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VG Bayreuth, Urteil v. 29.09.2020 – B 5 K 20.324
Titel:

Beihilfefähigkeit eines Aufenthalts in einer Privatklinik, Behandlung nicht gruppierbar nach dem DRG-Fallpauschalenkatalog

Normenkette:
BayBhV § 28 Abs. 1 und 2
Schlagworte:
Beihilfefähigkeit eines Aufenthalts in einer Privatklinik, Behandlung nicht gruppierbar nach dem DRG-Fallpauschalenkatalog
Fundstelle:
BeckRS 2020, 51667

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Festsetzung einer weiteren Beihilfe für den Aufenthalt in einer privaten Tinnitusklinik.
2
Die Klägerin ist Beamtin in Diensten des Beklagten und zu einem Bemessungssatz von 50 Prozent beihilfeberechtigt. Vom 02.07.2019 bis einschließlich 06.08.2019 verbrachte sie insgesamt 36 Tage zur vollstationären Behandlung einer depressiven Erschöpfung (ICD-Kennung F32) und Somatisierungsstörung (F45) mit auch dramatischen Einsprengseln, eines dekompensierten Tinnitusleidens (H93.1) sowie einer Innenohrschwerhörigkeit beidseits (H90.3) in der privaten Tinnitusklinik Dr. … in B. A. Für Aufenthalt und Unterbringung in der Klinik wurden ihr unter dem 08.08.2019 insgesamt 15.660,00 EUR in Rechnung gestellt (36 x Tagessatz in Höhe von 435,00 EUR gemäß GOÄ Ziffer 9000). Auf der Homepage der Tinnitusklinik findet sich eine Kostenübernahmeinformation mit dem Hinweis: „Da in der stationären psychosomatischen Behandlung kein Vergleichssatz existiert, ist die neurootologische und psychosomatische Behandlung der Tinnitus-Klinik Dr. H. am ehesten mit der „sog. „Multimodalen Schmerztherapie“ zu vergleichen. Diese hat die DRG-Kennziffer U42B bzw. B47A und wird im Klinikum K. mit einem Tages-Pflegesatz abgerechnet.“
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Mit Beihilfeantrag vom 14.08.2019 machte die Klägerin diese Rechnung gegenüber der Beihilfestelle geltend. Mit Bescheid vom 21.08.2019 wurde von den 15.660,00 EUR ein Betrag in Höhe von 6.333,36 EUR als beihilfefähig anerkannt und demgemäß in Anwendung des Bemessungssatzes von 50 Prozent eine Beihilfe in Höhe von 3.166,68 EUR gewährt. Hinsichtlich des verbleibenden Betrages wurde der Antrag auf Beihilfegewährung abgelehnt. Begründet wurde dies damit, dass bei Privatkliniken bei Indikationen, die bei einer Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus nach § 28 Abs. 1 der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV) vom DRG-Fallpauschalenkatalog erfasst wären, die allgemeinen Krankenhausleistungen bis zum Betrag aus dem Produkt der oberen Korridorgrenze des Basisfallwertes gemäß § 10 Abs. 9 des Krankenhausentgeltgesetzes mit der Bewertungsrelation gemäß Teil A des DRG-Fallpauschalenkataloges beihilfefähig seien.
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In der Multiplikation der oberen Korridorgrenze des Basisfallwertes 2019 von 3.633,60 EUR mit der Bewertungsrelation 1,743 ergebe sich der als beihilfefähig anerkannte Betrag.
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Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.10.2019).
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Mit am 25.11.2019 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Klage erhoben (Aktenzeichen B 5 K 19.1128) und beantragt,
1.
den Beihilfefestsetzungsbescheid der Beklagten vom 21.08.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2019 aufzuheben und
2.
die Beklagte zu verpflichten, eine weitere Beihilfe in Bezug auf den Krankenhausaufenthalt der Klägerin in der Tinnitusklinik Dr. H. B. A. in Höhe von 4.663,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu gewähren.
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Der Klägerin stehe ein weiterer Beihilfeanspruch zu; gemäß Art. 96 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) i.V. m. § 28 Abs. 2 S. 1 BayBhV und § 7 Abs. 1 S. 1 BayBhV seien Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie medizinisch notwendig und der Höhe nach angemessen seien und ihre Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen sei.
