Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 30.09.2020 – Au 4 K 20.655
Titel:

Bewilligung, Bescheid, Frist, Eigenheimzulage, Antragstellung, Auskunft, Anspruch, Nachweis, Ermessen, Ablehnung, Antragsverfahren, Klage, Gleichbehandlung, Zeitpunkt, Kosten des Verfahrens, Anspruch auf Gleichbehandlung, Selbstbindung der Verwaltung

Schlagworte:
Bewilligung, Bescheid, Frist, Eigenheimzulage, Antragstellung, Auskunft, Anspruch, Nachweis, Ermessen, Ablehnung, Antragsverfahren, Klage, Gleichbehandlung, Zeitpunkt, Kosten des Verfahrens, Anspruch auf Gleichbehandlung, Selbstbindung der Verwaltung
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 21.12.2021 – 12 ZB 20.2694
VGH München, Urteil vom 20.07.2022 – 12 B 21.3169
Fundstelle:
BeckRS 2020, 53107

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Gewährung einer Eigenheimzulage nach der Richtlinie für die Gewährung eines Zuschusses zum Bau und Erwerb von Wohnraum zu eigenen Wohnzwecken (Bayerische Eigenheimzulagen-Richtlinien - EHZR).
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Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 15. November 2019, eingegangen beim Beklagten am 18. November 2019, eine Bayerische Eigenheimzulage für seine durch notariellen Kaufvertrag erworbene Doppelhaushälfte. Gemäß erweiterter Meldebescheinigung vom 23. Juli 2019 zog der Kläger dort mit seiner Familie am 10. Dezember 2018 ein.
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Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. März 2020 ab mit der Begründung, dass gemäß Punkt 9.2 Bayerische Eigenheimzulagen-Richtlinien (EHZR) die Antragstellung ab Bezug des Wohnraums und bis spätestens sechs Monate nach diesem Zeitpunkt zulässig sei. Als Nachweis sei eine erweiterte Meldebescheinigung vorzulegen. Aus dieser ginge hervor, dass der Kläger das Objekt bereits seit mehr als sechs Monaten bezogen habe.
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Hiergegen ließ der Kläger am 14. April 2020 Klage erheben und beantragen,
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1. der Ablehnungsbescheid des Beklagten durch die Bewilli gungsstelle * vom 11. März 2020, Antragsnummer: * wird aufgehoben.
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2. der Beklagte wird verurteilt, dem Antrag des Klägers auf eine Eigenheimzulage nach der Richtlinie für die Gewährung eines Zuschusses zum Bau und Erwerb von Wohnraum zu eigenen Wohnzwecken des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 7.August 2018 stattzugeben und dem Kläger die Eigenheimzulage zu bewilligen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass dem Antrag des Klägers stattzugeben sei, da sämtliche Voraussetzungen der Richtlinie vorlägen, insbesondere sei der Antrag auf Eigenheimzulage bereits am 15. Mai 2019 per Online-Formular gestellt worden. Dies sei von einem Mitarbeiter des Beklagten im Rahmen eines Telefonats mit der Mitarbeiterin der Steuerberaterkanzlei des Klägers am 14. November 2019 bestätigt worden. Der Kläger habe den unterschriebenen Antrag sowie die notwendigen Anlagen am 15. Mai 2019 zur Post gegeben, wobei sein Ausweis von der Poststelle gescannt worden sei. Eine Auskunft der Post über einen entsprechenden Nachweis sei dem Kläger verweigert worden. Eine Mitarbeiterin der Steuerberaterkanzlei habe sich mehrfach noch innerhalb der sechsmonatigen Frist beim Beklagten nach dem Stand des Antrags erkundigt, von dort aber niemals die Auskunft erhalten, dass die Antragsunterlagen nicht eingegangen seien.
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Die Auffassung des Beklagten, dass ein Antrag ohne Anlagen als nicht eingegangen zu gelten habe, sei durch die gesetzliche Regelung nicht gedeckt. Zumindest fehle im Online-Formular des Beklagten der Hinweis darauf, dass der Antrag nur als rechtzeitig eingereicht gelte, sofern dieser mit Anlagen versehen sei. Darüber hinaus schreibe die Richtlinie vor, dass der Beklagte verpflichtet sei, den Antragsteller zu informieren und zu unterstützen. Er hätte daher vor Fristablauf den Kläger auf die fehlenden Unterlagen hinweisen müssen.
