Titel:
Mietwagenkosten, Ersparte Eigenaufwendungen, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Elektronischer Rechtsverkehr, Elektronisches Dokument, Mietpreisspiegel, Streitwert, Wert des Beschwerdegegenstandes, Eigenersparnis, Kostenentscheidung, Schadensschätzung, Anderweitige Erledigung, Wirtschaftlichkeitsgebot, Zahlungsaufforderung, Qualifizierte elektronische Signatur, Normaltarif, Schwacke-Liste, Ersatzfahrzeug, Formlose Mitteilung, Entscheidung im schriftlichen Verfahren
Rechtsmittelinstanz:
LG Landshut, Endurteil vom 20.01.2021 – 14 S 2487/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 54947
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 803,12 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.07.2019 zu zahlen.
2.Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 803,12 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Zahlung restlicher Mietwagenkosten.
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Am 05.06.2019 wurde in N.N. mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten LKW, amtliches Kennzeichen N.N., der geparkte PKW VW Touran, amtliches Kennzeichen N.N., des Klägers beschädigt.
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Der Kläger mietete während der Reparatur seines PKWs für 10 Tage ein Mietfahrzeug für 1.416,71 € an. Das Unfallfahrzeug des Klägers ist in die Mietwagenklasse 07 einzustufen. Das angemietete Fahrzeug befindet sich ebenfalls in der Mietwagenklasse 07. Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.07.2019 forderte die Klagepartei die Beklagte zur Zahlung bis zum 11.07.2019 auf. Die Beklagte leistete eine Zahlung von 556,92 €.
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Aufgrund der nicht klassenniederen Anmietung zog die Klagepartei für ersparte Eigenaufwendungen von den gezahlten Mietkosten 4% ab.
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Der Kläger trägt vor, die Mietwagenkosten seien nach der Schwacke Liste 2018 für das PLZGebiet N.N… angemessen. Ein Abzug in Höhe von 4% für ersparte Eigenaufwendungen sei sachgerecht. Das Schreiben vom 01.07.2019 sei als Mahnung zu werten, welches zugleich mit einer fälligkeitsbegründenden Handlung verbunden sein konnte.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 803,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 12.07.2019 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, die Mietwagenkosten in der geltend gemachten Höhe seien nicht ersatzfähig, da sie den tatsächlichen Normaltarif erheblichen übersteigen. Es handele sich hierbei um einen Unfallersatztarif. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich nach den Mietpreisen anderer Mietwagenunternehmen zu erkundigen. Eine Anmietung zu dem bereits bezahlten Betrag wäre möglich gewesen. Der Schwacke Auto Mietpreisspiegel sei nicht anwendbar. Zudem sei eine Eigenersparnis von 10% anzurechnen. Außerdem sei das unfallbeschädigte Fahrzeug nicht vollkaskoversichert gewesen, sodass ein entsprechender Vorteilsabzug vorzunehmen sei. Kosten für einen zweiten Fahrer seien auch nicht erstattungsfähig, da hierfür keine zusätzlichen Kosten entstünden.
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Mit Schriftsatz vom 18.06.2020 und 21.07.2020 haben die Parteien ihr Einverständnis zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren erteilt.
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Im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die Klage ist zulässig und begründet.
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1. Der Kläger kann die angefallenen Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges vollumfänglich als Schaden ersetzt verlangen.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2008, VI ZR 308/07, NJW 2009, 58 m.w.N). Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.
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Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (BGH, NJW 2008, 2910).
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Zwar ist der Geschädigte dabei zu keiner umfassenden Marktanalyse zur Ermittlung des günstigsten Angebots verpflichtet. Unter Umständen ist der Geschädigte jedoch gehalten, sich selbst über die örtlich in Betracht kommenden Tarife zu informieren und zwei oder drei Angebote einzuholen (vgl. Palandt-Grüneberg, 77. Auflage 2018, § 249/ Rn. 34 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 19. 4. 2005, Az. VI ZR 37/04). Der insoweit grundsätzlich darlegungspflichtige Kläger hat nicht vorgetragen, dass er Vergleichsangebote vor der Anmietung bei anderen Anbietern eingeholt habe. Das Vorlegen von Rechnungen für andere Zeiträume ist nicht ausreichend. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Einholung von Vergleichsangeboten hat sich vorliegend aber zur Überzeugung des Gerichtes nicht zu Lasten der Beklagten ausgewirkt, weil sich der vom Kläger geforderte Betrag nicht oberhalb der durchschnittlichen Mietwagenkosten bewegt.
