Inhalt

LG München II, Urteil v. 18.12.2020 – 1 Ks 31 Js 47130/18
Titel:

Verurteilung zu lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe wegen Mordes und wegen Störung der Totenruhe 

Normenkette:
StGB § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 57b, § 73 Abs. 1, § 168 Abs. 1, § 211, § 212
Leitsätze:
1. Kann sich das Gericht nicht mit ausreichender Sicherheit die Überzeugung bilden, dass innerhalb eines Motivbündels die Habgierelemente bei der Ausführung eines Tötungsdelikts eindeutig „bewusstseinsdominant“ waren, können habgierähnliche Motive iVm weiteren Umständen zur Annahme von niedrigen Beweggründen führen. (Rn. 588 – 595) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird die Asche eines Verstorbenen nicht nur über einen längeren Zeitraum in einer Wohnung aufbewahrt, sondern wird ein Teil der Asche in ein Kissen gefüllt und auf diesem sexuelle Handlungen zur Selbstbefriedigung vorgenommen, stellt dies ein grob ungehöriges, die Menschenwürde des Verstorbenen missachtendes Verhalten und damit objektiv ein Verüben beschimpfenden Unfugs iSd § 168 Abs. 1 Alt. 2 StGB dar. (Rn. 599 – 601) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Versuch der Angeklagten, einen Bekannten zu falschen Angaben dahingehend anzustiften, dass das Mordopfer zusammen mit ihm sein Geld in Bulgarien beim Glücksspiel und bei Prostituierten ausgegeben hätte, überschreitet die Grenzen zulässiger und angemessener Verteidigung und stellt zugleich ein das Ansehen des Verstorbenen beschädigendes, verleumderisches Verhalten dar. (Rn. 616) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die nach dem Mord von der Angeklagten bezogene monatliche Hinterbliebenenrente stellt einen durch die Tat erlangten Vermögenswert iSd § 73 Abs. 1 StGB dar (insoweit aufgehoben durch BGH BeckRS 2021, 31095). (Rn. 623 – 625) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mord, Heimtücke, Habgier, niedrige Beweggründe, besondere Schwere der Schuld, Störung der Totenruhe, Insulin, Morphium, Einziehung von Hinterbliebenenrente
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 11.08.2021 – 1 StR 253/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 51657

Tenor

I. Die Angeklagte S6., Ek. Di., geboren am 23.05.1971, übrige Personalien wie erhoben, ist schuldig des Mordes in Tatmehrheit mit Störung der Totenruhe.
II. Sie wird deswegen zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.
III. Es wird die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
IV. Gegen die Angeklagte wird die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 27.186,00 € als Wertersatz angeordnet.
V. Die Angeklagte wird verurteilt,
1. an die Nebenklägerin H8. Sch., D.weg 13d, 2… H1., ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 5.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 21.11.2020 zu bezahlen und
2. an die Nebenkläger Co. Sc., J2. Sc. und Ph. Sc., alle wohnhaft A.weg 17, 8… M., jeweils ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 7.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 21.11.2020 zu bezahlen.
VI. Es wird festgestellt, dass die Ansprüche aus Ziffer V. auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhen.
VII. Es wird festgestellt, dass die Angeklagte verpflichtet ist, den Nebenklägern H8. Sch., Co. Sc., J2. Sc. und Ph. Sc. sämtliche künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus den in Ziffer I. abgeurteilten Straftaten zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.
VIII. Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, die notwendigen Auslagen der Nebenkläger sowie die besonderen gerichtlichen Kosten des Adhäsionsverfahrens und die den Nebenklägern dabei entstandenen notwendigen Auslagen.
Angewandte Vorschriften:
§§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Gr. 1 Alt. 4, Gr. 2 Alt. 1, 168 Abs. 1 Alt. 1 und Alt. 2, 53, 73 Abs. 1, 73c S.1 StGB Inhaltsverzeichnis

Entscheidungsgründe

A. Vorbemerkung
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Die Angeklagte tötete in der Nacht vom 7.8. auf den 8.8.2018 ihren schlafenden Ehemann, in dem sie ihm Insulin und anschließend Morphium injizierte. Durch die Tat wollte sie zum einen drohende finanzielle Nachteile einer Trennung und Scheidung von ihrem Ehemann vermeiden und zum anderen „freie Bahn“ haben, um das nicht unerhebliche Vermögen eines von ihr gepflegten hochbetagten Mannes an sich bringen zu können. Die Angeklagte hat die Tatbegehung bestritten und die Tat als Suizid ihres an Depressionen leidenden Ehemanns dargestellt. Die Kammer hat sich insbesondere aufgrund der Beweisergebnisse zu den verwendeten Tatmitteln und der Aussagen zweier Mitinsassinnen, denen die Angeklagte während der Untersuchungshaft den Tatablauf schilderte und deren Inhalt in zentralen Bereichen Täterwissen beinhaltete, welches durch nachträgliche Ermittlungen objektiv bestätigt wurde, von der Täterschaft und dem Tathergang überzeugt und wegen Mordes in Tatmehrheit mit Störung der Totenruhe auf eine lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe mit Feststellung der besonderen Schuldschwere erkannt.
B. Persönliche Verhältnisse
I. Allgemeine Entwicklung
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Die heute 49- jährige Angeklagte wurde am 23.5.1971 in Pl., Bulgarien, geboren. Ihr Vater übte ohne abgeschlossenes Jurastudium eine Tätigkeit ähnlich eines Anwalts aus, war später Inhaber eines Bekleidungsgeschäfts und kaufte und verkaufte Wohnungen. Er verstarb 1999. Die Mutter der Angeklagten war als Musikerin und Musiklehrerin tätig. Sie verstarb 2011 bei einem Verkehrsunfall. Aus der ersten Ehe ihrer Mutter hat die Angeklagte eine zehn Jahre ältere Halbschwester.
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Die Angeklagte wuchs in Bulgarien in ihrer Geburtsstadt Pl. auf. Die Eltern der Angeklagten trennten sich, als die Angeklagte sechs Monate alt war. Bis zu ihrem siebten Lebensjahr lebte sie aufgrund der Berufstätigkeit ihrer Mutter überwiegend bei den Großeltern mütterlicherseits. Dort kam es durch einen Onkel, der sich eine Zeit lang häufig bei den Großeltern aufhielt, zu körperlichem und auch sexuellem Missbrauch. Anschließend lebte die Angeklagte wieder zusammen mit ihrer Halbschwester bei ihrer Mutter. Zu ihrem Vater, der weiterhin in Pl. lebte, hatte sie regelmäßig Kontakt.
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Ab ihrem dritten Lebensjahr besuchte die Angeklagte den Kindergarten. Die Einschulung erfolgte mit sechs oder sieben Jahren. Nach drei Jahren Grundschule besuchte sie von der vierten bis zur achten Klasse die Hauptschule, wo es vor allem in der fünften und sechsten Klasse zu körperlichen Übergriffen von Mitschülern wegen ihres westlichen Kleidungsstils kam. Wegen ihrer guten schulischen Leistungen wechselte die Angeklagte für die neunte und zehnte Klasse auf ein Gymnasium, welches sie im Juli 1989 mit der Matura abschloss.
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Anschließend arbeitete sie für ein Jahr als Bibliothekarin und Sekretärin im Rathaus Kr.. Von 1990 bis 1993 absolvierte sie im medizinischen Institut in Pl. eine Ausbildung zur Krankenschwester und war danach bis März 1996 als Krankenschwester an der Universitätsklinik für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin in Pl. tätig. Nebenbei arbeitete sie zeitweilig als Verkäuferin im Bekleidungsgeschäft ihres Vaters. Auf dessen Wunsch begann sie zudem 1995 ein berufsbegleitendes Jurastudium an einer Privatuniversität, brach dieses jedoch nach zwei Semestern ab.
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Im März 1996 zog die Angeklagte nach Deutschland an den T.see und arbeitete von April bis September 1996 als Krankenschwester in der Dr. M-Klinik in Kr.. Von Oktober 1996 bis April 2014 war sie als Altenpflegerin im KWA Stift R.hof in R.-E. tätig. Berufsbegleitend absolvierte sie von 1998 bis 2001 in M. eine Fortbildung zur Stationsleitung. Wegen Unregelmäßigkeiten bei der Medikamentengabe und der verbotenen Lagerung von Medikamenten in ihrem Arbeitsspind wurde die Angeklagte 2009 und 2013 von ihrem Arbeitgeber schriftlich abgemahnt. Am 12.2.2014 kündigte ihr der R.hof wegen Fehlverhaltens während ihres Nachtdienstes (Schlafen im Zimmer einer Bewohnerin, Vorausfüllen des Tourenplans) außerordentlich. Der von der Angeklagten daraufhin angestrebte Arbeitsgerichtsprozess endete mit einem Abfindungsvergleich.
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Von Mai 2014 bis Februar 2015 arbeitete die Angeklagte für einen privaten Pflegedienst. Seit April 2015 war sie in Teilzeit im ambulanten Pflegedienst der Diakonie T.seer Tal tätig. Zusätzlich kümmerte sie sich spätestens seit 2016 entgeltlich um den ebenfalls am S1.platz in T.see wohnhaften R1. R2., geboren am 26.01.1927, der an Demenz und Parkinson erkrankt ist.
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An ihrer ersten deutschen Arbeitsstelle, der Dr. M-Klinik, lernte die Angeklagte den dort tätigen Krankenpflegehelfer Fl. Ro. kennen und heiratete ihn am 5.8.1997. Mit diesem hat sie zwei gemeinsame Kinder, den am 15.12.1999 geborenen Ph. Ro. und die am 23.10.2002 geborene L1. Ro. Im Dezember 2007 trennte sie sich von ihrem Ehemann und zog an den S1.platz 2 in T.see. Grund für die Trennung war unter anderem das schlechte Verhältnis zwischen der Angeklagten und ihrer ebenfalls in T.see wohnhaften Schwiegermutter An. Os. Letztere argwöhnte, die Angeklagte habe es auf das Vermögen der Familie Ro./Os. abgesehen, und versuchte, durch die Enterbung ihres Sohnes und die Verwaltung von dessen Pflichtteil am Erbe seines Vaters einen Zugriff der Angeklagten darauf zu verhindern. Aufgrund der Berufstätigkeit der Angeklagten wuchsen ihre Kinder seit der Trennung überwiegend bei ihrer Großmutter An. Os. auf. Von 2003 bis 2010 unterhielt die Angeklagte eine außereheliche Affäre mit dem acht Jahre jüngeren Mu. Ju.. Die Scheidung von Fl. Ro. erfolgte Ende 2011.
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Seit 10.5.2007 besitzt die Angeklagte die deutsche Staatsbürgerschaft.
II. Beziehung zum Geschädigten
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Anfang Januar 2011 lernte die Angeklagte über eine Partnerschaftsvermittlung den 14 Jahre älteren Wa. Ul. Hu. H2.-Gottfried S6. (im Folgenden: H2. S6.), geboren am 10.12.1957, kennen. Dieser zog kurze Zeit später zu ihr nach T.see, wo beide im November 2011 die Wohnung Nr. 118 in der Wohnanlage S1.platz 2 zu einem Kaufpreis von 149.000 € (Teilung des Kaufpreises; je hälftiges Miteigentum) kauften und bezogen. Am 21.11.2013 heirateten sie standesamtlich.
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H2. S6. hatte mit seiner früheren Lebensgefährtin C1. Sc. drei Kinder (Ph. Sc., geboren ...1999, J2. Sc., geboren ...2001, und Co. Sc., geboren ...2004), die bei ihrer Mutter in M. lebten und zu denen er während seiner Beziehung zu der Angeklagten regelmäßigen Kontakt durch gegenseitige Besuche und gemeinsame Unternehmungen pflegte.
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Seit einem schweren Verkehrsunfall mit Schädel-Hirn-Trauma im Alter von 19 Jahren litt H2. S6. unter Kniebeschwerden, fehlender Belastbarkeit in Stresssituationen und zeitweiligen depressiven Episoden aufgrund eines chronischen organischen Psychosyndroms. Wegen dadurch aufgetretener Schwierigkeiten bei der Ausübung seines Berufs als Augenarzt wurde er 2007 als berufsunfähig eingestuft und bezog seitdem eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von etwa 5.000 € (unter Abzug der an seine Kinder geleisteten Unterhaltszahlungen).
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Am 26.8.2015 schlossen der Angeklagte und H2. S6. einen notariellen Ehe- und Erbvertrag, in dem H2. S6. seiner Ehefrau das hälftige Miteigentum an der Ehewohnung Nr. 118 für 65.000 € übertrug und die Angeklagte ihm für den Fall der Scheidung ein Nießbrauchrecht an der in ihrem Eigentum stehenden Wohnung Nr. 32, in derselben Wohnanlage gelegen, einräumte. Zugleich setzte H2. S6. die Angeklagte als Alleinerbin ein, während diese ihre beiden Kinder als Erben einsetzte und H2. S6. den Verzicht auf seinen Pflichtteil erklärte.
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H2. S6. besaß zu Beginn der Beziehung mit der Angeklagten ein Konto- und Anlagevermögen von mindestens 210.000 € sowie das hälftige Miteigentum an einem zusammen mit seiner Lebensgefährtin C1. Sc. erworbenen Grundstück in Mu. Aus dem 2013 auf Initiative der Angeklagten erfolgten Verkauf des Grundstücks erhielt H2. S6. einen Anteil von 185.000 €. Im August 2018 war auf den Konten des H2. S6. kein nennenswertes Guthaben mehr vorhanden. Auch besaß er weder in Deutschland noch in Bulgarien eingetragenes Immobilienvermögen (mit Ausnahme von Nutzungsrechten an zwei bulgarischen Wohnungen der Angeklagten, s.u. Ziff. III.). Eine während der Ehe zu hälftigem Miteigentum mit der Angeklagten erworbene Eigentumswohnung in Pl. wurde im Januar 2018 an die Freundin der Angeklagten, L3. H3., verkauft. Am selben Tag erwarb die Angeklagte mit dem Verkaufserlös eine andere Eigentumswohnung in Pl. als Alleineigentümerin (s.u. Ziff. III.). Der Verbleib des Vermögens des Geschädigten kann aufgrund der Vielzahl von Barabhebungen und -einzahlungen auf den verschiedenen Konten des Ehepaars und der vielfachen Vermögentransfers nach Bulgarien in Einzelheiten nicht mehr genau nachvollzogen werden. Insgesamt übertrug H2. S6. der Angeklagten während ihrer Beziehung Vermögen im Wert von circa 300.000 €.
III. Wirtschaftliche Verhältnisse
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Die Angeklagte, die seit der Tat bis zu ihrer Inhaftierung krankgeschrieben war, verdiente zuletzt bei der Diakonie circa 1.500 € im Monat. Für die Pflege von R1. R2. erhielt sie monatlich das Pflegegeld von 475 €, den Lohn als angemeldete geringfügig Beschäftigte in Höhe von 450 €, weitere 3.000 - 5.000 € in bar sowie seit November 2018 eine Warmmiete von 1.000 € für die Mitnutzung der Wohnung Nr. 118. Aus der Vermietung von sieben Eigentumswohnungen und zehn Tiefgaragenstellplätzen im Wohnkomplex S1.platz 1-3 in T.see erzielte die Angeklagte vor ihrer Inhaftierung zuletzt monatliche Kaltmieten in Höhe von circa 3.600 €. Vom 30.8.2018 bis 30.3.2020 bezog sie eine monatliche Witwenrente von 1.359,30 €.
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Das Vermögen der Angeklagten besteht vorrangig aus Immobilien. Neben acht Eigentumswohnungen (Gesamtfläche: 416 qm) und zehn Tiefgaragenstellplätzen im Wohnkomplex S1.platz 1-3 in T.see, aus deren Finanzierung noch Kreditschulden in Höhe von circa 430.000 € bestehen, ist die Angeklagte derzeit Eigentümerin dreier Wohnungen in Pl. in Bulgarien. An zwei während der Ehe mit H2. S6. erworbenen Wohnungen (J-Sa.-Str. 2, Nr. 15 u. Nr. 20) erhielt H2. S6. notariell ein Nutzungsrecht eingeräumt. Die dritte, noch im Bau befindliche Wohnung (S3. Str. 4) kaufte die Angeklagte im Januar 2018 und finanzierte den Kaufpreis durch den gleichzeitigen Verkauf einer im Miteigentum mit H2. S6. stehenden Wohnung (J-Sa.-Str. 2 Nr. 24) an ihre Freundin L3. H3.. Eine vierte, von der Angeklagten vor der Ehe mit H2. S6. erworbene Wohnung (J-Sa.-Str. 2, Nr. 16) wurde 2019 verkauft.
IV. Krankheiten
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1. Im Rahmen von körperlichen Auseinandersetzungen in der Schule kam es zu mehreren Stürzen auf den Kopf, in deren Folge die Angeklagte kurz bewusstlos wurde und auch einmal für 2-3 Tage im Krankenhaus behandelt werden musste. Bleibende Schäden hieraus sind nicht bekannt.
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Im Jahr 2012 wurde bei der Angeklagten als Zufallsbefund bei der Bildgebung im hinteren Kopfbereich eine asymptomatische kapilläre Teleangiektasie (Ansammlung von erweiterten Gefäßkapillaren) festgestellt.
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2. Die Belastung durch die Versorgung der Kinder und des Haushalts einerseits und der Nachtschichtarbeit als Altenpflegerin andererseits führten 2002/2003 bei der Angeklagten zu Schlafstörungen, die bis heute anhalten und derentwegen sie seitdem regelmäßig Medikamente einnimmt.
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Nach zwei vorzeitig abgebrochenen ambulanten Psychotherapien erfolgte im März 2012 auf Anraten ihres Ehemanns eine stationäre Behandlung in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität M., wo die Diagnosen Benzodiazepinabhängigkeit, Alkoholmissbrauch, mittelgradig depressive Episode und psychogene Schlaflosigkeit gestellt und die Angeklagte mit dem Antidepressivum Mirtazapin behandelt wurde.
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Seitdem erfolgten keine weiteren psychiatrischen oder psychologischen Behandlungen. Die Verschreibung der Schlafmittel und Medikamente gegen depressive Verstimmungen erfolgte bei Bedarf über den Allgemeinarzt.
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Im Jahr 2018 nahm die Angeklagte bis zur streitgegenständlichen Tat täglich abends Seroquel (Wirkstoff Quetiapin) und ggf. zusätzlich das Schlafmittel Stilnox (Wirkstoff Zolpidem). Nach der Tat nahm sie zusätzlich zu Seroquel in hoher Dosierung das Antidepressivum Venlafaxin ein. Auch in der Untersuchungshaft erhält die Angeklagte Medikamente gegen Depressionen und Schlafstörungen.
V. Suchtmittel
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Die Angeklagte ist langjährige Raucherin und raucht etwa zehn Zigaretten am Tag. Sie konsumierte noch nie Drogen. In den letzten Jahren vor der Inhaftierung trank sie gelegentlich Alkohol in geringen Mengen (ein halbes bis ein Glas Rotwein oder Wodka mit Gin-Tonic).
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Die Angeklagte nimmt seit vielen Jahren regelmäßig Schlaf- und Beruhigungsmitteln ein. Eine Einnahme entgegen ärztlicher Verordnung erfolgte in der Zeit zwischen der Tat und der Inhaftierung, als die Angeklagte teils die Antidepressiva Seroquel und Venlafaxin in hohen Dosierungen mischte.
VI. Vorstrafen
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Die Angeklagte ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.
VII. Untersuchungshaft
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Die Angeklagte wurde am 6.2.2019 vorläufig festgenommen und befindet sich seitdem in dieser Sache aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts München vom 17.1.2019, Gz. ER III Gs 383/19, in Untersuchungshaft, zunächst bis 24.5.2019 im der Justizvollzugsanstalt M.-St., vom 24.5.2019 bis 18.9.2020 in der Justizvollzugsanstalt Aichach und seit 18.9.2020 erneut in der Justizvollzugsanstalt M.-St..
C. Sachverhalt
I. Vorgeschichte
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Gegen Ende 2017 nahmen die Probleme in der Beziehung zwischen der Angeklagten und ihrem Ehemann H2. S6. zu. H2. S6., der von der Angeklagten im Laufe der Beziehung bereits finanziell im Wesentlichen übervorteilt worden war, störte sich vermehrt an deren Fürsorge und Pflege für den 90-jährigen R1. R2., dessen nicht unerhebliches Vermögen die Angeklagte ebenfalls an sich zu bringen versuchte. Die Angeklagte hingegen fühlte sich durch ihren Ehemann zunehmend eingeengt und wollte, um mehr Freiraum zu haben, erreichen, dass dieser aus der gemeinsamen Wohnung Nr. 118, Am S1.platz 2, 8… T1., ausziehen und in demselben Wohnkomplex in die bis dahin von ihr vermietete Wohnung Nr. 309 ziehen würde. Eine Trennung und Scheidung kam für die Angeklagte nicht in Betracht, da sie den damit verbundenen Ärger und die drohenden finanziellen Nachteile, insbesondere durch drohende Rückforderungsansprüche ihres Ehemanns wegen erfolgter Zuwendungen an sie, vermeiden wollte.
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Am 31.12.2017, einen Tag nach dem 60. Geburtstag von H2. S6., kam es zwischen der Angeklagten und ihrem Ehemann zu einer lautstarken Auseinandersetzung, in der dieser ihr vorhielt, sich zu wenig um ihn und seine Gäste, sondern nur um ihre, von ihm nicht eingeladenen, bulgarischen Bekannten zu kümmern. Auch warf er ihr vor, dass für sie nur Geld zähle, er bereits keines mehr habe, die Ehewohnung Nr. 118 auch seine Wohnung sei und er sie sich wieder zurückholen werde.
II. Tatplan und Vorbereitungshandlungen
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Der Streit am 31.12.2017 führte der Angeklagten eindringlich vor Augen, dass H2. S6. nicht willens war, sich von ihr in eine separate Wohnung „abschieben“ und sich als Ehemann - zugunsten eines größeren Freiraums für sich und für ihr Vorhaben, verstärkt an das Vermögen von R1. R2. zu gelangen - auf „Sparflamme“ setzen zu lassen. Sie fasste daher Anfang 2018 den Plan, für den Fall, dass es ihr in der Folgezeit durch Androhung von Trennung und ggf. durch verstärkte Medikation nicht gelänge, ihren Ehemann wieder unter ihre Kontrolle zu bringen, diesen zu töten und die Tat durch die Verwendung von Insulin möglichst als natürlichen Tod, erforderlichenfalls durch die zusätzliche Verwendung von Morphium als Suizid wirken zu lassen.
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Zu diesem Zweck beschaffte sich die Angeklagte anlässlich ihres Aufenthaltes in Bulgarien im Januar 2018 Humaninsulin und das synthetische Insulin Aspart, dies zumindest teilweise mit retardiertem Wirkungsanteil, sowie drei 1ml-Ampullen Morphium des bulgarischen Herstellers ..., die aus einer Charge stammten, welche zwischen Januar und Oktober 2017 an unterschiedliche bulgarische Kunden, auch im Raum Pl., ausgeliefert worden war.
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Im ersten Halbjahr 2018 renovierte die Angeklagte ihrem Eventualplan entsprechend die als Wohnung für H2. S6. vorgesehene spätere Tatwohnung Nr. 309, versuchte, die Androhung von Trennung als Druckmittel gegenüber ihrem Ehemann einzusetzen und initiierte im Mai dessen Arztwechsel zu Dr. N in B. W.see in der Hoffnung, dass durch eine geänderte bzw. stärkere Medikation ihr Ehemann wieder „unter Kontrolle zu bekommen“ sei.
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Im Laufe des Juli 2018 realisierte die Angeklagte jedoch, dass sie ihren Ehemann nicht ohne Umsetzung ihres Tötungsplans unter hinreichender Kontrolle in ihrem Sinne halten könne.
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Insbesondere bemerkte sie, dass sich der Kontakt von H2. S6. zu seiner Schwester H8. Sch. in den letzten Monaten, vor allem durch ein Familientreffen im Schwarzwald Anfang Juli 2018, deutlich verbessert und intensiviert hatte, was für die Angeklagte besorgen ließ, dass ihr Ehemann ihrer Kontrolle entgleiten und sich wegen der verstärkt empfundenen Beziehungs- und finanziellen Probleme seiner Schwester, die von Beruf Rechtsanwältin ist, anvertrauen könnte.
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Gleichzeitig verschlechterte sich Mitte 2018 der depressive Zustand von H2. S6., so dass er sich am 20.7.2018 von Dr. N1. eine Notfalleinweisung für die psychiatrische Abteilung des Krankenhauses Agatharied geben ließ. Während der Angeklagten der verstärkt depressive Zustand zur Untermauerung der hilfsweise geplanten Suizidthese für ihre Tat einerseits entgegen kam, befürchtete sie andererseits, dass ihr Ehemann im Falle einer stationären Behandlung ihrer Kontrolle entgleiten und dortigen Behandlern sowie gegebenenfalls Besuchern über die verstärkt empfundenen Beziehungs- und finanziellen Probleme berichten könnte.
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Spätestens Ende Juli 2018 beschloss die Angeklagte daher, ihren Tötungsplan mit dem Insulin und (erforderlichenfalls) dem noch bis einschließlich August 2018 haltbaren Morphium aus Bulgarien umzusetzen, und suchte im Anschluss an die Abfassung fast inhaltsgleicher Patientenverfügungen durch sie, ihren Ehemann und R1. R2. am 26.7.2018, (mit dem jeweiligen Wunsch, nicht „autopsiert“ und verbrannt zu werden), nach einem passenden Zeitpunkt für die Tatausführung.
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Ihre angestrebten Ziele, denen sie absoluten Vorrang vor dem Lebensrecht des H2. S6. einräumte, waren dabei, „freie Bahn“ zu haben, um sich intensiver R1. R2. zuzuwenden und dessen nicht unerhebliches Vermögen an sich bringen zu können. Gleichzeitig wollte sie die bei einer Trennung und Scheidung von ihrem Ehemann drohenden finanziellen Nachteile, insbesondere durch Rückforderungsansprüche hinsichtlich des von H2. S6. an sie ehebedingt übertragenen Vermögens im Wert von etwa 300.000 €, durch dessen etwaigen güterrechtlichen Ansprüche aus während der Ehe erworbenen bulgarischen Immobilienbesitz und durch die Belastung mit einem Nießbrauchrecht infolge des Ehevertrages, vermeiden und durch die Einverleibung des verbleibenden Vermögens sowie durch den Bezug einer hohen Witwenrente so viel wie möglich von dessen Ableben profitieren.
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Während H2. S6. am 6.8.2018 mit seinem Sohn J2. S4. eine Tagestour unternahm, meldete die Angeklagte, ohne Wissen ihres Ehemanns, mittels zuvor besorgter Doppelkarten bei der Zulassungsstelle die bislang auf ihn laufenden Fahrzeuge Mazda MX5 und Audi sowie den erst am 31.7.2018 von ihr wieder auf ihn umgetragenen Porsche auf sich um, um die noch verbleibenden Wertgegenstände ihres Ehemann aus einer etwaigen Erbmasse zu nehmen. Die Tatausführung sollte nach der Rückfahrt von J2. Sc. in der folgenden Nacht vom 7.8. auf den 8.8.2018 erfolgen.
III. Unmittelbares Tatgeschehen
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Am Abend des 7.8.2018 aßen die Angeklagte und ihr Ehemann zusammen mit R1. R2. in der ehelichen Wohnung Nr. 118, S1.platz 2 in 8… T1., zu Abend und tranken Alkohol, unter anderem Bier und Wodka, auf dem Balkon. Die von H2. S6. konsumierte Trinkmenge lässt sich nicht mehr näher feststellen, der Geschädigte war angeheitert bis angetrunken.
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Nachdem die Angeklagte gegen 20 Uhr R1. R2. in dessen Wohnung zu Bett gebracht hatte, wechselten beide auf Initiative der Angeklagten, um eine Tatbegehung in der Ehewohnung zu vermeiden, in die Wohnung Nr. 309 im gleichen Anwesen. Dort vollzogen sie auf Vorschlag der Angeklagten, die dadurch ihren Ehemann in einen vollkommen arglosen Gemütszustand versetzen wollte, den Geschlechtsverkehr.
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Im Anschluss hieran gab die Angeklagte ihrem Ehemann unter wahrheitswidriger Vorspiegelung, es handele sich um das ihm verordnete Antidepressivum Seroquel (Wirkstoff Quetiapin), Tabletten des Schlafmittels Noctamid 2 mg (Wirkstoff Lormetazepam) in unbekannter Dosierung, um einen möglichst tiefen Schlaf herbeizuführen.
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Die von ihr zielgerichtet herbeigeführte Tiefschlafsituation nutzte die Angeklagte bewusst aus, um H2. S6. zwischen etwa 22 und 24 Uhr in dessen Oberschenkel eine erste Insulininjektion zu setzen. Nicht mehr näher feststellbar ist, wie oft und welche Insulinmenge und -mischung die Angeklagte dem Geschädigten im Laufe der Nacht injizierte. Fest steht jedoch, dass sie ihm sowohl Humaninsulin wie auch das schnell wirkende synthetische Insulin Aspart, dies zumindest teilweise mit retardiertem Wirkungsanteil, subkutan oder intramuskulär in erheblichen Mengen verabreichte.
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Die Angeklagte beabsichtigte, durch die Zuführung von Insulin den Blutzuckerspiegel des nicht an einer Diabeteserkrankung leidenden Geschädigten soweit zu senken, dass dieser in einen hyperglykämischen Schock gerät und an den Folgen der schweren Unterzuckerung verstirbt.
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Die Angeklagte, die über Stunden immer wieder nachsah, ob ihr Tatplan zum tödlichen Erfolg führte, kam spätestens vor Tagesanbruch zwischen ca. 4 und 5 Uhr morgens, als der Geschädigte handlungsunfähig, aber noch am Leben war, zu dem Entschluss, nun das bereits in ihren Tatplan als weiteres Tatmittel aufgenommene Morphium zusätzlich einzusetzen, um ein sicheres Ableben vor dem mit ihrer Tochter geplanten Treffen am Vormittag zu erreichen.
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Zu diesem Zweck verabreichte die Angeklagte dem Geschädigten in der später unter dem Bett aufgefundenen 20ml - Einwegspritze den Inhalt von drei Ampullen Morphin mit insgesamt 60 mg Wirkstoff. Dabei wählte sie statt einer intravenösen, eine subkutane bzw. intramuskuläre Injektion durch ein Muttermal am linken Oberschenkel des Geschädigten, um ein Entdecken der Einstichstelle zu erschweren und um hilfsweise eine Selbstbeibringung durch den Geschädigten in suizidaler Absicht plausibel erscheinen zu lassen.
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Der Geschädigte verstarb schließlich nach einer ca. 4- bis 6- stündigen Agoniephase am Morgen des 8.8.2018 zwischen 9 und 9.30 Uhr infolge der Intoxikation von Insulin und Morphin.
IV. Nachtatverhalten
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Nachdem die Angeklagte den sicheren Tod ihres Ehemanns festgestellt hatte, holte sie um 9.42 Uhr ihre Tochter L1. bei ihrer Schwiegermutter in T.see ab und fuhr mit ihr, wie geplant, zur Post, um eine Harfe für diese abzuholen.
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Anschließend fuhr sie gegen 10.20 Uhr mit R1. R2. zum Orthopädiefachgeschäft Krenn nach R.-E.. Entweder auf der Fahrt dorthin oder auf dem Rückweg entsorgte sie, um die Tötung zu verschleiern, bei dem auf der Strecke liegenden Lidl-Markt im dortigen Abfall die Tatmittel (Insulinpens und Morphiumampullen, deren bulgarischen Herstelleretiketten sie zuvor entfernt hatte) mit Ausnahme der für das Morphium verwendeten Einwegspritze. Die Spritze hatte sie zu diesem Zeitpunkt aus der Ablebenswohnung Nr. 309 entfernt, aber für den Fall einer etwaigen Nichtannahme eines natürlichen Todes durch den Leichenschauer zur hilfsweisen Untermauerung einer Suizidthese in der Wohnung Nr. 118 aufbewahrt.
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Nachdem die Angeklagte R1. R2. gegen 11 Uhr wieder in seine Wohnung gebracht hatte, beschloss sie, nun die erforderliche ärztliche Leichenschau durch Verständigung des ihren Ehemann zuletzt behandelnden Hausarztes Dr. N1. herbeizuführen. Unvorhergesehener Weise kam der Angeklagten um 11.16 Uhr ein Anruf der Zeugin T2., Buchhalterin der bulgarischen Immobilienfirma ... M1, wegen der Rückbuchung einer fehlerhaften Überweisung dazwischen. Während des knapp zwei Minuten dauernden Telefonats erwähnte die Angeklagte nichts von dem Tod ihres Ehemanns, sondern wickelte das Gespräch sachlich ab.
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26 Sekunden später wählte sie mehrfach die Hausarztpraxis Dr. N1. in B. W.see an und erhielt um 11.20 Uhr die Auskunft, dass Dr. N1. beschäftigt sei und sie doch den Notarzt verständigen solle. Die Angeklagte beharrte jedoch auf ein Kommen von Dr. N1., da sie hoffte, dieser werde möglichst ohne Einschaltung der Polizei einen natürlichen Tod, hilfsweise einen Suizid bescheinigen. Als langjährige Krankenschwester, welche aufgrund ihrer früheren Tätigkeit in einem Seniorenwohnstift häufiger mit Ablebensfällen befasst war, wusste sie, dass Ärzte, die den Patienten zuvor nicht behandelt haben, bei der Leichenschau erfahrungsgemäß eher zum Ankreuzen einer unaufgeklärten Todesursache neigen, was regelmäßig polizeiliche Ermittlungen zur Folge hat, welche sie vermeiden wollte. Auch eine Verständigung des am Ort befindlichen früheren Hausarztes Dr. K1. kam für die Angeklagte nicht in Betracht, da dieser von den zunehmenden Beziehungsproblemen bis zu dem von ihr im Mai 2018 initiierten Wechsel zu Dr. N1. wusste und sich zu kritisch gegenüber ihren Wünschen nach anderer Medikation für ihren Ehemann gezeigt hatte.
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Nachdem der um etwa 13 Uhr eingetroffene Arzt Dr. N1. der Angeklagten erklärt hatte, dass schon wegen der in Betracht zu ziehenden Möglichkeit eines Suizids die Polizei verständigt werden müsse, holte die Angeklagte, während Dr. N1. vor der Wohnanlage auf die Polizei wartete, die für das Morphin verwendete Einwegspritze aus der Ehewohnung Nr. 118 und platzierte diese in der Tatwohnung so unter dem Bett, dass diese nicht auf den ersten Blick sichtbar war. Gegenüber den polizeilichen Ermittlern betonte sie die wiederholten Selbstmordgedanken ihres Ehemanns, erwähnte jedoch die Spritze nicht, sondern nannte als mögliches Suizidmittel Tabletten des Antidepressivums Seroquel. Sie hoffte, dass die Polizei mangels sichtbarer Anhaltspunkte für eine Fremdeinwirkung ohne weitere Ermittlungen, insbesondere ohne Veranlassung einer Obduktion, von einem Suizid ausgehen würde. Die unter dem Bett platzierte Spritze sollte nur für den Fall einer Obduktion und dem so drohenden Nachweis einer Überdosis Morphium als Erklärung für einen Suizid mittels Morphiuminjektion dienen. Die Angeklagte ging hierbei davon aus, dass das Fehlen des unmittelbaren Suizidmittels (Spritze) am Tatort im Falle weitergehender Ermittlungen einen gegen sie gerichteten Tatverdacht begründen würde.
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In den Tagen nach der Tat war die Angeklagte bestrebt, Personen, die kritische Nachfragen stellen könnten, möglichst spät, größtenteils erst nach der bereits am 14.8.2018 erfolgten Einäscherung des Leichnams zu verständigen, da sie hoffte, dass ein Nachweis der verwendeten Substanzen dann nicht mehr möglich sein würde. So führte sie am 9.8.2018 nachmittags ein 13-minütiges Gespräch mit der Zeugin M4., einer bulgarischen Freundin, ohne ihr etwas von dem Tod ihres Ehemanns zu berichten. Auch weigerte sie sich am 10.8.2018 zunächst, ihre Schwägerin vom Tod ihres Ehemanns zu verständigen, und verlor in dem später auf Drängen der Kinder des Geschädigten geführten Telefonat bei einer kritischen Nachfrage der Schwester die Fassung und schleuderte das Telefon weg.
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Am 9.8.2018 schrieb sie einen an „R1.“ (gemeint ist R1. R2.) gerichteten handschriftlichen Brief, in dem sie ihm mitteilte, nicht mehr für ihn sorgen zu können, wenn sie „im Knast“ sei.
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Bereits einen Tag nach der Einäscherung des Geschädigten, am 15.8.2018, holte die Angeklagte ihrem Tatplan entsprechend R1. R2. zu sich in die Wohnung, um in der Folge an möglichst viele Vermögenswerte von ihm zu gelangen. Dabei schreckte sie auch nicht davor zurück, sich den über 90-Jährigen durch sexuelle Dienste gefügig zu halten.
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Noch im August 2018 veranlasste die Angeklagte über die von R1. R2. getrenntlebende Ehefrau J3. R2. die Kündigung von dessen Mietwohnung am S1.platz zum 30.11.2018 und neben der Bezahlung für die Pflege eine monatliche Mietzahlung von 1.000 € an sie. Zugleich machte sie gegenüber R1., J3. und deren gemeinsamen Sohn K2. R2. geltend, dass der Pflegebedarf größer geworden sei und sie faktisch eine 24 Stunden/7 Tage --Pflege leiste, und forderte deutlich mehr Geld hierfür.
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Um Zugriff auf weitere Geldbeträge zu erlangen, schlug die Angeklagte R1. R2. nacheinander vor, dass sein vermögender Sohn ihm 500.000 € auf sein faktisch unter ihrer Kontrolle stehendes Konto überweisen solle, dass dieser sein hälftiges Hauseigentum am ehelichen Anwesen in O. abkaufen solle oder seine Frau J3. R2. in den Verkauf einer weiteren ihnen zusammen gehörenden Eigentumswohnung in O. einwilligen solle. Diese Vorschläge stießen bei K2. und J3. R2. jedoch alle auf Ablehnung.
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Am 8.11.2018 erwarb die Angeklagte das im Eigentum von R1. R2. stehende Apartment Nr. 18 in der Wohnanlage S1.platz in T.see deutlich unter dem Marktpreis und holte sich den von ihr am 4.12.2018 auf das Konto von R1. R2. eingezahlten Kaufpreis in Höhe von 60.000 € innerhalb von zwei Tagen mit diversen Verschleierungshandlungen wieder zurück. So schloss sie mit R1. R2. am 2.12.2018 einen Darlehensvertrag über 60.000 €, dessen Rückzahlung durch Verrechnung mit den monatlichen Pflegekosten (angesetzter monatlicher Wert: 3.000 €, ab 1.12.2019: 5.000 €) erfolgen sollte. Am 4.12.2018 schloss sie mit R1. R2., der zu dem Zeitpunkt keinen Führerschein mehr besaß, einen Kaufvertrag über den ihr als Erbin des Geschädigten zugefallenen Mazda MX5 für 20.000 € und überwies am 6.12.2018 vom Konto des R1. R2. 20.000 € mit entsprechendem Verwendungszweck auf ihr Konto zurück. Am selben Tag hob sie zusammen mit R1. R2. 40.000 € in bar von dessen Konto ab, übergab dieses in einer Tasche ihrem Ex-Ehemann Fl. Ro. und bat diesen, unter dem Vorwand, sie habe ihre EC-Karte verloren, den Betrag auf sein Konto einzuzahlen und es anschließend auf ein Konto von ihr in Bulgarien zu überweisen.
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Gegenüber den pflichtteilsberechtigten Kindern des Geschädigten behauptete die Angeklagte in den Monaten nach der Tat, dass keine Erbmasse vorhanden sei. Insbesondere erwähnte sie nicht die von dem Geschädigten an sie geleisteten Zuwendungen während der Ehe und den von ihr in Bulgarien während der Ehe erworbenen Immobilienbesitz, von dem sie annahm, dass den Kindern hieran nach bulgarischem Recht Ansprüche zustünden. In einem Telefonat Anfang Februar 2019 instruierte die Angeklagte ihren -auch intimenBekannten S11. B4., bei Nachfragen nach dem Verbleib des Geldes des Geschädigten wahrheitswidrig anzugeben, dass der Geschädigte sein Geld zusammen mit ihm in Bulgarien beim Glücksspiel und bei Prostituierten ausgegeben hätte.
V. Tatgeschehen im Zusammenhang mit der Asche des Geschädigten
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Zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt nach dem 14.8.2018 (Einäscherung von H2. S6.) und vor dem 6.2.2019 (Inhaftierung der Angeklagten) begab sich die Angeklagte nachts auf den Friedhof an der S.straße in T.see zum Urnengrab des Geschädigten H2. S6. Mit einem eigens hierzu mitgeführten Akkuschrauber entfernte sie die Grabplatte, hebelte gewaltsam den Metalldeckel der Urne auf und entnahm dieser die Asche. Anschließend verbrachte sie die Asche in ihre Wohnung, wo sie einen kleinen Teil der Asche in ein Glasgefäß gab, welches sie mit der Aufschrift „H2.“ versah und in ihrer Wohnung aufbewahrte. Den weiteren Teil der Asche füllte sie in den Bezug eines Kopfkissens, legte dieses in ihr Bett und befriedigte sich auf diesem mindestens einmal selbst, um diesen so zum Objekt ihrer Belustigung zu machen.
D. Beweiswürdigung
I. Zu den persönlichen Verhältnissen
59
Die Feststellungen der Kammer zur allgemeinen Entwicklung der Angeklagten sowie zu ihren Krankheiten und Suchtmitteln beruhen weitgehend auf der insoweit glaubhaften Einlassung der Angeklagten in der Hauptverhandlung, belegt und ergänzt durch die unter Ziffer II. 2. näher dargelegten Ausführungen ihres früheren Hausarztes Dr. K1., des psychiatrischen Sachverständigen Dr. L2. und des toxikologischen Sachverständigen Prof. Dr. M5.
60
Bei den Feststellungen zur Tätigkeit der Angeklagten beim KWA Stift R.hof, insbesondere zu den Gründen der Kündigung, folgte die Kammer nicht der Einlassung der Angeklagten, dass sie zu Unrecht „rausgemobbt“ worden sei, sondern den Angaben der Zeugin B-T, die seit 2012 das Seniorenstift leitet und glaubhaft und ohne Belastungseifer von den unter ihrem Vorgänger und unter ihrer Leitung aufgetretenen, schriftlich dokumentierten Problemen mit der Angeklagten berichtete.
61
Die Feststellungen zum schlechten Verhältnis der Angeklagten zu ihrer Schwiegermutter An. Os. und deren Vorkehrungen gegen einen Zugriff auf das Familienvermögen beruhen auf den Angaben der Schwägerin G7. L6. bei ihrer polizeilichen Vernehmung, eingeführt durch die Vernehmungsbeamtin KHK’in Ut. (s.u. Ziff. II. 2. a.).
62
Die Feststellungen zum Lebenslauf des Geschädigten folgen aus den Angaben der Angeklagten und der familiären Umfeldzeugen des Geschädigten C1., Ph. und J2. Sc. sowie H8. Sch. Auf die Feststellungen zur Vermögensentwicklung des Geschädigten wird im Rahmen der Beweiswürdigung zum Sachverhalt näher eingegangen, da diese in engem inhaltlichen Zusammenhang zur Vorgeschichte und Tatmotivation stehen (s.u. Ziff. II. 3. c., d.).
63
Die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben der Angeklagten, belegt und - soweit die Angeklagte angab, sich an Details nicht erinnern zu können - ergänzt durch die Angaben des Zeugen T3. zu den Finanzauswertungen (s.u. Ziff. II. 2. a.) und der Zeugin L3. H3. die für die Angeklagte deren Immobilien in Bulgarien verwaltete (s.u. Ziff. II. 2. a.).
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Die Feststellung, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, folgt aus der in der Hauptverhandlung verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 18.5.2020, deren Inhalt die Angeklagte als zutreffend bestätigte.
II. Zum Sachverhalt
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Die Kammer gewann ihre Überzeugung hinsichtlich des festgestellten Sachverhalts aus den unter Ziffer 2. einzeln dargelegten und unter Ziffer 3. zusammenfassend gewürdigten Ergebnissen der durchgeführten Beweisaufnahme. Die Angeklagte bestritt die Tötung des Geschädigten und stellte dessen Tod als Suizid dar. Lediglich die spätere Entnahme der Asche aus der Urne räumte sie ein.
1. Einlassung und frühere Aussagen der Angeklagten
a. Einlassung in der Hauptverhandlung
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Zur Beziehung zum Geschädigten und zur Vorgeschichte gab die Angeklagte an, dass sie beim Geschädigten Liebe, Schutz und Halt gesucht habe. Sein Geld habe sie nicht gebraucht, da sie bereits vor der Ehe mit Eigentumswohnungen in Bulgarien und in T.see selber finanziell sehr gut „dagestanden sei“. H2. sei der beste Mann in ihrem Leben, sowohl in körperlicher als auch in intellektueller Hinsicht, gewesen. Ihre Ehe sei zu 80 Prozent glücklich gewesen. Lediglich zu 20 Prozent hätte es Schwankungen aufgrund komischer Launen von H2. („Die Welt ist scheiße.“, „“Juden wollen mein Geld.“) gegeben. Die von ihr 2018 renovierte Wohnung Nr. 309 sei von ihr lediglich als Ausweichwohnung gedacht gewesen und von ihnen beiden ab 21.7.2018, nach Auszug einer Kurzzeitmieterin, zum Lesen oder Fernsehen genutzt worden, da ihre gemeinsame Wohnung Nr. 118 sehr klein und eng gewesen sei.
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Zum eigentlichen Tatvorwurf des Mordes (Kerngeschehen) ließ sich die Angeklagte in der Hauptverhandlung wie folgt ein:
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Sie gab an, dass sie am Abend des 7.8.2018 zusammen mit dem Geschädigten und R1. R2. in ihrer Wohnung Nr. 118 gegessen und Alkohol getrunken hätte. Ihrer Erinnerung nach habe H2. während des Essens Bier und anschließend auf dem Balkon Wodka getrunken. Gegen 19.30 Uhr habe sie R1. R2. in seine Wohnung gebracht und sei nach circa einer halben Stunde zu ihrem Ehemann zurückgekehrt. Nachdem es tagsüber sehr heiß gewesen und am frühen Abend das Wetter umgeschlagen sei, wäre, wie häufig, auch die Laune ihres Ehemannes in Unzufriedenheit und Gereiztheit umgeschlagen. Er habe beispielsweise beklagt, dass ihm sein Bruder fehle und dass er ohne seinen Unfall Professor geworden wäre. Sie habe versucht, ihn durch Erinnerungen an vergangene und geplante Reisen aus diesem Stimmungstief zu holen. Gemeinsam hätten sie dann Lust auf Sex entwickelt und seien dazu in ihre frisch renovierte Wohnung Nr. 309 (Tatwohnung) gegangen. Zur Begründung des „Ortswechsels“ gab sie auf Nachfrage an, dass H2., seit sie im Jahr 2012 eine Zeit lang unter Mordverdacht (in anderer Sache) gestanden habe und in diesem Zusammenhang ihre Telefone abgehört sowie ihre Wohnung durchsucht worden seien, gedacht habe, dass in ihrer Ehewohnung Kameras und Wanzen versteckt seien. Sie selbst habe dies nicht geglaubt und diese Gedanken der psychischen Erkrankung ihres Mannes zugeschrieben.
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Nach dem Geschlechtsverkehr sei sie in die Wohnung Nr. 118 gegangen, um eine Schlaftablette zu nehmen, habe nochmals nach R1. R2. geschaut und sei erneut hoch in die Wohnung Nr. 309 gegangen. Dort habe sie jedoch nicht einschlafen können und sei wieder in die Wohnung Nr. 118 zurückgekehrt, wo sie schließlich gegen 23 bzw. 24 Uhr eingeschlafen sei.
70
Am Morgen des 8.8.2018 sei sie gegen 7 bzw. 7.30 Uhr aufgewacht, habe sich circa eine halbe Stunde um R1. R2. in dessen Wohnung gekümmert und sei dann gegen 8 bzw. 8.30 Uhr nach oben in die Wohnung Nr. 309 gegangen, um mit ihrem Ehemann Kaffee zu trinken. Aus einer Entfernung von zwei bis drei Metern habe sie anhand der gleichmäßigen Bewegungen seines Gesichts und der Decke sowie anhand der normalen Atemgeräusche festgestellt, dass er schlafe. Sie habe ihn schlafen lassen und sei zurück in die Wohnung Nr. 118, um sich für ihre Verabredung mit ihrer Tochter L1. fertig zu machen. Diese habe sie gegen 9.30 Uhr bei ihrer Oma abgeholt und sei mit ihr zur Post nach T.see gefahren, um eine Harfe abzuholen. Nachdem sie ihre Tochter wieder bei der Oma abgesetzt hätte, sei sie auf Bitte von R1. R2. mit diesem zu einem Sanitärgeschäft nach R.-E. gefahren und gegen 10.30 bzw. 11 Uhr wieder zum S1.platz zurückgekehrt. Dort habe sie R1. R2. noch eine Tablette gegeben und sei anschließend hoch in die Wohnung Nr. 309 gegangen, um nach ihrem Ehemann zu sehen.
71
Anhand der fehlenden Bewegungen der Bettdecke habe sie bereits aus der Entfernung festgestellt, dass H2. nicht mehr atme. Sie sei dann zum Bett gegangen, habe seinen Puls gemessen und keinen feststellen können. Er hätte erbrochen gehabt. Der Körper sei warm gewesen. Für sie sei klar gewesen, dass er tot sei. Ihr erster Gedanke sei gewesen, es sei vielleicht das Herz gewesen.
