Inhalt

LSG München, Urteil v. 29.01.2020 – L 3 U 367/18
Titel:

Unverwertbare Beweismittel, Verstoß gegen Arbeitsschutzvorschriften, Arbeitsgerichtsverfahren, unverwertbare Gutachten, Finanzgerichtsverfahren, Rechtsprechung des BSG, Neurologisch-psychiatrisches Gutachten, Beweisverwertungsverbot, Selbstständige Tätigkeit, Unerlässlichkeit, Widerspruchsbescheid, Versicherungsfall, Kombinierte Persönlichkeitsstörung, Verletztenrente, Gutachten nach Aktenlage, Nervenärztliche Gutachten, Weiteres Gutachten, Unzulässige Beweismittel, Akteneinsicht, Produkthaftung

Schlagworte:
Berufungszulässigkeit, Klagezulässigkeit, Klageänderung, Unfallfolgen, Bindungswirkung, Kausalität, Beweismaßstab, Arbeitsunfall, Anpassungsstörung, Persönlichkeitsstörung, Kausalitätsbegutachtung, Psychosoziale Belastungsfaktoren
Vorinstanz:
SG Regensburg, Urteil vom 26.09.2018 – S 1 U 270/16
Rechtsmittelinstanz:
BSG Kassel, Beschluss vom 27.10.2021 – B 2 U 43/20 B
Fundstelle:
BeckRS 2020, 52152

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26. September 2018 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall vom 12.10.2011.
2
Der 1965 geborene Kläger zeigte gegenüber der Beklagten am 10.12.2011 per E-Mail einen Arbeitsunfall vom 12.10.2011 an. Beim Erstellen der Gefährdungsanalyse für eine Maschine, bei der es am 07.10.2011 zum Brand von Werkstücken sowie der Handschuhe der Löschhelfer gekommen sei, habe er in der Analyse auch das Vorgehen beim Löschen beschrieben. Herr … (sein Chef) und Herr … (ein Kollege) hätten ihn darauf angeschrien, diese Passage sofort zu löschen; Herr … habe nach ihm getreten, statt des linken Oberschenkels aber die Kante des Bürostuhls getroffen. Er sei daraufhin aufgestanden und habe den Arbeitsplatz verlassen. In einer Strafanzeige gegen Herrn … vom 14.10.2011 gab der Kläger im Einzelnen an, Herr … habe auch geschrien, er bringe ihn um, wenn etwas auf ihn zukomme. Nach dem Tritt sei er aufgestanden, habe gesagt „ich gehe jetzt“, seine Tasche und Jacke genommen und sei gegangen. Hr. … hatte als Zeuge in der Aussage bei der Polizei den Tritt gegen den Stuhl des Klägers bestätigt, nicht aber einen Ausspruch des Herrn …dass er den Kläger umbringen werde. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Firma … wurde nach einem arbeitsgerichtlichen Verfahren zum 30.11.2011 aufgelöst.
3
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. xxx teilte mit Befundbericht vom 09.01.2012 mit, der Kläger habe sich am 13.10.2011 erstmals bei ihm vorgestellt und vorgetragen, er werde durch Hr. … „fertig gemacht“; dieser schlage ihn und werfe Gegenstände nach ihm. Durch die Gesamtproblematik habe er zunehmend panikartige Ängste, Unruhezustände, Selbstzweifel, Minderwertigkeitsgefühle, Gedankenkreisen. Diagnostiziert habe er eine akute Belastungsreaktion (ICD-10 F 43.0). Der Neurologe und Psychiater Dr. xxx teilte mit (25.01.2012), der Kläger habe ihn am 23.11.2011 erstmals aufgesucht und innere Anspannung, vegetative Beschwerden, Gedankenkreisen sowie Schlafstörung vorgebracht. Der Kläger habe Probleme, sich von dem Ereignis und dem subjektiv ungerechten Verhalten zu distanzieren. Diagnostiziert wurde zunächst eine Anpassungsstörung (F 43.2), später auch eine anankastische Persönlichkeitsstörung (F 60.5).
4
Im Rahmen eines gegen die Anerkennung der Arbeitsunfähigkeit durch die AOK nur bis 15.01.2012 laufenden Gerichtsverfahrens beim Sozialgericht Regensburg (S 2 KR 92/12) wurde ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten der xxx vom 04.06.2012 eingeholt. Diese diagnostizierte eine Persönlichkeitsstörung mit zwanghaftselbstunsicheren Zügen (F 60.5), eine länger dauernde depressive Anpassungsstörung (F 43.2) und Tinnitus. Ab 13.10.2011 hätten quantitative und qualitative Einschränkungen, ab 16.01.2012 nur noch qualitative Leistungseinschränkungen der geistig-psychischen Belastbarkeit bestanden.
5
Eine Übersicht der AOK über Arbeitsunfähigkeitszeiten ergab keine relevante Vorerkrankung für die Mitgliedschaft seit 20.09.2010. Herr … teilte am 26.03.2012 der Beklagten telefonisch mit, der Kläger sei zuvor bei Opel beschäftigt gewesen, wo ein mehrjähriges Klageverfahren gelaufen sei, und habe schon lange vor seiner Tätigkeit bei der Firma … psychische Probleme gehabt; er könne keine Gedanken zu Ende bringen. Die Beklagte vermerkte dies in der Akte.
6
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27.07.2012 einen Versicherungsfall ab. Die psychische Belastung sei als Endglied einer Kette von alltäglichen Ereignissen anzusehen, die allmählich eingewirkt hätten, ohne dass einem die Bedeutung eines Arbeitsunfalls beigemessen werden könne. Im Widerspruch dagegen führte der Kläger u.a. aus, der Chef habe gedroht, mit dem PC oder mit auf dem Tisch herumliegenden Eisenteilen zu werfen und dazu ausgeholt, ihn zu ohrfeigen. Nur durch plötzliches Aufstehen habe er aus der Kammer fliehen können. Die Äußerung, er habe zuvor psychische Probleme gehabt, sei aus der Luft gegriffen. Das Fehlen einer Lösung und die Angst, was der ehemalige Arbeitgeber noch im Schilde führe, beschäftige ihn weiter. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2013 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
7
Dagegen richtete sich das Klageverfahren S 5 U 108/13 beim Sozialgericht Regensburg. Dieses holte einen Befundbericht des xxx ein, wonach der Kläger damals angegeben habe, er sei von seinem Chef gemobbt worden; dadurch sei es zu zunehmenden Depressionen, Ängsten, sozialem Rückzug, Grübeltendenzen, Verzweiflung und innerer Unruhe gekommen. Laut Befundbericht des xxx vom 17.07.2013 hatte er eine anankastische Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F 60.5) und Anpassungsstörungen (ICD-10 F 43.2) diagnostiziert. Im Verlauf der Erkrankung sei es trotz einer stationären psychosomatischen Rehabilitation vom 11.09. bis 30.10.2012 zu einer Generalisierung und leichten Verschlechterung der Beschwerden gekommen. Laut Abschlussbericht der Reha- Maßnahme der Deutschen Rentenversicherung wurden damals eine mittelgradige depressive Episode (F 32.1), eine Panikstörung (F 41) und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (anankastisch-ängstlich; F 61) diagnostiziert. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Herr xxx bescheinigte eine Vorstellung des Klägers am 11.09.2013; er habe eine posttraumatische Belastungsreaktion festgestellt.
8
Das Sozialgericht Regensburg holte ein nervenärztliches Gutachten des xxx vom 02.12.2013 ein. Dieser diagnostizierte auf Basis einer ambulanten Untersuchung am 18.11.2013 sowie der vorliegenden Akten eine akute Belastungsreaktion infolge des Arbeitsunfalls für die Dauer von maximal einer Woche sowie eine nicht unfallbedingte länger andauernde Anpassungsstörung auf dem Boden einer unfallfremden kombinierten Persönlichkeitsstörung (F 43.21, F 61). Die diagnostischen Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), speziell ein schwerwiegendes auslösendes Trauma, und der typische Verlauf seien nicht erfüllt. Eine akute Reaktion auf das übergriffige Verhalten durch den Vorgesetzten sei nachvollziehbar und auch durch den Nervenarzt xxx dokumentiert. Es handelt sich dabei um eine psychische Traumatisierung mit akuter Belastungsreaktion, die maximal 4 Wochen andauere. Die weitere Symptomatik sei unfällunabhängig und liege in der Persönlichkeitsstruktur des Klägers im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit in der Firma …begründet. Die Aktennotiz vom 26.03.2012 wird im Gutachten nicht erwähnt. Der Kläger verwies demgegenüber darauf, dass es durch das Unfallereignis zu einer extremen Belastung gekommen sei, der er nicht habe ausweichen können und bei der er sich gefühlt habe, als wenn er Todesangst bekommen würde („Engel fliegen“). Er legte ein Attest des Psychotherapeuten Hr. xxx vom 11.07.2014 vor, welcher eine PTBS und eine rezidivierende schwere depressive Episode diagnostizierte.
9
Mit Gerichtsbescheid vom 08.09.2014 wurde festgestellt, dass das Ereignis vom 12.10.2011 einen Arbeitsunfall darstelle und die Klage im. Übrigen als unzulässig abgewiesen. Im dagegen gerichteten Berufungsverfahren des Klägers (L 2 U 421/14) trug dieser vor, entgegen der falschen Angabe seines Arbeitgebers habe er keine psychische Vorerkrankung gehabt; die Beklagte hätte angesichts der falschen Aussage des Hr. … selbst zu Vorerkrankungen ermitteln müssen. Dr. xxx habe auch nicht seine Angabe zum „Engerl fliegen“ berücksichtigt. Dr. xxx habe kein Verständnis für Produkthaftung und seine Ausführungen dazu als Weitschweifigkeit abgetan. Er habe die Maschine konstruiert; Produkthaftung ende erst mit der Verschrottung. Die Berufung wurde am 06.04.2016 zurückgenommen.
