Inhalt

SG Landshut, Beschluss v. 30.11.2020 – S 12 R 134/20
Titel:

Rente, Bescheid, Scheidung, Witwenrente, Lebensunterhalt, Gerichtsbescheid, Ehe, Widerspruch, Anspruch, Klage, Unterschrift, Ehemann, Kostenentscheidung, Schriftsatz, Gelegenheit zur Stellungnahme, richterliche Entscheidung, kein Anspruch

Schlagworte:
Rente, Bescheid, Scheidung, Witwenrente, Lebensunterhalt, Gerichtsbescheid, Ehe, Widerspruch, Anspruch, Klage, Unterschrift, Ehemann, Kostenentscheidung, Schriftsatz, Gelegenheit zur Stellungnahme, richterliche Entscheidung, kein Anspruch
Fundstelle:
BeckRS 2020, 54639

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 24.10.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.02.2020 wird abgewiesen. 
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 

Tatbestand

1
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente.
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Die 1954 geborene Klägerin schloss am 31.03.1984 die Ehe mit Herrn B., geb. 1937. Mit Beschluss des Amtsgericht Korbach - Familiengericht (7 F 456/15 S) vom 27.06.2016 wurde die Ehe geschieden. Der Beschluss ist seit 22.11.2016 rechtskräftig. Ausweislich der im Beschluss angeführten Gründe verzog die Klägerin 2010 in die Slowakei; der Scheidungsantrag wurde von beiden Ehegatten gestellt. Im Verfahren war die Klägerin vertreten durch Rechtsanwältin B. Korrespondenzanwältin war W. Diese übermittelte mit Schreiben vom 28.11.2016 eine Ausfertigung des rechtskräftigen Scheidungsbeschlusses an die Klägerin.
3
Herr B. ist am 19.11.2018 verstorben.
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Mit Schreiben vom 05.01.2019, eingegangen bei der Beklagten am 25.02.2019, stellte die Klägerin Antrag auf Witwenrente nach dem Tod des Herrn B.
5
Bereits im Juli 2017 hatte die Klägerin per E-Mail einen Antrag „auf die Rente von meinem Ex-Mann B.“ gestellt. Darin führt sie aus, dass Herr B. bereits vorher verheiratet gewesen sei und die Ex-Frau zu Lebzeiten die Hälfte seiner Rente bekommen habe. Die Ex-Frau sei im Dezember 2016 verstorben, daher möchte auch sie jetzt einen Antrag auf seine Rente stellen. So wie zu Lebzeiten damals die Ex-Frau die Hälfte bekam so möchte jetzt auch sie die Hälfte bekommen.
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Mit Bescheid vom 24.10.2019 lehnte die Beklagte den Antrag vom 05.01.2019 (25.02.2019) ab, da zum Zeitpunkt des Todes eine rechtsgültige Ehe nicht bestanden habe.
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Mit Schreiben vom 12.11.2019 erhob die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch. Zur Begründung trug sie vor, dass sie mit ihrem Ehemann weder eine Scheidung vereinbart habe noch irgendetwas unterschrieben habe. Der verstorbene Ehemann hätte davon nichts gewusst und er hätte bestimmt nichts unterschrieben. Die Tochter des Mannes hätte alles kaputt gemacht, sie (die Klägerin) habe nichts über ihn wissen würfen und die Tochter habe ihr verboten, ihn dort, wo er gewohnt hat, anzurufen. Sie habe auch ihm verboten, mit ihr zu sprechen. Für Besuche habe sie kein Geld gehabt. Die Tochter habe ihr nicht mal mitgeteilt, dass Herr B. verstorben sei. Sie wisse nicht, wovon sie leben solle, sie beziehe lediglich eine Rente von 115 EUR. Sie sei mit dem verstorbenen Ehemann mehr als 30 Jahre zusammen gewesen, auch wenn sie getrennt worden seien. Sie habe nichts unterschrieben, keine Scheidungspapiere.
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Mit Bescheid vom 19.02.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin im Zeitpunkt seines Todes nicht mit Herrn B. verheiratet gewesen sei und daher keine Witwe im Sinne des § 46 SGB VI sei.
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Mit Schriftsatz vom 01.03.2020 erhob die Klägerin gegen den Bescheid Klage. Sie sei nicht einverstanden mit ihrer Scheidung, die ohne ihre Unterschrift erfolgt sei. Sie verlange daher Witwenrente, da sie mit ihrem Mann fast 30 Jahre verheiratet gewesen sei. Sie beziehe monatlich eine Rente von 122 EUR. Davon könne sie nicht leben. Sie habe in der Vergangenheit eine schwere Bauchspeicheldrüsenentzündung gehab und müsse jetzt Diät halten. Sie habe die Scheidung nicht unterschrieben, in der EU gelte die Unterschrift. Mit Schriftsatz vom 18.03.2020 trägt die Klägerin erneut vor, dass sie keine Scheidung unterschrieben habe. Sie sei krank und halte eine strenge Diät. Sie brauche die Witwenrente für ihren Lebensunterhalt und ihre Medikamente. Mit Schriftsatz vom 17.06.2020 wiederholt die Klägerin den bisherigen Vortrag. Sie sei mit der Scheidung nicht einverstanden.
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Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Bescheid der Beklagten vom 24.10.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.02.2020 aufzuheben und Witwenrente nach dem Tod von B. zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Das Gericht gab Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