72
Anschließend habe sie gleich ihren Hausarzt Dr. N1. angerufen, wie sie das von den Sterbefällen bei der Diakonie oder im R.hof kenne. Hierfür sei sie in die Wohnung Nr. 118 gegangen, da sie schon seit ihrer Kindheit beim Anblick von Leichen Angst und Ekel empfinde. Bei ihrem ersten Anruf in der Praxis habe sie mit der Sprechstundenhilfe Desi (De. Re.) gesprochen und sie um dringenden Rückruf des Arztes gebeten. Als dieser nicht erfolgt sei, habe sie nochmals angerufen und ihr gesagt, dass ihr Mann tot sei. Es könne sein, dass Desi sie zunächst an den Notruf verwiesen habe. Das habe für sie jedoch keinen Sinn gemacht, da jemand, der länger als fünf Minuten tot sei, nicht mehr zurückgeholt werden könne. Außerdem habe H2. immer Angst gehabt, nach einem Suizidversuch auf der Intensivstation aufzuwachen, und ihr deshalb verboten, ihn zu reanimieren.
73
Nach dem zweiten Telefonat mit der Praxis Dr. N1. habe sie sich mehrmals übergeben müssen. Nach einer gefühlten Ewigkeit des Wartens sei dann Dr. N1. gekommen, und sie sei mit ihm zusammen in die Wohnung Nr. 309 gegangen. Er habe ihr gesagt, man müsse die Polizei benachrichtigen, was sie nicht gewollt habe, da ihr Mann in seiner kurz vorher erstellten Patientenverfügung eine Obduktion abgelehnt habe. Ob sie dies Dr. N1. so erklärt habe, wisse sie nicht mehr.
74
Vor dem Haus hätten sie und Dr. N1. anschließend sehr lange auf die Polizei gewartet. Mit den Polizisten seien sie dann erneut in die Wohnung Nr. 309 gegangen, und eine Polizistin hätte ihr in der Küche Fragen gestellt. Ihr habe sie gesagt, dass eine Schachtel Seroquel Tabletten fehle.
75
Auf Nachfrage der Kammer, warum die Angeklagte bereits am 8.8.2018 auch einen Suizid in Betracht gezogen habe, gab diese an, dass H2. am Vorabend von Suizid gesprochen hätte. Er habe von „Scheiß Kinder“ und „Scheiß 18“ geredet und sich dabei über seine Kinder, die nur kämen, um was zu holen, und über das Jahr 2018 beklagt. Sinngemäß habe er geäußert, dass das Jahr 2018 bereits mit Herzproblemen angefangen habe, er nicht mehr leben, sondern zu seinem Bruder wolle, da nur dieser ihn richtig verstanden habe, und er seinen Frieden wolle.
76
Auf Nachfrage der Kammer, warum sie diesen Gesprächsinhalt nicht zuvor bei ihrer Schilderung des Vorabends erwähnt habe, gab die Angeklagte an, dass ihr Ehemann fast ein ganzes Jahr von Suizidgedanken „gesponnen“ habe und sie das nicht mehr ernst genommen hätte.
77
Später führte sie aus, dass H2. bereits 2015 bzw. 2016, während seiner Abnehmkur, angefangen habe, „durchzudrehen“ und seitdem häufig von Suizid gesprochen und sich Gedanken über die einzelnen Suizidmethoden gemacht habe. Er sei auf Morphium fixiert gewesen, da sein eigener Vater zum Schluss Morphium erhalten habe, und habe sogar berechnet, welche Menge er für sein Körpergewicht benötigte, etwa 150 mg. Auch habe er zu Insulin tendiert und gemeint, dass 100-200 Einheiten reichen müssten, um sich umzubringen. Schließlich habe er ihr auch mal gedroht, mit dem Motorrad gegen einen Baum zu fahren oder sich vor einen Zug zu werfen. Sie hätten dann darüber gesprochen, gemeinsam Suizid zu begehen. Die Angeklagte habe ihn gebeten, damit noch zu warten, bis ihre Kinder volljährig seien. Als Suizidmittel habe die Angeklagte für sich Kalium bevorzugt.
78
Ihr Ehemann habe sich die Morphiumampullen und Insulinpens selbst besorgt. Zu den Morphiumampullen habe er ihr berichtet, dass er sie im Jahr 2016 bei einem Aufenthalt in Pa. Ba. in Bulgarien von einem irakischen Gast als Empfehlung gegen seine Rücken- und Knieschmerzen erhalten habe. Die Ampullen hätten anschließend in ihrer gemeinsamen Wohnung in einer Schublade gelegen. Da mal eine „Razzia“ bei ihnen gewesen sei (Anm.: gemeint ist eine Wohnungsdurchsuchung im Rahmen eines anderen Ermittlungsverfahrens wegen Mordes im Jahr 2012), habe sie zu einem späteren Zeitpunkt, an den sie sich nicht genauer erinnere, die Aufkleber von den Morphiumampullen entfernt, und, damit man die Dosierung noch wisse, in einen Kalender geklebt. Die später in ihrer Wohnung gefundenen Insulinpens habe ihr Mann ihr 2015 oder 2016 gezeigt. Sie habe sie damals in eine Swarovskischatulle gelegt und weggeräumt. Da sie die Morphiumampullen seit März/April 2018 nicht mehr gesehen habe und sie die Insulinpens verräumt wusste, sei für sie das Thema „Suizid mit Morphium und Insulin“ erledigt gewesen. Daher habe sie, zumal unter Schock, diese Informationen nach dem Auffinden ihres Mannes nicht an Dr. N1. oder an die Polizeibeamten weitergegeben und zunächst an einen Suizid mit Tabletten gedacht.
79
Auf Nachfrage der Kammer, ob ihr eine Spritze unter dem Bett aufgefallen sei, gab die Angeklagte an, dass sie, ihrer Erinnerung nach, die Spritze zusammen mit Dr. N1. gesehen und sie den Polizeibeamten gezeigt habe. Sie erinnere sich nicht, sie berührt zu haben. Was sie dazu gedacht habe, wisse sie nicht mehr. Sie sei unter Schock gestanden und ihre Erinnerungen seien nur noch lückenhaft.
80
Auf Nachfrage zu ihren Telefonverbindungsdaten und der zu diesem Zeitpunkt bereits eingeführten polizeilichen Aussage der Zeugin T2. gab die Angeklagte an, sich nicht an ein Telefonat mit Bulgarien bzw. der Firma ... kurz vor ihrem ersten Anruf bei der Praxis Dr. N1. erinnern zu können. Sie sei unter Schock gestanden.
81
Bezüglich des Zustandekommens der Aussagen der Zeuginnen H4. und K3. behauptete die Angeklagte, dass die Zeugin H4. sie anfangs nach dem Tatvorwurf gefragt und ihren Haftbefehl gelesen habe. Darüber hinaus habe sie mit ihr nicht über ihren Fall gesprochen. Sie habe ihr lediglich von den Suizidgedanken ihres Mannes berichtet und mit ihr sinniert, ob der Suizid auch passiert wäre, wenn ihr Mann regelmäßig Venlafaxin genommen hätte. Mit der Zeugin K3. habe sie kein Wort über ihr Verfahren gesprochen.
82
Die beiden Zeuginnen hätten in der Zelle auf ihre Kosten gelebt und seien von den Einkäufen der Angeklagten abhängig gewesen. Im Laufe der Zeit hätten beide jedoch angefangen, sie zu hassen. Nachdem die Angeklagte Anfang Mai 2019 auf ihren Antrag hin eine andere Zelle erhalten habe und sie den beiden Zeuginnen als „Einkäuferin“ weggefallen sei, hätte die Zeugin H4. während eines Bastelkurses versucht, sie zu erpressen und 10.000 € Geld von ihr gefordert mit der Drohung, sonst gegen sie auszusagen. Separat habe auch die Zeugin K3. sie nach Geld gefragt.
83
Die Angeklagte äußerte die These, dass die Zeuginnen H4. und K3. ihre Verfahrensakte über ihren damaligen Rechtsanwalt H5. gelesen hätten.
84
Zum Tatvorwurf der Störung der Totenruhe ließ sich die Angeklagte in der Hauptverhandlung dahingehend ein, dass sie ursprünglich bereits bei ihrer Reise nach Bulgarien Ende August 2018 die Urne habe mitnehmen und dort die Asche nach dem Willen ihres Ehemannes in das S12. Meer habe verstreuen wollen. Da die Kinder und die Schwester von H2. jedoch dagegen gewesen seien, habe sie nachgegeben und sich schließlich für ein Urnengrab entschieden. Der Wille von H2. habe ihr jedoch keine Ruhe gelassen, so dass sie das Urnengrab ohne Gewalt mit einem Akkuschrauber geöffnet, die Asche aus der Urne in eine Mülltüte gefüllt und die Tüte in ein Kissen gesteckt habe. Im Januar 2019 habe sie dann die Asche in Bulgarien in das S12. Meer verstreut, wie es der Wunsch ihres Ehemannes gewesen sei. Eine offizielle Mitnahme der Urne im Flugzeug nach Bulgarien sei nach der Urnenbeisetzung nach Auskunft des Bestatters nicht mehr möglich gewesen. Einen Teil der Asche habe sie in einem Glas in ihrer Wohnung aufbewahrt. Zur Begründung gab sie an, dies für den Fall einer erforderlichen forensischen Untersuchung gemacht zu haben.
b. Aussage am 8.8.2018 vor der Polizei
85
Der Zeuge EKHK Ke. berichtete über die Angaben der Angeklagten in der von ihm am 8.8.2018 durchgeführten Zeugenvernehmung.
86
Zum Abend des 7.8.2018 habe die Angeklagte berichtet, dass sie und ihr Mann mit Herrn R2. zusammen in ihrer Hauptwohnung gegessen hätten, sie im Anschluss Herrn R2. in seine Wohnung gebracht und bettfertig gemacht hätte und sie danach noch mit ihrem Mann auf dem Balkon Wodka getrunken hätte. Ihr Mann habe ca. ein halbes Wasserglas Wodka getrunken, sie selbst wesentlich weniger. Gegen 20.15 Uhr habe sie eine halbe Schlaftablette genommen. Anschließend seien sie in ihre zweite Wohnung im dritten Stock gegangen und hätten Geschlechtsverkehr gehabt. Während ihr Mann liegen geblieben sei, sei sie gegen 22 Uhr nochmals aufgestanden, um nach Herrn R2. zu sehen. Da dieser schon geschlafen habe, sei sie wieder zu ihrem Mann gegangen, habe ihn schlafen lassen und sei dann in ihre Wohnung im ersten Stock zurückgekehrt, wo sie noch geraucht und gegen 22.30 Uhr ins Bett gegangen sei.
87
Zum Morgen des 8.8.2018 habe sie angegeben, nach dem Versorgen des Herrn R2. zwischen 7 bzw. 7.30 Uhr zu ihrem Mann in den dritten Stock gegangen zu sein. Sie habe gesehen, dass er noch schlafe, und auf Nachfrage erklärt, dass sie deutliche Atemgeräusche gehört habe.
88
Nach den Besorgungen mit ihrer Tochter und Herrn R2. und dessen Tablettengabe gegen 11 Uhr sei sie nochmals in die Wohnung im dritten Stock zu ihrem Mann gegangen. Ihr Mann sei noch so im Bett gelegen, wie sie ihn am Morgen gesehen hätte. Ihr sei aber sofort aufgefallen, dass er im Gesicht und an den Füßen blau gewesen sei und nicht geatmet habe. Sie habe am rechten Handgelenk gefühlt, aber keinen Puls mehr feststellen können. Sie habe ihn auf die Stirn geküsst und dabei gemerkt, dass er noch warm gewesen sei. Danach habe sie sofort bei seinem Hausarzt Dr. N1. in B. W.see angerufen.
89
Die Frage, ob ihr an dem Vormittag in der Wohnung Nr. 309 etwas Ungewöhnliches aufgefallen sei, habe die Angeklagte verneint.
90
Die Frage, ob ihr Mann sich irgendwelche Medikamente spritzen musste, habe sie dahingehend beantwortet, dass er sich manchmal Vitamin B 12 intramuskulär in den Bauch oder ins Bein gespritzt habe.
91
Nach ihrer Vermutung zur Todesursache befragt, habe sie als Möglichkeit einen Suizid mit Seroquel Tabletten genannt, von denen sie eine Packung mit ca. 100 Tabletten nicht mehr habe finden können. Ihr Mann habe wiederholt angedeutet, dass er sich umbringen möchte. Über diese Selbstmordgedanken habe auch sein Hausarzt Dr. N1. Bescheid gewusst. Dieser habe zu ihr gesagt, wenn jemand offen über Selbstmord spreche, dann würde er nie Selbstmord begehen. Ihr Mann habe aber seit dem 20. Juli nichts mehr darüber gesagt.
c. Aussage am 12.9.2018 vor der Polizei
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Der Zeuge EKHK Ke. berichtete auch über die Angaben der Angeklagten, die diese in einer von ihm im Rahmen des noch laufenden Todesermittlungsverfahren am 12.9.2018 durchgeführten zweiten Zeugenvernehmung gemacht hatte.
93
Die Angeklagte habe geschildert, dass ihr Mann schon immer, seit sie ihn kenne, Selbstmordgedanken gehabt hätte. Dies sei so ein Ping-Pong-Spiel mit seinem Bruder gewesen. Sie könne nicht sagen, ob er versucht habe, diese Gedanken umzusetzen. Er habe gesagt, sein Vater hätte Zyankali gehabt. Das wäre das einfachste.
94
Anschließend habe die Angeklagte von einem seltsamen Verhalten ihres Mannes am 1.8.2018 berichtet, nachdem sie am Vorabend, dem Tag des T.seefestes, mit ihm zusammen Wodka getrunken hätte. Ihr Mann habe bis in den Nachmittag hinein geschlafen, ins Bett uriniert und sich nach dem Aufstehen übergeben. Er sei unruhig in der Wohnung hin und hergelaufen und zwischendrin immer wieder schlafen gegangen.
95
Zu den Gründen für zwei Wohnungen im selben Anwesen habe die Angeklagte angegeben, dass ihre Hauptwohnung mit 70 qm „super klein“ sei und sie sich aufgrund der Enge nicht habe konzentrieren oder frei telefonieren können. Sie habe ihren Mann öfter gebeten spazieren zu gehen. Er habe jedoch nie nach ihrem Bedürfnis gehandelt. Es sei ihr daher nichts anderes übriggeblieben, als die andere Wohnung herzurichten.
96
Zum Abend des 7.8.2018 habe sie ausgeführt, dass sie, ihr Mann und Herr R2. zusammen in ihrer Wohnung gegen 19/19.30 Uhr gegessen und sie Herrn R2. gegen 19.30/20 Uhr in dessen Wohnung gebracht habe. Anschließend habe sie mit ihrem Mann Wodka getrunken und über ihre nächsten Reisepläne gesprochen. Ihr Mann habe, wie schon öfters, um seinen toten Bruder geweint und geäußert, er wolle zu ihm. Er habe geäußert, Männer bräuchten Sex. Gegen 20.30 Uhr seien sie dann nach oben in die Wohnung Nr. 309 gegangen und hätten miteinander Sex gehabt. Um eine Schlaftablette zu nehmen, sei sie anschließend in die Wohnung Nr. 118 gegangen und habe noch eine Zigarette geraucht. Danach habe sie nach Herrn R2. geschaut und sei etwa eine halbe Stunde bei ihm gewesen. Als sie in die Nr. 309 zurückgekehrt sei, habe sie ihren im Bett liegenden Mann am Arm berührt und er habe „Kätzelchen“ gemurmelt. Da sie oben nach etwa 15 Minuten oder einer halben Stunde nicht habe einschlafen können, habe sie in der unteren Wohnung noch geraucht, Wodka getrunken und eine weitere halbe Schlaftablette genommen. Gegen 23/24 Uhr sei sie eingeschlafen.
97
Am Morgen des 8.8.2018 sei sie gegen 7/7.30 Uhr aufgewacht und habe sich zuerst etwa eine Viertel- oder halbe Stunde um Herrn R2. gekümmert. Dann sei sie nach oben und habe in die Wohnung Nr. 309 hineingeguckt. Ihr Mann habe noch geschlafen, was sie an seinem Atmen gehört habe. Sie sei dann wieder zurück in die Wohnung Nr. 118, um zu rauchen und einen Kaffee zu trinken. Gegen 8.30 Uhr sei sie wieder zu Herrn R2. wegen seiner Parkinson-Tabletten gegangen. Anschließend sei sie zurück in ihre Wohnung, um zu duschen. Gegen 9.35 Uhr habe sie ihre Tochter abgeholt und sei mir ihr zur Post nach T.see gefahren, um für sie eine Harfe abzuholen. Nach dem Absetzen der Tochter bei der Oma, sei sie mit Herrn R2. auf dessen Bitte zu einem Orthopädiegeschäft nach R.-E. gefahren. Sie habe ihn danach wieder in seine Wohnung gebracht und sei gegen 11/11.10 Uhr wieder in die Wohnung Nr. 309 gegangen. Ihr Mann sei so wie am Morgen im Bett gelegen, er sei bläulich gewesen, habe nicht mehr geatmet und habe erbrochen gehabt. Sie habe seinen Kopf geküsst und dabei festgestellt, dass er noch warm gewesen sei. Auch habe sie nach dem Puls am Handgelenk getastet und gedacht, er sei tot. Von der unteren Wohnung habe sie dann in der Praxis Dr. N1. angerufen.
98
Als von ihr vermutete Todesursache habe die Angeklagte zunächst einen Suizid mit Tabletten genannt. Auf die Nachfrage, ob es noch etwas anderes gewesen sein könne, habe sie erwähnt, am Morgen des Auffindens gegen 11 Uhr eine leere, grüne 10 ml-Spritze vor dem Bett gesehen zu haben. Diese hätte sie nicht angefasst. Sie habe berichtet, dass ihr Mann sich selbst in ihr unbekannter Häufigkeit IMAP gegen Depressionen, Vitamin B12 und Medivitan in die Beine oder Hüfte gespritzt habe.
d. Angaben bei der psychiatrischen Untersuchung
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Der psychiatrische Sachverständige Dr. L2. berichtete, was ihm die Angeklagte im Rahmen der Exploration zu den Suizidabsichten ihres Mannes erzählt habe:
100
Bei ihrem Mann hätten sich nach dem Tod seines Bruders im Jahr 2013 die Gedanken, sich umzubringen, verstärkt. 2014 hätten seine Gedanken um einen Suizid mit Morphium oder mit Blausäure gekreist. Er habe täglich von Suizid gesprochen. Das Aufsuchen eines Psychiaters habe er aus Angst, entmündigt zu werden, abgelehnt. Er habe sich seit einer polizeilichen Durchsuchung ihrer Wohnung im Jahr 2012, als sie kurzzeitig wegen ihrer blonden Haarfarbe unter Mordverdacht gestanden habe, abgehört und gefilmt gefühlt. Überall seien Juden und wöllten ihm das Geld wegnehmen. Ab 2016/2017 sei ein gemeinsamer Suizid Thema zwischen ihnen gewesen. Er habe keinen Abschiedsbrief schreiben wollen, aus Angst, vorzeitig gefunden und in die Psychiatrie eingewiesen zu werden. Ihr Mann hätte die in ihrer Wohnung gefundenen Insulinpens besorgt gehabt. Sie habe sie versteckt, da sie noch habe warten wollen. Ihr Mann habe in Bulgarien eine Kur gemacht. Dort habe er sicher auch Morphin bekommen. Sie denke, dass er sich dort auch das Morphin besorgt habe.
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Zum Tatvorwurf des Mordes habe die Angeklagte angegeben, ihren Mann nicht umgebracht zu haben. Nach seinem Tod habe sie am gleichen Abend an Selbstmord gedacht und sich mit Kalium umbringen wollen, dies aber dann nicht gemacht, da es gestunken hätte.
102
Was die Zeuginnen H4. und K3. sagen würden, sei falsch. Die beiden hätten sich zusammengetan und sich was ausgedacht. Sie würden nur einen guten Eindruck bei der Staatsanwaltschaft machen wollen.
103
Zu ihrem Vorgehen mit der Urne habe die Angeklagte ausgeführt, dass sie, nachdem ein offizielles Verbringen der Urne nach Bulgarien nicht möglich gewesen sei, die Sache selbst in die Hand genommen habe, um die Asche von H2., wie es sein Wunsch gewesen sei, im S12.n Meer zu verstreuen. Sie habe die Urne aus dem Urnengrab herausgenommen, die Asche in eine Plastiktüte gefüllt, die Tüte in ein Kopfkisten gelegt und mit diesem gekuschelt, da sie ihren Mann nicht habe loslassen wollen. Im Januar 2019 habe sie dann in Bulgarien die Asche in Nesebar ins Meer gestreut. Die Asche, die in dem Glas mit der Aufschrift „H2.“ aufgefunden worden sei, sei der Rest, der sich noch in der Plastiktüte befunden habe.
2. Die Beweismittel im Einzelnen
a. Zeugen
104
(1) Die Zeugin PHK’in F1., frühere Wi., und der Zeuge PHK H6. schilderten ihren Einsatz am 8.8.2018 in der Ablebenswohnung.
105
Aufgrund eines Anrufs des Hausarztes Dr. N1. bei der Polizei seien sie als Streife der PI B. W.see zum S1.platz 2 in T.see beordert worden. Vor der Wohnanlage hätten sie Dr. N1. angetroffen und seien mit ihm in die Wohnung Nr. 309 gegangen. Die Angeklagte sei telefonisch hinzugebeten worden.
106
Der Zeuge H6. erläuterte unter I3.ugenscheinnahme der von ihm gefertigten Lichtbildtafel die vorgefundene Situation in der Wohnung. In dem Wohn-Schlafraum sei der Tote in Rückenlage mit nacktem Oberkörper, überwiegend zugedeckt, auf der linken Hälfte des Bettes gelegen. Die Wohnung sei möbliert gewesen, habe jedoch ziemlich unbewohnt gewirkt. Aufgefallen sei ihm und der Kollegin bei der Nachschau unter dem Bett eine Spritze mit Nadelabdeckung, die mittig unter der rechten Betthälfte, aufgrund einer Blende am Fußende auf den ersten Blick nicht sichtbar, gelegen sei. Weiter berichtete der Zeuge, dass sich in der Küche auf der Mikrowelle eine Packung Tabletten „Noctamid 2 mg“ befunden habe. In der Schachtel seien zwei Blister mit noch 12 Tabletten sowie eine lose Tablette gelegen, sieben Tabletten hätten gefehlt.
107
Die Zeugin F1. berichtete insbesondere von ihrem Gespräch mit der Angeklagten. Diese habe erzählt, dass sie mit ihrem Mann am Vorabend getrunken, anschließend Geschlechtsverkehr gehabt und gegen 20 bzw. 21 Uhr die Wohnung wieder verlassen hätte, um nach einem Nachbarn zu sehen. Bei ihrer Rückkehr habe ihr Mann geschlafen und sie habe in einem anderen Apartment übernachtet. Am nächsten Morgen habe sie ihn um 8.00 Uhr schlafend angetroffen. Später gegen 11.30 Uhr habe sie ihn leblos vorgefunden. Weiter habe die Angeklagte berichtet, dass ihr Mann infolge eines Unfalls am 3.9.1976 unter einem organischen Psychosyndrom namens „HOPS“ gelitten hätte, in letzter Zeit sehr depressiv gewesen sei und Suizidgedanken gehabt hätte. Sie habe angegeben, dass eine ganze Packung seines Medikaments fehle. Die Spritze unter dem Bett habe die Angeklagte von sich aus nicht erwähnt. Auf Nachfrage hierzu habe sie erklärt, dass ihr Mann sich Vitamine gespritzt habe. Auffällig sei für die Zeugin gewesen, dass die Angeklagte keine emotionalen Regungen gezeigt habe, keinen Redebedarf gehabt hätte und sehr distanziert gewirkt habe.
108
Nachdem Dr. N1. keinen natürlichen Tod bescheinigt habe und die Spritze unter dem Bett gefunden worden sei, hätten die beiden Ermittlungsbeamten den KDD verständigt und nach der Übergabe an die Kollegen des KDD die Wohnung verlassen.
109
Der Zeuge KHK Rath von der KPI Rosenheim berichtete, dass er aufgrund der Meldung „Leichensache“ im Rahmen des Kriminaldauerdienstes mit seinem Kollegen Wunderlich gegen 14.15 Uhr am S1.platz 2 in T.see eingetroffen und am Auffindungsort der Leiche von zwei Beamten der PI B. W.see eingewiesen worden sei.
110
Unter I3.ugenscheinnahme der von ihm gefertigten Lichtbilder im Leichenauffindungsbericht schilderte der Zeuge, dass an der Wohnungstür und im Bad keine Auffälligkeiten festzustellen gewesen seien. Im Wohn-Schlafraum sei ihm von den Kollegen der PI B. W.see eine Spritze unter dem Bett gezeigt worden, die von diesen bereits fotografiert worden sei. Auf einem Sessel seien ein T-Shirt sowie eine Unterhose mitsamt der Jeans zusammen ausgezogen gelegen. Die Auffindesituation habe für ihn so gewirkt, als ob der Verstorbene es eilig gehabt hätte, sich seiner Bekleidung zu entledigen. In der Küche seien auf der Mikrowelle eine Tablettenpackung „Noctamid 2 mg“ und im Bereich der Küchenspüle in einem Drahtkorb mit Müllsack eine Medikamentenschachtel „Quetiapin TAD 25 mg Filmtabletten“ gefunden worden. In der Schachtel hätten zwei leere Blister für je 20 Tabletten sowie der Verschluss einer Packung Milch gelegen. Insgesamt habe die Wohnung unbewohnt, sehr nüchtern und aufgeräumt gewirkt. Ein Abschiedsbrief sei nicht gefunden worden.
111
Zur Leiche berichtete der Zeuge, dass diese auf dem Rücken, unbekleidet und bis auf Brustwarzenhöhe mit einer Bettdecke abgedeckt gelegen sei. Das Gesicht habe fraglich zyanotisch und auf die nach unten gewandte, linke Seite deutlich dunkler und Blut gestaut gewirkt. Er habe keine Einblutungen in den Augenlidern festgestellt. Am linken Mundwinkel sei eine transparente, bräunliche Abrinnspur, im Bereich des rechten Mundwinkels ein weißlicher, grimmiger Schaum zu erkennen gewesen. An der Penisspitze habe er weißlichen, milchigen Flüssigkeitsabgang festgestellt. An den Armen und Beinen seien keine Verletzungen oder Griff- bzw. Haltespuren erkennbar gewesen. Auch wenn auf der Körperrückseite auf Höhe des Schulterblattes deutliche, fast rechtwinklig verlaufende Linien zu sehen gewesen seien, die nicht zweifelsfrei mit der Auflage auf der Matratze in Einklang zu bringen waren, hätten sich keine Hinweise auf ein Umlagern der Leiche ergeben. Die Totenflecken seien noch wegdrückbar gewesen. Die Raumtemperatur der kaum belüfteten Wohnung habe auf Höhe der Bettkante 28,3° C und die Rektaltemperatur um 15.20 Uhr 36,6° C betragen.
112
In der Gesamtschau habe sich für den Zeugen eine für einen Suizid nicht ganz schlüssige Situation gezeigt, so dass er die Kollegen von der KPS Mi. dazu gebeten habe. Mit der Angeklagten habe er nicht gesprochen. Diese habe sich zu dem Zeitpunkt nicht in der Auffindewohnung aufgehalten.
113
Die drei Zeugen schilderten übereinstimmend, mit den dargelegten und durch die Lichtbilder größtenteils belegten Details und ohne jeglichen Belastungseifer die von ihnen angetroffene Situation und die Äußerungen der Angeklagten, so dass ihre Angaben zur Überzeugung der Kammer glaubhaft waren.
114
Aus ihren Aussagen und den in Augenschein genommenen Lichtbildern ging zur Überzeugung der Kammer insbesondere hervor, dass in der Wohnung keine leeren Morphiumampullen gefunden wurden, dass die Spritze nicht in der Nähe der Leiche und auf den ersten Blick nicht sichtbar unter dem Bett lag und dass die Angeklagte Tabletten als mögliches Suizidmittel, nicht aber die Spritze und eine Injektion mittels der aufgefunden Spritze erwähnte.
115
(2) Der sachverständige Zeuge Dr. N1., Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin, hat in seiner Praxis in B. W.see die Angeklagte und den verstorbenen H2. S6. behandelt. Zudem nahm er am 8.8.2018 gegen 13:00 Uhr eine kurze Leichenschau vor.
116
Zu seinem Patienten H2. S6. berichtete der Zeuge unter Zuhilfenahme seiner Unterlagen, dass dieser sich erstmalig bei ihm am 9.5.2018 zusammen mit der Angeklagten vorgestellt und er ihn insgesamt viermal gesehen habe. Über eine diabetische Erkrankung des Patienten sei ihm nichts bekannt. Hauptgrund der Behandlung sei dessen psychische Erkrankung gewesen. Beim ersten Termin habe er Herrn S6. die Neuroleptika Venlafaxin und Quetiapin verschrieben. Beim nächsten Termin am 20.6.2018 habe der Patient Vorbefunde, unter anderem ein psychiatrisches Gutachten aus dem Jahr 2007, mitgebracht und es habe eine ausführliche Befundbesprechung stattgefunden. Am 2.7.2018 sei in seinen Unterlagen vermerkt, dass die Angeklagte über zum Teil sehr aggressives Verhalten ihres Ehemanns berichtet habe. Eine Erinnerung an Details hierzu habe er nicht mehr. Auf seine Bitte hin habe sich der Patient dann am 4.7.2018 bei ihm erneut vorgestellt. Hier habe er notiert, dass dessen subjektives Wohlbefinden und Stimmung gut gewesen sein. Er habe ihm erneut Quetiapin und gegen seine Kniebeschwerden Ibuflam verschrieben. Das letzte Mal habe er den Patienten am 20.7.2018 gesehen und eine ausgeprägte depressive Episode festgestellt. Da deren Behandlung seine Möglichkeiten im ambulanten Setting überstiegen hätte, habe er dem Patienten eine Notfalleinweisung für einen stationären Psychiatrieaufenthalt in Ag. ausgestellt. An Details zu dem Patientengespräch könne er sich nicht mehr erinnern. Er sei sich jedoch sicher, dass Herr S6. eine Suizidalität auf seine Frage hin verneint habe.
117
Zu der Angeklagten gab der Zeuge an, diese einmal im Jahr 2010, zweimal im Jahr 2017 und dann wieder im Mai und Juli 2018 behandelt zu haben. Nach dem Tod ihres Ehemanns habe er ihr zweimal Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt. Grund der Behandlungen seien Schlafstörungen und Erschöpfungszustände aufgrund ihrer Tätigkeit bei der Diakonie gewesen. Im Mai 2018 habe er bei ihr eine Therapie mit dem Antidepressivum Venlafaxin begonnen.
118
Zum 8.8.2018 berichtete der Zeuge, dass, seiner Erinnerung nach, die Angeklagte kurz vor Mittag in seiner Praxis angerufen habe und mitgeteilt hätte, dass sie ihren Mann leblos in der Wohnung aufgefunden habe. Er habe ihr zugesagt, möglichst bald zu kommen. Gegen 13.00 Uhr sei er am S1.platz gewesen. Er habe sich in Anwesenheit der Angeklagten den Leichnam nur sehr kurz angeschaut und dabei Totenflecken festgestellt. Wie stark die von ihm in der Todesbescheinigung angekreuzte Totenstarre ausgeprägt war, wisse er nicht mehr. Für ihn sei klar gewesen, dass ein Suizid im Raum stehe und daher die Polizei „mit ins Boot geholt“ werden müsse. Die Angeklagte sei aufgelöst gewesen und habe gefragt, ob dies unbedingt notwendig sei. Dies habe er bejaht und die Polizei verständigt.
119
Auf Bitte der Angeklagten mit der Begründung, dass die Nachbarn nichts mitbekämen, hätten sie vor der Haustür auf das Eintreffen der Polizeibeamten gewartet. Nach längerem Warten, währenddessen die Angeklagte nicht ununterbrochen bei ihm gewesen sei, seien schließlich die Polizeibeamten eingetroffen, und er habe diese noch kurz nach oben in die Wohnung mit dem Leichnam begleitet.
120
Auf Nachfrage gab der Zeuge an, dass er keine Spritze unter dem Bett bemerkt habe und auch von der Angeklagten nicht darauf hingewiesen worden sei. Er habe aber beim zweiten Aufsuchen der Wohnung mit der Polizei mitbekommen, dass die Beamten eine Spritze unter dem Bett entdeckt hätten.
121
Der Zeuge schilderte den Ablauf am Tatmorgen sachlich, detailliert und ohne jeglichen Belastungseifer. Soweit er Erinnerungslücken zu einzelnen, mehr als zwei Jahre zurückliegenden Patientengesprächen geltend machte, war dies für die Kammer aufgrund der Vielzahl an Patienten nachvollziehbar.
122
Aus der Aussage des Zeugen ging zur Überzeugung der Kammer insbesondere hervor, dass die depressive Episode des Geschädigten sich Mitte Juli 2018 verstärkt hatte, eine Suizidalität vom Geschädigten aber verneint worden war. Auf das vom Zeugen geschilderte Verhalten der Angeklagten am 8.8.2018 wird unter Ziff.3. e. näher Bezug genommen werden.
123
(3) Die Zeugin D1. R3., Sprechstundenhilfe bei dem Zeugen Dr. N1., schilderte insbesondere die Gespräche mit der Angeklagten am Vormittag des 8.8.2018. Die Angeklagte habe zweimal in der Praxis angerufen. Das erste Mal, gegen 11.20 Uhr, habe die Angeklagte mit trauriger Stimme sehr aufgeregt geschildert, dass ihr Mann nicht aufwache, sie ihn nicht aufwecken könne. Dr. N1. mache keine Hausbesuche und sei sehr im Stress gewesen, so dass sie die Angeklagte an den Notarzt verwiesen habe. Beim zweiten Anruf etwas später habe die Angeklagte gefragt, wo der Doktor bleibe. Sie habe dann das Telefonat an Dr. N1. übergeben und noch mitbekommen, wie dieser eine gute halbe Stunde die Praxis verlassen habe, um zur Angeklagten zu fahren.
124
Vor dem Tod habe die Angeklagte ihr mehrmals erzählt, dass ihr Mann depressiv und müde sei. Sie selbst habe H2. S6. nur zweimal mit der Angeklagten zufällig beim Einkaufen getroffen, wo er einen zurückhaltenden und freundlichen Eindruck gemacht habe. Beim letzten Besuch in der Praxis vor seinem Tod habe er sehr traurig gewirkt.
125
Zur Angeklagten berichtete die Zeugin, die wie die Angeklagte aus Bulgarien stammt und gelernte Krankenschwester ist, diese seit 2001 zu kennen, jedoch keinen engen persönlichen Kontakt mit ihr gehabt zu haben. Beruflich hätten sie kurzzeitig bei der Diakonie zusammengearbeitet, jeder jedoch in anderen Touren, so dass sie über den Umgang der Angeklagten mit Medikamenten nichts berichten könne. In Bulgarien sei ihres Wissens nach das Beschaffen verschreibungspflichtiger Medikamente ohne Rezept „mit Geld“ problemlos möglich.
126
Die Zeugin, die mit der Angeklagten langjährig bekannt war, tätigte ihr Aussage sachlich, und ohne die Angeklagte erkennbar zu be- oder entlasten.
127
Aus ihrer glaubhaften Aussage, die im Wesentlichen mit den Angaben des Zeugen Dr. N1. übereinstimmte, ging zu Überzeugung der Kammer insbesondere hervor, dass die Angeklagte trotz des Hinweises, dass Dr. N1. sehr im Stress sei und sie den Notarzt verständigen solle, auf dessen Kommen beharrte.
128
(4) In ihrer durch Verlesung in der Hauptverhandlung eingeführten polizeilichen Vernehmung vom 4.9.2019 gab die Zeugin V1. I1. T2. an, dass sie für die Firma ... M1 in Pl. arbeite und dort unter anderem die Zahlungseingänge der Kunden überwache. Mit der Angeklagten, die Kundin der Firma sei, habe sie ausschließlich geschäftlichen Kontakt gehabt. Die Mobilnummer … gehöre zu ihrem Firmenhandy. Es könne sein, dass sie mit der Angeklagten am 8.8.2018 telefoniert habe. Darin sei es um Zahlungen bezüglich einer von der Angeklagten gekauften Wohnung der Firma gegangen. An Einzelheiten und an die Uhrzeit des Gesprächs könne sie sich nicht mehr erinnern. Während des Telefonats habe sie nichts Ungewöhnliches feststellen können. Auch habe die Angeklagte nichts vom Tod ihres Mannes erzählt. Von diesem habe sie erst erfahren, als die Angeklagte einige Zeit später mit ihren Kindern in Pl. gewesen sei.
129
Wie die Zeugin KHK’in Ut. zum Grund der Vernehmung der bulgarischen Zeugin ergänzend erläuterte (s.u. Ziff. (18)), hatte die Auswertung des Telefonverkehrs auf dem Mobiltelefon der Angeklagten am Tatmorgen einen eingehenden Anruf von der oben genannten bulgarischen Mobilnummer um 11.16 Uhr mit einer Dauer von 1.51 Minuten ergeben.
130
Die Aussage der Zeugin ist zur Überzeugung der Kammer glaubhaft. Insbesondere wird der von der Zeugin genannte Grund ihres Anrufs durch die Auswertungen des Zeugen T3., der im Rahmen seiner Finanzermittlungen die Rückbuchung einer fehlerhaften Überweisung durch die Firma ... M 1 auf das Konto der Angeklagten am 8.8.2018 festgestellt hatte (s.u. Ziff.(18)), bestätigt.
131
(5) Die Zeugin C1. H4. berichtete, mit der Angeklagten ab 7./8.2.2019 bis Anfang Mai 2019, als die Angeklagte in eine Einzelzelle verlegt worden sei, zusammen in einer Zelle in der Justizvollzugsanstalt M.-St. untergebracht gewesen zu sein.
132
Während ihrer gemeinsamen Zeit auf der Zelle habe sie eine ziemlich innige Beziehung zu der Angeklagten gehabt und viel mit ihr gesprochen. Die Angeklagte sei ihr gegenüber von Beginn an sehr offen gewesen und habe ihr bereits am ersten Tag ihren Haftbefehl, jedoch keine sonstigen Aktenbestandteile, zum Lesen gegeben.
133
Ein paar Tage später habe sie dann abends ihr und der damaligen weiteren Mitbewohnerin Kerstin Zimmer lachend vorgeführt, wie sie nachts mit einer Bohrmaschine auf den Friedhof marschiert sei, das Grab ihres Ehemanns aufgebohrt und aus der Urne den Aschestaub genommen habe. Diesen habe sie dann in ein Kopfkissen gefüllt und sich darauf sexuell mit Vibratoren befriedigt, damit H2. habe dabei sein können. Einen Teil der Asche habe sie in ein Glas mit der Aufschrift „H2.“ gefüllt. Ob die Angeklagte gesagt habe, wie in der polizeilichen Vernehmung der Zeugin aufgeführt, dass sie das Glas im Medikamentenschrank stehen habe, wisse sie nicht mehr.
134
In der folgenden Zeit habe die Angeklagte immer detaillierter über den Tatablauf im August, die Familienzusammenhänge wie auch über ihre anschließende Affäre mit einem Notar berichtet. Die Gespräche seien nur mit ihr allein oder in Anwesenheit der Zeugin K3., nicht aber mit anderen Insassinnen, auf der Zelle oder beim Hofgang geführt worden.
135
Zur Tat habe sie berichtet, dass sie zusammen mit R1. R2. und ihrem Ehemann am Vorabend zwischen 18 Uhr und 20 Uhr Bier, Wodka und Wein getrunken habe. Nachdem sie gegen 20 Uhr R1. R2. in dessen Wohnung gebracht hätte, habe sie mit H2. in seiner Wohnung Geschlechtsverkehr gehabt.
136
Danach habe sie ihm eine Tablette für seine Depressionen gegeben. Auf Vorhalt ihrer polizeilichen Vernehmung, wonach die Angeklagte ihrem Ehemann gesagt hätte, die Tablette sei gegen seine Depressionen, obwohl es tatsächlich eine Schlaftablette gewesen, gab die Zeugin an, dass dies stimme und sie sich nun wieder erinnere. Die Angeklagte hätte ihr dazu berichtet, dass H2. auf nichts mehr geachtet habe und nicht mehr geschaut habe, ob die Tabletten blau, weiß oder lila gewesen seien.
137
Da es in dem August so heiß gewesen sei, sei H2. nackt im Bett gelegen. Die Angeklagte habe gewartet, bis er schläft und habe ihm dann nach und nach Insulin, insgesamt 20 Einheiten, gespritzt. Um welches Insulin es sich gehandelt habe, wisse die Zeugin nicht.
138
Die Angeklagte habe weiter berichtet, dass sie sich nebenan hingelegt und immer wieder nach ihm geschaut habe. H2. sei ganz weiß im Gesicht gewesen und habe immer noch geatmet. Einmal habe er mit aufgerichtetem Oberkörper mit ihr sprechen wollen, sei aber nicht mehr dazu in der Lage gewesen. Sie habe der Zeugin dann vorgemacht, wie sie ihn ins Bett zurückgedrückt habe. Dieses Bild habe die Angeklagte laut ihrem Bekunden öfter in den Träumen heimgesucht.
139
Als er immer noch gelebt habe, habe sie ihm Morphium mit einer großen Spritze in ein Muttermal am Bein gespritzt. Das Muttermal habe sie laut ihrer eigenen Erklärung bewusst gewählt, damit man den Einstich nicht sehen könne. Sie habe mehrmals nachspritzen müssen, bis er um sechs Uhr gestorben sei. Auf Vorhalt ihrer polizeilichen Vernehmung und ihrer damaligen handschriftlichen Aufzeichnungen korrigierte die Zeugin ihre Zeitangabe dahingehend, dass die Angeklagte nach ihren Erzählungen um 6 Uhr angefangen hätte, das Morphium zu geben und H2. gegen 9 Uhr gestorben sei. Anschließend habe sich die Angeklagte nackt zu ihrem Ehemann gelegt und mit ihm gekuschelt. Um 9.30 Uhr habe sie einen Termin mit ihrer Tochter bei der Post gehabt und anschließend den Arzt verständigt.
140
Die Angeklagte habe erzählt, dass sie die Tat schon länger (ohne nähere Zeitangabe) geplant gehabt hätte, aber immer etwas dazwischengekommen sei. Das Insulin und das Morphium hätte sie zuvor aus Bulgarien besorgt. Ihre Schwester habe davon gewusst. Das Insulin habe sie nach der Tat in einen Mülleimer “beim Lidl“ geworfen. Den Aufkleber des Morphiums habe sie in einen ihrer Kalender geklebt. Die Angeklagte habe Angst gehabt, dass dieser Aufkleber von der Polizei gefunden werde.
141
Die Spritze habe sie unter dem Bett liegen lassen, damit es wie ein Selbstmord aussehen solle. Ein Suizid hätte gut gepasst, da ihr Ehemann seit dem Tod seines Bruders sehr depressiv gewesen und deswegen auch in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Zudem hätte sich H2. als Arzt das Morphium selbst besorgt haben können.
142
Eines ihrer größten Probleme in der Haft sei jedoch gewesen, dass die Polizei ihre DNA an der Spritze habe finden können, obwohl sie diese nur mit Einweghandschuhen angefasst hätte. Hierzu habe sie in der Haft mit Einweghandschuhen, die sie vom Putzmädchen „stibitzt“ hätte, an einem Fenster getestet, was auf der Scheibe zurückbleibt. Ihr damaliger Verteidiger hätte ihr dann erklärt, dass DNA-Spuren etwas anderes als Fingerabdrücke seien.
143
Als Gründe für die Tötung habe die Angeklagte genannt, dass sie mit ihrem Mann viel gestritten hätte und er sehr eifersüchtig und böse zu ihr gewesen sei. Sie habe die Enge nicht mehr ausgehalten. Auf den Vorhalt der Zeugin, warum sie sich nicht habe scheiden lassen, hätte die Angeklagte angegeben, dass er dies nicht ohne weiteres akzeptiert hätte.
144
Während der gemeinsamen Haftzeit habe die Angeklagte öfter gesagt, dass sie es nicht bereue und dass es richtig gewesen sei. Sie sei erlöst und fühle sich frei. Die Haft habe sie nicht als unangenehm empfunden. Lediglich in den Phasen, in der die Angeklagte in der Haft ihre Medikamente, nach Erinnerung der Zeugin V2., nicht genommen hätte, habe sie teils Heulkrämpfe gehabt und sei durchgedreht.
145
Zu R1. R2. habe die Angeklagte erzählt, dass sie von diesem 3000 € monatlich für die Pflege und 2000 € für sexuelle Handlungen erhalten hätte. Sie habe erzählt, dass dieser 93 Jahre alt sei, sein Geschlechtsteil aber noch „wie eine eins“ stehe und er „geil wie ein Bock“ sei.
146
Als sie einmal zusammen in der JVA in der TV-Sendung „Snapped“ einen Bericht über KO-Tropfen gesehen hätten, hätte die Angeklagte die Informationen, dass man diese einfach im Baumarkt kaufen könne und sie nach 24 Stunden nicht mehr nachweisbar sein, sehr interessant gefunden und gesagt, dass sie solche Tropfen nach der Entlassung R1. R2. in ein Getränk füllen wolle. Das Problem sei nur, dass dessen Exfrau wohl alles erben würde. Die Angeklagte habe daher „was drehen“ wollen, ohne es der Zeugin näher zu erklären.
147
Als R1. R2. der Angeklagten in der Haft geschrieben habe, dass er in ein Heim gehe, habe die Angeklagte in einem Brief an ihren Ex-Ehemann Fl. Ro., der aus Sicht der Angeklagten ein „Lappen“ gewesen sei, geschrieben, dass dieser sich um R1. R2. kümmern solle und sie ihn dann wieder heiraten würde.
148
Zu dem Notar Dr. R4. habe sie berichtet, dass sie dessen „Kätzchen“ sei, sie ein sexuelles Verhältnis mit ihm gehabt und sich in ihn verliebt habe.
149
Die Angeklagte habe die Kinder von H2. und deren Mutter gehasst. Sie habe erzählt, dass diese immer Geld von ihrem Vater hätten haben wollen und keinen Anstand hätten. Auch sei sie auf H2. wütend gewesen, dass er den Kindern immer wieder Geld gegeben habe.
150
In der Haft habe die Angeklagte die ganze Zeit Angst gehabt, dass die Kinder ihres Ehemanns ihr Geld wegnehmen könnten und das Finanzamt ihr wegen des Schwarzgeldes Probleme machen könne. Sie habe Rechtsanwalt H5., ihrem Anwalt in der Erbschaftsangelegenheit, gesagt, dass sie bereit sei, den Kindern von H2. mehr zu bezahlen, damit in ihren Finanzen nicht weiter herumgeschnüffelt werde. Wegen ihrer Finanzen habe sie auch einem ihrer damaligen Verteidiger, Rechtsanwalt W1., 10.000 € bezahlt, damit dieser ihr an der Briefkontrolle vorbei über die Verteidigerpost Briefe nach Bulgarien oder an ihren Steuerberater aus der Untersuchungshaft nach draußen schmuggle. Die Zeugin habe ihr geraten, auch ein paar offizielle Briefe zu schreiben, damit es nicht auffalle.
151
Zu ihrem Vermögen habe die Angeklagte gesagt, dass sie Wohnungen in Deutschland auf Kredit habe. Nach außen sollte es so aussehen, als habe sie nichts. Auch habe sie mehrere Wohnungen und Geld in Bulgarien. Zuletzt habe sie im Januar 2018 Geld nach Bulgarien gebracht. Eine Million Euro Schwarzgeld seien in einer Garage von R1. R2.. H2. habe kein Geld mehr gehabt, sie habe offiziell Schulden geerbt.
152
Als Zukunftsplan habe die Angeklagte angegeben, dass sie für immer nach Bulgarien gehen, in Bitcoins investieren und Wohnungen vermieten möchte. Heiraten wolle sie nicht mehr, da sie dann die gute Witwenrente ihres Ehemanns verliere.
153
Die Zeugin berichtete ferner, dass die Angeklagte ihr davon erzählt hätte, dass sie und ihr H2. Theater gespielt hätten, um das Pflegegeld zu bekommen. Tatsächlich sei er nicht pflegebedürftig gewesen.
154
Schließlich gab die Zeugin an, von allen nur ein „Dankeschön“, aber keine Zusage bezogen auf ihr eigenes Strafverfahren für ihre Aussage erhalten zu haben. Allerdings hätte die Richterin nach ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung ihr angekündigt, dass sie die für ihr Verfahren zuständige Amtsrichterin mit einer Bewährungsstrafe „belohnen“ werde. Sie habe jedoch eine Vollzugsstrafe erhalten und in der Berufungsinstanz ihre Berufung zurückgenommen. Derzeit laufe ein Gnadengesuch im Hinblick auf ihre Aufklärungshilfe in diesem Mordverfahren. Die Zeugin berichtete, nach ihrer Zeugenaussage im hiesigen Verfahren in der Untersuchungshaft von den anderen Insassinnen als „Verräterin“ und „31er“ beschimpft, bespuckt und in die Dusche gezogen worden zu sein.
155
Sie habe die Angeklagte weder mit den Tatinformationen erpresst noch sie sonst um größere Geldsummen gebeten. Lediglich die Tabak- und Kaffeevorräte seien anfangs von der Angeklagten, da diese als einzige zu Beginn Geld gehabt hätte, bezahlt worden.
156
Die Zeugin S7. K3. war zusammen mit der Angeklagten und der Zeugin H4. im März und April 2019 in einer Viererzelle in der Justizvollzugsanstalt M.-St. untergebracht.
157
Die Zeugin berichtete, dass sie sich zu dritt sehr gut verstanden hätten. Sie habe gewusst, dass die Angeklagte der Zeugin H4. bereits von der Tötung ihres Ehemann berichtet habe. In mehreren Gesprächen zu dritt oder auch mit der Angeklagten allein habe sie dann später von der Angeklagten auch selbst den Ablauf der Tat geschildert bekommen. Aktenbestandteile von ihr habe sie zu keinem Zeitpunkt gesehen oder gelesen. Besonders in den Tagen, in denen die Angeklagte ihre Tabletten nicht bekommen habe, habe die Angeklagte viel geweint und sei unruhig gewesen. Dann seien ihr die Bilder von der Tat hochgekommen und sie habe am meisten erzählt.