10
Mit Bescheid vom 18.03.2016 wurde ein Anspruch auf Verletztenrente nach dem Arbeitsunfall vom 12.10.2011 abgelehnt. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit wurden bis zum 18.10.2011 anerkannt. Die durch den Arbeitsunfall hervorgerufene akute Belastungsreaktion sei folgenlos ausgeheilt. Unfallunabhängig bestünde eine länger andauernde Anpassungsstörung aufgrund einer kombinierten Persönlichkeitsstörung. Zur Begründung wurde auf das Gutachten des xxx Bezug genommen. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und beantragte, den Wahrheitsgehalt der Aussage des Herrn … im Telefonat vom 26.03.2012 genauestens zu überprüfen, sonst sei die Aussage in der Akte als falsch zu kennzeichnen. Vorgelegt wurden ein Bericht des Bezirksklinikums Regensburg über eine teilstationäre Behandlung vom 30.06. bis 21.11.2014 mit den Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung (F43.1), mittelgradige depressive Episode (F 32.1) kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen (F 61) und ein Bericht des Neurologen Dr. xxx vom 13.06.2016, welcher den Kläger unter den Diagnosen Anpassungsstörung und V.a. schizoaffektive Störung behandelt hatte. Mit weiterem Schreiben vom 27.05. und 31.08.2016 trug der Kläger vor, Dr. xxx habe nicht die geeigneten Testverfahren zur Diagnose einer PTBS verwendet. Er verwies auf die Aufsichtspflicht der Beklagten über Unternehmen, auf die hier verletzte Pflicht zur Unfallanzeige, auf das Produkthaftungsgesetz und die EG-Produkthaftungsrichtlinie sowie seine Pflicht als Arbeitnehmer, gegen rechtswidrige Weisungen des Arbeitgebers Widerspruch zu erheben. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2016 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe nicht. Bezug genommen wurde auf die Einschätzung des Dr. xxx, die Feststellungen in der Reha-Klinik in Bad Kissingen sowie den Bericht des Dr. xxx.
11
Dagegen richtete sich die am 11.11.2016 beim Sozialgericht Regensburg erhobene Klage auf Verletztenrente. Der Kläger trug vor, Herr … habe seine Aussage über den Vorschaden, auf welcher der streitige Widerspruchsbescheid beruhe, mittlerweile zurückgenommen. Vorgelegt wurde das Protokoll einer arbeitsgerichtlichen Verhandlung vom 01.04.2015. Mit seiner konsequenten Einstellung zum Unfallschutz habe er bei seinem Geschäftsführer großes Missfallen erregt, welches dieser durch die Tätlichkeit 12.10.2011 zum Ausdruck gebracht habe. Die Beklagte ignoriere die drohenden Konsequenzen aus der Brandgefahr, Produkthaftung und der Absturzsicherung für den Arbeitnehmer.
12
Das Sozialgericht Regensburg hat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens des Dr. xxx vom 21.03.2017. Dieser führte aus, diagnostisch lägen beim Kläger ein Zustand nach akuter Belastungsreaktion durch das Ereignis vom 12.10.2011, eine Anpassungsstörung sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften, selbstunsicheren, narzisstischen und sensitiven Zügen vor. Durch das Ereignis vom 12.10.2011 sei es beim Kläger zu einer länger andauernden Anpassungsstörung auf der Grundlage der kombinierten Persönlichkeitsstörung gekommen, die mittlerweile wieder abgeklungen sei. Die nunmehr angegebenen Symptome wie Albträume, Konzentrations- und Merkfähigkeitsbeeinträchtigung, Verlieren des roten Fadens, Schreckhaftigkeit und Triggerungen seien auf die kombinierte Personlichkeitsstörung zurückzuführen und nicht unfallursächlich. Die Persönlichkeitsstörung sei mäßig ausgeprägt und entwicklungsbedingt. Die Symptomatik einer vorübergehenden Belastungsreaktion auf das Unfallereignis sei ausreichend dokumentiert; diese sei abgeklungen. Nur in der ersten Woche nach dem Unfallereignis sei eine MdE von 30 vH anzunehmen, danach sei die MdE wie auch jetzt mit unter 10 vH zu bewerten. Die Aktennotiz vom 26.03.2012 wird nicht erwähnt.
13
Der Kläger trug dazu vor, eine Anpassungsstörung mit qualitativen Einschränkungen bestehe gemäß dem Gutachten der Dr. xxx seit dem 16.01.2012 und nach wie vor. Dazu legte er einen Widerspruchsbescheid der DRV vom 24.01.2017 vor, wonach seit dem 16.12.2014 volle Erwerbsminderung bestehe. Der dissoziative Aspekt des „Engerlfliegens“ sei nicht berücksichtigt. Dr. xxx sei durch die Gesprächsnotiz vom 26.03.2012 falsch informiert gewesen und habe ihm gegenüber eine negative Grundhaltung gehabt.
14
Auf Antrag des Klägers wurde ein Gutachten des Dr. xxx vom 11.12.2017 eingeholt. Dieser kam auf Basis einer ambulanten Untersuchung zu dem Ergebnis, unfallbedingt habe sich die Symptomatik einer akuten Belastungsreaktion entwickelt, die nach Ablauf einiger Tage (bis Wochen) rückbildungsfähig sei. Die nachfolgende bzw. persistierende Beschwerdesymptomatik sei als kombinierte Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften und unsicheren Anteilen (F61.0) sowie als Anpassungsstörung in Form einer posttraumatischen Verbitterungsstörung (ICD 11 F43.2) zu beschreiben und nicht unfallbedingt. Auf Basis der aktuellen Beschwerdepräsentation sowie des klinischen Erscheinungsbildes entstehe in Übereinstimmung mit den ärztlichen Vorbefunden das Bild einer zwanghaften (anankastischen) Persönlichkeitsstörung mit deutlichen Zeichen einer ängstlichen und selbstunsicheren Persönlichkeit. Das vom Kläger geschilderte Ereignis entspreche nicht dem A-Kriterium, wie es die ICD 10 für die Diagnose einer PTBS fordere. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass es bereits vor dem Arbeitsunfall anhaltende berufliche und persönliche Konflikterfahrungen zwischen dem Kläger und seinem Chef gegeben habe. Die Zuspitzung des Arbeitskonfliktes stelle aber eine erhebliche Belastungserfahrung da, auf die der Kläger auf dem Boden der vorbestehenden zwanghaften Persönlichkeitsstörung bis heute reagiere. Der Kläger erfülle insoweit die Kriterien einer posttraumatischen Verbitterungsstörung. Die Aktennotiz vom 26.03.2012 wurde auch hier nicht erwähnt.
15
Der Kläger rügte daraufhin, dass die Aktennotiz vom 26.03.2012 entgegen der Auskunft der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit nicht gelöscht worden sei. Dazu legte er ein Schreiben der Bundesbeauftragten vom 05.10.2017 vor, die ausführte, das „Anhören“ einer telefonischen Mitteilung sei unzweifelhaft als Datenerhebung zu beurteilen, die hier nicht erforderlich und damit unzulässig gewesen sei. Die Notiz sei daher nach § 84 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) zu löschen. Da der Inhalt herabsetzenden Charakter habe, sei das Persönlichkeitsrecht verletzt; eine Abwägung mit dem Grundsatz der Vollständigkeit der Verwaltungsakte falle deutlich zugunsten des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus. Der Kläger trug weiter vor, es fehle eine vollständige Gefährdungsbeurteilung seines Arbeitsplatzes in den Akten der Beklagten. Er legte ein fachärztlich-psychiatrisches Attest des Bezirksklinikums Regensburg vom 16.07.2018 vor. Dort wird ausgeführt, gewissenhafte, penible Züge vor 2011 hätten allenfalls das Ausmaß einer anankastischen Persönlichkeitsakzentuierung angenommen, erfüllten bei weitem nicht die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung und erklärten mitnichten die aktuelle Beschwerdeproblematik wie Panikattacken, Flashbacks, Albträume, Hyperarousal. Diagnostiziert wurden u.a. eine PTBS und eine rezidivierende depressive Störung mit mittelgradiger Ausprägung.
16
Mit Urteil vom 26.09.2018 wurde die Klage auf Verletztenrente abgewiesen. Eine PTBS liege nicht im Vollbeweis vor; es fehle bereits des A-Kriterium, welches das Gericht ohne gesonderte medizinische Sachkunde bewerten könne. Die vorliegende seelische Erkrankung sei in ihrer Dauer und Hartnäckigkeit trotz sofortiger adäquater Therapie nur durch die entsprechende Persönlichkeitsstruktur des Klägers erklärbar. Der vom Kläger geltend gemachte Datenschutzverstoß durch die Beklagte habe keinen Einfluss auf die Sachaufklärung oder die Entscheidungsfindung des Gerichts. Auch eine Fernwirkung in Bezug auf die Verwertung der Sachverständigengutachten sei nicht ersichtlich, da die Stellungnahme über den Gesundheitszustand des Klägers von einem medizinischen Laien gekommen und von keinem der Gutachter thematisiert oder gar erwähnt worden sei.