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Der Beklagte trat mit Schreiben vom 20. Juli 2020 der Klage entgegen. Für ihn ist beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Antrag auf Förderung sei erst am 18. November 2019 vollständig und wirksam und damit zu spät eingegangen. Lediglich die Fördergrundsätze seien in der Eigenheimzulage-Richtlinie festgeschrieben, nicht hingegen das genaue Antragsverfahren. Dieses werde von der zuständigen Verwaltungsbehörde festgelegt und allgemeingültig für Antragsteller veröffentlicht. In den allgemein zugänglichen Antragsunterlagen sei eindeutig vorgeschrieben, dass der online gestellte Antrag auszudrucken sei und per Post eingereicht werden müsse. Dieses Prozedere sei auch bei anderen Verfahren üblich. Antragsteller hätten keinen Anspruch auf Förderung, sondern nur einen Anspruch auf Gleichbehandlung. Hier seien keine Anhaltspunkte erkennbar, dass der Beklagte von der üblichen Genehmigungspraxis abweiche. So würden regelmäßig Anträge wegen Verfristung abgelehnt werden, wenn die nachzureichenden Unterlagen nicht innerhalb der 6-Monats-Frist in Papierform eingehen würden. Insbesondere zur Legitimation des Antragstellers sei das rechtzeitige Nachsenden des Ausdrucks in Papierform erforderlich. Fehler bei der Legitimation fielen in den Risikobereich des Klägers; er hätte den Postbediensteten kontrollieren müssen. Ein Eingang mit den vollständigen Unterlagen im Mai sei zudem deshalb nicht nachvollziehbar, weil die eingegangene Meldebescheinigung erst vom 23. Juli 2019 stamme.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. September 2020 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Eigenheimzulage hat (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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1. Der Antrag auf Eigenheimzulage wurde gem. Ziffer 9.2 Satz 1 EHZR zu spät ge stellt, da das unterschriebene Originalformular nach Ablauf der sechsmonatigen Frist bei dem Beklagten einging.
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Bei der Eigenheimzulage handelt es sich um eine freiwillige Maßnahme des Freistaates Bayern. Eine Rechtsnorm, die einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung der beantragten Eigenheimzulage begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Anspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien. Die Förderrichtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist deshalb entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist.
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Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung der jeweiligen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder gegebenenfalls ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Bei Förderrichtlinien in der Leistungsverwaltung handelt es sich nicht um Rechtsnormen, sondern um verwaltungsinterne Weisungen, die demgemäß nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle analog § 114 VwGO unterliegen (vgl. BayVGH vom 4.8.2008 - 4 ZB 06.1321 - juris Rn. 9; B.v. 17.11.2010 - 4 ZB 10.1689 - juris Rn. 19; VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 - W 8 K 20.330 - juris Rn. 15 f.).
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Die Ablehnung der Eigenheimzulage durch den Beklagten stützt sich darauf, dass der Originalantrag zu spät eingegangen sei. Laut der erweiterten Meldebescheinigung erfolgte der Einzug am 10. Dezember 2018, sodass die sechsmonatige Frist hier bis zum 10. Juni 2019 lief. Die insoweit unbestrittene Stellung des Onlineantrages erfolgte zwar am 15. Mai 2019 und damit noch innerhalb der Frist. Jedoch kommt es laut der ständigen Förderpraxis des Beklagten darauf an, wann der unterschriebene Antrag im Original beim Beklagten eingeht. Der Originalantrag ging jedoch ausweislich der Behördenakte erst am 18. November 2019 und damit zu spät beim Beklagten ein.
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Die Schriftform ergibt sich zwar nicht aus der Förderrichtlinie selbst, da diese keine Form für die Antragstellung vorgibt. Dass das Schriftformerfordernis eine ständige Förderpraxis des Beklagten darstellt, ergibt sich jedoch zum einen aus einem Merkblatt des Beklagten, in dem es heißt: 19 „Damit ihr Antrag rechtsgültig gestellt wird, benötigen wir ein von Ihnen unterzeichnetes Exemplar des ausgedruckten Antragsformulares.“
19
Die gleiche Information erhält der Antragsteller auch beim Ausfüllen des Onlineantrages selbst. Ein nicht rechtsgültig gestellter Antrag kann somit auch nicht fristwahrend gestellt werden. Entgegen der Auffassung des Klägers widerspricht sich dies auch nicht mit den weiteren Hinweisen aus dem Onlineantrag: 21 „Ihr Antrag kann vollständig bearbeitet werden, sobald das ausgedruckte und unterzeichnete Antragsformular zusammen mit allen Antragsunterlagen und Ihre Legitimation vorliegen.“
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Vielmehr weist dieser Hinweis nur darauf hin, dass eine Bearbeitung erst dann erfolgen kann, wenn sämtlichen Anlagen zusammen mit dem Originalantrag eingegangen sind. Daraus ergibt sich, dass zumindest der unterschriebene Antrag (wenn auch ohne Anlagen) vor Fristablauf beim Beklagten vorgelegt werden muss.
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Der Beklagte hat in seiner Klageerwiderung zudem vorgetragen, dass er regelmäßig Anträge wegen Verfristung ablehnen würde, wenn diese nicht innerhalb der Frist in Papierform eingehen würden, was vom Kläger nicht bestritten wurde. Eine Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG liegt demnach nicht vor.