158
Zum Vorabend der Tat habe die Angeklagte ihr berichtet, dass sie zusammen mit H2. und einem R1. R2. Alkohol getrunken habe. Gegen 20 Uhr habe sie R1. R2. in seine Wohnung gebracht und anschließend mit H2. Geschlechtsverkehr gehabt. Danach habe sie ihm eine Schlaftablette gegeben und ihm dabei gesagt, es handele sich um seine Medikamente gegen Depressionen. Nachdem er eingeschlafen sei, habe sie ihm mehrmals Insulin gespritzt. Er habe 24 Stunden nach Luft gezogen und sie habe ihn immer wieder „runterdrücken“ müssen. Sie habe bis 6 Uhr morgens gewartet. Als er immer noch geatmet habe, habe sie eine 20 ml-Spritze mit Morphium aufgezogen und ihm dieses gespritzt. Gegen 9 Uhr sei er tot gewesen und sie habe sich zu ihm ins Bett gelegt, mit ihm gekuschelt und mit Vibratoren befriedigt. Um 9.30 Uhr sei sie dann mit ihrer Tochter L1. zur Post gefahren und habe Kaffee getrunken. Danach sei sie nach Hause gefahren und habe die Polizei angerufen.
159
Die Angeklagte habe berichtet, das Insulin und das Morphium zuvor in Bulgarien besorgt zu haben. Sie habe es bei der Tat so in ein Muttermal am Oberschenkel gespritzt, dass es bei einer Untersuchung aussähe, als ob ihr Mann es selbst gewesen sei. Die Medikamente habe sie anschließend bei einem Parkplatz eines Lidl-Supermarktes weggeschmissen. In einen ihrer Kalender hätte sie jedoch den Etikettenaufkleber des Morphiums geklebt. Auf Vorhalt erinnerte sich die Zeugin, dass die Angeklagte von einer in der Wohnung gefundenen Spritze erzählt habe. Ihr Anwalt hätte ihr berichtet, dass auf der Spritze ihre DNA sei. Sie habe gelacht und gesagt, es könne ja von allem sein. Sie hätte die Spritze mit blauen Einweghandschuhen angefasst.
160
Die Angeklagte habe auch geschildert, wie sie, nachdem die Leiche ihres Mannes verbrannt worden sei, nachts mit einer Bohrmaschine auf dem Friedhof die Asche aus der Urne „geklaut“ und mitgenommen habe. Eine Hälfte der Asche habe sie in eine Dose mit der Aufschrift „H2.“ und die andere Hälfte in ein Kissen gefüllt. Auf diesem habe sie dann geschlafen und sich mit Vibratoren befriedigt.
161
Zur Beziehung zu ihrem Mann habe sie erzählt, dass sie ihn geliebt habe und sie guten Sex gehabt hätten. Sie hätten jedoch oft um Geld gestritten. Sie sei ein Sparfuchs und er habe Geld für Bootsachen, ein Motorrad, Autos und für seine Kinder ausgegeben. Er habe seine Kinder geliebt, während die Angeklagte diese und deren Mutter gehasst habe.
162
Nach Einschätzung der Zeugin ist die Angeklagte geldgierig. Alles habe sich bei ihr um das Thema Geld gedreht. Sie habe erzählt, dass sie sich immer nur reiche Männer gesucht habe. H2. sei reich gewesen. Vor seinem Tod hätte sie noch Geld von ihm nach Bulgarien gebracht. Von R1. R2. habe sie monatlich 5.000 Euro in bar bekommen und wollte als Erbin bei ihm eingetragen werden. Sie sei deshalb besorgt gewesen, dass sich eine Bekannte von ihr während ihrer Haft um R1. kümmere und sie keine Kontrolle mehr über dessen Geld habe. Sie habe dann durch „liebe“ Briefe an ihren Ex-Ehemann Fl. aus der Haft erreichen wollen, dass dieser sich um R1. kümmere. Nach den Erzählungen der Angeklagten befänden sich noch eine Million Bargeld in einer Garage am S1.platz.
163
Die Angeklagte hätte bei mehreren Anwälten versucht, über den Weg der Verteidigerpost private Briefe an der Briefkontrolle vorbei an Bekannte und ihren Steuerberater zu schicken. Ihr damaliger Verteidiger, Rechtsanwalt W1., habe dies schließlich gegen Bezahlung von 10.000 € für sie gemacht.
164
Zur Motivation ihrer Aussage gab die Zeugin an, dass sie, nachdem die Angeklagte in eine Einzelzelle verlegt worden war, mit der Mitinsassin H4. zwei Wochen lang überlegt hätte, ob sie sich mit ihren Informationen an die Staatsanwaltschaft wenden sollten. Ihnen hätten vor allem die Kinder des Verstorbenen leidgetan, die nicht gewusst hätten, wie ihr Vater gestorben sei. Zunächst hätten sie mit einer Vollzugsbeamtin darüber gesprochen und seien von dieser bestärkt worden. Anschließend habe sie mit ihrem Rechtsanwalt geredet, der bezüglich einer Aussage erst einen „Deal“ in ihrem Verfahren habe schließen wollen. Diesen habe die Zeugin jedoch nicht abgewartet, da bei der Angeklagten eine Haftprüfung angestanden sei und sie nicht gewollt hätte, dass diese „rauskomme“. Nach ihrer Aussage sei ihr von der Staatsanwältin bestätigt worden, dass ihre Informationen wertvoll seien. Für ihr eigenes Urteil hätte es ihr jedoch nichts gebracht. Auch habe sie von der Angeklagten keine größeren Geldbeträge im Vorfeld der Aussage verlangt.
165
Die Zeugin berichtete abschließend, dass sie und die Zeugin H4. wegen ihrer Aussagen bei der Polizei ziemliche Probleme in der Haft bekommen hätten und von den anderen Insassinnen als „Verräterinnen“ behandelt worden seien.
166
Die Kammer erachtet die Aussagen der beiden Zeuginnen H4. und K3. für glaubwürdig und ist von der objektiven Richtigkeit ihrer Angaben überzeugt. Beide Zeuginnen waren sichtlich bemüht, nach mehr als eineinhalb Jahren möglichst viele Details der Erzählungen der Angeklagten zu erinnern. Ihre Angaben stimmten mit Ausnahme weniger Details überein, ohne jedoch abgesprochen zu wirken.
167
Gründe, warum die beiden Zeuginnen die Angeklagte zu Unrecht belasten sollten, sind nicht ersichtlich. Die Beweisaufnahme ergab, dass für das eigene Strafverfahren der jeweiligen Zeugin keine Zusagen erfolgt waren. Entsprechende Nachfragen nach Vergünstigungen bzw. Gespräche hierüber gab es erst nach ihren polizeilichen und ermittlungsrichterlichen (bei der Zeugin H4.) Vernehmungen. Durch nichts belegt ist dagegen die Einlassung der Angeklagten, die Aussagen der beiden Zeuginnen seien aus Hass gegen sie bzw. „Rache“ wegen eines gescheiterten Erpressungsversuchs erfolgt. Ebenso spricht zur Überzeugung der Kammer die von der Angeklagten beantragte I3.ugenscheinnahme von kommentierten Zeichnungen der Zeugin H4. aus der gemeinsamen Haftzeit, in der diese die Angeklagte als „beste Knast-Mama der ganzen Welt“ bezeichnet und ihre Verbundenheit gegenüber der Angeklagten zum Ausdruck bringt, nicht gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin. Das dadurch belegte ursprüngliche Vertrauensverhältnis zwischen der Angeklagten und der Zeugin H4. ist vielmehr als Grund dafür zu sehen, warum die Angeklagte sich ihrer Mitinsassin so stark öffnete und ihr die Wahrheit anvertraute. Für die Glaubhaftigkeit der Angaben der beiden Zeuginnen spricht insbesondere, dass ihre damals Ende Mai 2019 getätigten Aussagen in zentralen Bereichen Täterwissen beinhalteten, welches durch nachträgliche Ermittlungen objektiv bestätigt wurde (s. näher dazu Ziff. 3.a.).
168
Die von der Angeklagten beantragte Vernehmung der Zeugin C2. R5., Leiterin der Frauenabteilung der Justizvollzugsanstalt M.-St., konnte die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen auch nicht in einem Randbereich (behauptete Repressionen in der Haft nach ihrer Aufklärungshilfe) erschüttern. Die Zeugin R5. bestätigte vielmehr, dass sich die Zeuginnen H4. und K3. mehrfach gegenüber ihr und Bediensteten über Anfeindungen von Mitgefangenen beklagt hätten, weswegen sie überwiegend in der Zelle geblieben und nur gemeinsam den Hofgang wahrgenommen hätten.
169
(6) Der sachverständige Zeuge Dr. K1., Allgemeinarzt in T.see, war langjähriger Hausarzt der Angeklagten und des Geschädigten.
170
Zu H2. S6. berichtete der Zeuge, dass dieser von 2011 bis Anfang 2018 sein Patient gewesen sei. Teils habe er ihn einmal im Monat, teils bis zu einem halben Jahr nicht gesehen. Herr S6. sei stets freundlich und zugewandt gewesen. Aufgrund seines Berufs als Augenarzt habe es sich um kein typisches Arzt-Patienten-Verhältnis gehandelt. Über seine Beschwerden habe H2. S6. eher wie ein Arzt, der über einen Patienten mit einem Kollegen spreche, berichtet. Dabei sei es auch um seine psychischen Probleme gegangen. Aus Arztbriefen seien dem Zeugen die Diagnosen eines hirnorganischen Psychosyndroms bzw. einer bipolaren Störung bekannt gewesen. Er selbst habe Herrn S6. jedoch weder euphorisch noch depressiv, sondern lediglich deprimiert erlebt. Anhaltspunkte für Suizidabsichten habe er zu keinem Zeitpunkt gehabt. Vielmehr habe Herr S6. den Eindruck vermittelt, dass er trotz der mit seinem Verkehrsunfall in der Jugend zusammenhängenden Schwierigkeiten gerne lebe.
171
Nach Meinung des Zeugen seien die psychischen Probleme teilweise mit der Frühverrentung, und der damit verbundenen fehlenden beruflichen Beschäftigung in Zusammenhang gestanden. Etwa in den letzten zwei Jahren hätten auch die Probleme in der Beziehung zugenommen. Herr S6. habe sich wiederholt beklagt, dass seine Frau sich immer nur um Herrn R2., aber nicht mehr um ihn kümmere. Er würde sich wie das fünfte Rad am Wagen bzw. „wie ein Depp“ daneben fühlen.
172
Neben normaler hausärztlicher Medikation habe er Herrn S6. 2011 dreimal das Neuroleptikum Imap gespritzt und 2017 zweimal das atypische Neuroleptikum Quetiapin in kleinster Dosierung (25 mg) verschrieben. Darüber hinaus habe er von ihm weder Rezepte für andere Psychopharmaka noch für Opiate erhalten. Er habe nicht den Eindruck gehabt, dass sich Herr S6. selbst Rezepte ausgestellt und Medikamente besorgt habe.
173
Herr S6. sei sehr gewissenhaft mit seinem Körper und seiner Psyche umgegangen und habe stets Fragen fachkundig klären wollen. Als Beispiele nannte der Zeuge das Aufsuchen der psychiatrischen Klinik der Universität M. im April 2017 wegen Unruhezuständen und die von Herrn S6. wegen gespürter Palpitationen am Herz selbst veranlasste Einweisung in das Krankenhaus Agatharied Anfang Januar 2018.
174
Über die Angeklagte berichtete der Zeuge, dass er sie seit ungefähr 25 Jahren, anfangs noch durch ihre Tätigkeit als Krankenschwester im R.hof, später ab 2007/2008 auch als Patientin, kenne. Als Krankenschwester habe er sie als sehr gewissenhaft und sehr genau erlebt. Als Patientin sei sie zu ihm wegen vieler kleinerer unauffälliger Krankheiten, aber auch wegen psychischer Probleme, vor allem Schlafproblemen, gekommen. 2012 oder 2013 habe sich die Angeklagte auf Anregung ihres Mannes wegen einer leichten Medikamentenabhängigkeit von Benzodiazepinen in der psychiatrischen Klinik der L.-M.-Universität behandeln lassen. Für das ihr dort verschriebene Neuroleptikum Quetiapin in minimaler Dosis habe er ihr einmal ein Folgerezept ausgestellt. Eine schwere Abhängigkeit, die man der betroffenen Person im Alltag anmerken würde, habe nicht bestanden. In den letzten vier Jahren habe er ihr keine weiteren Psychopharmaka verschrieben, auch habe sie nicht mehr über Probleme in dieser Richtung berichtet.
175
In den letzten zwei Jahren habe er aber bei der Angeklagten eine gewisse Unzufriedenheit mit der gesamten Lebenssituation bemerkt. Bei der Pflege von Herrn R2. habe die Angeklagte auf der einen Seite diesem bestmöglich helfen wollen, auf der anderen Seite habe sie sich zu sehr von diesem vereinnahmt gefühlt. Über Herrn S6. habe sie sich über dessen Grübelphasen und lethargisches Verhalten beklagt, aber auch darüber, dass er eifersüchtig sei, sie kontrollieren wolle und ihr zu wenig Freiraum lasse. Im Jahr 2017 habe sie auch von verbaler Aggressivität ihres Mannes, z.B. bei Vorwürfen wegen der Pflege von Herrn R2., berichtet. Sie habe dann mit dem Zeugen über Diagnosen und andere Medikation für ihren Mann sprechen wollen. Er habe ihr jedoch gesagt, dass sich eine Beziehungskrise nicht mit Medizin behandeln lasse, und ihr geraten, möglichst viel Zeit mit ihrem Mann zu verbringen.
176
Gründe für den Wechsel von Herrn S6. zu seinem Kollegen Dr. N1. im Jahr 2018 konnte der Zeuge nicht nennen. Er habe immer ein gutes Verhältnis zu Herrn S6. gehabt.
177
Die Aussage des sachverständigen Zeugen erfolgte ohne jeden Belastungseifer, seine Angaben waren nachvollziehbar und deckten sich in wesentlichen Punkten mit den Eindrücken und Beobachtungen anderer Zeugen. So berichteten auch die Zeugen G1. und Ph. Sc. von einer zunehmenden Verschlechterung der Beziehung zwischen dem Geschädigten und der Angeklagten. Die Sachverständige Dr. D2. wie auch die Zeugin C1. S4. bestätigten die Sorgsamkeit des Geschädigten um seine Gesundheit.
178
(7) Der Zeuge J2. S4., der jüngere Sohn des verstorbenen H2. S6., berichtete insbesondere über seinen letzten Kontakt mit seinem Vater, zu dem er generell ein gutes Verhältnis gehabt und mit ihm das Interesse an Autos geteilt habe.
179
Er habe seinen Vater vom 5.8. bis 7.8.2018 in T.see besucht und mit ihm mehrere Ausflüge unternommen. Sie seien mit dem Porsche an den Achensee und mit dem Mazda an den Chiemsee gefahren. Auch seien sie zusammen im T.see geschwommen. Sein Vater habe auf ihn einen völlig normalen, glücklichen Eindruck gemacht. Er habe davon gesprochen, wieder mit dem Radfahren anfangen zu wollen. Daher habe er seinem Vater am folgenden Wochenende dessen Rad, das er zwischenzeitlich in M. genutzt habe, zurückbringen sollen. Zwei Wochen später habe er mit Freunden eine Tour mit dem Motorrad nach Italien unternehmen wollen. Sein Vater habe vorgeschlagen, dass er mit seiner Triumph zum Gardasee kommen und sie sich dort für einen Tag treffen könnten. Bei der Verabschiedung am Dienstag gegen 17 Uhr habe sein Vater ihn umarmt und „Ja dann, bis dann!“ gesagt. Auffällig sei für ihn gewesen, dass I3. (die Angeklagte) ihn zuvor wiederholt gefragt habe, wann er fahren würde.
180
Zur Angeklagten selbst habe er nicht so häufig Kontakt gehabt, da sein Vater bei seinen Besuchen in T.see meistens allein mit ihm Sachen unternommen habe und bei den regelmäßigen Besuchen seines Vaters in M. dieser stets allein gewesen sei.
181
Zur Gesundheit seines Vaters schilderte der Zeuge, dass dieser früher recht übergewichtig gewesen sei, in den letzten Jahren jedoch sehr auf gesunde Ernährung und Bewegung geachtet und deutlich abgenommen habe. Sein Vater sei sportlich gewesen, lediglich seine Kniebeschwerden durch den früheren Verkehrsunfall hätten ihn beeinträchtigt. Seine psychische Gesundheit sei zwischen ihnen nicht thematisiert worden. Wenn es ihm mal schlechter gegangen sei, habe er entweder Treffen verschoben oder sei mit ihnen raus in die Natur gegangen.
182
Die Beziehung zwischen seinem Vater und der Angeklagten habe für ihn anfangs normal, teilweise eher oberflächlich gewirkt. Am 31.12.2017 habe er einen größeren Streit der beiden im Bad mitbekommen, bei dem sein Vater ziemlich laut geworden sei und zu I3. gesagt hätte, dass die Wohnung eigentlich auch nicht ihr gehöre und -sinngemäßer sie sich wieder zurückholen werde. Seitdem sei das Verhältnis angespannter gewesen, sie hätten verhältnismäßig oft gestritten. Zuletzt habe er eine kurze Diskussion im Treppenhaus am 6.8.2018 mitbekommen, als I3. während seines Besuchs seinen Vater aufgefordert hätte, was aufzuräumen, dieser aber lieber mit ihm einen Ausflug habe machen wollen, woraufhin I3. genervt gewesen sei. Auch sei sein Vater bei seinem letzten Besuch sauer gewesen, dass I3. die Fahrzeugbriefe von seinen Fahrzeugen, unter anderem vom Porsche, genommen und ihm nur Kopien ausgehändigt hätte. Sein Vater habe befürchtet, dass bei einer polizeilichen Kontrolle Kopien nicht anerkannt würden und habe mit ihm in der Wohnung nach den Originalen gesucht. Ein Grund, warum die Angeklagte die Originale hatte, habe sein Vater nicht genannt.
183
Vom Tod seines Vaters habe er durch seinen Bruder Ph. am 9.8.2018 erfahren. Ihnen beiden sei es komisch vorgekommen, dass ihr Vater „so aus dem Nichts“ verstorben sei, so dass sie sich an die Polizei gewandt hätten.
184
Was das Finanzielle anbelangt, so sei sein Vater immer sehr großzügig ihm gegenüber gewesen. Von dem Erbvertrag, in dem er und seine Geschwister enterbt worden seien, habe er erst nach dem Tod erfahren.
185
Der Zeuge P1. S4., der ältere Sohn des verstorbenen H2. S6., gab an, dass die Beziehung zwischen seinem Vater und Angeklagten von außen normal gewirkt habe. Die beiden hätten viel zusammen unternommen und füreinander Spitznamen gehabt. Er habe aber den Eindruck gehabt, dass sich die Beziehung in den letzten zwei Jahren verschlechtert habe. Während dieser Zeit habe er häufiger Streitigkeiten zwischen ihnen übers Telefon mitbekommen, zum Beispiel bei der Frage, wann sein Vater habe zu Hause sein müssen.
186
Zu seinem Vater habe er nach der Trennung von seiner Mutter durchgängig Kontakt gehabt. Er habe öfter in T.see übernachtet und vor allem das Interesse am Motorradfahren mit seinem Vater geteilt. Auch mit der Angeklagten und ihrem Sohn P1. habe er sich gut verstanden und einmal mit seinem Vater, der Angeklagten und ihren beiden Kindern einen sehr schönen Urlaub in Bulgarien verbracht.
187
Zur finanziellen Situation seines Vaters gab der Zeuge an, dass sein Vater ihm und seinen Geschwistern gegenüber ziemlich großzügig gewesen sei. Mit Beginn seiner Lehre habe sein Vater jedoch plötzlich die Zahlungen für ihn eingestellt. Auf seine Nachfrage hin, habe sein Vater geantwortet, dass I3. das nicht mehr wolle und, wenn er Geld brauche, er es ihm unter der Hand geben könne. Aus seiner Sicht sei sein Vater vermögend gewesen. Er habe zusammen mit seiner Mutter das Grundstück in Mu. gehabt und mit der Angeklagten die Wohnung am T.see gekauft. Auch habe er ihm etwas von Geldern in der Schweiz und in Bulgarien berichtet. Sein Vater habe zwar mal erwähnt, dass es bezüglich des Erbes einen Vertrag zwischen ihm und der Angeklagten gäbe, aber nichts von der Enterbung gesagt. Erst nach dem Tod habe er hiervon erfahren. Die Mitteilung des Rechtsanwalts der Angeklagten nach dem Tod seines Vaters, es sei keine Erbmasse vorhanden, habe ihn sehr erstaunt.
188
Zur Gesundheit seines Vaters berichtete der Zeuge, dass dieser früher ziemlich mollig gewesen sei und im Verlauf der Beziehung zu I3. mittels Diät, Vitaminsäften und viel Sport erheblich abgenommen habe. Abgesehen von seiner unfallbedingten Kniebeeinträchtigung sei er körperlich fit gewesen. Psychisch sei es ihm teilweise nicht gut gegangen. Er habe irgendwelche Medikamente gegen Depressionen genommen. Auch habe er, wenn beispielsweise das Wetter längere Zeit schlecht gewesen sei oder es Auseinandersetzungen mit seiner Mutter gegeben hatte, mal davon geredet, dass das Leben „voll blöd“ sei und er keine Lust mehr habe. Zweimal habe er sich deswegen einweisen und erfolgreich behandeln lassen.
189
Den letzten Kontakt zu seinem Vater habe er am Wochenende vor dessen Tod gehabt, als sein Vater sie in M. besucht habe. Leider hätte er aus Zeitgründen mit ihm nur einen Kaffee zusammen getrunken.
190
Anfang Juli 2018 habe er seinen Vater zu einem Treffen mit dessen Schwester und einer Cousine in den Schwarzwald begleitet. Sein Vater habe dabei richtig lebendig gewirkt und mit seiner Schwester über Pläne, gemeinsame Zeit an Ost-/Nordsee zu verbringen, gesprochen. Durch das persönliche Treffen seiner Schwester sei, so sein Eindruck, die Beziehung seines Vaters zu ihr wieder aufgelebt.
191
Vom Tod seines Vaters habe er durch einen Anruf der Angeklagten am 9.8.2018 nachmittags erfahren. Sie habe traurig gewirkt und erzählt, dass sie ins Zimmer gekommen sei und seinen Vater tot im Bett gefunden habe. Sie hätte dann den Hausarzt angerufen. Auf seine Frage, warum sie nicht den Notarzt angerufen habe, hätte sie nur gemeint, dass sie sich kennen würden. Seiner Mutter habe die Angeklagte in einem Telefonat kurz darauf einen Suizid des Vaters angedeutet. Ein Suizid sei für ihn nicht nachvollziehbar. Auch bei der geplanten schnellen Einäscherung habe er ein Unwohlsein verspürt, weswegen er bei der Kriminalpolizei seine Bedenken geäußert habe.
192
Am 10.8.2018 hätte bei einem Besuch seiner Familie bei der Angeklagten seine Mutter darauf bestanden, dass auch die Zeugin S8., die Schwester seines Vaters, von dessen Tod informiert werde, was die Angeklagte auf keinen Fall gewollt habe. Die Angeklagte habe in diesem Zusammenhang aus Wut ihr Handy gegen die Brust seiner Mutter geworfen.
193
Die Zeugin C1. S4., die ehemalige Lebensgefährtin des Geschädigten und Mutter seiner drei Kinder, berichtete insbesondere über die elfjährige Beziehung, die Geburtsdaten der drei Kinder P1., J2. und Co., den beruflichen Werdegang des Geschädigten und der durch sie 2010 erfolgten Beendigung der Beziehung.
194
Sie schilderte, dass H2. zu den Kindern immer ein sehr gutes Verhältnis gehabt hätte. Er sei oft zu ihnen nach M. gekommen. Die Besuche der Kinder an den Wochenenden in T.see seien jedoch teils kurzfristig durch die Angeklagte abgesagt worden.
195
Der Kontakt der Zeugin zu der Angeklagten, insbesondere bei gemeinsamen Geburtstagsfeierlichkeiten von H2., sei normal gewesen. Streit habe es mit ihr lediglich bei finanziellen Dingen bezüglich der Kinder, wie der Bezahlung von Urlauben, gegeben.
196
Den Charakter des Geschädigten schilderte die Zeugin als gutmütig, sehr belesen, hilfsbereit und ruhig. Sie habe ihn nur sehr selten grantig und verbal aggressiv erlebt, zuletzt, als sie 2016 über die weiteren Unterhaltszahlungen für Ph. am Telefon gestritten hätten. Dabei habe er sie, was völlig neu gewesen sei, als “Hure“ und „Schlampe“ bezeichnet. Er sei nie körperlich aggressiv gewesen, habe sie aber einmal bei ihrer Trennung an den Armen gepackt und geschüttelt. Er habe mehrfach Phasen gehabt, in denen er sehr deprimiert gewesen sei. Zweimal habe er sich wegen Suizidgefahr in die psychiatrische Klinik in der N2. straße in M. begeben und sei dort auch länger stationär behandelt worden. Von einem tatsächlichen Suizidversuch wisse sie nichts, auch nicht aus der Zeit vor ihrer Beziehung.
197
Zu seiner finanziellen Situation berichtete die Zeugin, dass er bescheiden gelebt habe, aber sich durchaus Sachen, an denen er Spaß hatte, geleistet habe. Während ihrer Beziehung habe er eine gebrauchte Yacht und einen Porsche gekauft. Zusammen hätten sie sich ohne Kreditaufnahme ein unbebautes Grundstück in Mu. für 320.000 € gekauft. Auch habe er ein Konto in der Schweiz gehabt, auf dem das gezahlte Schmerzensgeld von dem Motorradunfall gelegen habe. Ab 2007 habe er monatlich eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 2400 €, eine Unfallrente in Höhe von 2000 € und pro Kind jeweils 800, später 900 €, erhalten. Kredite habe er nie aufgenommen.
198
Nach der Trennung habe er monatlich pro Kind 700 € Unterhalt gezahlt. 2016 habe er die Unterhaltszahlungen für den Sohn P1. mit der Begründung, dieser verdiene während seiner Lehre eigenes Geld, plötzlich eingestellt und einen Anwalt eingeschaltet. Dies sei völlig untypisch für H2. gewesen, und sie vermute, dass die Angeklagte „dahinterstecke“. Bereits 2013 habe H2. sie gedrängt, das gemeinsame Grundstück in Mu. zu verkaufen, da es laut I3. so unbebaut „nichts bringe“. Seinen Anteil in Höhe von 185.000 € habe er nach Bulgarien bringen wollen. Auffällig sei auch gewesen, dass er bei den Besuchen in M. fast nie Bargeld bei sich gehabt habe, als ob die Angeklagte habe verhindern wollen, dass er den Kindern zu viel Geld gebe.
199
Zur Benachrichtigung vom Tod von H2. schilderte die Zeugin, dass sie davon am 9.8.2018 spätnachmittags von ihrem Sohn P1. erfahren habe. Sie habe daraufhin mit der Angeklagten telefoniert. Diese habe ihr berichtet, dass sie, nachdem J2. wieder abgereist war, mit H2. noch gegessen und Wodka getrunken hätte. Sie seien dann in die obere Wohnung gegangen, wo H2. eingeschlafen sei. Da sie nicht habe schlafen können, sei sie in die untere Wohnung gegangen. Am nächsten Tag gegen 8 Uhr morgens habe sie ihn schlafend gesehen. Nachdem sie mit L1. bei der Post gewesen sei, habe sie erneut nach ihm gesehen und ihn tot aufgefunden. Anstatt traurig zu wirken, habe sich die Angeklagte dann noch in dem Telefonat über H2. beklagt, dass er so schwierig gewesen sei.
200
Überrascht habe die Zeugin auch, dass bereits am Tag darauf die Verabschiedung und am Montag, den 13.8.2018, bereits die Trauerfeier stattfinden sollte. Am 10.8.2018, als sie mit ihren Kindern nach der Verabschiedung bei der Angeklagten gewesen sei, habe diese sich zunächst geweigert, die Schwester des Geschädigten über den Tod zu verständigen. Schließlich habe sie ihre Schwägerin doch angerufen und sei auf deren Nachfrage, warum alles mit der Beerdigung so schnell gehen würde, völlig „ausgerastet“ und habe ihr (der Zeugin) das Telefon an den Hals geworfen.
201
Da ihre Söhne, die Schwester von H2. und sie selbst sich weder einen natürlichen Tod noch einen Suizid von H2. zu diesem Zeitpunkt hätten vorstellen können, seien sie von sich aus zur Polizei nach Mi. gefahren und hätten dort ihre Bedenken geäußert.
202
Die Zeugin H7. S8., die Schwester des verstorbenen H2. S6., machte zunächst Angaben zur Kindheit und zum Werdegang ihres Bruders. H2., ihr mittlerweile verstorbener Bruder K2. und sie hätten eine sehr offene und zugewandte Beziehung zueinander gehabt. Sie berichtete auch von dem unverschuldeten Verkehrsunfall ihres Bruders 1976, bei dem dieser unter anderem einen Schädelbasisbruch und mehrere Knochenbrüche an den Beinen erlitten habe. Als neurologische Folge dieses Unfalls seien Depressionen bei ihrem Bruder aufgetreten. Zudem habe er aufgrund der entstandenen Arthrose am Knie unter Knieschmerzen gelitten.
203
Den Charakter ihres Bruders schilderte sie als sehr gutmütig, harmoniebedürftig und sehr liebevoll zu seinen Kindern. Er habe nicht allein leben wollen und daher nach der Trennung von C1. und seiner einjährigen Auszeit in Südafrika eine Partnerschaftsvermittlung kontaktiert, über die er dann 2011 die Angeklagte kennengelernt habe. Sie habe die Angeklagte als sehr freundlich und kommunikativ kennengelernt. Allerdings habe diese ihren Bruder auch stark kontrolliert und beispielsweise auf einer gemeinsamen Marokkoreise von H2. und der Zeugin im November 2012 ihren Bruder ständig angerufen.
204
Ende 2013 sei jedoch der Kontakt zu H2. und der Angeklagten abrupt abgebrochen, weil H2. nach dem Tod des älteren Bruders K2. wegen der Erbauseinandersetzung einen Rechtsanwalt eingeschaltet hätte. Dies habe sie als völlig unübliches Verhalten ihres Bruders empfunden und daher die Angeklagte als Initiatorin vermutet. In den folgenden zwei Jahren hätten sie sich nur an Geburtstagen und Weihnachten kurz geschrieben. Circa 2016 habe sie den Kontakt zu H2. wieder aufgenommen und seitdem mit diesem häufiger telefoniert.
205
Am 1.7.2018 habe sie ihren Bruder zuletzt anlässlich eines Treffens mit einer Cousine im Schwarzwald gesehen. Dort habe er stolz von seiner Gewichtsabnahme und seinen guten Blutwerten berichtet Er habe vorgeschlagen, zusammen zu verreisen. Sie hätten sich dann auf eine Schiffsreise auf der Wolga zusammen mit ihrem Lebensgefährten und der Angeklagten im Juli 2019 geeinigt und diese Mitte Juli 2018 beide gebucht. In einem letzten Telefonat mit ihm eine Woche vor dem Tod habe er gesagt, dass er gerne etwas (Haus oder Wohnung) an der Ostsee hätte, aber dies die I3. eh nicht mitmachen werde.
206
Zur Frage nach etwaiger Suizidneigung ihres Bruders gab die Zeugin an, dass er ihres Wissens nie einen Versuch unternommen hätte, aber mehrmals Suizidgedanken geäußert habe. Im Mai 2018 habe er ihr mitgeteilt, dass es ihm psychisch nicht gut gehe. Später habe er ihr berichtet, eine Überweisung seines Hausarztes bekommen zu haben, mit der er jederzeit, wenn es ihm schlechter gehe, in die Klinik gehen könne.
207
In finanzieller Hinsicht schilderte die Zeugin ihren Bruder als sparsam, jedoch nicht geizig. Er habe stets Ersparnisse gehabt und sei gegenüber seinen Kindern großzügig gewesen. Überrascht habe sie, als er im Juli 2018 im Zusammenhang mit der Buchung ihrer gemeinsamen Reise geäußert habe, dass die Anzahlung hoffentlich nicht zu hoch sei, da er noch Raten für den Mazda bezahlen müsse.
208
Zur Benachrichtigung vom Tod ihres Bruders berichtete die Zeugin, dass die Angeklagte sie erst am 10.8.2018 nachmittags angerufen habe. Nach der Mitteilung, H2. sei verstorben, seien von Seiten der Angeklagten Beschimpfungen und Anschuldigungen H2. gegenüber erfolgt. Diese habe ins Telefon gebrüllt, sie habe es mit ihm nicht mehr ausgehalten. In einem Rundumschlag habe die Angeklagte dann noch angefangen, über die Nachlassstreitigkeiten nach dem Tod ihres Bruders K2. zu sprechen. Trotz der Aussage der Angeklagten, dass H2. sie nicht bei einer Trauerfeier habe dabeihaben wollen, sei sie aus H1. zur Trauerfeier angereist.
209
Die Zeugen J2., Ph. und C1. Sc. sowie H8. Sch. ließen zwar eine, teils auch schon vor der Tat bestehende, kritische Haltung gegenüber der Angeklagten erkennen. Ihre Angaben waren jedoch in sich und untereinander stimmig und deckten sich, in für die Kammer relevanten Bereichen, teils mit den Aussagen anderer Zeugen (Schilderung des Streits am 31.12.2017 durch J2. Sc. und M8. B5.) teils mit den polizeilichen Ermittlungsergebnissen (Schilderung von verschwundenen Fahrzeugpapieren durch J2. Sc. - Ummeldung der Fahrzeuge des Geschädigten durch die Angeklagte). Die Kammer ist ihnen daher gefolgt, auf die näheren Ausführungen im Rahmen der wesentlichen Beweiswürdigung der Kammer unter Ziffer 3. wird insoweit Bezug genommen.
210
(8) Die Zeugin J3. R2., die getrennt lebende Ehefrau des R1. R2., berichtete, dass sie sich 2007 von ihrem Ehemann getrennt hätte und seitdem in einem im Eigentum beider stehenden Haus in O. wohne. Sie stehe jedoch weiterhin mit ihm in Kontakt und sei im Besitz einer Vorsorgevollmacht für ihn bezüglich seiner gesundheitlichen und finanziellen Angelegenheiten. Auch habe sie ihrem Ehemann monatlich 3.000 € auf sein Konto überwiesen, so dass ihm mit seiner Rente von ca. 1.300 €, der monatlichen Ausschüttung aus einer Geldanlage in Höhe von 4.500 € und 500 € aus der Pflegeversicherung monatlich mehr als 9.000 € zur Verfügung gestanden hätten.
211
Ihr Ehemann leide seit 10 Jahren unter Parkinson, gehe aber auf zwei Krücken immer noch jeden Tag raus. Hinzugekommen sei eine gewisse Demenz, wegen der er sich an kürzliche Ereignisse nicht mehr erinnern könne.
212
Er habe sich damals mit der in derselben Wohnanlage lebenden Angeklagten angefreundet und diese 2010 auch bei ihrer Partnersuche beraten. Die Angeklagte habe sich in den vergangenen Jahren gut um R1. gekümmert. R1. wiederum sei der Angeklagten absolut hörig gewesen und habe alles gemacht, was sie gesagt habe.
213
Mit der Angeklagten habe die Zeugin ein gutes Verhältnis gehabt. Sie hätten viel telefoniert und öfter zusammen Kaffee getrunken. Sie würde die Angeklagte als sehr hilfsbereit, fleißig und intelligent, aber auch als furchtbar geldgierig beschreiben. Über ihren Ehemann H2. habe die Angeklagte erzählt, dass er sehr geizig sei und nichts im Haushalt mache. Von Beziehungsproblemen sei ihr nichts bekannt.
214
Die Angeklagte sei mit dem Geschädigten noch am 20.7.2018 bei ihr zum Kaffeetrinken zu Besuch gewesen. Dabei habe dieser lustig und vergnügt gewirkt. Von etwaigen Depressionen habe sie nichts bemerkt.
215
Vom Tod des H2. S6. habe sie durch einen morgendlichen Anruf der Angeklagten erfahren, in dem diese ihr mitgeteilt habe, dass H2. in der Nacht an einem Herzinfarkt gestorben sei. Ein paar Tage später habe die Angeklagte ihr aufgeregt berichtet, dass die Polizei bei ihr gewesen sei, obwohl es aus ihrer Sicht eindeutig ein Selbstmord gewesen sei.
216
Kurz nach dem Tod habe die Angeklagte vorgeschlagen, dass R1. zu ihr ziehen solle. Auf Vorhalt bestätigte die Zeugin, am 21.8.2018 von der Angeklagten eine Whatsapp-Nachricht erhalten zu haben, in der diese ihr mitteilte, dass R1. seit 15. August bei ihr in der Wohnung sei, und die Zeugin fragte, wozu R1. seine Wohnung oben noch brauche. Die Zeugin führte aus, dass ihr Ehemann zu dem Zeitpunkt Eigentümer einer kleinen Eigentumswohnung am S1.platz gewesen sei, aber selbst zur Miete in einer größeren Wohnung gewohnt habe. Sie habe daraufhin den Mietvertrag für ihn zum 30.11.2018 gekündigt, und er habe in der Folge eine monatliche Warmmiete in Höhe von 1.000 € an die Angeklagte gezahlt.
217
Die Zeugin berichtete von einem Vorfall Ende Oktober 2018, bei dem sie mit ihrem Ehemann in dessen Wohnung in Anwesenheit der Angeklagten besprochen habe, ihr früheres Berliner Testament dahingehend abzuändern, dass im Falle ihres Vorversterbens ihr Sohn K2. das Vermögen erben würde. Sie habe damit verhindern wollen, dass ihr Ehemann ihr Vermögen erben und damit faktisch die Angeklagte Zugriff auf ihr Vermögen erhalten würde. Ihr Ehemann sei an dem Tag in guter geistiger und körperlicher Verfassung gewesen und habe sich mit ihrem Vorschlag einverstanden erklärt, weswegen sie gleich im Anschluss zum Notar gegangen sei, um einen entsprechenden Entwurf vorbereiten zu lassen. Als sie ca. vier Stunden später wieder zu ihrem Ehemann gekommen sei, sei dieser „völlig weggetreten“ im Bett gelegen und sei nicht mehr in der Lage gewesen, mit ihr zur Beurkundung zum Notar zu fahren. Ihre Vermutung sei damals gewesen, dass die Angeklagte ihrem Mann in der Zwischenzeit Tabletten gegeben hatte, um eine Testamentsänderung zu verhindern.
218
Im November 2018 habe sie ihr Ehemann angerufen, was sehr selten vorgekommen sei, und gesagt, dass die Angeklagte immer mehr Geld haben möchte und immer geldgieriger werde. Sie habe ihm damals gesagt, er solle das selbst regeln. Ebenfalls im November 2018 habe er auch seine Eigentumswohnung am S1.platz zu einem Freundschaftspreis von 60.000 € an die Angeklagte verkauft. Sie selbst habe der Angeklagten zeitgleich drei Tiefgaragenstellplätze am S1.platz zu einem Kaufpreis von insgesamt 60.000 € verkauft.
219
Im Dezember 2018 habe sie dann zusammen mit ihrem Sohn K2. in T.see mit ihrem Ehemann über dessen Ausgaben reden wollen und dafür die Angeklagte aus der Wohnung gebeten. Ihr Sohn habe dabei bemerkt, dass die Angeklagte beim Rausgehen ihr Mobiltelefon mit angeschaltetem Aufnahmemodus auf einen Schrank gelegt hatte. Bei der Suche nach den Kontoauszügen ihres Ehemanns habe die Angeklagte erschrocken gewirkt, eine Tasche vorgezeigt und erklärt, dass die Auszüge nicht mehr da seien.
220
Die Zeugin habe sich die Kontoauszüge schließlich im Februar 2019 über die Bank besorgt und festgestellt, dass die Angeklagte zwar den Kaufpreis in Höhe von 60.000 € für die von ihrem Ehemann erworbene Wohnung am 4.12.2018 auf dessen Konto einbezahlt hatte, ein paar Tage später jedoch ein Betrag von 40.000 € in bar abgehoben und ein weiterer Betrag von 20.000 € auf das Konto der Angeklagten für einen Mazda überwiesen worden seien. Ihr Ehemann habe zu dem Zeitpunkt überhaupt keinen Führerschein gehabt. In dem von der Angeklagten später vorgelegten Kaufvertrag über den PKW sei vermerkt, dass der Wagen im Besitz der Angeklagten bleibe. Auf dem Konto sei fast kein Guthaben mehr gewesen.
221
Der Zeuge K2. R2., der Sohn des R1. R2., gab an, dass sein Vater seit etwa sechs bis sieben Jahren aufgrund seines Alters und seiner Parkinsonerkrankung Pflege benötige und sowohl sein Vater wie auch er sehr froh gewesen sein, dass sich die Angeklagte so gut um seinen Vater gekümmert habe. Allerdings sei das finanzielle Interesse der Angeklagten immer mehr durchgedrungen. Die Pflegekosten seien zum Schluss (Ende 2018) auf Drängen der Angeklagten immer höher geworden. Sie habe argumentiert, dass der Pflegebedarf immer größer werde und sie im Endeffekt eine 24h/7-Tage - Betreuung leiste, und habe dafür das Doppelte des bisher Gezahlten haben wollen. Derzeit lebe sein Vater bei Herrn G1., ohne von diesem oder einem Pflegedienst besondere Pflegeleistungen zu erhalten.
222
Der Zeuge berichtete weiter, dass er und seine Mutter früher keinen Zugriff auf das Konto seines Vaters gehabt hätten. Durch seine Mutter hätten sie dann Anfang 2019 festgestellt, dass das Konto seines Vaters fast auf null gestanden sei, obwohl er erst kurz zuvor seine Wohnung am S1.platz für 60.000 € an die Angeklagte verkauft hatte. Der bezahlte Kaufpreis sei jedoch ein paar Tage später in Höhe von 40.000 € in bar abgehoben und in Höhe von 20.000 € auf das Konto der Angeklagten für den Kauf ihres Mazdas überwiesen worden. Sein Vater sei nach Bestätigung der Bankangestellten bei der Barabhebung dabei gewesen, habe aber selbst keine Erinnerung mehr daran. Monatlich seien zusätzlich zu dem an die Angeklagten gezahlten Pflegeaufwand regelmäßig 5.000 - 6.000 € von dem Konto seines Vaters in bar abgehoben worden, was nicht nachvollziehbar sei, da ein solcher Betrag nicht allein für das Essengehen ausgegeben worden sein könne.
223
Ab dem Sommer 2018 habe sich sein Vater mit mehreren finanziellen Anliegen bzw. Ideen, von denen der Zeuge sicher sei, dass diese seinem Vater so eingeredet worden seien, an ihn gewandt. So habe er ihn einmal gebeten, dass er ihm 500.000 € auf sein Konto überweise. Ein anders Mal habe er gewollt, dass eine seinen Eltern je zur Hälfte gehörende Wohnung in O. verkauft werde, was seine Mutter aber eindeutig abgelehnt habe. Schließlich habe sein Vater bei einem Treffen zusammen mit der Angeklagten vorgeschlagen, dass der Zeuge ihm das hälftige Eigentum an dem Haus in O., in dem seine Mutter lebe, abkaufen solle, was der Zeuge ebenfalls abgelehnt habe. Ihm sei es komisch vorgekommen, dass das Geld seines Vaters zu neige gegangen sein sollte, daher habe er ihn erstmal nicht mehr mit Bargeld versorgen wollen.
224
Bei einem Besuch zusammen mit seiner Mutter am T.see hätten sie die Angeklagte nach den Kontoauszügen seines Vaters gefragt und diese hätte behauptet, dass die Auszüge nicht mehr auffindbar seien. Auch habe er bemerkt, wie die Angeklagte bei der Bitte, rauszugehen, damit er und seine Mutter allein mit seinem Vater reden könnten, vor Verlassen des Raumes die Tonbandfunktion ihres Mobiltelefons eingeschaltet und dieses in die Ecke des Zimmers gelegt habe.
225
Die Zeugen J3. und K2. R2. tätigten ihre Aussagen nachvollziehbar, glaubhaft ohne erkennbaren Be- oder Entlastungseifer und schilderten, untereinander übereinstimmend, ihre positiven wie auch negativen Eindrücke von der Angeklagten, so beispielsweise ihre Zufriedenheit mit deren Pflege von R1. R2. und ihre Geldgier. Letzteres untermauerten sie mit mehreren konkreten Beispielen, die durch die Finanzermittlungen des Zeugen T3. und durch weitere Zeugenaussagen (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter Ziff. 3. e.) bestätigt wurden.
226
(9) In den durch Verlesung in der Hauptverhandlung eingeführten Vernehmungen durch die Bezirksstaatsanwaltschaft Pl. vom 2.9. und 4.9.2019 berichtete die in Bulgarien wohnhafte Zeugin L3. I2. H3. zunächst von ihrer Beziehung zur Angeklagten.
227
Sie habe diese 1990 kennengelernt, als sie mit ihr gemeinsam für ca. eineinhalb Jahre am Medizinischen College in Pl. Kurse zur Krankenschwesternausbildung besucht habe. Danach hätten sich ihre beruflichen Wege getrennt, da die Zeugin ihre Ausbildung abgebrochen und bei der Immobilienfirma ... M1 angefangen habe, zu arbeiten. Nachdem die Angeklagte nach Deutschland gegangen sei, hätten sie bis 2008 überhaupt keinen und danach vereinzelten Kontakt zueinander gehabt.
228
Den Geschädigten habe sie 2012 auf der Beerdigung der Mutter der Angeklagten erstmals kennengelernt. Die Angeklagte habe mit ihm sehr angegeben, da er von Beruf Augenarzt und ein polyglotter Mensch, der viele Sprachen sprach, gewesen sei. Nach dem Eindruck der Zeugin sei der Unterschied zwischen dem Geschädigten und Fl. Ro., der einfach gestrickt und dümmlich gewesen sei, riesig gewesen. Nach Kenntnis der Zeugin habe der Geschädigte Medikamente gegen Depressionen und für sein Herz genommen. Auch habe er Knieprobleme gehabt und deswegen Schmerzmittel bzw. Medikamente zum Einreiben genommen. Von Injektionsmedikamenten habe sie nichts mitbekommen. Er sei kein Diabetiker gewesen. Zuletzt habe sie ihn im Januar 2018 bei dem letzten Besuch der beiden vor seinem Tod in Bulgarien gesehen. Da sei es ihm gut gegangen.
229
Sie könne nicht sagen, dass die Angeklagte und sie enge Freundinnen seien. Sie sei der Angeklagten eher von Nutzen. In dem Moment, als H2. aufgetaucht sei und die Angeklagte sich ab 2013 Wohnungen in Bulgarien zur Kapitalanlage gekauft habe, habe diese an Selbstbewusstsein gewonnen. Sie habe angefangen, den Kontakt zu der Zeugin zu suchen, damit sie ihr die Wohnungen mithilfe von Vollmachten verwalte, insbesondere sie vermiete und die Mieten einsammle. Die Zeugin erläuterte, dass sie sich um vier Wohnungen in der J-S.-Str. 2 in Pl. gekümmert habe, um die von der Angeklagten vor der Eheschließung allein erworbene Nr. 16, um die nach der Eheschließung erworbenen Wohnungen Nr. 15 und Nr. 20, bei der laut Notarurkunde die Angeklagte Alleineigentümerin sei und H2. nur ein eingeräumtes Nutzungsrecht habe, sowie um die von der Angeklagten und H2. zu hälftigem Miteigentum erworbene Wohnung Nr. 24. Die Mieten seien in bar bezahlt und von der Zeugin auch in bar mit der Angeklagten und dem Geschädigten bei deren Besuchen in Bulgarien abgerechnet worden. Zuletzt hätten die monatlichen Mieteinnahmen aus den vier Wohnungen 1.650 € betragen.
230
Im November 2017 hätten sich die Angeklagte und der Geschädigte entschieden, die Wohnung Nr. 24 zu verkaufen und mit den Mitteln aus dem Verkauf sich eine im Bau befindliche Wohnung mit Garage in der S3. Str. 4 in Pl. zu kaufen. Die Zeugin selbst habe die Wohnung Nr. 24 den beiden im Januar 2018 für 107.000 Leva (entspricht etwa 55.000 €) abgekauft. Der Geschädigte habe bei dem Kauf der Wohnung in der S3. Str. 4, der am selben Tag wie der Verkauf erfolgt sei, den Wunsch geäußert, dass nur I3. in der Notarurkunde stehen solle, damit er keine Steuern zahlen müsse. Er sei sehr geizig und ständig unzufrieden gewesen, dass er als Miteigentümer zu viel Steuern für die Wohnungen, wie die Gebäude- und Müllentsorgungssteuer, zahlen müsse. Gemäß der bulgarischen Gesetzgebung spiele es keine Rolle, welcher Ehepartner bei während der Ehe erworbenen Immobilien in der Notarurkunde stehe. Auf Vorhalt, dass die Zeugin der Angeklagten in einem Chat-Gespräch am 13.11.2017 im Zusammenhang mit dem von ihr geplanten Kauf einer Wohnung von der Angeklagten, dieser vorgeschlagen habe, nicht die Wohnung Nr. 16, sondern die Nr. 24 zu kaufen, damit die Angeklagte „H2. los werden könne“, gab die Zeugin an, dass dies bedeuten sollte, dass die Angeklagte dann das Meckern von H2. „weg haben würde“.