17
Gegen das am 11.10.2018 zugestellte Urteil richtet sich die vorliegende Berufung vom 12.11.2018. Der Kläger macht geltend, sein Recht auf rechtliches Gehör sei verletzt worden. Das A-Kriterium der PTBS sei erfüllt. Dr. xxx habe nicht darüber informiert, dass sich eine PTBS aus einer akuten Belastungsstörung entwickeln könne. Der Kläger beantragt mit Schriftsatz vom 04.12.2018 Akteneinsicht, welche nach Vorlage der Akten mit Schreiben vom 21.02.2019 genehmigt wird. Mit Schreiben vom 02.07.2019 wird der Kläger im Hinblick auf die bis dato nicht erfolgte Akteneinsicht sowie das Fehlen des angekündigten weiteren Vortrags auf § 106a Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie § 156 Abs. 2 SGG hingewiesen. Der Kläger trägt daraufhin nochmals zur Absturzsicherung am 10.10.2011 vor. Das erstinstanzliche Urteil wiederhole nur Dr. xxx fehlerhafte Zusammenfassung, die anderen Gutachten bauten auf dem Bericht des Dr. xxx auf, welcher auch das Gutachten der Dr. xxx falsch zitiert habe. Denn diese sei davon ausgegangen, dass er ab 30.11.2011 nicht in der Lage gewesen sei, eine vergleichbare Ingenieurstätigkeit auszuüben. Einen Vorschaden habe es nicht gegeben. Die Beklagte habe die Vorgaben des Datenschutzbeauftragten bzgl. Löschung, Verarbeitung und Weitergabe falscher Daten nicht umgesetzt, wodurch eine neutrale Beweisführung unmöglich sei. Nachdem zunächst (erfolglos) versucht wird, die Protokolle der Baubegehung von der Regierung der Oberpfalz zu erhalten, wird der Kläger mit gerichtlichem Schreiben vom 18.10.2019 darauf hingewiesen, die erstinstanzlichen Gutachten stützten keinen Anspruch auf Verletztenrente, die Einholung eines weiteren Gutachtens sei nicht vorgesehen. Der Kläger teilt daraufhin mit, die gewährte Akteneinsicht könne er erst nehmen, wenn das Protokoll der Baubegehung oder die Akte des Gewerbeaufsichtsamtes Regensburg vorliege. Mit Schreiben vom 11.11.2019 wird nochmals darauf hingewiesen, dass keine weiteren Ermittlungen beabsichtigt seien und Frist nach § 106a SGG bis 06.12.2019 gesetzt, einen Termin zur Akteneinsicht zu vereinbaren. Mit Schriftsätzen vom 11.11. und 06.12.2019 trägt der Kläger u.a. zum Thema Aufsichtspersonen für Baustellen vor. Ein Termin zur Akteneinsicht wird nicht vereinbart.
18
In der mündlichen Verhandlung gibt der Kläger an, seine psychische Störung könne nicht abklingen, weil weiter Täterkontakt bestehe. Nach dem Arbeitsunfall sei zunächst eine Kündigungsschutzklage und dann ein arbeitsgerichtliches Verfahren wegen des Zeugnisses und Lohnwucher bis Oktober 2016 gelaufen; aktuell laufe noch ein finanzgerichtliches Verfahren gegen seinen Arbeitgeber. Er habe erst ein halbes Jahr nach dem Arbeitsunfall einen Therapieplatz bekommen. Das Ereignis und seine Reaktion seien auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass er von der Beklagten mit Regress belangt werden könne wegen Verstoßes gegen Arbeitsschutzvorschriften, und er auch für die Maschine bis zu 10 Jahre hafte.
19
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.09.2018 und den Bescheid der Beklagten vom 18.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach dem Arbeitsunfall vom 12.10.2011 zu gewähren und eine posttraumatische Belastungsstörung als weitere Unfallfolge festzustellen.
20
Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
21
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Akten des erstinstanzlichen Klageverfahrens, die Akten der Beklagten sowie die Akten des vorangegangenen Klageverfahrens beim Sozialgericht Regensburg (S 5 U 108/13) und beim Bayerischen Landessozialgericht (L 2 U 421/14) verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.
23
2. Die Klage ist zulässig als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG), soweit sie auf die Gewährung von Verletztenrente gerichtet ist. Soweit in der mündlichen Verhandlung erstmals die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung einer PTBS als Unfallfolge begehrt wurde (zur Möglichkeit, die Feststellung von Unfallfolgen im Wege der Verpflichtungsklage geltend zu machen, vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R, juris Rn. mwN), liegt zwar eine zur Überzeugung des Senats sachdienliche Klageänderung nach § 99 SGG vor, da das Vorliegen von Unfallfolgen im Rahmen des Anspruchs auf Verletztenrente ohnehin zu prüfen ist und dies auch Gegenstand der eingeholten Gutachten war. Die Klage ist insoweit jedoch unzulässig (zur Verpflichtung bei zulässiger Klageänderung die Sachurteilsvoraussetzungen zu prüfen: BSG, Urteile vom 23.04.2015 – B 5 RE 23/14 R, vom 24.03.2009 – B 8 AY 10/07 R, vom 03.03.2009 – B 4 AS 37/08 R und vom 31.07.2002 – B 4 RA 113/00 R; sowie Leitherer, a.a.O., § 99 Rn. 12, 13a). Denn der Senat geht davon aus, dass im verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 18.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 nicht bindend über Unfallfolgen entschieden wurde.
24
Inwieweit ein Bescheid der materiellen Bestandskraft (Bindungswirkung, § 77 SGG) fähige Regelungen trifft ist durch Auslegung eines Bescheids aus dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung des Verfügungssatzes und der Begründung (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches; vgl. BSG, Urteile vom 25.03.2015- B 6 KA 22/14 R, juris Rn. 30, vom 16.11.2005 – B 2 U 28/04 R, 22.06.2004 – B 2 U 36/03 mwN; vgl. Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 31 SGB X, Stand: 27.11.2018, Rn. 25 ff; ; Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, § 77 Rn. 5b und c; Engelmann in; von Wulffen, SGB X, 8. Auflage 2014, § 31 Rn. 56, jeweils mwN) zu klären. Ausgehend davon wurde hier keine Regelung über Unfallfolgen getroffen, vielmehr handelt es sich bei den entsprechenden Feststellungen lediglich um Begründungselemente. Dafür sprechen die Begrenzung des Verfügungssatzes auf Verletztenrente, Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit und die Tatsache, dass die Unfallfolgen lediglich im Begründungstext als im Rahmen der MdE-Bewertung berücksichtigte Faktoren aufgeführt werden, ohne eine Hervorhebung o.ä., die dies als besondere Feststellung im Sinne einer Regelung kennzeichnen würde. Dafür spricht aber vor allem, dass in der Begründung des Widerspruchsbescheids eingangs nochmals ausgeführt wurde, mit dem angefochtenen Bescheid sei über die Gewährung einer Rente, unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit entschieden worden. Für eine Entscheidung über Unfallfolgen gab es auch keinen Anlass, da dies auch im Widerspruchsverfahren nicht beantragt worden war. Eine solche Auslegung erscheint auch sachgerecht, da eine Regelung für den Betroffenen im Hinblick auf eine mögliche Bestandskraft und die damit verbundene Notwendigkeit der Anfechtung, um diese zu vermeiden, klar erkennbar sein muss. Das war hier aufgrund der genannten Aspekte nicht der Fall; so hat auch der Kläger zunächst den Bescheid bzgl. der Unfallfolgen nicht explizit angefochten, sondern lediglich die Gewährung einer Verletztenrente begehrt (vgl. Niederschrift zu Protokoll vom 11.11.2016).
25
3. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG Regensburg die Klage gegen den Bescheid vom 18.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach § 56 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Ausgehend von den maßgeblichen Grundsätzen (dazu a), ist auf Basis der verwertbaren Gutachten (dazu b) keine PTBS im Vollbeweis nachgewiesen (dazu c); die unfallbedingten Gesundheitsstörungen rechtfertigen keinen Anspruch auf Verletztenrente (dazu d).
26
a) Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Voraussetzung für den Rentenanspruch ist also ein -hier anerkannter – Arbeitsunfall, das Bestehen einer bestimmten Minderung der Erwerbsfähigkeit, die Kausalität zwischen dem Versicherungsfall und der Erwerbsminderung sowie eine bestimmte Mindesthöhe und Mindestdauer der MdE.
27
Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge eines Versicherungsfalls iSd § 8 SGB VII und damit bei der MdE-Bewertung zu berücksichtigen, wenn sie spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist (haftungsausfüllende Kausalität); ein Gesundheitserstschaden ist Folge einer versicherten Einwirkung, wenn diese den Gesundheitserstschaden wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; st. Rpsr., vgl. BSG Urteile vom 24.7.2012 – B 2 U 9/11 R und vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R). Dabei ist zur Anerkennung einer psychischen Störung als Unfallfolge eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der international anerkannten Diagnosesysteme (ICD-10; DSM IV) erforderlich (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R und vom 15.05.2012 – B 2 U 13/11 R).
28
Für die Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheits(erst)schaden sowie zwischen Gesundheits(erst)schaden und weiteren Gesundheitsschäden als Unfallfolgen einschließlich Verschlimmerungen gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (st. Rspr., vgl. BSG Urteile vom 24.7.2012 – B 2 U 9/11 R, vom 17.2.2009 – B 2 U 18/07 R -juris Rn. 12 und vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R). Danach ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non).