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Mit Schriftsatz vom 03.12.2019 teilte das Landesamt für Finanzen (LfF) für den Beklagten mit, dass eine Neubewertung des Falles ergeben habe, dass die Beihilfe nun nach § 28 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 lit. a) BayBhV berechnet werden könne; also unter Ansatz eines Tagessatzes von 324,63 EUR. Damit errechne sich für die 36 Tage Aufenthalt in der Tinnitusklinik eine Nachzahlung in Höhe von 2.676,66 EUR.
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Ein entsprechender Teilabhilfebescheid erging unter dem 14.01.2020.
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In Höhe der Nachzahlung von 2.676,66 EUR erklärte die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.03.2020 den Rechtsstreit für erledigt.
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Im Hinblick auf den noch ungedeckten Betrag in Höhe von 1.995,66 EUR werde der Klageantrag nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit aufrechterhalten.
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Mit Beschluss vom 31.03.2020 hat das Gericht das Verfahren insoweit abgetrennt, als die Klägerin unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheides vom 21.08.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2019 weitere Beihilfeleistungen in Höhe von 1.995,66 EUR begehrt und das Verfahren unter dem neuen Aktenzeichen B 5 K 20.324 fortgeführt. Das Verfahren B 5 K 19.1128 wurde eingestellt.
13
Hinsichtlich des Verfahrens B 5 K 20.324 haben das Landesamt für Finanzen für den Beklagten unter dem 27.05.2020 und die Klägerin unter dem 28.05.2020 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
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Zu den weiteren Einzelheiten wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung über die Verwaltungsstreitsache entscheiden.
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2. Die Klage ist sachgerecht gem. § 88 VwGO nach dem erkennbaren Klageziel dahingehend auszulegen, dass die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 1.995,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit begehrt und die Aufhebung des Beihilfebescheids vom 21.08.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2019 und des Änderungsbescheids vom 14.01.2020, soweit sie dem entgegenstehen.
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3. Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer weiteren Beihilfe für die geltend gemachten Rechnungspositionen anlässlich ihrer Behandlung in der Tinnitusklinik Dr. H. Der Beihilfefestsetzungsbescheid vom 21.08.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2019 und des Bescheids vom 14.01.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO).
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Nach Art. 96 Abs. 1, Abs. 5 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) i.V.m. den Vorschriften der BayBhV werden Beihilfen zu den beihilfefähigen Aufwendungen der beihilfeberechtigten Personen gewährt. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Für Krankenhausaufenthalte bestimmt sich die Beihilfefähigkeit nach § 28 BayBhV. Demnach ist zwischen Krankenhäusern, die nach § 108 des Sozialgesetzbuchs, Fünftes Buch (SGB V) zugelassen sind (§ 28 Abs. 1 BayBhV) und sonstigen Krankenhäusern zu unterscheiden (§ 28 Abs. 2 BayBhV). Innerhalb dieser Vorschrift differenziert das Gesetz wiederum zwischen Indikationen, die bei einer Behandlung in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus vom DRG-Fallpauschalenkatalog erfasst wären (§ 28 Abs. 2 Satz 1 BayBhV) und allen anderen Indikationen (§ 28 Abs. 2 Satz 3 BayBhV).
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Daran gemessen hat die Klägerin keinen Anspruch auf weiterreichende Beihilfeleistungen, als die von dem Beklagten bereits gewährten.
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a) Vorab ist festzustellen, dass jedenfalls der beantragte Betrag in Höhe von 1.995,66 EUR zu hoch angesetzt ist. Ausgehend vom Rechnungsbetrag in Höhe von 15.660,00 EUR und einem Beihilfebemessungssatz von 0,5 wären 7.830,00 EUR die maximal denkbare Gesamtbeihilfe. Abzüglich der bereits seitens des Beklagten geleisteten Beträge in Höhe von 3.166,68 EUR (Beihilfebescheid vom 21.08.2019) und 2.676,68 EUR (Bescheid vom 14.01.2020) ergibt sich damit ein verbleibender Betrag von 1.986,66 EUR. Die beantragte Summe ist mithin jedenfalls zu hoch angesetzt.