231
Die Zeugin berichtete, dass sie von der Angeklagten und dem Geschädigten zu dessen 60. Geburtstag am 30.12.2017 eingeladen gewesen sei. Sie habe gebeten, eine Begleitung mitnehmen zu dürfen und habe ihre Freundin Rositsa Radkova mitgenommen. Mitgereist sei noch ein Lyudmil, der als Handwerker für die Angeklagte eine Wohnung renovieren sollte. Sie hätten in der Wohnung des „Ralf“ R2. übernachtet, der zu der Zeit in einem Reha-Zentrum gewesen sei. Einen Streit zwischen der Angeklagten und dem Geschädigten habe sie bei der Feier nicht mitbekommen. Allerdings spreche sie auch kein Deutsch. Sie wisse nur noch, dass es dem Geschädigten nach Silvester schlecht geworden sei, die Angeklagte ihn ins Krankenhaus gefahren habe und er dort wegen „irgendwas mit dem Herzen“ ein oder zwei Tage geblieben sei.
232
Vom Tod des Geschädigten habe die Angeklagte ihr am 15.8.2018 telefonisch berichtet. Sie habe gesagt: „Sitzt du? H2. ist schon bei seinem Bruder“. Sie habe geschildert, dass sie am Vorabend des Todes mit H2. Alkohol getrunken und Sex gehabt hätte. Anschließend sei sie in die Familienwohnung zum Übernachten gegangen, während H2. in der anderen kühleren Wohnung geblieben sei. Am Morgen habe sie ihn im Bett gefunden. Er hätte laut der Angeklagten höchstwahrscheinlich einen Herzinfarkt bekommen. Der von ihr herbeigerufene Familienarzt habe Zweifel gehabt, dass es ein natürlicher Tod sei, und daher Kriminalisten gerufen. Unter oder neben dem Bett habe sie eine Spritze gefunden und sie den Kriminalisten gegeben, damit sie schauten, was drin sei. Als Grund, warum sie die Zeugin so spät über den Tod informiert habe, habe die Angeklagte angegeben, mit der Beerdigung und der Ausstellung von Sterbeurkunden beschäftigt gewesen zu sein und überlegt zu haben, sich selbst das Leben zu nehmen.
233
Nach dem Tod des Geschädigten habe die Angeklagte sehr oft den Kontakt zu ihr gesucht, ihr über den Messenger „Viber“ geschrieben oder sie angerufen. Die Angeklagte habe sich ihr anhängen wollen. Dabei sei ihr aufgefallen, dass sich die Angeklagte nach dem Tod verändert hätte. Bereits ein oder eineinhalb Monate nach dem Tod habe sie von ihr Fotos erhalten, auf denen diese nicht wie eine trauernde Witwe, sondern wie eine Hure ausgesehen habe.
234
Zu Medikamenten, die sich die Angeklagte in Bulgarien gekauft hat, gab die Zeugin an, dass sich die Angeklagte zuletzt dort Arzneimittel im Zusammenhang mit dem Papillomavirus auf Rezept eines bulgarischen Arztes gekauft hätte. Ihr sei nicht bekannt, woher und von wem die Angeklagte Morphin aus Bulgarien erhalten oder gekauft habe. Morphin könne man nicht frei kaufen. Sie müsse es auf dem Schwarzmarkt gefunden, oder ein Insider müsse es ihr aus irgendeinem Krankenhaus gestohlen haben. Ihres Wissens nach habe die Angeklagte zu einer Krankenschwester namens H3. noch Kontakt, mit der sie in den Chirurgien in Pl. zusammen gearbeitet habe.
235
Die Zeugin berichtete von der Erzählung der Angeklagten, dass diese die Asche von H2. in ein kleines Kissen gefüllt hätte, um neben ihm schlafen zu können.
236
Zu R1. R2. führte die Zeugin aus, dass die Angeklagte sich um ihn wie um einen Verwandten gekümmert habe. Nach dem Tod des Geschädigten habe die Angeklagte finanzielle Schwierigkeiten gehabt und daher R1. R2. vorgeschlagen, zu ihr zu ziehen und seinen Sohn die Miete an sie zahlen zu lassen.
237
Die Zeugin gab an, nach der Inhaftierung einen in bulgarischer Sprache verfassten Brief der Angeklagten per Post erhalten zu haben, dessen Umschlag nicht mit der Handschrift der Angeklagten beschriftet gewesen sei.
238
Die Aussage der Zeugin erachtet die Kammer nur teilweise für glaubhaft. Insbesondere war die Zeugin bei ihren Angaben sichtlich bemüht, den - durch den ausgewerteten Chatverkehr mit der Angeklagten belegten - engen freundschaftlichen Kontakt mit der Angeklagten zu verbergen und die Beziehung vorrangig als geschäftlich darzustellen. Insbesondere bei den von der Zeugin genannten, durch die Finanzermittlungen des Zeugen T3. belegten Immobiliengeschäften im Januar 2018 verschwieg die Zeugin ihre Rolle als „Ideengeberin“ bzw. Mitspielerin bei der Übervorteilung des Geschädigten durch die Angeklagte. Die Erklärung der Zeugin, warum sie in einer Nachricht der Angeklagten den Kauf der Wohnung Nr. 24 vorschlug, damit diese „H2. loswerde“, ergibt keinen Sinn. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, warum der Geschädigte sich an der Steuerlast als Miteigentümer einer Immobilie in Bulgarien gestört haben soll, nicht aber an der Tatsache, dass der ihm zustehende hälftige Kaufpreisanteil an der Wohnung Nr. 24 in Höhe von über 27.000 € von der Angeklagten für den Kauf einer neuen Wohnung, bei der sie als Alleineigentümerin eingetragen wird, verwendet werden sollte. Die Kammer ist den Angaben der Zeugin teilweise gefolgt, soweit sie von den Eckdaten der Immobiliengeschäfte der Angeklagten und des Geschädigten berichtet, da diese mit den Einlassungen der Angeklagten und den Ergebnissen der Finanzermittlungen überwiegend übereinstimmen. Gleiches gilt für die durch andere Beweisergebnisse bestätigten Angaben zum Zeitpunkt der Todesnachricht, der Erzählung der Angeklagten von der Asche des Geschädigten und den Möglichkeiten, sich in Bulgarien Morphium zu beschaffen.
239
(10) In den durch Verlesung in der Hauptverhandlung eingeführten Vernehmungen durch die Bezirksstaatsanwaltschaft Pl. vom 2.9. und 4.9.2019 schilderte die in Bulgarien wohnhafte Zeugin E1. I1. H3. zunächst ihre Beziehung zu der Angeklagten.
240
Sie habe mit der Angeklagten ein bis zwei Jahre Anfang der Neunzigerjahre zusammen in der Klinik „K.“ in Pl. als Krankenschwester gearbeitet. Nachdem die Angeklagte ihre Arbeitsstelle aufgegeben hätte, um in den USA zu arbeiten, sei der Kontakt abgebrochen. Erst im September 2015, als die Angeklagte mit ihrem Ehemann und einem Freund zufällig im Hotel des Bruders der Zeugin in Pl. abgestiegen sei, hätten sie sich wiedergesehen und seitdem in regelmäßigen telefonischen und persönlichen Kontakt gestanden.
241
Sie habe den Geschädigten als sehr intelligent und belesen kennengelernt. Zu kardialen oder psychischen Erkrankungen von ihm wisse sie nichts. Er habe ihr erzählt, dass er Ibuprofen und etwas zum Schlafen nehme. Die Angeklagte habe ihr aber mehrmals berichtet, dass „H2. unruhig sei, da der Föhn wieder wehe“, dass er weine und sage, er wolle bei seinem verstorbenen Bruder sein. Auch habe sie sich bei ihr beschwert, dass H2. ihr auf die Nerven gehe, dass er ständig etwas laut lese und erzähle.
242
Nach Einschätzung der Zeugin habe bei der Beziehung der beiden nicht die Liebe, sondern die Fürsorge der Angeklagten um ihren Mann im Vordergrund gestanden. Die Angeklagte habe sich um ihn, um seine Schmerzen und um sein psychisches Gleichgewicht gekümmert.
243
Während der Geschädigte rührend und liebevoll von seinen Kindern gesprochen und dabei sogar vor Ergriffenheit geweint habe, habe die Angeklagte keine positive Einstellung zu seinen Kindern gehabt. Diese kämen nur deshalb zu ihnen, um etwas zu holen. Deshalb hätten sie aus Sicht der Angeklagten auch kein Recht auf die Erbschaft ihres Vaters. Die Angeklagte habe ihr in diesem Zusammenhang erzählt, dass ihr Ehemann nach und nach all seine Immobilien auf sie übertragen habe. Ob das auf Anraten der Angeklagten oder freiwillig von ihm aus erfolgt sei, wisse sie nicht.
244
Zum Vermögen der Angeklagten könne sie nichts Genaues sagen. Sie wisse lediglich, dass sie mehrere Wohnungen in Deutschland und auch mehr als eine Wohnung in Bulgarien besitze. Die Angeklagte habe zu ihr gesagt, dass sie sich nichts aus Klamotten mache, sondern aus Beton. Auch spekuliere die Angeklagte gerne mit virtueller Währung.
245
Betreffend die Pflege von R1. R2. gab die Zeugin an, dass die Angeklagte hierfür anfangs etwa 700-800 € monatlich, später ungefähr 3.000-4.000 € und im letzten Jahr ca, 7.000 € erhalten habe. Nach dem Tod ihres Ehemanns habe die Angeklagte versucht, den Preis für die Pflege zu erhöhen, und R1. R2. erzählt, dass die Pflege in einem Altenheim 15.000 € kosten würde, sie aber nur 10.000 € von ihm verlange. In diesem Zusammenhang habe die Angeklagte auch berichtet, dass R1. aus dem Gesamtvermögen mit seiner Ehefrau 800.000 € zustünden und diese Summe ihr zustehen sollte, da sie sich um ihn kümmere. Sie hätte notariell die Rechte für R1. übernommen und es liefen noch diesbezügliche Verfahren. Die Angeklagte habe ihr auch vom Umzug des R1. in ihre Wohnung erzählt. Erst sollte es unentgeltlich sein, später habe sie berichtet, dass R1. Miete an sie zu zahlen habe.
246
Zur Todesnachricht berichtete die Zeugin, dass sie nach einem kurzen Anruf der Angeklagten am 5.8. oder 6.8.2018, in dem es nicht um H2. gegangen sei, für längere Zeit, mehr als 10 Tage, nicht mehr mit der Angeklagten gesprochen habe. An einem Samstagmorgen im August habe die Angeklagte sie angerufen und um ein längeres Gespräch gebeten. Sie habe ihr von einem wunderbaren Abend mit H2. erzählt, bei dem sie nach dem Abendessen in seine Wohnung raufgegangen seien und eine wunderbare Liebesnacht gehabt hätten. Am nächsten Morgen sei sie rauf und habe gesehen, dass er noch schlafe. Nach ihrer Rückkehr von Besorgungen mit R1. habe sie ihn dann tot vorgefunden. Die Zeugin habe zunächst an einen Scherz der Angeklagte gedacht. Erst als diese von der nach zwei Tagen erfolgten Einäscherung erzählt habe, habe sie es begriffen. Auf ihre Fragen hin habe die Angeklagte angegeben, dass es wahrscheinlich Selbstmord gewesen sei, dass sie aber keine Arzneimittelverpackungen gefunden habe. In einem späteren Telefonat habe die Angeklagte gesagt, dass H2. wahrscheinlich einen Infarkt bekommen habe. Das Gutachten würde es zeigen. Nach dem Tod, vermutlich bei dem ersten Telefonat danach, habe die Angeklagte auch berichtet, eine tiefe Depression gehabt und einen Selbstmordversuch unternommen zu haben. Als Grund habe sie angegeben, dass sie beunruhigt sei, dass man sie verdächtigten könnte, etwas mit dem Tod von H2. zu tun zu haben.
247
In einem weiteren Telefonat habe die Angeklagte ihr erzählt, wie sie nachts im Hausmantel zum Friedhof gegangen, das Schloss der Urnennische aufgesperrt und die Urne nach Hause mitgenommen hätte. Nachdem sie zu Hause die Asche aus der Urne in ein Kopfkissen geschüttet habe, habe sie die leere Urne wieder zurückgebracht. Später habe sie ihr geschildert, wie es sich wunderbar auf diesem Kopfkissen schlafen lasse, als schmuse sie mit H2.. Sie habe die Zeugin gefragt, ob sie die Asche im S12.n Meer verstreuen könne. Nach einiger Zeit habe sie erzählt, dass sie die Asche über dem T.see verstreut hätte.
248
Die Frage, ob Möglichkeit bestehe, sich aus Bulgarien Morphium oder Insulin zu beschaffen, verneinte die Zeugin, da es nicht von einer Apotheke gekauft werden könne und alles streng dokumentiert werde. Sie habe der Angeklagten niemals Medikamente gegeben.
249
Die Zeugin D1. M4. berichtete, dass sie die Angeklagte im Januar 2018 über ihre gemeinsame Freundin L3. H3. in Bulgarien kennengelernt und über sie im Oktober 2018 an die Familie von K2. R2. als Kindermädchen vermittelt worden sei.
250
Die Zeugin gab an, den Geschädigten nur einmal im Januar 2018 bei seinem Besuch zusammen mit der Angeklagten in Bulgarien getroffen habe. Die Angeklagte habe erzählt, dass H2. sehr depressiv und unzufrieden sei. Auch sei die Angeklagte sauer darüber gewesen, dass er so faul sei und nichts mache bzw. machen wolle. Die Angeklagte habe zudem gesagt, dass H2. sehr eifersüchtig sei, dass er sie wie ein Kind immer brauche und dass er R1. nicht mögen und sich nicht um ihn kümmern wolle. Nach dem Tod von H2. habe sich die Angeklagte verändert, sei fröhlicher gewesen, habe sich freier gefühlt und habe andere Männer haben wollen.
251
Vom Tod ihres Ehemanns habe die Angeklagte ihr erst in einer Whatsapp-Nachricht vom 15.8.2018 erzählt. In einem Telefonat mit der Angeklagten am 9.8.2018 über 13:34 Minuten habe die Angeklagte in keinem Wort den Tod von H2. erwähnt und völlig normal gewirkt. Gesprächsthema seien finanzielle Dinge gewesen.
252
Zu den Todesumständen habe die Angeklagte berichtet, dass sie noch um 8 Uhr bei H2. gewesen sei und er noch geschlafen habe. Um 11 Uhr habe sie dann den Arzt gerufen. Er habe Selbstmord mit einer Spritze, die sie aufgefunden und der Polizei gegeben hätte, begangen. H2. hätte mehrfach von Selbstmord gesprochen und habe zu seinem Bruder, der das auch gemacht hätte, gewollt.
253
In einem Telefonat nach dem Tod habe die Angeklagte der Zeugin im Zusammenhang mit Zahlungsverpflichtungen an die Kinder von H2. erzählt, dass sie von H2. in etwa 300.000 € bekommen habe. Auch habe die Angeklagte von R1. R2. „gutes Geld bekommen“. So habe ihr dieser seine Wohnung zu einem sehr guten Preis verkauft. Anschließend habe er ihr einen hohen Geldbetrag als Geschenk bzw. zur Absicherung vermacht. Die Angeklagte habe für ihre 24-Stunde-Pflege erwartet, dass er sich erkenntlich zeige.
254
Die Zeugin führte noch aus, dass sie zusammen mit der Angeklagten im Jahr 2018 um viel Geld bei der online-Plattform Global FX mit Aktien spekuliert habe. Hierfür habe die Angeklagte insgesamt 60.000 € auf die bulgarischen Konten der Zeugin und deren Sohnes überwiesen, die dann auf verschiedene Konten bei Global FX gegangen seien. Ihres Wissens nach habe die Angeklagte das eingesetzte Geld nach einem zwischenzeitlichen Gewinn von 100.000 € komplett wieder verloren.
255
Die Zeugin bestätigte, dass die Angeklagte nach ihren Erzählungen für R1. R2. in Bulgarien Viagra gekauft habe.
256
Sie gab an, nach der Inhaftierung der Angeklagten dieser zusammen mit L3. H3. bei der Bezahlung der Rechtsanwälte behilflich gewesen zu sein.
257
Die Zeugin D1. G2., eine bulgarische Bekannte und seit Oktober 2018 auch Mieterin der Angeklagten, beschrieb die Angeklagte als sehr hilfsbereite und hart arbeitende Person, der sie die ihr vorgeworfene Tat nie zutrauen würde.
258
Die Angeklagte habe sich - wie jede Frau - über ihren Ehemann beschwert und beklagt, dass er ständig zu Hause sei, nichts tue und, während sie so viel arbeite, nicht mal zum Einkaufen gehen wolle. Sie sei besorgt um ihn gewesen, habe versucht, für ihn ein Hobby zu finden, und vorgeschlagen, dass die Zeugin ihm russisch beibringe. Sie wisse von I3., dass H2. wegen Depressionen in Rente gewesen sei. Sie habe ihn bei zwei bis drei Besuchen kennengelernt und ihn als recht verschlossen und nicht sehr kontaktfreudig erlebt. Bei einem Treffen mit I3. habe diese einmal erwähnt, dass sie noch Dr. N1. wegen Selbstmordgedanken ihres Mannes anrufen müsse. Näheres wisse sie dazu nicht.
259
Vom Tod des Geschädigten habe die Zeugin erst nach der Beerdigung von ihrer Freundin G3. V3. erfahren. In dem anschließenden Telefonat mit I3. habe diese berichtet, dass der Geschädigte Selbstmord mit Tabletten wegen der Depressionen begangen habe, und sie ihn nach der Rückkehr von der Bank tot aufgefunden habe.
260
I3. sei es nach dem Tod schlecht gegangen. Sie sei sehr traurig gewesen, habe viel geweint und sich äußerlich nicht zurecht gemacht. Erst in den letzten Wochen vor der Festnahme sei sie wieder stabil gewesen. Von sexuellen Verhältnissen zu anderen Männern wisse sie von einem Bulgaren Bacharov. Auch habe I3. mal ihr Interesse an einem Notar erwähnt. Bezüglich Herrn R2. wisse sie nur, dass I3. ihn gepflegt habe.
261
Zu I3.s finanzieller Situation wisse sie, dass sie Wohnungen in Bulgarien habe, um die sich eine Freundin kümmere, und dass sie wegen der Kreditbelastungen für die Wohnungen am S1.platz viel gearbeitet habe. Nach dem Tod habe sie der Zeugin gesagt, dass sie für ihre Leistungen bei Herrn R2. wenig Geld bekomme und daher mit dessen Frau und Sohn über neue Bedingungen sprechen wolle.
262
Die Zeugin G3. V3. berichtete, dass sie 2017 die Angeklagte über ihre Freundin De. Gr. kennengelernt habe. Durch I3.s Vermittlung sei sie seit Juli 2017 Mieterin am S1.platz und habe zunächst in einer Wohnung von Herrn R2., seit Oktober 2018 in verschiedenen Wohnungen von I3. gewohnt.
263
Sie habe den Geschädigten als sehr netten, gebildeten und introvertierten Menschen kennengelernt. Zuletzt habe sie ihn im Juni 2018 gesehen. Er habe keinen kranken Eindruck gemacht, sei spazieren gegangen, Motorrad und Auto gefahren und habe sich mit ihr über russische Literatur unterhalten. Von seinem Tod sei sie sehr überrascht gewesen.
264
I3. sei an einem Sonntag im August 2018 zu ihr zum Kaffeetrinken gekommen und habe sich zunächst eine Stunde lang mit ihr über völlig Belangloses unterhalten. Plötzlich hätte sie sich auf das Bett gelegt, angefangen zu weinen und ihr vom Tod ihres Ehemanns und der bereits erfolgten Beerdigung erzählt. Dieses Verhalten habe sie sehr überrascht. Sie wisse nicht mehr genau, ob I3. Selbstmord als Todesursache genannt habe.
265
Die Angaben der Zeuginnen E1. H3., M4., Gr. und V3. waren aufgrund ihres Näheverhältnisses zu der Angeklagten kritisch zu hinterfragen. Aufgrund der Vielzahl an Übereinstimmungen untereinander und mit anderen Zeugenaussagen, hält die Kammer jedoch ihre Aussagen im Wesentlichen für glaubhaft. Aus ihren Angaben ging zur Überzeugung der Kammer insbesondere eine Unzufriedenheit der Angeklagten über ihren Ehemann im Vorfeld der Tat wie auch die späte Benachrichtigung ihrer bulgarischen Bekannten von dessen Tod mit unterschiedlichen Versionen zur Todesursache hervor. Die Schilderungen der Zeuginnen M4. und El. H3. über die finanziellen Interessen und Geschäfte der Angeklagten im Hinblick auf den Geschädigten („H2. habe nach und nach alle Immobilien auf die Angeklagte übertragen“; „Vermögen im Wert von 300.000 € von H2. erhalten“) und R1. R2. („Vermögen im Wert von 800.000 € sollte ihr zustehen, da sie sich um ihn kümmere“) deckten sich mit weiteren Beweisergebnissen und bestätigten den finanziellen Fokus der Angeklagten auf den Geschädigten und R1. R2..
266
Nicht gefolgt ist die Kammer den Angaben der Zeugin E1. H3., insofern, als diese angab es habe keine Möglichkeit für die Angeklagte bestanden Medikamente wie die Tatmittel aus Bulgarien zu beschaffen. Dagegen sprach zur Überzeugung der Kammer insbesondere, dass in der Wohnung der Angeklagten eine Vielzahl bulgarischer Medikamente unklarer Herkunft durch den Zeugen N3. sichergestellt wurden und, dass dies der eigenen Schilderung der Angeklagten gegenüber dem Zeugen B4. widerspricht (vgl. unten Ziff. (15)).
267
(11) Der Zeuge H8. W2., ein Freund des Geschädigten seit den 80er Jahren, berichtete von ihrem gemeinsamen Interesse an Autos und Motorrädern. H2. habe bei ihm 2006 einen Porsche für ca. 34.000 €, später einen Audi und im Mai 2018 für 27.000 € einen Mazda MX5 gekauft. Diesen habe er zur Verwunderung des Zeugen („er hat eigentlich immer Geld gehabt“) erstmals in Höhe von 20.000 € finanziert.
268
Im Durchschnitt hätten sie sich zwei bis drei Mal im Jahr bei Besuchen von H2. bei ihm oder bei ihrem gemeinsamen Freund Pa. Rö. gesehen und öfters miteinander telefoniert. Der letzte Kontakt zu H2. sei am 6.8.2018 über Whatsapp gewesen. Sie hätten sich über die Hitze ausgetauscht und H2. habe ihm geschrieben, dass er zurzeit nur den Porsche und den Mazda fahre und am 16.8. die Thriumph, sein Motorrad, zum Service bringen müsse.
269
Der Geschädigte habe ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Kindern gehabt.
270
Zur Gesundheit des Geschädigten führte der Zeuge aus, dass dieser öfter, zuletzt Anfang 2018, über Knieprobleme geklagt hätte, die wohl auf seinen Unfall in der Jugend zurückzuführen seien, und dass er diese aber zuletzt mit einer Spritzentherapie („Goldic-Methode“) gut in den Griff bekommen hätte. Zu psychischen Problemen könne er nur berichten, dass H2. öfter mal „herumgesponnen“ habe und kurz darauf wieder völlig normal gewesen sei. So sei er beispielsweise beim Kauf des Mazdas bei ihm „super drauf“ gewesen, wieder zu Hause am T.see sei er dann plötzlich völlig unzufrieden mit dem Auto gewesen und habe ihn gleich wieder verkaufen wollen. H2. habe ihm auch mal geschrieben, dass er in psychiatrischer Behandlung sei. Über Suizidgedanken habe er nie gesprochen.
271
Die Angeklagte beschrieb der Zeuge als planlos und chaotisch. Näheres könne er über sie und die Beziehung der beiden nicht angeben, da er sie nicht häufig getroffen und H2. nur wenig über seine Frau gesprochen habe. Er habe den Eindruck gehabt, dass die Angeklagte in der Beziehung „die Hosen angehabt“ habe. H2. habe Mitte 2018 erzählt, dass I3. wolle, dass er den Porsche verkaufe, und er nun darüber nachdenke. Er habe zu H2. gesagt: „Mit einer Wohnung kannst du nicht fahren!“. Letztendlich habe H2. sich nicht von dem Porsche trennen können. Auch sei ihm zur Kenntnis gelangt, dass H2. habe aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen und in die kleinere Wohnung ziehen sollen. Auf Vorhalt seiner diesbezüglichen Angaben gegenüber der Polizei vermochte sich der Zeuge jedoch nicht mehr erinnern, wann und ob er diese Informationen direkt vom Geschädigten telefonisch oder von der gemeinsamen Bekannten Ma. Br. erfahren habe.
272
Der Zeuge berichtete von der Feier zum 60. Geburtstag des Geschädigten am 30.12.2017, zu der er und seine Frau eingeladen gewesen seien. Zu ihrer Überraschung und zum Missfallen von H2. hätte die Angeklagte 4-5 Bulgaren eingeladen gehabt, die sie in der Wohnung von R1. R2. untergebracht und bei denen sie die meiste Zeit verbracht hätte. H2. sei mit der Gastgeberrolle allein überfordert gewesen. Der Zeuge und seine Frau hätten dann wegen dieser komischen Gesamtsituation nicht - wie geplant - auch noch den Silvesterabend am T.see verbracht. Im Anschluss an ihre Abreise soll es nach Erzählungen der ebenfalls anwesenden M8. B5. zu einem „heftigen“ Streit zwischen H2. und der Angeklagten gekommen sein.
273
Die Zeugin M8. B5. gab an, den Geschädigten über ihren Lebensgefährten Pa. Rö. seit ca. 15 Jahren und die Angeklagte seit ihrer Beziehung zu H2. zu kennen. H2. sei regelmäßig allein bei ihnen in Freudenstadt zu Besuch gewesen, sie selbst hätten ihn und die Angeklagte ab und zu am T.see besucht.
274
Sie beschrieb H2. S6. als klugen, besonnenen und sehr gutmütigen Menschen, der gerne Leute um sich gehabt habe. Seine Kinder seien sein „Alles“ gewesen. An körperlichen Beschwerden seien ihr Knieschmerzen bekannt, die er zuletzt mit „Goldspritzen“ habe lindern können. Hinsichtlich seiner psychischen Gesundheit wisse sie von einer schon lange zurückliegenden stationären psychiatrischen Behandlung, bei der sie ihn besucht hätten. Ansonsten sei er teilweise in einer traurigen Stimmung gewesen, ohne aber Selbstmordgedanken zu äußern. Seine Besuche seien öfter eine „Flucht“ von zu Hause gewesen. Er habe sich beklagt, dass er alles im Haushalt machen müsse und dass es I3. immer mehr ums Geld, um ihre Wohnungen und Bitcoins gehe. Auch ihre Pflege von R1. R2. sei ihm zu viel gewesen („immer nur R2., R2., R2.…“).
275
Die Zeugin berichtete von einem Vorfall am 31.12.2017, einen Tag nach dem 60. Geburtstag des Geschädigten, an dem sie diesen zum ersten und einzigen Mal aggressiv bzw. sehr wütend erlebt habe. Nach der Abreise von H8. W2. und seiner Frau habe es eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen I3. und H2., die im Schlafzimmer begonnen und sich dann ins Bad verlagert hätte, gegeben. Diese habe sie zunächst durch die angelehnte Tür des Schlafzimmers mitbekommen. Später sei die Zeugin von I3. ins Badezimmer hinzugerufen worden. H2. habe I3. ihr Verhalten auf seinem Geburtstag vorgeworfen, dass sie sich nicht um seine Freunde gekümmert, sondern die ganze Zeit oben in der Wohnung von R1. R2. mit „ihren“, von ihm nicht eingeladenen Bulgaren gewesen sei. Sie habe erwidert, dass sie ihren Freiraum brauche, dass sie ihm im Haus eine Wohnung herrichte und er dort einziehen solle. H2. habe sich maßlos aufgeregt und sinngemäß geäußert, dass die Wohnung, in der sie sich befunden hätten, auch seine sei und er da nicht rausgehe. I3. habe dann von ihm noch 20.000 € für die Renovierung der Wohnung gefordert, woraufhin er ihr vorgeworfen habe, dass es ihr dauernd ums Geld gehe und er schon nichts mehr habe. Sie wiederum habe ihm entgegnet, dass er seinen Kindern immer Geld gäbe, obwohl diese doch Alimente bekämen. Die Zeugin habe H2. noch nie so wütend erlebt gehabt und befürchtet, dass er seine Frau schlagen könnte. Sie habe die beiden schließlich beruhigen können.
276
Bereits bei einem Besuch am T.see im Herbst 2017 hätte die Angeklagte ihr gegenüber geäußert, dass sie Freiraum brauche, dass sie nicht mehr richtig atmen könne und dem Geschädigten eine Wohnung herrichte.
277
Die Zeugin beschrieb die Angeklagte als falsche Person, die ihren Mann nicht geliebt, sondern nur auf sein Geld aus gewesen sei. Die Angeklagte hätte sich immer über seine Kinder aufgeregt. Auch habe sie über die Schwester von H2. geschimpft und behauptet, diese würde H2. beeinflussen und sich in die Beziehung einmischen. Aus Sicht der Zeugin habe sie auch den Streit zwischen H2. und seiner Schwester über das Erbe vom verstorbenen Bruder K2. ausgelöst.
278
Die Zeugin berichtete noch von einer Äußerung der Angeklagten, die diese ihr gegenüber bei einem Besuch im September 2018 geäußert hätte. So habe die Angeklagte auf dem Spaziergang vom Restaurant zu ihrer Wohnung gesagt: „Ich habe gar nicht gedacht, dass es so einfach ist, einen Menschen zum Schlafen zu bringen.“. Dieser Satz, dessen Bedeutung sie damals nicht wahrgenommen hätte, sei ihr erst nach der polizeilichen Vernehmung im März 2019 wieder eingefallen.
279
Bei der Beurteilung der Aussagen der Zeugen W2. und B5. war deren Näheverhältnis zum Geschädigten aufgrund ihrer langjährigen Freundschaft zu berücksichtigen. Während der Zeuge W2. sich bei der Bewertung der Angeklagten zurückhaltend zeigte, war bei der Zeugin B5. ihre Abneigung und ein gewisser Belastungseifer gegenüber der Angeklagten deutlich erkennbar. Dennoch erachtet die Kammer insbesondere ihre Angaben zu der Auseinandersetzung zwischen der Angeklagten und dem Geschädigten am 31.12.2018 für zutreffend, da der von ihr geschilderte Streit einschließlich der vom Geschädigten erhobenen Vorwürfe durch die Aussage des Zeugen J2. S4. im Wesentlichen bestätigt wird. Die Angaben der Zeugen zur negativen Einstellung der Angeklagten gegenüber den Kindern und der Schwester, zur Forderung der Angeklagten nach Freiraum und zu ihrem Plan, eine Wohnung für den Geschädigten herzurichten, sind ebenfalls glaubhaft, da sie mit den Aussagen anderer, auch nicht im „Lager“ des Geschädigten stehenden Zeugen übereinstimmen (vgl. diesbezüglich die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung der Kammer unter Ziff. 3. c., d.). Von der Richtigkeit der von der Zeugin B5. erstmalig in der Hauptverhandlung geschilderten Äußerung der Angeklagten („Ich habe gar nicht gedacht, dass es so einfach ist, einen Menschen zum Schlafen zu bringen.“) konnte sich die Kammer hingegen nicht mit hinreichender Sicherheit überzeugen.
280
(12) Der Zeuge L5. G1. berichtete, dass er als früherer Inhaber einer Pizzeria ca. 2010 die Angeklagte über R1. R2., den er seit 25 Jahren kenne, und über sie kurze Zeit später auch den Geschädigten kennengelernt habe.
281
Der Geschädigte sei ein freundlicher und zuvorkommender Mensch gewesen, der in seltenen Fällen, wenn ihm was nicht gepasst habe, auch mal habe „donnern“ können. In Haushaltsdingen sei er ein wenig unselbstständig gewesen. Als depressiv, wie I3. ihn geschildert habe, habe er ihn nicht erlebt, er sei jedoch selten allein raus gegangen. Der Geschädigte habe in den letzten zwei Jahren stark abgenommen gehabt. Aus Erzählungen wisse er von Schmerzmitteln, die der Geschädigte wegen seiner Knieverletzung habe nehmen müssen, und von Schlaftabletten, die sowohl der Geschädigte wie auch die Angeklagte genommen hätten. In finanzieller Hinsicht habe er sich öfter beklagt, dass von seiner Rente viel für seine Kinder abgehe und er sich die teuren Reisen eigentlich nicht leisten könne.
282
Die Angeklagte schilderte der Zeuge als sehr arbeitswillige Person, die sich die letzten vier Jahre neben der Diakonie um R1. R2. gekümmert habe. Diesen habe sie, wie er gehört habe, auch in sexueller Hinsicht „verwöhnt“. Bereits zu Lebzeiten von Herrn S6. sei ein Bett in die Wohnung von I3. und H2. gebracht worden, worin R1. übernachtet habe, wenn es ihm schlecht gegangen sei. Nach dem Tod von H2. habe I3. R1. zu sich in die Wohnung geholt und das Mietverhältnis von dessen Wohnung gekündigt.
283
Die Beziehung von H2. und I3. habe immer recht harmonisch gewirkt („Schatzilein hier, Schatzilein da“). In den letzten drei bis sechs Monaten vor seinem Tod habe H2. jedoch geknickt bzw. unzufrieden gewirkt. Der Zeuge sei der Meinung, dass hier möglicherweise die Beziehung in die Brüche gegangen sei. H2. selbst habe sich dazu nicht geäußert. Man habe jedoch mitbekommen, dass I3. H2. lästig war und er nach ihrem Willen aus der gemeinsamen Wohnung habe ausziehen und in eine andere Wohnung der beiden habe ziehen sollen. Er habe auch den Eindruck gehabt, dass H2. von I3.s Pflege und „Tütelei“ von R1. genervt gewesen sei.
284
Mittlerweile lebe R1. R2. bei dem Zeugen zur Miete. Er dusche sich selbst und ziehe sich allein an. Der Zeuge müsse sich hauptsächlich um dessen Medikamenteneinnahme und das Vergessen/Liegenlassen von Sachen kümmern. Er könne bestätigen, dass Herr R2. trotz seines hohen Alters immer noch sexuell aktiv sei.
285
Die Zeugin K4. D3. schilderte, die Angeklagte über ihre langjährige, gemeinsame Essensrunde mit R1. R2. und Lo. Gr. zu kennen, zu der später auch der Geschädigte gestoßen sei.
286
Der Geschädigte sei ein sehr sympathischer Mensch gewesen, der körperlich und geistig „voll da“ gewesen sei. Depressive Anwandlungen oder Selbstmordgedanken habe er in ihrer Runde nie geäußert. Sie wisse, dass H2. seine Kinder regelmäßig in M. besucht, und seine Kinder ihn regelmäßig am T.see besucht hätten. Zu seiner finanziellen Situation habe er berichtet, dass er mit seiner Rente nicht auskomme und einen Nebenjob suche, um was dazuzuverdienen.
287
Die Zeugin gab an, dass sich die Angeklagte in letzter Zeit immer mehr um Herrn R2. gekümmert habe. Dieser habe sich bei ihr auch sehr gut aufgehoben gefühlt. R1. sei sexuell immer noch interessiert und habe von I3. regelmäßig Viagra bekommen. Sie denke, dass sich I3. auch in sexueller Hinsicht um R1. gekümmert habe. So habe sie einmal R1. in der gemeinsamen Wohnung der S6.s auf dem Doppelbett an I3.s entblößter Brust liegen gesehen.
288
Über Lo. Gr. habe sie mitbekommen, dass H2. für I3. lästig geworden sei und er aus der gemeinsamen Wohnung hätte ausziehen und im gleichen Haus eine andere Wohnung hätte beziehen sollen.
289
Die Zeugen G1. und D3. gaben in ihren Aussagen zwar überwiegend subjektive Eindrücke wieder. Ihre Schilderungen insbesondere zur Pflege der Angeklagten von R1. R2., der Vornahme sexueller Dienste an ihm, der Unzufriedenheit des Geschädigten hierüber und dem Plan der Angeklagten zum Auszug des Geschädigten, wurden jedoch auch von anderen Zeugen außerhalb der „Stammtischrunde“ in T.see bestätigt (vgl. diesbezüglich die Ausführungen zur Beweiswürdigung der Kammer unter Ziffer 3. c., d.), weswegen die Kammer ihnen insoweit gefolgt ist.
290
(13) Die Zeugin E2. N4. berichtete, dass sie als Eigentümerin dreier Wohnungen am S1.platz die Angeklagte auf den Eigentumsversammlungen kennengelernt und sie in den letzten Jahren jeweils zweimal im Jahr auf der Durchreise zum Kaffeetrinken und Spaziergängen getroffen hätte.
291
Die Angeklagte habe auf sie stets sehr offen, herzlich und immer gut gelaunt gewirkt. Den Geschädigten, den sie zweimal bei Besuchen länger erlebt habe, beschrieb die Zeugin als sehr sympathisch und zurückhaltend. Ein bis zwei Monate vor seinem Tod habe die Angeklagte der Zeugin berichtet, dass sie viel streiten würden und ihr Ehemann am liebsten alles hinschmeißen und nach Amerika gehen würde.
292
Vom Tod des Geschädigten habe sie im November 2018 anlässlich eines Anrufs der Angeklagten zu einer Vermietungsanfrage für einen Bekannten erfahren. Die Angeklagte habe erzählt, dass er herzkrank gewesen sei, seine Medikamente nicht habe einnehmen wollen und in der Nacht plötzlich gestorben sei.
293
Die Zeugin schilderte von Gesprächen mit der Angeklagten im Dezember 2018. Die Angeklagte habe ihr erzählt, dass sie ihren Job aufgeben und nur noch Herrn R2. betreuen wolle. Hierzu hätte sie zusammen mit Herrn R2. einen Rechtsanwalt aufgesucht, der ihr wegen der wegfallenden Diakonieeinkünfte und der fehlenden Einzahlung in die Rentenversicherung ausgerechnet habe, dass sie für die Pflege von Herrn R2. Anspruch auf 18.000 € monatlich hätte. Herr R2.ei darüber entsetzt und nicht bereit gewesen, so viel zu zahlen. Die Angeklagte aber hätte weiter in Verhandlung mit ihm bleiben und ihn nur pflegen wollen, wenn er „gutes“ Geld zahlen würde. Sie sei der Meinung gewesen, dass gerade wegen des vermögenden Sohnes von Herrn R2. dessen Familie das entsprechende Geld zahlen könnte. Auch habe die Angeklagte ihr erzählt, dass sie Herrn R2. dazu bewegen wolle, dass er sich den hälftigen Anteil des von seiner Frau bewohnten Hauses in O. auszahlen lasse. Sie sei daher der Zeugin und deren Mann ein paar Tage hinterhergelaufen, um eine Einschätzung zu bekommen, wieviel Grundstücke in O. wert seien, da der Mann der Zeugin das Haus seiner Eltern in O. geerbt habe. Laut der Angeklagten habe die Familie von R1. R2. Angst, dass R1. etwas auf sie überschreibe. Die Angeklagte habe erzählt, „wenn das mit Herrn R2. zu Ende sei“, zurück nach Bulgarien gehen zu wollen, um dort ein kleines „Immobilienimperium“ aufzumachen.
294
Die Zeugin A3. S10., die die Angeklagte über die Freundschaft ihrer Töchter kennengelernt hat, beschrieb die Angeklagte als freundliche, hilfsbereite und durchweg angenehme Person. Der Kontakt zur Angeklagten sei seit 2017 enger gewesen, hätte sich aber vor allem auf den Austausch von Whatsapp-Nachrichten beschränkt. Im Mai 2018 seien sie, ihr Mann und ihre Tochter zu einem Geburtstagsessen der Angeklagten eingeladen gewesen, wo sie das erste Mal Herrn S6. kennengelernt habe. Dieser sei auf Krücken gegangen und habe auf sie einen freundlichen, psychisch stabilen Eindruck gemacht. Die Beziehung habe auf sie harmonisch gewirkt, ohne dass sie dies genau habe beurteilen können. Die Angeklagte habe ihr nichts über eine räumliche Trennung, Aggressionen, finanzielle Auseinandersetzungen o.ä. berichtet.
295
Am 19.7.2018 habe sie die Angeklagte vor dem Tod ihres Mannes zuletzt anlässlich eines Schulkonzerts getroffen. Dort habe sie besorgt berichtet, dass es ihrem Mann aufgrund seiner körperlichen Schmerzen auch psychisch nicht gut ginge. Die Zeugin habe ihr geraten, gemeinsam mit ihrem Mann zum Arzt zu gehen.
296
Vom Tod des Herrn S6. habe sie erst durch einen Anruf der Angeklagten am 14.8.2018 erfahren. Auf die Frage, warum sie sich nicht früher gemeldet habe, hätte diese angegeben, „viel um die Ohren gehabt zu haben“. Zu den Umständen des Todes habe die Angeklagte berichtet, dass sie mit ihrem Mann einen gemütlichen Abend mit Alkohol und Sex verbracht hätte, dass sie am Morgen das Haus verlassen und bei Rückkehr ihren Mann in der „kleinen Wohnung“ tot aufgefunden hätte. Ob gesundheitliche Probleme oder Suizid todesursächlich gewesen seien, habe sie offen gelassen.
297
Danach habe sie die Angeklagte erst wieder im Januar 2019 zufällig auf der Straße getroffen und sich über deren optische Veränderung (neue Frisur, „schicke“ Kleidung) gewundert.
298
Die Angaben der Zeugin N4. sind zur Überzeugung der Kammer glaubhaft. Insbesondere ihre detaillierten Schilderungen zu den finanziellen Plänen und Absichten der Angeklagten in Bezug auf R1. R2. wurden bestätigt durch die Zeugen J3. und K2. R2., zu denen die Zeugin N4. in keinerlei Kontakt stand.
299
Die Freundschaft der Zeugin S10. mit der Angeklagten machte auf die Kammer einen recht oberflächlichen Eindruck, da diese im Gegensatz zu den bulgarischen Freundinnen der Angeklagten nichts über deren Klagen über den Geschädigten zu berichten wusste. Vor diesem Hintergrund erscheinen ihre Angaben zum positiven Eindruck von der Angeklagten zwar schlüssig und glaubhaft, sind aber als oberflächliche, subjektive Eindrücke nicht geeignet, die o. g. Feststellungen der Kammer zur Tatmotivation in Frage zu stellen. Insbesondere ihre Schilderung von der Sorge der Angeklagten um die psychische Gesundheit des Geschädigten am 19.7.2018 spricht nicht gegen die Feststellungen der Kammer zur Tatplanung, da die Angeklagte, wie unter Ziff. 3. d. dargelegt, zunächst noch im Rahmen ihres „Eventualplans“ versuchte, den Geschädigten mittels ärztlicher Hilfe wieder unter ihre Kontrolle zu bringen.
300
(14) Der Zeuge M9. J4., langjähriger Freund und zeitweiliger Geliebter der Angeklagten, berichtete, dass er die acht Jahre ältere Angeklagte 2003 über einen Nachbarn kennengelernt und mit ihr während ihrer Ehe zu Fl. Ro. sieben Jahre lang ein intimes Verhältnis gehabt habe. 2010 habe sich I3. von ihm getrennt, da sie einen anderen Mann namens „Jens“ kennengelernt habe. Er habe jedoch nicht „loslassen“ können und weiterhin den Kontakt zu ihr über Telefon, SMS und Whatsapp gehalten.
301
Bei seinen gelegentlichen Besuchen am T.see zwischen 2011 und 2013 habe er auch den Geschädigten kennengelernt. Er habe ihn als intelligenten, teils depressiven Menschen wahrgenommen, der versucht habe, durch seinen Porsche, sein Boot und seine Motorräder seine Lebenslust heraus zu kitzeln.
302
Der Geschädigte sei auf das Verhältnis zwischen I3. und ihm eifersüchtig gewesen, weshalb I3. die Whatsapp-Nachrichten zwischen ihnen regelmäßig gelöscht habe. Auch sei das Verhältnis zwischen H2. S6. und R1. R2., den I3. gepflegt und bei dem sie nach ihren Erzählungen auch sexuelle Handlungen vorgenommen habe, eher spannungsgeladen gewesen. Ansonsten habe auf den Zeugen die Ehe normal, ohne besondere Leidenschaft gewirkt. I3. habe sich gelegentlich beklagt, dass H2. „seinen Hintern nicht hoch kriege“.
303
Bezüglich der Verwandten des Geschädigten wisse er, dass I3. immer von der „schrecklichen Mutter“ der Kinder gesprochen habe. Seine Schwester sei Rechtsanwältin und habe großen Einfluss auf ihren Bruder gehabt. H2. habe sie wohl öfter kontaktiert und um Rat gefragt, was I3. missfallen und weshalb sie ihn auch mal zur Rede gestellt habe.
304
Von August bis Oktober 2018 habe der Zeuge keinen Kontakt zur Angeklagten gehabt. Danach hätte sie ihm vom Tod ihres Ehemanns und einer von der Polizei in Auftrag gegebenen Untersuchung, deren Ergebnisse erst Anfang 2019 zu erwarten seien, berichtet. Dies habe sie merklich beschäftigt.
305
Es sei dann im Oktober/November 2018 und im Januar/Februar 2019 wieder zu zwei sexuellen Kontakten mit der Angeklagten in einem Münchner Stundenhotel gekommen. Bei letzterem habe sie ihm erzählt, die Asche ihres Mannes aus der Urne herausgenommen, in ein Glas umgefüllt und dieses an ihr Bett gestellt zu haben, da sie ihn sehr vermissen würde. Dies sei ihm sehr skurril vorgekommen.
306
Trotz des engen Näheverhältnisses zu der Angeklagten war der Zeuge sichtlich um eine neutrale Aussage bemüht. Die Kammer erachtet seine Angaben für glaubhaft. Insbesondere deckten sich seine Aussagen in Bezug auf die sexuellen Handlungen der Angeklagten bei R1. R2., das spannungsgeladene Verhältnis zwischen dem Geschädigten und R1. R2. und die Sorge der Angeklagten vor einer Einflussnahme der Schwester des Geschädigten mit den Aussagen weiterer Umfeldzeugen.
307
(15) Der Zeuge S11. B4., ein in M. lebender Bulgare, berichtete, dass er die Angeklagte Ende April 2018 kennengelernt habe, als er bei ihr über die Vermittlung eines Kollegen eine Wohnung für seinen Stiefsohn am S1.platz in T.see angemietet habe. Anlässlich des Einzugs seines Sohnes sei er dann an vier bis fünf Samstagen in T.see gewesen und habe sich mit der Angeklagten und ihrem Ehemann unterhalten. Gesprächsthemen mit dem Geschädigten seien vor allem Autos und seine Besuche in Bulgarien gewesen. Er habe dabei gelacht und „normal“ gewirkt.
308
Die Angeklagte habe den Zeugen dann etwa eine Woche nach der Beerdigung ihres Ehemanns angerufen und ihn über dessen Tod informiert. Er hätte was mit dem Herzen gehabt. In den folgenden Monaten habe er ihr dann öfter bei Reparaturen und dem Transport und Aufbau von Möbeln geholfen. Seit Silvester 2018 habe es auch ein sexuelles Verhältnis zur Angeklagten gegeben.
309
Der Zeuge schilderte insbesondere noch, dass ihm die Angeklagte im Januar 2019 anlässlich ihres Bulgarienaufenthalts angeboten habe, von dort Medikamente ohne Rezept zu besorgen, weil sie überall Beziehungen hätte und alles ohne Rezept holen könne.
310
Über die Schwester und die frühere Frau von H2. S6. habe die Angeklagte geäußert, dass diese sie ständig belästigen und Geld von ihr fordern würden. Im Zusammenhang mit Überlegungen, wieviel sie den Kindern von H2. zahlen müsse, habe sie ihm berichtet, dass dieser ihr ca. 300.000 € übertragen habe.
311
Anfang Februar 2019 habe die Angeklagte ihm erzählt, dass die frühere Frau von H2. sie nach dem Verbleib von 180.000 € (Anm. d. Kammer: vermutlich der Anteil von H2. S6. aus dem Verkauf des Grundstücks in Mu.) gefragt habe. Sie habe dem Zeugen gesagt, er solle auf Nachfrage angeben, dass er H2. zusammen in Bulgarien zu Prostituierten und in Casinos gegangen sei.
312
Die Kammer ist den überwiegend durch Vorhalte aus der Telefonüberwachung bestätigten Angaben des Zeugen gefolgt (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter Ziffer 3. d., e.).
313
(16) Der Zeuge P2. F2., seit 2004 Hausmeister in der Wohnanlage S1.platz 1-3 in T.see, schilderte den Geschädigten als ruhigen, zurückhaltenden Menschen, zu dem er keinen engen Kontakt gehabt habe. Für die Angeklagte, die er seit ihrem Einzug als immer nette und freundliche Frau kenne, habe er ab und zu Reparaturen durchgeführt. Von Streitigkeiten zwischen den Eheleuten oder einem Auszug des Geschädigten habe er nichts mitbekommen. Die Angeklagte habe ihm einmal erzählt, dass ihr Ehemann in der oberen Wohnung schlafen würde, damit er vor Herrn R2. seine Ruhe habe. Dieser habe zu Lebezeiten von Herrn S6. - er schätze, etwa zwei bis drei Monate vor dessen Tod - öfter in der Wohnung Nr. 118 übernachtet.
314
Nach dem Tod des Geschädigten um Weihnachten 2018 herum habe die Angeklagte ihn in der leerstehenden Wohnung von Herrn R2.m die Demontage eines Waschbeckens gebeten. Bei dem Termin sei die Angeklagte sehr aufreizend mit Minirock, Strapsen und Stiefeln, angezogen gewesen und es sei einmalig zum Geschlechtsverkehr mit ihr gekommen. Zur geräumten Wohnung von Herrn R2. habe die Angeklagte damals geäußert, welch schönes Weihnachtsgeschenk sie da bekommen habe.
