Titel:
Kommanditbeteiligung, Insolvenzverfahren, Insolvenzverwalter, Gesellschaft, Insolvenzschuldnerin, Kommanditeinlage, Beteiligung, Haftung, Kommanditist, Zahlung, Insolvenztabelle, Anspruch, Einlage, Feststellung, teleologische Reduktion, Gewinn und Verlustrechnung, Anmeldung im Insolvenzverfahren
Schlagworte:
Kommanditbeteiligung, Insolvenzverfahren, Insolvenzverwalter, Gesellschaft, Insolvenzschuldnerin, Kommanditeinlage, Beteiligung, Haftung, Kommanditist, Zahlung, Insolvenztabelle, Anspruch, Einlage, Feststellung, teleologische Reduktion, Gewinn und Verlustrechnung, Anmeldung im Insolvenzverfahren
Rechtsmittelinstanzen:
LG München I, Berichtigungsbeschluss vom 22.07.2020 – 22 O 13512/19
OLG München, Hinweisbeschluss vom 21.12.2020 – 7 U 4914/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 51474
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 265.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.01.2018 sowie weitere 3.694,83 € zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 265.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Forderungen des Klägers als Insolvenzverwalter über das Vermögen der … gegenüber der Beklagten als Rechtsnachfolgerin eines Kommanditisten wegen des Unterschreitens der Kommanditeinlage durch Ausschüttungen.
2
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 07.05.2014 unter dem Aktenzeichen 5 IN 104/13 beim Amtsgericht … eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der … (nachfolgend: „Insolvenzschuldnerin“). Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin des ursprünglichen Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin, …, und hat im Moment der Sonderrechtsnachfolge eine Einlageverpflichtung in Höhe von 500.000 € übernommen.
3
Die Insolvenzschuldnerin erwirtschaftete seit der Aufnahme ihrer Kommanditisten im Jahr 2001 laufend Verluste. Im Jahr 2001 erwirtschaftete die Insolvenzschuldnerin einen Verlust in Höhe von 17.610.150,18 €. Bis auf die Geschäftsjahre 2003, 2004 und 2005 erwirtschaftete die Insolvenzschuldnerin ausschließlich Verluste. Hinsichtlich der genauen Darstellung der Bilanzen sowie der Gewinn und Verlustrechnung der Jahre 2001-2013 wird auf die Anlage K3 verwiesen. Die Jahresergebnisse waren wie folgt:
Jahr
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Ergebnis
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2001
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-17.610.155,18 €
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2002
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-2.851.663,01 €
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2003
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7.806.364,70 €
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2004
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9.256.065,29 €
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2005
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7.303.873,76 €
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2006
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-29.404.907,34 €
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2007
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-127.850,01 €
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2008
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-248.006,68 €
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2009
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-270.628,73 €
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2010
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-229.175,83 €
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2011
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-276.981,22 €
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2012
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-25.356.430,33
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2013
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-678.548,30
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4
Die Kapitalkonten der Kommanditisten waren daher bereits im Beitrittsjahr unter dem Betrag der jeweiligen Haft Einlage herabgemindert worden wegen der dargestellten Verluste kam es auch in der Folgezeit nicht mehr zu einer vollständigen Auffüllung.