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b) Auch hinsichtlich des Betrags von 1.986,66 EUR hat die Klägerin aber keinen Anspruch auf weitere Beihilfeleistungen.
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Da die Tinnitusklinik Dr. H. als Privatklinik nicht nach § 108 SGB V zugelassen ist, richtet sich die Beihilfefähigkeit der von der Klägerin geltend gemachten Leistungen nach § 28 Abs. 2 BayBhV. Im Bescheid vom 21.08.2019 sowie im Widerspruchsbescheid vom 24.10.2019 ging der Beklagte noch von einer Beihilfegewährung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BayBhV aus. Hintergrund dessen ist folgendes: Für die Bewertung, ob bzw. welche DRG-Fallpauschale für eine Diagnose einschlägig ist, wird in der Regel ein zertifizierter, EDVbasierter „Grouper“ eingesetzt (abrufbar z.B. unter https://www.drg-research-group.de/ index.php? option=com_webgrouper& view=webgrouper& Itemid=112). Dieser ordnet anhand der Schlussdiagnose(n) die erfolgte Behandlung der entsprechenden DRG-Kennung zu, falls eine solche existiert (vgl. zum Prozess der Zuordnung in Bezug auf die Vorgängervorschrift BayVGH, U.v. 25.2.2019 - 14 B 17.2493 - juris Rn. 41 f. m.w.N.); ansonsten lautet das Ergebnis „nicht gruppierbar“.
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Vorliegend hat sich die Beihilfestelle ausweislich der Fußnote f0 zum Bescheid vom 21.08.2019 zur Einordnung der Diagnose zunächst auf die Angabe der Tinnitusklinik Dr. H. auf deren Homepage gestützt. Dort ist unter „Kostenübernahmeinformation“ angegeben, die neurootologische und psychosomatische Behandlung der Klinik sei am ehesten mit der „Multimodalen Schmerztherapie“ gem. DRG-Kennziffer U42B bzw. B47A zu vergleichen.
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Hieran hat der Beklagte im Beihilfefestsetzungsbescheid zunächst angeknüpft und (rechnerisch richtig) einen beihilfefähigen Betrag in Höhe von 6.333,36 EUR errechnet, worauf dann der Bemessungssatz in Höhe von 50 Prozent angewandt wurde. Diese Berechnungsweise wurde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens weiterhin aufrecht erhalten.
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Bei der Überprüfung der Beihilfefestsetzung im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens ist der Beklagte dann zu dem Ergebnis gekommen, es handle sich um eine „andere“ Indikation im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 3 BayBhV, dass also auf die Diagnose der Klägerin weder der angesetzte, noch ein sonstiger DRG-Schlüssel anwendbar sei. Demgemäß lag der Teilabhilfeentscheidung vom 14.01.2020 eine Berechnung dergestalt zu Grunde, dass der unter § 28 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 a) BayBhV genannte Betrag (324,63 EUR) mit der Anzahl der vollstationären Tage multipliziert, und vom demnach zu leistenden Gesamtbeihilfebetrag (11.686,68 EUR x 0,5 = 5.843,34 EUR) die bereits geleisteten 3.166,68 EUR abgezogen wurden. Rechenfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
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c) § 28 BayBhV regelt abschließend die Beihilfefähigkeit für Krankenhausleistungen. Soweit sich hiernach keine Beihilfefähigkeit ergibt, ist ein Rückgriff auf sonstige allgemeine Beihilfevorschriften nicht möglich. Weil die Diagnosen der Klägerin F32, F45, H93.1 und H90.3 im DRG-Fallpauschalenkatalog nicht gruppierbar sind, hat die Beihilfestelle zurecht auf eine Berechnung nach § 28 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 a) BayBhV abgestellt und diese korrekt durchgeführt.
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Daher sind die angegriffenen Bescheide im Ergebnis rechtmäßig, die Klägerin ist durch die Ablehnung ihres weitergehenden Beihilfeantrags nicht in ihren Rechten verletzt und die Klage insgesamt unbegründet.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegende Beteiligte hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch den Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.