315
Der Zeuge Dr. W3. R4., Notar in T.see, führte aus, dass er die Angeklagte anlässlich eines Beurkundungstermins am 8.11.2018 (Anm. d. Kammer: Beurkundung der Kaufverträge der Angeklagten mit R1. R2. über dessen Wohnung und mit J3. R2. über drei Tiefgaragenstellplätze) kennengelernt und sich mit ihr in der Folge bis Weihnachten vier bis fünf Mal privat getroffen habe. Bei diesen Treffen sei es teilweise auch zu „körperlichem Kontakt“ gekommen. Nach Weihnachten hätte er mit der Angeklagten bis zu ihrer Inhaftierung nur noch Kontakt über Telefon und Whatsapp gehabt. An weitere Treffen mit ihr im Januar 2019 vermochte sich der Zeuge trotz Vorhalten aus der Telefonüberwachung nicht zu erinnern. Der Zeuge gab an, dass die Kontakte stets von der Angeklagten ausgegangen seien. Sie habe ihm gemeinsame Unternehmungen und Reisen angeboten und ihn mehrmals wegen des Nachlasses ihres verstorbenen Mannes um Rat gefragt. Um Geld habe sie ihn nicht gebeten.
316
Die Zeugin F3. G4., eine Nachbarin des Ehepaars Ro.-S6., berichtete, dass ihr die Angeklagte am 8.8.2018 spät nachmittags im Treppenhaus verheult entgegengekommen und ihr erzählt habe, dass ihr Mann verstorben sei und dass er nicht mehr aufgewacht sei. Die Todesursache würde sie erst in ein paar Tagen erfahren. Als Einzige aus der Nachbarschaft mit Ausnahme von Herrn R2. habe die Zeugin dann an der Trauerfeier für Herrn S6. teilgenommen. Über die Todesursache habe sie später nicht mehr mit der Angeklagten geredet.
317
Ihr Verhältnis zum Ehepaar Ro.-S6. beschrieb die Zeugin als sehr oberflächlich. Herr S6. sei sehr zurückhaltend gewesen. Mit ihm habe sie sich im Treppenhaus gegrüßt und selten ein paar Worte gewechselt. Zuletzt habe sie ihn etwa eine Woche vor seinem Tod im Treppenhaus getroffen, wo er „wie immer“ gewirkt habe. Die Angeklagte sei immer in Eile gewesen. Mit ihr habe sie auch immer nur kurze, belanglose Gespräche geführt.
318
Die Angaben der Zeugen F2. und G4. waren nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Die Angaben des Zeugen F2. belegen in Zusammenschau mit der Aussage des Zeugen G1. insbesondere die Intensität der „Pflege“ des R1. R2. durch die Angeklagte in den Monaten vor der Tat (Übernachten in der Wohnung Nr. 118) und den „Geschenkcharakter“ des Wohnungskaufs von R1. R2. Ende 2018. Der Zeuge Dr. R4. tat sich erkennbar schwer, die sexuellen Kontakte zu der Angeklagten bis zu ihrer Festnahme Anfang Februar 2019 einzuräumen. Durch seine Angaben - bzw. die über die Zeugin KHK’in Ut. eingeführten Erkenntnisse aus den überwachten Telefonaten zwischen dem Zeugen und der Angeklagten- und die Angaben der Zeugen F2. und B4. ergaben sich zur Überzeugung der Kammer sexuelle Verhältnisse der Angeklagten nach dem Tod des Geschädigten zu mindestens drei Männern, die der Angeklagten in auffälliger Weise, ähnlich R1. R2., auch in anderen Bereichen jeweils von Nutzen waren (Dr. R4.: notarieller Rat in der Erbschaftsauseinandersetzung mit den Kindern des Geschädigten; F2.: Hausmeister, Reparaturen; B4.: Reparaturen, Möbelpacker).
319
(17) Der Zeuge J5. G4., Gutachter des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern, berichtete insbesondere über die von ihm durchgeführte Begutachtung des Geschädigten am 18.7.2018 zur Feststellung von dessen Pflegebedürftigkeit.
320
In der Wohnung am S1.platz 2 habe er den Geschädigten in einem Pflegebett im Wohnzimmer liegend angetroffen. Dieser habe desinteressiert und emotionslos gewirkt, habe immer wieder die Augen geschlossen und seine Fragen nur teilweise und sehr knapp beantwortet. Bei der motorischen Prüfung habe er ein leicht unsicheres Gangbild festgestellt. Die Angeklagte sei die ganze Zeit über anwesend gewesen. Sie sei sehr freundlich und kooperativ gewesen und habe aus seiner Sicht plausible, nicht übertriebene Angaben gemacht. Sie habe ihm gegenüber erklärt, dass ihr Mann sehr eifersüchtig sei und sie sich nicht mal mehr traue, sich mit Freundinnen zu treffen. Er sei sehr verbal aggressiv. Sie halte es mit ihm nicht mehr aus. Aufgrund der ihm durch ein vorgelegtes Gutachten bekannten Diagnose eines hirnorganischen Psychosyndroms hätte sich aus den Angaben der Angeklagten und seinem eigenen Eindruck vom Probanden ein stimmiges Bild ergeben, weshalb er einen Pflegeaufwand von 100 Stunden pro Woche durch eine fast permanente Anwesenheitspflicht der Pflegeperson als erforderlich angesehen habe und bei der Punktevergabe zu dem Pflegegrad 3 gekommen sei.
321
Auf Vorhalt, dass der Geschädigte zum Begutachtungszeitpunkt selbstständig Motorradausflüge und längere Autofahrten unternommen habe, gab der Zeuge an, er könne nur feststellen, zwei perfekte Schauspieler erlebt zu haben.
322
Zu einer Begutachtung von R1. R2. in Anwesenheit der Angeklagten einige Wochen später anlässlich einer beantragten Hochstufung des Pflegegrades von „2“ auf „3“ führte der Zeuge aus, dass ihm auch dort ein Pflegeaufwand von 100 Stunden plausibel erschienen sei.
323
Wenn er nun erfahre, dass R1. R2. sich nach Schilderungen der Angeklagten gegenüber Dritten zum Begutachtungszeitpunkt selbstständig waschen und anziehen konnte und seine Essen allein in Restaurants einnahm, so müsse er auch hier sehr gekonnt getäuscht worden sein.
324
Die detailliert und sachlich vorgetragenen Angaben des Zeugen waren für die Kammer glaubhaft. Aufgrund der Aussage der Zeugin H4., wonach die Angeklagte ihr von einem „Theaterspielen“, um das Pflegegeld zu bekommen, berichtet habe, und den Schilderungen einer Vielzahl von Umfeldzeugen zum Gesundheitszustand des Geschädigten in den Wochen vor der Tat sieht es die Kammer als erwiesen an, dass der Gutachter bewusst getäuscht wurde und kein Zustand vorlag, der eine Suizidabsicht des Geschädigten oder einen handlungsleitenden Einfluss auf die Tötung plausibel erscheinen lässt.
325
(18) Der Zeuge EKHK Ke. von der KPS Mi. schilderte, dass er am 8.8.2018 nach Verständigung durch den KDD zusammen mit dem Kollegen Nüsslein zum S1.platz in T.see gefahren sei. Sie seien nur kurz in der Ablebenswohnung gewesen, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Anschließend hätten sie um 15.20 Uhr die zu Beginn einer Todesfallermittlung übliche Erstbefragung der heutigen Angeklagten als Auffinderin der Leiche und Ehefrau des Verstorbenen in deren Hauptwohnung im 1. Stock durchgeführt. Wegen des Inhalts der Zeugenvernehmung wird auf Ziffer II. 1. verwiesen. Als ungewöhnlich habe er bei der Vernehmung die extremen Stimmungsschwankungen der Angeklagten empfunden. Diese hätte von einer Sekunde auf die andere zwischen normalem Sprechen, starkem Weinen und Lachen gewechselt.
326
Die von ihm noch am 8.8.2018 oder am Folgetag sichergestellte Einmalspritze, die sich unter dem Bett in der Wohnung Nr. 309 befunden habe, habe der Zeuge am 13.8.2018 als Spurenträger zur Untersuchung an das Institut für Rechtsmedizin nach M. geschickt.
327
Am 10.8.2018 seien die Söhne des Geschädigten zur Polizeidienststelle gekommen und hätten geäußert, dass sie einen Suizid ihres Vaters bezweifelten, da hierfür kurz vorher keine Anzeichen bestanden hätten. Auch die Schwester des Toten, Frau S8., und seine ehemalige Lebensgefährtin, Frau S4., hätten später ihm gegenüber Zweifel an einem Suizid geäußert, da der Geschädigte gut mit Suizidgedanken habe umgehen können.
328
Der Zeuge berichtete weiter, dass er am 12.9.2018 in Anwesenheit der Kollegin Ut. eine weitere Zeugenvernehmung der Angeklagten in Anwesenheit eines von ihr gewünschten Zeugenbeistands durchgeführt habe, um im Rahmen der Todesermittlungen noch offene Fragen, auch zur Familiengeschichte, zu klären. Wegen des Inhalts dieser Zeugenvernehmung wird ebenfalls auf Ziffer II. 1. verwiesen.
329
Schließlich schilderte der Zeuge, dass sich nach Eingang des toxikologischen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin Anfang Dezember 2018, aus dem sich als Todesursache eine Intoxikation mit Morphin und Morphium als Inhalt der am Leichenfundort aufgefundenen Einmalspritze ergeben hätten, in Zusammenschau mit den sich aus der molekulargenetischen Untersuchung festgestellten DNA-Spuren der Angeklagten an der Spritze ein dringender Tatverdacht gegen die Angeklagte ergeben hätte, weswegen nach einer Besprechung mit der zuständigen Staatsanwältin ein Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagte eingeleitet und eine Ermittlungsgruppe unter der Leitung seiner Kollegin KHK’in Ut. gebildet worden sei.
330
Der Zeuge KHK Nü. von der KPS Mi., zweiter Sachbearbeiter in dem Fall ab Januar 2019, berichtete über die Ermittlungen, an denen er beteiligt war.
331
Am 8.8.2018 habe er seinen Kollegen Ke. zu der Todesfallermittlung H2. S6. nach T.see begleitet. In der Wohnung Nr. 309 seien sie von den Beamten des KDD über die Lage informiert worden und hätten sich kurz ein Bild von der Auffindesituation gemacht. Anschließend seien sie in die Wohnung Nr. 118 der heutigen Angeklagten gegangen, um mit ihr als „Erstauffinderin“ der Leiche eine Zeugenvernehmung durchzuführen. Erinnerlich sei ihm, dass die Angeklagte dabei starke Stimmungsschwankungen gezeigt habe, einerseits betrübt und weinend, andererseits ausgelassen lachend.
332
Zu R1. R2. befragt, führte der Zeuge aus, diesen am 8.8.2018 und am Tag der Festnahme am 6.2.2019, in einem Pflegebett liegend in der Wohnung Nr. 118 der Angeklagten angetroffen zu haben. Nach seinem Eindruck habe dieser aufgrund seines Alters und möglicher Demenz die damaligen Abläufe nicht verstanden.
333
Der Zeuge berichtete unter I3.ugenscheinnahme der dabei gefertigten Lichtbilder über die Exhumierung der Urne am 28.5.2019, bei der insbesondere Hebelspuren am Metalldeckel der Urne, nur noch ein sehr kleiner Ascherest in der Urne und Ascherückstände am Boden der Grabstelle festgestellt worden seien. Die Kremierung des Geschädigten sei am 14.8.2018 erfolgt.
334
Der Zeuge gab an, dass bei einer zweiten Durchsuchung der Wohnung Nr. 118 der Angeklagten Ende Mai 2019 in einem Einbauschrank im Eingangsbereich eine Schatulle der Firma Swarovski gefunden worden sei, in der sich drei Insulin-Pens mit drei noch verpackten Nadelaufsätzen befunden hätten, und die anschließend zur Untersuchung in das Institut für Rechtsmedizin nach M. geschickt worden sei. Auch hätten sie in der Wohnung eine Vielzahl von Medikamenten des bulgarischen Herstellers ... sichergestellt.
335
Unter I3.ugenscheinnahme der entsprechenden Lichtbilder führte der Zeuge aus, dass sich in einem in der Wohnung Nr. 118 der Angeklagten sichergestellten Ordner mit Bankauszügen von R1. R2. ein Kuvert mit Beipackzetteln und einem Tablettenblister Targin Retardtabletten 20mg/10 mg, in dem drei Tabletten gefehlt hätten, befunden habe.
336
Bei der aufgrund der Aussagen der Zeuginnen H4. und K3. erfolgten Durchsicht der Asservate nach Kalendern sei er auf ein in der Wohnung Nr. 209 der Angeklagten sichergestelltes Kalendernotizbuch aus dem Jahr 2017 gestoßen, in dem - wie die I3.ugenscheinnahme der Lichtbilder durch die Kammer bestätigte - auf der Seite des 3. Januar drei Etikettenaufkleber der Firma ... in bulgarischer Schrift eingeklebt waren (Näheres zu den Aufklebern s.u. bei der Zeugin KHK’in Ut.; Anm.: es handelt sich um das Morphin).
337
Bei der Sichtung der Daten des in Bulgarien sichergestellten Mobiltelefons der Zeugin L3. H3. sei aufgefallen, dass der Telefonkontakt der Zeugin zu der Angeklagten zwischen dem 27.07.2018 und dem 15.08.2018 unterbrochen gewesen sei. Ab dem 15.08.2018 bis zur Inhaftierung der Angeklagten hätten beide regelmäßig miteinander telefoniert.
338
Der Zeuge T3., Finanzermittler bei der Kriminalpolizeiinspektion (Z) Oberbayern Süd, berichtete von seiner Finanzauswertung für das hiesige Verfahren.
339
Für den Betrachtungszeitraum vom 1.1.2009 bis 31.12.2018 seien zu insgesamt 59 Konten in Deutschland und 15 Konten in Bulgarien von den Banken die Umsätze angefordert und von ihm ausgewertet worden. Neben Konten der Angeklagten und des Geschädigten seien auch die Konten von R1. und J3. R2., ein Konto der verstorbenen Mutter der Angeklagten bei der Kreissparkasse Mi.-T.see sowie ein Konto von L3. H3. bei der Raiffeisenbank Gmund am T.see betrachtet worden.
340
Zu den Einkommensverhältnissen des Angeklagten und des Geschädigten führte der Zeuge Folgendes aus:
341
Aus der Summe der Gehalts- und Unterhaltszahlungen habe er bei der Angeklagten ein durchschnittliches Monatseinkommen von 1.563,78 € errechnet. Im gesamten Betrachtungszeitraum seien zudem Bareinzahlungen in Höhe von insgesamt 351.771,45 € erfolgt, ohne die die von den Konten bestrittenen Ausgaben nicht gedeckt gewesen wären.
342
Das Einkommen des Geschädigten habe aus zwei Erwerbsunfähigkeitsrenten (Rentenkasse der Bezirksärztekammer Koblenz und Deutsche Rentenversicherung) bestanden, von denen abzüglich der von beiden Kassen direkt geleisteten Unterhaltszahlungen an seine drei Kinder ab 30.6.2010 4.695,97 € und, bedingt durch den Inflationsausgleich bei den Renten, zuletzt im Juli 2018 5.753,88 € überwiesen worden seien.
343
Nach dem Tod von H2. S6. sei ab 30.8.2018 der Eingang einer monatlichen Witwenrente der Bezirksärztekammer Koblenz in Höhe von 1.359,30 € festzustellen gewesen, nicht hingegen der Eingang einer Witwenrente der Deutschen Rentenversicherung.
344
Zum Vermögen des Geschädigten berichtete der Zeuge:
345
Das Anfangsvermögen des Geschädigten zu Beginn seiner Beziehung zu der Angeklagten habe nach dem ihn vorgelegenen Unterlagen aus etwa 200.000 € Konto- und Anlagevermögen sowie dem hälftigen Miteigentumsanteil des zusammen mit C1. Sc. erworbenen unbebauten Grundstücks in Mu. bestanden. Aus dem Verkauf dieses Grundstücks seien im Juli 2013 Einzahlungen in Höhe von insgesamt 170.000 € auf sein Konto eingegangen. Inwieweit der Geschädigte Gelder in der Schweiz angelegt hatte, habe er mangels entsprechender Kontounterlagen aus der Schweiz nicht feststellen können.
346
Das Verhalten des Geschädigten bezüglich Barauszahlungen habe sich ab dem Jahr 2011 deutlich verändert. Während dieser in den Jahren 2009 und 2010 fast jeden zweiten oder dritten Tag Beträge um 50 € am Geldautomaten abgehoben habe, seien die Abhebungen in der Folge deutlich seltener, die einzelnen Beträge jedoch 4-und 5-stellig geworden. Die Summe der Barabhebungen von 2011 bis 2018 betrage etwa 270.000 €. Ein direkter zeitlicher und betraglicher Zusammenhang zwischen Auszahlungen des Geschädigten und Einzahlungen der Angeklagten sei jedoch nur einmal erkennbar gewesen. Am 15.9.2011 habe der Geschädigte 40.000 € von seinem Konto bei der Stadtsparkasse M. abgehoben, und die Angeklagte habe am Folgetag den gleichen Betrag auf ihrem Konto eingezahlt und durch Weiterüberweisung eine Darlehensschuld gegenüber einer Person namens I3. Nevries beglichen.
347
Zwischen den deutschen Konten der Eheleute hätten abgesehen von Überweisungen betreffend den Erwerb der gemeinsamen Wohnung Nr. 118 und den späteren Rückkauf des Eigentumsanteils durch die Angeklagte 60 Zahlungen stattgefunden, bei denen der Geschädigte insgesamt 129.692,52 € an die Angeklagte und die Angeklagte an den Geschädigten 15.670 € überwiesen habe. In den Verwendungszwecken des Geschädigten seien häufig Hinweise auf Reisen, Steuern und Renovierungskosten enthalten, ohne dass auf den Konten der Angeklagten entsprechende Mittelabflüsse zu diesen Zwecken erkennbar gewesen seien. Zusätzlich habe sich der Geschädigte ab Oktober 2012 an den Haushaltskosten beteiligt, ab September 2013 mittels zweier monatlicher Daueraufträge in Höhe von monatlich 1.600 €, und einen Teil der Wohnnebenkosten übernommen. Gleichzeitig seien jedoch noch EC-Kartenzahlungen für Restaurantbesuche und Haushaltseinkäufe feststellbar gewesen.
348
Bei dem Rückkauf des Eigentumsanteils an der Wohnung Nr. 118 durch die Angeklagte im August 2015 sei auffällig, dass nach Überweisung des Kaufpreises von 65.000 € durch die Angeklagte am 11.8.2015 der Geschädigte im Zeitraum vom 20.8. bis 8.9.2015 insgesamt 45.000 € wieder zurück auf das Konto der Angeklagten mit Hinweisen auf Renovierungskosten bezüglich der Wohnung S1.platz 2 überweist.
349
Die Angeklagte und der Geschädigte hätten mehrere Konten in Bulgarien unterhalten. Diesbezüglich sei festzustellen gewesen, dass der Geschädigte insgesamt 181.127,65 € seines Vermögens nach Bulgarien transferiert habe, einerseits durch Überweisungen aus Deutschland auf seine bulgarischen Konten und die der Angeklagten, andererseits durch Bareinzahlungen auf seine bulgarischen Konten, denen entsprechende Barauszahlungen in Deutschland vorausgegangen seien. Teilweise stünden die Barabhebungen von den bulgarischen Konten, einmal auch durch L3. H3. als Kontobevollmächtigte am 5.1.2015 in Höhe von umgerechnet 56.000 €, in zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Wohnungen der Angeklagten in Pl.. Ein entsprechendes Anlage- oder Immobilienvermögen des Geschädigten zum Zeitpunkt seines Todes habe in Bulgarien nicht ermittelt werden können.
350
Im August 2018 seien auf sämtlichen Konten des Geschädigten so gut wie kein Guthaben mehr vorhanden gewesen.
351
Zum Vermögen der Angeklagten führte der Zeuge insbesondere aus:
352
Die Angeklagte sei im Februar 2019 Eigentümerin von insgesamt acht Wohnungen und zehn Tiefgaragenstellplätzen im Wohnkomplex S1.platz 1-3 in T.see gewesen. Vor der Beziehung zum Geschädigten habe die Angeklagte die Wohnung Nr. 209 im November 2007 für 103.000 € und die Wohnung Nr. 32 im November 2010 erworben. Während der Beziehung zum Geschädigten sei der gemeinsame Erwerb der Wohnung Nr. 118 im November 2011 und der alleinige Erwerb der Wohnungen Nr. 24 (September 2011), Nr. 11 (November 2014), Nr. 3 (Januar 2015) und Nr. 309 (Dezember 2015) erfolgt. Nach dem Tod habe die Angeklagte im November 2018 noch die Wohnung Nr. 18 von R1. R2. für 60.000 € und drei Tiefgaragenstellplätze von J3. R2. für weitere 60.000 € erworben. Sämtliche Wohnungen habe die Angeklagte mittels endfälliger Bauspar-Darlehen der Kreissparkasse Mi.-T.see finanziert und bis auf die Nr. 118 allesamt vermietet. Die Kreditschulden beliefen sich auf noch circa 430.000 €. Die monatlichen Mieteinnahmen seien zuletzt bei 3.600 € gelegen. Der Wert der Wohnungen mit einer Gesamtfläche von 416 qm betrage unter Zugrundelegung eines Preises von 6.000 € je qm knapp 2,5 Mio € zuzüglich 200.000 € für die 10 Stellplätze. Die Quadratmeterzahl der Wohnungen habe er lediglich anhand eines früheren Verkaufsprospektes für den Wohnkomplex ermittelt. Die Kammer hat insofern berücksichtigt,, dass der Zeuge kein Immobiliensachverständiger ist und ist lediglich von ungefähren Wertschätzungen ausgegangen.
353
Ab 2010 habe die Angeklagte in erkennbarer Höhe von etwa 210.000 € Kapitalanlagen in Kryptowährungen oder spekulative Marktinstrumente der Börse getätigt. Zum Ende des Betrachtungszeitraums hätten jedoch keine Werte in Depots und Wallets festgestellt werden können. Zu den Bitcoin-Aktivitäten der Angeklagten könne er mangels Kenntnis von diesbezüglichen „Accounts“ keine Angaben machen.
354
Auffällig bei den Kontobewegungen der Angeklagten seien die Vielzahl von Überweisungen und Gutschriften deren Verwendungszweck auf die Ausreichung bzw. Rückzahlung privater Darlehen an verschiedene Personen hindeuteten. Im gesamten Betrachtungszeitraum habe die Summe der Überweisungen circa 187.000 €, die Summe der eingegangenen Gutschriften hingegen lediglich 47.000 € betragen. Von Februar bis Juli 2018 habe die Angeklagten insg. 71.000 € an ihre Bekannte De. M4. und deren Sohn K5. mit dem Verwendungszweck Kredit überwiesen.
355
Zur Vermögensentwicklung bei R1. R2. schilderte der Zeuge:
356
Die Konten des R1. R2. und seiner Ehefrau J3. R2. seien für den Zeitraum 1.1.2009 bis 31.12.2018 betrachtet worden. In diesen zehn Jahren seien auf dem Konto des R1. R2. monatliche Einnahmen von ca. 1.100 € Rente und 1.300 € Miete festzustellen gewesen, die jedoch die monatlichen Ausgaben bei weitem nicht gedeckt hätten. Vielmehr seien aus anderweitigen Guthaben, z. B. aus Finanzanlagen des R1. R2., aber auch mittels Überweisungen vom Konto der J3. R2., im gesamten Betrachtungszeitraum insgesamt 375.870,79 € auf die Girokonten des R1. R2. übertragen und letztendlich auch verbraucht worden.
357
In dem Fünfjahreszeitraum 1.1.2009 bis 31.12.2013 seien auf dem Konto des R1. R2. durchschnittlich 2.956,35 € monatlich abgehoben worden. In den folgenden fünf Jahren bis 31.12.2018 seien diese Auszahlungen stark angestiegen und hätten im Mittelwert 7.069,25 € monatlich betragen. Ein starker Anstieg der Konsumausgaben, die aus Überweisungen und Zahlungen mit der EC-Karte erkennbar seien, sei ab März 2016 festzustellen. Während diese zuvor im Quartal regelmäßig unter 1.000 € gelegen hätten, hätten die Konsumausgaben ab dem zweiten Quartal 2016 zwischen 1.300 € und knapp 4.000 € gelegen.
358
Ab 1.1.2016 habe die Angeklagte monatlich 450 € als geringfügig Beschäftigte vom Konto des R1. R2. erhalten. Parallel dazu seien weitere Zahlungen an die Angeklagte mit verschiedenen Verwendungszwecken („zinsloses Darlehen“, „Auslagenersatz“) erfolgt. Weitere Bezahlungen der Angeklagten für die Pflege des R1. R2. seien anhand des oben genannten Anstiegs der Barauszahlungen erklärbar. Inwieweit die Konsumausgaben ausschließlich dem persönlichen Bedarf des R1. R2. dienten, sei letztendlich nicht feststellbar.
359
Zum Verkauf der Wohnung des R1. R2. an die Angeklagte im November 2018 gab der Zeuge an, dass der vereinbarte Kaufpreis von 60.000 € am 4.12.2018 auf das Konto des R1. R2. bei der Raiffeisenbank Gmund am T.see eingegangen sei. Auffällig sei, dass zwei Tage später, am 6.12.2018, 2.000 € am Automaten abgehoben, 20.000 € auf das Konto der Angeklagten mit dem Verwendungszweck „Kauf Mazda MX5“ überwiesen und 40.000 € am Schalter bar ausgezahlt worden seien. Am 7.12.2018 habe die Angeklagte 19.022,20 € auf das Darlehenskonto des H2. S6. bei der TeamBank überwiesen, um das Darlehen für den Mazda zu tilgen. Am 8.1.2019 sei schließlich auf dem Konto der Angeklagten bei der Bulgarisch-Amerikanischen Kreditbank ein Betrag von 40.000 € von Fl. Ro. als Auftraggeber eingegangen.
360
Im Übrigen berichtete der Zeuge von einer Überweisung der Angeklagten am 26.7.2018 an die bulgarische Firma E M1 Invest Ltd. in Höhe von 35.000 € unter Bezugnahme auf das Appartment 3 in der Slivnitza 4 in Pl. und der Rückbuchung des gleichen Betrages von der bulgarischen Firma auf das Konto der Angeklagten am 8.8.2018.
361
Die Zeugin KHK’in Ut., damals für die KPS Mi. tätig, gab an, die Hauptsachbearbeitung in dem Fall im Dezember 2018 nach der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Angeklagte wegen Mordes von ihrem Kollegen Ke. übernommen zu haben. Sie berichtete von dem Gang der Ermittlungen und den aus ihrer Sicht wesentlichen Ermittlungsergebnissen.
362
Vor Übernahme der Sachbearbeitung habe sie lediglich Anfang September 2018 den Kollegen Ke. zu einer geplanten Zeugenvernehmung von R1. R2. begleitet, bei der sich schnell herausgestellt habe, dass er keine Erinnerung an kürzliche Ereignisse, auch nicht zum Abend des 7.8.2018, gehabt habe. Auch sei sie bei der zweiten Zeugenvernehmung der Angeklagten am 12.9.2018 durch ihren Kollegen Ke. anwesend gewesen.
363
Danach seien erstmal keine weiteren Ermittlungen erfolgt. Erst nach Eingang des toxikologischen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin am 5.12.2018, aus dem sich Morphin als Todesursache und zugleich Morphin als Inhalt der am Leichenfundort aufgefundenen Spritze ergeben habe, sei in Zusammenschau mit den DNA-Spuren der Angeklagten an der Spritze klar gewesen, dass nun ein Tötungsdelikt der Angeklagten mit der Spritze als Tatwerkzeug im Raum stehe. Unter ihrer Sachbearbeitung seien dann im Januar 2019 insbesondere TKÜ-Beschlüsse erwirkt und Bafin-Auskünfte eingeholt worden sowie die Zeuginnen H7. S8. und C1. Sc. erneut vernommen worden. Im Februar 2019 seien der Haftbefehl gegen die Angeklagte vollzogen und Wohnungen der Angeklagten durchsucht worden. Auffällig bei der Festnahme am 6.2.2019 sei für die Zeugin gewesen, dass die Angeklagte keinerlei Reaktion gezeigt, insbesondere nicht überrascht gewirkt habe. Während der vom 17.1.2019 bis zur Festnahme durchgeführten Überwachung der Telefonanschlüsse der Angeklagten habe diese insbesondere mit ihren damaligen Sexualpartnern B4. und Dr. R4. telefoniert oder mit ihren Freundinnen über ihre Liebschaften gesprochen. Insbesondere habe die Angeklagte ihrer Freundin L3. H3. in einem Telefonat am 2.2.2019 bestätigt, sexuelle Dienste an dem damals 92-jährigen R1. R2. vorzunehmen.
364
Bei der Durchsuchung der Wohnung der Angeklagten sei ein handschriftlicher Brief der Angeklagten an R1. (R2.) mit dem Datum vom 9.8.2018 gefunden worden, in dem diese davon ausgehe, inhaftiert zu werden („Wenn ich im Knast bin, kann ich sowieso nicht für Dich sorgen.“), ohne dass zu diesem Zeitpunkt Anhaltspunkte für eine Tötung des Geschädigten durch die Angeklagte oder für eine andere Straftat vorgelegen hätten.
365
Ebenfalls sei bei der Durchsuchung der Wohnungen der Angeklagten ein Kundenfinanzstatus der Kreissparkasse vom 9.2.2011 betreffend den Geschädigten gefunden worden, aus dem sich ein damaliges Anlagevermögen des Geschädigten von 210.909,96 € ergeben habe. Ebenso seien drei fast inhaltsgleiche Patientenverfügungen der Angeklagten, des Geschädigten und von R1. R2. vom 26.7.2018 sichergestellt worden, in denen von allen dreien vermerkt worden sei, dass sie nicht „autopsiert“ und verbrannt werden wollen. Zudem äußere die Angeklagte in dieser Verfügung - wie bereits in einer ebenfalls aufgefundenen früheren Patientenverfügung vom 17.3.2015 -, dass sie eine erhöhte Dosis Morphium erhalten möchte, um schnell zu sterben.
366
Die Zeugin schilderte, dass die Angeklagte auffällig tatzeitnah am 6.8.2018, während der Geschädigte mit seinem Sohn J2. auf einer Motorradtour gewesen sei mittels zuvor bei ihrem Versicherungsvertreter besorgter Doppelkarten auf der Zulassungsstelle den Mazda MX5, den Audi und den Porsche vom Geschädigten auf sich habe ummelden lassen. Aus nicht bekanntem Anlass sei der Porsche, der zuvor knapp zwei Jahre lang auf den Namen der Angeklagten gemeldet gewesen sei, erst am 31.7.2018 wieder auf den Geschädigten zugelassen worden.
367
Die Zeugin bestätigte die Angaben der Angeklagten, dass diese zeitweilig in einem Mordverfahren aus dem Jahr 2012 unter Verdacht gestanden habe und es in diesem Zusammenhang damals Durchsuchungen vorgenommen worden seien.
368
Zu den Zeugenaussagen der Mitinsassinnen der Angeklagten H4. und K3. schilderte die Zeugin, dass es mit diesen vor ihren Aussagen keine Absprachen oder Verhandlungen über Vergünstigungen für deren eigene Strafverfahren gegeben habe. Aufgrund der Angaben der beiden Zeuginnen sei bekannt geworden, dass die Angeklagte den privilegierten Schriftverkehr mit ihrem damaligen Verteidiger Rechtsanwalt W1. dazu benutzte, Briefe, die eigentlich der Briefkontrolle unterlagen, an den Behörden „vorbeizuschmuggeln“. Durch die daraufhin durchgeführte Durchsuchung der Kanzlei und Sicherstellung der Handakte des Verteidigers mit einer Vielzahl an Briefen der Angeklagten hätten sich die Angaben der Zeuginnen als zutreffend erwiesen.
369
Ebenso hätten sie bei der erneuten gezielten Durchsicht der asservierten Gegenstände ein Schraubglas, in dem sich ursprünglich das Medikament Levodopa gegen Parkinson befunden habe, mit der handschriftlichen Aufschrift „H2.“ gefunden, deren gräulicher, pulvriger Inhalt sich nach Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. G6. als menschliche Aschereste vermutlich des Geschädigten herausgestellt hätte.
370
Aufgrund der Aussage der Mitinsassinnen zu Schwarzgeld, das in einer Garage gelagert werde, sei eine von der Angeklagten angemietete Garage durchsucht, aber keine Bargeldmengen gefunden worden. Allerdings sei nicht genau feststellbar gewesen, welche Garage von der Angeklagten gemeint gewesen sei, und nicht auszuschließen, dass andere Personen Zutritt zu der Garage hatten, da diese von außen ohne Schlüssel zu öffnen gewesen sei.
371
Die Zeugin führte weiter aus, dass passend zu den Angaben der Zeuginnen H4. und K3. (Entsorgung der Tatmittel „bei einem Lidl“) der von der Angeklagten am Tatmorgen zurückgelegte Weg von T.see zum Orthopädiegeschäft Krenn nach R.-E. direkt an einem Lidl-Supermarkt vorbeiführe.
372
Zu den in dem Kalendernotizbuch 2017 gefundenen, in kyrillischer Schrift verfassten drei Aufklebern berichtete die Zeugin ergänzend, dass diese übersetzt worden seien und es sich jeweils um Etiketten einer 1 ml Injektionslösung mit 20 mg/ml Wirkstoff Morphin des Herstellers ... mit dem Verfallsdatum 08/2018 gehandelt habe. Rückfragen bei der Firma ... in Bulgarien hätten ergeben, dass die auf den Etiketten angegebene Charge in dem Zeitraum 11.1.2017 bis 25.10.2017 an unterschiedliche Kunden in Bulgarien ausgeliefert worden sei, darunter auch einige Kunden in Pl., der Herkunftsstadt der Angeklagten. Eine Bedeutung des Datums 3.1.2017, auf dessen Seite die Etiketten eingeklebt gewesen seien, habe nicht ermittelt werden können.
373
Zum Verhältnis der Angeklagten zur Familie ihres ersten Ehemanns berichtete die Zeugin als Vernehmungsbeamtin von der polizeilichen Vernehmung der Zeugin G7. L6., der Schwägerin der Angeklagten aus ihrer Ehe mit Fl. Ro., vom 13.5.2019. Diese habe angegeben, dass ihre Mutter und die Angeklagte kein gutes Verhältnis zueinander gehabt hätten und ihre Mutter der Ansicht gewesen sei, dass die Angeklagte hinter dem Geld her sei. Ihre Mutter habe ihren Bruder enterbt und auch den ihrem Bruder Fl. zustehenden Pflichtteil aus der Erbschaft ihres Vaters verwaltet, damit die Angeklagte keinen Zugriff auf das Vermögen erlange.
374
Zu dem Verhalten der Angeklagten gegenüber R1. R2. und seiner Familie nach der Tat führte die Zeugin insbesondere aus, dass die Angeklagte zwar offiziell die Wohnung von R1. R2. mit notariellem Vertrag vom 0811.2018 zu einem Kaufpreis von 60.000 € gekauft und die Summe auch am 4.12.2018 auf das Konto des R1. R2. überwiesen worden sei, sich aber innerhalb kürzester Zeit wieder in Besitz der 60.000 € gebracht habe. So seien bereits am 6.12.2018 20.000 € wieder auf ihr Konto mit dem Verwendungszweck „Mazda“ zurückgeflossen. In diesem Zusammenhang sei bei der Durchsuchung der Wohnung der Angeklagten ein Kaufvertrag vom 6.12.2018 mit R1. R2., der nicht mehr im Besitz eines Führerscheins gewesen sei, über das Fahrzeug gefunden worden. Die Angeklagte sei jedoch weiterhin als Halterin und Eigentümerin des Fahrzeugs eingetragen gewesen. Ebenfalls am 6.12.2018 seien vom Konto des R1. R2. 40.000 € in bar am Schalter ausgezahlt worden. Zum Verbleib dieser Summe berichtete die Zeugin als Vernehmungsbeamtin von der polizeilichen Vernehmung des Zeugen F5. R6., des geschiedenen ersten Ehemanns der Angeklagten, vom 20.3.2019. Dieser habe angegeben, dass die Angeklagte mit 40.000 € Bargeld, welches ihr R1. R2. von seinem Konto gegeben habe, in einer Tasche zu ihm gekommen sei und ihn gebeten habe, das Geld auf sein Konto einzuzahlen. Als Begründung habe sie angeführt, dass sie ihre Karte verloren hätte und daher das Geld nicht auf ihr Konto einzahlen könne. Sie habe ihn zur Bank begleitet und den Einzahlungsbeleg mit dem Einzahlungszweck „Erbe P2. Ro. 2015“ ausgefüllt. Anschließend habe sie ihm gesagt, er solle das Geld auf ein Konto von ihr in Bulgarien mit dem Verwendungszweck „Renovierungskosten“ überweisen, was er dann auch mit ihr zusammen veranlasst hätte. Die Zeugin schilderte weiter, dass bei der Durchsuchung der Wohnung der Angeklagten auch ein handschriftlicher Darlehensvertrag zwischen der Angeklagten und R1. R2. vom 2.12.2018 über eine Summe von 60.000 €, die durch Verrechnung mit den Pflegekosten zurückgezahlt werden sollte, gefunden worden sei. Tatsächlich habe die Angeklagte jedoch bis zu ihrer Inhaftierung im Februar 2019 das Geld für die Pflege von R1. R2. erhalten.
375
Zum Nachtatverhalten am 8.8.2018 schilderte die Zeugin, dass sich aus der Auswertung des Nachrichten- und Telefonverkehrs auf dem Handy der Angeklagten ergebe, dass diese ihrer Tochter L1. um 8.12 Uhr die Nachricht „Bin wach“ und um 9.42 Uhr die Nachricht „Ich bin da“ geschickt habe. Um 11.16 Uhr sei dann ein eingehender Anruf von der bulgarischen Nummer +359887870769 mit einer Dauer von 1.51 Minuten verzeichnet. Nur 23 Sekunden später sei ein erstes Mal die Praxis Dr. N1. angewählt worden. Neben mehreren erfolglosen Anrufversuchen habe es mit der Praxis um 11.20 Uhr ein Gespräch mit 1.04 Minuten Dauer und ein weiteres Gespräch um 11.35 Uhr mit 3.31 Minuten Dauer gegeben.
376
Die Zeugin berichtete zudem von der Auswertung des umfangreichen Chatverkehrs auf dem Mobiltelefon der Angeklagten. Die Angeklagte habe sich insbesondere mit ihrer bulgarischen Freundin L3. H3. über den Anbieter „Viber“ recht offen über ihre Ehe mit dem Geschädigten, ihre finanziellen Pläne und Geschäfte sowie ihre Manipulationsversuche ausgetauscht. Der Wortlaut der mit der Zeugin durchgegangenen, für die Beweiswürdigung relevanten Nachrichten wird zur Vermeidung von Wiederholungen im Rahmen der Beweiswürdigung der Kammer (Ziff. 3. c. - e.) wiedergegeben.
377
Die Zeugen EKHK Ke., KHK Nü., T3. und KHK’in Ut. schilderten ihre Ermittlungsergebnisse ohne jeglichen unsachlichen Belastungseifer, ihre Angaben waren widerspruchsfrei, nachvollziehbar und wurden, soweit solche vorlagen, durch die objektiven Ermittlungsergebnisse gestützt, weshalb die Kammer ihnen gefolgt ist.
b. Sachverständige
378
(1) Der Sachverständige Prof. Dr. M5., Toxikologe beim Forensisch Toxikologischen Centrum M., erstattete sein Gutachten über die Untersuchung von Haarproben der Angeklagten und des verstorbenen H2. S6.
379
Die der Angeklagten am 25.2.2019 entnommene Haarprobe mit einer Länge von 11 cm sei gemessen von der Kopfhaut in zwei 3 cm lange Abschnitte a) und b) und in einen 5 cm langen Abschnitt c) unterteilt und getrennt mittels der Untersuchungsmethode LC-MS-MS (hochdruckflüssigkeits-chromatographisch-massenspektrometrisch) auf zentralwirksame Drogen und Medikamente untersucht worden. Bei einem angenommenen mittleren Haarwachstum von 1,1 cm pro Monat decke der Abschnitt a) die letzten drei Monate, der Abschnitt b) die Monate 4 bis 6 und der Abschnitt c) die Monate 7 bis 11 vor der Probenentnahme ab.
380
In allen drei Abschnitten sei die Substanz Zolpidem, die zur kurzzeitigen Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt werde, in einer in etwa gleich bleibenden Konzentration im oberen 25%- bis oberen 10%-Bereich (a): 0,49 ng/mg, b): 0,75 ng/mg, c): 0,54 ng/mg) nachgewiesen worden, was für eine regelmäßige intensive Aufnahme spreche. In den Abschnitten b) und c) sei das tetrazyklische Antidepressivum Mirtazapin in einer Konzentration im unteren 10%-Bereich (b): 0,019 ng/mg, c): 0,015 ng/mg) nachgewiesen worden, was auf eine geringe Dosierung bzw. ein Ausschleichen hindeute. Das atypische Neuroleptikum Quetiapin, welches beispielsweise in dem Medikament Seroquel eingesetzt werde, sei mit ansteigenden Werten in Konzentrationen vom mittleren bis überdurchschnittlichen Bereich (c): 0,15 ng/mg, b): 0,23 ng/mg, a): 0,39 ng/mg) nachzuweisen, was für eine Dosissteigerung spreche. Gleiches gelte für die Substanz Venlafaxin, die ebenfalls zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werde, und die mit ansteigenden Werten in Konzentrationen im überdurchschnittlichen bis oberen 25%-Bereich (c): 1,5 ng/mg, b): 2,5 ng/mg, a): 2,7 ng,mg) zu finden gewesen sei.
381
Die dem Geschädigten am 9.8.2018 entnommene Haarprobe sei zunächst in ihrer Gesamtlänge von 1 cm mittels der Untersuchungsmethode LC-MS-MS auf zentral wirksame Drogen und Medikamente untersucht worden.
382
Dabei seien das Opiat Morphin in einer Konzentration im überdurchschnittlichen Bereich (0,19 ng/mg), die Substanz Oxycodon, die in Arzneimitteln gegen starke Schmerzen wie z. B. Targin enthalten sei, in einer Konzentration im überdurchschnittlichen Bereich (0,33 ng/mg), das atypische Neuroleptikum Quetiapin in einer Konzentration im oberen 10%-Bereich (1,2 ng/mg), die zur Behandlung von Depressionen eingesetzte Substanz Venlafaxin in einer Konzentration im unteren 25%-Bereich (0,016 ng/mg) sowie die Substanzen Naloxon, das z.B. im Medikament Targin mitenthalten sei, Lormetazepam, das zur Behandlung von Schlafstörungen z. B. im Medikament Noctamid enthalten sei, und Zolpidem, das ebenfalls zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt werde, im sehr niedrigen Bereich (<0,01 ng/mg) nachgewiesen worden.
383
Die zur Abschätzung des überprüften Zeitraums grundsätzlich erfolgenden Annahmen eines mittleren Haarwachstums von 1 cm pro Monat, einer sich in der Kopfhaut befindlichen Haarlänge von 3-4 mm und eines beim Abschneiden der Haarprobe verbleibenden Haarrests von 1-2 mm an der Kopfhaut seien bei Leichenhaaren, wie sie vorliegend zu beurteilen seien, nur bedingt aussagekräftig. Vielmehr seien auch die Umstände der Probennahme und einer möglichen Leichenliegezeit zu berücksichtigen, die zu einer akuten Substanzaufnahme geführt haben könnten, beispielsweise über Blutanhaftungen oder durch Schweißbildung während längerer Agoniephasen bis zum endgültigen Versterben.
384
Um genauer zwischen einer todeszeitnahen Substanzübertragung und einer Aufnahme über die Blutbahn oder die Haarwurzel differenzieren zu können, sei als weitere Untersuchung eine Einzelhaaranalytik durchgeführt worden, für welche zehn besonders lange Haare (mit Längen von 1,4 - 2,0 cm) aus der oben genannten Haarprobe des Geschädigten in Abschnitte von 2 mm segmentiert und mittels der Untersuchungsmethode LC-MS-MS einzeln analysiert worden seien.
385
Die Substanz Venlafaxin, die in neun Haaren nachgewiesen werden konnte, sei in den Segmenten von proximal zu distal in ansteigenden Konzentrationen gemessen worden, was am ehesten für eine mehrere Wochen zurückliegende Aufnahme bzw. ein „Ausschleichen“ des Arzneimittels spreche.
386
Quetiapin hingegen sei in allen Haaren in relativ konstant bleibender Konzentration nachgewiesen worden, was am ehesten mit einer Dauermedikation zu erklären wäre.
387
Bei der in allen Haaren nachgewiesenen Substanz Oxycodon sei in fast allen Haaren die Konzentration im ersten Segment (0-2 mm) im Vergleich zum zweiten Segment deutlich erhöht gewesen. Dies spreche gegen eine dauerhafte Einnahme und sei gut mit einer einmaligen Einnahme einer hohen Dosierung maximal 14 Tage vor dem Todeseintritt zu vereinbaren. Sollte die in den ersten Segmenten gemessenen Konzentrationen noch nicht den „Peak“ darstellen, sei auch eine zeitnähere Einnahme vor dem Versterben denkbar. Ein minimaler Konzentrationsanstieg sei zudem bei mehreren Haaren im Bereich von 8-12 mm zu erkennen, was auf eine weitere zeitlich etwa 1,5 Monate zurückliegende Einnahme der Substanz in geringerer Dosis hindeute, aber auch ein Artefakt bzw. einen durch Schweißbildung bei der ca. 14 Tage zurückliegenden Aufnahme entstandenen sog. „Doppelpeak“ darstellen könne.
388
Bei dem in neun von zehn Haaren nachgewiesenen Opiat Morphin seien die Ergebnisse schwer zu interpretieren, da der Konzentrationsverlauf zwischen den Haaren zu uneinheitlich sei und nur vereinzelte Haare in unterschiedlichen Segmenten Konzentrationspeaks aufwiesen. Erkennbar sei jedoch das Bild eines von der Kopfhaut zur Haarspitze hin stetigen Anstiegs der Konzentration. Die naheliegendste Erklärung hierfür sei eine Substanzaufnahme durch starke Schweißbildung während einer längeren Agoniephase vor dem Todeseintritt, bei der auf der Kopfhaut gebildeter Schweiß das Haar entlanglaufe und sich in der Haarspitze sammle. Voraussetzung hierfür sei eine entsprechende Intoxikation der betreffenden Person, die durch den Nachweis von Morphin im Blut gegeben wäre. Als aus Sicht des Sachverständigen nicht wahrscheinliche, aber nicht auszuschließende Erklärung käme auch eine etwa zwei Monate vor Todeseintritt liegende Morphinaufnahme mit einem in den Segmenten von distal zu proximal erkennbaren „Ausschleichen“ der Konzentration in Betracht.
389
Die bei der Erstuntersuchung im Spurenbereich nachgewiesenen Substanzen Naloxon, Lormetazepam und Zolpidem seien mittels Einzelhaaranalytik nicht sicher nachzuweisen gewesen. Dies sei durch die sehr geringe Probenmenge bei der Einzelhaaranalyse zu erklären.
390
Die Kammer ist den schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des forensisch erfahrenen Sachverständigen, die alle relevanten Anknüpfungstatsachen berücksichtigten, nach kritischer Prüfung aus eigener Überzeugungsbildung gefolgt.
391
(2) Der Sachverständige Dr. S12., forensischer Toxikologe des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg, berichtete über die von ihm im Auftrag des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M. im November 2018 durchgeführte chemisch-toxikologische Untersuchung einer Venenblutprobe „S., H2.-G., geb. 1957“ auf Morphin und Morphin-Glucuronide.
392
Bei der Untersuchung seien freies Morphin in einer Konzentration von 90 ng/ml, Morphin-3-Glucoronid in einer Konzentration von 1.300 ng/ml und Morphin-6-Glucoronid in einer Konzentration von 330 ng/ml aufgefunden worden. Morphin werde in der Leber rasch metabolisiert, die Eliminiationshalbwertszeit betrage zwischen ein bis drei Stunden. Dabei bildeten sich insbesondere das Morphin-3-Glucuronid und das Morphin-6-Glucuronid, welche länger im Körper vorhanden seien. Die Verstoffwechselung von Morphin hänge jedoch von der Art der Aufnahme ab und sei bei oraler Einnahme am schnellsten. Bei parenteraler Aufnahme von Morphin sei zwischen intravenöser und subkutaner bzw. intramuskulärer Zuführung zu unterscheiden. Bei intravenöser Gabe zeige sich ein höherer Anteil an freiem Morphin, bei subkutaner bzw. intramuskulärer Applikation halte sich die Verstoffwechselung mit der Freisetzung des freien Morphins in der Regel die Waage. Deutlich höhere Glucoronide sprächen für eine längere Überlebenszeit nach Verabreichung.
393
Vorliegend seien der im oberen therapeutischen Bereich liegende freie Morphinwert und die dazu deutlich höheren Glucuronidwerte mit folgenden Vorgängen zu erklären: Zum einen könnte das Morphin in einer relativ hohen Dosierung oral aufgenommen worden sein. Voraussetzung hierfür wäre ein entsprechender Nachweis von Morphin im Mageninhalt. Zum anderen könnte das Morphin einmalig in einer sehr hohen Dosierung oder regelmäßig circa alle zwei Stunden intravenös injiziert worden und für einen langen Zeitraum überlebt worden sein. Dies würde eine Substanzgewöhnung voraussetzen. Schließlich käme eine subkutane oder intramuskuläre Aufnahme einer höheren Dosis, einmalig oder mittels mehrerer Spritzen in kurzen Zeitabständen, circa 4 bis 6 Stunden vor dem Todeseintritt in Betracht. Die Länge der Agoniephase sei jedoch nur schwer naturwissenschaftlich zu bestimmen, er könne daher nur einen ungefähren Rahmen von 4 bis 6 Stunden abstecken. Einen Einfluss von Alkohol, einer möglichen vorherigen Aufnahme von Lormetazepam oder einer möglicherweise bestehenden Unterzuckerung auf die Dauer der Agoniephase sehe er nicht.
394
Der Sachverständige Prof. Dr. T5., forensischer Chemiker, tätig im Zentrum für präventive Dopingforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln, berichtete über die von ihm im Auftrag des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M. vorgenommenen Analysen auf Insulin und Insulinanaloga.
