Titel:
Antrag auf Fällgenehmigung durch Nachbar, gesunder und vitaler Baum, Unzumutbarkeit
Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2
BaumSchV der Stadt Schwabach
Schlagworte:
Antrag auf Fällgenehmigung durch Nachbar, gesunder und vitaler Baum, Unzumutbarkeit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 55016
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem die beantragte Genehmigung zur Fällung einer Eiche auf dem benachbarten Grundstück abgelehnt wurde.
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Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks … Auf dem benachbarten Grundstück … wächst die streitgegenständliche Eiche. Obwohl die Eiche an der Grundstücksgrenze zum … steht, handelt es sich um keinen Grenzbaum. Der Baum steht hinter einer Waschbetonmauer und der Stammumfang beträgt 110 cm.
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Bereits am 6. Juni 2018 beantragte der Eigentümer des Baumes, Herr …, bei der Stadt … die Baumfällgenehmigung, welche ihm nach einer Ortbesichtigung am 10. Juli 2018 jedoch versagt wurde. Der Baum sei, so die Aussage des Besichtigenden, gesund und vital und müsse deshalb nicht gefällt werden. Schließlich beantragten die Kläger mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 31. August 2018 erneut die Fällung der streitgegenständlichen Eiche bei der Beklagten. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass auf dem Grundstück der Kläger aufgrund der Eiche und der dadurch verbundenen dauerhaften Beschattung durch überhängende Äste und Zweige sowie herüberwachsende Wurzeln bereits Beschädigungen auf dem Bodenbelag entstanden seien. Durch die herüberwachsenden Wurzeln seien Teile des Steinpflasters bereits hochgedrückt worden. Eine Nutzung des Grundstücks der Kläger sei durch Lichtentzug ebenfalls erheblich eingeschränkt. Am 9. Januar 2019 fand durch die Beklagte eine erneute Ortseinsicht bei den Grundstücken statt.
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Mit Bescheid vom 14. Januar 2019 wurde der Antrag der Kläger auf Genehmigung zur Fällung einer Eiche auf dem Anwesen …, abgelehnt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Eiche auf dem Grundstück … aufgrund des Stammumfanges Schutzgegenstand der Baumschutzverordnung (im Folgenden: BaumSchV) der Stadt … sei. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BaumSchV sei es grundsätzlich verboten, geschützte Bäume ohne Genehmigung zu entfernen. Ausnahmen im Sinne des § 6 BaumSchV seien nicht gegeben. Die Fällung eines geschützten Baumes sei zu genehmigen, wenn bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die Erhaltung des Baumes im bisherigen Zustand dem Baumbesitzer nicht zugemutet werden könne unter Berücksichtigung des Schutzzweckes der BaumSchV, des Verfassungsgebots des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen und der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, vgl. § 7 Abs. 1 BaumSchV. § 7 Abs. 2 BaumSchV definiere, wann insbesondere die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt seien. Relevant hierfür sei insbesondere die Begründung des Fällantrages. Nach § 7 Abs. 2 a) BaumSchV seien die Voraussetzungen erfüllt, wenn der Baum Menschen oder erhebliche Sachwerte gefährde und andere Sicherungsmaßnahmen nicht möglich oder wirtschaftlich unzumutbar seien. Dies gelte sinngemäß auch, wenn die Entfernung im Interesse eines benachbarten Grundstücks beantragt werde (§ 7 Abs. 4 BaumSchV). Die betroffene Eiche sei jedoch vital und gesund und befinde sich in einem guten Zustand. Zudem werde die Eiche als verkehrssicher bewertet. Zum Zeitpunkt der Ortseinsicht sei ein Teil der Belagsfläche der Garageneinfahrt des Grundstücks … mit einer Folie abgedeckt gewesen, sodass zu etwaigen Belagsschäden der Pflastersteine im südöstlichen