Titel:
Angeklagte, Erkrankung, Freiheitsstrafe, Krankenhaus, Sicherungsverwahrung, Arzt, Angeklagten, Beschwerde, Hauptverhandlung, Gesundheitszustand, Versorgung, Ablehnung, Strafkammer, Bewilligung, Diabetes mellitus, Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, Anordnung der Sicherungsverwahrung
Schlagworte:
Angeklagte, Erkrankung, Freiheitsstrafe, Krankenhaus, Sicherungsverwahrung, Arzt, Angeklagten, Beschwerde, Hauptverhandlung, Gesundheitszustand, Versorgung, Ablehnung, Strafkammer, Bewilligung, Diabetes mellitus, Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, Anordnung der Sicherungsverwahrung
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 31.08.2021 – 1 StR 150/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 51404
Tenor
I. Der Angeklagte W, geboren am in, ist schuldig des Mordes in drei Fällen, hiervon in einem Fall in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge, sowie des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie der gefährlichen Körperverletzung in vier Fällen.
II. Der Angeklagte wird deswegen zu
lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe
III. Die Schuld des Angeklagten wiegt besonders schwer.
IV. Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung wird angeordnet.
V. Im Übrigen wird der Angeklagte freigesprochen.
VI. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, soweit er verurteilt ist.
Der Angeklagte trägt die notwendigen Auslagen der Nebenkläger Soweit der Angeklagte freigesprochen ist, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.
Die Nebenkläger tragen ihre notwendigen Auslagen jeweils selbst.
Angewandte Strafvorschriften:
§§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 3, 4 und 8, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5, 249 Abs. 1, 251, 22, 23, 49 Abs. 1, 52, 53, 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 57b, 66 Abs. 2 und Abs. 3 S. 2 StGB
Entscheidungsgründe
1
Der zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung xxjährige Angeklagte ließ sich im Zeitraum 01.05.2015 bis 12.02.2018 über eine Vielzahl unterschiedlicher Vermittlungsagenturen als 24-StundenBetreuungskraft für hilfsbedürftige Personen an 69 Privathaushalte in Deutschland vermitteln. Hierbei ging es ihm nur darum, sich durch das heimliche Entwenden oder betrügerische Erschleichen von Bargeld, Vermögenswerten und Gegenständen des täglichen Bedarfs zu bereichern sowie durch den übermäßigen Verzehr von Nahrungsmitteln und Konsum von insbesondere zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken seine diesbezüglichen Bedürfnisse zu befriedigen. Er wollte deshalb die Aufgaben einer 24-Stunden-Betreuungskraft mit möglichst wenig Arbeitsaufwand verrichten und den Haushalt des jeweiligen Patienten möglichst schnell wieder verlassen, um so bald wie möglich aus denselben Gründen den nächsten Einsatz antreten zu können.
2
Im Zeitraum vom 25.05.2017 bis 12.02.2018 missbrauchte der Angeklagte in acht Fällen das ihm zur therapeutischen Behandlung seiner eigenen Diabetes-Erkrankung ärztlicherseits verschriebene Insulin-Präparat Gensulin M 30 (30/70), indem er mit seinem Insulin-Pen hilfsbedürftigen älteren Personen, zu deren 24-Stunden-Betreuung er eingesetzt war, eine Überdosis Insulin spritzte und hierdurch jeweils zumindest eine konkret lebensbedrohliche Notfallsituation für diese hervorrief.
3
Bei seinem Vorgehen hielt der Angeklagte in sämtlichen acht Fällen jeweils einen tödlichen Ausgang für möglich und nahm diesen billigend in Kauf.
4
In den Fällen W 1 (B.I., S. 18 ff.), N (B.VII., S. 45 ff.) und W 2 (B.VIII., S. 50 ff.) realisierte sich jeweils das Risiko eines tödlichen Ausgangs. In allen anderen Fällen konnte das Leben der Geschädigten durch die intravenöse Verabreichung von Glucose gerettet werden.