Datum
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Anteil an Kommanditbeteiligung
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in Betrag in Euro
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%
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20.06.2003
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(4 % der Kommanditbeteiligung)
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20.000,00 €
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10.12.2003
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(4 % der Kommanditbeteiligung)
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20.000,00 €
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11.06.2004
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(4 % der Kommanditbeteiligung)
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20.000,00 €
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14.12.2004
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(6 % der Kommanditbeteiligung)
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30.000,00 €
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13.06.2005
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(4 % der Kommanditbeteiligung)
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20.000,00 €
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20.12.2005
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(4 % der Kommanditbeteiligung)
|
20.000,00 €
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09.06.2006
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(4 % der Kommanditbeteiligung)
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20.000,00 €
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29.09.2006
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(9 % der Kommanditbeteiligung)
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45.000,00 €
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18.12.2006
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(4 % der Kommanditbeteiligung)
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20.000,00 €
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14.06.2007
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(4 % der Kommanditbeteiligung)
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20.000,00 €
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21.12.2007
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(2 % der Kommanditbeteiligung)
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10.000,00 €
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23.12.2008
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(4 % der Kommanditbeteiligung)
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20.000,00 €
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Gesamt:
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53 % der Kommanditbeteiligung
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265.000,00 €
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5
Trotz der erwirtschafteten Verluste denselben Schuldnerin wurden in den Jahren 2003-2008 Ausschüttungen in Höhe von jeweils 4 %-17 %, insgesamt 53 % des Kommanditkapitals an die Kommanditisten vorgenommen. Der Rechtsvorgänger der Beklagten, der eine Beteiligung in Höhe von 500.000 € übernommen hatte, erhielt daher Ausschüttungen in Höhe von 265.000 €. Diese stellen sich wie folgt dar.
6
Im gegenständlichen Insolvenzverfahren sind bereits Forderungen der Gläubiger in Höhe von über 55.695.211,48 € zur Insolvenztabelle angemeldet worden. Lediglich in Höhe von 860.971,29 € wurden Forderung bestritten sowie in Höhe von 564,66 € zurückgenommen. Mithin wurden Forderung in Höhe von 54.833.056,53 € zur Insolvenztabelle festgestellt. Soweit Haftungsansprüche für die von der Insolvenzschuldnerin gehaltenen Kommanditanteile den Einschiffgesellschaften zur Tabelle angemeldet wurden, wurde für die Prüfung dieser Forderung ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt. Dieser erkannte die Forderung an. Die freie Masse genügt nicht, um sämtliche Verbindlichkeiten zu befriedigen. Der Kläger verfügte bei Verfahrenseröffnung über eine freie Masse in Höhe von 1098,79 € auf dem Massekonto befinden sich bei Klageerhebung 1.058,79 €. Selbst wenn alle Ausschüttungen in Höhe von 52.021.090 € zurückgeführt werden könnten, reicht dies auch bei Hinzunahme der freien Masse nicht aus, um die festgestellten Gläubigerforderung vollständig zu bedienen.
7
Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 03.01.2018 zur Rückzahlung der ihr zurechenbaren Ausschüttungen unter Fristsetzung bis zum 24.01.2018 auf. Nachdem keine Zahlung seitens der Beklagten erfolgt war, forderten die nunmehr eingeschalteten Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagte mit Schreiben vom 30.04.2018 erneut zur Zahlung auf.
8
Der Kläger meint, gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückgewähr der Kommanditeinlage gemäß §§ 172 Abs. 4 S. 2, 171 Abs. 2 HGB zu haben. Die Beklagte müsse darlegen und beweisen, dass die erhaltenen Ausschüttungen ihre Haftung nicht nach § 172 Abs. 4 S. 1 und S. 2 HGB wiederaufleben ließen.
9
Jedenfalls könne sich die Beklagte nicht auf die Verjährung der Forderungen berufen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH vom 20.02.2018, Az. II ZR 272/16) nehme die mittelbar aus § 201 Abs. 2 InsO folgende Rechtskraftwirkung der widerspruchslos erfolgten Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle gemäß § 129 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB auch dem Kommanditisten die der Gesellschaft abgesprochenen Einwendungen gegen die Gläubigerforderungen. Daher stehe der Beklagten auch die Einrede der Verjährung nicht zu.
10
Dies gelte gemäß §§ 161 Abs. 2, 159 Abs. 4 HGB auch für die Haftungsansprüche gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin. Nach § 159 Abs. 4 HGB i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB sei die Verjährung der Ansprüche auch gegenüber den Kommanditisten gehemmt.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 265.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.01.2018 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten in Höhe von 3.694,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2018 zu zahlen.
