Titel:
Arbeitnehmer, Sozialplan, Betriebsvereinbarung, Abfindung, Betriebsrat, Interessenausgleich, Leistungen, Bereicherungsanspruch, Altersdiskriminierung, Sozialplanabfindung, Verzicht, Anspruch, Berechnung, Arbeitsmarkt, Kosten des Rechtsstreits, mittelbare Benachteiligung, unmittelbare Benachteiligung
Schlagworte:
Arbeitnehmer, Sozialplan, Betriebsvereinbarung, Abfindung, Betriebsrat, Interessenausgleich, Leistungen, Bereicherungsanspruch, Altersdiskriminierung, Sozialplanabfindung, Verzicht, Anspruch, Berechnung, Arbeitsmarkt, Kosten des Rechtsstreits, mittelbare Benachteiligung, unmittelbare Benachteiligung
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG Nürnberg, Urteil vom 14.10.2020 – 2 Sa 215/20
BAG Erfurt, Urteil vom 07.12.2021 – 1 AZR 562/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 54117
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 80.764,57 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darum, ob im Zusammenhang mit einem Sozialplan Ansprüche des Klägers aus ungerechtfertigter Bereicherung, auf eine höhere Abfindung oder eine Entschädigung wegen einer Diskriminierung bestehen.
2
Der am ... 1961 geborene Kläger war seit 24.08.1987 bei der Beklagten mit einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 3.329,39 € in B. beschäftigt.
3
Die Beklagte vereinbarte mit ihrem Betriebsrat wegen der beabsichtigten Werkschließung im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens am 05.06.2019 einen Interessenausgleich, einen Sozialplan und eine Klageverzichtsprämienvereinbarung (vgl. ab Bl. 12 d.A.).
4
Mit Schreiben vom 05.07.2019 wurde der Kläger betriebsbedingt zum 29.02.2020 gekündigt (Bl. 11 d.A.). Dagegen erhob er keine Kündigungsschutzklage.
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Mit undatiertem Schreiben der Beklagten wurde dem Kläger eine Abfindungsberechnung übersandt mit einem errechneten Höchstbetrag von 75.000,- € (Bl. 8 d.A.).
6
Die im Sozialplan vereinbarte Abfindung berechnet sich nach der Formel Betriebszugehörigkeit X Bruttomonatseinkommen X Faktor gem. dortiger Tabelle. Hinzu kommt nach III. 1. c. cc) für Schwerbehinderte und Gleichgestellte ein zusätzlicher Abfindungsbetrag von 1.500,- €, bei einem GdB von über 50 von 2.000,- €. Unter III. 1. c. ee) vereinbarten die Betriebsparteien allerdings eine Beschränkung des sich insgesamt ergebenden Abfindungsbetrages auf einen max. Höchstbetrag von 75.000,- € pro Arbeitnehmer (für Mitarbeiter ab 62: 45.000,- €), die die Beklagte zur Anwendung bringt und damit auch dem Kläger keine höhere Abfindung zugesteht. Dieser erhält damit nach seiner Berechnung eine um 26.213,45 € niedrigere Abfindung als ohne die Kappung (vgl. Berechnung in der Klageerweiterung vom 11.10.2019, S. 5).
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Nach der in einer gesonderten Vereinbarung geregelten Klageverzichtsprämie sollen die unter den Interessenausgleich und Sozialplan fallenden abfindungsberechtigten Arbeitnehmer, die gekündigt werden und keine Kündigungsschutzklage erheben, einen Anspruch auf eine höhere Abfindung haben, und zwar dergestalt, dass sich der Faktor gem. Sozialplan um weitere 0,25 erhöht. Im Falle des Klägers beliefe sich die Klageverzichtsprämie nach seiner Berechnung auf 26.635,12 € (S. 2 der Klageerweiterung vom 11.10.2019). Diese kommt aber im Ergebnis nicht zur Auszahlung, da die Beklagte die Kappungsgrenze in III. 1. c. ee) des Sozialplans auch auf die Klageverzichtsprämie erstreckt, indem sie die Deckelung auf den sich insgesamt aus der Sozialplanformel und der Klageverzichtsprämie ergebenden Betrag zur Anwendung bringt (vgl. Bl. 8 d.A.).