29
Als rechtserheblich werden aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache für das Entstehen eines neuen bzw. die Verschlimmerung eines bereits bestehenden Gesundheitsschadens wesentlich ist, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden, sowie auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten (st. Rspr., vgl. BSG Urteile vom 9.5.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 15 ff mwN und vom 17.2.2009 – B 2 U 18/07 R, juris Rn. 12). Gesichtspunkte für die Beurteilung sind neben der versicherten Ursache als solcher, einschließlich Art und Ausmaß der Einwirkung, u.a. die konkurrierende Ursache (nach Art und Ausmaß), der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte (vgl. BSG vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 16).
30
Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Dabei ist „wesentlich“ nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig”. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Eine Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als „wesentlich“ anzusehen ist, kann auch als „Gelegenheitsursache“ oder „Auslöser“ bezeichnet werden (vgl. grundlegend BSG Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 15).
31
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsanfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSGE 19, 52; BSG Urteile vom 07.09.2004 – B 2 U 34/03 R und vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05) Zum Beweismaßstab gilt, dass das Vorliegen einer versicherten Verrichtung zur Zeit des Unfalls, das Unfallereignis selbst sowie der Gesundheitserstschaden und die Unfallfolgen im Überzeugungsgrad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein müssen. Für den Nachweis der Ursachenzusammenhänge zwischen Verrichtung und Unfallereignis sowie zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden bzw. Unfallfolgen gilt der Beweismaßstab der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit; die bloße Möglichkeit genügt nicht. Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (st. Rpsr., vgl. dazu BSG Urteil vom 2.04.2009 – B 2 U 29/07 R, juris Rn. 16). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (st. Rspr., vgl. dazu BSG Urteil vom 02.04.2009 – B 2 U 29/07 R, juris Rn. 16). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstandes oder Erfahrungswissens in dem einschlägigen Wissenschaftsgebiet zu erfolgen (vgl. BSG, Urteile vom 24.07.2012 – B 2 U 9/11 R, juris Rn. 61; vom 18.01.2011 – B 2 U 5/10 R, juris Rn. 28; und vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R jeweils m.w.N.).
32
b) Ausgehend davon besteht kein Anspruch des Klägers auf eine Verletztenrente. Das Gericht stützt sich dabei auf die überzeugenden erstinstanzlichen Gutachten des Dr. xxx vom 21.03.2017 und vor allem des Dr. xxx vom 11.12.2017 sowie im Wege des Urkundenbeweises nach § 118 SGG iVm §§ 415 ff Zivilprozessordnung (ZPO; vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, 12. Auflage 2017, § 128 Rn. 7f; BayLSG, Urteil vom 11.07.2017 – L 15 VJ 6/14) auf das durch das SG Regensburg im Rechtsstreit um den Arbeitsunfall (S 5 U 108/13) eingeholte Gutachten des Dr. xxx vom 02.12.2013 sowie das im Rechtstreit S 2 KR 92/12 vom Sozialgericht Regensburg eingeholte Gutachten der Dr. xxx vom 04.06.2012. Die Gutachten der Dres. xxx, xxx und xxx sind zur Überzeugung des Senats verwertbar, auch wenn sich in den ihnen vorliegenden Akten der Vermerk über die Aussage des Hr. … vom 26.03.2012 befand, die nach Angabe des Klägers falsch war, worauf es jedoch nicht ankommt. Für das Gutachten der Dr. xxx stellt sich diese Frage nicht, da dieser ausweislich ihres Gutachtens die Akten der Beklagten und damit der Vermerk vom 26.03.2012 nicht vorlagen.
33
Grundlage für den Sozialdatenschutz ist das Sozialgeheimnis in § 35 Erstes Buch Sozialgesetzbuch -Allgemeiner Teil (SGB I). Danach hat jeder Ansprüch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von Leistungsträgern wie der Beklagten nicht unbefugt verarbeitet werden. Zweifellos handelte es sich bei den im Gesprächsvermerk vom 26.03.2012 enthaltenen Angaben über frühere Beschäftigungsverhältnisse und Vorerkrankungen des Klägers um Sozialdaten iSv § 67 SGB X in der bis 31.07.2013 (und damit zur Zeit der Aktennotiz) geltenden Fassung vom 18.5.2001 (im Folgenden: aF). Die Zulässigkeit der Erhebung und Speicherung ist damit nach den §§ 67a ff SGB X zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 – B 2 U 3/04 R, juris Rn. 18).
34
Es kann hier allerdings dahinstehen, ob es sich bei der Niederschrift von Angaben eines Dritten, der die Beklagte aus eigenem Antrieb angerufen hatte, um eine Erhebung von Daten iSv 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X in der bis 24.05.2018 geltenden Fassung vom 18.5.2001 (im Folgenden aF) handelte oder ob dies mangels zielgerichteter Datenerhebung (vgl. dazu Bieresborn, in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 67 Rn. 23; Fromm in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 67 SGB X 1. Überarbeitung, Rn. 97; Seidel in: Diering/Timme/Waschull, LPK-SGB X, § 67 SGB X Rn. 10) zu verneinen ist. Denn bereits durch das bloße Aufbewahren anderweitig fixierter Daten z.B. in einer Akte, ist jedenfalls der datenschutzrechtlich relevante Tatbestand des Speicherns als Unterform des Verarbeitens iSv § 67 Abs. 6 Satz 1 SGB X aF erfüllt (so BSG, Urteil vom 20.07.2010 – B 2 U 17/09 R – SGb 2011, 405ff mit Anmerkung Bieresborn für Einheften eines in Papierform erstellten Gutachtens in eine Akte; LSG Niedersachsen- Bremen, Urteil vom 25.09.2003 – L 8 AL 233/03; Bieresborn, a.a.O, § 67 Rn. 24a).
35
Es kann des Weiteren dahinstehen, ob die Erhebung bzw. jedenfalls Speicherung der telefonischen Angaben vom 26.03.2012 die Voraussetzungen des § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X bzw. des § 67b Abs. 1 Satz 1 SGB X in der bis 24.05.2018 geltenden Fassung vom 09.12.2004 (im Folgenden aF) erfüllte. Diese Normen setzen voraus, dass Kenntnis der Daten zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist (§ 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X aF) bzw. dass die Verarbeitung von Sozialdaten auf Basis einer Erlaubnis in diesem Gesetzbuch oder einer Einwilligung des Betroffenen erfolgt (§ 67b Abs. 1 Satz 1 SGB X aF). Insofern normiert § 199 Abs. 1 Satz 1 SGB des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (VII) als bereichsspezifische Sonderregelung (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 – B 2 U 3/04 R sowie Bieresborn, a.a.O., § 67b Rn. 4), dass die Unfallversicherungsträger Sozialdaten nur erheben und speichern dürfen, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben, u.a. Leistungserbringung, erforderlich ist. Das wurde von der Datenschutzbeauftragten unter Hinweis auf die fehlende Erforderlichkeit der Speicherung falscher und herabsetzender Daten abgelehnt, kann aber hier dahinstehen.
36
Es kann zudem dahinstehen, ob aus einer etwaigen rechtswidrigen Datenerhebung bzw. -speicherung ein Beweisverwertungsverbot betreffend den Vermerk vom 26.03.2012 aufgrund einer Verletzung des grundgesetzlich geschützten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung folgt (so Bieresborn, a.a.O., § 67b Rn. 11b; zu § 200 SGB VII: BSG, Urteile vom 05.02.2008 – B 2 U 8/07 R und vom 18.01.2011 – B 2 U 5/10; Kranig in: Hauck/Noftz, SGB, 01/18, § 200 SGB VII Rn. 27a; Wagner in jurisPK-SGB VII § 200 Rn. 123 ff., jeweils m. w. N. und allgemein zu Beweisverwertungsverboten BVerfG, Beschluss vom 09.11.2010-2 BvR 2101/09).
37
Dies alles kann dahinstehen, weil zur Überzeugung des Senats selbst bei einem Beweisverwertungsverbot betreffend den Vermerk vom 26.03.2012 daraus nicht im Sinne einer Fernwirkung ein Beweisverwertungsverbot für die gerichtlich eingeholten Gutachten der Dres.xxx, xxx und xxx folgt. Zur Frage der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten hat das BSG ausgeführt, dass sich das für ein Beweismittel geltende Verwertungsverbot nicht automatisch auf alle späteren Beweismittel auswirke. Maßstab für die Reichweite oder „Fernwirkung“ eines Beweisverwertungsverbotes müsse sein, ob durch das weitere Beweismittel das Beweisverwertungsverbot hinsichtlich des ersten Beweismittels umgangen würde, ob das zweite Beweismittel auch ohne das erste -unzulässige und verbotene – Bestand hätte oder inwieweit das zweite Beweismittel auf dem ersten aufbaut. Denn beim Vorliegen einer dieser Voraussetzungen würde der Verstoß gegen das grundrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Verwertung des weiteren Beweismittels perpetuiert, ohne dass ein rechtfertigender Grund zu erkennen sei (BSG, Urteil vom 05.02.2008 – B 2 U 8/07 R, juris Rn. 63). Eine solche Fernwirkung hat das BSG für ein Gerichtsgutachten nach Aktenlage bejaht, weil ein zuvor von der Beklagten eingeholtes Gutachten wegen Verstoßes gegen die Hinweispflicht nach § 200 Abs. 1 SGB VII einem Beweisverwertungsverbot unterlagt. Zur Begründung hat das BSG ausgeführt, dass das Gerichtsgutachten auf das unverwertbare Gutachten aufbaue, wie sich aus der Wiedergabe des Gutachtens ergebe, und dass das Ergebnis des Gutachtens teilweise mit denselben Überlegungen wie das unverwertbare Gutachten begründet worden sei. Auch entspreche es dem allgemein Üblichen, vor allem bei einem Gutachten nach Aktenlage, alle schon vorliegenden Unterlagen, Gutachten usw. in die eigene Beurteilung miteinzubeziehen. In einer späteren Entscheidung (BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 2 U 5/10 R), ebenfalls zur Verletzung der Hinweispflicht nach § 200 Abs. 1 SGB VII, hat das BSG angesichts der Kritik in der Literatur offen gelassen, ob ein „Beweisverwertungsverbot -kraft Fernwirkung -sogar auf später erhobene Beweismittel durchschlägt, die auf das unter Verletzung von Datenschutz- oder Verfahrensrechten eingeholte Gutachten Bezug nehmen“. Dort wird -ebenfalls im Kontext von § 200 SGB VII -eine Fernwirkung unter Bezugnahme auf die Ablehnung einer Fernwirkung in anderen Rechtsgebieten kritisch gesehen für den Fall, dass das unverwertbare Beweismittel nicht übernommen wird, sondern das weitere Gutachten auf einer eigenen Untersuchung und Beurteilung basiert (so Bieresborn, a.a.O., § 67b Rn. 11b; Kranig, a.a.O., § 200 SGB VII, Rn. 27b; kritisch auch Wagner, a.a.O, § 200 SGB VII, Rn. 135).