5
In den Fällen B (B.II., S. 25 ff.), H 1 (B.IV., S. 34 ff.), G (B.V., S. 38 ff.) und H 2 (B.VI., S. 41 ff.) verhinderte der Angeklagte freiwillig die Vollendung der Tat, indem er einen Notruf absetzte bzw. im Fall B durch nachdrückliches Drängen die Tochter des Geschädigten zum Absetzen eines Notrufs veranlasste. Im Fall M (B.III., S. 29 ff.) unternahm der Angeklagte hingegen keine ernsthaften Rettungsbemühungen.
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In sämtlichen Fällen ging es dem Angeklagten darum, eine Hypoglykämie (Unterzuckerung) bei der geschädigten Person und damit eine für diese lebensbedrohliche Notfallsituation hervorzurufen.
7
Zum einen wollte sich der Angeklagte hierdurch in allen acht Fällen Genugtuung verschaffen, um auf diese Weise seine Verärgerung abzureagieren. Seine Verärgerung hatte dabei verschiedene Aspekte zum Gegenstand:
- die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten (Fälle W 1, B, N und W 2)
- die erhebliche Störung seiner eigenen Nachtruhe in der vorangegangenen Nacht (Fälle W 1, H 1, H 2 und W 2)
- die Zurechtweisung durch die Ehefrau des Geschädigten wegen seiner unhygienischen Badezimmernutzung (Fall M)
- das generell laute Auftreten des gelegentlich lautstark vor sich hin schimpfenden Geschädigten (Fall H 1)
- die fehlende Bereitstellung eines für ihn kostenfreien Internetzugangs (Fall G)
- seine misslungene Öffnung eines versperrten Tresors im Keller sowie versperrte Wohnzimmerschränke (Fall H 2)
- aus seiner Sicht unzumutbare Anforderungen der Familie des Geschädigten an seine 24- Stunden-Betreuungstätigkeit, welche sich auf die nächtliche Betreuung des Geschädigten sowie tägliche Spaziergänge mit ihm im Rollstuhl bezogen, und keine widerspruchslose Hinnahme seiner diesbezüglich ausgesprochenen Weigerungen (Fall N)
- ein vom Geschädigten krankheitsbedingt veranlasster Polizeieinsatz anlässlich seiner Ankunft (Fall W 2)
8
Zum anderen wollte der Angeklagte im Zuge dessen in allen acht Fällen zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen dieser Arbeitsstelle ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf schaffen, da zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt zu erwarten war.
9
In den Fällen G und W 2 wollte der Angeklagte hierdurch insbesondere auch die für ihn bestehende Vertrags- und Terminkollision zwischen zwei Einsatzstellen beseitigen. Im Fall H 2 wollte sich der Angeklagte hierdurch insbesondere auch der aus seinem Vertrag resultierenden Verpflichtung entziehen, unmittelbar nacheinander an zwei verschiedenen Einsatzstellen tätig zu werden, und sich stattdessen eine mehrtägige Pause zwischen den beiden Einsätzen verschaffen.
10
Im Fall W 2 wollte der Angeklagte darüber hinaus eine Bewusstseinsstörung beim Geschädigten verursachen, welche es ihm ermöglichen würde, diesem ungehindert den um den Hals getragenen Schlüssel für dessen Geldkassette abzunehmen und die unter dessen Kopfkissen aufbewahrte Geldkassette herauszuziehen, um diese anschließend mit dem Schlüssel zu öffnen und etwaige Wertgegenstände hieraus fortan unberechtigt für sich zu behalten.
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Durch das Tatmotiv des Angeklagten sah die Strafkammer in sämtlichen acht Fällen das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB) erfüllt.
12
Im Fall W 2 bejahte das Schwurgericht darüber hinaus die Mordmerkmale der Habgier (§ 211 Abs. 2 Var. 3 StGB) und der Ermöglichungsabsicht (§ 211 Abs. 2 Var. 8 StGB).
13
Das Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 Var. 5 StGB) lag in keinem der acht Fälle vor.
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Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war bei sämtlichen acht Taten weder aufgehoben noch erheblich vermindert.
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In den Fällen W 1, N und W 2 hat sich der Angeklagte jeweils des Mordes (§ 211 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht. Als Einzelstrafen hat das Schwurgericht jeweils lebenslange Freiheitsstrafe verhängt und die besondere Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB) nicht festgestellt.
