Titel:
Erwerbsminderung, Bescheid, Rente, Beschwerde, Erwerbsminderungsrente, Gutachten, Leistungen, Verwaltungsakt, Widerspruchsbescheid, Anfechtungsklage, Arbeit, Ermessen, Mitwirkung, Jobcenter, Beschluss des Landessozialgerichts, Rente wegen Erwerbsminderung, Beschwerde gegen Beschluss
Schlagworte:
Erwerbsminderung, Bescheid, Rente, Beschwerde, Erwerbsminderungsrente, Gutachten, Leistungen, Verwaltungsakt, Widerspruchsbescheid, Anfechtungsklage, Arbeit, Ermessen, Mitwirkung, Jobcenter, Beschluss des Landessozialgerichts, Rente wegen Erwerbsminderung, Beschwerde gegen Beschluss
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München vom -- – L 19 R 147/20
BSG Kassel, Beschluss vom 19.10.2021 – B 5 R 235/21 B
Fundstelle:
BeckRS 2020, 52154
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung einer Erwerbsminderungsrente wegen fehlender Mitwirkung.
2
Der 1965 geborene Kläger beantragte am 12.07.2016 formlos zum wiederholten Male die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Bereits im Antragsschreiben wies er auf eine Entscheidung des 11. Senats des LSG Schweinfurt hin. Es bestehe keine Arbeitsfähigkeit. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache in der Beratungsstelle der Beklagten in H. am 11.08.2016 wies er erneut auf die Entscheidung des Bayer. LSG hin, ihm stehe Rente wegen Erwerbsminderung zu, da er auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar sei. Im Schreiben vom 14.8.2016, eingegangen am 16.8.2016, benannte er als Aktenzeichen der Entscheidung des Bayer. LSG L 11 AS 467/15 ER. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 18.08.2016 mit, dass seine Rentenanträge vom 20.12.2009, 03.06.2010 und 11.07.2011 sowie der Überprüfungsantrag vom 11.06.2010 jeweils abgelehnt worden seien, weil er seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Insbesondere sei er der Aufforderung sich untersuchen zu lassen nicht nachgekommen. Sie forderte ihn auf, bis spätestens 16.09.2016 mitzuteilen, ob er bereit sei, seinen Mitwirkungspflichten nachzukommen. In seiner Antwort vom 23.08.2016 wies der Kläger auf die Entscheidung L 11 AS 467/15 (diesmal ohne ER) hin und teilte mit, er benötige keinen Antrag und werde keiner weiteren gutachterlichen Untersuchung Folge leisten.
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Sinngemäß ist dem Schreiben zu entnehmen, dass der Kläger davon ausgeht, dass in der genannten Entscheidung des Bayer. LSG festgelegt worden sei, dass sein Leistungsvermögen weniger als 3 Stunden täglich betrage.
4
Mit Schreiben vom 8.12.2016 bekräftigte der Kläger seinen Standpunkt bzgl. seines Leistungsvermögens und übersandte eine Kopie der Seite 1 des Urteils vom 14.12.2015 in der Streitsache L 11 AS 467/15, welcher zu entnehmen ist, dass der jetzige Kläger dort Berufungskläger war und sich Klage und Berufung gegen das Jobcenter S. gerichtet haben. Die Berufung wurde zurückgewiesen. Auf die Bitte um Angabe seiner behandelnden Ärzte und Krankenhäuser teilte der Kläger erneut mit, dass seine „Erwerbsrente“ bereits festgestellt sei und es sei „unter 3 Stunden täglich angeordnet“. Er verwies erneut auf die bereits genannte Entscheidung und nun zudem auf eine Entscheidung unter dem Az. L 11 AS 808/15 ER. Zusätzlich zur bereits vorliegenden Seite 1 der Entscheidung L 11 AS 467/15 übersandte er nunmehr Seite 4 der Entscheidung sowie Seite 3 der Entscheidung L 11 AS 808/15 ER. Der Seite 4 der Entscheidung L 11 AS 467/15 ist zu entnehmen, dass das SG die Klage gegen den Bescheid vom 5.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2014 zu Recht abgewiesen habe. Nachdem sich der EGV-VA durch Zeitablauf erledigt habe, sei die dagegen gerichtete Anfechtungsklage unzulässig geworden. Blatt 3 der Entscheidung L 11 AS 808/15 ER ist zu entnehmen, dass es sich um einen Zuständigkeitsstreit handelte. Das LSG hielt sich für funktionell unzuständig.
