Titel:
Angelegenheiten nach §§ 6a und 6b BKGG
Schlagworte:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Leistungen, Kindergeld, Einkommen, Berufung, Jobcenter, Bescheid, Nachzahlung, Kinderzuschlag, Verpflichtungsklage, Grundsicherungsleistungen, Gerichtsbescheid, Klageverfahren, Ermessen, Verfahren, Sicherung des Lebensunterhalts, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, Anspruch auf Kindergeld
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 10.05.2021 – L 7 BK 3/21
BSG Kassel, Beschluss vom 16.09.2021 – B 14 KG 5/21 BH
Fundstelle:
BeckRS 2020, 51518
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1
Streitig ist die Höhe der für Dezember 2012 gewährten Grundsicherungsleistungen und die Verzinsung der Nachzahlung für Dezember 2012 durch Urteil vom 24. September 2012 (L 7 BK 12/17).
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Der Kläger zu 1. (A.B.) lebt zusammen mit seiner Ehefrau C.D., der Klägerin zu 2., und den gemeinsamen drei Kindern E. (geboren 2003), F. (geboren 2005) und G. (geboren 2007) in einem gemeinsamen Haushalt.
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Erstmals am 29. August 2007 beantragte die Klägerin zu 2. Kinderzuschlag bei der Beklagten. Die Beklagte hat an die Klägerin zu 2. ab August 2007 bis Dezember 2007 und an den Kläger zu 1. ab Oktober 2008 bis Oktober 2011 Kinderzuschlag bewilligt.
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Die Kläger und ihre Töchter erhalten seit 1. September 2015 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Jobcenter H..
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Im Klageverfahren S 9 BK 6/15 war Kinderzuschlag für den Zeitraum November 2012 bis April 2013 streitig. Das Sozialgericht Bayreuth hat mit Urteil vom 15. November 2017 (Az.: S 9 BK 6/15) die Klage der Kläger und ihrer drei Töchter E., F. und G. gegen den Bescheid vom 13. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 11. Februar 2015 als unbegründet zurückgewiesen. Im Berufungsverfahren L 7 BK 12/17 hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das örtlich zuständige Jobcenter zum Verfahren beigeladen. Mit Urteil vom 24. September 2019 hat das Bayerische LSG den Beigeladenen zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Dezember 2012 (577,80 € (Kläger zu 1.), 503,00 € (Kläger zu 2.) bzw. 233,00 € bzw. 233,00 € bzw. 195,00 € (für Töchter der Kläger)) verurteilt und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen. Das Urteil vom 24. September 2019 wurde den Klägern am 6. November 2019 zugestellt.
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Ab dem 13. November 2019 und ab 30. November 2019 wandten sich die Kläger mit mehreren Schriftsätzen an das Bayerische LSG und das Sozialgericht Bayreuth (Az. S 9 BK 6/15) und beantragten unter anderem die Wiederaufnahme der Verfahren in beiden Instanzen. Das erhaltene Urteil sei für sie eine Restitutionsurkunde. Ihnen sei nicht bekannt gewesen, dass sie aufgrund des Zahlstopps im Dezember 2012 kein Einkommen gehabt hätten, was zum Wegfall von Kinderzuschlag in diesem Monat und zum Anspruch auf Arbeitslosengeld II führen würde. Der Meistbegünstigungsgrundsatz sei zu beachten.
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Am 4. Dezember 2019 reichten die Kläger Klage (Az.: S 9 BK 11/19) ein. Das Bayerische LSG hätte im Urteil L 7 BK 12/17 für Dezember 2012 das Kindergeld vergessen.
8
Gegen das Urteil vom 24. September 2019 erhoben die Kläger am 11. Dezember 2019 Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht (BSG, Az.: B 4 KG 6/20 B). Diese wurde mit Beschluss vom 6. Februar 2020 als unzulässig verworfen.
9
Das Sozialgericht Bayreuth hat im Verfahren S 9 BK 11/19 mit Beschluss vom 7. Januar 2020 das Jobcenter H. zum Verfahren nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beigeladen.
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Das Bayerische LSG hat mit Urteil vom 13. Februar 2020 die Wiederaufnahme der Kläger gegen das Urteil des Senats vom 24. September 2019 L 7 BK 12/17 verworfen. Die Wiederaufnahmeklage sei nicht statthaft. Durch die Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG sei der Eintritt der Rechtskraft gehemmt worden. Es würde an einem rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens, dessen Wiederaufnahme die Kläger begehren würden, fehlen. Nichtigkeitsgründe nach § 579 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) noch Restitutionsgründe nach § 580 ZPO jeweils i. V. m. § 179 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien weder von den Klägern behauptet worden noch anderweitig ersichtlich.
11
Die Kläger bringen vor, dass das Verhalten der Beklagten dem Beigeladenen zuzurechnen sei. Es sei Verzinsung beantragt worden. Auch Leistungen für Bildung und Teilhabe, Mehrbedarfe und abweichende Leistungserbringungen sowie der Ausgleich bereits entstandener und noch entstehender Folgeschäden seien unberücksichtigt geblieben.
