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AG München, Endurteil v. 26.08.2020 – 122 C 1082/20
Titel:

Fahrzeug, Zahlung, Ungarn, Halter, Umsatzsteuer, Anspruch, Anlage, Zustellung, Kostenentscheidung, Verfahren, Vollstreckbarkeit, Klage, Auslagenpauschale, Maut, rechtlicher Hinweis

Schlagworte:
Fahrzeug, Zahlung, Ungarn, Halter, Umsatzsteuer, Anspruch, Anlage, Zustellung, Kostenentscheidung, Verfahren, Vollstreckbarkeit, Klage, Auslagenpauschale, Maut, rechtlicher Hinweis
Fundstelle:
BeckRS 2020, 52159

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 759,84 € sowie weitere 306,07 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 759,84 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Ersatzmaut für das Befahren des gebührenpflichtigen Autobahnnetzes in Ungarn in vier Fällen geltend.
2
Nach § 15 Abs. 1 des ungarischen Straßenverkehrsgesetz (auszugsweise in deutscher Übersetzung Anlage K1) kann der Minister in einer Verordnung den Verkehr von der Entrichtung einer Gebühr abhängig machen, wobei nach § 15 Abs. 2 des ungarischen Straßenverkehrs Gesetzes für die Entrichtung der nach § 15 Abs. 1 festgelegten Gebühr, der Nutznutzungsgebühr nach § 33/A, der Straßengebühr und der Zusatzgebühr der eingetragenen Halter des Fahrzeugs haftet, sofern von der Verordnung über die Nutzungsgebühr und im Gesetz über die Straßengebühr nicht anders festgelegt ist. Nach § 33/A Abs. 1 des ungarischen Straßenverkehrsgesetzes ist für die Nutzung der in einem separaten Gesetz festgelegten öffentlichen Landstraßen in einem bestimmten Zeitraum eine Gebühr (Nutzungsgebühr), bei nicht Entrichtung eine Zusatzgebühr zu zahlen. Auf Grundlage dieser gesetzlichen Ermächtigung ist die Verordnung des Ministers für Wirtschaft und Verkehr Nummer 36/2007 GKM über die Maut für Autobahnen, Autostraßen und Hauptstraßen (Mautverordnung) erlassen worden (in deutscher Übersetzung Anlage K2).
3
Die Klägerin beauftragte die ungarische Autobahn … in Deutschland registrierte und durch die Nachgebühr betroffene Kraftfahrzeuge bzw. deren Halter zu ermitteln und die Ersatzmaut beizutreiben.
4
Am 04.07.2017 um 10:49 Uhr befuhr das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … dessen Halterin die Beklagte ist, eine gebührenpflichtige Straße in Ungarn ohne die entsprechende Mautgebühr entrichtet zu haben. Mit Schreiben vom 08.08.2017 forderte die … die Beklagte zur Zahlung der Ersatzmaut in Höhe von 127,44 € auf (Anlage K4). Mit weiterem Mahnschreiben vom 21.10.2017 forderte die ungarische … die Beklagte zur Zahlung der erhöhten Nachgebühr in Höhe von umgerechnet 198,02 € auf, nachdem die Ersatzmaut nicht entrichtet worden war. Zudem wurden weitere Kosten in Höhe von insgesamt 88,30 € geltend gemacht, bestehend aus Bearbeitungsgebühr …, Halterauskunft, Auslagenpauschale und Umsatzsteuer (Anlage K5).
5
Am 03.01.2018 um 12:43 Uhr befuhr das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … dessen Halterin die Beklagte ist, eine gebührenpflichtige Straße in Ungarn ohne die entsprechende Maut entrichtet zu haben. Mit Schreiben vom 19.04.2018 forderte die … die Beklagte zur Zahlung der Ersatzmaut nebst angefallener Gebühren auf (Anlage K6). Nach dem keine Reaktion der Beklagten erfolgte, wurde mit weiterem Schreiben vom 09.07.2018 die erhöhte Nachgebühr in Höhe von umgerechnet 192,80 € angemahnt. Daneben wurden weitere Kosten in Höhe von insgesamt 72,59 €, bestehend aus Bearbeitungsgebühr …, Halterauskunft, Auslagenpauschale und Umsatzsteuer geltend gemacht (Anlage K7).
6
Am 03.06.2018 um 9:54 Uhr befuhr das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …, dessen Halterin die Beklagte ist, eine gebührenpflichtige Straße in Ungarn ohne die entsprechende Maut entrichtet zu haben. Mit Schreiben vom 27.06.2018 forderte die … die Beklagte zur Zahlung der Ersatzmaut nebst angefallener Gebühren auf (Anlage K8). Nachdem keine Reaktion der Beklagten erfolgte, wurde mit weiterem Mahnschreiben vom 05.09.2018 die erhöhte Nachgebühr in Höhe von umgerechnet 184,51 € angemahnt. Daneben wurden weitere Kosten in Höhe von insgesamt 72,59 € geltend gemacht, bestehend aus Bearbeitungsgebühr …, Halterauskunft, Auslagenpauschale und Umsatzsteuer.
7