5
Der Kläger übersandte ferner eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit über eine Untersuchung am 2.11.2016 um 9.00 Uhr.
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Seine Rechtsauffassung bekräftigte der Kläger in der Folge in einer Reihe weiterer Schreiben, wobei er im Schreiben vom 13.03.2017 nochmals explizit mitteilte, sich auf keine weiteren Untersuchungen einzulassen.
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Die Beklagte bat sodann die Agentur für Arbeit A. um Übersendung des Gutachtens vom 2.11.2016. Diesem war zu entnehmen, dass keine Untersuchung stattgefunden hatte. Der Kläger hatte auch dort auf eine Senatsentscheidung vom 15.12.2015 verwiesen, wonach er auf dem allgem. Arbeitsmarkt nicht mehr arbeits- und vermittlungsfähig sei. Er führte aus, dass diese Senatsentscheidung unanfechtbar sei. Deswegen ließe er aktuell kein Gutachten mehr erstellen, da die Senatsentscheidung rechtsbindend sei. Eine Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers erfolgte im Gutachten vom 2.11.2016 nicht. In einem Schreiben an die Geschäftsführung der Beklagten vom 16.3.2017 teilte der Kläger erneut mit, sich nicht untersuchen lassen zu wollen. Diesem Schreiben fügte er einen Beschluss des Bundessozialgericht Az. B 14 AS 6/16 S bei, wonach die Beschwerde gegen den Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts L 11 AS 808/15 ER als unzulässig verworfen wurde, weil dessen Entscheidung unanfechtbar sei.
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In ihrem Antwortschreiben vom 7.04.2017 hierzu verwies die Beklagte im Wesentlichen erneut darauf, dass die bisherigen Rentenablehnungen darauf beruhten, dass der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Ohne Kenntnis seines Gesundheitszustandes könne nicht festgestellt werden, ob ihm die beantragte Rente wegen Erwerbsminderung zustehe. Sollte der Kläger nunmehr zu einer Untersuchung bereit sein, solle er dies der Sachbearbeitung mitteilen.
9
Mit Schreiben vom 25.4.2017 übersandte der Kläger die Seite 2 der Entscheidung S 17 AS 54/15 zur Untermauerung seines bisherigen Vorbringens. Es handelte sich hierbei um einen Teil des Tatbestandes der genannten Entscheidung, in welchem chronologisch Ausführungen zum Leistungsvermögen des Klägers dargestellt wurden. Es wurde u.a. ausgeführt, dass der Kläger nach einem Gutachten vom 9.1.2007 des ärztl. Dienstes der Agentur für Arbeit A. vom 9.1.2007 und einem Gutachten nach Aktenlage vom 25.2.2008 vollschichtig leistungsfähig unter Beachtung diverser qualitativer Leistungseinschränkungen sei. Ein aktuell eingeschränktes Leistungsvermögen war dem nicht zu entnehmen.
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Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache in der Beratungsstelle der Beklagten in H. am 15.5.2017 erklärte der Kläger sich bereit, sich einer Untersuchung zu unterziehen. Vorher wolle er allerdings das schriftliche Urteil des LSG vom 15.12.2015 - welches in Bayreuth vorliege - erhalten und die Übernahme der Taxikosten zur Untersuchung. Handschriftlich ergänzte der Kläger die Gesprächsnotiz um einen Zusatz, wonach er die Berücksichtigung des Urteils im Rentenverfahren begehre.
11
Er übersandte in der Folge einen Entlassungsbericht der Klinik B. über einen stationären Aufenthalt v. 3.5.2017 bis 6.5.2017, welcher als Diagnosen immobilisierende Schmerzen Hüfte rechts (Hüftdysplasie), deutliche Beinverkürzung um 3 cm und Z.n. Poliomyelitis auswies.