38
Ausgehend von der Rechtsprechung des BSG ergibt sich für den vorliegenden Fall selbst bei Annahme eines Beweisverwertungsverbots betreffend den Vermerk vom 26.03.2012 kein Verwertungsverbot für die gerichtlich eingeholten Gutachten der Dres. xxx, xxx und xxx. Insofern berücksichtigt der Senat, dass ein etwaiges Beweisverwertungsverbot hier lediglich eine kurze Aktennotiz über ein Gespräch mit einem medizinischen Laien betraf, in dem ganz allgemein auf frühere Prozesse mit Arbeitgebern und vorbestehende psychische Probleme hingewiesen wurde. Ein derartiger Vermerk ist von seiner Aussagekraft nicht annähernd mit einem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten zu vergleichen, das eine ausführliche Anamnese, Diagnosen und eine gutachterliche Einschätzung enthält (wie in dem vom BSG entschiedenen Fall). Der Senat verkennt nicht, dass auch falsche Informationen in der Akte, die der Gutachter zur Kenntnis nimmt, diesen beeinflussen können. So hat der Kläger auch vorgetragen, Dr. xxx habe ausführlich nach früheren Prozessen und psychischen Vorerkrankungen gefragt. Allerdings ist zu unterscheiden zwischen dem Fall, dass der Gutachter eine Information in der Akte als wahr unterstellt und darauf aufbaut (wie gerade bei einem Gutachten nach Aktenlage) und dem Fall, dass er diese zum Anlass für ausführliche Nachfragen nimmt und allein diese Nachfragen (und nicht das unzulässige Beweismittel) zur Grundlage einer ausführlichen medizinischen Bewertung macht, wie hier. Der hiesige Fall gleicht daher dem vom BSG entschiedenen Fall weder von der Qualität des Beweismittels (dort: im Verwaltungsverfahren eingeholtes Gutachten auf Basis ambulanter Untersuchung, hier: Aktennotiz über laienhafte Einschätzung des Arbeitgebers ohne konkrete Angaben zur Art der Vorerkrankung) noch von der Intensität der Bezugnahme der späteren Gutachten auf das unzulässige Beweismittel. Denn bei dem vom BSG entschiedenen Fall war das Beweisverwertungsverbot auf ein nach Aktenlage eingeholtes Gerichtsgutachten erstreckt worden, weiches das unverwertbare frühere Gutachten erwähnte und das Ergebnis teilweise mit denselben Überlegungen begründete wie dieses. Demgegenüber wurde die Aktennotiz vom 26.03.2012 in den hiesigen Gutachten nicht einmal bei der Übersicht über die Aktenlage, erst recht nicht bei der Beurteilung erwähnt. Die Gutachten fußten vielmehr jeweils auf einer eigenen ambulanten Untersuchung mit einer in den Gutachten dokumentierten ausführlichen Befragung. Daher ist hier eine Perpetuierung des Verstoßes gegen das grundrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung allein dadurch, dass die Aktennotiz in der den Gutachter vorliegenden Akte enthalten war, anders als in dem vom BSG entschiedenen Fall nicht ersichtlich. Denn die Gutachten bauen nicht auf den Vermerk vom 26.03.2012 auf und hätten auch ohne diesen Bestand.
39
Soweit der Kläger gerügt hat, aufgrund unvollständiger Akten hätte Dr. xxx nicht der Bericht des Dr. xxx vom 12.09.2013 vorgelegen, trifft dies nicht zu, da dieser Bericht bereits in der damals beigezogenen und dem Gutachter ausweislich des Anschreibens vom 16.01.2017 vorliegenden Akte S 5 U 108/13 enthalten war (dort BI. 61).
40
c) Auf Basis der vorliegenden und verwertbaren Gutachten ergibt sich kein Anspruch auf Verletztenrente unter dem Aspekt einer PTBS als Unfallfolge. Dass beim Kläger jemals eine PTSB bestand oder aktuell besteht, ist zur Überzeugung des Senats nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Es fehlt bereits -wie das SG Regensburg im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat -der Nachweis des sog. A-Kriteriums.
41
Nach dem ICD-10 (F 43.1) setzt die Feststellung einer PTBS als sog. A-Kriterium ein belastendes Ereignis oder eine Situation von kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß voraus, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde; hierzu gehören durch Naturereignisse oder von Menschen verursachte Katastrophen, Kampfhandlungen, schwere Unfälle oder Zeuge eines gewaltsamen Todes anderer oder selbst Opfer von Folterung, Terrorismus, Vergewaltigung oder anderen Verbrechen zu sein. Nach DSM V reicht als A-Kriterium das direkte Erleben eines traumatischen Ereignisses, das in der Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod, tatsächlicher oder angedrohter ernsthafter Verletzung oder (angedrohter) sexueller Gewalt besteht. Das diagnostische Merkmal „Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod oder ernsthafter Verletzung“ wird dabei im DSM V wie folgt erläutert: „Direkt erlebte traumatische Ereignisse (im Kriterium A aufgeführt) umfassen folgende Erlebnisse, sind aber nicht auf diese begrenzt: Kriegserfahrungen als Soldat oder Zivilist, drohender oder tatsächlicher körperlicher Übergriff (z.B. körperlicher Angriff, Raubüberfall, Überfall auf der Straße, körperliche Misshandlung in der Kindheit) drohende oder tatsächliche sexuelle Gewalt (z.B. erzwungener Geschlechtsverkehr, durch Alkohol-/ Drogenkonsum geförderter Geschlechtsverkehr, missbräuchliche Sexualkontakte, sexueller Missbrauch ohne Körperkontakt, Zwangsprostitution), Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folterung, Kriegsgefangenschaft, Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen und schwere Verkehrsunfälle“ (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.3.2016 – L 2 U 117/14, juris Rn. 63 und BayLSG, Urteil vom 06.7.2016 – L 2 U 336/14, juris Rn. 45; vgl. auch S2k „Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen“ der Deutschen Gesellschaft für Neurowissenschaftliche Begutachtung vom 15.12.2019, im Folgenden „Leitlinie“, S. 20). Sowohl nach ICD-10 als auch DSM-V erfüllen deshalb nur traumatische Ereignisse von besonderer Qualität mit katastrophenartigem Ausmaß und einem extremen Belastungsfaktor das erforderliche A-Kriterium (so LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.3.2016 – L 2 U 117/14, Rn. 65 und BayLSG Urteile vom 06.7.2016 – L 2 U 336/14 und vom 20.06.2012 – L 2 U 268/07; vgl. Schönberger/ Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 153).
42
Ein solches katastrophenartiges Ereignis lag beim Arbeitsunfall vom 12.10.2011 zur Überzeugung des Senats nicht vor. Denn mit den beispielhaft aufgeführten Ereignissen ist die Auseinandersetzung des Klägers mit seinem Chef nicht vergleichbar. Zunächst ist insofern darauf hinzuweisen, dass eine Schädigung der körperlichen Integrität des Klägers nicht erfolgt ist. Auch eine ernsthafte Bedrohung der körperlichen Integrität des Klägers vermag der Senat in Übereinstimmung mit Dr. xxx und Dr. xxx sowie auch dem behandelnden Arzt Dr. xxx (Bericht vom 16.06.2016) nicht zu erkennen, vor allem unter Berücksichtigung der zeitnahen Unfallschilderungen. So hatte der Kläger in der per E-Mail an die Beklagte versandten Unfallmeldung vom 15.12.2011 angegeben, er sei von Herrn … und Herrn … angeschrien worden, eine bestimmte Passage einer Gefährdungsanalyse zu löschen. Herr … habe nach ihm getreten, statt des Oberschenkels aber die Kante des Bürostuhls getroffen, worauf hin er aufgestanden sei und den Arbeitsplatz verlassen habe. Gegenüber der Polizeiinspektion hatte der Kläger in seiner Strafanzeige gegen Herrn … vom 14.10.2011 angegeben, dieser habe im Rahmen der fraglichen Auseinandersetzung angefangen zu schreien und auch geschrien „Ich bring dich um, wenn da auf uns etwas zukommt“ und mit dem Fuß in Richtung des linken Oberschenkels getreten, aber nicht ihn, sondern den Stuhl getroffen. In einer schriftlichen Anlage zur Anzeige hat der Kläger ausgeführt, nach dem Tritt sei er aufgestanden, habe gesagt „ich gehe jetzt“, seine Tasche und Jacke genommen und sei gegangen.
