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LG Landshut, Endurteil v. 18.12.2020 – 51 O 1487/20
Titel:

Unzulässige Klage wegen Schiedsgerichtsvereinbarung

Normenketten:
ZPO § 1032
BGB § 607, § 823 Abs. 2
Leitsatz:
Die im Rahmen der Darlehehsgewährung geschlossene Schiedsgerichtsvereinbarung umfasst auch den im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus Delikt. (Rn. 6) (Rn. 16 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Schiedsgerichtsvereinbarung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 27.10.2021 – 20 U 301/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 51936

Tenor

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. 

Tatbestand

1
Der Kläger fordert vom Beklagten Ersatz wegen eines Schadens aus Betrug gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB.
2
Die Parteien schlossen am 19.01.2015 einen schriftlichen Darlehensvertrag. Der Kläger verpflichtete sich, dem Beklagten ein Darlehen in Höhe von 200.000 USD zu gewähren. Als Vergütung sollte der Kläger einen bei Rückzahlung des Darlehens fälligen Aufschlag von 125% auf die Darlehenssumme zusätzlich zur Darlehenssumme erhalten. Die Rückzahlung des Darlehens sollte zuzüglich des Aufschlags 3 Tage nach Eingang der Darlehenssumme auf den genannten Konten - erfolgen. Sollte dies nicht der Fall sein, verpflichtete sich der Beklagte vertraglich, das Darlehen zuzüglich 5% Zinsen unverzüglich, spätestens bis zum 10.03.2015 an den Kläger zurückzuzahlen. Falls bis zum 10.03.2015 weder das Darlehen zurückgezahlt, noch der vereinbarte Aufschlag bezahlt worden sei, sollte der Kläger berechtigt sein, den Scheckbetrag von der Bank einzulösen.
3
Als Sicherheit übergab der Beklagte dem Kläger bei Vertragsabschluss einen auf diesen ausgestellten Verrechnungsscheck vom 19.01.2015, bezogen auf ein Konto des Beklagten bei der - über 750.000 - (entsprach damals 165.376,50 €) der vom Beklagten unterzeichnet war.
4
Am 19.01.2015 überwies der Kläger auf die im schriftlichen Darlehensvertrag angegebenen Konten insgesamt 200.00 USD.
5
Der Beklagte zahlte weder den Darlehensbetrag zurück, noch das vereinbarte Aufgeld. Im Juni 2015 legte der Kläger den Scheck deshalb der - zur Zahlung vor. Mangels Deckung wurde der Scheck nicht eingelöst. Es erfolgte keine Zahlung.
6
Im November 2015 übergab der Beklagte dem Kläger 1.000 € in bar auf einem Parkplatz in der Nähe von Landshut. Weitere Rückzahlungen sind nicht erfolgt.
7
Der Beklagte wurde durch die - mit Urteil vom 03.04.2018, rechtskräftig seit dem 28.08.2018, -, unter anderem wegen des streitgegenständlichen Sachverhalts zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Zudem wurde die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 221.087,42 € angeordnet, wobei festgestellt wurde, dass dem Kläger hinsichtlich des Einziehungsbetrages ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 171.087,42 € zusteht.
8
Der Kläger behauptet, der Beklagte habe von vornherein in der Absicht gehandelt, den Betrag in Höhe von 200.000 € für sich zu behalten. Der Beklagte habe gewusst, dass er zur Rückzahlung des Darlehens nicht in der Lage sein würde. Der Beklagte habe gewusst, dass der von ihm hingegebene Scheck weder bei der Hingabe noch in Zukunft gedeckt sein würde.
9
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 180.000 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.03.2015, sowie 1.515,11 € vorgerichtlicher Anwaltskosten zu zahlen.
10
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
11