12
Die Beklagte zog in der Folge einen Befundbericht des Dr. D. sowie die Schwerbehindertenakte der Stadt C., Abteilung Soziale Leistungen, und ein Forensischpsychiatrisches Gutachten des Dr. W. - erstellt im Auftrag des Amtsgerichts E. - vom 19.10.2015 bei. Das Gutachten Dr. W. nahm zur Frage der Schuldfähigkeit Stellung. Bei der Frage der Erfolgsaussicht führte der Sachverständige aus, dass sich eine Zielsetzung für die im Maßregelvollzug klassischerweise eintretende Resozialisierungsphase schwer ausmachen ließe. Der Kläger sei objektiv körperlich schwer beeinträchtigt und offensichtlich auch in einem erheblichen Grad als schwerbehindert eingestuft, eine Reintegration im Arbeitsmarkt sei nicht zu erwarten.
13
Am 9.6.2017 zeigte sich Rechtsanwalt F. als Bevollmächtigter des Klägers an.
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Der ärztliche Dienst der Beklagten hielt eine psychiatrische Begutachtung für erforderlich und beauftragte Dr. M. mit der Erstellung eines Gutachtens. Der Kläger wurde über die Notwendigkeit der Begutachtung mit Schreiben vom 16.6.2017 informiert. Am 19.6.2017 teilte der Kläger telefonisch mit, dass er nicht zur Untersuchung komme, alles Weitere über seinen Rechtsanwalt. Schriftlich verwies er im Wesentlichen erneut auf seine Rechtsauffassung, wonach sein Leistungsvermögen mit weniger als 3 Stunden täglich bereits „verabschiedet“ worden sei. Er teilte mit, er entziehe den Ärzten der Norddeutschen Rentengesellschaft jede Begutachtung. Er weise jede weitere Begutachtung zurück.
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Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache in der Beratungsstelle der Beklagten in H. am 19.6.2017 stellte der Kläger nochmals seine Rechtsauffassung dar und teilte mit, dass er an einer weiteren Untersuchung kein Interesse habe und diese nicht erforderlich sei. In einem weiteren Schreiben vom 20.6.2017 führte er u.a. aus, dass der ärztliche Dienst keine Berechtigung habe eine Begutachtung zu vollziehen. Die Anordnung „unter 3 Stunden“ sei nicht angreifbar.
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Mit Bescheid vom 16.6.2017, eingegangen beim Bevollmächtigten des Klägers am 21.6.2017, lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers vom 12.7.2016 mangels Mitwirkung ab. Der Kläger habe den Formblattantrag nicht übersandt. Mit Schreiben vom 2.3.2017 sei er auf die Folgen fehlender Mitwirkung hingewiesen worden. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
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Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erließ die Beklagte am 8.8.2017 einen neuen Bescheid, mit welchem Sie den Bescheid vom 16.6.2017 aufhob und gleichzeitig den Rentenantrag vom 12.7.2016 bis zur Nachholung der Mitwirkung nach § 66 SGB I versagte. Der Kläger sei mehrmals auf die Notwendigkeit der Mitwirkung, vor allem der ärztlichen Untersuchung hingewiesen worden. So unter anderem im Schreiben vom 18.8.2016, 2.3.2017 und 7.4.2017. Nach Aussage des Ärztlichen Dienstes reichten die vorliegenden Unterlagen für eine Entscheidung nicht aus. Eine Untersuchung sei zwingend erforderlich. Sie habe ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass die Rente versagt werde, da keine Gesichtspunkte erkennbar seien, die ein weiteres Zuwarten angebracht erscheinen lassen. Insbesondere sei relevant gewesen, dass der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung und Fahrtkostenübernahme nicht zu einer Untersuchung erschienen sei.
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Die in der Folge vom Kläger übersandten Schreiben vom 8.8.2017 und 12.9.2017 wertete die Beklagte als Widerspruch gegen den Bescheid vom 8.8.2017 und bat den Bevollmächtigten des Klägers am 5.10.2017 um Abgabe einer Widerspruchsbegründung.
