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LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 18.03.2020 – 10 O 2349/19
Titel:

Darlehensvertrag, Widerruf, Widerrufsfrist, Streitwert, Berechnung, Wirksamkeit, Klage, Pflichtangaben, Darlehensgeber, Verfahren, Zahlung, Sicherheitsleistung, Schaden, Bank, Kosten des Rechtsstreits, negative Feststellung, Wirksamkeit des Widerrufs

Schlagworte:
Darlehensvertrag, Widerruf, Widerrufsfrist, Streitwert, Berechnung, Wirksamkeit, Klage, Pflichtangaben, Darlehensgeber, Verfahren, Zahlung, Sicherheitsleistung, Schaden, Bank, Kosten des Rechtsstreits, negative Feststellung, Wirksamkeit des Widerrufs
Fundstelle:
BeckRS 2020, 54111

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10 % über den jeweils zu vollstreckenden Betrag vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.581,87 € festgesetzt.  

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines Pkw-Finanzierungsdarlehens.
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Unter dem 06.11.2015 schlossen die Parteien einen Darlehensvertrag über einen Netto-Darlehensbetrag in Höhe von 17.384,06 € bei einem Sollzinssatz in Höhe von 3,92%. Die Rückzahlung des Darlehens sollte in 72 Raten zu je 271,33 €, beginnend ab 01.01.2016 erfolgen (Darlehensvertrag Anlage K1). Unter dem 12.09.2018 erklärte der Kläger den Widerruf des „vorbenannten Darlehensvertrags vom 06.11.2015“ (Anlage K2).
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Der Kläger machte geltend, der Widerruf sei rechtzeitig erfolgt, die Widerrufsfrist habe gemäß § 356b BGB wegen fehlender Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB nicht zu laufen begonnen. Die Angabe der für die Beklagte zuständigen Aufsichtsbehörde sei fehlerhaft, die Berechnungsmethode für die Vorfälligkeitsentschädigung sei unzureichend dargestellt, über den im Falle des Widerrufs geschuldeten Zinsbetrag sei nicht korrekt aufgeklärt worden, erforderliche Informationen über den Verzugszinssatz würden fehlen, die Angaben zu dem einzuhaltenden Verfahren bei Vertragskündigung seien unzureichend, schließlich fehle ein Hinweis auf die Kostenfreiheit eines Tilgungsplans.
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Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die primären Leistungspflichten des Klägers aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag vom 06.11.2015 über 15.500,00 € zur Zahlung von Zinsen und zur Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des erklärten Widerrufs vom 12.09.2018 erloschen sind.
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Die Beklagte beantragt
Die Klage wird abgewiesen.
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Hilfsweise beantragt die Beklagte
festzustellen, dass die Klagepartei im Falle eines wirksamen Widerrufs verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Wertverlust des Kfz … mit der Fahrgestell-Nr. … zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und Funktionsweise nicht notwendig war.
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Die Beklagte beantragt, die Hilfs-Widerklage abzuweisen.
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Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit und die Zulässigkeit des Feststellungsantrags. Sie macht geltend, die Widerrufsfrist sei zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung bereits abgelaufen, die Klägerseite habe sämtliche Pflichtangaben erhalten, die vertraglichen Angaben seien vollständig und korrekt gewesen.
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Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst den damit übergebenen´Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
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I. Zulässigkeit:
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Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 29 Abs. 1 ZPO. Die streitgegenständlichen Verpflichtungen sind am Wohnsitz des Klägers, mithin im hiesigen Gerichtsbezirk zu erfüllen.
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Die Feststellungsklage ist zulässig, der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der streitgegenständlichen (Nicht-)Verpflichtungen ab Widerruf (zur Auslegung des klägerischen Begehrens: BGH XI ZR 586/15).
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II. Die Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat den streitgegenständlichen Darlehensvertrag nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf vom 12.09.2018 ist verfristet. Dem Fristenbeginn stand nicht nach § 356b Abs. 2 BGB (in der vom 13.06.2014 bis 20.03.2016 geltenden Fassung) entgegen, dass der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (in der vom 13.06.2014 bis 20.03.2016 geltenden Fassung) nicht erhalten hätte. Die Vertragsurkunde (Anlage K1) enthält die nach Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB vorgeschriebenen Pflichtangaben:
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1. Aufsichtsbehörde (Art. 247 § 6 Nr. 3 EGBGB):
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In der Vertragsurkunde ist als für die Beklagte zuständige Aufsichtsbehörde unter Ziff. 7. zutreffend die BaFin angegeben, § 1 Abs. 5 Nr. 1 KWG i.V.m. Art. 4, 6 EUVO Nr. 1024/2013.