43
Diesen zeitnahen Schilderungen ist keine ernsthafte, katastrophenartige Bedrohung der körperlichen Integrität des Klägers im Rahmen der Auseinandersetzung am 12.10.2011 zu entnehmen, insbesondere keine unmittelbare körperliche Drohung durch Hr. … Selbst wenn die -vom Zeugen und weiteren Anwesenden Hr. … nicht bestätigte -angebliche Aussage des Hr. … „lch bring dich um, wenn da auf uns etwas zukommt“ zuträfe, wäre dies keine Androhung eines unmittelbar bevorstehenden Tötungsdelikts / einer akut drohenden Handgreiflichkeit, sondern zielt unspezifisch in die Zukunft für den Fall von künftigen Problemen für die Firma. Darauf deutet auch die von der Polizei protokollierte Aussage des Hr. …, eine Verletzung des Klägers durch den Tritt sei seines Erachtens nicht beabsichtigt gewesen. Gegen eine unmittelbar bevorstehende körperliche Auseinandersetzung mit ernsthafter Drohung für die körperliche Integrität des Klägers spricht aber vor allem, dass dieser angegeben hatte, er habe noch seine Tasche und Jacke genommen, gesagt „ich gehe jetzt“ und dann den Raum verlassen. Wer Zeit hat, Tasche und Jacke mitzunehmen und sich quasi noch zu verabschieden, sieht sich zur Überzeugung des Senats nicht einer Drohung im Sinne eines katastrophenartigen Ereignisses ausgesetzt, welches das A-Kriterium einer PTBS erfüllt. Soweit der Kläger später von einer „Flucht“ aus seinem Arbeitszimmer und einem als Alternative erwogenen Sprung aus dem Fenster des 1. Stocks gesprochen hat, ergibt sich dies aus der zeitnahen Unfalldokumentation nicht. Gerade angesichts des u.a. von Dr. xxx und Dr. xxx beschriebenen zunehmenden Verlaufs der psychischen Erkrankung beim Kläger kommt zur Überzeugung des Senats insoweit der zeitnahen und von der Polizei protokollierten Aussage (zwei Tage nach dem Unfall) vorrangiger Beweiswert zu. Der Senat verkennt nicht, dass das Ereignis vom Kläger als sehr schwerwiegend erlebt wurde und er wiederholt eine dabei eingetretene „peritraumatische Dissoziation (Engerlfliegen)“ erwähnt hat; maßgeblich für das A-Kriterium ist jedoch nicht das subjektive Erleben, sondern das objektive Vorhandensein einer entsprechenden traumatischen Situation (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 25.08.2015 – L 3 U 239/10, LSG NRW, Urteil vom 16.05.2007 – L 17 U 127/06; Widder/ Gaidzik, Neuropsychiatrische Begutachtung, 3. Aufl. 2017, S. 602, 611).
44
Bereits deshalb scheidet der Nachweis einer PTBS im Vollbeweis aus. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass -wie insbesondere Dr. xxx hervorgehoben hat -die Diagnose PTBS von den zunächst behandelnden Ärzten (Dr. xxx, Dr. xxx) nicht angenommen wurde und auch keine relevanten Symptome geschildert wurden. Auch gegenüber Dr. xxx wurde im Dezember 2013 das Unfallgeschehen „emotionslos“ wiedergegeben. Erstmals findet sich die Diagnose „posttraumatische Belastungsreaktion“ im Befundbericht des Dr. xxx vom 12.09.2013, dann wieder im Attest des Psychotherapeuten xxx vom 11.07.2014 und im Bericht des Bezirksklinikums Regensburg vom 17.12.2014. Die Diagnose einer PTBS wurde von den Behandlern also erstmals mehr als zwei Jahre nach dem Unfallereignis und damit weit außerhalb des Zeitrahmens gestellt, in dem sich eine PTBS nach einem entsprechenden Trauma üblicherweise manifestiert (Schönberger/ Mehrtens/Valentin, a.a.O, S. 154 und Leitlinie S. 23).
45
d) Ein Anspruch auf Verletztenrente ergibt sich auch nicht aufgrund der beim Kläger nach dem Unfall und aktuell noch bestehenden und nachgewiesenen psychischen Gesundheitsstörungen. Es besteht kein Zweifel, dass es beim Kläger unmittelbar nach dem Arbeitsunfall zunächst zu einer von der Beklagten bereits anerkannten akuten Belastungsreaktion (F 43.0) gekommen ist. Für den Senat steht ebenfalls im Vollbeweis fest, dass sich im Anschluss an die akute Belastungsreaktion beim Kläger eine weitere psychische Störung entwickelt hat, wobei dahinstehen kann, ob es sich um eine Anpassungsstörung ggf. in Form einer posttraumatischen Verbitterungsstörung (so mit sehr überzeugenden Argumenten Dr. xxx) handelt oder (mittlerweile) um eine rezidivierende depressive Störung (F 33.1), wie sie die Behandler aktuell annehmen. Jedenfalls für den Zeitraum bis ca. zwei Jahre nach dem Arbeitsunfall bestehen -nach Ausschluss einer PTBS -keine ernsthaften Zweifel daran, dass eine Anpassungsstörung mit depressiver Komponente vorlag. Eine solche wurde insbesondere von dem zeitnah behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. xxx bereits am 23.11.2011 diagnostiziert und als Diagnose letztlich auf den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis 09.05.2014 immer wieder bestätigt. Auch Dr. xxx hat im Gutachten vom 04.06.2012 nach ambulanter Untersuchung u.a. eine depressive Anpassungsstörung (F43.2) diagnostiziert, ebenso Dr. xxx auf Basis einer ambulanten Untersuchung im Dezember 2013.
46
Allerdings ist zur Überzeugung des Senats nur die akute Belastungsreaktion im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch den Arbeitsunfall vom 12.10.2011 bedingt (was bereits anerkannt ist und keiner weiteren Ausführungen bedarf), nicht dagegen die sich daraus entwickelnde Anpassungsstörung und heutige psychische Symptomatik.
47
aa) Insofern ist zum wissenschaftlichen und rechtlichen Hintergrund darauf hinzuweisen, dass psychische Störungen nach einem Unfall sich aufgrund komplexer Wechselwirkungen zwischen krankheitsverursachenden, -fördernden und -unterhaltenden Faktoren entwickeln (vgl. BayLSG, Urteil vom 27.08.2015 – L 8 U 64/10 mWN; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, a.a.O., S. 163 mwN). Im Rahmen der Kausalitätsbegutachtung ist daher eine Auseinandersetzung mit dem Schweregrad des Unfallereignisses, dem Schweregrad des Unfallerlebnisses, der Persönlichkeitsstruktur und den Bewältigungsressourcen (unter Einbeziehung sozialer und beruflicher Verhältnisse, von Alter und Lebenssituation), nachgewiesenen Vorerkrankungen sowie möglichen sekundären Motiven unerlässlich (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.09.2018 – L 8 U 1128/17; BayLSG, Urteil vom 20.06.2017 – L 8 U 185/16; Schönberger/ Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 163 f; Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 06/18, § 8 SGB VII Rn. 324, 326; Widder/Gaidzik, a.a.O., S. 613 ff). Auch ein nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand plausibler klinischer Verlauf der Symptomatik ist relevant, wobei zum zeitlichen Verlauf zu berücksichtigen, dass Anpassungsstörungen im Regelfall innerhalb von sechs Monaten abklingen, wenn die Belastung oder deren Folgen beendet sind (Leitlinie, S. 29, 30).
48
Bei länger anhaltenden psychoreaktiven Gesundheitsstörungen ist ergänzend zu prüfen, ob und inwieweit auch der weitere Verlauf doch rechtlich wesentlich auf die ursprünglichen Reaktionen zurückzuführen ist und nicht vielmehr sonstige aus der Psyche wirkende Kräfte so weit in den Vordergrund treten, dass sie für den weiteren Verlauf die rechtlich allein wesentliche Ursache bilden (sog. Verschiebung der Wissensgrundlage); denn es können externe, schädigungsunabhängige psychische Belastungsfaktoren nach dem Unfallereignis hinzukommen, welche den Kausalzusammenhang entfallen lassen (BSG, Urteil vom 29.11.1963 – 2 RU 46/58; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.10.2014 – L 17 U 709/11; BayLSG, Urteil vom 09.12.2015 – L 2 U 496/12, juris Rn. 71; LSG Hessen, Urteil vom 22.09.2016 – L 1 VE 7/12; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.09.2018 – L 8 U 1128/17; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O, S. 165). Da bei Anpassungsstörungen laut ICD-10 „die individuelle Disposition oder Vulnerabilität“ wesentlichen Anteil an der Symptomatik besitzt, besteht bei unveränderter oder zunehmender psychischer Beschwerdesymptomatik ohne noch nachweisbaren relevanten Körperschaden hoher Begründungsbedarf, ob und warum die Symptomatik (noch) auf das Unfall- bzw. Schädigungsereignis zurückzuführen ist; hierzu gehört auch die Frage, ob geeignete Therapieversuche erfolgten bzw. warum diese nicht stattfanden. (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.05.2007 – L 17 U 127/06; Schönberger/ Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 165; Leitlinie, S. 42, Widder/Gaidzik, S. 613). Symptome, die länger als zwei Jahre anhalten und ggf. sogar einen zunehmenden Schweregrad aufweisen, sind mit der Annahme einer unfallbedingten Anpassungsstörung idR nicht vereinbar (Venzlaff / Foerster/ Dreßing/ Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Auflage 2015, S. 566).
