Teilungserklärung).
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2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Landgerichts München I liegt ein Einladungsmangel dann vor, wenn bei vernünftiger Betrachtungsweise ernsthaft mit der Möglichkeit zu rechnen ist, dass ein Wohnungseigentümer wegen des Mangels nicht an der Versammlung teilgenommen hat und daher mit der Möglichkeit zu rechnen ist, dass hierdurch das Beschlussergebnis beeinflusst worden sein kann (Vgl. LG München I, Urteil vom 27.09.2019 - 36 S 18251/16 WEG, BeckRS 2018, 45430). Mit ihrem Hinweis auf das fehlende, klarstellende Begleitschreiben bestätigen die Beklagten, dass das mit der Einladung versandte Vollmachtsformular bei einem Wohnungseigentümer den Eindruck erwecken konnte, als könnte nur dieser Vordruck oder nur die mit dem Vollmachtsformular benannten Personen des Verwaltungsbeirates mit der Vertretung in der Eigentümerversammlung beauftragt werden. Damit muss hier ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass Wohnungseigentümer, die an der Teilnahme gehindert waren, sich nur deshalb von niemanden vertreten ließen, weil sie mit ihrer Vertretung kein Verwaltungsbeiratsmitglied beauftragen wollten. Bleibt ein Eigentümer wegen des gegebenen Ladungsmangels der Versammlung fern, kann daher in der Regel nicht ausgeschlossen werden, dass dieser in der Eigentümerversammlung Argumente bzw. Aspekte vorgebracht hätte, welche die Meinungsbildung der übrigen beeinflussen hätten können und damit potentiell zu einem anderen Abstimmungsergebnis geführt hätten (LG München l, Endurteil v. 27.09.2018 - 36 S 18251/16 WEG, BeckRS 2018, 45430).
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2.3. Es wird daher in einem solchen Fall regelmäßig vermutet, dass der angefochtene Beschluss im Sinne einer Kausalitätserwägung auf dem Mangel beruht (BayOLGZ 1992, 79, 82; OLG Köln WE 1996, 311 ff.). Die Kausalitätsvermutung kann nur durch den Nachweis widerlegt werden, dass der Beschluss mit Sicherheit - nicht nur mit hoher Wahrscheinlichkeit - auch ohne den Verstoß inhaltsgleich der Beschluss gefasst worden wäre (BGH NJW 2002, 1647 ff.; Staudinger/Bub, WEG, 2005, § 24 Rn 146 m.w.N.). An den Nachweis der fehlenden Ursächlichkeit des Mangels sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen, so dass es nicht allein auf die Auswirkung des Abstimmungsverhaltens auf das Abstimmungsergebnis, sondern auch auf die Möglichkeit, in einer der Abstimmung vorausgehenden Aussprache durch überzeugende Argumente das Abstimmungsverhalten der anderen Stimmberechtigten zu beeinflussen, ankommt (LG München I, Endurteil v. 27.09.2018 - 36 S 18251/16 WEG, BeckRS 2018, 45430). - 2.4. Vorliegend waren in der Eigentümerversammlung vom 27.11.2019 ausweislich der Anwesenheitsliste vom 27.11.2019 (Anlage K 1) 69 Eigentümer nicht anwesend und auch nicht vertreten. 29 Eigentümer waren durch Beiratsmitglieder vertreten. Lediglich 1 Eigentümer war durch einen Dritten vertreten. In diesem Fall reicht es nicht aus, wenn die Beklagten die Kausalität lediglich bestreiten. Sie hätten dafür Beweis erbringen müssen, der die Kausalitätsvermutung erschüttern kann.
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Die streitgegenständlichen, angefochtenen Beschlüsse sind daher schon aufgrund dieses formellen Fehlers für ungültig zu erklären. Auf die anderen geltend gemachten Beschlussanfechtungsgründe kommt es daher nicht mehr an.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und die vorläufige Vollstreckbarkeit auf 709 I ZPO.
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IV. Der Streitwert war hier auf 35310,70 € festzusetzen.
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1. Der Streitwert ist gem. § 49 a GKG auf 50% des Interesses der Beklagten und der Beigeladenen festzusetzen. Er darf das fünffache des Wertes des Interesses der Klagepartei und der auf ihrer Seite Beigetretenen nicht überschreiten und das einfache Interesse der Klagepartei nicht unterschreiten.
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2. Bei der Beschlussanfechtung der Jahresabrechnung/Einzelabrechnungen 2018 bemisst sich der Streitwert anhand des Gesamtvolumens der Ausgaben der Jahresabrechnung, hier 831470,64 € davon 50%.
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Das fünffache klägerische Interesse (Ausgaben der Klagepartei LG München I Beschluss vom 13.04.2017, 1 T7014/16, ZMR 2017,673) beträgt 6928,45 € x 5 = 34642,25 €.
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Da das fünffache klägerische Interesse das 50%tige Interesse der Beklagten begrenzt, stellt dies den Streitwert dar.
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3. Bei der Beschlussanfechtung einer Baumaßnahme (hier Top 9) bemisst sich der Streitwert anhand des Gesamtvolumens der Maßnahme, hier 19910,00 € Euro und davon das 50%tige Interesse der Beklagten. Das klägerische Interesse beträgt 67,1474/10000stel (= 133,69 €) x 5 ergibt 668,45 Euro. Da das fünffache klägerische Interesse das 50%tige Interesse der Beklagten begrenzt, stellt dies den Streitwert dar.