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Im Fall M handelt es sich um einen versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5, 22, 23 Abs. 1, 52 StGB). Hier hat die Strafkammer die absolute Strafdrohung des § 211 Abs. 1 StGB wegen Versuchs gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert und eine Freiheitsstrafe in Höhe von 10 Jahren 6 Monaten verhängt.
17
In den Fällen B, H 1, G und H 2 ist der Angeklagte jeweils vom Versuch des Mordes mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB) und hat sich wegen gefährlicher Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5 StGB) strafbar gemacht. In diesen Fällen wurden folgende Einzelstrafen verhängt: 4 Jahre 6 Monate (Fall Bl), 5 Jahre (Fall H 1), 4 Jahre (Fall G) und 7 Jahre (Fall H 2) Freiheitsstrafe.
18
Das Schwurgericht hat gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 StGB auf lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt und die besondere Schwere der Schuld im Sinne der §§ 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 57b StGB festgestellt.
19
Darüber hinaus hielt es die Strafkammer für erforderlich und angemessen, neben der verhängten Freiheitsstrafe die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 und Abs. 3 S. 2 StGB anzuordnen (vgl. F., S. 224 ff.).
20
Der Angeklagte räumte sämtliche angeklagten Tatvorwürfe in seinen Vernehmungen im Ermittlungsverfahren sowie in mehreren Briefen in objektiver Hinsicht ein. Er räumte auch ein, dass ein Patient, dem man „eine solche Insulindosis“ verabreiche, sterben könne. Dies gelte unabhängig davon, ob der Patient zuckerkrank sei oder nicht. In der Hauptverhandlung bat der Angeklagte in seinem letzten Wort um Entschuldigung für das, was er getan habe. Darüber hinaus ließ er sich nicht zur Sache ein.
21
Auf die Einlassungen des Angeklagten hat das Schwurgericht jedoch seine Feststellungen aus den nachfolgend genannten Gründen nur insoweit gestützt, als diese eine Bestätigung in anderen Beweismitteln finden und mit den übrigen Beweisergebnissen im Einklang stehen (vgl. C.III.1., S. 97 ff.).
22
Teilweise ließen sich die Angaben des Angeklagten zur Tatzeit und zu den Tatumständen nicht auch nur annähernd mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen. Die Gründe für seine zum Teil in krassem Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen stehenden Angaben konnten in der Hauptverhandlung nicht aufgeklärt werden, da der Angeklagte hier von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte.
23
Einerseits war der Angeklagte in einigen Punkten erkennbar darum bemüht, sich durch Schutzbehauptungen und eine Beschönigungstendenz zu entlasten. Andererseits belastete er sich in zwei Punkten zu Unrecht selbst und bestätigte - allerdings ohne selbst eigene Angaben hierzu zu machen, welche als tragfähige geständige Einlassung gewertet werden könnten - in zwei Punkten Vorhalte und Vorwürfe des Vernehmungsbeamten, obwohl diese nicht den Tatsachen entsprachen. Nach der Überzeugung der Strafkammer kommt in beiden Aspekten zum einen das Bemühen des Angeklagten, den Vernehmungsbeamten als Repräsentanten der Ermittlungsbehörden für sich einzunehmen, und zum anderen eine gewisse Bequemlichkeit des Angeklagten zum Ausdruck.
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Darüber hinaus wird an einer Stelle deutlich, dass der Angeklagte seine geständige Einlassung hinsichtlich der Verabreichung von Insulin an die - tatsächlichen oder vermeintlichen - Tatvorwürfe der Ermittlungsbehörden anpasste. Er räumte pauschal eine größere Anzahl an Fällen ein, als nach den umfangreichen polizeilichen Ermittlungen Gegenstand eines hinreichenden Tatverdachts waren, und nahm dabei auf die - insoweit vermeintlichen - polizeilichen Erkenntnisse Bezug.