12
Die Beklagte beantragt,
13
Die Beklagte meint, die Ansprüche des Klägers wären verjährt. Grundsätzlich würden die Ansprüche gegen einen Gesellschafter gemäß § 159 Abs. 1 HGB - und somit auch der Anspruch aus §§ 171, 172 Abs. 4 HGB - in fünf Jahren nach Auflösung der Gesellschaft verjähren. Nach Auffassung der Beklagten unterscheide der Kläger nicht zwischen der Verjährung Gläubigerforderungen, die durch Anmeldung zur Insolvenztabelle gehemmt seien, und der Verjährung von Haftungsansprüchen (Rückzahlungsansprüchen) gegenüber dem einzelnen Kommanditisten.
14
Die Verjährung dieser beiden, voneinander zu unterscheidenen Ansprüche würden gerade nicht gleichlaufen. Jedenfalls könne § 159 Abs. 4 HGB nach dem der Norm im Insolvenzverfahren für die ermächtigte Position des Insolvenzverwalters keine Rolle spielen. Die Norm soll den Gläubigern ersparen, verjährungshemmende Handlungen nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern auch gegenüber den Gesellschaftern vorzunehmen. Da im Insolvenzverfahren der Haftungsanspruch jedoch in einer Art Treuhandschaft des Verwalters zugunsten der Gesellschaftsgläubiger verfolgt würde, besteht nach Auffassung der Beklagten faktisch nur ein Anspruch, den der Verwalter zu verfolgen habe. Das Problem einer „Doppelverfolgung“ gegenüber Gesellschaft und Gesellschaftern bestünde daher erst gar nicht. Folglich hätte der Insolvenzverwalter selbst in der Hand, wann die von ihm verfolgten Ansprüche verjähren, da die Hemmungswirkung erst mit Beendigung des Insolvenzverfahrens enden würde.
15
Letztlich ist die Beklagte der Auffassung, das Klagerecht des Insolvenzverwalters wäre jedenfalls nach § 242 BGB verwirkt.
16
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2020 verwiesen.
Entscheidungsgründe
17
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 265.000,00 € gemäß § 171 Abs. 2 i.V.m. § 172 Abs. 4 HGB sowie einen Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.694,83.
18
Die Klage ist zulässig, da das Landgericht München I gemäß §§ 12, 13 ZPO örtlich und gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 GVG sachlich zuständig ist.
19
Der Kläger hat als Insolvenzverwalter der Insolvenzschuldnerin gegen die Beklagte als (rechtsnachfolgende) Kommanditistin einen Anspruch auf Rückgewähr der Haftungseinlage gemäß § 171 Abs. 2 i.V.m. § 172 Abs. 4 HGB.
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1. Grundsätzlich haftet die Kommanditistin gemäß § 171 Abs. 1 Hs. 1 HGB nur bis zur Höhe ihrer Einlage unmittelbar. Ist die Einlage geleistet, ist die Haftung gemäß § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB ausgeschlossen. Die Einlage gilt aber nach § 172 Abs. 4 S. 1 und 2 HGB als nicht geleistet, wenn der Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird.
21
So liegt der Fall auch hier.
22
Der Rechtsvorgänger der Beklagten hat die Einlage zwar ursprünglich vollständig geleistet. Die Insolvenzschuldnerin hat in den Jahren 2003 bis 2008 jedoch insgesamt einen Betrag von 265.000,00 € an die rechtsnachfolgende Beklagte ausgekehrt. Die geleistete Einlage wurde durch die Entnahme von Gewinnanteilen um diesen Betrag herabgemindert.
23
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die erfolgte Ausschüttung die Haftung nicht wieder begründet hat, trägt dabei die Beklagte (BGH, Urteil vom 22.03.2011 - II ZR 271/08 Rn. 21). Die Beklagte hat dazu nicht vorgetragen. Insbesondere der klägerische Vortrag, dass die Ausschüttungen verlustrelevant gewesen wären, wurde von der Beklagten nicht bestritten.
24
Die Haftung der Beklagten ist damit gemäß § 172 Abs. 4 HGB in Höhe der Ausschüttungen von insgesamt 265.000,00 € wiederaufgelebt. Die Klageforderung übersteigt diesen Betrag nicht.
25
2. Die Beklagte haftet für noch bestehende Forderungen der Insolvenzgläubiger. Die Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle hat für den Insolvenzverwalter und die Gläubiger gemäß § 178 Abs. 3 InsO die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Der klägerische Vortrag zum Bestand, der Forderungen wurde von der Beklagten nicht bestritten.
