Titel:
Verlängerung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5
SprengG § 27
1. SprengV § 29 Abs. 2
Leitsatz:
Um von einer die Fachkunde bewahrenden Tätigkeitsausübung im Sinne des § 29 Abs. 2 1. SprengV ausgehen zu können, bedarf es einer regelmäßigen und kontinuierlichen Ausübung der erlaubnispflichtigen Tätigkeit, die nach ihrer Art und ihrem Umfang im Hinblick auf die dabei zu praktizierende Fachkunde von substantieller Bedeutung sein muss. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verlängerung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis, Nachweis der Fachkunde, Keine ausreichende Ausübung der erlaubnispflichtigen Tätigkeit, Erlaubnis, Anerkennung, Verlängerung, Sprengstoff, Fachkundeprüfung, Fachkunde bewahrende Tätigkeitsausübung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 14.12.2021 – 24 ZB 20.3057
Fundstelle:
BeckRS 2020, 53611
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Verlängerung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis gemäß § 27 SprengG.
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1. Der Kläger verfügte seit dem Jahr 1984 über eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis für Treibladungspulver, die er zum jagdlichen und sportlichen Schießen beantragt hatte. In der Folgezeit wurde sie mehrmals verlängert. Letztmalig erfolgte eine Verlängerung der Erlaubnis zum Erwerben, Aufbewahren, Verwenden, Vernichten und Verbringen von Nitrocellulosepulver, dessen Gesamtmenge auf 10 kg festgesetzt wurde, sowie zum Laden und Wiederladen von Patronenhülsen am 16. Juni 2014 bis zum 15. Juni 2019. Zudem verfügt der Kläger über einen Jagdschein.
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Am 4. Juni 2019 beantragte der Kläger eine Verlängerung seiner sprengstoffrechtlichen Erlaubnis beim Landratsamt M. (im Folgenden: Landratsamt). Hierbei verwies der Kläger darauf, dass er im Jahr 1984 eine Fachkundeprüfung für Nitrocellulosepulver und Schwarzpulver absolviert habe. Als beantragte Menge gab er 10 kg NC-Pulver an. Zur Art der beabsichtigten Tätigkeit erklärte er, dass er Patronenhülsen laden und wiederladen wolle. Am 19. Dezember 2018 seien ihm durch das Landratsamt eine Waffenbesitzkarte und ein Jagdschein ausgestellt worden. In einem Schreiben vom 5. Juni 2019 wies das Landratsamt den Kläger darauf hin, dass nach Durchsicht seiner Erlaubnis er nie NC-Pulver gekauft und verbraucht habe. Nach einer Gesetzesänderung sei das erneute Ablegen einer Fachkundeprüfung erforderlich, wenn seit deren Ablegung mehr als fünf Jahre verstrichen seien und der Antragsteller seit dem Zeitpunkt der Prüfung die erlaubnispflichtige Tätigkeit rechtmäßig nicht oder überwiegend nicht ausgeübt habe.
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Mit Schreiben vom 26. August 2019 führte der Klägerbevollmächtigte gegenüber dem Landratsamt aus, dass der Kläger ordnungsgemäß eine Prüfung abgelegt habe und seitdem ununterbrochen eine entsprechende Erlaubnis inngehabt habe. Der Kläger sei weiterhin zu einem entsprechenden Wiederladevorgang in der Lage und verfüge über die erforderlichen Vorrichtungen. Der Bedarf an entsprechenden Geschossen sei zurückgegangen. Der Kläger übe die Jagd altersbedingt im Verhältnis zu früheren Jahren in einem reduzierten Maße aus. Wegen des Diskriminierungsverbots sei es nicht gerechtfertigt, den Kläger zu benachteiligen.
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Der Beklagte führte hierzu aus, dass nach den vorgelegten Unterlagen zuletzt im Jahr 1986 Nitrocellulosepulver erworben worden sei. Es habe damit kein ausreichender Umgang mit dem genannten Sprengstoff bestanden. Die Vorschrift des § 29 Abs. 2 1.SprengV stelle eine Soll-Vorschrift dar und verlange von der Behörde eine eingeschränkte Ermessensprüfung. Es sei kein atypischer Fall gegeben, sodass der Kläger eine erneute Prüfung abzulegen habe.