19
Daraufhin teilte der Kläger am 17.10.2017 telefonisch mit, dass er die Beklagte verklage. Er habe ein rechtskräftiges Urteil in Händen, dass ihm die Rente zustehe. Telefonisch erklärte der Kläger am 16.10.2017 dass er weiterhin nicht zu einer Begutachtung kommen werde. Es läge ein Gutachten von Ende 2016 im Auftrag des Jobcenters oder des Versorgungsamtes vor, welches eine Leistungsfähigkeit unter 3 Stunden ausweise. Er werde dieses Gutachten aber keinesfalls dem Rentenversicherungsträger zur Verfügung stellen. Er wies erneut darauf hin, dass seine Rente bereits durch das LSG/BSG genehmigt sei.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2017 wies die Beklagte den erhobenen Rechtsbehelf unter Hinweis auf die bestehenden Mitwirkungspflichten zurück. Zum Ermessen führte sie aus, dass im Hinblick auf die im Raum stehende Bezugsdauer der beantragten Sozialleistung auch unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände des Einzelfalles die Versagung der Leistung ermessensfehlerfrei sei. Das Vorliegen von Erwerbsminderung könne als anspruchsbegründende Tatsache grundsätzlich nur durch eine medizinische Untersuchung festgestellt werden. Eine Versagung bis zur Nachholung der Mitwirkungshandlung sei für den Kläger günstiger als eine vollständige Ablehnung des Anspruchs wegen Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen.
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Hiergegen erhob der Kläger am 29.1.2018 Klage zum Sozialgericht Bayreuth. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen sinngemäß darauf, dass sein Leistungsvermögen bereits auf unter 3 Stunden täglich festgelegt sei. Eine gesetzliche Anordnung sei in der Entscheidung im Verfahren L 11 AS 467/15 auf Seite 4 „aufgeführt“ worden. Er verwies auf die Entscheidungen L 11 AS 466/15, S 17 AS 54/15, L 11 AS 467/15 und S 17 AS 54/15.
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Einer mehrfachen Aufforderung zur Abgabe einer Einverständniserklärung zur Beiziehung der benannten Akten kam der Kläger nicht nach. Der Kläger hatte zwar die mit der Eingangsbestätigung übersandte Einverständniserklärung - welche unter anderem auch die Beiziehung sämtlicher Klageakten aller sozialgerichtlicher Verfahren beinhaltete - am 7.2.2018 unterschrieben und zurückgesandt, jedoch bereits mit Telefax vom 27.3.2018 eine Sachverhaltsklärung abgelehnt und mit Schreiben vom 9.4.2018 mitgeteilt, dass es keiner weiteren Ermittlungen bedürfe. Der Kläger wollte damit offensichtlich an der erteilten Einverständniserklärung im erklärten Umfang nicht mehr festhalten.
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Im Schreiben vom 21.04.2018 benannte er die Entscheidungen L 11 AS 466/15, S 17AS 54/15 und L 11AS 467/15. Mit Schreiben vom 7.5.2018 wurde der Kläger aufgefordert die vollständige LSG-Entscheidung, auf welche er sich berufe sowie das Aktenzeichen bekanntzugeben. Am 28.5.2018 wurde nochmals um Übersendung des Urteils ersatzweise um Abgabe einer Einverständniserklärung zur Beiziehung gebeten.
24
Erneut mit Schreiben vom 26.6.2018 wurde der Kläger um Angabe der Entscheidung auf welcher er sein Begehren stütze sowie um sein Einverständnis mit der Beiziehung gebeten. Mit Schreiben eingegangen am 7.8.2018 wurde dem Gericht ein Schreiben des Klägers an seinen Bevollmächtigten übersandt, welches in der Frage der Beiziehung der in Frage kommenden Entscheidungen nicht eindeutig war. Daraufhin wurde der Bevollmächtigte des Klägers nochmals mit Schreiben vom 16.08.2018 aufgefordert zu erklären, ob sein Mandant nunmehr mit der Beiziehung der Akten der genannten Entscheidungen einverstanden sei. Eine Einverständniserklärung ging nachfolgend bei Gericht nicht ein.
25
Der Kläger erklärte nachfolgend mehrfach mit einer Beiziehung nicht einverstanden zu sein, so z.B. Bl. 254, 258, 261, 270, 288, 291 der Klageakte.
26
Nachdem der Schriftsatz des Klägers vom 20.3.2019 im Hinblick auf die Beiziehung der Akten L 11 AS 466/15 und L 11 AS 808/15 ER nicht eindeutig war, wurde der Kläger mit Schreiben vom 26.03.2019 nochmals gebeten zu erklären, ob er nunmehr mit der Beiziehung und Verwertung der genannten Urteile nebst Akten einverstanden sei. Dem Antwortschreiben des Klägers eingegangen am 1.4.2019 konnte entnommen werden, dass der Kläger mit der Beiziehung nicht einverstanden ist.
