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LG München I, Endurteil v. 24.09.2020 – 20 O 2955/20
Titel:

Fahrzeug, Annahmeverzug, Rechtsanwaltskosten, Streitwert, Erstattung, Darlegungslast, Sicherheitsleistung, Klage, Zinsen, Aufwendungen, Verfahren, Zeitpunkt, Grenzwerte, Einschreiten, Zug um Zug, Kosten des Rechtsstreits, amtliches Kennzeichen

Schlagworte:
Fahrzeug, Annahmeverzug, Rechtsanwaltskosten, Streitwert, Erstattung, Darlegungslast, Sicherheitsleistung, Klage, Zinsen, Aufwendungen, Verfahren, Zeitpunkt, Grenzwerte, Einschreiten, Zug um Zug, Kosten des Rechtsstreits, amtliches Kennzeichen
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 23.02.2021 – 5 U 6164/20
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 24.11.2021 – VII ZR 231/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 53028

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagtenpartei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 39.093,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe eines Fahrzeuges, das nach Klagevortrag mit illegalen Abschaltvorrichtungen versehen sein soll.
2
Der Kläger bestellte am 16.11.2016 beim BMW Vertragshändler H3. A. GmbH einen gebrauchten BMW X3 xDrive20d zu einem Kaufpreis von 32.320 Euro, der mit einem Motor der internen Typenbezeichnung N47T ausgestattet ist (Anlage K1). Zudem kaufte er einen Satz Winterreifen, eine abnehmbare Anhängerkupplung und eine LED-Beleuchtung für die Türen zu einem Gesamtkaufpreis in Höhe von 1.183,00 Euro (Anlage K2) und schloss noch eine Garantie für das Fahrzeug zu einem Preis von 590 Euro ab (Anlage K3).
3
Der behördliche Rückruf von Fahrzeugen der Beklagten betrifft nicht das streitgegenständliche Fahrzeug.
4
Der Kläger behauptet, dass im streitgegenständlichen PKW eine unzulässige Software zur Steuerung der Abgase verbaut ist.
5
Die Urteile, die bezüglich des Motors EA 189 (=VW) ergangen sind, seien auf hiesigen Sachverhalt anzuwenden, weil die unzulässige Abschalteinrichtung, die sowohl in Volkswagenfahrzeugen als auch im streitgegenständlichen Fahrzueg verbaut wurde, technisch so ähnlich sei.
6
Zudem sei in dem streitgegenständlichen Fahrzeug ein sog. Thermofenster verbaut und somit eine weitere unzulässige Abschalteinrichtung. Insoweit verweist die Klagepartei auf ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 31.3.2020.
7
Im Übrigen verweist die Klagepartei auf die sekundäre Darlegungslast der Beklagten.
8
Dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 826 iVm 31 bzw. 831 I 1 BGB zu.
9
Der Kläger beantragt,
1.
Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32.320,00 € nebst Zinsen in Höhe von 4% seit dem 16.11.2016 bis zum 28.02.2019 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.02.2019 Zug um Zug gegen Rückgabe und -übereignung des Fahrzeuges Bayerische Motorenwerke Typ X3 xDrive 20d mit der Fahrgestellnummer WB AWY310000F15292, amtliches Kennzeichen KEM B141, zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer 1 näher beschriebenen Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger alle zukünftigen Schäden und Aufwendungen zu ersetzen hat, die aus der Dieselabgasmanipulation des unter Ziffer 1 näher beschriebenen Fahrzeugs resultieren.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 1773 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.2.2019 zu zahlen (weitere Schäden).
5.
Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2033 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. 2019 zu zahlen (außergerichtliche Rechtsanwaltskosten).
10
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
11
Die Beklagte führt aus, dass der Motor, der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut sei, den gesetzlichen Anforderungen entspreche und insbesondere keine „prüfstandsbezogene“ noch eine andere unzulässige Abschalteinrichtung habe.
12
Eine Auswertung der Untersuchungskommission Volkswagen hätten dies bestätigt. Diesbezüglich verweist die Beklagte auf Anlage B1. Ebenso habe das Kraftfahrtbundesamt keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt und verweist auf Anlage B2.
13
Die Klage bestehe aus bloßen Mutmaßungen, so dass mangels substantiierten Vortrages der Klagepartei die Beklagte auch keine sekundäre Darlegungslast treffe.
14
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze jeweils nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2.7.2020 verwiesen.