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Angesichts der genannten Umstände konnten die Feststellungen zum Vorliegen einer Straftat und zur Täterschaft des Angeklagten nicht allein auf dessen geständige Einlassung gestützt werden, was letztlich nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zum Freispruch des Angeklagten aus tatsächlichen Gründen in den vier weiteren verfahrensgegenständlichen Fällen C (G., S. 237 ff.), F (H., S. 259 ff.), A (I., S. 273 ff.) und O (J., S. 306 ff.) führte.
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In allen vier Fällen war ein vollendetes Tötungsdelikt des Angeklagten schon deshalb nicht nachweisbar, da die Todesursache, an welcher die Patienten verstarben, unbekannt ist. Im Fall O steht überdies sogar fest, dass der Patient nicht an den Folgen einer Hypoglykämie verstarb.
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Aber auch der Nachweis eines versuchten Tötungsdelikts und / oder vollendeten Körperverletzungsdelikts des Angeklagten durch die Verabreichung von Insulin war in allen vier Fällen nicht möglich. Eine entsprechende Verurteilung hätte allein auf die geständige Einlassung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren gestützt werden können. Dies hat das Schwurgericht jedoch aus den oben dargelegten Gründen nicht getan.
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In allen vier Fällen gab es außerhalb der Einlassung des Angeklagten keine Beweismittel, welche seine Einlassung bestätigen würden. Es gibt keine anderen Beweisergebnisse, welche den tragfähigen Rückschluss zuließen, dass den Patienten C, F, A und O kurz vor ihrem Tod Insulin verabreicht worden wäre.
29
Darüber hinaus steht die vom Angeklagten zu diesen vier Fällen abgegebene Einlassung in zahlreichen Punkten im Widerspruch zu den übrigen Ergebnissen der Beweisaufnahme:
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Im Fall C lässt sich die Einlassung des Angeklagten zur Tatzeit und zum Nachtatgeschehen nicht ansatzweise mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen.
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Im Fall F stehen seine Angaben zur Tatzeit im Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen und sind in anderen Punkten widerlegt.
32
Auch im Fall A lässt sich die Einlassung des Angeklagten in mehreren Punkten nicht mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen.
33
Im Fall O lassen sich seine Angaben zur Tatzeit wiederum nicht ansatzweise mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen. Zudem sind sie, ebenso wie seine Einlassung zum Tatmotiv, widersprüchlich. Auch die Angaben des Angeklagten zu seiner Abreise stehen im Widerspruch zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme.
34
Im Hinblick auf die Tatvorwürfe des Betruges zum Nachteil von B (Ziffer 3 der Anklageschrift vom 21.03.2019) sowie der gefährlichen Körperverletzung durch die Verabreichung des Schlafmittels Zopiclon am 15.01.2018 zum Nachteil des Geschädigten N (Ziffer 11 der Anklageschrift) wurde das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
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Den Tatvorwurf des Diebstahls in den Fällen zum Nachteil der Geschädigten W 1, B, H 1, G, H 2 und N (Ziffern 2, 3, 8, 9, 10 und 11 der Anklageschrift) sowie in den Fällen zum Nachteil der Patienten C, F, A und O (Ziffern 1, 5, 6 und 7) wurde gemäß § 154a Abs. 2 StPO ausgeschieden.
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Es erging der Hinweis, dass die gemäß §§ 154 Abs. 2, 154a Abs. 2 StPO eingestellten bzw. ausgeschiedenen Tatvorwürfe sowohl bei der Beweiswürdigung als auch bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden können.
A. Im Einzelnen hat das Schwurgericht Folgendes festgestellt:
I. Lebenslauf und Werdegang
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1. Der zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung xxjährige Angeklagte kam am …in als einziges Kind der Eheleute W, letztere geborene D, zur Welt. Der etwa im Jahr 19xx geborene Vater des Angeklagten war von Beruf T . Seit einigen Jahren befand er sich im Ruhestand und litt zumindest in den letzten Jahren an … und . Er verstarb am . Die etwa im Jahr xx geborene Mutter des Angeklagten arbeitete früher als P und ist jetzt Rentnerin.