49
bb) Ausgehend davon ist die sich im Anschluss an die akute Belastungsreaktion entwickelnde Anpassungsstörung und auch die heutige psychische Symptomatik spätestens wenige Wochen nach dem Unfall nicht mehr wesentlich durch diesen, sondern andere rechtlich nicht dem Unfall zuzurechnende Ursachen bedingt. Das Gericht stützt sich insoweit auf die überzeugende Einschätzung der Dres. xxx, xxx und xxx sowie ergänzend die Einschätzung der Dr. xxx, die auch durch die Aktenlage bestätigt werden.
50
Dabei berücksichtigt der Senat zunächst, dass subjektiv ein sehr schweres Unfallerleben mit „Dissoziation“ geschildert wird, dass der Unfall allerdings keine körperlichen Verletzungen und Folgen ausgelöst hat. Maßgeblich sind aber vor allem die von allen Gutachtern herausgearbeiteten vorbestehenden und nach dem Unfall wirkenden psychosozialen Belastungsfaktoren (vgl. cc), die vor dem Hintergrund der Persönlichkeitsstruktur / -Störung des Klägers (vgl. dd) entscheidend zur Aufrechterhaltung der Beschwerden und weiteren Entwicklung der psychischen Störung des Klägers beigetragen haben.
51
cc) Zur Überzeugung des Senats bestanden vor und nach dem Unfall erhebliche, rechtlich aber nicht dem Arbeitsunfall zuzuordnende psychosoziale Belastungsfaktören.
52
Aus den Akten und dem Vortrag des Klägers in beiden Instanzen ergibt sich deutlich, dass bereits vor dem Arbeitsunfall eine Konfliktsituation am Arbeitsplatz bestand. So hatte der Kläger selbst über die schwierige Persönlichkeit des Hr. … sowie Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz vor dem Arbeitsunfall berichtet, u.a. über eine von ihm monierte fehlende Absturzsicherung an einer Baustelle. Bereits direkt nach dem Arbeitsunfall hatte der Kläger gegenüber Dr. xxx mitgeteilt, er werde durch den Chef seiner Firma „fertig gemacht“, er sei eine „billige Kraft“, die nur „niedrige Arbeiten“ durchführen dürfe; der Chef schlage ihn und werfe Gegenstände nach ihm. Auch im Abschlussbericht der Reha- Maßnahme 2012 wird von massiven Konflikten am Arbeitsplatz berichtet.
53
Nach dem Arbeitsunfall wurde der Kläger seitens des Arbeitgebers gekündigt mit nachfolgender arbeitsgerichtlicher Auseinandersetzung; später folgte ein arbeitsgerichtliches Verfahren u.a. um Lohnrückstände in Höhe von knapp 60.000 € (3 Ca 1978/14), das bis Oktober 2016 lief; ein finanzgerichtliches Verfahren gegen den Arbeitgeber ist immer noch anhängig. Zudem entstanden gerichtliche Auseinandersetzungen mit der Krankenkasse um die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und mit der Beklagten. Der Kläger war auch längere Zeit arbeitslos und hat Arbeitslosengeld II bezogen (so Angabe gegenüber Dr. xxx und Hr. xxx). Eine weitere erhebliche Belastung ergab und ergibt sich aus den Sorgen des Klägers im Hinblick auf eine Inanspruchnahme durch die Beklagte wegen Verstoßes gegen Arbeitsschutzvorschriften und v.a. eine seiner Ansicht nach bis zu 10 Jahren drohende Produkthaftung für „seine“ Maschine. Dazu hat der Kläger ausführlich schriftlich und auch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen.
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All diese Belastungen sind rechtlich gesehen nicht dem Unfallereignis zuzuordnen. Zwar bestand der Arbeitsunfall hier ebenfalls in einer beruflichen Belastung. Jedoch ist ein Arbeitsunfall rechtlich auf eine „Schicht“ begrenzt (st Rspr und allgM, vgl. BSG, Urteil vom 25.08.1961 – 2 RU 106/59; G. Wagner in: SchlegelA/oelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 8 SGB VII, Stand: 31.05.2019, Rn. 120 mwN); frühere und länger andauernde Konflikte sind daher rechtlich nicht dem Arbeitsunfall zuzuordnen (vgl. BSG, Urteil vom 30.05.1985 – 2 RU 17/84 zu länger dauernder Belastung eines Schülers, BayLSG, Urteil vom 06.11.2017 – L 3 U 52/15, juris Rn. 33 zu beruflichem Stress als Einwirkung; und vom 29.04.2008 – L 18 U 272/04; Schönberger/ Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 154, 159f mwN sowie zu Mobbing Hessisches LSG, Urteil vom 28.06.2011 – L 3 U 30/08). Auch nachfolgende Belastungen, die sich z.B. aus Ängsten um den Arbeitsplatz, finanziellen Sorgen, wirtschaftlichen Folgen oder Rechtsstreitigkeiten infolge des Arbeitsunfalls ergeben, sind dem Unfall rechtlich nicht zuzurechnen. Nach der Wertung des § 8 SGB VII ist eine Gesundheitsstörung, die nicht durch einen Gesundheitserstschaden oder eine Unfallfolge verursacht ist, sondern allein wesentlich auf Auswirkungen einer durch das Unfallereignis verursachten Gesundheitsstörung auf die Lebensumstände zurückgeht, keine Unfallfolge (so Hessisches LSG, Urteil vom 24.01.2017 – L 3 U 117/14, juris Rn. 24; BayLSG, Urteil vom 27.08.2015 – L 8 U 64/10, juris Rn. 59; ebso. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, a.a.O., S. 168 f, Widder/Gaidzig, a.a.O., S. 615). Zu berücksichtigen ist insofern auch wertend, dass die gesetzliche Unfallversicherung die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers ersetzen soll (vgl. BSG, Urteil vom 15.05.2012 – B 2 U 8/11 R mwN).
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Die Gutachter haben herausgearbeitet, dass die Belastungen am Arbeitsplatz und die nachfolgenden Auseinandersetzungen sowie die Sorge um fortbestehende Produkthaftung den Kläger massiv belastet haben. Dr. xxx hat in der beruflichen Tätigkeit bei der Firma … eine wesentliche Ursache für die weitere psychische Symptomatik gesehen. Dr. xxx hat auf Basis der Berichte des Klägers und der ärztlichen Befundberichte die anhaltenden beruflichen und persönlichen Konflikterfahrungen zwischen dem Kläger und seinem Chef im Sinne einer über einen längeren Zeitraum einwirkenden beruflichen Belastungserfahrung betont. Dr. xxx ) hat den erneuten beruflichen Misserfolg angesichts der früheren beruflichen Misserfolge als entscheidende psychische Belastung gesehen. Bereits Dr. xxx hatte im Befundbericht vom 09.01.2012 auf die vom Kläger berichtete Mobbing-Situation in der Arbeit hingewiesen und ausgeführt, „durch die Gesamtproblematik“ hätten sich zunehmende panikartige Ängste, Unruhezustände etc. entwickelt. Im Abschlussbericht der Reha-Maßnahme vom 31.10.2012 wird auf den erheblichen Leidensdruck im Zusammenhang mit der noch nicht abgeschlossenen gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem letzten Arbeitgeber hingewiesen. Im Rahmen der teilstationären Behandlung im Bezirksklinikum Regensburg von Juni bis November 2014 fand sogar eine „Traumakonfrontation“ bzgl. der belastenden Brandsituation wenige Tage vor dem Arbeitsunfall statt. Der behandelnde Psychotherapeut Hr. xxx hatte im Bericht vom 11.07.2014 ausgeführt, die Beschwerden hätten sich durch psychosoziale Belastungsfaktoren wie finanzielle Schwierigkeiten und langanhaltende Arbeitslosigkeit weiter verstärkt. Nicht zuletzt hat der Kläger selbst, auch in der mündlichen Verhandlung, die Bedeutung des fortlaufendenden „Täterkontakts“ im Rahmen gerichtlicher Auseinandersetzungen und die Sorge vor fortlaufender Haftung als die Krankheit aufrecht erhaltende Faktoren betont.
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dd) Dass diese Faktoren spätestens nach wenigen Wochen gegenüber dem Unfallereignis in den Vordergrund getreten sind und wesentliche Ursache für die Aufrechterhaltung der psychischen Probleme und Entwicklung einer Anpassungsstörung (ggf. mit Depression) waren, ergibt sich für den Senat -wie alle Gutachter betont haben -überzeugend auf Basis der anankastisch-ängstlichen Persönlichkeitsstörung des Klägers. Zwar schließt nach der Rechtsprechung eine bestimmte Disposition, bzw. „abnorme seelische Bereitschaft“ die Annahme einer Unfallfolge nicht aus (vgl. BSG, Urteile vom 18.12.1962 – 2 RU 189/59 und vom 09.05.2006 – B 2 U 26/04 R; vgl. Widder/Gaidzik, a.a.O., S. 614). Jedoch geht es hier nicht um die Frage, ob durch den Unfall eine psychische Reaktion hervorgerufen wurde (was unstreitig ist), sondern darum, ob die sich in der Folge entwickelnde Störung immer noch wesentlich durch das Unfallereignis bedingt war. Insofern kann auch eine nicht krankheitswertige Persönlichkeitsstruktur in einem Bedingungsgefüge mit zahlreichen unfallfremden Umständen durchaus als die psychische Störung unterhaltender Faktor wirken (so explizit: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. September 2018 – L 8 U 1128/17, Leitsatz). Das ist hier der Fall.