Der Beklagte erhebt die Einrede des Schiedsvertrages. Er behauptet, das angerufene Landgericht Landshut sei nicht zuständig. Auf Grund der getroffenen Schiedsgerichtsvereinbarung sei die Entscheidung ausschließlich durch ein Schiedsgericht gemäß ICC - Standardklausel - zu treffen. Vorliegender Streitpunkt sei nicht die Leistung von Schadensersatz, sondern die Rückzahlung der Darlehensvaluta. Der behaupteten Verpflichtung des Beklagten liege der Streit über das Zustandekommen und die Abwicklung des Vertrags zugrunde. Mit der behaupteten Schadensersatzforderung werde die Rechtsnatur der eventuellen vertraglichen Anspruchsgrundlage nicht geändert. Im Übrigen handele es sich vorliegend um ein Risikogeschäft des Klägers, er sei nicht Opfer eines Betrugs geworden. Der Darlehensbetrag habe der Echtheitsprüfung des Gemäldes von Raphael „Die Heilige Familie und das Lamm gedient“. Da die Echtheitsprüfung ergeben habe, dass es sich um eine Kopie handele, sei ein verkaufsfähiges Produkt nicht gegeben gewesen. Dies habe außerhalb des Verantwortungsbereichs des Beklagten gelegen. Zudem beruft sich der Beklagte auf Verjährung. Im übrigen wendet der Beklagte ein, die Klage sei unzulässig, weil der Kläger es unterlassen habe, das Verfahren gemäß § 459 j StPO durchzuführen.
12
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Schiedsklausel Ansprüche aus unerlaubter Handlung nicht abdecke. Der Tatbestand der unerlaubten Handlung gehe in bedeutsamen Punkte über den einer Vertragsverletzung hinaus. Die Schiedsabrede sei nicht anwendbar, da der Beklagte von vornherein den Hauptvertrag nicht habe erfüllen wollen, sondern diesen nur betrügerisch ausnutzen wollte. Für solche betrügerischen Pläne und Handlungen, in denen der Vertrag nur Mittel zum Zweck sei, sei die Schiedsabrede nicht einschlägig. Im übrigen seien die Ansprüche nicht verjährt, da der Kläger erst nach dem 25.02.2016 Kenntnis von den, den Anspruch begründeten Umständen erlangt habe. Die Verjährung sei anschließend durch den Mahnbescheid gehemmt worden. Die Klage sei unbeschadet des Einziehungsverfahrens zulässig.
13
Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
14
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15
Die Klage ist unzulässig.
I.
16
Der Beklagte kann gegenüber dem Klagebegehren mit Erfolg die Einrede des Schiedsvertrages erheben. Die geschlossene Schiedsgerichtsvereinbarung umfasst auch den im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Schadensersatzanspruch.
17
Ziffer 6 des streitgegenständlichen Darlehnsvertrags lautet unter der Überschrift „Schiedsgerichtsvereinbarung“ wie folgt:
„Für den Fall, dass zwischen den Parteien dieses Vertrags Streitigkeiten über das Zustandekommen dieses Vertrags oder dessen Inhalt oder Abwicklung aufkommen, vereinbaren die Parteien, dass alle Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht entschieden werden. Schiedsgericht ist ICC Paris. Das Verfahren wird durch das Schiedsgericht nach Deutschem Prozessrecht geführt; Gerichtsstand ist München und Verfahrenssprache ist deutsch.“
18
Ob der streitgegenständliche Sachverhalt von dieser Klausel erfaßt wird, ist durch Auslegung zu ermitteln. „Eine Schiedsvereinbarung erfasst im Zweifel auch deliktische Anspruchsgrundlagen (in Anspruchskonkurrenz mit vertraglichen). Dies gilt jedoch nicht insoweit, als die unerlaubte Handlung sich nicht mit der Vertragsverletzung deckt. Im Zweifel werden zu Lasten des Geschädigten zukünftige Vorsatztaten von der Schiedsklausel nicht bindend erfasst, d.h. der Geschädigte kann nach seiner Wahl vor dem staatlichen Gericht oder vor dem Schiedsgericht klagen. Von der Schiedsvereinbarung nicht erfasst werden also Tathandlungen, die - bei Würdigung des Sachverhalts als einheitlichem Lebensvorgang - der Vertragsverletzung zeitlich vorgelagert sind oder ihr nachfolgen“ (Zöller, ZPO, 32. Auflage, § 1029 Rn 80, m.w.N.).
19