12
Die Kläger beantragen (sinngemäß),
festzustellen und die Beklagte bzw. den Beigeladenen zu verpflichten, den durch Urteil vom 24. September 2019 (L 7 BK 12/17) zugesprochenen Betrag für Dezember 2012 um das Kindergeld in Höhe von 558,00 € zu erweitern und zu verzinsen.
13
Die Beklagte stellt keinen Antrag.
14
Die Beklagte bringt vor, dass für den Monat Dezember 2012 kein Anspruch auf Kindergeld bestehen würde, da die Mindesteinkommensgrenze gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) nicht erreicht werde. Kindergeld sei kein Einkommen im Sinne des § 11 SGB II.
15
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Er verweist darauf, dass nicht ersichtlich wäre, dass die zugesprochenen Beträge zu erweitern wären. Das Urteil sei nach Kenntnis des Beigeladenen rechtskräftig. Ein Anspruch auf Verzinsung sei nicht erkennbar. Die Beiladung des Beigeladenen sei erst am 17. September 2019 erfolgt, noch vor Eintritt der Rechtskraft des Urteils sei geleistet worden. Nach Eingang des Urteils am 6. November 2019 seien Zahlungen am 4. Dezember 2019 angewiesen worden.
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Der für den 25. März 2020 geladene mündliche Verhandlungstermin wurde aufgrund der Corona-Pandemie aufgehoben.
18
Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 17. März 2020 zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG angehört. Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 15. April 2020 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Die Kläger haben mit mehreren Schreiben um richterliche Hinweise gebeten, wie das Gericht entscheiden will und weshalb.
19
Mit Gerichtsbescheid vom 21. April 2020 hat das Gericht im Verfahren die Klage abgewiesen.
20
Am 12. Mai 2020 haben die Kläger einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Es seien vom Gericht nicht die angeforderten richterlichen Hinweise erfolgt. Das Jobcenter sei beizuladen. Die Berufung sei zuzulassen.
21
Eine mündliche Verhandlung fand im Verfahren am 30. Juni 2020 statt. Zu dieser sind die Beteiligten nicht erschienen. In der Ladung vom 26. Mai 2020 wurden die Kläger, die Beklagte und der Beigeladene darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.
22
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten S 9 BK 6/15, S 9 BK 11/19 und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
23
Das Gericht konnte trotz Nichterscheinens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entscheiden. Die Kläger, die Beklagte und auch der Beigeladene wurden in der Ladung vom 26. Mai 2020 darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.
24
Verfahrenshindernisse bestehen nicht. Durch den Gerichtsbescheid vom 21. April 2020 war den Klägern hinreichend klar, wie das Gericht entscheiden wollte.
25
Die Klage der Kläger ist unzulässig.
26
Das Bayerische LSG hat rechtskräftig mit Urteil vom 24. September 2019 über die für Dezember 2012 an die Kläger zu gewährenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II entschieden (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 141, Rdnr. 2 ff. - BAYERN.RECHT). Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung hat das BSG mit Beschluss vom 6. Februar 2020 (Az. B 4 KG 6/19 B) verworfen. Die Wiederaufnahme des Klage- und Berufungsverfahrens wurde mit Urteilen vom 17. April 2020 (B 9 BK 6/15) bzw. 13. Februar 2020 (L 7 BK 12/17) verworfen. Aufgrund der rechtskräftigen Entscheidungen war das Jobcenter H. nicht notwendig beizuladen.
27
Zudem ist die von den Klägern erhobene Feststellung- und Verpflichtungsklage im Hinblick auf die Verzinsung der Nachzahlung für Dezember 2012 unzulässig.
28
Die Feststellungsklage ist hier subsidiär, da die Kläger hier auch ihr Ziel mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgen könnten (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 55, Rdnr. 19 ff. - BAYERN.RECHT).
29
Die Verpflichtungsklage ist die richtige Klageart, wenn die Behörde nicht zur Leistungsgewährung, sondern nur zur Erteilung eines neuen Verwaltungsaktes verurteilt werden kann oder wenn die Leistungsgewährung im Ermessen der Behörde steht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 54, Rdnr. 24 - BAYERN.RECHT). Vorliegend könnte jedoch der Beigeladene zur Leistungsgewährung - Verzinsung der Nachzahlung für Dezember 2012 - und nicht nur zur Erteilung eines neuen Verwaltungsaktes verurteilt werden. Die Leistungsgewährung steht nicht im Ermessen der Behörde. Bislang hat der Beigeladene noch keinen Bescheid hinsichtlich einer möglichen Verzinsung der Nachzahlung für Dezember 2012 erlassen. In einer solchen Entscheidung wird zu berücksichtigen sein, ob möglicherweise der Antragseingang bei der Beklagten berücksichtigt werden müsste (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 1995 - 5 RJ 6/94 - juris; Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Auflage, § 44, Stand 9. April 2020, Rdnr. 35).
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.
31
Dieses Urteil kann nicht mit der Berufung angegriffen werden, da der Berufungsstreitwert von 750,00 € im Hinblick auf die begehrte Erweiterung in Höhe von 558,00 € nicht erreicht wird. Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht gegeben, vgl. § 144 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGG. Insbesondere hat die Entscheidung keine grundsätzliche Bedeutung.