8
Der Kläger geht davon aus, dass die Beklagte 4 Millionen Euro aus dem Sozialplanvolumen, das sich seiner Ansicht nach auf 12 Millionen Euro beläuft, zweckwidrig für Gehaltszahlungen verwendet hat. Er hält die Beklagte daher für verpflichtet, ihm aus ungerechtfertigter Bereicherung einen Betrag in Höhe der Vergütung für seine siebenmonatige Kündigungsfrist plus Arbeitgeberanteile zu zahlen, mithin 27.916 € (Bl. 4 d.A.). Zur Begründung verweist der Kläger auf Zeitungsberichte, aus denen sich die genannte Mittelverwendung ergebe (Bl. 3 und 71 d.A.). Weiter wehrt er sich gegen die Erstreckung der Kappungsgrenze aus dem Sozialplan auch auf die Klageverzichtsprämie und gegen die Anwendung der Kappungsgrenze an sich. Die Betriebsvereinbarung über eine Klageverzichtsprämie enthalte keine Kappungsgrenze und verweise auch nicht auf die Kappung im Sozialplan. Die Sozialplankappung beziehe sich auf den sich insgesamt ergebenden Abfindungsbetrag (Gesamtabfindung) aus dem Sozialplan, nicht auf die Klageverzichtsprämie. Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht diesen Anspruch ablehne, macht der Kläger einen Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG in selber Höhe geltend. Die Anwendung der Deckelung auf die Verzichtsprämie bevorzuge in unzulässiger Weise die jüngeren Mitarbeiter. Nach § 10 Ziffer 6 AGG dürfen Ältere bevorzugt werden, was durch die gegenständliche Klageverzichtsprämie und die Anwendung des Deckels hierauf aber auf den Kopf gestellt werde. Es finde ein rechtswidriger Systemwechsel statt (vgl. Bl. 62 f., 72 f. und 108 ff. d.A.). Es liege eine Altersdiskriminierung und eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor, wenn die Beklagte eine Betriebsvereinbarung anwende, die von Anfang an vorsehe, dass die Hälfte der Belegschaft, die über 51-Jährigen, von der Leistung ausgeschlossen werde (Bl. 109 d.A.). Sollte das Gericht zur Auffassung gelangen, dass die Betriebsvereinbarung deshalb nichtig sei (§ 7 II AGG), dann erfasse diese Nichtigkeit auch die Deckelungsregelung des Sozialplans. Die Deckelung sei wegen der vorliegenden Benachteiligung von älteren gegenüber jüngeren Mitarbeitern unwirksam (Bl. 64 d.A.). Daher könne der Kläger als weitere Abfindung auch die ungedeckelte Sozialplanabfindung verlangen (Bl. 64 d.A.). Hilfsweise für den Fall, dass die Deckelungsregelung im Sozialplan nicht nichtig sei, könne der Kläger denselben Betrag unter dem Gesichtspunkt der Entschädigung nach § 15 AGG verlangen, denn die Deckelung im Sozialplan in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung benachteilige Ältere wie ihn (Bl. 64 d.A.). Wegen weiterer Einzelheiten zum umfangreichen Vortrag der Klagepartei wird vollumfänglich und bezüglich aller Details auf die hierzu eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
- 1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 27.916 Euro brutto nebst 4 % Zinspunkte über den jeweiligen Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
- 2.
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Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine weitere Abfindung in Höhe von 26.635,12 € brutto zu zahlen.
- 4.
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Hilfsweise für den Fall, dass der Antrag 3 abgelehnt wird: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 26.635,12 € Entschädigung nebst 5 % Zinspunkte über den jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.
- 5.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere Abfindung in Höhe von 26.213,45 € brutto zu zahlen.
- 6.
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Hilfsweise für den Fall, dass Ziff. 5 abgelehnt wird: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 26.213,45 € netto Entschädigung nebst 5 % Zinspunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz Entschädigung zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt hingegen,
11
Zur Begründung trägt die Beklagte vor, dass dem Kläger kein weiterer Zahlungsanspruch zustehe. Ein Bereicherungsanspruch sei nicht gegeben. Die Beklagte bezahle selbstverständlich allen Mitarbeitern das Entgelt bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Die Anspruchsvoraussetzungen seien nicht vorgetragen und auch nicht gegeben. Der beklagtenseits weder veranlasste noch formulierte Zeitungsbericht stütze die klägerische Behauptung nicht. Vielmehr ergebe sich daraus im Gegenteil, dass der Konzern 8 Millionen Euro für Abfindungen zur Verfügung gestellt habe (Bl. 42 f. d.A.). An keiner Stelle seien 4 Millionen Euro für die Vergütungsfortzahlung aus dem Sozialplanvolumen genommen worden. Die Klageverzichtsprämie habe zulässig im Wege einer separaten Betriebsvereinbarung vereinbart werden können. Die Deckelung aus dem Sozialplan sei auch hierauf anwendbar, was sich schon aus dem Wortlaut ergebe. Die beiden Vereinbarungen seien zeitgleich unterzeichnet worden. Im Sozialplan werde von einer Deckelung der Gesamtabfindung und nicht nur von einer Deckelung der Sozialplanabfindung gesprochen. Die Deckelung auch der Klageverzichtsprämie sei der Wille der Betriebsparteien gewesen und habe auch hinreichenden Niederschlag im Wortlaut der BV gefunden. Die Beklagte trägt weiter zur Zulässigkeit auch der Kappungsgrenze im Sozialplan vor, dass diese Deckelung der Gesamtabfindung rechtswirksam und auch nicht diskriminierend sei. Den Betriebsparteien stünde ein erheblicher Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu, den diese in typisierender und pauschalierender Form ausüben könnten. Im vorliegenden Sozialplan sei der Faktor für die Abfindungsberechnung am Lebensalter und somit auch an den Chancen am Arbeitsmarkt orientiert abgestuft worden. Eine solche Abstufung sei sachgerecht und nicht benachteiligend. Die Deckelung erfasse alle Altersstufen und auch die Schwerbehinderten und benachteilige niemanden. Mit der Summe von 75.000,- € seien die Nachteile aus der Betriebsänderung in erheblicher Form ausgeglichen worden. Da nicht an das Alter angeknüpft werde, liege keine unmittelbare Benachteiligung vor. Auch eine mittelbare Benachteiligung sei zu verneinen, dies auch dann, wenn von der Höchstbegrenzung typischerweise mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer betroffen seien. Die Arbeitnehmer würden hier gleich behandelt, die Aufnahme von Höchstbetragsklauseln sei nicht diskriminierend, sondern wirke im Gegenteil der diskriminierenden Tendenz herkömmlicher Formeln zur Abfindungsberechnung entgegen (vgl. Bl. 79 d.A.). 111 Mitarbeiter seien älter als 49 Jahre und erhielten 7/8 der zur Verfügung gestellten Abfindungssumme, mithin 7,02 Millionen Euro. Die 47 Mitarbeiter, die unter 49 Jahre alt seien, erhielten in Summe lediglich 1/8 der zur Verfügung gestellten Abfindungssumme, mithin 1,08 Millionen Euro. Bereits daraus werde deutlich, dass ohne Deckelung eine vernünftige Abfindungssumme für die jüngeren Mitarbeiter gar nicht zu erreichen gewesen wäre. Wegen weiterer Einzelheiten zum umfangreichen Vortrag der beklagten Partei wird vollumfänglich und bezüglich aller Details auf die hierzu eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
12
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird noch auf den übrigen Akteninhalt verwiesen. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
Entscheidungsgründe
13
Die Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg, da dem Kläger gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Sozialplan und der Betriebsvereinbarung zur Klageverzichtsprämie über die zugestandenen 75.000 Euro hinaus kein weiterer Anspruch zusteht, auch nicht aus Bereicherungsrecht.