395
Er habe die ihm am 18.6.2019 übersandten neun Proben mit Hilfe etablierter Testverfahren hinsichtlich humanen Insulins, synthetischer Analoga sowie tierischer Insulinen analysiert und auf ergänzende Anfrage vom 26.8.2019 bei der Probe 50151 eine Analyse hinsichtlich C-Peptid durchgeführt.
396
In der Probe 50151 (Oberschenkelvenenblut) seien Humaninsulin in einer Konzentration von 2 ng/mL und das schnell wirkende synthetische Insulin Aspart in einer Konzentration von 6 ng/mL nachgewiesen worden. C-Peptid habe nicht nachgewiesen werden können.
397
Da Insulin Aspart nicht natürlich im Körper gebildet werde, bedeute der Nachweis, dass es appliziert worden sein müsse. Da Insulin postmortal sehr schnell abgebaut werde, habe höchstwahrscheinlich zum Zeitpunkt des Ablebens ein deutlich höherer Wert als 6 ng/mL vorgelegen. Sog. C-Peptid entstehe bei der Ausschüttung von körpereigen produziertem Humaninsulin, so dass in der Blutprobe eines Lebenden bei körpereigen gebildeten Humaninsulin sowohl Insulin als auch C-Peptid nachgewiesen werden könne. Bei Leichenblut sei ein postmortaler Abbau von C-Peptid nicht auszuschließen. Da jedoch seiner Erfahrung nach Humaninsulin und C-Peptid in etwa gleich postmortal instabil seien, sei der vorliegende fehlende Nachweis von C-Peptid ein deutlicher Hinweis auf eine exogene Zuführung von Humaninsulin.
398
In der Probe 50152 (Glaskörperflüssigkeit) sei Insulin Aspart gerade an der Nachweisgrenze von 50 pg/mL („Limit of detection“) gefunden worden, so dass eine Konzentrationsmenge nicht habe bestimmt werden können.
399
Nachdem bei Gesunden Insulin im Regelfall nicht im Glaskörper nachweisbar sei, weise der vorliegende Befund auf die Applikation einer größeren Menge Insulin Aspart hin.
400
In den Proben 50154, 50155 und 50156 (drei Insulinpens) habe Humaninsulin in Konzentrationen von 0,2 mg/mL, 0,3 mg/mL und 0,5 mg/mL nachgewiesen werden können.
401
In den Proben 50153 (Herzbeutelflüssigkeit), 50157 (Einstichstelle), 50158 (Formalinlösung) und 50159 (Formalinlösung Referenzprobe) sei kein Insulin nachweisbar gewesen. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass durch die Aufbewahrung der Probe „Einstichstelle“ in Formalin etwaig vorhandenes Insulin möglicherweise modifiziert und daher bei der angewendeten Untersuchungsmethode nicht gefunden worden sei.
402
Die Sachverständige Prof. Dr. Z2. vom Institut für Rechtsmedizin der L.-Ma.-Universität M. erläuterte zunächst die Ergebnisse der am 9.8.2018 um 13:45 Uhr durchgeführten Obduktion der Leiche des Geschädigten.
403
Bei der 182 cm langen und 80 kg schweren Leiche sei die Totenstarre bereits voll ausgeprägt gewesen. Die an den rückwärtigen Rumpfpartien gefundenen Totenflecken seien auf kräftigen Daumenkuppendruck nahezu vollständig zum Ablassen zu bringen gewesen.
404
Die äußere Besichtigung habe keine auffälligen Befunde, insbesondere auch keine Hinweise auf eine todesursächliche mechanische Gewalteinwirkung ergeben.
405
Eine in der Mundhöhle festgestellte feinschaumig durchsetzte, grau weißliche Flüssigkeit in reichlichem Umfang mit feiner Abrinnspur am linken Mundwinkel sei ohne todesursächliche Relevanz, da ein Einatmen von Mageninhalt nicht festzustellen gewesen sei. Die feinschäumige Konsistenz und das Auffinden einer solchen Flüssigkeit in den unteren Atemwegen deute vielmehr auf agonal oder postmortal herausgelaufene Ödemflüssigkeit aus der Lunge hin.
406
An der Oberschenkelvorderseite links im rumpfnahen Drittel sei eine mutmaßliche Injektionsstelle gefunden worden, bei der sich auf dem Einschnitt eine mindestens 2 cm große Einblutung in das subkutane Fettgewebe, fast bis zur Muskelfaszie reichend, gezeigt habe. Eine nähere örtliche Eingrenzung sei nicht mehr möglich, da nur ein von der Deckenkamera aufgenommenes Lichtbild von der Leiche vorhanden und auf diesem die Stelle nicht markiert und auch bei Detailvergrößerung des linken Oberschenkels nicht erkennbar sei. Sie befinde sich jedoch nicht in der Nähe des auf dem Lichtbild sichtbaren Muttermals an der linken Oberschenkelvorderseite, da dieses sonst auf dem asservierten Hautstück mit der Einstichstelle zu sehen wäre. Die Sachverständige merkte ergänzend an, dass bei einer Obduktion im Regelfall nicht gezielt nach Injektionsstellen gesucht werde, so dass mögliche weitere Injektionsstellen nicht entdeckt worden sein könnten.
407
Bei der inneren Besichtigung seien ein Hirngewicht von 1599 g und vorspringende Kleinhirnmandeln festgestellt worden, was auf eine Flüssigkeitseinlagerung und akuten, globalen Hirndruck hindeute.
408
Die Lungen seien stark gebläht und ausgedehnt gewesen. Anhand der erheblichen Blut- und Flüssigkeitseinlagerungen sei ein hochgradiges Lungenödem festzustellen gewesen. Am linken Lungenunterlappen deuteten entzündliche Veränderungen auf eine beginnende Lungenentzündung hin.
409
Das Herzgewicht von 500 g sei bei einer Körpergröße von 1,82 cm noch grenzwertig im Normbereich.
410
Die Harnblase sei mit 650 ml Urin gefüllt gewesen, was auf eine Intoxikation oder einen Schlaganfall hindeute. Bei bewusstseinsklaren Männern werde normalerweise spätestens bei 400 ml Urin die Blase entleert. Der Magen sei mit ca. 120 ml reichlich gefüllt und im Mageninhalt der vorige Verzehr von Alkohol und Meeresfrüchten erkennbar gewesen. Tablettenrestverdächtiges Material sei nicht gefunden worden.
411
Zusammenfassend führte die Sachverständige aus, dass die Obduktion keine pathologisch-anatomisch nachweisbare Todesursache ergeben habe. Insbesondere die pralle Füllung der Harnblase und das festgestellte hochgradige Lungenödem deuteten jedoch auf eine todesursächliche Intoxikation hin, weswegen die Durchführung chemisch-toxikologischer Untersuchungen der bei der Sektion genommenen Asservate angeregt worden sei.
412
Zur Bestimmung eines Todeszeitpunktes erläuterte Prof. Dr. Z2., dass grundsätzlich die Entstehung von Totenflecken, das Einsetzen der Totenstarre und die Körpertemperatur zuverlässige Rückschlüsse auf den Zeitpunkt des Ablebens ermöglichten.
413
Die Totenstarre setze im Mittel 2-3 Stunden nach dem Tod ein. Dies sei jedoch temperaturabhängig. Bei warmer Raumtemperatur setzte sie schneller ein und beginne teils bereits nach einer halben bis dreiviertel Stunde. Die Entstehung von Totenflecken sei abhängig vom Blutvolumen. An rückwärtigen Körperpartien seien bei einer liegenden Leiche Totenflecken nach einer Dreiviertelstunde zu erwarten. Nach 8-9 Stunden seien sie voll ausgeprägt.
414
Vorliegend seien bei der Leichenschau von Dr. N5. um 13 Uhr Totenflecken und Leichenstarre festgestellt worden. Nach den Angaben der Angeklagten sei gegen 11 Uhr der Körper ihres Mannes noch warm, ohne Anzeichen von Leichenstarre gewesen. Von Totenflecken habe sie nichts berichtet. Nach den Angaben der Zeuginnen H4. und K3. habe die Angeklagte bereits um 9 Uhr den Tod ihres Mannes festgestellt. Aufgrund dieser unsicheren bzw. diskrepanten Angaben seien der Sachverständigen keine verlässlichen Rückschlüsse auf den genauen Todeszeitpunkt möglich. Unterstellt die Angaben der Angeklagten bzw. ihre Schilderungen gegenüber den Zeuginnen H4. und K3. zum Zustand der Leiche seien zutreffend, so läge der Todeszeitpunkt wahrscheinlich eine Dreiviertel- bis Stunde vor 9 Uhr (ausgehend von der Schilderungen gegenüber den Zeuginnen H4. und K3.) bzw. vor 11 Uhr (ausgehend von den Angaben im Ermittlungsverfahren).
415
Auch die von der Polizei um 15.20 Uhr gemessene Rektaltemperatur von 36,6° ermögliche keine sichere Rückrechnung. Grundsätzlich gehe man von einem Auskühlen des Körpers um ca. 1° pro Stunde aus. Da vorliegend jedoch eine sehr warme Raumtemperatur von 28,3° gemessen geworden sei, verlangsame dies das Auskühlen der Leiche, ohne dass hierfür ein stündlicher Wert angesetzt werden könnte. Der Wert deute jedoch auf einen nicht sehr lange zurückliegenden Todeszeitpunkt hin.
416
Ein weiterer möglicher Anhaltspunkt für die Todeszeitberechnung sei der Mageninhalt. Eine Studie hierzu habe bei Zugrundelegung einer Mischkostmahlzeit von 500 g ermittelt, dass durchschnittlich nach 6 Stunden (mindestens nach 3, maximal nach 12 Stunden) nach der letzten Nahrungsaufnahme noch 125 Gramm und damit ein Viertel im Magen vorhanden gewesen seien. Gehe man vorliegend von einer letzten Abendmahlzeit des Geschädigten von 500 g gegen 19 Uhr aus, so ergäbe die Rückrechnung des bei der Obduktion gefundenen Speisepreis von 120 ml einen Todeszeitpunkt zwischen 23 Uhr und 7 Uhr, am wahrscheinlichsten gegen 1 Uhr. Diese Rückrechnung sei jedoch insbesondere wegen der nicht bekannten Menge des Abendessens mit erheblicher Unsicherheit behaftet.
417
Zusammenfassend könne daher zum Todeszeitpunkt lediglich die Aussage getroffen werden, dass der Tod eher in den frühen Morgenstunden eingetreten ist.
418
Zudem sei aufgrund der bei der Obduktion festgestellten Urinmenge von 650 ml von einer mindestens 4- bis 6-stündigen Agoniephase vor dem Versterben auszugehen. Da bei einem bewusstseinsklaren Mann spätestens ab einer Harnblasenfüllung von 400 ml ein „Wasserlassen“ erfolge, weise die darüberliegende Urinmenge von 250 ml unter Zugrundelegung einer stündlichen Urinproduktion von 43-62 ml daher auf einen mindestens 4- bis 6-stündigen Zustand der Bewusstlosigkeit bzw. der Bewusstseinsstörung, einer sog. Agoniephase, hin. Eine Kontraktion der Schließmuskulatur trete typischerweise bei einer Intoxikation oder einem Schlaganfall auf.
419
Die Sachverständige erläuterte der Kammer darüber hinaus mögliche Auswirkungen des Alkoholkonsums des Geschädigten am Vorabend.
420
Im Oberschenkelvenenblut der Leiche sei eine Alkoholkonzentration von 0,01 Promille im Mittelwert, im Urin eine Alkoholkonzentration von 0,72 Promille im Mittelwert gemessen worden. Dies belege zwar eine dem Ableben vorausgegangene zurückliegende Alkoholisierung, nicht aber eine Aufnahme relevanter Mengen an Ethanol in engerem zeitlichen Zusammenhang zum Ableben. Bei fehlendem Nachweis einer relevanten Alkoholkonzentration im Oberschenkelvenenblut sei allenfalls ein grob orientierender Rückschluss auf die Höhe der dem Ableben vorausgegangenen Alkoholisierung zu einem bestimmten Zeitpunkt möglich. Gehe man von einem Vorfallszeitraum in den späten Abendstunden des 7.8.2018 und von einem Ableben erst in den Morgenstunden des 8.8.2018 aus, so sprächen die gemessenen Werte gegen eine erheblich alkoholbedingte Beeinträchtigung, sondern nur für einen angetrunkenen Zustand. Gleiches ergäbe eine Rückrechnung anhand der von der Angeklagten angegebenen ungefähren Trinkmengen ihres Mannes von einer halben bis eineinhalb Flaschen Bier und einem halben Wasserglas Wodka, die bei der Aufnahme von 62 Gramm Alkohol, einem reduziertem Körpergewicht von 56 kg und 80% Resorption zu einer wahrscheinlichen Blutalkoholkonzentration von 0,89 Promille führe. Zu berücksichtigen sei allerdings, dass eine tageszeitbedingte Müdigkeit und die mögliche zeitgleiche Aufnahme einer relevanten Dosis Lormetazepan und/oder Quetiapin sich additiv dämpfend auf das Nervensystem ausgewirkt haben könnten.
421
Bei der Angeklagten lägen keine relevanten Hinweise auf die tatzeitnahe Einnahme zentral wirksamer Substanzen oder auf eingeschränkte psychodiagnostische Leistungsmerkmale wie unstrukturiertes Vorgehen, Ausfallerscheinungen o.ä. vor.
422
Die Sachverständige Dr. R7., forensische Toxikologin am Institut für Rechtsmedizin der L.-M.-Universität M., erstattete ihr Gutachten über die toxikologischen Untersuchungen der Leichenasservate sowie weiterer von der KPS Mi. sichergestellter Gegenstände.
423
Sie führte allgemein aus, dass im Rahmen eines ersten Auftrags vom 9.8.2018 der Mageninhalt, das Oberschenkelvenenblut und das Urin des Geschädigten sowie eine am Ablebensort aufgefundene 20 ml Einmalspritze der Firma B. standardmäßig auf eine Vielzahl von Substanzen, darunter Opiate, Amphetamine, Benzodiazepine und andere Psychopharmaka, untersucht worden seien. Im Rahmen späterer Aufträge hin seien dann auch die asservierte Gewebeprobe vom linken Oberschenkel, die Leber, der Glaskörper und die Herzbeutelflüssigkeit des Geschädigten sowie eine weitere asservierte 5 ml Einmalspritze und eine Vielzahl von sichergestellten augenscheinlichen Arzneimitteln untersucht worden.
424
Die toxikologischen Untersuchungen hätten den Nachweis folgender Substanzen ergeben:
1. Morphin
425
Morphin, ein starkes Schmerzmittel, sei im Oberschenkelvenenblut in ihrem Institut in einer Konzentration von 83 µg/L nachgewiesen worden. Zudem sei die Substanz in der Leber in einer Konzentration von 370 µg/kg, im Urin und in geringer Konzentration im Mageninhalt gefunden worden. Ergänzend verweise sie auf die ergänzenden Untersuchungsergebnisse des Sachverständigen Dr. S12. zum Oberschenkelvenenblut und die Ergebnisse der Einzelhaaranalyse des Sachverständigen Prof. M5.
426
Die im Blut nachgewiesenen Konzentrationen lägen zum Zeitpunkt des Ablebens im hohen therapeutischen Bereich. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass Morphin im Blut eine kurze Halbwertszeit von ungefähr 1-4 Stunden aufweise und das Metabolitenmuster Morphin zu Morphinglucoronide auf eine Überlebenszeit nach Verabreichung von 4-6 Stunden hindeute. Somit sei von einer ursprünglich deutlich höheren Morphinkonzentration, die - eine fehlende Opiattoleranz vorausgesetzt - im toxischen bis komatös-letalen Bereich gelegen habe, auszugehen.
427
Eine Berechnung der ursprünglich verabreichten Morphinmenge sei über das Verteilungsvolumen und über pharmakokinetische Daten möglich.
428
Bei der ersten Methode und einem zugrunde zu legenden mittleren Verteilungsvolumen entspräche der nachgewiesene Morphin-Mittelwert von 87 µg/L im Blut einer Menge von 24 mg Morphin im Körper zum Zeitpunkt des Ablebens. Gehe man nun von einer Überlebenszeit von 4 Stunden und einer Halbwertszeit aus, so müssten 48 mg Morphin ursprünglich verabreicht worden sein. Bei zwei überlebten Halbwertszeiten hätte die verabreichte Menge Morphin bei 96 mg gelegen.
429
Auf der Grundlage einer pharmakokinetischen Studie sei anhand der gemessenen Blutkonzentrationen bei einer Überlebenszeit von 5-6 Stunden von einer Applikation von circa 96 mg Morphin auszugehen. Nach einer anderen Studie ergäbe sich bei 3 Stunden Überlebenszeit eine Aufnahmemenge von 125 mg.
430
Unterstelle man, dass die zu den im Kalender aufgefundenen Etiketten gehörenden drei 1ml- Morphin-Ampullen injiziert worden seien, so wäre dem Geschädigten insgesamt 60 mg Morphin appliziert worden. Dies läge in dem mit den vorgenannten Berechnungen vereinbaren Bereich. Aufgrund des auf den Etiketten genannten Ablaufdatums 8/2018, das zum Vorfallszeitraum am 7./8.8.2018 noch nicht abgelaufen gewesen sei, sei vom deklarierten Wirkstoffgehalt auszugehen.
431
Das vorgefundene Muster der Metabolite Morphin zu Morphin-6-Glucoronid und Morphin-3-Glucoronid spreche für eine langsame Anflutung, beispielsweise bei oraler Aufnahme oder intramuskulärer oder subkutan erfolgter Applikation, und gegen eine intravenöse Applikation.
432
Wegen der geringen Konzentration von Morphin im Mageninhalt gehe die Sachverständige jedoch nicht von einer oralen Aufnahme aus. Zudem sei Morphin in einer hohen Konzentration in der am Ablebensort aufgefundenen 20 ml Einmalspritze der Firma B. nachgewiesen worden.
433
Kein Hinweis auf Morphin habe sich in der Gewebeprobe des linken Oberschenkels mit der fraglichen Einstichstelle und der zur Fixierung der Probe verwendeten Formalinlösung ergeben. Grundsätzlich sei Morphin „formalinstabil“, so dass der fehlende Nachweis der Substanz in der asservierten subkutanen Schicht entweder durch eine intramuskuläre Applikation oder durch eine Applikation der Substanz an einer anderen Körperstelle zu erklären sei. Bei der am Ablebensort aufgefundenen 20 ml Einmalspritze sei im Rahmen der molekulargenetischen Untersuchung die Kanüle abgebrochen und deren ursprüngliche Länge nicht notiert worden, so dass keine Aussage über die Kanülenlänge der aufgefundenen Spritze getroffen werden könne. Mit sämtlichen nach Recherchen der Sachverständigen im Handel erhältlichen Einmalkanülen der Firma B. sei jedoch eine intramuskuläre Injektion möglich. Bezüglich der Formalinlösung sei anzumerken, dass diese am Folgetag der Sektion verworfen und durch eine frische Formalinlösung ersetzt werde, sodass die primär verwendete Lösung zur Untersuchung nicht mehr vorgelegen habe.
2. Insulin
434
Hinsichtlich der aufgefundenen Konzentrationen von Humaninsulin und Insulin Aspart in den jeweiligen Proben verweise sie auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. T5.
435
Die Sachverständige erläuterte zunächst allgemein, dass Insulin Aspart im Vergleich zu Humaninsulin einen rascheren Wirkungseintritt (10-20 Minuten nach subkutaner Injektion) und eine kürzere Wirkdauer (3-5 Stunden) habe. Insulin Aspart werde auch in der noch schneller wirkenden Variante (Wirkungseintritt nach 5 Minuten; Resorption nach 3-5 Stunden) unter dem Handelsnamen Fiasp und in einer teilweise retardierten Insulinmischung, üblicherweise mit einem 70-prozentigem verzögert wirkendem Anteil (Resorption nach 15-18 Stunden) z. B. unter dem Handelsnamen NovoMix 30, vertrieben. Humaninsulin sei ebenfalls als Insulinmischung mit unterschiedlich hohem retardiertem Wirkungsanteil erhältlich.
436
Zur Einordnung von Insulinkonzentrationen führte die Sachverständige aus, dass die Messgröße „Internationale Einheiten“, abgekürzt I.E., sich an der pharmakologischen Wirkung orientiere und 100 I.E. einer Stoffmenge von 3,5 mg Insulin entspreche. Ein Diabetiker mit 80 kg Körpergewicht benötige im Durchschnitt 40-80 I.E.. Bei einem Nichtdiabetiker mit 80 kg Körpergewicht sei hergeleitet aus sog. Hypoglycämie-Provokationstests ab einer Menge von 20 I.E. von einer potentiell gefährlichen bis lethalen Dosis auszugehen.
437
Die vorliegend nachgewiesene Plasmakonzentration von 6 ng/mL Insulin Aspart sei mit wahrscheinlichen 25 I.E. bei einer Spannbreite von 17-52 I.E. Insulin Aspart zu erklären. Bei einer zu 70 Prozent retardierten Insulinmischung entspräche die nachgewiesene Konzentration wahrscheinlichen 117 I.E. bei einer Spannbreite von 95-152 I.E.. Der gemessene Insulinwert liege im hohen Bereich einer Größenordnung, wie sie nach einer Nahrungsaufnahme im Blut zu messen sei. Die im Plasma nachgewiesene Konzentration von Humaninsulin mit 2 ng/mL sei mit 15 I.E. normalem Humaninsulin erklärbar und entspreche einer Größenordnung, wie sie im Serum nach Nahrungsaufnahme in der Literatur beschrieben sei.
438
Eine Berechnung, wieviel Insulin mindestens appliziert worden sein muss, um die genannten Konzentrationen von Humaninsulin und Insulin Aspart zum Zeitpunkt der Analyse zu erklären, sei nicht möglich, da Insulin und Insulinanaloga eine ausgeprägte postmortale Instabilität aufwiesen. Nach Literaturangaben sänken Insulinkonzentrationen in postmortalem Blut innerhalb von 24 Stunden auf 20% der ursprünglichen Konzentration. Es könne daher nur die Aussage getroffen werden, dass die Konzentrationen zum Zeitpunkt des Todes deutlich höher gelegen haben müssen.
439
Bei den untersuchten drei Insulinpens, die sich in einer Schmuckschatulle befunden hätten, sei jeweils Humaninsulin und kein Insulin Aspart nachgewiesen worden.
440
Bei den zwei identischen Pens „Insulin Actrapid“ habe es sich um gentechnisch hergestelltes, 100 Prozent gebundenes Humaninsulin gehandelt. Die nachgewiesene Konzentration von 0,3 mg/mL bzw. ca. 0,5 mg/mL liege deutlich unter der deklarierten Konzentration von 100 I.E./mL (3,5 mg Insulin), was mit einem Insulinabbau nach Ablauf des angegebenen Haltbarkeitsdatums 12/2016 zu erklären sei.
441
Bei dem Pen „Insulin Protaphane“ habe es sich um ein sog. Isophan-Insulin und damit um ein mit Protamin „komplexiertes“ Insulin gehandelt, welches zu einem späteren Wirkungseintritt (Wirkmaximum: 4-12 Stunden) und längerer Wirkungsdauer (bis 24 Stunden) führe. Die nachweisbare Konzentration sei mit 0,2 mg/mL ebenfalls deutlich unter der deklarierten Konzentration von 100 I.E. (3,5 mg Insulin) gelegen, was auch mit einem Insulinabbau nach Überschreiten des Haltbarkeitsdatums 3/2016 zu erklären sei.
442
Hinsichtlich der Art der Anwendung teile sie die Ansicht von Prof. T5., dass der fehlende Nachweis von C-Peptid aufgrund des gleichermaßen instabilen Verhaltens von Humaninsulin und C-Peptid ein sehr deutlicher Hinweis auf eine exogene Applikation von Humaninsulin sei. Zumal bei der Applikation von Insulin Aspart der Körper eines Nichtdiabetikers die Ausschüttung von körpereigenem Insulin drossele und daher eigentlich kein Humaninsulin zu erwarten sei.
443
Das Nichtauffinden von Insulin und Insulinanaloga in der in Formalin asservierten fraglichen Einstichstelle am linken Oberschenkel schließe eine subkutane Applikation an dieser Stelle aufgrund einer möglichen Modifizierung des Insulins durch die halbjährige Fixierung mit Formalin nicht aus. Weitere Erklärungen für das Nichtauffinden von Insulin sei eine Applikation in den darunterliegenden Muskel oder in eine andere Körperstelle.
444
Die in den untersuchten Proben aufgefundenen unauffälligen bis eher niedrigen, jedoch nicht auffallend niedrigen Konzentrationen von Glucose und Lactat stünden nicht in Widerspruch zu einer Insulinapplikation. Sie ließen sich vielmehr damit erklären, dass es bei einem stoffwechselgesunden Patienten wie dem Geschädigten nach Applikation von Insulin zur hormonellen Gegenregulation mit Mobilisierungen von Glucose über Adrenalin und Glukagon sowie von Glucosereserven aus der Leber komme (sog. Gluconeogenese). Möglich seien dabei über Stunden protrahierte Verläufe mit einem Wiederanstieg von Glucosepiegeln. Eine todesursächlich relevante Hypoglykämie („Unterzucker“) sei anhand der gemessenen Glucose- und Laktatwerte nicht festzustellen. Insbesondere könne Lactat sowohl durch postmortalen Abbau von Glucose als auch durch agonale Bildung entstehen, was einen Vergleich der postmortalen Werte mit Hypoglykämiewerten bei Lebenden unmöglich mache.
3. Quetiapin
445
Quetiapin sei ein Arzneistoff, der zur Behandlung von Schizophrenie, bipolaren Störungen und schweren Depressionen sowie „off-label“ in niedriger Dosierung auch abends zur Förderung des Einschlafens angewandt werde und deutlich zentral dämpfende Eigenschaften habe. Der Arzneistoff sei z. B. in dem am Ablebensort aufgefundenen Handelspräparat Seroquel (kleine runde rote Tabletten) enthalten.
446
Quetiapin sei im Oberschenkelvenenblut in einer Konzentration von 140 µg/L und in der Leber in einer Konzentration von 1.600 µg/kg sowie im Glaskörper, im Urin, im Mageninhalt und in der Gewebeprobe des linken Oberschenkels nachgewiesen worden. Die im Oberschenkelvenenblut und in der Leber gefundenen Konzentrationen lägen im therapeutischen Bereich. Sie seien mit einer ablebensnahen oralen Aufnahme von 100-125 mg Quetiapin erklärbar. Bei einer Tabletteneinnahme am Abend des 7.8.2018 sei unter Berücksichtigung einer Halbwertszeit von 5-7 Stunden von 200-250 mg Quetiapin auszugehen, was im Bereich der empfohlenen Tagesdosis von 200-300 mg bei einer depressiven Episode liege. Der Nachweis von Quetiapin in der Gewebeprobe des linken Oberschenkels lasse sich mit einer Diffusion der Substanz aus dem Blut erklären.
4. Lormetazepam
447
Lormetazepam sei ein Arzneistoff aus der Gruppe der Benzodiazepine und werde bei Ein- und Durchschlafstörungen angewandt. Der Arzneistoff sei z. B. in dem am Ablebensort aufgefundenen Handelspräparat Noctamid (kleine runde weiße Tabletten) enthalten. In Studien zur Wirkweise werde beschrieben, dass eine Dosis von 2 mg in der Regel nach 2-3 Stunden zum Einschlafen, zu einem 6 bis 7-stündigen Durchschlafen und zu weniger Leichtschlafphasen führe. Eine Dosis von 4 mg und mehr wirke „schlaferzwingend“.
448
Lormetazepam sei im Urin sowie in der Leber und in der Formalinlösung der Gewebeprobe des linken Oberschenkels im Spurenbereich nachgewiesen worden. Im Glaskörper, im Oberschenkelvenenblut und im Mageninhalt sei Lormetazepam nicht gefunden worden. Bezüglich der in der Haarprobe gefundenen Konzentration im Spurenbereich verwies Dr. R7. auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M5.
449
Das Auffinden der Substanz im Urin und in der Leber, nicht aber im Oberschenkelvenenblut spreche für eine einige Zeit zurückliegende letztmalige Aufnahme, möglicherweise bereits am Abend des 6.8.2018. Eine Einnahme von 2 mg Lormetazepam am Abend des 7.8.2018 widerspräche den Befunden nicht, sei aber auch nicht durch sie belegt.
5. Oxycodon
450
Oxycodon, ein starkes Schmerzmittel, welches zusammen mit Naloxon z. B. in dem Handelspräparat Targin enthalten sei, sei im Oberschenkelvenenblut, im Urin, im Mageninhalt und in der Leber nicht nachgewiesen worden. Lediglich im Glaskörper, der aufgrund seiner isolierten Lage eine gewisse „Depotfunktion“ aufweise, hätte sich ein Hinweis auf das Vorliegen von Noroxycodon, einem Stoffwechselprodukt von Oxycodon, gefunden. In Einklang mit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. M5. zu der in der Haarprobe gemessenen Konzentration von Oxycodon sei daher nicht von einer zeitnah zum Ableben erfolgten Aufnahme auszugehen.
451
Die Sachverständige ergänzte, dass sich in keinem der untersuchten Proben Hinweise auf Fluspirilen, den Wirkstoff des Handelspräparats IMAP, einem intramuskulären Antipsychotikum, welches sich der Geschädigte nach den Angaben der Angeklagten gespritzt haben soll, gefunden hätten.
452
Abschließend führten die beiden Sachverständigen Prof. Dr. Z2. und Dr. R7. aus, dass sich aus der Gesamtschau der Ergebnisse der Obduktion und der toxikologischen Untersuchungen der Eintritt des Todes des Geschädigten als Folge einer Applikation von Insulin Aspart und Humaninsulin sowie von Morphin mit additiver Wirkung auf die Schädigung des Gehirns (Glucose-/Energiemangel durch das Insulin und atemdepressive Wirkung des Morphins) erklären lasse.
453
Hinsichtlich der zeitlichen Abläufe seien mehrere Szenarien mit den Untersuchungsbefunden vereinbar:
454
Sowohl Insulin wie auch Morphin könnten in den frühen Morgenstunden aufgenommen worden seien, wobei das Morphin mindestens vier Stunden überlebt worden sein muss.
455
Das Insulin könnte in hoher Dosierung am Vorabend appliziert worden sein. Dabei dürfte bei einer einmaligen bzw. kurz aufeinander folgenden Applikation nicht ausschließlich schnell wirksames Insulin aspart und Humaninsulin verwendet worden sein, da dieses sonst nicht mehr am nächsten Morgen im Blut nachweisbar gewesen wäre. Denkbar sei eine mehrfache Applikation in zeitlichen Abständen oder die Applikation von teilweise retardiertem Insulin. Das Morphin könnte dabei in den frühen Morgenstunden aufgenommen worden sein, mit der oben genannten anschließenden Überlebenszeit von vier Stunden.
456
Schließlich käme eine Applikation von Insulin am Vorabend in Betracht, bei der die verursachte Hypoglykämie ohne zerebrale Schäden vom Körper gegenreguliert werden konnte, und eine weitere Insulingabe zusammen mit dem Morphin in den frühen Morgenstunden.
457
Hinsichtlich der von den Zeuginnen K3. und H4. berichteten Symptome des Geschädigten nach der Insulingabe führte die Sachverständige Prof. Dr. Z2. ergänzend aus, dass eine Hypoglykämie nach exogener Applikation von Insulin bei einem Nichtdiabetiker zunächst Warnsymptome wie Schwitzen, Zittern und starkes Herzklopfen auslöse, da der Körper versuche, auf anderem Wege Glucose zu mobilisieren. In einem nächsten Stadium würden durch die Unterversorgung des Gehirns erste Hirnfunktionsstörungen wie Denkverlangsamung, Verwirrtheit sowie Störungen der Sprache und Motorik entstehen. Anschließend könnten cerebrale Krampfanfälle, Bewusstlosigkeit und auch eine irreversible Schädigung von Hirnnervenzellen eintreten. Bis zum Todeseintritt könne es einige Stunden dauern, auch Überlebensfälle mit Koma seien bekannt. Die Schilderungen der Zeuginnen von schwerem Atmen, einem weißen Körper und dem Unvermögen zu sprechen seien typische Befunde für das „Notfallprogramm“ des Körpers bei einer Hypoglykämie. Das geschilderte Aufbäumen des Oberkörpers könne sie weniger einzuordnen, da der Körper eher erschlaffe. Andererseits könne es sich unter Umständen auch um einen Versuch, aufzustehen, gehandelt haben.
458
Die Schilderung der Angeklagten, sie habe morgens gegen 8/8.30 Uhr ein Atmen ihres Mannes ohne weitere Auffälligkeiten wahrgenommen, sei mit eine Agoniephase nach der Verabreichung von Morphin vereinbar, da ein Bewusstloser normal atme.
459
Zur Bemerkbarkeit von Insulin- und Morphininjektionen berichtete die Sachverständige Prof. Dr. Z2., dass Insulinpens üblicherweise eine kurze, dünne, scharf zugeschnittene Nadel hätten, die - wie sie selbst bei sich ausprobiert habe - nicht unbedingt zu spüren sei. Insbesondere nach der Einnahme von Essen und Alkohol, bei Abendzeit bedingter Müdigkeit sowie nach der Einnahme von Quetiapin und u.U. Lormetazepam halte sie es für sehr plausibel, dass sogar mehrere Insulininjektionen nicht bemerkt werden. Dies hänge aber von der Schlafphase und der vorgenommenen körperlichen Manipulation bei der Applikation ab. Bei der Injektion von Insulin bzw. Morphin mittels der vorgefundenen 20 ml Einwegspritze könne sie mangels Kenntnis von der genauen Kanülenlänge und -dicke keine Angaben zur Bemerkbarkeit machen.
460
Aus (rechts-)medizinischer Sicht würde sie bei vorrätigen Insulin und Morphin nie das Insulin als Suizidmittel wählen, da bei Insulin die Gefahr eines Überlebens im Wachkoma bestünde, während eine Menge von 60 mg Morphin eine sehr einfache und sichere Methode sei, sich umzubringen. Allerdings sei eine intravenöse Applikation einer intramuskulären bzw. subkutanen Injektion vorzuziehen, da der Wirkstoff über die Blutbahnen schneller ins Gehirn gelange.
461
Die Kammer folgt den überzeugenden Ausführungen der forensisch erfahrenen Sachverständigen Dr. S12., Prof. Dr. T5., Prof. Dr. Z2. und Dr. R7., deren nachvollziehbare und widerspruchsfreie Gutachten auf zutreffenden Anknüpfungstatsachen beruhten und keine wesentlichen Aspekte ausließen, nach kritischer Würdigung aufgrund eigener Überzeugungsbildung. Die Expertise der Sachverständigen Dr. S12. und Prof. Dr. T5. auf ihren jeweiligen Fachgebieten Morphium und Insulin ergänzte und stützte überzeugend die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Z2. und Dr. R7. bei der Gesamtwürdigung der toxikologischen und rechtsmedizinischen Befunde.
462
(3) Die Sachverständige S13., Biologin am Institut für Rechtsmedizin der Universität M., erläuterte der Kammer die Ergebnisse der molekulargenetischen Untersuchungen mehrerer Spurenträger.
463
Allgemein zur Methodik führte sie aus, dass bei sämtlichen Spuren eine Typisierung mit sechszehn bzw. siebzehn PCR-Systemen sowie eine Geschlechtsbestimmung durchgeführt worden sei. Für die Häufigkeitsberechnungen seien Frequenztabellen für die europäische Bevölkerung zu Grunde gelegt worden.
464
Bei der übersandten 20 ml Injektionsspritze mit Kanüle und Abdeckung mit der Bezeichnung „Spur Nr. 0.2“ seien jeweils an der Druckstopfenfläche, am Spritzenkörper und an der Kanülenabdeckung Abriebe genommen worden. Die Kanüle sei abgebrochen und komplett der Analyse zugeführt worden.
465
An der Spur 0.2_1 (Druckstopfenfläche) sei eine DNA-Merkmalmischung ermittelt worden, die sich auf mindestens drei Verursacher zurückführen lasse. Als Hauptkomponente würden sich aus dieser Mischung die Merkmale der weiblichen Person, der der Schleimhautabstrich „BY S.1971.Ekatarina,Di.“ entnommen worden sei, und damit der Angeklagten, ohne vernünftige Zweifel ableiten lassen. Nach Häufigkeitsberechnungen zeige eine von über 30 Milliarden verwandter Personen das dargestellte Identifizierungsmuster. Die Angabe eines Identifizierungsmusters für weitere Personen sei aufgrund der Komplexität nicht möglich. Es ergebe sich kein Hinweis auf das Vorhandensein biologischen Materials der am 9.8.2018 obduzierten männlichen Person „2018GS01187“, und damit des Geschädigten. Eine mittelbare Spurensetzung, ohne dass die Angeklagte direkten Kontakt zur Spritze gehabt hätte, halte sie aufgrund der von der Angeklagten an der Spur gefundenen DNA-Menge für sehr unwahrscheinlich, zumal in einem solchen Fall mehr Komponenten einer anderen unmittelbaren Kontaktperson zu erwarten wären.
466
Die Untersuchung der Spuren 0.2_2 (Spritzenkörper) und 0.2_3 (Kanülenabdeckung) habe jeweils DNA-Merkmalmischungen ergeben, die sich auf mindestens zwei bzw. drei Verursacher zurückführen ließen. Als Hauptkomponente dieser Merkmalmischungen würden sich erneut mit der bereits bei der Spur 0.2_1 aufgeführten Biostatistik die Merkmale der Angeklagten ohne vernünftige Zweifel ableiten lassen. Die darüber hinaus in den Mischungen reproduzierbar darstellbaren Merkmale stimmten nur in Teilen mit den DNA-Merkmalen des Geschädigten überein, sodass eine weiterführende Aussage bzw. biostatistische Beurteilung nicht möglich sei. Aufgrund der zu geringen Beimischungen sei die Angabe eines Identifizierungsmusmusters für weitere Personen nicht möglich.
467
Bei der Spur 0.2_4 (Kanüle) stimme das ermittelte DNA-Merkmalmuster vollständig mit den DNA-Merkmalen des Geschädigten überein. Aufgrund der geringen DNA-Menge und der schlechten Reproduzierbarkeit der Befunde sei jedoch eine adäquate biostatistische Beurteilung nicht möglich. Es hätten sich keine konkreten Hinweise auf das Vorhandensein biologischen Materials weiterer Personen ergeben.
468
Von den übersandten drei blauen Insulin-Pens samt dreier verschlossener Injektionsnadeln mit der Bezeichnung „Spur Nr. 7.13.73“ seien sieben Abriebe hergestellt und untersucht worden. Lediglich bei einem Abrieb am Insulinaufsatz (Spur 7.13.73_5) sei eine DNA-Merkmalmischung ermittelt worden, die sich auf mindestens drei Verursacher zurückführen lasse. Ein Abgleich mit den DNA-Merkmalen der Angeklagten und des Geschädigten habe insoweit keine konkreten Übereinstimmungen ergeben. Bei sämtlichen anderen Abrieben sei aufgrund der schlechten DNA-Qualität die Erstellung eines DNA-Identifizierungsmusters nicht möglich gewesen.
469
Auf Nachfrage erklärte die Sachverständige, dass eine DNA-Spurensetzung auch bei Tragen von Einweghandschuhen möglich sei, da sich beispielsweise durch das Anfassen der Handschuhe vor dem Anfassen oder durch Kontakt mit Schweiß oder Tränen DNA-Spuren an der Außenseite der Handschuhe befinden können.
470
Die Sachverständige KHK’in Sch., tätig beim Bayerischen Landeskriminalamt im Sachgebiet Erkennungsdienst, berichtete über die im Auftrag der KPS Mi. durchgeführte daktyloskopische Spurenuntersuchung an dem Asservat 0.2, bei dem es sich um die am Leichenfundort unter dem Bett aufgefundene Injektionsspritze mit 20 ml Volumen handelte.
471
Sie führte aus, dass auf der Spritze keine Spuren festgestellt werden konnten, die für weitere daktyloskopische Untersuchungen geeignet gewesen wären. Das Setzen einer für daktyloskopische Untersuchungen brauchbaren Spur hänge stark von der Beschaffenheit des Spurenträgers, von der Qualität des Spurenlegers und auch von äußeren Umständen wie der Umgebungstemperatur ab. Ein Testversuch des Kollegen KHK Türk mit der asservierten Spritze und zwei weiteren Vergleichsspritzen aus dem Bestand des LKA habe gezeigt, dass die Druckfläche am Kolbenende einer Injektionsspritze zwar ausreichend groß, aber die aufgebrachten erhabenen Stege sehr nachteilig für das Setzen einer auswertbaren Fingerspur seien. Unter I3.ugenscheinnahme der von dem Testversuch angefertigten Lichtbilder erklärte die Sachverständige, dass es ihrem Kollegen, der wegen seiner sich klar darstellenden Papillarlinien als „guter Spurenleger“ gelte, nur an einer der beiden Vergleichsspritzen gelungen sei, eine daktyloskopisch auswertbare Spur zu setzen.
472
Die Kammer ist den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Gutachten der Sachverständigen S13. und Sch., die alle relevanten Tatsachen berücksichtigten, nach kritischer Prüfung aus eigener Überzeugung gefolgt.
473
(4) Der Sachverständige Dr. G6., Chemiedirektor beim Bayerischen Landeskriminalamt, untersuchte die Asche aus dem bei der Durchsuchung der Wohnung Nr. 118 aufgefundenen Medikamenten-Fläschchen mit der handgeschriebenen Aufschrift „H2.“ mit dem Restinhalt der in der Grabstelle H2. S6. am Friedhof T.see am 28.5.2019 sichergestellten Urne.
474
Der visuelle Vergleich beider Aschen habe deutliche Unterschiede gezeigt, was möglicherweise auf die heterogene Zusammensetzung von Krematoriumsasche, in der nicht nur der Leichnam, sondern auch Kleidung, Beigaben und der Sarg enthalten sei, zurückzuführen sei.
475
Zum Nachweis der elementaren Zusammensetzung der Aschen seien diese gemahlen, mit einer Mischung aus konzentrierter Salpetersäule und wässriger Wasserstoffperoxid-Lösung versetzt und unter Druck auf 190° erhitzt worden. Anschließend seien die Mischungen verdünnt, zentrifugiert, getrocknet und mittels induktiv-gekoppelter Plasma-Massenspektrometrie vermessen worden.
476
Die bei beiden Aschen durchwegs guten Übereinstimmungen aller bestimmten Elementgehalte zeigten, dass unter der Prämisse, es handele sich bei der Asche aus der Urne um menschliche Asche, auch die Asche aus dem Medikamenten-Fläschchen vom Menschen stamme. Die menschliche Herkunft beider untersuchter Aschen erscheine auch aufgrund des im Vergleich zu Referenzproben von Holz- und Papierasche hohen Calciumgehalts und aufgrund der im Vergleich zu einer Referenzprobe von Tierknochen hohen Gehalte von Zahnlegierungsmetallen wie Palladium, Silber, Platin und Gold plausibel.
477
Die Kammer schließt sich den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen aus eigener Überzeugung an.
478
(5) Die Sachverständige Dr. D2., Fachärztin für Kinder-, Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie, hat als damalige Mitarbeiterin der M. Universitätsklinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am 4.1.2007 ein psychiatrisches Gutachten über den Geschädigten erstellt.
479
Die Sachverständige führte aus, dass Auftraggeber des Gutachtens der damalige Rechtsanwalt des Geschädigten im Verfahren zur Prüfung von Ansprüchen auf Berufsunfähigkeitsrente bei der Bezirksärztekammer Koblenz gewesen sei.
480
Als Vorbefund habe ihr einen Arztbrief der Psychiatrischen Klinik LMU vom 10.12.2005 vorgelegen, in dem die Diagnosen eines chronischen organischen Psychosyndroms nach Schädel-Hirn-Trauma und einer gemischten Anpassungsstörung, Angst und depressiven Reaktion gestellt worden seien. Bei der damaligen neuropsychologischen Testung seien deutliche Defizite in den Bereichen kognitive Flexibilität, Handlungsplanung, Verhaltensinhibition und Aufmerksamkeitsteilung festgestellt worden.
481
Bei ihrer eigenen ambulanten Untersuchung am 4.12.2006 habe Herr S6. von erheblichen Einschränkungen seiner Konzentrations- und Belastungsfähigkeit berichtet. Er habe neben beruflichen Beeinträchtigungen auch eine gewisse Überforderung im Alltag mit seiner damaligen Lebenspartnerin und den drei kleinen Kindern geschildert. Als Beschwerden habe er unter anderem eine Affektinkontinenz - so seine Eigenbezeichnung - angeführt, die sich in Gereiztheit und zum Teil verbal aggressivem Verhalten gegenüber Mitmenschen gezeigt hätte. Als damalige Medikation habe er Trevilor für seine Antriebsstörung und Voltaren gegen seine Knieschmerzen angegeben. Hinweise auf die Einnahme von Opiaten wie beispielsweise Morphin habe es nicht gegeben. Zum Untersuchungszeitpunkt habe sich Herr S6. von Suizidalität klar distanziert. Er habe aber von früheren Suizidgedanken und den sich daraufhin unterzogenen stationären bzw. ambulanten psychiatrischen Behandlungen berichtet.
482
Dr. D2. gab an, in ihrem damaligen Gutachten diagnostisch ebenfalls von einem organischen Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma mit der Folge einer Berufsunfähigkeit in Bezug auf eine eigenständige ärztliche Tätigkeit und einer erheblichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit bei einer abhängigen ärztlichen Tätigkeit ausgegangen zu sein.
483
Ihrer Einschätzung nach sei Herr S6. trotz seiner Erkrankung im Alltagsleben allenfalls bei komplexeren Situationen eingeschränkt gewesen. Hinsichtlich seiner psychiatrischen Probleme habe sie ihn als eine bilanzierende Person, die sich „durchbeiße“ und im Bedarfsfall fachliche Hilfe hole, erlebt. Anhaltspunkte für Aggravation habe sie nicht gehabt.
484
Die Ausführungen der Sachverständigen beruhten auf zutreffenden Anknüpfungstatsachen und waren nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Ihre sich auf das Jahr 2007 beziehende fachliche Einschätzung zu den psychischen Problemen des Geschädigten infolge des 1976 erlittenen Verkehrsunfalls und zu seiner Sorgsamkeit um seine psychische Gesundheit finden Bestätigung in den Aussagen der der familiären Umfeldzeugen und decken sich mit dem späteren Eindruck seines langjährigen Hausarztes Dr. K1. Die Kammer ist ihr daher aufgrund eigener Überzeugungsbildung gefolgt.
3. Beweiswürdigung der Kammer
485
a. Täterschaft der Angeklagten - kein Suizid, keine Tatausführung durch Dritte Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist die Kammer zu der sicheren Überzeugung gelangt, dass der Geschädigte in der Nacht vom 7.8. auf den 8.8.2018 keinen Suizid begangen hat, sondern von der Angeklagten getötet wurde.
486
Gegen die Annahme eines Suizids sprachen insbesondere folgende Gesichtspunkte:
487
Die rechtsmedizinischen und toxikologischen Befunde belegen eine intramuskuläre oder subkutane Applikation verschiedener Insuline und des Morphiums. Anhand der nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Z2. und Dr. R7. zur Wirkweise von Insulin und Morphium ist die Kammer davon überzeugt, dass ein Arzt (der Geschädigte war Facharzt für Augenheilkunde) die sofortige intravenöse Injektion von 60 mg Morphiumwirkstoff einer intramuskulären bzw. subkutanen Applikation als einfachere und schneller wirkende Methode vorgezogen und sich überdies nicht der durch die Insulininjektion gegebenen Gefahr des Fehlschlagens und Überlebens im Wachkoma ausgesetzt hätte.
488
Am Leichenfundort wurde lediglich eine Einwegspritze mit Morphiumrückständen, nicht aber die zu dem Morphium gehörenden Ampullen und Insulinpens gefunden. Es ist nicht ersichtlich, warum ein Suizident diese hätte verschwinden lassen sollen. Dagegen spricht, dass der Geschädigte nach der Injektion von Insulin (hypoglykämischer Schock) und Morphium, (Agoniephase) physisch zur Überzeugung der Kammer nicht in der Lage gewesen wäre, diese Gegenstände (letztlich Tatmittel) noch aus der Ablebenswohnung zu verbringen.
489
Zur Überzeugung der Kammer hätte der Geschädigte, dessen depressive Episode sich ab Mitte Juli 2018 verstärkt hatte (vgl. diesbezüglich die näheren Ausführungen unter lit. d.) bei Auftreten konkreter Suizidgedanken stattdessen von der am 20.7.2018 von Dr. N1. ausgestellten Notfalleinweisung für die psychiatrische Abteilung des Krankenhauses Agatharied Gebrauch gemacht, wie er sich bei physischen und psychischen Problemen in der Vergangenheit stets in fachärztliche Behandlung begeben hatte (festgestellt anhand der übereinstimmenden Angaben des Zeugen Dr. K1., der Zeugin C1. S4. und der Sachverständigen Dr. D2., vgl. diesbezüglich die näheren Ausführungen unter lit. d.).