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Der Angeklagte wuchs zunächst bei seinen Eltern in seiner Geburtsstadt auf. Nachdem er bereits ab dem Alter von etwa zehn Jahren durch Diebstähle und unerlaubtes Fernbleiben vom Schulunterricht aufgefallen und mehrfach von zu Hause oder der Schule weggelaufen war, wurde der Angeklagte in seiner Jugend insgesamt mehrere Jahre in verschiedenen Erziehungsheimen sowie in den Jahren 1999 und 2000 in einer Jugendstrafanstalt untergebracht.
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2. Der Angeklagte wurde altersgerecht eingeschult. Er besuchte zunächst die Grundschule und musste dort die vierte Klasse wiederholen. Danach absolvierte der Angeklagte vier weitere Schulklassen der Regelschule und schloss diese ab. in den Jahren 1999 und 2000 besuchte der Angeklagte eine Berufsschule mit begleitender einjähriger praktischer Ausbildung in einer S und erlangte einen Berufsabschluss als S .
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3. In seinem erlernten Beruf als S war der Angeklagte nie berufstätig. In den Jahren 2000 bis 2009 arbeitete der Angeklagte nur gelegentlich - jeweils für die Dauer von wenigen Wochen bis zu wenigen Monaten - an wechselnden Arbeitsstellen unter anderem als Reinigungskraft und war ansonsten überwiegend arbeitslos.
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Nach fasste der Angeklagte den Entschluss, künftig als 24-Stunden-Betreuungskraft für hilfsbedürftige Personen tätig zu sein, um sich auf diese Weise Zugang zu Privathaushalten in Deutschland zu verschaffen und sich dort insbesondere durch die Begehung von Eigentums- und Vermögensstraftaten zu bereichern. Zu diesem Zweck absolvierte der Angeklagte im Zeitraum 17.11.2014 bis 18.02.2015 einen 120 Stunden umfassenden Kurs mit dem Titel „Altenpfleger mit Deutsch“ an einem privaten Ausbildungszentrum in seiner Heimatstadt und erlangte ein entsprechendes Zertifikat. Im Zeitraum 01.05.2015 bis 12.02.2018 ließ sich der Angeklagte über eine Vielzahl unterschiedlicher Vermittlungsagenturen als 24-Stunden-Betreuungskraft an 69 Privathaushalte in Deutschland vermitteln (vgl. hierzu im Einzelnen unten B., S. 14 ff.).
II. Gesundheitszustand und Suchtmittelkonsum
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1. Der Angeklagte hat im Laufe seines Lebens weder ernste Erkrankungen noch folgenschwere Unfälle - insbesondere unter Beteiligung des Kopfes - erlitten, durch die seine strafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB berührt sein könnte. Psychisch ist der Angeklagte gesund. In psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung hat er sich nie begeben.
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Bei dem schon seit seiner Kindheit stark übergewichtigen Angeklagten besteht eine Adipositas permagna. Bei einer Körpergröße von 162 cm wies er am 12.02.2018 ein Körpergewicht von 156 kg auf.
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Ferner liegt beim Angeklagten ein nichtinsulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2 vor. Dieser wurde vom behandelnden Arzt des Angeklagten in spätestens im April 2016 erstmals diag nostiziert. Der Angeklagte erhielt ein Blutzuckermessgerät samt Teststreifen zur regelmäßigen selbstständigen Blutzuckerkontrolle. Ferner wurde dem Angeklagten das orale Antidiabetikum Metformin verordnet. Die Behandlung mit oralen Antidiabetika wurde Anfang Januar 2017 um den Wirkstoff Glimepirid erweitert. Am 24.01.2017 wurde dem Angeklagten erstmals zusätzlich das Insulinpräparat Gensulin M 30 (30/70) des Herstellers IBA BIOTON - ein Mischinsulin bestehend aus 30 Prozent schnell wirkendem und 70 Prozent lange wirkendem Insulin - verschrieben. Im Zeitraum 24.01.2017 bis 19.01.2018 wurden dem Angeklagten insgesamt 10.500 I.E. (Internationale Einheiten) dieses Mischinsulins verordnet.