14
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet, § 2 I Nr. 3 a ArbGG. Das Arbeitsgericht Weiden ist örtlich zuständig, § 48 I a S. 1 ArbGG.
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Die gem. § 259 ZPO zulässige Klage ist insgesamt unbegründet.
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Der auf Bereicherungsrecht gestützte Antrag 1) der Klage ist unbegründet.
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Nach § 812 BGB ist derjenige, der durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, diesem zur Herausgabe verpflichtet. Dabei hat der Bereicherungsgläubiger - hier also der Kläger - die Umstände darzulegen und ggf. auch zu beweisen, aus denen sich die Voraussetzungen des Anspruchs ergeben, insbesondere auch, dass der Schuldner - hier die Beklagte - überhaupt etwas „erlangt“ hat (vgl. Palandt, BGB, 75. Aufl., § 812 Rn. 76).
18
Vorliegend hat der Kläger die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 812 BGB nicht dargelegt und - auf das Bestreiten der Beklagten hin - auch nicht nachgewiesen. Ein aufgrund eines Bereicherungsvorgangs im Vermögen der Beklagten eingetretener Vorteil, also eine Verbesserung der Vermögenslage der Beklagten durch Auszahlung der Löhne bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ist nicht gegeben.
19
Dass jemals 12 Millionen Euro und nicht nur die hierfür eingesetzten ca. 8 Millionen Euro an Sozialplanvolumen zur Verfügung standen und insbesondere dies auch so beschlossen wurde - wie die Klagepartei behauptet - kann nicht festgestellt werden. Im Sozialplan findet sich dazu nichts. Die dort auch geregelte Freistellung (III. 3.) ist nichts Besonderes oder gar verdächtig, denn Freistellungsregeln im Sozialplan sind gängig und rechtlich auch zulässig (vgl. nur Küttner Personalbuch, 27. Aufl., Freistellung von der Arbeit Rn. 18, beck-online; vgl. auch Bauer/Haußmann/Krieger, Umstrukturierung, 3. Aufl. 2015, B. Vertragsmuster, Sozialplan 11.). Der klägerseits vorgelegte Zeitungsartikel spricht eher für den Beklagtenvortrag, wenn es dort heißt, dass für Abfindungen acht Millionen ausgeschüttet werden sollen. Zwar ist in dem (Bl. 75 d.A.) vorgelegten kurzen Zeitungsbericht der IG Metall vom Oktober 2019 tatsächlich ausgeführt, dass ein akzeptabler Sozialplan mit einer Summe von 12 Millionen Euro erreicht werden konnte. Die näheren Hintergründe hierzu sind aber unbekannt. Die Angabe kann insgesamt nicht verifiziert werden und damit keine gerichtsfeste Grundlage für die Annahme eines Sozialplanvolumens in genau dieser Höhe darstellen. Damit aber kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte Lohnzahlungen zu Lasten des Sozialplanvolumens geleistet hätte. Ein Bereicherungsanspruch scheidet bereits aus diesem Grund aus.
20
Über die zugestandenen 75.000,- € hinaus hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Klageverzichtsprämie oder Abfindung aus dem Sozialplan vom 05.06.2019 und in diesem Zusammenhang auch keinen Entschädigungs- oder Schadensersatzanspruch nach dem AGG.
21
Der Kläger hat keinen Abfindungsanspruch aus der Betriebsvereinbarung bezüglich einer Klageverzichtsprämie vom 05.06.2019 (Antrag 3. aus der Klageerweiterung vom 11.10.2019), da diese Betriebsvereinbarung unwirksam ist. Sie verstößt gegen das Verbot, Sozialplanabfindungen von einem Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig zu machen (vgl. BAG vom 20.12.1983, 1 AZR 442/82) bzw. - genauer formuliert - gegen das Verbot, dieses Verbot zu umgehen (vgl. dazu BAG vom 31.05.2005, 1 AZR 254/04).