27
Zu einem angesetzten Erörterungstermin am 26.2.2019 erklärte der Kläger, der sich zwischenzeitlich in JVA G. in Haft befand, nicht zu erscheinen. Der Termin wurde daraufhin abgesetzt.
28
Die Beklagte übersandte am 19.11.2019 eine Beratungsniederschrift über ein Gespräch des Klägers in der Beratungsstelle H. am 6.11.2019, worin der Kläger erneut ausdrücklich erklärte, sich nicht untersuchen lassen zu wollen.
29
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 16.6.2017 in der Fassung des Bescheides vom 8.8.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2017 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung einer Erwerbsminderungsrente zu verurteilen.
30
Die Beklagte beantragt,
31
Beigezogen waren die Versichertenakte der Beklagten den Kläger betreffend. Hierauf und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
32
Soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung begehrt, ist die Klage unzulässig. Nach § 54 Abs. 4 SGG kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsaktes gleichzeitig die Leistung verlangt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Dies setzt eine Entscheidung der Beklagten über die begehrte Leistung voraus, also, dass die Beklagte gerade über die materiellen Voraussetzungen des Anspruchs entschieden hat.
33
Vorliegend hat die Beklagte die begehrte Rente indessen nur bis zur Nachholung der Mitwirkung versagt. Gegen einen solchen Versagungsbescheid ist grundsätzlich nur die (isolierte) Anfechtungsklage eröffnet, vgl. BSG B 1 KR 4/02 R, B 4 AS 78/08 R, Bay. LSG L 18 SO 38/18 und L 19 R 550/16.
34
Die Anfechtungsklage, deren Streitgegenstand vorliegend ausschließlich die Frage ist, ob die Beklagte die begehrte Rente wegen Erwerbsminderung zurecht wegen fehlender Mitwirkung vorläufig versagt hat, ist unbegründet.
35
Nach § 62 SGB I hat sich ein Antragsteller auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen zu unterziehen, soweit diese für die Entscheidung der Leistung erforderlich sind.
36
Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung setzt unter anderem voraus, dass der Versicherte erwerbsgemindert ist. Zur Prüfung dieser medizinischen Voraussetzung ist die Ermittlung des aktuellen Leistungsvermögens des Antragstellers erforderlich. Die Beklagte durfte daher zu Recht die Mitwirkung des Klägers an einer ärztlichen Untersuchung einfordern.
37
Diese war auch nicht entbehrlich, weil - wie der Kläger vorträgt - bereits rechtsverbindlich die Feststellung getroffen worden sei, er sei nur unter 3 Stunden täglich einsatzfähig. Die hierzu vom Kläger angeführten Entscheidungen der Sozialgerichtsbarkeit konnten vom Gericht mangels Einverständniserklärung des Klägers nicht beigezogen werden. Die überlassenen Fragmente der Entscheidungen L AS 467/15 (Seite 1 und 4) und L 808/15 ER (Seite 4) sowie S 17 AS 54/15 (Seite 2) enthalten keine Aussage zu einem aktuellen Leistungsvermögen von weniger als 3 Stunden täglich. Im Verfahren L 11 AS 467/15 - erstinstanzlich S 17 AS 54/15 - T. gegen Jobcenter S. wurde - soweit ersichtlich - ausgeführt, dass das SG die Klage gegen den Bescheid vom 5.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2014 zu Recht abgewiesen habe. Nachdem sich der EGVVA durch Zeitablauf erledigt habe - der Geltungszeitraum endete am 9.5.2015 - sei die dagegen gerichtete Anfechtungsklage unzulässig geworden. Eine Umstellung der Klage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage habe der Kläger nicht vorgenommen. Einer solchen Klage würde zudem ein berechtigtes Feststellungsinteresse fehlen. Der Beklagte habe keine Sanktion aus dem EGV-VA festgestellt. Da unklar sei, ob der Kläger aktuell überhaupt noch Leistungen vom Beklagten beziehe, erscheine auch keine Wiederholungsgefahr hinreichend wahrscheinlich. Zudem wäre jeweils der aktuelle Gesundheitszustand des Klägers im Gültigkeitszeitraum einer EGV zu beachten, sodass nicht erkennbar sei, dass eine gleiche Ausgangslage nochmals gegeben sein könnte.