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Der Angeklagte verabreichte sich das Insulin jedoch nur unregelmäßig und jedenfalls insgesamt nicht in einer ausreichenden, von seinem Körper für die Einstellung eines normwertigen Blutzuckerspiegels benötigten Menge. Er konsultierte auch keine Diabetes-Beratungsstelle, um sich bei der medikamentösen Behandlung spezialisiert beraten zu lassen. All dies hatte zur Folge, dass die Blutzuckerwerte des Angeklagten bei Kontrollmessungen im Jahr 2017 und im Januar 2018 nach wie vor zu hoch waren. Dem Angeklagten wurde daraufhin Ende Januar 2018 in eine Überweisung zur stationären Diabetes-Behandlung in einem Krankenhaus ausgestellt, welche der Angeklagte jedoch nicht antrat.
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Auch die beim Angeklagten während seiner Haft in der Justizvollzugsanstalt München im Sommer 2020 durchgeführten Blutzuckermessungen erbrachten stets erhöhte Werte, welche sich wiederholt im Bereich zwischen 300 mg/dl und knapp 400 mg/dl bewegten. Diese Werte gehen mit einem beträchtlichen Risiko für sekundäre körperliche Schädigungen, insbesondere Gefäßschädigungen, einher.
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Beim Angeklagten besteht überdies eine Hypertonie, welche das Risiko für das Auftreten von Gefäßschädigungen, vor allem am Herzen, noch einmal deutlich erhöht. Zusätzlich risikoerhöhend wirkt sich insoweit der Tabakkonsum des Angeklagten aus (vgl. hierzu nachfolgend 2., S. 12).
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Darüber hinaus wurde der Angeklagte in der Vergangenheit wegen rheumatoider Arthritis, Gicht, Ödemen in den Unterschenkeln sowie Schmerzen an der Wirbelsäule medikamentös behandelt.
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2. Der Angeklagte trinkt keinen Alkohol. Illegale Betäubungsmittel hat er noch nie konsumiert. Ein Medikamentenmissbrauch hat nie vorgelegen. Vor seiner Inhaftierung im hiesigen Verfahren rauchte der Angeklagte etwa 10 Zigaretten pro Tag. In der Haft setzt er den Tabakkonsum fort.
III. Intelligenz und Persönlichkeit
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1. Der Angeklagte ist durchschnittlich intelligent. Er erzielte in einem sprachfreien Intelligenztest (Standard Progressive Matrices, SPM) einen Intelligenzquotienten (IQ) von 98. Die Konzentrationsfähigkeit des Angeklagten ist unbeeinträchtigt. Der Angeklagte leidet weder unter einer intellektuellen Minderleistungsfähigkeit noch unter einer gravierenden Hirnfunktionsstörung.
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2. Die Persönlichkeit des Angeklagten ist gekennzeichnet durch … Die dissozialen Persönlichkeitszüge des Angeklagten zeigten sich erstmals in seiner frühen Jugend und verfestigten sich im Laufe seines Lebens. Aufgrund ihres frühzeitigen Auftretens, ihrer Konstanz sowie des Ausmaßes ihrer Ausprägung liegt beim Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) vor.
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Hingegen bestehen beim Angeklagten keine nennenswerten psychopathologischen Auffälligkeiten wie emotionale Instabilität, erhöhte Affektivität, ausgeprägte Impulsivität oder übermäßige Gereiztheit. Vielmehr ist der Angeklagte ohne erkennbare Anstrengung auch über längere Zeiträume zu einem adäquaten und höflichen Auftreten in der Lage, wie er nicht zuletzt an den zahlreichen Hauptverhandlungstagen unter Beweis stellte. Auch erwies sich der Angeklagte im Zusammenhang mit der von ihm über mehrere Jahre ausgeübten Tätigkeit als 24-Stunden-Betreuungskraft und der hierfür erforderlichen Stellenvermittlung durch entsprechende Agenturen als sozial ausreichend anpassungsfähig.
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Die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten ist mithin nicht so stark ausgeprägt, dass die durch sie hervorgerufenen psychosozialen Leistungseinbußen mit den Defiziten infolge forensisch relevanter krankhafter seelischer Störungen gleichzusetzen wären. Das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB ist daher nicht erfüllt.