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Eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften und unsicheren Anteilen (F.61.0) ist zur Überzeugung des Senats im Vollbeweis nachgewiesen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die Persönlichkeitsstörung oder psychische Auffälligkeiten vor dem Unfall nicht ärztlich dokumentiert und damit nicht als Vorerkrankung zu werten sind. Dennoch überzeugt die Einschätzung der Dres. Dusold, Riedinger und Flatten, dass beim Kläger eine solche Störung besteht und bereits -ohne Krankheitswert -vor dem Unfall bestand, da diese -wie Dr. xxx ausführte -entwicklungsbedingt ist (so auch Venzlaff / Foerster/ Dreßing/ Habermeyer, a.a.O., S. 566). Dr. xxx hatte dies mit dem von ihm erhobenen Untersuchungsergebnissen, u.a. der Weitschweifigkeit und dem noch andauernden gedanklichen Befassen mit den Gefahren der Maschine, sowie den von den Vorbehandlern beschriebenen Befunden und der biografischen und v.a. beruflichen Anamnese des Klägers mit deutlicher sozialer Isolierung und fehlendem beruflichen Fußfassen begründet. Auch Dr. xxx schildert überzeugend Symptome einer anankastisch-ängstlichen Persönlichkeitsstörung, wenn er den Kläger bei der Gutachtensuntersuchung mit deutlich zwanghaften Verhaltensmustern mit Gedankenkreisen, am Schädigungsereignis haftenden Gedanken, fehlender Selbststrukturierung, Verlieren in weitläufigen und detailreichen Berichten, Überforderungserleben beschreibt und zusätzlich auf die Berichte der Behandler verweist. Bereits im Juni 2012 hatte Frau Dr. xxx aufgrund einer eingehenden neurologisch-psychiatrischen Untersuchung inklusive testpsychologische Zusatzuntersuchungen (u.a. FPI-Persönlichkeitsfragebogen mit deutlicher Persönlichkeitsakzentuierung) eine Persönlichkeitsstörung mit zwanghaftselbstunsicheren Zügen (F 60.5) diagnostiziert. Dies überzeugt auf Basis der Untersuchungsbefunde, die beim Kläger „große Unsicherheit, übermäßige Zweifel und Vorsicht, ständige Beschäftigung mit Details und Regeln sowie Perfektionismus“, „übermäßige Gewissenhaftigkeit und Skrupellosigkeit, fast Pedanterie und daraus entstehend auch Ängstlichkeit und Selbstunsicherheit“ gezeigt hatten. Die Einschätzung der Gutachter erscheint auch vor dem Hintergrund der Aktenlage überzeugend. So hatte bereits der den Kläger behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. xxx jedenfalls seit Mai 2012 (Befundbericht vom 12.05.2012, der im Gutachten der Dr. xxx zitiert wird) eine anankastische Persönlichkeitsstörung (F 60.5) diagnostiziert. Auch die behandelnden Ärzte des Fachzentrums Bad Kissingen (Reha- Maßnahme vom 11.09. bis 30.10.2012) hatten eine kombinierte Persönlichkeitsstörung anankastisch-ängstlich (F.61) diagnostiziert und dies mit Untersuchungsergebnissen, Verhaltensbeobachtung, Beziehungsanalyse und biografischen Aspekten begründet. Schließlich wurde auch im Abschlussbericht über die teilstationäre Behandlung vom 30.06. bis 21.11.2014 im Bezirksklinikum Regensburg u.a. eine kombinierte Persönlichkeitsstörung diagnostiziert.
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Aus diesem sich immer gleichenden Befunden und Beschreibungen der Gutachter sowie der unfallzeitnahen Behandler ergibt sich zur Überzeugung des Senats mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine anankastisch-ängstliche Persönlichkeitsstörung (F 61) beim Kläger. Demgegenüber vermag das vom Kläger erstinstanzlich vorgelegte fachärztlich-psychiatrische Attest der Tagesklinik des Bezirks Klinikum Regensburg vom 16.07.2018 nicht zu überzeugen. Zum einen wird auch dort eine anankastische Persönlichkeitsakzentuierung bestätigt. Zum anderen misst der Senat den unfallzeitpunktnahen und übereinstimmenden Aussagen durch den Behandler Dr. xxx, die Gutachterin Dr. xxx und die Ärzte am Reha-Zentrum Bad Kissingen (alle aus dem Jahr 2012) sowie aller Gutachter (jeweils nach ambulanter Untersuchung) höhere Bedeutung zu, als einer einzelnen Einschätzung sieben Jahre nach dem Unfall. Auch der Hinweis des Klägers auf eine lange selbstständige Tätigkeit vermag keine andere Beurteilung zu rechtfertigen, da die angenommene Persönlichkeitsstörung dies nicht ausschließt, gerade wenn der Kläger -wie gegenüber xxx angegeben -keine Mitarbeiter hatte.
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Aus den Gutachten ergibt sich schlüssig und übereinstimmend eine wesentliche Bedeutung der Persönlichkeitsstörung des Klägers im Zusammenwirken mit den weiteren (unfallfremden) Belastungsfaktoren für die Entwicklung der Anpassungsstörung aus der akuten Belastungsreaktion. Insbesondere ist Dr. xxx vom Zusammenwirken von Persönlichkeitsstruktur und beruflicher Tätigkeit bei der Fa. … als Ursache ausgegangen. Dr. xxx hat die Persönlichkeitsstörung als Basis der folgenden Anpassungsstörung beschrieben. Dr. xxx hat sowohl die Persönlichkeitsstörung als wesentliche Ursachen der Verbitterungsstörung herausgearbeitet und auch die langandauernden Konflikte mit dem Arbeitgeber betont. Der Abschlussbericht der Reha-Maßnahme im Fachzentrum Bad Kissingen hebt explizit den Zusammenhang zwischen der Persönlichkeitsstruktur des Klägers und der Unfähigkeit, die maßgeblich belastende Konfliktsituation mit dem Arbeitgeber zu beenden, hervor.
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Dies gilt auch angesichts des subjektiv sehr traumatischen Unfallerlebens gerade vor dem Hintergrund, dass -wie Dr. xxx überzeugend ausgeführt hat -bei einem einmaligen traumatischen Ereignis wie hier eine langsame Besserung der Symptomatik und ein Abklingen der akuten Belastungsreaktion nach spätestens vier Wochen zu erwarten wäre (vgl. Schönberger/ Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 152; Venzlaff / Foerster/ Dreßing/ Habermeyer, a.a.O., S. 566), zumal der Kläger bereits zeitnah durch einen Neurologen und Psychiater (Dr. xxx) betreut wurde, nach sechs Monaten einen Therapieplatz hatte und im späteren Verlauf zahlreiche therapeutische Maßnahmen -u.a. stationäre Rehabilitation 2012, teilstationäre Rehabilitation von Juni bis November 2014, verhaltenstherapeutische Behandlung bei Hr. xxx 2014 -stattfanden (vgl. zu diesem Aspekt Widder/ Gaidzek, a.a.O., S. 614, 615). Dass angesichts dessen die Beschwerden nicht abklangen, sondern eher zunahmen, ist wesentlich aus dem fortbestehenden Konflikt mit dem Arbeitgeber und den Sorgen um die Produkthaftung -die beide als unfallfremd zu werten sind -auf dem Boden der Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu erklären.
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Eine andere Einschätzung ergibt sich nicht aus dem vom Kläger erstinstanzlich vorgelegten fachärztlich-psychiatrischen Attest der Tagesklinik des Bezirks Klinikum Regensburg vom 16.07.2018. Dort ist ausgeführt, gewissenhafte, penible Züge, die nur das Ausmaß einer anankastischen Persönlichkeitsakzentuierung erreichten, könnten die aktuelle Beschwerdeproblematik nicht erklären. Dies kann die oben dargelegten Einschätzungen der Gutachter und zeitnahen Behandler nicht widerlegen. Denn eine anankastische Persönlichkeitsakzentuierung wird bestätigt. Zudem wird dort von einer PTBS als Diagnose ausgegangen, was ein wesentlich schwereres Unfallereignis impliziert und damit auch eine andere Einschätzung betreffend das Verhältnis zwischen Schadensanlage und Auslöser bedingt. Der Senat musste sich daher angesichts der übereinstimmenden Gutachtens- und Aktenlage nicht zu weiterer Amtsermittlung gedrängt fühlen.
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Damit sind über die akute Belastungsreaktion hinaus keine Folgen des Arbeitsunfalls vom 12.10.2011 nachgewiesen. Ein Anspruch auf Verletztenrente des Klägers besteht nicht. Die Berufung war daher zurückzuweisen. Rein ergänzend wird ausgeführt, dass auch kein Anspruch auf Feststellung einer PTBS als Unfallfolge bestünde, so dass selbst bei Annahme der Zulässigkeit insoweit die Berufung zurückzuweisen wäre.
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Soweit der Kläger weitere Amtsermittlung im Hinblick auf die bei der Firma … angeblich bestehenden Defizite bezüglich der Arbeitssicherheit, insbesondere zur mangelnden Absturzsicherung an der Baustelle kurz vor dem streitigen Arbeitsunfall begehrt, war dem nicht zu folgen. Denn ein Arbeitsunfall ist bereits anerkannt. Die Frage, ob der Kläger rechtmäßig handelte in seinem Verhalten gegenüber der Firma …mag, für diesen von großer Wichtigkeit sein, ist rechtlich jedoch irrelevant.
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Die Kostenentscheidüng beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG). Dies gilt auch im Hinblick auf die Frage nach einem Beweisverwertungsverbot für die Gutachten der Dres. xxx, xxx und xxx. Insoweit liegt keine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG vor, da die dort (Urteil vom 05.02.2008 – B 2 U 8/07 R, juris Rn. 63) vorgegebenen Kriterien hier zugrunde gelegt wurden, wie oben bereits dargelegt wurde.