Titel:
Berufung, Widerspruchsbescheid, Bescheid, Zweitwohnungssteuer, Zweitwohnungsteuer, Klageverfahren, Widerspruch, Satzung, Vollstreckung, Zeitpunkt, Sicherheitsleistung, Landratsamt, Jahresrohmiete, Vollstreckbarkeit, Kosten des Verfahrens
Schlagworte:
Berufung, Widerspruchsbescheid, Bescheid, Zweitwohnungssteuer, Zweitwohnungsteuer, Klageverfahren, Widerspruch, Satzung, Vollstreckung, Zeitpunkt, Sicherheitsleistung, Landratsamt, Jahresrohmiete, Vollstreckbarkeit, Kosten des Verfahrens
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 08.01.2021 – 4 B 20.569
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 20.12.2021 – 9 B 13.21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 54345
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer.
2
Die Kläger unterhalten im Gemeindegebiet des Beklagten eine Zweitwohnung. Mit Bescheid vom 25. Mai 2016 zog der Beklagte die Beigeladenen zur Zweitwohnungssteuer für den Veranlagungszeitraum 2016 in Höhe von 1.030,00 EUR heran.
3
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies das Landratsamt ... mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2016 zurück.
4
Hiergegen erhoben die Kläger am 30. November 2016 Klage. Der Zweitwohnungssteuerbescheid des Beklagten sei rechtswidrig, weil er nicht auf eine wirksame Satzungsgrundlage gestützt werden könne. Die Zweitwohnungssteuersatzung des Beklagten vom 29. Oktober 2004, geändert durch die 1. Satzung zur ersten Änderung der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer im Markt ... vom 19. Dezember 2008 (ZwStS 2004/2008) sei verfassungswidrig, weil sie einerseits an die indizierte Jahresrohmiete anknüpfe und andererseits einen degressiven Steuersatz vorsehe. Dies sei jeweils mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren.
6
Der Zweitwohnungssteuerbescheid des Beklagten vom 25. Mai 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 16. November 2016 wird aufgehoben.
7
Der Beklagte beantragt,
9
Auf Antrag der Beteiligten ruhte das Klageverfahren vom 23. Dezember 2016 bis zum 15. Mai 2018.
10
Mit Schriftsatz vom 7. November 2019 wies der Beklagte darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht zwar die Verfassungswidrigkeit sowohl der Anknüpfung an die indizierte Jahresrohmiete als auch des degressiven Steuersatzes mit Beschluss vom 18. Juli 2019 festgestellt, gleichzeitig aber die Weitergeltung der ZwStS 2004/2008 bis längstens 31. März 2020 angeordnet habe. Die Satzung dürfe deswegen bis zu dem genannten Fortgeltungsdatum weiter angewandt werden.
11
Die Kläger ließen hierzu vortragen, dass dem Bundesverfassungsgericht offensichtlich unbekannt gewesen sei, dass der Beklagte die streitgegenständliche ZwStS 2004/2008 durch die Satzung des Marktes ... über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer (Zweitwohnungssteuersatzung) vom 12. Juni 2018 (ZwStS 2018) selbst aufgehoben habe. Andernfalls hätte das Bundesverfassungsgericht die Fortgeltung der ZwStS 2004/2008 nicht angeordnet. Daraus folge aber, dass sich der Beklagte nicht auf wirksames Satzungsrecht stützen könne, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Abgabenrecht auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung abzustellen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe der Beklagte die vermeintlich fortgeltende Satzung selbst aufgehoben und durch einen seinerseits immer noch rechtswidrigen Steuermaßstab ersetzt gehabt. Die ZwStS 2018 enthalte ebenfalls die Anknüpfung an die indizierte Jahresrohmiete und sei deshalb verfassungswidrig.
12
Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2020 ließ der Beklagte hierzu vortragen, es komme hinsichtlich des einschlägigen Satzungsrechts auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an, mithin auf den Erlass des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes ... vom 16. November 2016. Zu diesem Zeitpunkt habe die ZwStS 2004/2008 gegolten, deren Fortgeltung das Bundesverfassungsgericht angeordnet habe.
13
Die Beteiligten haben mit Erklärungen vom 27. Dezember 2019 (Kläger) bzw. 13. Januar 2020 (Beklagter) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten und der Gerichtsakte.
Entscheidungsgründe
15
Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
16
Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der angegriffene Zweitwohnungssteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17
Insbesondere kann sich der angegriffene Bescheid auf eine (fortgeltende) Rechtsgrundlage stützen. Er beruht auf § 4 Abs. 2 Sätze 2 bis 4, § 5 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des Marktes ... über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer vom 29. Oktober 2004, geändert durch die Satzung zur 1. Änderung der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer im Markt ... vom 19. Dezember 2008, die zwar sowohl hinsichtlich der Anknüpfung an die indizierte Jahresrohmiete als auch im Hinblick auf den degressiven Steuersatz verfassungswidrig sind, deren Fortgeltung bis längstens 31. März 2020 aber durch das Bundesverfassungsgericht (B.v. 18.7.2019 - 1 BvR 807/12 - juris) angeordnet wurde. Diese Fortgeltungsanordnung ist für das Verwaltungsgericht in entsprechender Anwendung des § 31 BVerfGG verbindlich (vgl. etwa BFH, B.v. 12.5.2011 - II B 126/10 - juris Rn. 7 f. m.w.N. zur Fortgeltungsanordnung bzgl. eines Gesetzes), sodass es seiner Entscheidung die Weitergeltung der streitgegenständlichen Satzung zugrunde zu legen hat.
18
Dass der Beklagte die ZwStS 2004/2008 durch § 12 Abs. 2 der Satzung des Marktes ... über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer (Zweitwohnungssteuersatzung) vom 12. Juni 2018 mit Wirkung zum 1. Januar 2018 selbst aufgehoben hat, ändert hieran nichts, denn damit hat der Beklagte gerade zum Ausdruck gebracht, dass bis zum 31. Dezember 2017 weiterhin die ZwStS 2004/2008 Anwendung finden soll. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Klägerbevollmächtigten zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April 2009 (Az. 8 C 87.88 - juris). Dieser Entscheidung lässt sich gerade nicht entnehmen, dass im Abgabenrecht stets und ausschließlich der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich sein soll. Vielmehr betont das Bundesverwaltungsgericht zunächst den Grundsatz, dass die Frage, ob für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung oder die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgebend ist, nicht anhand von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, sondern anhand des jeweils einschlägigen materiellen Rechts zu beantworten ist (BVerwG, a.a.O, Leitsatz). Sodann befasst sich das Gericht mit der Frage, ob bei einem ursprünglich rechtswidrigen Abgabenbescheid der Aufhebungsanspruch des Klägers aufgrund einer nachträglichen Rechtsänderung entfallen kann und macht die Beantwortung dieser Frage von der Auslegung des ändernden Rechts abhängig. Konkret führt das Gericht aus, dass kein Grund ersichtlich sei, warum mit dem Nachschieben einer wirksamen Satzungsgrundlage nicht die Intention verbunden sein solle, den ursprünglich bestehenden Aufhebungsanspruch des Klägers zu beseitigen (BVerwG, a.a.O., Rn. 14). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist nicht erkennbar, warum der Beklagte mit der Änderung der (Satzungs-)Rechtslage zum 1. Januar 2018 den Klägern einen Aufhebungsanspruch für einen vor diesem Zeitraum erlassenen Zweitwohnungssteuerbescheid zusprechen hätte sollen.
19
Sonstige Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids sprechen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
20
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO.
21
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
22
Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).