26
3. Der, klägerisch geltend gemachte Haftungsbetrag wird offensichtlich auch benötigt, um die Gesellschaftsgläubiger zu befrieden. Es ist unstreitig, dass die freie Masse nicht genügt, um sämtliche Verbindlichkeiten aller Gläubiger zu befriedigen.
27
Die freie Masse betrug bei Verfahrenseröffnung lediglich 1.089,79 €, bei Klageerhebung waren lediglich 1.058,79 auf dem Massekonto vorhanden. Dem stehen - ebenfalls unstreitig - Insolvenzforderungen von über 52.000.000,00 € gegenüber.
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4. Der Haftungsanspruch ist auch durchsetzbar. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch.
29
a. Festzuhalten ist zunächst, dass die Gläubigerforderungen gegen die Insolvenzschuldnerin nicht verjährt sind. Die widerspruchslose Feststellung der Forderungen zur Insolvenztabelle hat für den Insolvenzverwalter und die Gläubiger die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils, § 178 Abs. 3 InsO. Für die Beklagte ergibt sich die Wirkung hingegen mittelbar aus § 201 Abs. 2 InsO (BGH, Urteil vom 20.02.2018, II ZR 272/16). Dies hat zur Folge, dass den Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin die Einwendungen genommen sind, welche die Insolvenzschuldnerin selbst nicht mehr erheben kann (§§ 129 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB). Der Beklagten steht daher die Verjährungseinrede schon nicht zu (vgl. BGH, Urteil vom 20.02.2018, II ZR 272/16).
30
b. Jedenfalls ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, § 159 Abs. 4 HGB i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB.
31
Der Beklagten ist insoweit zu folgen, als dass Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft gemäß § 159 Abs. 1 HGB grundsätzlich in fünf Jahren nach Auflösung der Gesellschaft verjähren.
32
Entgegen der Auffassung der Beklagten findet jedoch die Verweisungsnorm des § 159 Abs. 4 HGB auch auf den Haftungsanspruch gemäß § 171 Abs. 1 Hs. 1 HGB i.V.m. § 172 Abs. 4 HGB gegen den Kommanditisten Anwendung. § 159 Abs. 4 HGB verweist auf § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB. Danach ist die Verjährung von Ansprüchen gegen die Gesellschaft mit Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren (und bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens) gehemmt. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin ist unstreitig noch nicht beendet, so dass die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind.
33
Soweit die Beklagte vorträgt, § 159 Abs. 4 HGB könne auf den Haftunganspruch gegen den Kommanditisten im Insolvenzverfahren keine Anwendung finden, verfängt die Argumentation des Beklagten nicht. Richtig ist, dass § 159 Abs. 4 HGB den Gläubiger der Gesellschaft dahingehend schützen soll, als dass verjährungshemmende Maßnahmen neben der Gesellschaft nicht auch gegen die einzelnen Gesellschafter („doppelt“ oder „vielfach“) erhoben werden müssen.
34
Auch im vorliegenden Fall ist danach aber keine teleologische Reduktion der Norm geboten.
35
Der Haftungsanspruch gegen die Beklagte aus § 171 Abs. 1 Hs. 1 HGB, § 172 Abs. 4 HGB ist durch die bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft bedingt. Käme man zu dem Ergebnis, § 159 Abs. 4 HGB nicht anzuwenden, wäre die Verjährung der (festgestellten) Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin gehemmt, während der Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter - ohne entsprechende „Doppel- oder Vielfachklagen“ durch die Gläubiger - der Verjährungsfrist des § 159 Abs. 1 HGB unterläge. Im Ergebnis würde durch die teleologische Reduktion der Norm dazu führen, eine gläubigerschützende Norm in eine gesellschafter- und damit - schuldnerschützende Norm umzudeuten.
36
Eine teleologische Reduktion kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil der Insolvenzverwalter während des Insolvenzverfahrens gemäß § 171 Abs. 2 HGB den Haftungsanspruch der Gesellschaftsgläubiger verwaltet.