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Die zum genannten Verbot führende Unwirksamkeit einer solchen Regelung („Abkauf“ des Kündigungsschutzes durch Sozialplanleistung) folgt aus § 75 I 1 BetrVG. Der u.a. dort normierte Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Wird eine Sozialplanabfindungszahlung aber von der Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht, so werden damit die Arbeitnehmer, die nicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten, hinsichtlich der Abfindung schlechter behandelt als diejenigen, die von der gerichtlichen Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung absehen. Dies ist aber u.a. deshalb, da ein Sozialplan nicht dazu dient, die individualrechtlichen Risiken des Arbeitgebers bei der Durchführung der Betriebsänderung zu reduzieren oder gar zu beseitigen, sachlich nicht gerechtfertigt und verstößt damit - auch nach Inkrafttreten des § 1 a KSchG - gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 I 1 BetrVG (vgl. BAG vom 31.05.2005, 1 AZR 254/04).
23
Auch wenn danach Sozialplanleistungen nicht vom Verzicht des Arbeitnehmers auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden dürfen, ist den Betriebsparteien nicht jegliche Regelung verboten, durch die im Falle einer Betriebsänderung für die Arbeitnehmer ein finanzieller Anreiz geschaffen werden soll, eine Kündigung zu akzeptieren. Jedenfalls dann, wenn die Betriebsparteien ihrer Pflicht zur Aufstellung eines Sozialplans nachgekommen sind, können sie freiwillig eine kollektivrechtliche Regelung treffen, die im Interesse des Arbeitgebers an alsbaldiger Planungssicherheit finanzielle Leistungen für den Fall vorsieht, dass der Arbeitnehmer von der Möglichkeit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage keinen Gebrauch macht. Das Verbot, Sozialplanabfindungen von einem entsprechenden Verzicht abhängig zu machen, darf dadurch aber nicht umgangen werden (vgl. BAG a.a.O.; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 112a Rn. 169).
24
Ob eine solche Umgehung vorliegt, kann regelmäßig nur unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden. Eine Umgehung kann insbesondere vorliegen, wenn der Sozialplan keine angemessene Abmilderung der wirtschaftlichen Nachteile vorsieht oder wenn greifbare Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dem „an sich“ für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Finanzvolumen seien zum Nachteil der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer Mittel entzogen und funktionswidrig im „Bereinigungsinteresse“ des Arbeitgebers eingesetzt worden (vgl. BAG a.a.O.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 18. Auflage 2019, § 244 Rn. 89).
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Daraus folgt für den Fall die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung zur Klageverzichtsprämie wegen Umgehung des o.g. Verknüpfungsverbots (Abfindung nur bei Klageverzicht). Aus Sicht der erkennenden Kammer liegen nicht nur greifbare Anhaltspunkte dafür vor, dass Mittel aus dem „an sich“ für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Abfindungsvolumen entnommen und im „Bereinigungsinteresse“ des Arbeitgebers eingesetzt worden sind, sondern dieser Aspekt ist im Tatsächlichen letztlich sogar unstreitig. So hat die Beklagte vorgetragen, dass vom Konzern im Rahmen des Sozialplans rund 8 Millionen Euro für Abfindungen bereitgestellt wurden, was sich auch mit den Angaben aus dem Zeitungsbericht vom 13.06.2019 deckt. Auch der Kläger geht von einem bestimmten, begrenzt zur Verfügung stehenden Finanzvolumen aus, beziffert dies jedoch ohne nachvollziehbare Anhaltspunkte (s.o.) - und damit im Ergebnis rechtlich unerheblich - anders (auf 12 Millionen). Damit steht fest, dass es während der Sozialplanverhandlungen jedenfalls ein bestimmtes zur Verfügung stehendes Finanzvolumen gab. Im Weiteren hat die Beklagtenseite unwidersprochen geltend gemacht, dass die Verhandlungen zum Sozialplan und zur Klageverzichtsprämie davon geprägt waren, zu angemessenen Ergebnissen zu gelangen und das zur Verfügung gestellte Gesamtvolumen nicht zu überschreiten. Dieser Vortrag erscheint auch gut nachvollziehbar und sehr lebensnah. Wenn die Betriebsparteien aus diesem begrenzten Finanzvolumen dann aber auch die Klageverzichtsprämien finanzieren, dann folgt daraus, dass die Mittel für die Klageverzichtsprämie aus dem eigentlich für den Sozialplan zur Verfügung gestellten Volumen entnommen und somit tatsächlich zu einem vom Sozialplan abweichenden Zweck - nämlich der Rechts- und Planungssicherheit des Arbeitgebers - eingesetzt wurden.
26
Es handelt sich hierbei auch nicht um einen unerheblichen Betrag, was sich alleine aus dem Umstand der erheblichen Faktorerhöhung um 0,25 ergibt, die dazu führt, dass sich die Abfindungen der bis 40-Jährigen verdoppeln und die der bis 50-Jährigen um über 70 % erhöhen (ohne Berücksichtigung einer eventuellen Deckelung).