Bereich der Garageneinfahrt keine Aussagen getroffen werden könnten. In jedem Falle sei die Zufahrt zur Garage weiterhin möglich und naturgegebene Beeinträchtigungen seien zumutbar und teilweise durch verschiedene Maßnahmen behebbar. So könne die Zufahrt durch Anhebung der Pflastersteine angeglichen werden. Nach § 7 Abs. 2 lit. f) BaumSchV seien die Voraussetzungen erfüllt, wenn der Bestand oder die Nutzbarkeit eines vorhandenen Gebäudes unzumutbar beeinträchtigt werde z.B. durch übermäßige Beschattung. Der Überhang der Eiche zum Grundstück … hin werde bereits als geringfügig bewertet. Der Kronenbereich der Eiche sei zum Anwesen … hin bereits erkennbar aufgeastet gewesen, wodurch sich die Beschattung deutlich verringert habe. Eine Beeinträchtigung liege hier auch nur für die Garageneinfahrt und die Garage des Anwesens … vor, jedoch nicht für die Wohngebäude auf dem über 800 m² großen Grundstück. Die Beschattung beschränke sich weiterhin nur auf die Vegetationszeit, da die Eiche im Winter ihr Laub abwerfe. Die Nutzung der Garage und der Garageneinfahrt sei möglich, eine unzumutbare Beeinträchtigung durch Beschattung sei nicht ersichtlich. Weitere Voraussetzungen nach § 7 Abs. 2 BaumSchV für die Erteilung einer Fällgenehmigung lägen nicht vor. Auch § 7 Abs. 3 BaumSchV sei nicht einschlägig.
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Mit am 11. Februar 2019 bei Gericht eingegangenen Schreiben ihres Bevollmächtigten beantragten die Kläger,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14. Januar 2019 zu verpflichten, den Klägern eine Genehmigung zur Fällung einer Eiche auf dem Anwesen …, zu erteilen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Kläger zu 1) vom Umweltamt der Beklagten die Auskunft erhalten habe, dass die Eiche kein schützenswerter Baum im Sinne der BaumSchV sei und daher entfernt werden könne. Erst nach Einschaltung des Baumeigentümers sei die Beklagte mit ihrer Feststellung umgeschwenkt. Die Beklagte müsse sich insoweit aus Vertrauensgrundsätzen an ihrer Aussage festhalten lassen. Der Anspruch auf Fällung des Baumes bestehe aufgrund der nachbarrechtlichen Vorschriften und aufgrund der Gefahrenabwehr. Die Entfernung des Baumes sei nach § 7 BaumSchV zu genehmigen. Die Voraussetzungen für die Fällgenehmigung seien in der Regel zu bejahen, wenn der Baum erhebliche Sachwerte gefährde. Es seien bereits Schäden auf dem Grundstück der Kläger entstanden. Durch die Wurzeln des Baumes seien im Bereich der Garageneinfahrt erhebliche Schäden am Bodenbelag verursacht worden. Die Pflasterplatten und der Beton bei der Einfahrt zum Grundstück der Kläger seien bereits entfernt worden. Darunter sei das Wurzelwerk sichtbar gewesen. Auch das Garagenpflaster sei beschädigt sowie der Waschbetonzaun. Die Zufahrt könne entgegen der Behauptung der Beklagten auch nicht durch Anhebung der Pflastersteine ausgeglichen werden. Denn zum einen kämen die Kläger mit ihrem Fahrzeug nicht mehr in die Garage und zum anderen werde auch die Zufahrt zur Garageneinfahrt erschwert. Diese Schäden würden sich weiter ausbreiten und die gesamte Pflasterung der Einfahrt zerstören. Weiterhin bestünde auch ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BaumSchV, da das Fällen der Eiche der Sicherheit des Straßenverkehrs dienen würde. Die Feststellung der Beklagten, dass zu den Belagschäden der Pflastersteine im südöstlichen Bereich der Garageneinfahrt keine Aussage getroffen werden könne, weil diese durch eine Folie abgedeckt gewesen sei, sei schlicht falsch. Die Mitarbeiter vom Umweltamt hätten den Kläger zu 1) ansprechen können, sodass dieser ohne Weiteres die Folie abgedeckt hätte. Auf der Garageneinfahrt befinde sich zudem ein Abwassergully, um den sich bereits dickere Wurzeln gebildet hätten. Daher bestünde auch ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 BaumSchV, da das Fällen des Baumes der Gewässerunterhaltspflicht dienen würde. Gefahr drohe außerdem für den Waschbetonzaun, da der Stamm, sobald er einen dickeren Umfang habe, den Zaun wegdrücke und zerstöre. Weiterhin litten die Kläger unter einer dauerhaften Beschattung des Grundstücks hinter der Garage. Die Nutzbarkeit des Gartens werde durch den Lichtentzug eingeschränkt. Außerdem bilde die Eiche bereits Ableger, die das Grundstück der Kläger ebenfalls beeinträchtigten. Die Nutzung des Grundstücks sei in jedem Falle mangels Lichteinfalls erheblich eingeschränkt. Aufgrund des Baumes könnten die Kläger ihr Vorhaben in Bezug auf die Errichtung einer Solaranlage nicht verwirklichen. Auch werde das Ortsbild durch den Baum nicht aufgewertet. Dieses sei vorwiegend mit Einfamilienhäusern geprägt und mit einem bereits ausreichend vorhandenen Baumbestand. Auch bei Entfernung der Eiche seien somit noch eine Vielzahl von Bäumen und Büschen vorhanden, sodass das Ortsbild gleichbleibe.
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Mit am 29. März 2019 eingegangenem Schriftsatz beantragte die Beklagte,
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Umweltamt der Beklagten keine pauschalen Auskünfte darüber gebe, ob ein Baum schützenswert sei oder nicht. Vielmehr werde grundsätzlich zur Baumkontrolle an das Baubetriebsamt verwiesen. Nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Vorschriften könne im Übrigen eine Behörde sich nur durch eine schriftliche Äußerung binden. Für eine Fällgenehmigung gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. a) BaumSchV müssten erhebliche Sachwerte gefährdet sein. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Hochgedrücktes Steinpflaster durch darunter befindliche Wurzeln stelle zwar einen Schaden dar, jedoch bestehe in einem derartigen Fall eine mögliche und zumutbare Maßnahme im leichten Anheben der Pflastersteine, um Unebenheiten auszugleichen. Darunterliegende Wurzeln könnten unter Umständen durch einen Baumpflegefachbetrieb fachgerecht gekappt und entfernt werden, ohne dass der geschützte Baum gefährdet sei. Diese Maßnahmen seien absolut vertretbar. Im Weiteren sei eine Beschädigung der gesamten Pflasterung der Einfahrt nicht erkennbar gewesen. Herr … von der Stadtgärtnerei (Leiter Abteilung Bäume) sei bei einer Inaugenscheinnahme der Eiche vom Kläger angesprochen worden und habe dem Kläger erläutert, dass die Eiche einen begrenzten Wurzelraum habe und soweit Wurzeln auf seinem Grundstück zu finden seien, der Kläger diese entfernen dürfe. Eichen hätten lange Pfahlwurzeln, die einige Meter tief in den Boden wüchsen. Oberflächlich lägen kleinere Wurzeln an, die bei Entfernung nicht zu einer Beeinträchtigung der Standfestigkeit der Eiche führen würden. Der Abwasserschacht, um den sich bereits dickere Wurzeln gebildet hätten, sei in der Begründung zum Fällantrag vom 31. August 2018 nicht genannt worden. Eine Gewässerunterhaltspflicht gemäß § 39 WHG liege hier nicht vor. Schäden bzw. eine weitere Schädigung des Abwassergullys könne durch geeignete und zumutbare Maßnahmen verhindert werden. So könnten die Wurzeln um den Abwasserschacht entfernt werden. Die Waschbetonmauer könnte in einigen Jahren Schaden nehmen. Es handle sich jedoch um einen zeitlichen Rahmen von frühestens zehn Jahren. An der Waschbetonmauer seien zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Schäden zu erkennen gewesen. Auch die Eichenstämmlinge seien als Begründung bei der Antragstellung nicht erwähnt worden. Bäume von weniger als 80 cm Stammumfang unterlägen jedoch nicht der BaumSchV und könnten ohne Genehmigung entfernt werden. Weiterhin müsse der Bestand oder die Nutzbarkeit eines vorhandenen Gebäudes gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. f) BaumSchV