Gründe

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Die form- und fristgerecht beim zuständigen Sozialgericht Landshut erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig, sachlich aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 24.10.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.02.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
15
Das Gericht konnte gem. § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden hierzu gehört.
16
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenrente nach dem Tod von Herrn B.
17
Nach § 46 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Witwen bzw. Witwer unter weiteren Voraussetzungen Anspruch auf Witwenrente. Witwen- bzw. Witwerrente wird nur dem überlebenden Ehegatten bzw. Lebenspartner gewährt. Voraussetzung ist demnach, dass zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten eine gültige Ehe bzw. eine gültige eingetragene Lebenspartnerschaft bestand.
18
Mit Beschluss des Amtsgericht Korbach - Familiengericht vom 27.06.2016 wurde die Ehe zwischen dem Versicherten B. und der Klägerin geschieden. Der Beschluss ist seit 22.11.2016 rechtskräftig. Gemäß § 1564 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird eine Ehe durch richterliche Entscheidung geschieden. Die Ehe ist mit der Rechtskraft der Entscheidung aufgelöst. Damit bestand zum Zeitpunkt des Todes des Herrn B. keine gültige Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten.
19
Das Vorbringen der Klägerin gegen die Wirksamkeit des Scheidungsbeschlusses (Unkenntnis ihrerseits bzw. des Verstorbenen) ist im vorliegenden Verfahren unbeachtlich. Der Beschluss des Familiengerichts ist seit 22.11.2016 rechtskräftig und damit auch für das Sozialgericht bindend. Die Einwände der Klägerin hätten im Verfahren vor dem Amtsgericht Korbach - Familiengericht bzw. vorgebracht werden müssen bzw. in einem Beschwerdeverfahren gegen den Scheidungsbeschluss.
20
Auch wenn es darauf im vorliegenden Verfahren nicht ankommt: Aus dem Vorbringen der Klägerin im Juli 2017 lässt sich schließen, dass der Klägerin durchaus bewusst war, dass die Ehe bereits wirksam geschieden wurde.
21
Auf den Gesundheitszustand der Klägerin kommt es für die Frage des Bestehens eines Anspruches auf Witwenrente nicht an. Auch, ob die sonstigen Einkünfte für den Lebensunterhalt ausreichen, spielt für die Frage des grundsätzlichen Bestehens eines Anspruchs keine Rolle.
22
Da die Scheidung im Jahr 2016 erfolgte, besteht auch kein Anspruch auf Witwenrente nach § 243 SGB VI. Diese Ausnahmeregelung greift - unter anderem - nur, wenn die Ehe vor dem 01.07.1977 geschieden wurde.
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Der streitgegenständliche Bescheid ist daher rechtmäßig und die Klage war abzuweisen.
24
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).