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Mit Bescheid vom 17. Oktober 2019 lehnte das Landratsamt M. den Antrag auf Verlängerung der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis gemäß § 27 Abs. 1 SprengG mit der lfd. Nr. … ab (Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids). Die im Besitz des Klägers befindlichen explosionsgefährlichen Stoffe seien ab Bestandskraft des Bescheids innerhalb eines Monats unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen. Es sei ein entsprechender Nachweis zu führen (Ziffer 2). Die sprengstoffrechtliche Erlaubnis gemäß § 27 Abs. 1 SprengG mit der lfd. Nr. … sei ab Bestandskraft innerhalb eines Monats beim Landratsamt abzugeben (Ziffer 3). Die Ziffern 4 und 5 regeln die Kostenlast des Klägers. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SprengG zu versagen sei, wenn Versagungsgründe nach § 8 Abs. 1 SprengG vorlägen. Versagungsgrund sei vorliegend der fehlende Nachweis der sprengstoffrechtlichen Fachkunde nach § 9 SprengG. Der Kläger habe bei der erstmaligen Antragstellung einen Nachweis der Fachkunde erbracht. Gemäß § 29 Abs. 2 1. SprengV solle die zuständige Behörde einen Nachweis ganz oder teilweise nicht anerkennen, wenn seit deren Ablegung mehr als fünf Jahre verstrichen seien und der Antragsteller seit dem Zeitpunkt der Prüfung die erlaubnispflichtige Tätigkeit nicht oder überwiegend nicht ausgeübt habe. Bereits zum Zeitpunkt der letzten Verlängerung der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis sei durch den Kläger kein Nitrocellulosepulver erworben worden. Dies sei letztmalig im Jahr 1986 gewesen. Dies sei kein ausreichender Umgang. Der Besitz und die Aufbewahrung desselben seien höchstens bei erstmaliger Verlängerung der Erlaubnis ohne Erwerbsvorgang als ausreichender Umgang zu betrachten. Ein atypischer Fall sei beim Kläger zudem nicht zu erkennen, weshalb die Fachkundeprüfung des Klägers nicht anerkannt werden könne und der Verlängerungsantrag abzulehnen sei. Gemäß § 32 Abs. 5 Satz 1 SprengG könne die zuständige Behörde anordnen, dass die explosionsgefährlichen Stoffe, über die der Betroffene die tatsächliche Gewalt noch ausübe, nicht mehr verwendet werden dürften oder ihr nachgewiesen werde, dass die Stoffe innerhalb einer Frist unbrauchbar gemacht oder einem Berechtigten überlassen worden seien. Die Erlaubnis sei am 15. Juni 2019 abgelaufen, sodass er die tatsächliche Gewalt über die explosionsgefährlichen Stoffe ohne die erforderliche Erlaubnis ausübe. Die Urkunden seien nach Art. 52 Satz 1 BayVwVfG zurückzufordern. Die getroffenen Anordnungen seien auch verhältnismäßig.
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Der Bescheid wurde per Fax am 17. Oktober 2019 an den Klägerbevollmächtigten gesandt.
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2. Hiergegen ließ der Kläger am 15. November 2019 Klage erheben und zuletzt beantragen,
unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts Miltenberg vom 17. Oktober 2019 den Beklagten zu verpflichten, die sprengstoffrechtliche Erlaubnis des Klägers zu verlängern bzw. neu zu erteilen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass infolge des zunehmenden Alters des Klägers die Jagd nur eingeschränkt ausgeübt werde und Patronen auf dem Schießstand nur noch wenige verschossen würden. Die komplette Ausrüstung sei aber weiterhin vorhanden, sodass Patronen bei einem entsprechenden Bedarf hergestellt worden seien. Dass der Kläger altersbedingt weniger Bedarf an Patronen gehabt habe, könne nicht dazu führen, dass die Erlaubnis verloren gehe. Dies stelle ansonsten eine Altersdiskriminierung dar. Auch bei einem gebundenen Ermessen habe der Beklagte zunächst die Ausübung der Wiederladetätigkeit prüfen müssen - ggf. in Form einer Kontrolle mit Vorführung. Bis zum Jahr 2019 habe der Kläger die Tätigkeit des Wiederladens eindeutig rechtmäßig ausgeübt. In den gesetzlichen Bestimmungen sei nicht vorgeschrieben, in welcher Anzahl dies zu erfolgen habe. Auf den Kauf der Ausgangsmaterialien allein könne nicht abgestellt werden.
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In tatsächlicher Hinsicht ergänzte und konkretisierte der Klägerbevollmächtigte in einem Schreiben vom 23. Juli 2020 gegenüber dem Beklagten seinen Vortrag, dass der Kläger in Freigericht eine Ausrüstung, welche zum Wiederladen benötigt werde, erworben habe. Diese Ausrüstung werde weiter gepflegt und könne jederzeit verwendet werden. Der Kläger habe eine Herstellung von Patronen nur nach „Lust und Laune“ vorgenommen. In den letzten fünf Jahren habe er ca. 70 Patronen wiedergeladen. Eine Dokumentation hierzu sei nicht erfolgt. Nitrocellulosepulver habe er zuletzt im Jahr 1999 erworben.