unzumutbar beeinträchtigt sein, um eine Fällgenehmigung zu erteilen. Dies liege hier nicht vor. Die Eiche werfe Schatten, was eine typische Begleiterscheinung eines Baumes darstelle. Beschattet werde hier hauptsächlich der Bereich der Garageneinfahrt und die Garage. Die Wohngebäude seien von der Verschattung jedoch nicht beeinträchtigt. Der überwiegende Teil des Gartens befinde sich im rückwärtigen Bereich des über 800 m² großen Grundstücks und sei nicht von der Verschattung durch die Eiche betroffen. Somit sei die Beschattung durch die Eiche nicht übermäßig und damit bestehe auch keine unzumutbare Beeinträchtigung des Bestandes oder in der Nutzbarkeit eines vorhandenen Gebäudes. Die Energiegewinnung durch eine Solaranlage sei nicht vorrangig gegenüber dem wesentlichen öffentlichen Belang der Durchgrünung. Zudem sei diese nicht in der Begründung des Antrags erwähnt worden und auch bislang nicht vorhanden.
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Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die zum Verfahren beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage, mit der die Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Baumfällgenehmigung zur Fällung einer Eiche auf dem benachbarten Grundstück begehren, ist zulässig aber unbegründet. Über diese konnte das Gericht trotz Ausbleibens der Klägerseite entscheiden, da die Klägerseite in der am 5. November 2020 zugegangenen Ladung darauf hingewiesen wurde, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne diesen verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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Die als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthafte Klage ist zulässig. Insbesondere steht es einer Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO nicht entgegen, dass die streitbefangene Eiche nicht im Eigentum der Kläger steht. Denn aus § 7 Abs. 4 der Verordnung zum Schutz des Baumbestandes in der Stadt … vom 23. April 1987 in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Baumschutzverordnung der Stadt … vom 9. August 2016 (im Folgenden: BaumSchV) ergibt sich, dass eine Genehmigung auch auf Grund von Beeinträchtigungen auf dem Nachbargrundstück und damit auch von den Klägern als Nachbarn beantragt werden kann. Auch in der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass Nachbarn einen Antrag auf Baumfällgenehmigung stellen können, wenn diese geltend machen, dass von dem Baum Beeinträchtigungen ausgehen (vgl. OVG Berlin, U.v. 27.1.1978 - II B 75.76 - juris Rn. 16; OVG Saarl. U.v. 29.9.1998 - 2 R 2/98 - juris Rn. 34). Vorliegend haben die Kläger geltend gemacht, dass die Nutzung ihres Hauses durch den Bestand des Baumes unzumutbar beeinträchtigt werde und, dass der Baum erhebliche Sachwerte gefährde. Gleichwohl wurde ihnen die beantragte Fällgenehmigung versagt, sodass die Kläger möglicherweise in ihren sich aus der Baumschutzverordnung der Beklagten ergebenden Rechten als normative Ausprägung des Art. 14 GG verletzt sind. Die Klagebefugnis ist damit gegeben und die Klage überdies auch im Übrigen zulässig.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Erteilung einer Fällgenehmigung aus § 7 Abs. 1, 3 und 4 BaumSchV noch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neuverbescheidung nach § 7 Abs. 3 und 4 BaumSchV, vgl. § 113 Abs. 5 VwGO.
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I. Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Baumfällgenehmigung ist die Baumschutzverordnung der beklagten Stadt Schwabach. An deren Rechtmäßigkeit und Vereinbarkeit mit den übergeordneten Normen des Bundesnaturschutzgesetztes (BNatSchG) und des Bayerischen Naturschutzgesetztes (BayNatSchG) bestehen keine Zweifel. Solche wurden von der Klägerseite im Übrigen auch nicht geltend gemacht.