38
Die überlassene Seite 2 der Entscheidung des SG Bayreuth S 17 AS 54/16 wies ebenfalls keine aktuelle Einschätzung des klägerischen Leistungsvermögens aus, schon gar nicht lässt sich dieser ein unter 3-stündiges Leistungsvermögen täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entnehmen.
39
Bei der Entscheidung L 11 AS 808/15 ER handelt es sich soweit erkennbar um ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz, welches an das örtlich zuständige Sozialgericht Bayreuth verwiesen wurde. Auch dieser überlassenen Seite konnte keine aktuelle Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers entnommen werden.
40
Überdies handelt es sich bei allen vom Kläger genannten Entscheidungen um solche des Rechtsgebiets AS und richteten sich damit wohl gegen einen Leistungsträger nach dem SGB II.
41
So weist das Verfahren L 11 AS 467/15 das Jobcenter S. als Beklagten aus. Es ist daher schon fraglich, ob die vom Kläger angeführten Entscheidungen, so sie denn überhaupt die Frage seines Leistungsvermögens betreffen, der Beklagten gegenüber Bindungswirkung entfalten können.
42
Nach § 141 SGG binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Beteiligte am Verfahren sind nach § 69 SGG der Kläger, der Beklagte und ggf. der Beigeladene.
43
Die Beteiligten in den übrigen vom Kläger angeführten Entscheidungen sind dem Gericht nicht bekannt. Mit einer Beiziehung war der Kläger nicht einverstanden. Es finden sich auch keine Anhaltspunkte, dass die Beklagte zu den dortigen Verfahren beigeladen war, zumal sich hierfür auch keinerlei Hinweise in der Akte der Beklagten finden und die Beklagte auch nichts hierzu vorgetragen hat.
44
Es besteht auch keine Tatbestandswirkung dergestalt, dass die Beklagte an die Entscheidung eines Sozialleistungsträgers, dessen Zuständigkeit nicht die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente i.S.d. SGB VI beinhaltet, gebunden ist (so im Ergebnis BayLSG L 19 RJ 426/00 vom 1.8.2001).
45
Nach § 66 Abs. 3 SGB I dürfen Leistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt werden, wenn der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
46
Es kann dahinstehen ob die Schreiben der Beklagten vom 18.8.2016, 2.3.2017 und 7.4.2017 diesen Anforderungen genügen. Ein schriftlicher Hinweis enthält vor allem eine Appellfunktion und ist deshalb entbehrlich, wenn der Leistungsträger aufgrund eindeutigen Verhaltens des Betroffenen davon ausgehen durfte, dass sich dieser der Folgen seiner Pflichtverletzung konkret bewusst ist (vgl. Bay. LSG L 19 R 550/16, LSG B-B L 4 R 219/10 und BSG 11 BA 129/78).
47
Die Rentenanträge des Klägers aus dem Jahr 2009, 2010 und 2011 waren nach Angabe der Beklagten bereits mangels Mitwirkung abgelehnt worden. Die Rechtsfolgen mangelnder Mitwirkung waren ihm daher bekannt. Zudem hat der Kläger mehrfach gegenüber der Beklagten seine Weigerung sich untersuchen zu lassen mitgeteilt, zuletzt nach eingeleiteter Begutachtung durch Dr. M.. Die Beklagte durfte daher zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung davon ausgehen, dass ein Hinweis ohnehin ins Leere gehen würde. Dies bestätigt auch das vom Kläger im Klageverfahren gezeigte Verhalten. Es wird insoweit Bezug genommen auf die im Tatbestand aufgezeigten Äußerungen und Darlegungen des Klägers, wonach dieser eine ärztliche Begutachtung ablehnt, weil er davon ausgeht, dass das Vorliegen einer zeitlichen Limitierung seines Leistungsvermögens bereits festgestellt ist und die Beklagte hieran gebunden ist. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen verwiesen.
48
Das nach § 66 Abs. 1 SGB I grundsätzlich eröffnete Ermessen der Beklagten hat diese sachgerecht ausgeübt. Ein bedeutsamer Mangel oder Fehlgebrauch des Ermessens durch die Beklagte ist nicht erkennbar.
49
Der angefochtene Bescheid ist daher rechtmäßig und die Klage war abzuweisen.
50
Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid war nach § 106 SGG möglich. Die Beteiligten wurden vorab auf die beabsichtigte Form der Entscheidung hingewiesen.
51
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.