Entscheidungsgründe

15
Die zulässige Klage ist unbegründet.
16
Der Kläger konnte nicht ansatzweise substantiiert darlegen, dass ihm deliktische Ansprüche, insbesondere aus § 826 BGB iVm § 31 BGB, zustehen.
17
Dem Gericht lagen im Zeitpunkt der Entscheidung keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut hat. Daher fehlt der behaupteten unerlaubten Handlung schon die Grundlage.
18
Die Klagepartei ging im Schreiben vom 14.2.2019, verfasst durch den Klägervertreter, lediglich davon aus, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug die Motorsteuerungssoftware so programmiert sei, dass sie erkennt, ob sich das Fahrzeug in einer Prüfsituation befindet oder im regulären Fahrbetrieb auf der Straße (Anlage K12). Dies wird vermutet aufgrund des Rückrufs einzelner BMW-Modelle. Diese damalige Vermutung wird dann in der Klageschrift, ohne hierzu zu weiteren mittlerweile herangetragenen neuen konkreten Erkenntnissen vorzutragen, als Behauptung aufgestellt unter Verweis auf Messergebnisse der Deutschen Umwelthilfe und als Beweis ein Sachverständigengutachten angeboten.
19
Aus Differenzmesswerten zwischen den im Prüfstand gemessenen Werten und denen im Realverkehr unter Aufgabe konkret definierter Parameter kann nicht im Umkehrschluss geschlossen werden, dass die vorgegebenen Grenzwerte, insbesondere die für die Schadstoffklasse EURO 5, nicht eingehalten werden.
20
Soweit die Klagepartei im Schriftsatz vom 15.6.2020 eine weitere unzulässige Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug behauptet, nämlich den Verbau eines sog. Thermofensters, war auch diese Behauptung unsubstantiiert.
21
Im Großen und Ganzen wird diese Behauptung auf eine Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf vom 31.3.2020 gestützt. In diesem Verfahren wurde aber nicht festgestellt, dass die Beklagte tatsächlich ein sog. Thermofenster im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut hat, sondern es vertrat die Auffassung, dass die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist. Dies setzt aber voraus, dass die Klagepartei zunächst ihrer primären Darlegungslast nachgekommen ist. Dies ist eine Einzelfallentscheidung. Vorliegend hat der Kläger den Einbau eines sog. Thermofensters gerade nicht substantiiert dargelegt. Erst wenn überhaupt substantiiert dargelegt worden wäre, dass ein sog. Thermofenster tatsächlich verbaut ist, käme es auf die Frage an, ob ein Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung ist oder nicht. Soweit die Klagepartei auf ein Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts München I verweist, war der Einbau eines solchen Thermofensters im dortigen Verfahren gerade unstreitig; es handelte sich auch um einen VW Multivan und um kein Fahrzeug der Beklagten. Ebenso war im Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 17.1.2019 (Az. 23 O 178/18) entgegen der klägerischen Behauptung kein Fahrzeug der Beklagten betroffen, sondern ein Mercedes Benz E 250.
22
Im Übrigen erschöpft sich der klägerische Vortrag in weiten Teilen in pauschalen Behauptungen, ohne dass das Gericht einen konkreten Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug erkennen kann.
23
Im Ergebnis sind bei obiger Sachlage für das Gericht keinerlei belastbare Hinweise dafür erkennbar, dass das streitgegenständliche Fahrzeug von einer Abgasmanipulation betroffen ist. Unstreitig war es auch nicht von einer entsprechenden Rückrufaktion oder einem Einschreiten des KBA betroffen.
24
Mangels ausreichenden Anhaltspunkten brauchte das Gericht dem Beweisangebot des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei, nicht nachzugehen. Es ist gerade nicht die Aufgabe des Gerichts im Zivilprozess aufgrund eines vagen Verdachts einen möglichst umfassenden Beweisbeschlusses zu erlassen, damit dann gezielt nach vermeintlichen Mängeln gesucht werden kann. Bei diesem Beweisangebot handelt es sich um einen reinen Ausforschungsbeweis, der erst dazu dienen sollen, eine unsubstantiierte Klage substantiiert zu machen.
25
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es dem Kläger grundsätzlich unbenommen ist, vermutete Tatsachen vorzutragen. Bei der Annahme, eine Partei stelle willkürliche Behauptungen ins Blaue hinein auf, ist durchaus Zurückhaltung geboten. Dies findet aber dort seine Grenze, wenn für die zu beweisenden Tatsachen gar keine greifbaren Anhaltspunkte mehr erkennbar sind und die Behauptung rein willkürlich erscheint (vgl. BGH NJW-RR 2015, 829).
26
Nach Auffassung des Gerichts ist diese Klage vor dem Hintergrund des sogenannten Dieselskandals ins Blaue hinein erhoben worden.
27
Die Klage war daher abzuweisen.
28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S.2 ZPO.
Verkündet am 24.09.2020