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Nach § 4 BaumSchV sind Bäume mit einem Stammumfang von 80 und mehr Zentimetern vom Schutz der Baumschutzverordnung umfasst. Unterschutzgestellte Bäume dürfen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BaumSchV nicht ohne Genehmigung nach § 7 BaumSchV entfernt werden. § 6 BaumSchV regelt Ausnahmen der Verbote nach § 5 BaumSchV, § 7 BaumSchV die Erteilungsvoraussetzungen für Baumfällgenehmigungen. Eine Fällgenehmigung aufgrund dieser Vorschriften können die Kläger nicht verlangen.
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II. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass die Kläger für die Beseitigung des Baumes einer Fällgenehmigung bedurften, mithin eine Genehmigungspflichtigkeit bestand.
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Der streitbefangene Baum befindet sich im von § 3 BaumSchV und Anlage 1 der Verordnung definierten Geltungsbereich der Baumschutzverordnung. Er hat einen Stammumfang von 110 cm, sodass er gemäß § 4 Abs. 1 BaumSchV vom sachlichen Schutzbereich der Baumschutzverordnung umfasst ist. Da es sich bei dem Baum um eine vitale und lebensfähige Eiche handelt, kommt vorliegend auch keine Schutzbereichsausnahme nach § 4 Abs. 4 BaumSchV in Betracht. Denn bei dem Baum handelt es sich weder um einen Obstbaum, noch ist dieser abgestorben.
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Rechtsfolge der Unterschutzstellung des streitbefangenen Baumes ist damit zunächst, das bereits angesprochene Beseitigungsverbot aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BaumSchV. Nach diesem darf der Baum grundsätzlich nur mit einer Genehmigung beseitigt werden.
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III. Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ist vorliegend auch kein Ausnahmetatbestand im Sinne des § 6 BaumSchV erfüllt. Würde ein solcher vorliegen, würde für die Fällung der Eiche die Genehmigungspflicht entfallen.
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Jedoch ist zu beachten, dass die vom Klägerbevollmächtigten angesprochenen § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 4 BaumSchV - unabhängig von ihrer tatbestandlichen Verwirklichung - nach der Systematik der verfahrensgegenständlichen Baumschutzverordnung nicht als Ausnahme zum Verbot des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BaumSchV herangezogen werden dürfen. Denn diese Maßnahmen sind nur im Rahmen der Verbote des § 5 Abs. 3 bis 5 BaumSchV (u.a. Veränderung des charakteristischen Aussehens des Baumes; Beschädigungen; Entfernen von Wurzeln), nicht aber bei der kompletten Entfernung des Baumes heranziehbar. Dies ergibt sich auch explizit aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 BaumSchV („nicht von Absatz 1 erfasste Maßnahmen (z.B. Fällen des Baumes) [sind] ausnahmsweise […] zulässig, wenn …“).
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Vorliegend ist aber auch nicht von einer Ausnahme nach § 6 Abs. 2 BaumSchV auszugehen. Demnach dürfte der Baum ohne Genehmigung gefällt werden, wenn dies der Abwendung einer unmittelbar drohenden Gefahr für die Allgemeinheit, für Leben und Gesundheit von Menschen oder für bedeutende Sachwerte diene und eine andere Abhilfe nicht möglich wäre. Bereits die der Vorschrift des § 6 Abs. 2 BaumSchV immanent innewohnende Eilbedürftigkeit ist nicht gegeben, da von dem streitbefangenen Baum keine unmittelbar drohende Gefahr ausgeht. Dies ist insbesondere deswegen nicht der Fall, da die Eiche durch das Umweltschutzamt der Beklagten als stand- und bruchsicher eingestuft worden ist. Auch die Kläger haben nicht vorgetragen, dass der Baum abgestorben sei oder, dass von diesem unmittelbar drohende Gefahren ausgehen würden.