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2. Berechnungsmethode für die Vorfälligkeitsentschädigung (Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB):Die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung ist in Ziff. 3.2 des streitgegenständlichen Vertrags ordnungsgemäß angegeben. Die Reichweite der Informationspflicht findet ihren Ausgangs- und Bezugspunkt in den materiellrechtlichen Vorgaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung. § 502 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. bestimmt, dass der Darlehensgeber im Falle der vorzeitigen Rückzahlung eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen kann. Weitergehende Vorgaben zur Berechnungsmethode lassen sich dem Gesetz nicht entnehmen. Im Hinblick auf eine hinreichende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Berechnungsmethode genügt es, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt. Dem hat die Beklagte durch die mit dem Wort „insbesondere“ eingeleiteten Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung genügt, indem sie die maßgeblichen Parameter benennt (vgl. BGH XI ZR 11/19 m.w.N.). Die der Entscheidung des Bundesgerichtshofs XI ZR 11/19 zugrunde liegende vertragliche Regelung deckt sich in den entscheidenden Punkten mit der streitgegenständlichen Regelung gemäß Ziff. 3.2 des Darlehensvertrags. Die Abweichung dahingehend, dass die Entschädigung „auf Basis anerkannter finanzmathematischer Methoden“ statt „nach den vom BGH für die Berechnung vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen“ berechnet wird, ist dabei ohne Belang.
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3. Angabe des pro Tag zu zahlenden Zinsbetrags (Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 2 EGBGB):
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Die Beklagte hat durch die Angabe in den Widerrufsfolgen, wonach pro Tag bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens ein Zinsbetrag in Höhe von 0,00 € zu zahlen ist, klar und verständlich informiert. Für einen normal informierten, angemessenen aufmerksamen und verständigen Verbraucher ergibt sich aus dieser Information hinreichend klar und eindeutig, dass er im Falle des Widerrufs für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens keine Sollzinsen zu zahlen hat (BGH XI ZR 11/19 m.w.N. für einen gleichgelagerten Fall).
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4. Angabe des Verzugszinssatzes (Art. 247 § 3 Nr. 11 EGBGB):
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Die Angabe in Ziff. 2 des streitgegenständlichen Vertrags, wonach die Bank berechtigt ist, für verspätete und ausbleibende Zahlungen den konkret durch diesen Zahlungsverzug entstandenen Schaden in Rechnung zu stellen, genügt den Anforderungen von Art. 247 § 3 Nr. 11 EGBGB. Die Angaben reichen aus, um dem Kläger vor Augen zu führen, was ihm bei verspäteten oder ausbleibenden Zahlungen drohen kann. Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund, dass der Verzugszinssatz und seine Änderungsmöglichkeiten in Deutschland ohnehin gesetzlich festgelegt sind (vgl. auch LG Darmstadt, Urteil vom 28.12.2018 - 2 O 162/18).
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5. Einzuhaltendes Kündigungsverfahren (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB):
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Gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB a.F. gehört zu den vorgeschriebenen Pflichtangaben, von deren Einhaltung der Beginn der Widerrufsfrist abhängt, auch das „einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags“. Dessen bedurfte es hier aber nicht. Über die Kündigungsmöglichkeiten nach § 314 BGB muss bei befristeten Verträgen nicht unterrichtet werden (BGH XI ZR 11/19).
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6. Anspruch auf Tilgungsplan (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB):
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Die Regelung in Ziff. VIII 1. Satz 2 genügt den Anforderungen des Art. 247 § 6 Nr. 4 EGBGB, der einen Hinweis auf Kostenfreiheit des Tilgungsplans nicht vorsieht.
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III. Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO
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IV. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO
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V. Streitwert:
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Der Streitwert der vorliegenden Klage auf negative Feststellung, dass dem Darlehensgeber ab Widerruf keine Ansprüche auf Vertragszins und vertragsmäßige Tilgung mehr zustehen, bemisst sich nach der Summe der nach dem Widerruf noch zu erbringenden Zins- und Tilgungsleistungen unter Berücksichtigung von § 9 ZPO (OLG Köln, Beschluss vom 08.05.2018 - 4 W 16/18).
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Der Kläger begehrt vorliegend Feststellung, dass die Leistungspflichten zur Zahlung von Zinsen und Tilgungen aufgrund des Widerrufs vom 12.09.2018 erloschen sind (zur Auslegung des klägerischen Begehrens: BGH XI ZR 586/15). Ab dem Widerruf vom 12.09.2018 sind noch 39 Raten zu je 271,33 €, insgesamt 10.581,87 € zur Zahlung offen, diese bilden den Wert des Feststellungsbegehrens.