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Die Höhe des insoweit zugrunde zu legenden Normaltarifs kann der nach § 287 Abs. 1 ZPO besonders frei gestellte Tatrichter schätzen (BGH NVZ 2011, 385, 386). Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif“ grundsätzlich auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im maßgebenden Postleitzahlengebiet ermitteln kann (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2010, Az. VI ZR 7/09 und Urteil vom 11.03.2008, Az. VI ZR 164/07).
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Bedenken gegen die Schwacke Liste sind nur zu berücksichtigen, wenn konkret aufgezeigt wird, dass sich ihre Mängel auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH NJW 11, 1947). Dies ist vorliegend nicht ausreichend geschehen. Ausreichend wäre die Vorlage geeigneter Alternativangebote gewesen. Nicht ausreichend ist die Vorlage von Screenshots (Palandt/Grüneberg, § 249, Rn. 33; LG Karlsruhe NJW-RR 14, 987). Zudem waren die vorgelegten Screenshots nicht geeignet, da sie weder zeitlich noch örtlich mit der betreffenden Anmietung übereinstimmen.
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Das Gericht hat keine Bedenken, die Schwacke-Mietpreisliste 2018 als Grundlage seiner Schätzung zur Ermittlung einer durchschnittlich erforderlichen Schadenshöhe anzuwenden. Diese Vorgehensweise entspricht der in ständiger Praxis am Amtsgericht Erding bewährten Schätzmethode, vgl. exemplarisch AG Erding, Urteil vom 17.07.2012, 5 C 133/12, Urteil vom 24.09.2014, 4 C 896/14, Urteil vom 25.08.2015, 4 C 1234/15, Urteil vom 13.11.2015, 4 C 1457/15, Urteil vom 24.08.2017, 4 C 1874/17, Urteil vom 21.09.2017, 4 C 2185/1, Urteil vom 13.02.2019, 8 C 2418/18 und Urteil vom 06.02.2020, 4 C 1420/19.
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2. Zu erstatten sind auch die Kosten für die Vollkaskoversicherung. Dahinstehen kann, ob das beschädigte Fahrzeug der Klägerin vollkaskoversichert war. Unabhängig davon besteht jedenfalls grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse des Geschädigten für die Kosten einer evtl. Beschädigung des Mietfahrzeugs nicht selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit höherwertiger sind, als die beschädigten Fahrzeuge (vgl. OLG Köln, 02.03.2007, 19 U 181/06).
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3. Auch die Kosten für den Zusatzfahrer sind zu erstatten. Maßgeblich ist hierbei allein, ob das angemietete Fahrzeug für die Nutzung auch durch Zusatzfahrer angemietet wurde. Ob das Fahrzeug konkret durch einen Zusatzfahrer genutzt wurde und der Kläger auf den Zusatzfahrer angewiesen war, spielt keine Rolle (OLG Köln, Urteil vom 01.08.2013, Aktenzeichen 15 U 09/12). Ausweislich der Nebenkostentabelle der Schwacke Liste bewegen sich die für den Zusatzfahrer in Rechnung gestellten Positionen innerhalb des Rahmens der Schwacke Liste.
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4. Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch war auch unter dem Gesichtspunkt der ersparten Eigenaufwendungen nicht weiter zu kürzen. Der Kläger hat bereits einen Abschlag in Höhe von 4% der Mietwagenkosten für ersparte Eigenkosten vorgenommen. Dies entspricht der Rechtsprechung des OLG Stuttgart und des OLG München (OLG Stuttgart, NZV 94, 313; OLG Nürnberg, VersR 01, 208; OLG Köln, SP07, 13). Ausweislich des Urteils des BGH vom 05.03.2013 VI ZR 245/11 ist ein höherer Abschlag für ersparte Eigenaufwendungen nicht erforderlich.
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5. Die Zinsen sind aus Verzugsgesichtspunkten (§§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 BGB) geschuldet. Die Klagepartei schickte der Beklagten mit Schreiben vom 01.07.2019 eine Mahnung, woraufhin die Beklagte nicht den ganzen geschuldeten Betrag leistete. Bei dem Schreiben handelt es sich um eine Mahnung, da es sich um eine an den Schuldner gerichtete Aufforderung zur Leistung des geschuldeten Betrags handelt. Es ist auch zulässig die Mahnung mit der die Fälligkeit begründenden Handlung zu verbinden (Palandt-Grüneberg, 78. Auflage 2019, § 286/ Rn. 16). Mit dem Zusenden der Rechnung und der Zahlungsaufforderung wurde der Betrag fällig (BeckOK BGB/Johannes W. Flume BGB § 249 Rn. 390-392).
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.