490
Das Verhalten des Geschädigten in den letzten Wochen, insbesondere in den letzten beiden Tagen vor der Tat spricht gegen konkrete Suizidgedanken in den letzten Tagen vor dem Tod. So verneinte der Geschädigte S1uizidgedanken gegenüber Dr. N1. am 20.7.2018, plante und buchte zusammen mit seiner Schwester H8. Sch. Mitte Juli 2018 eine gemeinsame Reise für das darauffolgende Jahr, unternahm vom 5.- 8.8.2018 Ausflüge mit seinem Sohn J2. S4., bat diesen um die Rückgabe seines Fahrrads am folgenden Wochenende, plante mit ihm ein Treffen am Gardasee zwei Wochen später und berichtete seinem Freund H8. W2. in einer Whatsapp am 6.8.2018 über einen Servicetermin für sein Motorrad zehn Tage später. Lediglich die Angeklagte behauptete bei ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung vom 12.9.2018 ein merkwürdiges Verhalten des Geschädigten am 1.8.2018, welches möglicherweise zu den Nebenwirkungen des Schmerzmittels Oxycodon, das in der Haarprobe des Geschädigten für diesen Zeitraum in einer hohen Konzentration gefunden worden war, passen könnte. Die von ihr geltend gemachte Symptomatik ist jedoch nicht durch andere Beweismittel bestätigt worden. Zur Überzeugung der Kammer kann jedenfalls kein gescheiterter Suizidversuch des Geschädigten mit Oxycodon angenommen werden, da die o. g. Beweisanzeichen dagegen sprechen. Es kann insoweit offen bleiben, ob es sich um eine freiwillige Einnahme von Qxycodon als Schmerzmittel durch den Geschädigten handelte oder bereits um einen ersten, gescheiterten Tötungsversuch der Angeklagten .
491
Eine Tötung des Geschädigten durch eine dritte Person hat die Kammer ausgeschlossen. Hierfür ergab die Beweisaufnahme keinerlei Anhaltspunkte, insbesondere kein Motiv und auch keine Möglichkeit für einen Dritten, sich unbemerkt Zutritt zu der Wohnung zu verschaffen.
492
Die Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten gewann die Kammer insbesondere aufgrund folgender Gesichtspunkte:
493
Die Einlassungen der Angeklagten waren, wie im Folgenden beispielhaft dargelegt, im Verfahren nicht konstant, in sich widersprüchlich und wurden in zentralen Punkten durch die Beweisaufnahme widerlegt.
494
Während die Angeklagte bei den ersten beiden Zeugenvernehmungen als mögliches Suizidmittel lediglich eine fehlende Packung Seroquel erwähnte, erzählte sie gegenüber dem Sachverständigen Dr. L2. erstmals, dass sich die Gedanken ihres Ehemanns bereits 2014 um einen Suizid mit Morphium gedreht hätten. Ab 2016/2017 hätten sie von einem gemeinsamen Suizid gesprochen und der Geschädigte habe sich als geplantes Suizidmittel Insulinpens besorgt, welches sie versteckt hätte, „da sie noch habe warten wollen“. Zudem mutmaßte die Angeklagte, dass ihr Ehemann sich bei einer Kur in Bulgarien auch Morphium besorgt haben könnte.
495
In der Hauptverhandlung behauptete die Angeklagte erstmals, dass der Geschädigte die Morphiumampullen bei einem Kuraufenthalt in Pavel Banja 2016 von einem irakischen Gast erhalten und sie diese zuhause in eine Schublade gelegt hatte. Sie gab nun erstmalig an, dass der Geschädigte sowohl zu Morphium wie auch zu Insulin als Suizidmethode tendiert und jeweils die erforderlichen Mengen - an die sich die Angeklagte nun konkret zu erinnern behauptete - berechnet hätte. Wegen einer 2012 erfolgten polizeilichen Wohnungsdurchsuchung im Rahmen eines (anderen) Ermittlungsverfahrens habe sie die Aufkleber von den Morphiumampullen entfernt. Diese habe sie in einen Kalender geklebt, damit man die Dosierung noch wisse.
496
Abgesehen von der unglaubhaften plötzlichen Rückkehr der Erinnerungen (Erwähnung von Insulin als Suizidmittel erst nach dem toxikologischen Nachweis) und deren abenteuerlichen Inhalt (unbekannter irakischer Kurgast, Entfernen von Etikettenaufklebern wegen einer polizeilichen Wohnungsdurchsuchung in einem lange zurückliegenden und mit vorliegender Sache nicht zusammenhängenden, anderen Verfahren) wurden die Angaben der Angeklagten in der Hauptverhandlung in zentralen Punkten durch objektive Beweisergebnisse widerlegt. So kann sich der Geschädigte die Morphiumampullen, zu denen die gefundenen Etikettenaufkleber gehörten, nicht 2016 in Pavel Banja besorgt haben, da die auf den Aufklebern angegebene Charge, wie von der Zeugin KHK’in Ut. glaubhaft berichtet, erst ab 11.1.2017 von der Firma ... in Bulgarien ausgeliefert wurde.
497
Bei ihrer Zeugenvernehmung am 12.9.2018 gab die Angeklagte zudem an, am Morgen des Auffindens ihres toten Ehemanns gegen 11 Uhr eine leere 10ml-Spritze vor dem Bett gesehen, diese jedoch nicht angefasst zu haben. In der Hauptverhandlung erwähnte sie die Spritze erst auf Nachfrage und erinnerte sich, diese zusammen mit Dr. N1.gesehen und den Polizeibeamten gezeigt zu haben. Sie habe keine Erinnerung daran, die Spritze berührt zu haben.
498
Auch diese, inkonstanten bzw. untereinander abweichenden Angaben der Angeklagten wurden durch die Beweisaufnahme widerlegt. Wie von der Sachverständigen S13. überzeugend ausgeführt, ist aufgrund des an der Spritze gefundenen DNA-Musters der Angeklagten von deren direkten Kontakt mit der Spritze auszugehen. Nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen PHK’in F1., PHK H6. und Dr. N1. hatte die Angeklagte keinen von ihnen auf die Spritze hingewiesen. Auch hatte sie die Spritze nach Aussage des Dr. N1. nicht mit ihm zusammen gesehen. Schließlich lag die Spritze nach den übereinstimmenden Angaben der Polizeibeamten, wie auch auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern festgehalten, nicht vor dem Bett, sondern mittig, auf den ersten Blick nicht sichtbar unter der rechten Betthälfte.
499
Weitere inhaltliche Abweichungen bzw. Widersprüche in den Einlassungen der Angeklagten ergaben sich auch bezüglich einzelner Abläufe am Abend des 7.8.2018. Während sie in der Zeugenvernehmung am 8.8.2018 angab, der Geschädigte habe seit dem 20.7.2018 nicht mehr von Suizid gesprochen, schilderte sie in ihren folgenden Einlassungen, dass er am 7.8.2018 beim Alkoholtrinken nach dem Abendessen konkrete Suizidabsichten geäußert hätte („er wolle nicht mehr leben“, „er wolle zu seinem Bruder“). Auch führte sie am 8.8.2018 aus, dass sie nach dem Geschlechtsverkehr aufgestanden sei, um nach Herrn R2. zu sehen, dieser aber schon geschlafen hätte und sie daher wieder hoch zu ihrem Ehemann gegangen sei. In ihrer Zeugenvernehmung vom 12.9.2018 berichtete sie, nach dem Geschlechtsverkehr erst in die Wohnung Nr. 118 gegangen zu sein, um eine Schlaftablette zu nehmen und zu rauchen, und anschließend etwa eine halbe Stunde bei Herrn R2. gewesen sei. Letzteres ergibt jedoch keinen Sinn, wenn Herr R2. - gemäß ihrer ersten Einlassung - geschlafen hätte.
500
Schließlich konnte die Angeklagte in ihrer Einlassung auch nicht nachvollziehbar erklären, wie sie nach der - laut ihren Angaben - gerade erfolgten Feststellung, dass ihr Ehemann tot ist, in der Lage war, um 11.16 Uhr ein knapp zwei minütiges geschäftliches Telefonat mit der Buchhalterin der Firma ... M1 zu führen, ohne sich irgendetwas anmerken zu lassen (vgl. diesbezüglich die Aussage der Zeugin T2.) und nur 26 Sekunden später die Praxis Dr. N1. anzurufen, um eine Leichenschau zu veranlassen. Bei ihrer Einlassung erwähnte die Angeklagte das Telefonat nicht und gab auf Nachfrage an, unter Schock gestanden und sich nicht mehr daran erinnern zu können. Die Kammer erachtet es für ausgeschlossen, dass die Angeklagte, die in der Hauptverhandlung zu starken emotionalen Gefühlsausbrüchen neigte, nach der Feststellung, dass ihr Ehemann gestorben ist, zu einem geschäftlichen Telefonat ohne emotionale Regungen in der Lage gewesen wäre, wenn sie tatsächlich erst kurz zuvor überraschend ihren Ehemann tot aufgefunden hätte. Ein Entdecken der Leiche nach dem Telefonat in der Wohnung Nr. 309 und die anschließende Rückkehr in die Wohnung Nr. 118 für den Anruf bei Dr. N1. ist zeitlich in 26 Sekunden nicht möglich. Plausibel und nachvollziehbar ist hingegen das festgestellte Verhalten der Angeklagten bei dem o. g. Telefonat, wenn man - wie die Kammer - zugrunde legt, dass die Angeklagte entgegen ihrer Einlassung seit ca. 9 Uhr / 9.30 Uhr bereits von dem Tod des Geschädigten wusste.
501
In der Gesamtschau hielt daher die Kammer die Einlassungen der Angeklagten für widerlegt und folgte ihnen nur insoweit, als ihre Angaben mit den sonstigen Beweisergebnissen überstimmten.
502
Die Angaben der Zeuginnen H4. und K3., denen die Angeklagte in der Untersuchungshaft die Tatbegehung gestand, sind zur Überzeugung der Kammer glaubhaft, da sie, wie im Folgenden dargelegt, in zentralen Bereichen eindeutiges Täterwissen beinhalteten und eine Vielzahl ihrer Angaben durch die teils erst nachträglich erfolgten weiteren Ermittlungen objektiv belegt wurden.
503
Die Zeuginnen berichteten im Mai 2019 den Vernehmungsbeamten von Insulin und Morphium als sukzessive Tatmittel der Angeklagten. Zu diesem Zeitpunkt war, wie von der Zeugin KHK’in Ut. glaubhaft geschildert, die Beibringung von Insulin nicht bekannt. Erst durch die anschließend in Auftrag gegebene rechtsmedizinische Untersuchung der asservierten Proben des Verstorbenen konnte im Oberschenkelvenenblut und im Glaskörper Insulin, insbesondere auch das vom Körper nicht selbst herzustellende Insulin Aspart, gefunden werden.
504
Die von beiden Zeuginnen erwähnten Morphiumaufkleber in einem Kalender wurden erst bei der erneuten gezielten Durchsicht der zuvor im Rahmen der Wohnungsdurchsuchungen sichergestellten Unterlagen gefunden. Die Zeuginnen berichteten, dass sich die Angeklagte laut ihrer eigenen Erzählung das Morphium aus Bulgarien besorgt hätte. Bei den aufgefundenen Medikamentenetiketten handelte es sich um ein Morphiumpräparat des bulgarischen Herstellers ..., von dem die Angeklagte, wie vom Zeugen KHK Nüßlein glaubhaft berichtet (und durch entsprechende Sicherstellungsverzeichnisse dokumentiert), zudem eine Vielzahl an weiteren Medikamenten besaß, weswegen die Kammer davon ausgeht, dass sie insoweit über eine Bezugsquelle in Bulgarien verfügte.
505
Die Zeuginnen wussten Details zum Ablauf des 7.8./8.8.2018, die nur aus Schilderungen der Angeklagten stammen konnten, da sie nicht in dem Haftbefehl der Angeklagten oder ihr bis dahin zugänglichen Aktenbestandteilen genannt waren (Essen am Vorabend zu dritt mit R1. R2. mit Alkoholkonsum, anschließender Geschlechtsverkehr mit dem Geschädigten, nackter Leichnam, Fahrt der Angeklagten mit Tochter L1. zur Post am nächsten Morgen). Ihre Detailschilderungen zum Verhalten des Geschädigten nach der Insulingabe (nach Luft ziehen, Unvermögen zu sprechen, weiß im Gesicht) wurden von der Sachverständigen Prof. Dr. Z2. als typische Symptome bei einer Hypoglykämie bestätigt. Das von der Zeugin H4. berichtete Detail, dass laut der Angeklagten der Geschädigte am Abend vor der Tat nicht mehr auf den Farbunterschied der ihm von der Angeklagten gereichten Tablette geachtet habe, erscheint insoweit glaubhaft, als die Sachverständige Dr. R7. im Rahmen ihrer späteren Gutachtenserstattung den Farbunterschied der Tabletten bestätigte (Seroquel: klein, rund, rot; Noctamid: klein, rund, weiß). Das von den Zeuginnen geschilderte Detail, dass die Angeklagte die Tatmittel mit Ausnahme der Spritze bei einem Supermarkt der Marke Lidl entsorgt hätte, passt zu der von der Angeklagten am Tatmorgen gefahrenen Route von T.see nach R.-E., die, wie von der Zeugin KHK’in Ut. bestätigt, direkt an einem Lidl-Supermarkt vorbeiführt. Auch die Detailschilderung der Zeugin K3., dass die Angeklagte die Spritze mit blauen Einweghandschuhen angefasst habe, erscheint insoweit glaubhaft, als auf den vom Zeugen PHK H6. gefertigten Lichtbildern von der Tatwohnung in einem Regal in der Abstellkammer unter anderem eine Großpackung mit blauen Einweghandschuhen zu erkennen war.
506
Die von den Zeuginnen berichtete Öffnung des Urnengrabs und Entnahme der Asche aus der Urne sowie die Abfüllung eines Teils in ein Glasgefäß mit der Aufschrift „H2.“ war, wie von den Zeugen KHK Nüßlein und KHK’in Ut. ausgeführt, bis dahin unbekannt und konnte durch die entsprechenden nachträglichen Ermittlungen verifiziert werden. Das von den Zeuginnen geschilderte Füllen der Asche in ein Kissen wurde bestätigt durch die Aussagen der Zeuginnen L3. H3. und E1. H3..
507
Die von den beiden Zeuginnen geschilderte und den Ermittlern bis dahin unbekannte Umgehung der Briefkontrolle durch die Angeklagte mittels ihres damaligen Verteidigers (RA W1.) erwies sich, wie von der Zeugin KHK’in Ut. berichtet, durch die Folgeermittlungen (Durchsuchung der Kanzlei, Sicherstellung der Handakte mit einer Vielzahl an Briefen der Angeklagten) als zutreffend.
508
Schließlich deckten sich auch eine Vielzahl der Angaben der Zeuginnen zu den sonstigen Lebensumständen und Geschehnissen der Angeklagten mit den Ermittlungsergebnissen hierzu (sexuelles Verhältnis zu Notar Dr. R4.; Pflege und Höhe des monatlichen Pflegegeldes von R1. R2.; Schwierigkeiten, von R1. R2. als Erbe eingesetzt zu werden, da dieser durch ein Berliner Testament mit seiner Ehefrau gebunden ist; Vortäuschen der Pflegebedürftigkeit des Geschädigten gegenüber dem MDK-Gutachter G4.). Die Tatsache, dass die von den Zeuginnen geschilderte Bargeldmenge in einer Garage von den Ermittlern nicht gefunden wurde, ist nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der sonstigen Angaben zu erschüttern, da die betreffende Garage nicht eindeutig identifiziert und der Zutritt anderer Personen zu der Garage vor der Durchsuchung nicht auszuschließen war (s. Zeugenaussage KHK’in Ut.).
509
Der in zwei Patientenverfügungen der Angeklagten vom 17.3.2015 und 26.7.2018 (eingeführt durch Urkundenbeweis) geäußerte Wunsch, eine erhöhte Dosis Morphium erhalten zu wollen, um schnell zu sterben, belegt zudem, dass die Angeklagte sich mehrfach, auch tatzeitnah, gedanklich mit dem Tatmittel und dessen Eignung zum Herbeiführen des Todes beschäftigte.
510
In der Zusammenschau aller vorgenannten Umstände besteht zur Überzeugung der Kammer kein Zweifel daran, dass die Angeklagte den Geschädigten getötet hat.
b. Unmittelbares Tatgeschehen
511
Der festgestellte Tathergang beruht im Wesentlichen auf den übereinstimmenden Angaben der Zeuginnen H4. und K3., denen die Kammer aus den bereits unter lit.a genannten Umständen gefolgt ist. Folgende ergänzende Ausführungen sind veranlasst:
512
Die Feststellung, dass der Geschädigte nach dem Genuss von Alkohol sich in einem angetrunkenen Zustand befand, folgt aus dem Gutachten der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Z2.
513
Der anschließend vorgenommene „Ortswechsel“ von der Ehewohnung Nr. 118 in die Wohnung Nr. 309 ist objektiv nicht nachvollziehbar und lässt sich am ehesten dadurch erklären, dass die Angeklagte die Tat nicht in „ihrer“ Wohnung begehen wollte. Insbesondere erscheint die von der Angeklagten in der Hauptverhandlung abgebebene Erklärung, H2. habe sich wegen einer im Jahr 2012 erfolgten Durchsuchung der Wohnung Nr. 118 dort von Kameras beobachtet und von Wanzen abgehört gefühlt und daher die Wohnung für den geplanten Geschlechtsverkehr wechseln wollen, abenteuerlich und unglaubhaft. Keiner der vernommenen Zeugen aus dem persönlichen Umfeld des Geschädigten hat bei diesem Verfolgungsideen wahrgenommen.
514
Das von den Zeuginnen H4. und K3. geschilderte Vertauschen der Tablette(n) (Noctamid statt Seroquel) ist mit den toxikologischen Untersuchungsbefunden (Nachweis des Wirkstoffs Lormetazepam im Urin und in der Leber, nicht aber im Oberschenkelvenenblut) vereinbar (vgl. diesbezüglich die Ausführungen der Sachverständigen Dr. R7.).
515
Vor dem Hintergrund des bereits zuvor gefassten Plans der Angeklagten, den Geschädigten in der Nacht vom 7.8. auf den 8.8.2018 zu töten, war der Ablauf des Abends (gemeinsames Essen und Alkoholtrinken, Geschlechtsverkehr, Vertauschen der Tabletten) zur Überzeugung der Kammer keine zufällige Geschehensabfolge, sondern wurde von der Angeklagten gezielt herbeigeführt, um den Geschädigten in Sicherheit zu wiegen und ein festes Einschlafen herbeizuführen.
516
Die Feststellungen zur Verabreichung des Insulins beruhen hauptsächlich auf den toxikologischen und rechtsmedizinischen Untersuchungsergebnissen (vgl. diesbezüglich die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Z2., Prof. Dr. T5. und Dr. R7.), die die Angaben der Zeuginnen H4. und K3. in Details ergänzen bzw. bestätigen. So ergaben sich aus den Angaben der Sachverständigen Prof. Dr. T5. und Dr. R7. insbesondere die Feststellungen zur Art und Wirkweise des Insulins (exogene Applikation von Humaninsulin und von zumindest teilweise retardiertem Insulin Aspart). Toxikologisch nicht bestätigt werden konnte lediglich die von der Zeugin H4. genannte Mengenangabe von 20 Einheiten Insulin. Aufgrund der ausgeprägten postmortalen Instabilität von Insulin und Insulinanaloga waren nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. R7. genaue Feststellungen zu den applizierten Insulinmengen nicht möglich. Die Kammer hält es für wahrscheinlich, dass es sich dabei um eine von der Angeklagten genannte (erste) Teilmenge gehandelt hat. Auffälligerweise entspricht die Angabe von 20 I.E., wie von der Sachverständigen Dr. R7. ausgeführt, der für einen Nichtdiabetiker mit 80 kg Körpergewicht potentiell gefährlichen bis lethalen Dosis.
517
Die Tatsache, dass der Geschädigte kein Diabetiker war, ergab sich insbesondere aus den Angaben seines langjährigen Hausarztes Dr. K1., bestätigt durch die Aussagen sämtlicher Umfeldzeugen des Geschädigten.
518
Der Wechsel zum Tatmittel Morphium, wie von den Zeuginnen H4. und K3. geschildert, wird ebenfalls belegt durch die toxikologischen und rechtsmedizinischen Untersuchungsergebnisse. Wie von der Sachverständigen Dr. R7. ausgeführt, erschloss sich die intramuskuläre bzw. subkutane Applikation aus dem vorgefundenen Metabolitenmuster Morphin - Morphinglucoronide. Die Feststellungen zur applizierten Morphiummenge beruhen auf der sich aus den drei Etikettenaufklebern ergebenden Gesamtwirkstoffmenge von 60 mg Morphin, die mit den von der Sachverständigen Dr. R7. vorgenommenen Berechnungen vereinbar war. Die Verwendung der unter dem Bett aufgefundenen Einmalspritze zur Injektion des Morphiums durch die Angeklagte folgt aus den an der Spritze gefundenen DNA-Spuren (insbesondere derjenigen der Angeklagten am Druckstopfen) sowie den in der Spritze festgestellten Morphiumrückständen. Nach den übereistimmenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. S12., Prof. Dr. Z2., Dr. R7. und Prof. Dr. M5. war zudem von einer 4-6 stündigen Agoniephase nach Verabreichung des Morphiums bis zum Todeseintritt auszugehen. Der Tod des Geschädigten war zur Überzeugung der Kammer, übereinstimmend mit den Aussagen der Zeuginnen H4. und K3., zwischen 9 Uhr und 9.30 Uhr eingetreten, und damit kurz bevor die Angeklagte zu ihrem geplanten Treffen mit ihrer Tochter aufbrach. Verlässliche rechtsmedizinische Rückschlüsse auf den Todeszeitpunkt waren nach den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Z2. aufgrund unsicherer bzw. diskrepanter Angaben zu Totenflecken, Totenstarre, Raum- und Körpertemperatur sowie Essensmengen am Vorabend nicht möglich. Unter Berücksichtigung der oben genannten mehrstündigen Agoniephase war damit von einer Injektion des Morphiums zwischen 4 und 5 Uhr morgens auszugehen. Bei der insoweit leicht abweichenden Angabe der Zeuginnen H4. und K3. von 6 Uhr morgens als Injektionszeitpunkt handelt es sich entweder um eine ungefähre Erzählung der Angeklagten gegenüber den Zeuginnen oder um eine nicht ganz korrekte Erinnerung der damals unter hohem Stress stehenden Angeklagten.
c. Vorgeschichte
519
Die Feststellungen der Kammer zur Vorgeschichte beruhen auf einem Gesamtbild, dass sich insbesondere aus den Aussagen verschiedener Umfeldzeugen, den Auswertungen des Chat-Verkehrs auf dem Mobiltelefon der Angeklagten sowie aus den Finanzermittlungen ergab.
520
Hinsichtlich der zunehmenden Unzufriedenheit in der Beziehung folgte die Kammer den glaubhaften Angaben des Zeugen Dr. K1., der den Geschädigten und die Angeklagte über einen langen Zeitraum als Hausarzt behandelte und aus dem Vertrauensverhältnis zu beiden einen Eindruck von der Beziehung und deren Problemen gewann. Die von Dr. K1. geschilderten Probleme des Geschädigten mit der Pflege und Fürsorge der Angeklagten für R1. R2. („fühlte sich wie das fünfte Rad am Wagen“) fanden zudem Bestätigung in den Aussagen der Zeugen M4. („mochte R1. nicht“), B5. („immer nur R2., R2., R2.,…“), Ju. („spannungsgeladenes Verhältnis zwischen R1. R2. und dem Geschädigten“) und G1. („Geschädigter sei von I3.s Pflege und „Tütelei“ von R1. genervt gewesen“). Das damals verstärkte Verlangen der Angeklagten nach mehr Freiraum schilderten neben Dr. K1. auch die Zeugin B5. („sie brauche Freiraum, könne nicht mehr richtig atmen“), der die Angeklagte bereits im Herbst 2017 von ihrem Plan, eine ihrer Wohnungen für den Geschädigten herzurichten, berichtete, und passt zu den Äußerungen der Angeklagten gegenüber ihren Freundinnen L3. H3. (Nachricht der Angeklagten über Viber an L3. H3. vom 20.11.2017, 6.05 Uhr: „..Dieser H2. entzieht mir so viel Energie…redet das Gleiche, und lenkt mich dabei von meinem Weg ab, ich kann es nicht aushalten, …“) und M4. („fühlte sich nach dem Tod freier“).
521
Die in den persönlichen Verhältnissen unter Ziff. lI. (Beziehung zum Geschädigten) näher dargestellte Entwicklung des Vermögens des Geschädigten während seiner Beziehung zur Angeklagten beruht insbesondere auf den von dem Zeugen T3. referierten Finanzermittlungen, den als Urkunden eingeführten Ehe- und Erbvertrag und Kundenfinanzstatus, den Angaben der Zeugin C1. S4. zu Erwerb und Verkauf des gemeinsamen Grundstücks in Mu. und den Ausführungen der Zeugin L3. H3. zu den bulgarischen Immobiliengeschäften der Angeklagten und des Geschädigten. Die Übervorteilung des Geschädigten wird dabei beispielhaft belegt durch den Nachrichtenverkehr zwischen der Angeklagten und der Zeugin L3. H3. hinsichtlich des Verkaufs der im Miteigentum der Eheleute stehenden Eigentumswohnung Nr. 24 in der J1.-Str. 2 in Pl. im Januar 2018 an die Zeugin L3. H3. und dem mit dem Verkaufserlöls erfolgten Kauf einer Eigentumswohnung durch die Angeklagte in der S3. Str. 4 zu Alleineigentum (Nachricht von L3. H3. über Viber an die Angeklagte vom 13.11.2017, 15.14 Uhr: „..Dann würde ich von dir die 16 in Yanko Sakazov nicht kaufen, sondern nur die 24, damit du H2. lost bist.“). Der festgestellte Gesamtbetrag von circa 300.000 €, den der Geschädigte während der Beziehung der Angeklagten zugewendet hat, beruht auf im Rahmen der Telefonüberwachung mitgeschnittenen übereinstimmenden Äußerungen der Angeklagten gegenüber ihrer Freundin M4. und ihrem Bekannten und Liebhaber B4., die beide Zeugen auf entsprechende Vorhalte bestätigten. Auch wenn die Angeklagte - wie sie sich eingelassen hat - das Geld des Geschädigten nicht gebraucht haben mag, da sie selbst finanziell „sehr gut dagestanden sei“, so war anhand der objektiven Beweisergebnisse festzustellen, dass es im Laufe der Beziehung zu einem erheblichen, einseitigen Vermögenstransfer vom Geschädigten zur Angeklagten kam.
522
Die Feststellungen zum Streit zwischen dem Geschädigten und der Angeklagten am 31.12.2017 sowie zu dessen Hintergründen beruht insbesondere auf den Angaben der Zeugen J2. S4. und B5., die inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmend die Vorwürfe des Geschädigten an die Angeklagte, insbesondere auch zu ihrer Geldgier und seinen Ansprüchen an der Ehewohnung Nr. 118, schilderten.
d. Tatplan, Tatmotivation und Vorbereitungshandlungen
523
Die Kammer folgt den Angaben der Zeuginnen H4. und K3. auch soweit diese von einem länger bestehenden Tötungsplan der Angeklagten berichteten.
524
Eine längerfristige Tatplanung ergab sich zur Überzeugung der Kammer bereits aus der Notwendigkeit der vorherigen Tatmittelbeschaffung, da nach den Aussagen der vernommenen Ärzte und sonstiger Umfeldzeugen weder die Angeklagte noch der Geschädigte mit Morphium oder Insulin in den letzten Jahren vor der Tat behandelt worden waren.
525
Die von den Zeuginnen H4. und K3. geschilderte und durch das Auffinden der bulgarischen Etiketten in einem Kalender der Angeklagten hinsichtlich des Morphiums auch objektiv belegte Beschaffung der Tatmittel in Bulgarien (vgl. diesbezüglich auch die Ausführungen unter lit. a) erfolgte zur Überzeugung der Kammer anlässlich der Reise der Angeklagten zusammen mit dem Geschädigten nach Pl. im Januar 2018. Hierfür sprach, dass es sich, wie es der Aussage der Zeugin L3. H3. zu entnehmen war, um den letzten Besuch der Angeklagten in Bulgarien vor der Tat handelte, und zu diesem Zeitpunkt die auf den gefundenen Morphiumetiketten angegebene Charge bereits an die bulgarischen Kunden ausgeliefert worden war (vgl. diesbezüglich die Ausführungen der Zeugin KHK’in Ut.). Wie sich aus den übereinstimmenden Aussagen der bulgarischen Zeugen L3. H3. und Re. ergab, ist ein Beschaffen von Morphium ohne Rezept in Bulgarien zwar nicht auf legalem Weg, jedoch durch entsprechenden Kontakt zu dortigem medizinischen Personal, den die Angeklagte beispielsweise mit ihrer ehemaligen Krankenschwesterkollegin E1. H3. pflegte, und/oder durch die Zahlung entsprechender Geldbeträge auf dem Schwarzmarkt möglich. Gegenüber dem Zeugen B4. hatte die Angeklagte sich zudem ausdrücklich gebrüstet, in Bulgarien überall Beziehungen zu haben und alles ohne Rezept holen zu können.
526
Zur Überzeugung der Kammer lag dem Plan der Angeklagten, ihren Ehemann zu töten, als eines von zwei Hauptmotiven zugrunde, dass sie sich, nachdem der Geschädigte über kein nennenswertes Vermögen mehr verfügte (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter lit. c), intensiv R1. R2. zuwenden und dessen nicht unerhebliches Vermögen an sich bringen wollte, wobei der Geschädigte diesem Vorhaben jedoch „im Weg stand“. Ihre Absichten hinsichtlich des Vermögens von R1. R2. werden insbesondere durch das von ihr gezeigte Nachtatverhalten gegenüber R1. R2. und seiner Familie offenbart, welches bereits einen Tag nach der Einäscherung mit dem Zu-Sich-Holen des R1. R2. in ihre Wohnung begann (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter lit. e.). Belege finden sich jedoch auch in dem Vortatverhalten der Angeklagten, in dem sie, wie unter lit. c. dargelegt, ab Herbst 2017 mehr Freiraum für sich forderte und ihren Ehemann in eine separate Wohnung „abschieben“ wollte, während dieser, wie sich aus seinen Schilderungen gegenüber Dr. K1. und dem Streit am 31.12.2017 entnehmen ließ, mit seiner ihm von der Angeklagten angedachten Rolle zunehmend unzufrieden war und aufbegehrte (vgl. auch diesbezüglich die Ausführungen unter lit. c). Wie die Zeugen F2. und G1. übereinstimmend berichteten, intensivierte die Angeklagte bereits zwei bis drei Monate vor der Tat „ihre Pflege und Zuwendung“ zu R1. R2., in dem sie diesen mehrfach in der Ehewohnung Nr. 118 übernachten ließ.
527
Weiteres Hauptmotiv der Angeklagten für die Tötung ihres Ehemanns war zur Überzeugung der Kammer, dass die Angeklagte die bei einer Trennung und Scheidung vom Geschädigten drohenden finanziellen Nachteile vermeiden und zugleich von den Vorteilen aus seinem Ableben, insbesondere der hohen Witwenrente, profitieren wollte. Wie der Streit am 31.12.2017 belegt, war sich der Geschädigte Ende 2017 seines nicht mehr vorhandenen Vermögens bewusst und drohte der Angeklagten bezüglich der ehemals gemeinsam erworbenen Eigentumswohnung Nr. 118 mit Rückforderungsansprüchen. Die Angeklagte wusste, wie sich aus ihren späteren Äußerungen gegenüber ihren Freunden M4. und B4. ergab, dass sie von dem Geschädigten während ihrer Beziehung Vermögenswerte von circa 300.000 € erhalten hatte und musste daher im Falle einer Scheidung mit der Geltendmachung höherer Rückforderungsansprüche rechnen. Auffällig in diesem Zusammenhang ist, dass sich die Angeklagte, wie eine Nachricht von ihr an einen nicht identifizierte „I3., Amerika“, über „Whatsapp“ belegt, im Januar 2018 mit der Frage beschäftigte, welche Ansprüche der Geschädigte und seine Kinder an während der Ehe Erworbenem in Bulgarien haben (13.1.2018, 23.42 Uhr: „…Diese Frage nach dem während der Ehe Erworbenen ist für Bulgarien sehr kompliziert, auch wenn wir einen Ehevertrag in Deutschland haben, gelten die Gesetze von Bulgarien - wir sind ein Ganzes, eine Familie und egal, welche Verträge ich schreibe, sind er und seine Kinder Erben…“). Die Angeklagte war sich dabei bewusst, dass ihr von Seiten des Geschädigten aufgrund seiner Kenntnis über die in Bulgarien erworbenen Immobilien im Falle einer Scheidung wesentlich größere finanzielle Nachteile drohten, als im Falle seines Ablebens von Seiten seiner nur pflichtteilsberechtigten Kinder. Wie sich an dem unter lit. d näher dargelegten Nachtatverhalten gegenüber den Kindern des Geschädigten zeigt, berief sich die Angeklagte ihnen gegenüber auf das Nichtvorhandensein einer Erbmasse und erwähnte das während der Ehe erworbene Immobilienvermögen in Bulgarien nicht. Ihre Absicht, so viel wie möglich aus dem Ableben zu profitieren, findet auch Bestätigung in der von ihr kurz vor der Tat vorgenommenen heimlichen Fahrzeugummeldung, mit dem sie versuchte, das noch werthaltige Restvermögen des Geschädigten, insbesondere seinen Porsche, aus der Erbmasse und damit für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen herauszunehmen.
528
Während die Zeuginnen H4. und K3. keine näheren Angaben zum Zeitpunkt der Planung der Tat machen konnten, geht die Kammer davon aus, dass die Angeklagte trotz der vorsorglichen Beschaffung der Tatmittel im ersten Halbjahr 2018 zunächst noch versuchte, ihren Ehemann durch das Androhen von Trennung und ggf. verstärkter Medikation „ruhig zu stellen“ und ihn wieder unter ihre Kontrolle zu bringen, und nur für den Fall, dass ihr dies nicht gelingen sollte, plante, ihn mittels Insulin, ggf. zusätzlich mittels Morphium zu töten und dies als natürlichen Tod, hilfsweise als Suizid zu kaschieren.
529
So befasste sich die Angeklagte intensiv damit, wie gut man den Geschädigten mit Trennungsdrohungen unter Druck setzen bzw. mit Medikamenten beruhigen konnte und berichtete ihrer Freundin L3. H3. offen über diese Manipulationsversuche (jeweils Nachrichten über „Viber“: 5.11.2017, 21.55 Uhr: „..Es geht mir gut mit H2.. Wenn er nicht brav ist, bekommt er eine Beruhigungstablette,..“; 13.1.2018, 16.32 Uhr: „..Auf dem Weg hat das Bärchen wieder die Zähne gezeigt, aber ich habe mir vorgestellt, ich bin L1., und habe ihm gleich gesagt, dass wenn er nicht kooperativ ist, ich auf der Stelle ausziehe, und dann werden wir sehen, was dass Bärchen ohne seine Katze macht. Ich habe ihm gesagt, dass die Katze scharfe Zähnchen und Krallen hat…“; 29.04.2018, 12.32 Uhr: „..Ich bin zu Hause, putze, nähe, die Sonne scheint, ich fühle mich sehr glücklich. H2. habe ich nach 209 geschickt.“; 15.7.2018, 18.52 Uhr: „Ich letzter Zeit ist er menschlicher geworden, nett, aber ich sage ihm andauernd, dass wenn er meckert, ich ihn verlasse. Die Nummer geht durch.“).
530
Auch spricht für den Versuch der Angeklagten, den Geschädigten zunächst anderweitig “ruhig zu stellen“, dass sie, wie gegenüber der Zeugin B5. im Herbst 2017 angekündigt, im ersten Halbjahr 2018 die von ihr für den Geschädigten vorgesehene Wohnung Nr. 309 renovierte und im Mai 2018 den Wechsel des Geschädigten vom langjährigen Hausarzt Dr. K1., der nicht bereit war, dem Geschädigten auf Wunsch der Angeklagten andere Medikamente zu verschreiben (vgl. diesbezüglich die Aussagen des Zeugen Dr. K1.) zu Dr. N1. initiierte.
531
Die deutliche Verbesserung und Intensivierung des Verhältnisses zwischen dem Geschädigten und seiner Schwester H8. Sch. steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der Angaben der Zeugin S8. zu ihren Kontakten und Urlaubsplanungen mit dem Geschädigten in den letzten Wochen vor seinem Tod sowie aufgrund der Schilderungen des Zeugen P1. S4. zum gemeinsamen Familientreffen im Schwarzwald. Die Aussagen der Zeugen J4. und B5. belegen den Einfluss der Schwester auf den Geschädigten und das Missfallen der Angeklagten hierüber und lassen den Schluss zu, dass die Angeklagte ein Anvertrauen bzw. Um-Rat-Suchen des Geschädigten bei seiner Schwester bezüglich der verstärkt empfundenen Beziehungs- und finanziellen Probleme - wie beim Streit am 31.12.2017 oder gegenüber Dr. K1. - fürchtete.
532
Die Verschlechterung des depressiven Zustands des Geschädigten und die Ausstellung einer Notfalleinweisung für die psychiatrische Abteilung des Krankenhauses A. am 20.7.2018 ergaben sich aus den Angaben des Zeugen Dr. N1.. Aufgrund der übereinstimmenden Schilderungen des sachverständigen Zeugen Dr. K1., der Sachverständigen Dr. D2. und der langjährigen Lebensgefährtin C1. Sc., dass der Geschädigte sehr um seine eigene Gesundheit besorgt war und sich in der Vergangenheit bei Problemen stets in fachärztliche Behandlung begab, ist die Kammer davon überzeugt, dass der Geschädigte bei akuten Suizidgedanken von der Notfalleinweisung Gebrauch gemacht hätte. Während der Angeklagten grundsätzlich der verstärkt depressive Zustand ihres Ehemanns zur Untermauerung der hilfsweise geplanten Suizidthese entgegen kam, musste sie naheliegender Weise zugleich befürchten, dass der Geschädigte im Falle einer stationären Behandlung ihrer Kontrolle entgleiten und gegenüber Psychiatern oder Psychologen über die verstärkt empfundenen Beziehungs- und finanziellen Probleme als mögliche Auslöser seiner Krise berichten könnte.
533
Aus der Zusammenschau der vorgenannten Umstände mit dem Ablauf der Haltbarkeit des beschafften Morphiums Ende August 2018 (vgl. diesbezüglich die Ausführungen der Zeugin KHK’in Ut.) und der auffälligen Abfassung fast inhaltsgleicher Patientenverfügungen durch die Angeklagte, den Geschädigten und R1. R2. am 26.7.2018 mit dem Wunsch, nicht „autopsiert“ und verbrannt zu werden (eingeführt durch Urkundenbeweis) kam die Kammer zu der Überzeugung, dass sich die Angeklagte spätestens Ende Juli 2018 entschloss, den Tötungsplan zeitnah umzusetzen.
534
Die Feststellungen zur Ummeldung der drei Fahrzeuge beruhen auf den von der Zeugin KHK’in Ut. geschilderten Ermittlungen bei der Kfz-Zulassungsstelle. Dass das Handeln der Angeklagten ohne Wissen des Geschädigten erfolgte, vielmehr die Angeklagte ihr Handeln bewusst verschleierte, steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der Aussage des Zeugen J2. S4., der über den Ärger seines Vaters über die fehlenden Originale der Fahrzeugbriefe und der Suche danach bei seinem Besuch vom 5.8. bis 7.8.2018 berichtete, und der SMS, die die Angeklagte am 6.8.2018 um 15.37 Uhr an den Geschädigten, der an diesem Tag mit seinem Sohn im Bereich des Achensees unterwegs war, schickte, ohne die Ummeldung seiner drei Fahrzeuge zu erwähnen („Na ja wie immer bist du nicht erreichbar, wollte ich dir sagen, dass wir waren bei Führerscheinstelle, aber dabei haben wir nicht den Pass von R1., könnten wie auch den Motorrad von Ph. nicht ummelden, das Schild war nicht dabei…“).
535
Die heimliche Ummeldung der Fahrzeuge am 6.8.2018, durch die die Angeklagte versuchte, die noch verbleibenden Wertgegenstände ihres Ehemanns im Hinblick auf die Pflichtteilsansprüche von dessen Kindern aus einer etwaigen Erbmasse herauszunehmen, und ihr, von dem Zeugen J6. S4. geschildertes, mehrfaches Nachfragen am 7.8.2018, wann er genau abreise, sprachen zur Überzeugung der Kammer dafür, dass die Angeklagte plante, die Tat in der Nacht vom 7.8. auf den 8.8.2018 auszuführen.
536
Andere handlungsleitende Motive für die Tötung hat die Kammer nicht festgestellt. Zwar beschwerte sich die Angeklagte gegenüber mehreren Zeugen, insbesondere gegenüber den Zeuginnen C1. S4. und Sch. darüber, wie schwierig der Geschädigte gewesen sei und dass sie es mit ihm nicht mehr ausgehalten habe. Auch beklagte sie sich gegenüber dem Zeugen Dr. N1. einen Monat vor der Tat über aggressives Verhalten des Geschädigten ihr gegenüber, was im Rahmen der Beweisaufnahme nur im Hinblick auf verbale Aggressionen und lediglich begrenzt auf seltene „Wutausbrüche“ (vgl. diesbezüglich die Aussagen der Zeugen C1. S4., G1., Dr. D2.) des ansonsten von allen Zeugen als ruhig und gutmütig beschriebenen Geschädigten bestätigt wurde. Diese Umstände spielten jedoch zur Überzeugung der Kammer für die Abwägung der Angeklagten zwischen einer Trennung und Scheidung vom Geschädigten oder dessen Tötung und ihre mehrmonatige Tatplanung keine handlungsleitende Rolle. Vielmehr handelte sie, wie oben dargelegt, aus purem finanziellen Kalkül. Auch ergaben sich weder aus der Einlassung der Angeklagten noch aus den übrigen Beweisergebnissen Anhaltspunkte dafür, dass es zwischen der Angeklagten und dem Geschädigten am Tattag zu einer Konfliktsituation und in der Folge zu einer „gefühlsbestimmten“ spontanen Tötung gekommen wäre.
e. Nachtatverhalten
537
Die Feststellungen zu den unmittelbaren Aktivitäten der Angeklagten nach dem Todeseintritt (Fahrt zur Post und zum Orthopädiegeschäft nach R.-E.) beruhen im Wesentlichen auf der Einlassung der Angeklagten, deren Richtigkeit durch die Vorlage zweier Quittungen mit Uhrzeitangaben sowie durch die Auswertung des Mobiltelefons der Angeklagten (Nachricht an die Tochter L1. am 8.8.2018 um 9.42 Uhr: „Ich bin da.“) bestätigt wurde.
538
Wie bereits unter lit. a dargelegt, beruhen die Feststellungen zum Entsorgen der Tatmittel auf den glaubhaften Angaben der Zeuginnen H4. und K3., deren Detailangabe „bei einem Lidl“ gut mit den örtlichen Verhältnissen, insbesondere auch mit der von der Angeklagten am Tatmorgen genommenen Strecke von T.see nach R.-E. in Einklang zu bringen war.
539
Die Abfolge und Inhalte der festgestellten Anrufe folgen aus dem ausgewerteten Telefonverkehr des Mobiltelefons der Angeklagten sowie aus den Aussagen der Zeugen T2., Dr. N1. und Re. Das Beharren der Angeklagten auf Dr. N1. als Leichenschauer, wenngleich dieser im Stress war und aus B. W.see um den halben T.see fahren musste, obwohl sie an den Notarzt verwiesen wurde, und obwohl der ehemalige Hausarzt Dr. K1. seine Praxis im Ort T.see hatte, belegt zur Überzeugung der Kammer, dass die Angeklagte darauf hoffte, dieser würde - möglichst ohne Einschaltung der Polizei - einen natürlichen Tod, hilfsweise einen Suizid bescheinigen. Aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit als Krankenschwester und Altenpflegerin wusste sie, dass ein Arzt, der den Toten nicht kannte, eher zum Ankreuzen einer unaufgeklärten Todesursache neigen würde. In dieses Bild fügt sich auch das vom Zeugen Dr. N1. geschilderte Verhalten der Angeklagten, welche mit der von ihm beabsichtigten Hinzuziehung der Polizei nicht einverstanden war (Nachfrage der Angeklagten:„..ob dies unbedingt notwendig sei“).
540
Nach dessen Verständigung der Polizei bat die Angeklagte Dr. N1. mit der Begründung, die Nachbarn sollten nichts mitbekommen, draußen vor der Wohnanlage auf deren Eintreffen zu warten (vgl. diesbezüglich die Aussage des Dr. N1.). Diese von der Angeklagten dem Arzt gegenüber genannte Begründung hält die Kammer für unglaubhaft und vorgeschoben. Wenn es der Angeklagten tatsächlich darum gegangen wäre, keine Aufmerksamkeit der Nachbarn zu erregen, so wäre es wesentlich naheliegender gewesen, Dr. N1. in ihre Wohnung Nr. 118 zu bitten, anstatt diesen allein oder in ihrer Begleitung längere Zeit gut sichtbar vor der Haustür der Wohnanlage warten zu lassen. Zur Überzeugung der Kammer ging es der Angeklagten vielmehr darum, vor dem Eintreffen der Polizei und ungestört von Dr. N1. die von ihr zurückgehaltene und zwischenzeitlich in der Wohnung Nr. 118 gelagerte Einwegspritze, mit der sie dem Geschädigten das Morphium injiziert hatte, aus ihrer Wohnung zu holen und sie in der Tatwohnung für den Fall einer Obduktion und dem dadurch drohenden Nachweis einer Überdosis Morphium als Tatmittel unter dem Bett zu platzieren. Wie von Dr. N1. bestätigt, hielt sich die Angeklagte nicht die ganze Wartezeit bei ihm auf. Auch nach den Angaben der zuerst eingetroffenen Polizeibeamten F1. und H6. musste die Angeklagte bei ihrer Ankunft erst aus ihrer Wohnung hinzugerufen werden.
541
Aus dem Umständen, dass die Angeklagte als Einstichstelle für das Morphium ein Muttermal gewählt hatte, die Spritze nicht auf den ersten Blick sichtbar unter dem Bett platzierte und weder gegenüber den Polizeibeamten F1. und H6. noch gegenüber dem sie anschließend befragenden Kriminalbeamten Ke. die Spritze, dafür aber fehlende Tabletten Seroquel erwähnte, ergab sich zur Überzeugung der Kammer, dass die Angeklagte hoffte, dass die Polizei ohne Veranlassung einer Obduktion von einem Suizid ausgehen würde. Für den Fall einer Obduktion war der Angeklagten jedoch klar, dass der Nachweis einer Überdosis Morphium drohte und ein Suizid mittels Morphiums ohne das Auffinden einer Spritze als unmittelbares Tatmittel nicht erklärbar wäre. Nicht bedacht hatte die Angeklagte dabei, dass auch das Fehlen leerer Morphiumampullen in der Tatwohnung nicht mit der Annahme eines Suizids vereinbar ist (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter lit. a.).
542
Die Feststellungen zu dem merkwürdigen Verhalten der Angeklagten im Hinblick auf die späte Verständigung vom Tod ihres Ehemanns folgt aus den Aussagen der vernommenen Umfeldzeugen. So verständigte die Angeklagte die Söhne des Geschädigten erst am Nachmittag des 9.8.2018, weigerte sich zunächst, die Schwester des Geschädigten vom Tod zu unterrichten, und verlor in dem am 10.8.2018 mit ihr geführten Telefonat die Fassung (vgl. diesbezüglich die Aussagen der Zeugen C1., J2. und Ph. Sc., Sch.). Auch ihren bulgarischen Freudinnen einschließlich ihrer engen Freundin L3. H3., zu der sie davor in fast täglichem Kontakt stand, berichtete sie in auffälliger Weise erst am 15.8.2018 von dem Tod (vgl. diesbezüglich die Aussagen der Zeuginnen E1. H3., L3. H3., M4. - trotz 13-minütigen Telefonats mit ihr am 9.8.2018, Grozdanova und V3.). Aus diesem Verhalten der Angeklagten hat die Kammer in der Gesamtschau darauf geschlossen, dass die Angeklagte möglichst lange, insbesondere bis zur Einäscherung des Geschädigten, kritischen Nachfragen aus dem Weg gehen wollte.
543
Im Urkundenbeweis eingeführt wurde der von der Angeklagten handschriftlich an R1. (R2.) verfasste Brief, datiert auf den 9.8.2018, in dem sie davon ausgeht, ins Gefängnis zu kommen, und der sich zu dem damaligen Zeitpunkt, einen Tag nach dem Todeseintritt, nur mit dem Wissen von der eigenen Tat nachvollziehbar erklären lässt.
544
Das Nachtatverhalten der Angeklagten gegenüber R1. R2. und seiner Familie einerseits und gegenüber den pflichtteilsberechtigten Kindern des Geschädigten andererseits offenbart bzw. untermauert die oben unter lit. d. näher dargelegten wesentlichen Motive der Angeklagten.
545
Die Feststellungen zum Nachtatverhalten gegenüber R1. R2. und seiner Familie beruht im Wesentlichen auf den Aussagen der Zeugen J3. und K2. R2., deren Angaben durch die Finanzermittlungen des Zeugen T3. und die eingeführten Urkunden bestätigt bzw. ergänzt wurden. Auch gegenüber ihren Freundinnen E1. H3. und M4. und ihren Mitinsassinnen H4. und K3. hatte die Angeklagte offen über ihre „Geschäfte“ mit R1. R2. und ihren Forderungen gegenüber der Familie R2. berichtet (vgl. diesbezüglich die Aussagen der genannten Zeuginnen).
546
Die Feststellung, dass die Angeklagte sich R1. R2. auch durch sexuelle Dienste gefügig hielt, ergab sich zur Überzeugung der Kammer insbesondere aus den Aussagen der Zeugen J4. und H4., aus dem im Rahmen der Telefonüberwachung mitgeschnittenen Telefonat der Angeklagten mit L3. H3. vom 2.2.2019, in dem die Angeklagte von der Vornahme sexueller Handlungen bei R1. R2. berichtete, und aus der Aussage der Zeugin M4., die das Versorgen des R1. R2. mit bulgarischem Viagra durch die Angeklagte bestätigte.
547
Gegenüber dem Zeugen F2. bestätigte die Angeklagte den Geschenkcharakter der von ihr offiziell gekauften Eigentumswohnung des R1. R2. („welch schönes Weihnachtsgeschenk sie da bekommen habe“).
548
Die Aussage der Zeugin N4., gegenüber der sich die Angeklagte im Herbst 2018 zu den Immobilienpreisen in O. erkundigte, belegt, dass die Angeklagte die treibende Kraft hinter den von R1. R2. gegenüber seinem Sohn und seiner Ehefrau vorgeschlagenen Immobiliengeschäften war.