Vorliegend ist bereits nach dem Wortlaut der Vereinbarung zweifelhaft, ob nur vertragliche Ansprüche von der Vereinbarung erfasst sein sollen. Es heißt zwar zunächst, dass die Vereinbarung getroffen wird für den Fall, dass zwischen den Parteien dieses Vertrags Streitigkeiten über das Zustandekommen dieses Vertrags oder dessen Inhalt oder Abwicklung aufkommen. Andererseits heißt es dann auch, dass für diesen Fall, alle Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht entschieden werden. Für den Fall besagter Streitigkeiten ist die Zuständigkeit bereits vom Wortlaut her nicht nur auf vertragliche Streitigkeiten beschränkt.
20
Vertraglich hat sich der Beklagte zur Rückzahlung des Darlehns an den Kläger verpflichtet. Aufgrund Zeitablaufs ist der Rückzahlungsanspruch vorliegend auch fällig, so dass dem Kläger grundsätzlich der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehns unter Abzug der bezahlten 1.000,- €, somit in der mit der Klage geltend gemachten Höhe gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zusteht. Die Geltendmachung dieses Anspruchs vor dem Landgericht ist dem Kläger jedoch aufgrund der Schiedsgerichtsvereinbarung verwehrt. Aus diesem Grund begehrt der Kläger nunmehr unter Bezugnahme auf das strafgerichtliche Urteil die Rückzahlung des Darlehnsbetrages aus der deliktischen Anspruchsgrundlage des § 823 BGB i.V.m. § 263 StGB mit der Behauptung, der Beklagte habe bereits bei Vertragsabschluss in der Absicht gehandelt, den Darlehnsbetrag nicht an den Kläger zurückzuzahlen. Dies stellt letztendlich nach Auffassung des Gerichts eine Umgehung der Schiedsgerichtsvereinbarung dar.
21
Auch unter Berücksichtigung der oben zitierten Kommentarmeinung sowie der von Klägerseite angeführten Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG JW 1918, 263) und des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 24.11.1964- VI ZR 187/63) steht nach Auffassung des Gerichts die Einrede des Schiedsvertrages der Zulässigkeit der Klage entgegen. Der Entscheidung des Reichsgerichts lag -im Gegensatz zum vorliegenden Verfahreneine vereinbarte Schiedsgerichtsklausel zugrunde, die sich ausdrücklich auf Streitigkeiten „aus dem Vertragsverhältnis“ bezog. „Das Reichsgericht hat seine Entscheidung hinsichtlich des Eingreifens der Schiedsgerichtsklausel darauf abgestellt, ob sich die der Beklagten zur Last gelegte unerlaubte Handlung tatbestandlich mit einer Vertragsverletzung deckte. Dies ist verneint worden, weil die Beklagte nach den Klagebehauptungen den Hauptvertrag von vornherein nicht erfüllen, sondern betrügerisch ausnutzen wollte, weil sie dabei in fortdauernder Schädigungsabsicht handelte und zur Zweckerreichung unwahre Gerüchte ausstreute, deren Verbreitung nicht ohne weiteres mit einer Vertragsverletzung gleichbedeutend war. Das Reichsgericht hat ausgeführt, hiernach handele es sich um selbständige Unrechtstaten; der Tatbestand der unerlaubten Handlung, so wie er behauptet sei, gehe in bedeutsamen Punkten über den einer Vertragsverletzung hinaus“ (so BGH, NJW 1965,300). Die Vertragsverletzung im vorliegenden Fall liegt in der Nichtrückzahlung des Darlehns nach Eintritt der Fälligkeit. Die vom Kläger behauptete unerlaubte Handlung liegt in der von vorneherein beabsichtigten Nichtrückzahlung des Darlehns. Dies geht aber nicht in bedeutsamen Punkten über eine Vertragsverletzung hinaus bzw. geht nicht soweit darüber hinaus, dass eine Nichtanwendung der Schiedsgerichtsvereinbarung als zwischen den Parteien gewollt gesehen werden kann.
22
Die Klage war daher bereits mangels Zulässigkeit abzuweisen.
II.
23
Der Kostenentscheidung liegt § 91 ZPO zugrunde. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt dem Klageantrag, § 3 ZPO.