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Die Persönlichkeit des Angeklagten weist darüber hinaus schizoide Strukturanteile auf, welche sich insbesondere darin zeigen, dass er seit seiner Kindheit ein Einzelgänger ist. Er hatte nie Freunde, war an Freundschaften auch nicht interessiert, führte noch nie eine Beziehung und war auch seinen Eltern gegenüber stets sehr verschlossen.
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1. Der Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 25.11.2019 weist für den Angeklagten keine Eintragung auf.
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2. Die Mitteilung aus dem Strafregister vom 03.12.2018 weist für den Angeklagten zu sammengefasst folgende xx Eintragungen auf:
V. Haftzeiten des Angeklagten in Der Angeklagte verbüßte Untersuchungshaft vom ...
57
Der Angeklagte wurde am 12.02.2018 festgenommen und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft in dieser Sache. Die Haft wurde zunächst in der Justizvollzugsanstalt, vom 25.04. bis 09.10.2018 in der Justizvollzugsanstalt, vom 09.10. bis 06.11.2018 in der Justizvollzugsanstalt und seit 06.11.2018 wiederum in der Justizvollzugsanstalt vollzo gen.
58
B. Rechtliche Grundlage für die Untersuchungshaft war zunächst der Haftbefehl des Amtsgerichts München vom 13.02.2018 (Az.: ER … Gs 91/18), welcher dem Angeklagten am selben Tag eröffnet wurde. Am 13.08.2018 erging ein neuer, erweiterter Haftbefehl des Amtsgerichts München (Az.: ER VI Gs 2369/18). Dieser wurde dem Angeklagten am 22.08.2018 eröffnet. Bereits am 17.08.2018 hatte das Amtsgericht München die Aufhebung des bisherigen Haftbefehls mit Eröffnung des neuen Haftbefehls beschlossen (Az.: ER VI Gs 487/18). Am 07.11.2018 erließ das Amtsgericht München wiederum einen neuen, erweiterten Haftbefehl (Az.: ER VI Gs 3536/18) und beschloss zudem die Aufhebung des bisherigen Haftbefehls mit Eröffnung des neuen Haftbefehls (Az. ER VI Gs 487/18), welche am 08.11.2018 stattfand. Sachverhalt Der Angeklagte war stets daran interessiert, seine finanziellen Bedürfnisse mit möglichst geringem Arbeitsaufwand zu erfüllen. In den Jahren 2000 bis 2009 beging er deshalb zahlreiche Vermögensstraftaten in, wofür er ab dem Jahr 2005 wiederholt von Gerichten verurteilt wurde (vgl. oben A.IV.2., S. 13) und im Zeitraum insgesamt knapp xx Jahre inhaftiert war (vgl. oben A. V., S. 13).
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Nach seiner Haftentlassung suchte der Angeklagte nach einem neuen Weg, um sich seine - im Widerspruch zu dem bescheidenen Lebensstandard seiner Eltern stehenden - finanziellen Bedürfnisse mit möglichst geringem Arbeitsaufwand zu erfüllen. Eine geeignete Möglichkeit hierfür erschien ihm, sich als 24-Stunden-Betreuungskraft für hilfsbedürftige Personen Zugang zu Privathaushalten in Deutschland zu verschaffen, um sich dort durch das heimliche Entwenden oder betrügerische Erschleichen von Bargeld, Vermögenswerten und Gegenständen des täglichen Bedarfs zu bereichern sowie durch den übermäßigen Verzehr von Nahrungsmitteln und Konsum von insbesondere zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken seine diesbezüglichen Bedürfnisse zu befriedigen.
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Durch eine in aller Regel sehr kurze Verweildauer von nur wenigen Tagen wollte der Angeklagte einerseits den mit der Tätigkeit als 24-Stunden-Betreuungskraft verbundenen Arbeitsaufwand für sich selbst möglichst gering halten und andererseits durch einen häufigen Wechsel der Einsatzstellen seine Chancen erhöhen, sich in der dargestellten Art und Weise zu bereichern.
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Zu diesem Zweck absolvierte der Angeklagte im Zeitraum 17.11.2014 bis 18.02.2015 einen 120 Stunden umfassenden Kurs mit dem Titel „Altenpfleger mit Deutsch“ an einem privaten Ausbildungszentrum in seiner Heimatstadt und erlangte ein entsprechendes Zertifikat.