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3. Der Beklagte ist dem entgegengetreten und beantragte,
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Nach den Angaben des Klägers habe dieser in den letzten fünf Jahren lediglich ca. 70 Patronen hergestellt. Dies seien jährlich rund 14 Patronen, was keine überwiegende Ausübung des Wiederladens sei. Im Jahr 1999 habe er zuletzt Nitrocellulosepulver erworben. Die Umgangsart des Erwerbens sei damit in den letzten 21 Jahren nicht mehr ausgeübt worden. Es sei kein atypischer Fall beim Kläger gegeben. Zudem erscheine kein ausreichendes Bedürfnis im Sinne von § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SprengG gegeben zu sein. Der Vorwurf einer Altersdiskriminierung sei haltlos, weil der Antrag eines jüngeren Antragstellers unter diesen Bedingungen ebenfalls abgelehnt worden wäre.
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4. In der mündlichen Verhandlung am 23. Oktober 2020 waren die Beteiligten erschienen. Die Sach- und Rechtslage wurde mit ihnen erörtert. Bezüglich des weiteren Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen.
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5. Das Gericht verweist zum weiteren Sach- und Streitstand auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Ablehnung der streitgegenständlichen Verlängerung der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis war rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Die weiteren im Bescheid vom 17. Oktober 2019 des Landratsamt M. getroffenen Anordnungen begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
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1. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Verlängerung bzw. Neuerteilung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis nach § 27 SprengG. § 27 Abs. 1 SprengG sieht vor, dass das nichtgewerbliche Erwerben und der Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen der Erlaubnis bedürfen. Nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SprengG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn beim Antragsteller Versagungsgründe im Sinne von § 8 Abs. 1 vorliegen. § 8 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) SprengG fordert vom Antragsteller insbesondere den Nachweis der Fachkunde, der entsprechend § 9 Abs. 1 Nr. 1 SprengG durch ein Zeugnis über die erfolgreiche Teilnahme an einem staatlichen oder staatlich anerkannten Lehrgang für die beabsichtigte Tätigkeit zu belegen ist. In Konkretisierung dieser Regelung sieht § 29 Abs. 2 1. SprengV vor, dass die zuständige Behörde eine abgelegte Prüfung ganz oder teilweise nicht anerkennen soll, wenn seit deren Ablegung mehr als fünf Jahre verstrichen sind und der Antragsteller seit diesem Zeitpunkt die erlaubnispflichtige Tätigkeit rechtmäßig nicht oder überwiegend nicht ausgeübt hat.
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Danach sind die Voraussetzungen des Klägers für eine Verlängerung bzw. Neuerteilung einer Erlaubnis nicht gegeben. Eine Fachkundeprüfung hat der Kläger im Jahr 1984 abgelegt, was deutlich mehr als fünf Jahre zurückliegt. Eine überwiegende Ausübung der erlaubnispflichtigen Tätigkeit des Erwerbs sprengstoffrechtlicher Stoffe und des Umgangs mit denselben lässt sich danach nicht feststellen. Nach seinen Angaben hat der Kläger zuletzt Nitrocellulosepulver im Jahr 1999 erworben. Gleichzeitig will er in den letzten fünf Jahren 70 Patronen wiedergeladen haben, was einer Herstellung von rund 14 Patronen im Jahr gleichzusetzen ist. Dies entspricht nach Wertung der Kammer nicht dem Erfordernis einer regelmäßigen und kontinuierlichen Ausübung der erlaubnispflichtigen Tätigkeit, die nach ihrer Art und ihrem Umfang im Hinblick auf die dabei zu praktizierende Fachkunde von substantieller Bedeutung sein muss (vgl. OVG NRW, U.v. 5.12.2018 - 20 A 487/17 - juris). Vor dem Hintergrund der besonderen Gefährlichkeit des Umgangs mit derartigen Stoffen für den Kläger persönlich als auch für die Allgemeinheit genügt dies nicht, um von einer die Fachkunde bewahrenden Tätigkeitsausübung ausgehen zu können.
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Dem Einwand des Klägerbevollmächtigten, dass es sich bei diesen Regelungen um eine Altersdiskriminierung des Klägers handele, vermag das Gericht nicht zu folgen. Unabhängig von einer fehlenden normativen Verankerung dieses Grundsatzes im vorliegenden Fall, kann es sich nach allgemeinen Grundsätzen allenfalls um eine mittelbare Diskriminierung handeln, weil die in Rede stehenden Regelungen in keiner Weise unmittelbar an das Alter eines Antragstellers anknüpfen. Diese wäre jedenfalls gerechtfertigt, da sie der Gefahrenabwehr dient, die beim Umgang mit sprengstoffrechtlichen Stoffen geboten ist.
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2. Hat der Kläger demnach keinen Anspruch auf eine Verlängerung bzw. Neuerteilung, begegnen die weiteren Anordnungen des Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere bestehen an der Rechtmäßigkeit der Ziffern 2 und 3 gemäß § 32 Abs. 5 SprengG bzw. Art. 52 Satz 1 BayVwVfG keine Zweifel. Durch die Klägerseite wurde insoweit auch nichts vorgetragen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.