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Die Beklagte hat vorliegend gerade nicht über ihre Verpflichtungen aus dem Sozialplan hinaus freiwillig zusätzliche Mittel für die Klageverzichtsprämie aufgebracht und verwendet, sondern diese dem Sozialplanvolumen entnommen, das sich zwangsläufig - um das zur Verfügung gestellte Volumen nicht zu überschreiten - entsprechend verringert hat (vgl. zu diesem zentralen Argument: BAG a.a.O. unter II. 3. b)). Genau dies ist den Betriebsparteien aber verwehrt (das BAG hat seine „Umgehungsrechtsprechung“, vgl. BAG a.a.O., inzwischen bestätigt, vgl. BAG vom 09.12.2014, 1 AZR 146/13).
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Der Verstoß gegen das Verknüpfungsverbot ergibt sich auch aus der konkreten Ausgestaltung der Klageverzichtsprämie. Diese ist zwar - formal - in einer separaten Betriebsvereinbarung geregelt. Inhaltlich ist sie aber tatsächlich und rechtlich unlösbar mit der Abfindung gem. Sozialplan verbunden. Eine Eigenständigkeit im Verhältnis zur Sozialplanabfindung kann bei der vorliegenden Regelung nicht mehr festgestellt werden, die Klageverzichtsprämie wird nach ihrer konkreten Ausgestaltung inhaltlich vielmehr selbst Teil der Sozialplanabfindung. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Systematik der Klageverzichts-BV und des Sozialplans. Es soll vorliegend - für den Fall des Klageverzichts - eine höhere Abfindung gezahlt werden, und zwar im Wege der Faktorerhöhung gem. III. 1. c) aa). Bereits aus dieser Anordnung wird deutlich, dass es sich hier um keine eigenständige Abfindung, sondern um die - allerdings erhöhte - Sozialplanabfindung handelt. Noch deutlicher wird dieser Schluss, wenn man das hier explizit mitvereinbarte Beispiel in der betreffenden Betriebsvereinbarung in den Blick nimmt. Dort ist vorgegeben, dass in den Fällen des Klageverzichts eine Faktorerhöhung stattfindet, also eine Addition des rein vom Lebensalter abhängigen Tabellenfaktors mit den weiteren 0,25 aus der gegenständlichen Betriebsvereinbarung „auf insgesamt 1,2“ (im Beispielfall). Dies kann nicht sinnvoll anders verstanden werden, als dass im Falle eines Klageverzichts keine gesonderte Verzichtsprämie neben eine Abfindung aus dem Sozialplan tritt. Vielmehr wird der Faktor „erhöht“ (Wortlaut BV) auf einheitlich den sich „insgesamt“ (Wortlaut BV) ergebenden höheren Faktor. Die vorgegebene Addition und das Fehlen sonstiger Vorgaben (wie z.B. Fälligkeit) in der BV spricht aus Sicht des Gerichts deutlich für eine Verknüpfung der beiden Komponenten zu einer einheitlichen Abfindung mit einheitlichem rechtlichen Schicksal. Dieses Verständnis fügt sich auch zwanglos in die Systematik des Sozialplans ein. So wird dort unter III. 1. c. die Abfindung errechnet, die sich nach der Klageverzichts-BV aber erhöhen soll und zwar um 0,25, so dass sich die Abfindung gem. III. 1. c. dann eben auf eine höhere Abfindung als ohne die Klageverzichts-BV beläuft, und zwar auf eine, deren Faktor sich nunmehr insgesamt zusammensetzt aus dem Lebensaltersfaktor und dem Verzichtsfaktor von 0,25. Diese einheitliche Abfindung - errechnet aufgrund der „Insgesamt-Vorgabe“ gem. der gegenständlichen BV aus den genannten beiden Komponenten - wird dann noch ggf. erhöht um die Zuschläge nach bb) und cc) (Kinder bzw. Schwerbehinderte und Gleichgestellte) und ergibt gem. dd) dann die Gesamtabfindung.
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Diese einheitliche, in der Klageverzichts-BV als „höhere Abfindung“ bezeichnete Gesamtabfindung ist nach den untersuchten Regelungen teilweise - und zwar in nicht unerheblichem Umfang, s.o. - von der Nichterhebung der Kündigungsschutzklage abhängig gemacht worden. Das aber verstößt gegen die Vorgabe, dass die für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Mittel (Addition aller Gesamtabfindungen) ungeschmälert für die Zwecke des Sozialplans einzusetzen sind und gerade nicht im Bereinigungsinteresse des Arbeitgebers verwendet werden dürfen.
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Die aufgezeigte Umgehung des Verknüpfungsverbots führt zur Unwirksamkeit des Verlangens nach einem Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage und dies wiederum führt - da es sich hierbei um den zentralen Punkt der Klageverzichts-BV handelt - zur Unwirksamkeit der gesamten BV mit der Konsequenz, dass ein Abfindungsanspruch hierauf nicht gestützt werden kann (vgl. zu dieser Rechtsfolge: BAG a.a.O., III.).
31
Der Kläger kann die Klageverzichtsprämie auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung verlangen, da es keine „Gleichbehandlung im Rechtsirrtum bzw. im Unrecht“ gibt (vgl. BAG vom 31.05.2005, a.a.O., Rn. 41; ErfK, 20. Aufl., § 611 a BGB Rn. 574 a).