549
In das Gesamtbild passen auch die von der Zeugin J3. R2. geschilderten Vorkommnisse Ende Oktober 2018 anlässlich der von ihr geplanten, für die Angeklagte nachteiligen Änderung des gemeinsamen Berliner Testaments mit R1. R2. Die von der Zeugin geäußerte Vermutung, die Angeklagte habe medikamentös nachgeholfen, damit R1. R2. sie nicht mehr zum Notar begleiten könne, konnte allerdings nicht mit der erforderlichen Sicherheit durch andere Beweismittel belegt werden.
550
Der Transfer der 40.000 € vom Konto des R1. R2. auf ein bulgarisches Konto der Angeklagten wird belegt durch die Aussagen des Finanzermittlers T3. und der über die Zeugin Ut. eingeführten Angaben des Fl. Ro.
551
Die Feststellungen zum Nachtatverhalten der Angeklagten gegenüber den pflichtteilsberechtigten Kindern des Geschädigten beruhen auf den Aussagen der beiden Söhne J2. und Ph. Sc. Insbesondere behauptete die Angeklagte ihnen gegenüber, dass keine Erbmasse vorhanden sei, obwohl sie von etwaigen Ansprüchen dieser wegen der während der Ehe erworbenen Immobilien in Bulgarien ausging (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter lit. d.).
552
Die Instruktionen der Angeklagten an ihren Bekannten B4. für falsche Angaben zum Verbleib des Geldes des Geschädigten räumte dieser auf Vorhalt der Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung ein (vgl. diesbezüglich die Aussage des Zeugen B4.).
553
f. Tatgeschehen im Zusammenhang mit der Asche des Geschädigten H9. der nächtlichen Öffnung des Urnengrabs und der Entnahme der Asche des Geschädigten aus der Urne war die Angeklagte geständig. Ihre Angaben zu den objektiven Tatumständen der Wegnahme deckten sich mit den Aussagen der Zeugen H4., K3., E1. H3. und Ju., denen die Angeklagte von ihrem Handeln berichtet hatte, den polizeilichen Ermittlungsergebnissen (vgl. diesbezüglich die Aussage des Zeugen KHK Nü.) und dem Gutachten des Sachverständigen Dr. G6. zur Zusammensetzung der gefundenen Aschereste.
554
Gegenüber dem Sachverständigen Dr. L2. räumte die Angeklagte zudem ein, die Asche in ein Kissen gefüllt und mit diesem gekuschelt zu haben, da sie H2. nicht habe loslassen wollen. Ähnliches schilderte sie auch ihren Freundinnen E1. H3. und L3. H3. Die Kammer hält diese Einlassung nur für die „halbe Wahrheit“ und ist davon überzeugt, dass die Angeklagte, wie von den Zeuginnen H4. und K3. angegeben, nicht nur auf dem Kissen mit der Asche schlief, sondern auch sexuelle Handlungen darauf vornahm, um diesen so zum Objekt ihrer Belustigung zu machen. Die Kammer hat keinen Zweifel, dass auch diese Detailschilderung der beiden Mitinsassinnen, wie die vielen, oben dargelegten objektiv bestätigten Angaben, aus der Erzählung der Angeklagten stammte und nicht von den Zeuginnen hinzuerfunden wurde. Erfunden bzw. widersprüchlich erscheint hingegen die Einlassung der Angeklagten, wonach sie einerseits ein Verstreuen der Asche in Bulgarien im Januar 2019 angab, andererseits aber gegenüber ihrer Freundin E1. H3. berichtete, die Asche im T.see verstreut zu haben. Soweit sie in ihrer Einlassung als Erklärung für das Abfüllen von Teilen der Asche in ein Glas das Ermöglichen späterer forensischer Untersuchungen nannte, steht dies sowohl im Widerspruch zu ihren o. g. anderslautenden Angaben als auch zu dem Gesamtverhalten der Angeklagten vor der Einäscherung des Leichnams (vgl. insbesondere das o. g. Verhalten ggü. dem Leichenschauer Dr. N1. und den ersten Polizeibeamten vor Ort).
555
Der Tatzeitpunkt war mangels diesbezüglicher Angaben der Angeklagten bzw. der Zeugen vom Hörensagen nicht genau feststellbar. Der Tatzeitraum war durch den Zeitpunkt der Einäscherung und den Tag der Inhaftierung der Angeklagten näher einzugrenzen.
III. Zur Einsichts- und Steuerungsfähigkeit
556
Die Kammer ist, beraten durch die Sachverständigen L7. und Dr. L2. zu der Überzeugung gelangt, dass bei der Angeklagten zum Tatzeitpunkt weder die Einsichts- noch die Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert oder sogar im Sinne des § 20 StGB aufgehoben war.
557
1. Die Sachverständige Dipl.-Psych. L7. erstattete ihr Gutachten über die testpsychologische Untersuchung der Angeklagten am 28.7. und 5.8.2020 in der Justizvollzugsanstalt A.
558
Die im Kontakt zugewandte und freundliche Angeklagte habe motiviert an der Untersuchung teilgenommen, jedoch Konzentrations- und Gedächtnisstörungen beklagt. Auch habe sie die Untersuchung immer wieder unterbrochen, um vom Tatvorwurf und ihrem Leiden unter der Haftsituation zu berichten.
559
Zum Tatvorwurf habe sie ungefragt angegeben, dass es sich um einen Suizid ihres Mannes gehandelt habe. Dieser hätte schon vorher Suizidversuche unternommen, die ihm nicht geglückt seien. Sie verstehe die Vorwürfe nicht und sei sehr enttäuscht, wie schlecht man heute über sie sprechen würde.
560
Im Bereich der Leistungstestung habe sich bei der Auswertung der „Standard Progressive Matrices“ (SPM) ein Gesamt-IQ von 130 IQ-Punkten ableiten lassen, womit die Angeklagte über eine Intelligenzausstattung im deutlich überdurchschnittlichen Bereich verfüge. Die fluide Intelligenz sei mit 90 IQ-Punkten im „Kurztest für allgemeine Basisgrößen der Informationsverarbeitung (KAI) im unterdurchschnittlichen Bereich gelegen. Die Diskrepanz zwischen beiden Ergebnissen ließe sich am ehesten mit einer depressiven Verstimmung zum Untersuchungszeitpunkt erklären. Die darüber hinaus durchgeführten kognitiven Leistungstests hätten entgegen der von der Angeklagten beklagten Beeinträchtigungen keinerlei Anhaltspunkte für Defizite im Gedächtnis, der Konzentrationsfähigkeit oder der freien Wortproduktion ergeben. Ein Schwachsinn im strafrechtlichen Sinne sowie eine hirnorganische Beeinträchtigung von forensischer Relevanz könne daher mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
561
In den Persönlichkeitstestverfahren habe sich bei der Angeklagten einerseits eine Tendenz zur Aggravation von Beschwerden und psychischen Problemen gezeigt. Andererseits sei die Angeklagte um eine besonders tugendhafte und normorientierte Selbstdarstellung bemüht gewesen und habe ihre Persönlichkeit als sehr rigide, gewissenhaft, äußerst gründlich, kaum durchsetzungsfähig und leicht ausnutzbar beschrieben.
562
Es hätten sich Auffälligkeiten in Richtung einer depressiven Verstimmung mit suizidalen Gedanken gezeigt, die die Angeklagte durch den Tod ihres Mannes erklärt habe. Nach Einschätzung der Sachverständigen seien diese wahrscheinlich auf die Haftsituation zurückzuführen. Anhaltspunkte für eine weitere psychiatrische Störung hätten sich nicht ergeben.
563
In den projektiven Verfahren, die einer bewussten Manipulation der Ergebnisse weniger zugänglich seien, habe sich ein diskret erhöhtes Aggressionspotential abgebildet, ohne dass die Frustrationstoleranz gemindert erschien.
564
Die Sachverständige, die an mehreren Verhandlungstagen anwesend war, erläuterte abschließend, dass sich die in der Hauptverhandlung dargestellten histrionischen Persönlichkeitsanteile der Angeklagten testpsychologisch nicht gezeigt hätten. Allerdings sei die Angeklagte bei der Untersuchung, wenn sie über ihren verstorbenen Mann gesprochen habe, in Tränen ausgebrochen, habe sich dann aber recht zügig wieder fangen können.
565
2. Der Sachverständige Dr. L2., Arzt für Psychiatrie und Medizinaldirektor a. D., stützte sich bei seiner Gutachtenserstellung auf die von ihm durchgeführten psychiatrischen Untersuchungen der Angeklagten am 16.7, 6.8. und 10.8.2020, auf die Verfahrensakten und die von ihm beigezogenen Krankenunterlagen sowie auf seine Erkenntnisse aus der Hauptverhandlung.
566
Der Sachverständige erläuterte, dass aus psychiatrischer Sicht bei der Angeklagten keines der in § 20 StGB aufgeführten sog. Eingangsmerkmale für eine Einschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit vorliege. Hierzu führte er näher aus:
567
Bei einem im Rahmen der Testpsychologie gemessenen Intelligenzquotienten von 130 liege kein Schwachsinn vor.
568
Auch für eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung im Sinne eines affektiven Ausnahmezustandes hätten sich keinerlei Hinweise in der Einlassung der Angeklagten und der Beweisaufnahme gefunden.
569
Weder bei seiner Exploration noch bei der durch Dipl.-Psych. L7. durchgeführten Testpsychologie hätten sich Anhaltspunkte für das Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung im Sinne einer endogenen Psychose, einer hirnorganischen Beeinträchtigung oder einer Intoxikation ergeben.
570
So sei die Angeklagte bei der psychiatrischen Untersuchung in ihren Ausführungen eher ausschweifend gewesen sei, ohne jedoch das Ziel aus den Augen zu verlieren. Auch sei sie bemüht gewesen, die ihr wichtigen Standpunkte darzustellen. Hinweise auf Merkfähigkeits- oder Gedächtnisstörungen hätten sich nicht gefunden. Sinnestäuschungen und psychotische Ich-Störungen seien nicht zu erfragen gewesen. Affektiv sei die Angeklagte niedergestimmt gewesen. Es sei wiederholt zu affektiven Ausbrüchen gekommen, die sie jedoch relativ schnell wieder unter Kontrolle gebracht habe.
571
Er gehe bei der Angeklagten von einer histrionischen Akzentuierung der Persönlichkeit aus, die sich bei ihr vor allem in einer - wie auch in der Hauptverhandlung mehrfach erlebten - expressiven Ausdrucksart, in einer überhöhten Selbstdarstellung und in einem Leben im Augenblick unter dem Motto „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ zeige.
572
Zwar hätte sich die histrionische Persönlichkeitsakzentuierung in der Testpsychologie nicht in dem von ihm erwarteten Ausmaß in den Werten der Skalen für Extraversion, Neurotizismus und Frustrationstoleranz gezeigt. Hierbei sei jedoch zu berücksichtigen, dass die gute Intelligenzausstattung der Angeklagten es dieser ermögliche, das sich von ihr bietende Bild entsprechend zu beeinflussen.
573
Die histrionischen Persönlichkeitsakzente hätten sich auch in den Beschreibungen einiger Zeugen über ihren Eindruck von der Angeklagten widergespiegelt. So habe ihr ehemaliger Geliebter, der Zeuge J4., die Angeklagte als leidenschaftlich und unstrukturiert geschildert. Die ehemalige Vorgesetzte der Angeklagten, die Zeugin B-T., habe sie als emotional sprunghaft und sehr auf „Eindruck machen“ bedacht beschrieben und sogar selbst die Bezeichnung „histrionisch“ verwendet. Wiederum andere Zeugen hätten die Angeklagte als ausschließlich freundlich, zugewandt und hilfsbereit geschildert, was ein Beleg für ihre soziale Anpassungsfähigkeit sei. Auch seien keine durch ein histrionisches Verhalten bedingten erheblichen Beeinträchtigungen des beruflichen oder sozialen Lebens der Angeklagten erkennbar, weshalb er die Grenze von einer akzentuierten Normalpersönlichkeit zu einer Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert als nicht überschritten ansehe. Eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB sei daher aus psychiatrischer Sicht ebenfalls zu verneinen.
574
Den beigezogenen Arztbriefen über eine ambulante Untersuchung und einen stationären Aufenthalt der Angeklagten in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie am Klinikum rechts der Isar im Frühjahr 2012 seien als Diagnosen Benzodiazepinabhängigkeit, Alkoholmissbrauch, mittelgradig depressive Episode und psychogene Schlaflosigkeit zu entnehmen gewesen. Diese seien allesamt ohne Auswirkungen auf ein hier in Frage stehendes strafrechtliches Verhalten der Angeklagten.
575
Für einen noch bestehenden Alkoholmissbrauch der Angeklagte lägen keine Hinweise vor. Insbesondere fehle es an Anhaltspunkten für alkoholbedingte Einschränkungen im Leistungsverhalten im fraglichen Tatzeitraum.
576
Auch ein anhand der Angaben der Angeklagten und der Zeugenaussagen weiterhin anzunehmender Missbrauch vornehmlich von Schlaf- und Beruhigungstabletten, der an der Grenze oder im Bereich der Abhängigkeit liege, sei ohne Einfluss auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit der Angeklagten. Er wirke sich wie auch eine depressive Episode eher antriebsmindernd aus. Auf Nachfrage führte der Sachverständige aus, dass er das von den Zeuginnen H4. und K3. geschilderte geänderte Verhalten der Angeklagten bei Nichteinnahme der Antidepressiva mit Weinen, Schreien und Unruhezuständen nicht als Beleg für eine schwere Persönlichkeitsveränderung infolge einer Medikamentenabhängigkeit werte, sondern es vielmehr der expressiven Ausdrucksart der Angeklagten zuordne. Zudem lägen keine Hinweise auf ein solches Verhalten im zeitlichen Zusammenhang mit der Tat vor.
577
Schließlich sei in den beigezogenen Krankenakten noch über eine im Rahmen einer MRT-Untersuchung im Jahr 2012 festgestellte kapilläre Teleangiektasie berichtet worden. Diese sei meist asymptomatisch und bedürfe keiner Therapie. Die Angeklagte habe in diesem Zusammenhang das Auftreten von Kopfschmerzen oder epileptischen Anfällen verneint. Auch eine kognitive Beeinträchtigung habe sich in der Testpsychologie nicht abgebildet.
578
3. Die Kammer folgt aufgrund eigener Überzeugungsbildung den gerichtsbekannt forensisch erfahrenen Sachverständigen, die ihre nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Gutachten jeweils auf zutreffende Anknüpfungstatsachen stützten und deren Würdigung auch keine wesentlichen Aspekte fehlten.
579
Insbesondere stellt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Persönlichkeitsstörung nur dann eine schwere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB dar, wenn sie Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit ähnlichen - auch sozialen - Folgen stören, belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen (ständ. Rspr. seit BGHSt 37, 397/401; vgl. speziell zur histrionischen Persönlichkeitsstörung: BGH Beschl. vom 27.06.2018, Az. 2 StR 112/18, StV 2019, 238). Unabhängig davon, dass der psychiatrische Sachverständige bei der Angeklagten bereits nicht die Diagnose einer histrionischen Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F 60.4) gestellt hat, sondern lediglich von einer histrionischen Persönlichkeitsakzentuierung ausgegangen ist, sind jedenfalls krankheitsbedingte Einschränkungen im Alltag, wie sie typischerweise bei krankhaften seelischen Störungen auftreten, nicht gegeben. Die Angeklagte lebte in geordneten Verhältnissen, führte eine langjährige Beziehung mit dem Geschädigten sowie zuvor mit Fl. Ro., ging einer geregelten Arbeit nach, war bis zur Inhaftierung in vorliegender Sache nach den Aussagen zahlreicher vernommener Umfeldzeugen dahingehend unauffällig und befand sich nicht wegen histrionischen Verhaltens, sondern lediglich wegen depressiver Episoden sowie Schlafstörungen in gelegentlicher psychiatrischer Behandlung.
580
Darüber hinaus lassen weder die Tatplanung noch die Tatausführung oder die Tatmotivation die eine histrionische Persönlichkeit typischerweise kennzeichnenden Verhaltensweisen wie übertriebene Emotionalität, labile Affektivität oder extremes Streben nach Beachtung, erkennen. Die Angeklagte plante die Tat über mehrere Monate, traf heimlich Vorbereitungen und führte die Tat schließlich kontrolliert und zielgerichtet zu einem ihr geeigneten Zeitpunkt in der Nacht, als sie mit ihrem Mann allein war, aus. Motiviert war die Tat vor allem durch finanzielle Aspekte (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter Ziff. II. 3. c., d.).
581
Die Schuldfähigkeit der Angeklagten war daher zum Tatzeitpunkt weder aufgehoben gemäß § 20 StGB noch erheblich vermindert gemäß § 21 StGB.
E. Rechtliche Würdigung
582
Die Angeklagte hat sich des Mordes in Tatmehrheit mit Störung der Totenruhe gemäß den §§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Gr. 1 Alt. 4, Gr. 2 Alt. 1, 168 Abs. 1 Alt. 1 u. 2, 53 StGB schuldig gemacht.
I. Mord
583
1. Die Angeklagte hat durch die Applikation von Insulin und Morphin den Tod des Geschädigten herbeigeführt.
584
2. Die Angeklagte beging die Tat in der Absicht, ihren Mann zu töten (dolus directus 1. Grades).
585
3. Die Angeklagte hat das Mordmerkmal der Heimtücke gemäß § 211 Abs. 2 Gr. 2 Alt. 1 StGB verwirklicht.
586
Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung eine zum Zeitpunkt des Angriffs bestehende Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt (ständ. Rspr., vgl. BGH Urt. vom 24.09.14, 2 StR 160/14, NStZ-RR 2015, 12). Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Das Opfer muss gerade auf Grund seiner Arglosigkeit wehrlos sein. Arglos ist regelmäßig auch der Schlafende, wenn er einschläft. Er überlässt sich dem Schlaf im Vertrauen darauf, dass ihm nichts geschehen werde; in diesem Vertrauen überliefert er sich der Wehrlosigkeit. Wer sich zum Schlafen niederlegt, nimmt die Arglosigkeit mit in den Schlaf; sie begleitet ihn, auch wenn er sich ihrer nicht mehr bewusst ist. Ein Täter handelt bereits heimtückisch, wenn er die Arglosigkeit des Opfers nur bewusst ausnutzt, ohne sie bewusst herbeigeführt oder bestärkt zu haben (vgl. BGH, Urt. vom 10. 3. 2006, Az. 2 StR 561/05, NStZ 2006, 338, m. w. V.).
587
Vorliegend schlief der Geschädigte fest, während die Angeklagte ihm das Insulin als erstes Tatmittel injizierte. Die durch den Schlaf eingetretene Arg- und Wehrlosigkeit des Geschädigten nutzte die Angeklagte vorliegend nicht nur bewusst aus. Vielmehr führte sie die Tiefschlafsituation zielgerichtet herbei bzw. bestärkte sie, indem sie nach dem Abendessen mit dem Angeklagten Wodka trank, anschließend mit ihm Geschlechtsverkehr hatte und sie danach die Tabletten des Geschädigten vertauschte, so dass dieser statt des Antidepressivums Seroquel das Schlafmittel Noctamid einnahm (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter lit. D Ziff. II. 3. b.).
588
4. Die Kammer hat das Mordmerkmal der Habgier gemäß § 211 Abs. 2 Gr. 1 Alt. 3 StGB nicht angenommen, aber das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe im Sinne des § 211 Abs. 2 Gr. 1 Alt. 4 StGB als verwirklicht angesehen.
589
Habgier liegt vor, wenn der Täter in rücksichtsloser Weise durch seine Tat den Gewinn von Geld oder Geldwert in einer noch über die bloße Gewinnsucht hinaus gesteigerten Weise erstrebt. Dieses rücksichtlose Streben nach materiellen Gütern und Vorteilen um jeden Preis, auch um den Preis eines Menschenlebens willen, muss den Täter bei seinem Tötungsentschluss und dessen Umsetzung entscheidend beeinflusst haben; beim Vorliegen eines Motivbündels muss das Streben nach dem Vorteil bei der Tatausführung „bewusstseinsdominant“ gewesen sein (vgl. BGH Beschl. v. 18.3.2020, Az. 4 StR 487/19, NStZ 2020, 613, m. w. V.).
590
Die Kammer ist aufgrund umfassender Würdigung aller Umstände zu der Überzeugung gelangt, dass die Angeklagte die Tat aus zwei handlungsleitenden Antrieben heraus begangen hat. Zum einen wollte sie ihren Ehemann, der ihr lästig und anstrengend geworden war und von dem sie sich finanziell keine Vorteile mehr versprach, ohne den bei einer Scheidung zu erwartenden Ärger und möglichen Vermögensverlust loswerden. Zum anderen wollte sie durch seine Tötung „freie Bahn“ haben, um einfacher an das Vermögen von R1. R2. zu gelangen.
591
Das erste Tatmotiv beinhaltet Elemente der Habgier, da die Angeklagte, wie beabsichtigt, durch die Tötung ihres Ehemanns den dauerhaften Bezug einer Witwenrente und die Stellung als Alleinerbin erlangte, auch wenn Letztere durch das nur noch geringe Vermögen des Geschädigten, dessen Hauptwert der Porsche darstellte, zu keiner großen Vermögensmehrung führte. Ebenso war der Angeklagten bewusst, dass im Falle einer Scheidung der an ihrer Wohnung Nr. 32 am S1.platz einzutragende lebenslange Nießbrauch sowie eine mögliche Rück- bzw. Ausgleichsforderung wegen der vom Geschädigten an sie während der Ehe geleisteten finanziellen Zuwendungen in Höhe von ca. 300.000 € zu einer deutlichen Minderung ihres Vermögens führen würden, was sie verhindern wollte. Eine Tötung zur Verhinderung drohenden Güterverlusts und damit in „Vermögenserhaltungsabsicht“ wäre ebenfalls unter das Mordmerkmal der Habgier zu subsumieren (vgl. Münchner Kommentar zum StGB/S10., 3. Aufl., § 211 Rn. 66).
592
Der zweite Hauptantrieb der Angeklagten, durch die Tötung ihres Ehemanns „freie Bahn“ zu haben, um einfacher an das Vermögen des R1. R2. zu gelangen, stellt lediglich ein habgierähnliches Motiv dar, da es insoweit an der Aussicht auf eine unmittelbare Vermögensmehrung fehlt. Vielmehr wollte die Angeklagte durch die Tötung des Geschädigten erst eine Lage schaffen, die ihr anschließend eine verstärkte finanzielle Einflussnahme auf R1. R2. und damit eine zukünftige Mehrung ihres Vermögens ermöglicht hätte (vgl. a.a.O., Rn. 63).
593
Die Kammer konnte sich nicht mit ausreichender Sicherheit die Überzeugung bilden, dass in dem vorliegenden Motivbündel die Habgierelemente bei der Tatausführung eindeutig „bewusstseinsdominant“ waren. Insbesondere wird an dem bereits eine Woche nach der Tat bis zu ihrer Inhaftierung gezeigten Verhalten der Angeklagten gegenüber R1. R2., dessen Ehefrau und Sohn deutlich, welch hohen Stellenwert für sie das Projekt „Vermögen R1. R2.“ hatte (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter lit. D. Ziff. II. 3. e.). Alle handlungsbestimmenden Motive stellen jedoch niedrige Beweggründe im Sinne der ersten Gruppe der Mordmerkmale dar und waren daher unter die Motivgeneralklausel „sonst aus niedrigen Beweggründen“ zu subsumieren.
594
Niedrige Beweggründe liegen nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die Motive einer Tötung nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind und - in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag - als verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung nur dann auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist (vgl. BGH Urt. v. 22.1.2020, Az. 5 StR 407/19, BeckRS 2020, 1455, m. w. V.).
595
Zur Überzeugung der Kammer handelte es sich um keine spontane, sondern um eine über mehrere Monate geplante Tat, bei der die zwei oben näher dargestellten Motive (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter lit. D. Ziff. II. 3. d.) handlungsbestimmend waren. Diese dem speziellen Mordmerkmal der Habgier zumindest nahestehenden Tatantriebe sind bei wertend-vergleichender Betrachtung ebenfalls als sittlich auf tiefster Stufe anzusehen (vgl. Münchner Kommentar/S10., a.a.O. Rn. 86). Normalpsychologische Gefühlsregungen, wie Verärgerung oder Wut über die Antriebslosigkeit des Geschädigten, über dessen vermehrte Unzufriedenheit mit der Situation mit R1. R2. oder dessen teils verbal aggressives Verhalten ihr gegenüber, mögen zwar ebenfalls im Hintergrund vorgelegen haben. Handlungsbestimmend für die Tötung des Geschädigten waren jedoch zur Überzeugung der Kammer für die Angeklagte allein die finanziellen Aspekte (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter lit. D. Ziff. II. 3. d.). Auch kam es, selbst nach der Einlassung der Angeklagten, am Tattag selbst zu keinerlei Konfliktsituation mit dem Geschädigten, die einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen normalpsychologischen Gefühlsregungen und der Tat begründen könnte. Schließlich war der Angeklagten auch die Einsicht, dass ihre Handlungsmotive als sittlich besonders anstößig anzusehen sind, nicht durch eine Störung ihrer Persönlichkeit versperrt (vgl. BGH Beschl. vom 17. 4. 2007, Az.5 StR 548/06, NStZ 2007, 525). Auf die obigen Ausführungen zur Schuldfähigkeit unter lit. D. Ziff. III. wird insoweit Bezug genommen.
II. Störung der Totenruhe
596
Die Angeklagte hat vorliegend beide Tatbestandsalternativen des § 168 Abs. 1 StGB erfüllt.
597
Gemäß § 168 Abs. 1 Alt. 1 StGB wird u.a. derjenige bestraft, der unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt.
598
Nach der ordnungsgemäßen Beisetzung der Urne auf dem Friedhof T.see befand sich die Asche des verstorbenen H2. S6. im berechtigten Gewahrsam der Friedhofsverwaltung (vgl. Münchner Kommentar zum StGB/Hörnle, 3. Aufl., § 168 Rn. 13). Durch die nächtliche Mitnahme der Urne aus dem zuvor aufgebrochenen Urnengrab und deren Entleerung hat die Angeklagte die Asche ohne Willen des Gewahrsamsinhabers und gegen geltende Bestimmungen des Verwaltungsrechts weggenommen. Die Einlassung der Angeklagten, sie habe nur dem Wunsch ihres Ehemanns nach einem Verstreuen der Asche im S12.n Meer nachkommen wollen, ist unbehelflich, da sie zugleich angab, gewusst zu haben, dass für das Verbringen der Asche nach Bulgarien formelle Anforderungen einzuhalten sind.
599
Gemäß § 168 Abs. 1 Alt. 2 StGB wird u.a. derjenige bestraft, der an der Asche eines verstorbenen Menschen beschimpfenden Unfug verübt.
600
Erforderlich ist eine rohe, grob ungehörige Kundgabe der Miss- oder Verachtung gegenüber dem Verstorbenen (vgl. Münchner Kommentar zum StGB/Hörnle, a.a.O Rn. 20). In subjektiver Hinsicht muss der Täter dem Toten seine Verachtung bezeigen wollen und sich des beschimpfenden Charakters seiner Handlung bewusst sein (vgl. BGH Beschl. vom 24.02.1981, Az. 1 StR 834/80, NStZ 1981, 300).
601
Vorliegend hat die Angeklagte die Asche über einen längeren Zeitraum nicht lediglich in ihrer Wohnung aufbewahrt, sondern einen Teil der Asche in ein Kissen gefüllt und auf diesem sexuelle Handlungen zur Selbstbefriedigung vorgenommen. Dies stellt ein grob ungehöriges, die Menschwürde des Verstorbenen missachtendes Verhalten und damit objektiv ein Verüben beschimpfenden Unfugs dar. Die Begründung der Angeklagten für ihr Handeln gegenüber dem Zeugen J4. und dem Sachverständigen Dr. L2., dass sie H2. so sehr vermisst habe bzw. diesen nicht habe loslassen können, stellt zur Überzeugung der Kammer eine Schutzbehauptung dar. Vielmehr nahm sie sexuelle Handlungen auf der Asche ihres Mannes vor, um diesen so zum Objekt ihrer Belustigung zu machen (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter lit. D. Ziff. II. 3. f.).
III. Konkurrenzen
602
Die zu verschiedenen Zeitpunkten und durch selbstständige Tatentschlüsse begangenen Straftaten des Mordes und der Störung der Totenruhe stehen zueinander in Tatmehrheit gemäß § 53 StGB.
F. Strafzumessung
I. Mord
603
Für den an H2. S6. begangenen Mord verhängte die Kammer als Einsatzstrafe gemäß § 211 Abs. 1 StGB eine lebenslange Freiheitsstrafe.
604
Eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB kam nicht in Betracht (vgl. diesbezüglich die Ausführungen zur Schuldfähigkeit unter lit. D. Ziff. III.). Anhaltspunkte für andere Milderungsgründe liegen nicht vor.
II. Störung der Totenruhe
605
Für den Straftatbestand der Störung der Totenruhe sieht der Strafrahmen des § 168 Abs. 1 StGB Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor.
606
Zu Gunsten der Angeklagten war zu berücksichtigen, dass sie nicht vorbestraft ist und bezüglich des Aufbrechens des Urnengrabs und der Entnahme der Asche geständig war. Zu ihren Lasten wertete die Kammer, dass die Angeklagte vorliegend durch die Wegnahme der Asche und das anschließende Verüben beschimpfenden Unfugs zwei Tatbestandsvarianten verwirklicht hat.
607
Unter Abwägung der für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände hielt die Kammer daher als Einzelstrafe eine Freiheitsstrafe von neun Monaten für tat- und schuldangemessen.
III. Gesamtstrafenbildung
608
Aus den genannten Einzelstrafen war aufgrund einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Einzelstrafe gemäß §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 StGB eine lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden.
G. Besondere Schwere der Schuld
609
Hinsichtlich der Schuld der Angeklagten war deren besondere Schwere im Sinne der §§ 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 57b StGB festzustellen.
610
Die Feststellung besonderer Schwere der Schuld im Sinne des § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB setzt voraus, dass das gesamte Tatbild einschließlich der Täterpersönlichkeit von erfahrungsgemäß vorkommenden Fällen so sehr abweicht, dass eine Strafaussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung nach 15 Jahren auch bei dann günstiger Täterprognose unangemessen wäre (vgl. BGH Beschl. vom 23.01.2014, Az. 2 StR 637/13, NStZ 2014, 212). Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schuldschwere zu bejahen ist, hat der Tatrichter unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (vgl. BGH Beschl. vom 18.10.2018, Az. 3 StR 408/18, NStZ 2019, 202). Auch bei dem Zusammentreffen zweier Mordmerkmale, die auf materiell verschiedenen schulderhöhenden Umständen beruhen, bedarf es einer fallspezifischen Gesamtwürdigung von Tat und Täter (vgl. BGH Beschl. vom 23.01.2014, a.a.O.)
611
Vorliegend sprach zu Gunsten der Angeklagten insbesondere, dass sie bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Hinsichtlich der Persönlichkeit der Angeklagten berücksichtigte die Kammer, dass bei ihr eine histrionische Persönlichkeitsakzentuierung vorliegt (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter lit. D. Ziff. III.). Relativierend war zu bedenken, dass die histrionischen Persönlichkeitsakzente der Angeklagten keinen erkennbaren Einfluss auf die Tatplanung, Tatmotivation und Tatausführung hatten. Die Angeklagte plante die Tat über mehrere Monate, traf Vorbereitungen und führte die Tat schließlich zu einem ihr geeigneten Zeitpunkt heimlich in der Nacht aus. Motiviert war die Tat vor allem durch finanzielle Aspekte. Übertriebene Emotionalität, labile Affektivität oder ein extremes Streben nach Beachtung, wie sie für histrionisches Verhalten kennzeichnend wären, spielten für all dies keine erkennbare Rolle.
612
Schulderhöhend würdigte die Kammer, dass es sich um eine länger und mit erheblicher krimineller Energie vorgeplante Tat handelt. Die Angeklagte beschäftigte sich über mehrere Monate mit der Tatplanung, beschaffte sich zwei Tatmittel und traf mit der heimlichen Ummeldung der Fahrzeuge des Geschädigten auf sich zwei Tage vor der Tat bereits Vorkehrungen für die spätere Erbauseinandersetzung mit den pflichtteilsberechtigten Kindern des Geschädigten.
613
Zu Lasten der Angeklagten wirkt sich aus, dass sie bei der Tatausführung zwei verschiedene Tatmittel einsetzte und den Tatablauf über Stunden zielgerichtet steuerte.
614
Zudem wertete die Kammer schulderschwerend, dass die Angeklagte zwei Mordmerkmale und davon jedes in einem über das normale und erforderliche Maß hinaus verwirklicht hat. Bei dem Mordmerkmal der Heimtücke nutzte die Angeklagte nicht nur die Arg- und Wehrlosigkeit des schlafenden Geschädigten bewusst aus, sondern führte den Tiefschlaf durch die Gestaltung des Abends (gemeinsames Essen und Alkoholtrinken, Geschlechtsverkehr) und das Vertauschen der Tabletten zielgerichtet herbei (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter lit. D. Ziff. II. 3. b. u. lit. E. Ziff. I. 3.). Dem Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe liegt ein Motivbündel zugrunde, dessen handlungsbestimmenden Motive alle sittlich auf tiefster Stufe stehen, und das zugleich Habgier- bzw. habgierähnliche Elemente (Vermeiden finanzieller Nachteile durch Trennung von einem Mann und Erstreben finanzieller Vorteile durch einen anderen Mann) enthält (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter lit. E. Ziff. I. 4.).
615
Auch sprach gegen die Angeklagte, dass sie tatmehrheitlich den Tatbestand der Störung der Totenruhe gemäß § 168 StGB verwirklichte.
616
Schließlich überschreitet der Versuch der Angeklagten, ihren Bekannten B4. Anfang Februar 2019 zu falschen Angaben dahingehend anzustiften, dass der Geschädigte zusammen mit ihm sein Geld in Bulgarien beim Glücksspiel und bei Prostituierten ausgegeben hätte (vgl. diesbezüglich die Aussagen des Zeugen B4. unter lit. D. Ziff. II. 2. a.), die Grenzen zulässiger und angemessener Verteidigung und stellt zugleich ein das Ansehen des H2. S6. beschädigendes, verleumderisches Verhalten dar.
617
Unter Abwägung der genannten für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände gelangte die Kammer aufgrund der Vielzahl der schulderhöhenden Gesichtspunkte zur Feststellung der Schuldschwere im Sinne des § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB.
H. Maßregel
I.
618
Die Anordnung einer Maßregel gemäß den §§ 63 und 64 StGB kam vorliegend nicht in Betracht.
619
Auf die Ausführungen zur Schuldfähigkeit unter lit. D. Ziff. III. wird insoweit Bezug genommen. Ergänzend führte der psychiatrische Sachverständige Dr. L2. zu den medizinischen Voraussetzungen des § 64 StGB aus, dass er aufgrund der Befunde in den Krankenunterlagen aus dem Jahr 2012 und den Ergebnissen der Haarprobe bei der Angeklagten von einem Missbrauch an der Grenze oder im Bereich der Abhängigkeit vornehmlich von Schlaf- und Beruhigungsmitteln (ICD-10: F 13.2) ausgehe. Die Beweisaufnahme habe jedoch keine Hinweise auf eine diesbezügliche Einschränkung der Angeklagten im Alltagsleben im Tatzeitraum ergeben. Der langjährige Hausarzt der Angeklagten, der Zeuge Dr. K1., habe berichtet, dass der Angeklagten die Medikamentenabhängigkeit nicht im Alltag anzumerken gewesen sei und in den letzten Jahren Probleme in dieser Richtung nicht mehr Gesprächsinhalt mit der Angeklagten gewesen seien. Eine soziale Gefährdung der Angeklagten sei daher aus psychiatrischer Sicht zu verneinen. Darüber hinaus sei kein Symptomzusammenhang zwischen dem vorgeworfenen Delikt und dem Medikamentenmissbrauch erkennbar.
620
Die Kammer folgt auch insoweit aufgrund eigener Prüfung und Überzeugung den nachvollziehbaren Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen.
II.
621
Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB sind nicht gegeben.
622
Eine Vorverurteilung der Angeklagten liegt nicht vor. Von den vorliegend abzuurteilenden zwei selbstständigen Straftaten stellt nur § 211 StGB eine Katalogtat gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 lit. a) StGB dar, so dass auch die Anwendung von § 66 Abs. 2 StGB bzw. § 66 Abs. 3 S. 2 StGB ausscheidet.
I. Einziehung
623
Gegen die Angeklagte war gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 27.186,00 € als Wertersatz anzuordnen.
624
Aufgrund des Todes des Geschädigten H2. S6. hat die Versorgungseinrichtung der Bezirksärztekammer Koblenz der Angeklagten vom 30.8.2018 bis 30.3.2020 eine monatliche Hinterbliebenenrente in Höhe von 1.359,30 € gezahlt. Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der Angaben des Zeugen T3. zur Rentenhöhe und zum Zahlungsbeginn (vgl. diesbezüglich die Ausführungen des Zeugen unter lit. D. Ziff. 2. a.) sowie aufgrund des in der Hauptverhandlung verlesenen Schreibens der Bezirksärztekammer Koblenz vom 14.4.2020, in dem diese der Angeklagten die Einstellung der Rentenzahlung zum 30.4.2020 mitteilte.
625
Die monatliche Hinterbliebenenrente stellt einen durch den Mord erlangten Vermögenswert im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB dar. Die Versorgungseinrichtung der Bezirksärztekammer Koblenz hat auf entsprechende Mitteilung der Angeklagten über den Tod ihres Ehemanns die monatliche Auszahlung einer Hinterbliebenenrente an die Angeklagte veranlasst. Einer „unmittelbaren“ Kausalbeziehung zwischen Tat und Vorteil bedarf es nach der am 1.7.2017 in Kraft getretenen Neufassung der Vorschrift nicht mehr. Vielmehr reicht ein - wie vorliegend - nach bereicherungsrechtlichen Wertungen erlangter wirtschaftlicher Vorteil (vgl. Münchner Kommentar zum StGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 73 Rn. 36, 15). Aufgrund der Beschaffenheit des Erlangten („Buchgeld“) war eine Einziehung gemäß § 73 Abs. 1 StGB nicht möglich und stattdessen gemäß § 73c Satz 1 StGB die Einziehung des Wertersatzes in entsprechender Höhe auszusprechen.
J. Adhäsionsverfahren
I.
626
Die Nebenkläger begehren im Adhäsionsverfahren Hinterbliebenengeld und die Feststellung der künftigen materiellen und immateriellen Schadensersatzpflicht.
627
Der Prozessbevollmächtigte der Nebenkläger hat in der Hauptverhandlung am 20.11.2020 folgende Adhäsionsanträge namens der Nebenkläger gestellt:
628
1. Die Antragsgegnerin wird verurteilt, an die Antragstellerin zu 1), H8. Sch., ein Hinterbliebenengeld in Höhe von mindestens 5.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit des Adhäsionsantrages zu bezahlen.
629
2. Die Antragsgegnerin wird verurteilt, an die Antragstellerin zu 2), Co. Sc., ein Hinterbliebenengeld in Höhe von mindestens 7.500 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit des Adhäsionsantrages zu bezahlen.
630
3. Die Antragsgegnerin wird verurteilt, an den Antragsteller zu 3), J2. Sc., ein Hinterbliebenengeld in Höhe von mindestens 7.500 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit des Adhäsionsantrages zu bezahlen.
631
4. Die Antragsgegnerin wird verurteilt, an den Antragsteller zu 4), Ph. Sc., ein Hinterbliebenengeld in Höhe von mindestens 7.500 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit des Adhäsionsantrages zu bezahlen.
632
5. Es wird festgestellt, dass der Anspruch aus einer unerlaubten Handlung herrührt.
633
6. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, den Antragstellern sämtliche künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus den verfahrensgegenständlichen Straftaten zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.
634
7. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Adhäsionsverfahrens.
635
Die Angeklagte hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie bestreitet die ihr vorgeworfene Tötung ihres Ehemanns.
II.
636
Die gemäß §§ 403, 404 Abs. 1 StPO zulässigen Adhäsionsanträge der Nebenkläger sind begründet.
637
1. Den Nebenklägern steht gemäß § 844 Abs. 3 BGB ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld zu.
638
a. Nach den getroffenen Feststellungen (lit. C. Ziff. III.) hat die Angeklagte ihren Ehemann H2. S6. am 8.8.2018 getötet.
639
b. Alle vier Nebenkläger sind anspruchsberechtigt, da sie zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zu dem Getöteten standen.
640
(1) Bei den Nebenklägern Co., J2. und Ph. Sc. handelt es sich um die leiblichen Kinder des Getöteten (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter lit. B. Ziff. II.). Bei ihnen wird ein besonderes persönliches Näheverhältnis zum Getöteten gemäß § 844 Abs. 3 S. 2 BGB gesetzlich vermutet.
641
Diese gesetzliche Vermutung wurde im Rahmen der Beweisaufnahme nicht widerlegt.
642
Zwar behauptete die Angeklagte, ihr Ehemann habe sich darüber aufgeregt, dass seine Kinder nur zu ihm kämen, um Geld zu bekommen, und er noch am Abend des 7.8.2018 sich über die „Scheiss Kinder“ aufgeregt habe (vgl. diesbezüglich die Einlassung der Angeklagten unter lit. D. Ziff. II. 1.). Auch wurden im Ehe- und Erbvertrag des Ehepaars S6. vom 26.8.2015 im Falle des Todes von H2. S6. die Angeklagte und nicht seine Kinder als Erben eingesetzt.
643
Die Kammer ist der Einlassung der Angeklagten jedoch nicht gefolgt. Vielmehr ist sie aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung gelangt, dass H2. S6. trotz der Nichtberücksichtigung seiner Kinder im Erbvertrag ein sehr gutes und enges Verhältnis zu seinen bei der Mutter in M. lebenden drei Kindern gehabt hat und mit ihnen in regelmäßigen Kontakt durch gegenseitige Besuche in M. und T.see sowie über Telefon und Whatsapp gestanden ist. Diese Feststellungen beruhen insbesondere auf den glaubhaften Angaben der Zeugen C1., J2. und Ph. Sc.. Die Zuneigung des H2. S6. zu seinen Kindern bezeugten zudem glaubhaft die Zeugen W2. und B5. sowie die Bekannte der Angeklagten E1. H3. Auf die Aussagen der genannten Zeugen und die Ausführungen der Kammer unter lit. D. Ziff. II. 2. a. wird insoweit Bezug genommen.
644
(2) Die Nebenklägerin H8. Sch. ist die Schwester des Getöteten. Als solche zählt sie nicht zu den in § 844 Abs. 3 S. 2 BGB genannten Personen, bei denen ein besonderes persönliches Näheverhältnis gesetzlich vermutet wird. Es bedarf vielmehr des Nachweises eines persönlichen Näheverhältnisses im Einzelfall.
645
Nach der Gesetzesbegründung ist hierfür die Intensität der tatsächlich gelebten Beziehung maßgeblich. Die Beziehung müsse eine Intensität aufweisen, wie sie in den in § 844 Abs. 3 S.2 BGB aufgeführten Fällen typischerweise besteht (vgl. BT-Drs. 18/11397, S.13). Wagner verlangt, dass die Nähe über die Tiefe und Intensität freundschaftlicher Verbindungen in der Sozialsphäre, also in Beruf, Sport und Freizeit, deutlich hinausgehe. Als Indizien kämen einerseits familienrechtliche Bande, andererseits tatsächliche soziale Lebensentwürfe in Betracht (vgl. Münchner Kommentar zum BGB/Wagner, 8. Aufl., § 844 Rn. 103).
646
Die Beweisaufnahme hat zur Überzeugung der Kammer den Nachweis eines auf familienrechtliche Bande beruhenden besonderen persönlichen Näheverhältnisses erbracht. Bei der Nebenklägerin handelte es sich nach dem Tod der Eltern und des Bruders K2. um die nächste Blutsverwandte des Getöten nach seinen drei Kindern.
647
Nach der Einlassung der Angeklagten und ihren Angaben gegenüber der Nebenklägerin H8. Sch. habe der Geschädigte seine Schwester gehasst und sie nicht auf seiner Beerdigung „dabeihaben“ wollen.
648
Dem ist die Kammer nicht gefolgt. Vielmehr ist sie aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung gelangt, dass sich H2. S6. und seine Schwester mit Ausnahme einer weitgehenden Kontaktunterbrechung wegen Erbstreitigkeiten zwischen Ende 2013 und Anfang 2016 besonders nahestanden. Sie hatten eine enge Beziehung zueinander während ihrer Kindheit und Jugend. Auch als Erwachsene standen beide bis Ende 2013 in regelmäßigem Kontakt, trafen sich trotz der großen räumlichen Entfernung zwischen H1. und M./T.see und unternahmen zusammen Reisen. Nach einer Aussprache Anfang 2016 telefonierten beide wieder regelmäßig, zuletzt eine Woche vor dem Tod, und tauschten sich über Whatsapp aus. Dabei beschränkte sich der Kontakt nicht auf Oberflächliches, vielmehr berichtete H2. S6. seiner Schwester auch über seine damalige depressive Phase und die Notfallüberweisung des Hausarztes für eine psychiatrische Klinik. Intensiver wurde der Kontakt nochmals ab Juli 2018, als sich beide bei einer Cousine im Schwarzwald trafen, anschließend eine gemeinsame Schiffsreise auf der Wolga für das Jahr 2019 planten und Mitte Juli 2018 buchten. Die Feststellungen der Kammer beruhen insbesondere auf den glaubhaften Angaben der Zeugin S8. und Ph. Sc. Auch der langjährige Freund der Angeklagten J4. berichtete, dass H2. S6. mit seiner Schwester öfter in Kontakt gestanden und diese zum Missfallen der Angeklagten einen großen Einfluss auf ihren Bruder gehabt habe. Auf die Aussagen der genannten Zeugen und die Ausführungen der Kammer unter lit. D. Ziff. II. 2. a. wird insoweit Bezug genommen.
649
c. Gegenüber dem Anspruch auf Hinterbliebenengeld vorrangige Schmerzensgeldansprüche gemäß §§ 823, 253 BGB, die den Schaden für das zugefügte Leid mitumfassen und diesen konsumieren würden (vgl. BT-Drs. 18/11397, S. 12) wurden nicht geltend gemacht.
650
d. Die Höhe des Hinterbliebenengeldes war von der Kammer unter Berücksichtigung der maßgeblichen Billigkeitsgesichtspunkte gemäß § 287 ZPO festzusetzen. Im Vordergrund steht dabei nicht die Kompensation etwaiger wirtschaftlicher Nachteile, sondern der Ausgleich seelischer Nachteile, die durch den Verlust einer geliebten Person eintreten (vgl. Münchner Kommentar zum BGB/Wagner, a.a.O. Rn. 105). Nach der Gesetzesbegründung können die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Höhe von Schmerzensgeld bei Schockschäden eine gewisse Orientierung geben. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass das Hinterbliebenengeld keine außergewöhnliche gesundheitliche Beeinträchtigung voraussetze (vgl. BT-Drs. 18/11397, S. 14). Die Kostenschätzung in der Gesetzesbegründung lässt einen Durchschnittsbetrag von 10.000 € pro Geschädigten erkennen (a.a.O., S. 11).
651
Bei den drei leiblichen Kindern des Getöteten berücksichtigte die Kammer, dass sie zwar wegen der Trennung der Eltern nicht mit dem Getöteten in einem Haushalt zusammenwohnten, dass sie aber wegen ihres Alters und der noch nicht abgeschlossenen Schul- bzw. Berufsausbildung auf ihre Eltern noch in stärkerem Maße als selbstständig im Leben stehende erwachsene Kinder angewiesen sind. Ein Hinterbliebenengeld in Höhe von jeweils 7.500,00 €, wie beantragt, erachtete die Kammer insoweit als angemessen.
652
Bei der Bemessung der Höhe des Hinterbliebenengeldes für die Nebenklägerin H8. Sch. war zu berücksichtigen, dass einerseits eine langjährige Beziehung zum Getöteten vorlag und es sich um den Verlust des letzten nahen Angehörigen der Nebenklägerin handelt, andererseits das Verhältnis der Nebenklägerin zum Getöteten auf einer niedrigeren Stufe anzusiedeln ist als das der drei leiblichen Kinder des Getöteten. Insofern erachtete die Kammer den als Hinterbliebenengeld beantragten Mindestbetrag in Höhe von 5.000,00 € als angemessen.
653
2. Gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB i. V. m. § 404 Abs. 2 S. 2 StPO ist das Hinterbliebenengeld ab dem Tag nach Rechtshängigkeit des Antrags, vorliegend ab dem 21.11.2020, zu verzinsen.
654
3. Im Hinblick auf die erweiterte Pfändbarkeit gemäß § 850f Abs. 2 ZPO war auf Antrag der Nebenkläger festzustellen, dass ihre Ansprüche auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhen.
655
4. Schließlich war in Anwendung des § 256 ZPO die aus §§ 823 Abs. 1, 253 BGB abgeleitete Ersatzpflicht der Angeklagten für alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden der Nebenkläger auszusprechen. Auch im Hinblick auf den von der Angeklagten verwirklichten Straftatbestand der Störung der Totenruhe ist eine deliktische Haftung wegen schwerwiegender Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Nebenkläger als nahe Angehörige dem Grunde nach gegeben (vgl. LG Krefeld, NJW-RR 2017, 881), zumal die Angeklagte durch die vorsätzliche Tötung ihres Ehemanns das ihr als Ehefrau grundsätzlich zustehende primäre Totenfürsorgerecht verloren hat.
K. Kosten
656
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1 S. 1, 472 Abs. 1, 472a Abs. 1 StPO. Den im Adhäsionsverfahren gestellten Anträgen der Nebenkläger auf Hinterbliebenengeld hat die Kammer stattgegeben, so dass die Angeklagte gemäß § 472a Abs. 1 StPO auch die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen hat.