Am 04.06.2018 um 9:07 Uhr befuhr das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … dessen Halterin die Beklagte ist, eine gebührenpflichtige Straße in Ungarn ohne die entsprechende Maut entrichtet zu haben. Mit Schreiben vom 27.06.2018 forderte die … die Beklagte zur Zahlung der Ersatzmaut nebst angefallener Gebühren auf (Anlage K 10). Nachdem keine Reaktion der Beklagten erfolgte, wurde mit weiterem Mahnschreiben vom 05.09.2018 die erhöhte Nachgebühr in Höhe von umgerechnet 184,51 € angemahnt. Daneben wurden weitere Kosten in Höhe von insgesamt 72,59 € geltend gemacht, bestehend aus Bearbeitungsgebühr …, Halterauskunft, Auslagenpauschale und Umsatzsteuer (Anlage K 11).
8
Die Klägerin beantragt die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 759,84 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie als Nebenforderung außergerichtliche Inkassogebühren in Höhe von 306,07 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
9
Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.
10
Die Beklagte trug vor, dass sie zwar Halterin der Fahrzeuge sei, die jeweiligen Fahrten jedoch durch den Mieter der Fahrzeuge erfolgt seien, weshalb dieser verpflichtet sei die Maut und die Nachgebühren zu zahlen. Mit der Beklagten sei kein zivilrechtlicher Vertrag zustande gekommen. Ein Anspruch auf Halterhaftung bestehe nicht.
11
Die Parteien stimmten mit Schriftsatz vom 10.07.2020 und 20.07.2020 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu, worauf hin mit Beschluss vom 21.07.2020 als Schluss der mündlichen Verhandlung der 18.08.2020 und Verkündungstermin bestimmt wurde.
12
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13
Die Klage ist zulässig.
14
Die deutschen Gerichte sind nach Artikel 1 Abs. 1, Art. 2 EuGVVO international zuständig. Der Anwendungsbereich der Verordnung ist eröffnet. Der Rechtsstreit hat eine zivilrechtliche Natur i.S.d. Art. 1 Satz 1 EuGVVO. Das Amtsgericht München ist nach Art. 4 Absatz 1 EuGVVO, §§ 12, 13 ZPO örtlich und nach Artikel 1 Satz 1 EuGW i.V.m. § 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig.
15
Für den vorliegenden Rechtsstreit ist gem. Art. 1 Abs. 1, 4 Abs. 2 Rom-I-VO das ungarische Recht maßgeblich.
16
Die Klage ist überwiegend begründet.
17
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der erhöhten Zusatzgebühr für die Fahrten am 04.07.2017, 03.01.2018, 03.06.2018 und am 04.06.2018 gemäß §§ 1, 7/A Abs. 1, 6, 7, 10 in Verbindung mit Anlage 1 zur Mautverordnung zu. Danach entsteht der Anspruch auf die erhöhte Zusatzgebühr in Höhe von 59.500 HUF, wenn 60 Tage nach Zustellung der Aufforderung zur Zahlung der Grund-Zusatzgebühr diese nicht bezahlt wurde.
18
Gemäß § 15 Abs. 2 des ungarischen Straßenverkehrsgesetzes haftet der eingetragene Halter des Fahrzeugs für die Entrichtung der Gebühr. Dem steht der odre public Vorbehalt nach Art. 21 Rom-I-VO nicht entgegen, da auch das deutsche Recht eine zivilrechtliche Halterhaftung ohne Verschulden kennt, § 7 StVG.
19
Halter der Fahrzeuge war jeweils die Beklagte, so dass diese zur Zahlung der Gebühren verpflichtet ist.
20
Die Aufforderung zur Zahlung der Grund-Zusatzgebühr erfolgte hier jeweils durch die von der Klägerin bevollmächtigte UAI GmbH mittels des ersten Schreibens mit Aufforderung zur Zahlung der Ersatzmaut, so dass jeweils nach Ablauf von 60 Tagen ein Anspruch auf die erhöhte Nachgebühr in Höhe von 59.500 HUF, umgerechnet nach dem jeweiligen Tageswechselkurs in Euro bestand. Daher bestand ein Anspruch für die Fahrt am 04.07.2017 in Höhe von 198,02 €, für die Fahrt am 03.01.2018 in Höhe von 192,80 €, für die Fahrten am 03.06.2018 und am 04.06.2018 in Höhe von jeweils 184,51 € und damit insgesamt in Höhe von 759,84 €.
21
Die Zinsforderung war abzuweisen. Die Vorschrift des § 291 BGB findet auf die Klageforderung keine Anwendung, da - wie ausgeführt - nicht deutsches, sondern ungarisches Recht anzuwenden ist. Bei § 291 BGB handelt es sich um einen materiellrechtlichen Anspruch, der lediglich durch die Rechtshängigkeit ausgelöst wird. Zum Zinsanspruch nach ungarischem Recht trägt die Klägerin nicht vor. Ein rechtlicher Hinweis war nicht veranlasst, § 139 Abs. 2 ZPO.
22
Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Inkassokosten ergibt sich aus § 7/A Abs. 7 der Mautverordnung. Danach waren die erforderlichen Kosten der Beitreibung der Gebühren durch den Beklagten zu ersetzen. Auf die Feststellung eines Verzugs der Beklagten kommt es hierbei nicht an.
23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 ZPO.