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IV. Weiterhin ist die Erteilung einer Genehmigung vorliegend auch nicht auf Grund einer vermeintlichen Auskunft der Beklagten gegenüber dem Kläger zu 1) entbehrlich oder auf Grund einer etwaigen Vorwegbindung zwingend zu erteilen. Selbst bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrages ist dieser nicht hinreichend substantiiert. Denn die Klägerseite hat selbst vorgetragen, dass der Kläger zu 1) lediglich eine Auskunft bei der Beklagten eingeholt hat. Aus einer bloßen Auskunft lässt sich jedoch keine Genehmigungserteilung oder gar ein Anspruch auf eine solche ableiten. Insoweit ist auf Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG zu verweisen. Demnach bedarf die Zusage der zuständigen Behörde einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen (Zusicherung) zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Unabhängig davon, dass es sich bei einer bloßen Auskunft bereits um keine Zusage im Sinne des Art. 38 Abs. 1 BayVwVfG handelt (vgl. insoweit BayVGH, U.v. 18.7.2006 - 14 ZB 03.710 - juris Rn. 21), wurde von der Klägerseite diese Auskunft auch nicht schriftlich vorgelegt. Ein wie auch immer geartetes Vorverhalten der Beklagten, dass für diese eine Bindungswirkung ausgelöst haben könnte, ist für die Kammer damit nicht ersichtlich.
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V. Die damit mangels Ausnahme oder Entbehrlichkeit nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 7 BaumSchV erforderliche Genehmigung wurde von der Beklagten zu Recht versagt. Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Genehmigung lagen zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses und liegen zum nunmehr maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor. Unabhängig davon käme der begehrten Genehmigung keinerlei privatrechtsgestaltende Wirkung zu (vgl. BayVGH, B. v. 18.6.2009 - 14 ZB 09.656 - juris Rn. 7)
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Nach § 7 Abs. 1, 4 BaumSchV ist die Entfernung eines geschützten Baumes im Interesse des benachbarten Grundstückes zu genehmigen, wenn bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles die Erhaltung des Baumes im bisherigen Zustand dem Besitzer des benachbarten Grundstückes nicht zugemutet werden kann. Bei der Abwägung aller Umstände sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 BaumSchV auch der Schutzzweck des § 1 BaumSchV, das Verfassungsgebot des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 141 BV) und die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG, Art. 103 Abs. 2 BV) zu berücksichtigen. § 7 Abs. 2 BaumSchV nennt Beispiele, bei deren Vorliegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 BaumSchV in der Regel zu bejahen ist. Diesbezüglich haben sich die Kläger auf die des § 7 Abs. 2 lit. a) und f) BaumSchV berufen.
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1. Die Kläger können sich vorliegend nicht auf das Regelbeispiel des § 7 Abs. 2 lit. a) BaumSchV berufen. Nach diesem müssten durch die streitbefangene Eiche Menschen oder erhebliche Sachwerte gefährdet sein und andere Sicherungsmaßnahmen nicht möglich oder wirtschaftlich unzumutbar sein. Nach der Einschätzung der Beklagten - der die Kammer mangels gegenteiliger Anhaltspunkte folgt - ist die Eiche gesund und vital. Es sind keine äußerlichen Anzeichen erkennbar, die auf eine Beeinträchtigung der Stand- und Bruchsicherheit hindeuten. Der Baum wurde daher als verkehrssicher gewertet, sodass eine Gefährdung von Menschen und erheblichen Sachwerten durch mangelnde Stand- oder Bruchsicherheit ausgeschlossen werden kann. Soweit nach dem Klägervortrag die Beschädigung des Pflasters der Garageneinfahrt auf das Wurzelwachstum der Eiche zurückzuführen ist, ist eine damit verbundene Unfallgefahr aufgrund