32
Der Klageantrag gem. Ziffer 4 der Klageerweiterung vom 11.10.2019 ist richtigerweise gar nicht zur Entscheidung angefallen, da die Bedingung hierfür nicht eingetreten ist. Dies deshalb, da die Prämisse der Klagepartei, dass der Klageantrag gem. Ziffer 3 abgewiesen wird, da der Deckel auch auf die Betriebsvereinbarung angewendet wird, ebenso wenig gegeben ist wie die Annahme, dass die Betriebsvereinbarung AGG-widrig und daher unwirksam ist. Der Antrag gem. Ziffer 3 wurde abgewiesen, da die Klageverzichtsprämienregelung gegen das o.g. Umgehungsverbot verstößt und damit keine Anspruchsgrundlage abgeben kann (s.o.).
33
Selbst wenn man das anders sähe und bezüglich der Bedingung nur auf die Antragsabweisung abstellte, könnte dem Antrag gem. Ziffer 4 nicht stattgegeben werden, da sich dieser als unbegründet erweist.
34
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung aus § 15 I oder II AGG, weil die Beklagte die Höchstbetragsregel aus dem Sozialplan auch auf die Klageverzichts-BV anwendet. Damit verletzt die Beklagte kein Benachteiligungsverbot i.S.d. §§ 15 I, 7 I AGG, was aber jeweils Anspruchsvoraussetzung wäre. Ein solches Vorgehen stellt keine Altersdiskriminierung dar.
35
Die Verzichtsprämie an sich ist diskriminierungsfrei, sie behandelt alle gleich. Das räumt auch die Klagepartei ein (vgl. S. 3 im Schriftsatz vom 31.01.2020). Ihre Unwirksamkeit resultiert nicht aus einem Verstoß gegen das AGG, sondern aus einem Verstoß gegen das Umgehungsverbot. Eine unwirksame Betriebsvereinbarung erzeugt keinerlei Rechtswirkung (vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Schelz, BetrVG, 30. Aufl., § 77 Rn. 31 m.w.N.). Die Nichtgewährung der Klageverzichtsprämie stellt daher keine Diskriminierung dar.
36
Auch die tatsächliche Anwendung der Höchstbetragsregelung auf die Verzichtsprämie durch die Beklagte stellt keine Diskriminierung dar. Eine unmittelbare Benachteiligung (§ 3 I AGG) kann darin nicht erkannt werden, da diese Regelung nicht nach dem Alter differenziert.
37
Entgegen der Auffassung der Klagepartei liegt in dieser Vorgehensweise der Beklagten (Anwendung des Deckels auch auf die Verzichtsprämie) aber auch keine mittelbare Benachteiligung vor. Eine mittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 II AGG vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, sofern nicht die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind.
38
Arbeitnehmer werden wegen ihres Alters durch die Anwendung der „Deckelung“ gegenüber anderen aber weder bevorzugt, noch benachteiligt. Eine Differenzierung nach dem Alter findet nicht statt. Auch wenn von der Kappung typischerweise mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer betroffen sind, kann darin keine Diskriminierung, d.h. rechtswidrige Ungleichbehandlung, erblickt werden, da die Älteren nicht anders, sondern gleich behandelt werden wie die Jüngeren, denn der Deckel wird bei allen angewendet.
39
Jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Überschreitung des Höchstbetrages gerade auf dem Alter und der Länge der Betriebszugehörigkeit beruht, liegt in der Kappung kein diskriminierender Sachverhalt, sondern es wird vielmehr der der Altersstaffel tendenziell innewohnenden Bevorzugung älterer Arbeitnehmer eine Begrenzung gesetzt (vgl. BAG vom 02.10.2007, 1 AZN 793/07; LAG Nürnberg vom 12.11.2014, 2 Sa 317/14; MüKoBGB/Thüsing, 8. Aufl., § 10 AGG Rn. 37). Das dürfen die Betriebsparteien unter Ausnutzung ihres weiten Regelungsspielraums jedenfalls so sehen und festlegen.
40
Auch wenn man den Klageverzichtsprämienfaktor in die Faktorstaffel gem. Sozialplan einbezieht und auch dann, wenn man dies mit Blick auf den Deckel nur für die Jüngeren, unter 51-Jährigen (der Altersdurchschnitt beträgt nach dem unwidersprochenen Beklagtenvortrag 50 Jahre, vgl. aber auch das klägerische Berechnungsbeispiel für einen jüngeren Mitarbeiter bis 50 Jahre, Bl. 73 d.A.) vornähme, bleibt es wegen der Abfindungsberechnungsformel dabei, dass Alter und Betriebszugehörigkeit die wesentlichen Faktoren für die Abfindungshöhe und eine eventuelle Überschreitung des Höchstbetrages darstellen. Damit scheidet eine Altersdiskriminierung aus (s.o., vgl. BAG und LAG Nürnberg a.a.O.). Auch verschieben sich im letzteren Fall (Anwendung des 0,25-Faktors nur bei Jüngeren unter 51-Jährigen, vgl. Klägerargumentation auf S. 3 des Schriftsatzes vom 31.01.2020) zwar die Faktoren - dies bei der betroffenen Mitarbeitergruppe von 0,35 dann auf den Faktor 0,6 - allerdings bleibt die Struktur der Staffelung auch in diesem Fall dem Grunde nach erhalten (ab 51 ergibt sich ein höherer Faktor). Es bleibt dabei, dass kein jüngerer Mitarbeiter eine höhere Abfindung als ein älterer Mitarbeiter erhält. Die vom Kläger angenommene Besserstellung jüngerer Mitarbeiter ergibt sich nicht. Dies dürfen die Betriebsparteien so vereinbaren. Der Grund für die Abfindungsbegrenzung ist nicht das Alter, sondern die Erreichung der für alle geltenden Sättigungsgrenze.