37
Das Argument der Beklagten, der Insolvenzverwalter mache nur einen Anspruch geltend, eine „Doppelverfolgung“ gegen die Gesellschaft und die Gesellschafter sei daher nicht zu befürchten, verfängt nicht. Richtig ist, dass den Gläubigern der Insolvenzschuldnerin grundsätzlich Ansprüche gegen die Gesellschaft und die Gesellschafter zustehen. Den Anspruch gegen die Gesellschafter können sie aber ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr durchsetzen, da der Insolvenzverwalter insoweit gemäß § 171 Abs. 2 HGB ermächtigt wird (vgl. MüKo, HGB, 4. Auflage, §§ 171 f. Rn. 110). Es wäre damit im Übrigen auch vom Zufall abhängig, ob einzelne Gläubiger ihre Forderungen rechtzeitig vor Insolvenzeröffnung gegen die Gesellschafter durchsetzen konnten oder nicht. Der Sinn des § 159 Abs. 4 HGB ist es hingegen gerade, die Gläubiger vor einen „doppelten“ Geltendmachung ihrer Ansprüche und dem damit verbundenen „Wettlauf“ zu schützen.
38
Entgegen der Auffassung der Beklagten droht auch keine „unendliche“ Verjährungshemmung bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens. Diese Gefahr ist vielmehr allein theoretischer Natur, da sie voraussetzt, dass der Insolvenzverwalter untätig bleibt. Der Insolvenzverwalter ist aber dazu verpflichtet, für die bestmögliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu sorgen (vgl. Braun/Kroth, 8. Aufl. 2020, InsO § 80 Rn. 25). Dazu gehört auch die Durchsetzung der Haftungsansprüche gegen die persönlich haftenden Kommanditisten gemäß § 171 Abs. 1 Hs. 1, § 172 Abs. 4 HGB.
39
Im Ergebnis findet § 159 Abs. 4 HGB daher Anwendung. Die Verjährung des Anspruchs wäre daher jedenfalls gemäß § 159 Abs. 4 HGB, § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB verjährt.
40
5. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anspruch auch nicht nach § 242 BGB verwirkt.
41
Die Verwirkung setzt einen Umstands- und einen Zeitmoment voraus (Jauernig/Mansel, 17. Aufl. 2018, BGB § 242 Rn. 54).
42
Vorliegend fehlt es bereits an einem Umstandsmoment. Dafür ist grundsätzlich erforderlich, dass der Schuldner in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen durfte, nicht mehr von den Gläubigern in Anspruch genommen zu werden oder dass die verspätete Inanspruchnahme des Schuldners für diesen unzumutbar ist (Jauernig/Mansel, 17. Aufl. 2018, BGB § 242 Rn. 61 f.)
43
Die dargestellte, klare Intention des Gesetzgebers, die Insolvenzgläubiger vor der Verjährung ihrer Ansprüche gegen die persönlich haftenden Gesellschafter zu schützen, spricht gegen ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten. Die Inanspruchnahme ist auch nicht unzumutbar, da der Rechtsvorgänger der Beklagten als Kommanditist unter der vertraglich geschuldeten Haftungseinlage geblieben ist und dieser Betrag der Klageforderung entspricht.
44
Im Ergebnis ist der Anspruch daher vollumfänglich begründet.
45
Der Kläger hat daher auch einen Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Kosten in Höhe von 3.694,83 € gemäß § 280 Abs. 1, 2 § 286 BGB.
46
Der Kläger hat hinsichtlich des Klageantrags zu 1) einen Anspruch auf Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab dem 25.01.2018 gemäß § 280 Abs. 1, 2, § 286, § 288 BGB (vgl. Anlage K9). Hinsichtlich des Klageantrags zu 2) hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab dem 15.05.2018, § 280 Abs. 1, 2, § 286, § 288 BGB (vgl. Anlage K10).
47
Die Nebenentscheidungen richten sich nach § 91 ZPO und § 709 ZPO.
48
Der Streitwert war auf 265.000,00 festzusetzen.