hochstehender Pflastersteine jedenfalls durch zumutbare Maßnahmen ausräumbar. Selbiges gilt für das klägerseits vorgetragene Wurzelwachstum um den Abwassergully. Eine Entfernung der oberflächlichen bzw. oberflächennahen Wurzeln des streitbefangenen Baumes ist ohne Gefährdung der Standsicherheit der Eiche möglich, da Eichen über metertiefe Pfahlwurzeln verfügen. Das Gericht stützt sich hierbei auf die in der Klageerwiderung wiedergegebenen nachvollziehbaren Angaben des Baumkontrolleurs der Beklagten, denen die Klägerseite im Übrigen nicht entgegengetreten ist. Die Entfernung der Wurzeln wäre gemäß §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5, 6 Abs. 1 Nr. 6 BaumSchV auch ohne vorherige Genehmigung möglich, da es sich insoweit um eine ausnahmsweise ohne Genehmigung zulässige Maßnahme zur Erfüllung der privatrechtlichen Verkehrssicherungspflicht handeln dürfte. Die Pflastersteine der Garageneinfahrt können auch insgesamt leicht angehoben werden, um Unebenheiten auszugleichen und erneutem Schaden durch weiteres Wurzelwachstum vorzubeugen. Die Maßnahmen zur Ausbesserung des Pflasters der Garageneinfahrt sind für die Kläger auch wirtschaftlich zumutbar. Dies insbesondere, da sie die Kosten möglicherweise über den sog. nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog von ihrem Nachbarn, dem Baumeigentümer, zivilrechtlich ersetzt bekommen können. Verglichen mit dem ökologischen Wert des Baumes und dem Schutzzweck der Baumschutzverordnung dürfte der finanzielle Aufwand - auch im Hinblick auf die bereits vorgelegte Rechnung - auch nicht wirtschaftlich unzumutbar sein. Dies wurde von der Klägerseite darüber hinaus auch nicht substantiiert vorgetragen.
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Im Übrigen ist für die Kammer aus den von der Beklagten vorgelegten Lichtbildern auch ersichtlich, dass die Garage der Kläger und die Einfahrt auch im aktuellen Zustand trotz teilweise beseitigter Pflastersteine genutzt werden kann. Die mit einer Plane abgedeckte Fläche der Einfahrt kann nach Einschätzung der Kammer beim Einparkvorgang in die Garage umfahren werden, sodass derzeit lediglich von einer eingeschränkten Nutzbarkeit auszugehen sein dürfte. Näheres hierzu wurde jedenfalls klägerseits nicht vorgetragen. Die weitergehende Aussage des Klägerbevollmächtigten, dass die Garageneifahrt durch das sich ausbreitende Wurzelwachstum dauerhaft zerstört würde, ist pauschal und unsubstantiiert. Aus den vorgelegten Lichtbildern können Anzeichen für eine dauerhafte Zerstörung der gesamten Fläche nicht geschlossen werden. So ist bereits nur ein kleiner Teil der gesamten Pflasterfläche entfernt und abgedeckt worden, die Fläche im Übrigen aber beschädigungsfrei. Weiteres wurde durch die Kläger auch nicht vorgetragen oder bildlich belegt.
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Soweit sich die Kläger auf eine drohende Beschädigung der Waschbetonmauer berufen, ist anzumerken, dass diese derzeit noch nicht vorliegt und auch frühestens in einigen Jahren zu erwarten sein dürfte. Sollte eine Gefährdung der Waschbetonmauer dann hinreichend konkret werden, kann unter Berücksichtigung der dann aktuellen Begebenheiten eine neue Genehmigung bei der Beklagten beantragt werden. Eine derzeitige konkrete Gefährdung der Waschbetonmauer wurde in jedem Falle nicht substantiiert vorgetragen.
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2. Auch das Regelbeispiel des § 7 Abs. 2 lit. f) BaumSchV ist vorliegend nicht erfüllt. Der Bestand oder die Nutzbarkeit des vorhandenen Gebäudes ist nicht unzumutbar beeinträchtigt. Insoweit hat die Klägerseite insbesondere eine Verschattung des Grundstückes vorgetragen. Die Kammer erkennt, dass das Grundstück der Kläger unstreitig einer gewissen Beschattung ausgesetzt ist. Gleichwohl ist diese Beeinträchtigung nicht unzumutbar.