41
Beachtet werden muss hier auch, dass die Anwendung einer Kappungsgrenze nicht zu einer niedrigeren Abfindung führt, sondern diese nur der Höhe nach nach oben begrenzt (vgl. LAG Nürnberg a.a.O.). Der vereinbarte Höchstbetrag von 75.000 Euro darf dabei von den Betriebsparteien pauschalierend als noch geeignete Obergrenze angesehen werden. Auch das Gesamtergebnis unter Berücksichtigung der Klageverzichtsprämie und des Deckels, wonach die 111 über 49-Jährigen 7/8 (7,02 Millionen Euro) und die 47 unter 49-Jährigen 1/8 (1,08 Millionen Euro) der zur Verfügung gestellten Abfindung erhalten (vgl. den unbestrittenen Beklagtenvortrag im Schriftsatz vom 21.11.2019), erscheint als ausgewogene, generationengerechte und vom Verteilungsermessen insgesamt gedeckte Regelung.
42
Dass diese Argumentation und das gefundene Ergebnis - Zulässigkeit der Kappungsregelung - im konkreten vorliegenden Fall auch mit Blick auf die Klageverzichtsprämie zutreffend ist, ergibt sich auch daraus, dass die Verzichtsprämie hier wegen der festgestellten Umgehung des Verbots, Sozialplanleistungen von einem Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig zu machen, in Bezug auf die Diskriminierungsverbote aber wie die Sozialplanabfindung zu behandeln ist, da sie doch an sich zum Sozialplanvolumen zählt und wegen der engen Verknüpfungen auch nicht mehr als eigenständig angesehen werden kann (s.o.). Bei Sozialplanabfindungen aber werden Kappungsgrenzen weitgehend als zulässig und insbesondere diskriminierungsfrei erachtet (vgl. BAG und LAG Nürnberg a.a.O.; vgl. auch z.B. Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 5. Aufl., C.II.6.d) Rn. 307).
43
Eine Altersdiskriminierung kann damit nicht festgestellt werden. Die Klageverzichts-BV verstößt wie aufgezeigt nicht gegen das AGG. Damit erübrigt sich an dieser Stelle auch ein Eingehen auf die klägerseitige Argumentation, wonach sich aus der AGG-widrigkeit der BV auch die Nichtigkeit der Deckelungsregelung ergebe.
44
Der Kläger hat auch keinen über 75.000 € hinausgehenden Anspruch auf eine Abfindung gem. Sozialplan (Klageantrag gem. Ziffer 5). Die Kappungsgrenze ist wirksam.
45
Zu beachten ist an dieser Stelle, dass die Arbeitsgerichte tatsächlich rechtswidrige Sozialplangestaltungen zu verhindern haben, jedoch nicht gehalten sind, bessere Lösungen zu finden als die Betriebsparteien (vgl. BAG vom 21.07.2009, 1 AZR 566/08; LAG Nürnberg vom 12.11.2014, 2 Sa 317/14). Die angegriffene Kappungsgrenze ist aber nicht rechtswidrig.
46
Die Betriebsparteien haben bei der Ausgestaltung von Sozialplanansprüchen einen erheblichen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum (vgl. BAG vom 9.12.2014, 1 AZR 102/13; vgl. auch BAG vom 26.05.2009, 1 AZR 198/08). Sie können die Nachteile aus einer Betriebsänderung auf Grund dieses Regelungsspielraums in typisierter und pauschalierter Form ausgleichen. Sie sind insbesondere auch nicht gehalten, die jeweiligen Nachteile individuell zu prognostizieren und auszugleichen (vgl. LAG Nürnberg a.a.O.). Die Respektierung dieses erheblichen Gestaltungsspielraums geht soweit, dass dabei auch Härten, die mit jeder Gruppenbildung einhergehen und die bei typisierender Abschätzung wirtschaftlicher Nachteile und deren pauschalisierendem Ausgleich aus Sicht der Betriebsparteien nicht vermeidbar sind, in Kauf zu nehmen sind (vgl. BAG vom 21.07.2009, 1 AZR 566/08).
47
Die angegriffene Kappungsgrenze in III. 1. c. ee) hält sich aus Sicht des Gerichts im Rahmen dieses weiten Regelungsspielraums.
48
Es liegt keine Altersdiskriminierung und auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor.
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Zwar ist die unterschiedliche Behandlung von Mitarbeitern aus einem in § 1 AGG genannten Grund - z.B. wegen des Alters - auch im Rahmen von Sozialplänen nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig. Sind diese aber erfüllt, ist auch der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt (vgl. BAG vom 23.03.2010, 1 AZR 832/08).
50
Verboten ist nicht jede Ungleichbehandlung, aber nach § 7 I AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, also z.B. des Alters. Dagegen verstoßende Vereinbarungen sind nach § 7 II AGG unwirksam.