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Diese Förderpraxis widerspricht auch nicht dem in der Richtlinie festgelegten Förderzweck, da es sich hier lediglich um eine Festlegung des Verwaltungsverfahrens handelt, die die materiellen Voraussetzungen der Gewährung einer Eigenheimzulage unberührt lässt. Vielmehr führt die Legitimation bei der Post durch den Antragsteller sowie die Unterschrift des Antragstellers dazu, dass der Beklagte die persönlichen Förderungsvoraussetzungen genauer nachprüfen und eine rechtswidrige Verteilung von Fördergeldern an Antragsteller, die die Voraussetzungen nicht erfüllen, vermeiden kann. Dies kommt wiederum den Antragstellern, die die Voraussetzungen erfüllen, zugute, da gemäß Satz 3 der Präambel der EHZR eine Förderung nur im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel erfolgt.
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Dass der Kläger die Unterlagen bereits am 15. Mai 2019 zur Post brachte, ändert nichts an der Verfristung des Antrages, da es nämlich nicht auf die Abgabe des Antrages, sondern auf den Zugang beim Beklagten ankommt. Der Kläger als Absender trägt hier das Übermittlungsrisiko der Postbeförderung, sofern er diesen Überbringungsweg wählt. Er hätte eine Zustellungsart mit Nachweis wählen müssen, zum Beispiel ein Einschreiben mit Rückschein, und demnach Vorsorge durch eine entsprechende Versendungsform treffen müssen (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 16.5.2018 - 16 L 1115/18 - juris Rn. 15). Hierauf weist der Beklagte bei der Stellung des Onlineantrages im Übrigen ebenfalls hin.
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2. Der Beklagte hat auch nicht gegen seine Beratungspflicht aus Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG bzw. Ziffer 9.3 EHZR verstoßen.
25
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich eine Behörde unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidenden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen darf. Eine derartige Ausnahme kommt in Betracht, wenn erstens die Versäumung der Frist auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Betroffene seine Rechte nicht wahren kann, und wenn zweitens durch die Berücksichtigung der verspäteten Handlung der Zweck des Gesetzes nicht verfehlt würde (OVG NRW, B.v. 12.10.2017 - 4 A 2395/15 - juris Rn. 3).
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Ein derartiges behördliches Fehlverhalten des Beklagten vermag das Gericht hier nach durchgeführter Beweiserhebung nicht zu erkennen. Die Onlineantragstellung erfolgte am 15. Mai 2019 und damit knapp vier Wochen vor Ablauf der Frist. Eine gesonderte, konkretindividuelle Aufforderung zur Übermittlung des Papierantrages kann vom Beklagten - zumal in dieser kurzen Zeitspanne - nicht gefordert werden, da es sich bei der Gewährung der Eigenheimzulage um ein Massenverfahren handelt und es daher ausreicht, wenn die Erörterungs- und Betreuungspflicht nicht konkretindividuell, sondern abstraktgenerell durch entsprechend eindeutiges Informationsmaterial und standardisierte Merkblätter erfüllt wird (VG Berlin, U.v. 12.1.2017 - 10 K 239.15 - juris Rn. 59; siehe auch Ziffer 9.3 Satz 2, Ziffer 10 EHZR). Wie bereits festgestellt, hat der Beklagte sowohl in Merkblättern als auch direkt bei der elektronischen Antragstellung auf das Erfordernis der Antragstellung in Papierform hingewiesen. Im Übrigen wird auch bei der elektronischen Antragstellung darüber informiert, dass eine Eingangsbestätigung nach Erhalt des unterzeichneten Onlinantrages (im Original) versendet werde. Es wäre deshalb Sache des Klägers gewesen, den Antrag nochmals in Schriftform abzusenden, nachdem ihm zwei bis drei Wochen nach Übermittlung immer noch keine Eingangsbestätigung des Beklagten vorlag.
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Zwar bestätigte die für den Kläger tätige Zeugin glaubhaft, dass sie mehrfach ab ca. Juni 2019 mit dem Beklagten telefoniert und sich nach dem Stand der Bearbeitung erkundigt habe. Dort habe sie nur allgemein Auskunft erhalten, dass der Antrag bearbeitet würde und sie sich gedulden müsse. Allerdings hatte sie den Eindruck, nur eine generelle Auskunft erhalten zu haben und nicht mit dem konkreten Sachbearbeiter verbunden gewesen zu sein. Der Beklagte hat demnach auch im Rahmen der telefonischen Anfragen keine seinen (abstraktgenerellen) Hinweisen und Merkblättern widersprechende oder hiervon abweichende Auskünfte erteilt. Die Zeugin erkundigte sich zudem nicht explizit danach, ob der Antrag in Papierform (mittlerweile) beim Beklagten eingegangen sei, sodass der Beklagte hierüber keine falschen Informationen erteilen konnte.
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3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.