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Bezüglich einer baumbedingten Verschattung ist nach der Rechtsprechung der Kammer von einer Unzumutbarkeit jedenfalls dann auszugehen, wenn die Wohnräume der Kläger auch während des Tages ausschließlich mit künstlichem Licht genutzt werden können (vgl. VG Ansbach, U.v.11.3.2019 - 11 K 17.00371). Zur zumutbaren Grundstücksnutzung gehört sowohl eine angemessene Freizeitnutzung, als eine entsprechende gärtnerische Nutzung; diese implizieren sowohl eine Besonnung von Teilbereichen des Grundstücks, die über wenige Minuten hinausgeht, als auch verschiedenartige Bepflanzungsmöglichkeiten. Allerdings sind zugunsten der mit der Baumschutzverordnung verfolgten Ziele, Einschränkungen der Besonnung und Belichtung hinzunehmen (vgl. VG München, U.v. 23.11.2015 - M 8 K 14.2817 - juris Rn. 61).
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Vorliegend betrifft die Beschattung durch die Eiche lediglich den südöstlichen Bereich des über 800 m² großen Grundstücks. Dort befinden sich die Garageneinfahrt und die Garage. Das Wohngebäude selbst und der im rückwärtigen Teil des Grundstücks liegende Garten sind nicht betroffen. Die Behauptung, dass die Anpflanzung eines ordentlichen Rasens bzw. von Gemüse auf dem gesamten Grundstück aufgrund der Beschattung durch die Eiche nicht möglich sei, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass es sich bei der Eiche um einen Laubbaum handelt und eine bemerkbare Verschattung damit vermehrt in der Vegetationszeit, nicht aber das ganze Jahr auftritt. Im Hinblick auf die Schutzzwecke der Verordnung gem. § 1 BaumSchV sind diese geringfügigen Beeinträchtigungen jedoch hinzunehmen.
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Auch die pauschale Behauptung der Kläger, eine Solaranlage könne aufgrund der Beschattung durch die Eiche nicht installiert werden, ist nicht nachvollziehbar. Es wurde schon nicht substantiiert vorgetragen, welche Dachfläche durch die streitbefangene Eiche verschattet wird und wieso eine Solaranlage nur auf dieser speziellen Fläche möglich ist. Zudem ist eine Solaranlage, die gegebenenfalls beeinträchtigt werden könnte, bislang noch nicht vorhanden, sodass es auch von anderen Faktoren (z.B. Finanzierbarkeit und Rentabilität) abhängig sein dürfte, ob eine solche Anlage tatsächlich entstehen soll. Hinreichend konkretisierte Planungen wurden der Kammer jedenfalls nicht zur Kenntnis gebracht. Im Übrigen ist es zweifelhaft - kann jedoch dahinstehen -, ob der Betrieb einer Solaranlage den Zielen der Baumschutzverordnung überhaupt vorginge.
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Soweit die Klägerseite vorgetragen hat, dass sich eine unzumutbare Beeinträchtigung der Nutzbarkeit des klägerischen Grundstücks aus möglichen Ablegern der Eiche (Eichenstämmlinge) ergebe, sei angemerkt, dass diese von den Klägern oder ihrem Nachbarn jederzeit entfernt werden dürfen, sofern ihr Stammumfang unter dem Wert des § 4 Abs. 1 BaumSchV liegt. Etwaige Ableger müssen von den Klägern also nicht auf Grund der Vorschriften der Baumschutzverordnung und des Erhalts der streitbefangenen Eiche hingenommen werden.
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3. Das Vorliegen eines sonstigen Regelbeispiels nach § 7 Abs. 2 BaumSchV ist nicht ersichtlich. Auch im Übrigen sind im vorliegenden Fall keine nicht von einem Regelbeispiel erfassten Umstände zu erkennen, die nach Abwägung zu einer Unzumutbarkeit des Erhalts der streitbefangenen Eiche im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 BaumSchV führen können.
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VI. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigung aus der Ermessensvorschrift des § 7 Abs. 3 BaumSchV. Bereits der Tatbestand der Vorschrift, zu dessen Vorliegen im Übrigen auch von der Klägerseite nichts vorgetragen wurde, ist offensichtlich nicht erfüllt. Da mangels Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen auch keine Ermessensentscheidung der Beklagten vorzunehmen war, haben die Kläger im Übrigen bereits deswegen keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neuverbescheidung durch die Beklagte, sodass auch kein Verbescheidungsurteil nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu erlassen ist.
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Nach alldem war die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.