51
Eine Benachteiligung im Sinne des AGG, dort geregelt in § 3 AGG, liegt hier aber nicht vor.
52
Eine unmittelbare Benachteiligung gem. § 3 I AGG scheidet aus, da die beanstandete Deckelung nicht nach dem Alter differenziert. Die betroffenen Arbeitnehmer werden wegen ihres Alters unmittelbar weder bevorzugt noch benachteiligt (vgl. BAG vom 21.07.2009, 1 AZR 566/08).
53
Auch eine mittelbare Altersdiskriminierung (§ 3 II AGG) liegt nicht vor. Zwar werden von der Höchstbegrenzung typischerweise mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer betroffen sein. Die älteren Arbeitnehmer werden durch eine Höchstbegrenzungsklausel aber nicht anders, sondern genauso behandelt wie die jüngeren (vgl. BAG a.a.O.). Die Deckelung behandelt niemand ungleich und benachteiligt ältere Arbeitnehmer nicht. Sie begrenzt vielmehr deren mit der Altersstaffelung verbundene Bevorzugung und kann insoweit zulässig von den Betriebsparteien vereinbart werden. Das haben die Obergerichte wiederholt so entschieden, wobei diese Rechtsprechung auch der herrschenden Meinung in der Literatur entspricht (vgl. nur BAG und LAG Nürnberg a.a.O.; BAG vom 2.10.2007, 1 AZN 793/07; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, 29. Aufl. 2018, BetrVG § 112a Rn. 156; ErfK, 20. Aufl., § 112, 112a BetrVG Rn. 24a).
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Auch das erkennende Gericht folgt dieser Auffassung. Es sieht dabei durchaus die auch für den Kläger entstehende Härte. Der Grund hierfür - die Kappung - ist allerdings dem nur begrenzt zur Verfügung stehenden Sozialplanvolumen geschuldet und damit einem sachlich nachvollziehbaren und keineswegs willkürlichen Kriterium. Die Betriebsparteien können und dürfen ihr Verteilungsermessen nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel ausüben. Es liegt auf der Hand, dass dabei kein Ergebnis allen Interessen gerecht werden kann. Erhöhen sich bei gleichbleibendem Sozialplanvolumen aufgrund des steigenden Lebensalters die Abfindungen für ältere Arbeitnehmer, geht dies zwangsläufig zulasten der jüngeren Arbeitnehmer. Einer Kappungsgrenze liegt dabei die Einschätzung der Betriebsparteien zu Grunde, dass die wirtschaftlichen Nachteile der davon betroffenen Arbeitnehmer bei typisierender Betrachtungsweise noch angemessen ausgeglichen oder jedenfalls substanziell abgemildert sind (vgl. BAG vom 21.07.2009, a.a.O.). Die Betriebsparteien durften bei der vereinbarten Summe von 75.000,- € aus Sicht des Gerichts davon ausgehen, dass die wirtschaftlichen Nachteile noch substantiell abgemildert werden. Vorliegend haben es die Betriebsparteien nach dem (unwidersprochenen) Beklagtenvorbringen auch gerade bzw. nur mit Hilfe des „Deckels“ erreicht, dass die 47 unter 49-Jährigen Mitarbeitern 1/8 der zur Verfügung gestellten Abfindungssumme erhalten (1,08 Millionen Euro), die 111 Älteren aber 7/8 (7,02 Millionen Euro). Damit haben sie aus Sicht des Gerichts ein Gesamtergebnis erzielt, das angemessen ist und bei dem die Interessen der älteren wie der jüngeren Mitarbeiter fair gegeneinander abgewogen wurden (s.o.). Die untersuchte Regelung ist daher vom weiten Gestaltungsspielraum gedeckt.
55
Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht bei Berücksichtigung der Klageverzichtsprämie. Diese und die Anwendung des Deckels hierauf sind nicht AGG-widrig (s.o.). Damit kann auch die klägerische Annahme, dass die Deckelung wegen der AGG-widrigkeit der Verzichtsprämie unwirksam sei (vgl. S. 3 im Schriftsatz vom 31.01.2020), nicht zutreffen.
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Eine unzulässige Altersdiskriminierung kann nach alldem nicht festgestellt werden. Da im Anwendungsbereich des AGG, also dann, wenn es - wie hier - um eine behauptete Altersdiskriminierung geht, die Regelungen des AGG abschließend sind und ein Rückgriff auf den Gleichbehandlungsgrundsatz weder möglich noch nötig ist (vgl. BAG vom 23.03.2010 a.a.O. und Hinrichs/Zwanziger DB 2007, 574 ff.), liegt in der Sozialplandeckelung auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 75 I BetrVG (so im Ergebnis auch BAG vom 21.07.2009 a.a.O. und LAG Nürnberg a.a.O.).
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Zuletzt ist auch der damit zur Entscheidung stehende Klageantrag gem. Ziffer 6 unbegründet, da - wie aufgezeigt - weder die Deckelung, noch die Verzichtsprämien-BV, noch die Anwendung der Deckelung auf die Verzichtsprämie altersdiskriminierend sind. Ein Anspruch nach § 15 I oder II AGG scheidet damit aus.
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Nach alldem konnte die Klage insgesamt keinen Erfolg haben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO. Der Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 I ArbGG, 3 ZPO. Die Berufung wurde nach § 64 III Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.