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Demnach diente dieser Kurs der „Vorbereitung auf die Arbeit als Altenpfleger“ und beinhaltete 40 Stunden Unterricht der deutschen Sprache sowie 40 Stunden praktischen Unterricht in einem Pflegeheim. Gegenstand der übrigen 40 Unterrichtsstunden waren mit jeweils 8 Stunden die Themen „Ernährung in der Altenpflege“ und „Erste-Hilfe-Maßnahmen“, ferner mit 4 bzw. 10 Stunden die Themen „Einführung in die Gerontologie“ und „Altenpflege - Einführung in die Heilpädagogik“ sowie schließlich mit jeweils 5 Stunden die Themen „Grundlagen der Pflege von unselbstständigen Personen“ und „Grundlagen der Psychologie in der Altenpflege - Umgang mit Konfliktsituationen und Methoden zur Stressbewältigung“.
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Im Zeitraum 01.05.2015 bis 12.02.2018 ließ sich der Angeklagte über eine Vielzahl unterschiedlicher Vermittlungsagenturen als 24-Stunden-Betreuungskraft für hilfsbedürftige Personen an 69 Privathaushalte in Deutschland vermitteln. Seiner vorgefassten Absicht entsprechend reiste der Angeklagte von 44 seiner 69 Einsatzstellen nach spätestens 3 Tagen wieder ab. An 12 der 69 Einsatzstellen blieb der Angeklagte zwischen 4 und 7 Tage lang vor Ort, in 9 Haushalten blieb er zwischen 8 und 15 Tage lang. Lediglich an 4 Einsatzstellen hielt sich der Angeklagte länger auf: einmal 21 Tage, einmal 30 Tage, einmal 33 Tage sowie einmal 38 Tage. Nur der letztgenannte Aufenthalt entspricht mit einer Verweildauer von 5,5 Wochen nahezu der in vielen Fällen üblichen durchgängigen Einsatzdauer einer 24-Stunden-Betreuungskraft von 6 Wochen.
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Als Begründung für die Notwendigkeit seiner vorzeitigen Abreise von einer Einsatzstelle behauptete der kinderlose Angeklagte wiederholt bewusst wahrheitswidrig eine Herzoperation seines angeblich kranken Kindes oder den angeblichen Tod eines seiner Elternteile. Gelegentlich übernachtete der Angeklagte zwischen verschiedenen Einsätzen in einer Jugendherberge in seiner Heimatstadt, deren Zimmer mit sanitären Anlagen ausgestattet waren, damit er sich nicht mit der Etagentoilette in dem Mehrparteienhaus seiner elterlichen Wohnung zufriedengeben musste, welche für die gemeinsame Nutzung durch mehrere Wohnparteien vorgesehen war.
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Zu den wesentlichen Aufgaben einer 24-Stunden-Betreuungskraft gehören insbesondere die Tätigkeiten einer Haushaltshilfe sowie - je nach dem Grad der Hilfsbedürftigkeit des Patienten und der etwaigen Einbindung eines ambulanten medizinischen Pflegedienstes - die Unterstützung der hilfsbedürftigen Person bei den Verrichtungen des alltäglichen Lebens wie Nahrungsaufnahme, Toilettengang, Körperpflege und gegebenenfalls Transfer zwischen Bett und Rollstuhl.
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Eine weitere, ganz zentrale Aufgabe einer 24-Stunden-Betreuungskraft besteht darin, insbesondere nachts als Ansprechpartner und Unterstützung für die hilfsbedürftige Person bei entsprechendem Bedarf zur Verfügung zu stehen. Abgesehen von dem generellen Streben des Angeklagten nach einem möglichst geringen persönlichen Arbeitsaufwand stand insbesondere der letzte Aspekt im Widerspruch zu den persönlichen Interessen des Angeklagten, dem seine eigene ungestörte Nachtruhe sehr wichtig war.
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Spätestens im April 2016 wurde beim Angeklagten von seinem behandelnden Arzt in erstmals ein nichtinsulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2 diagnostiziert. Hierbei handelt es sich um eine Zuckerstoffwechselstörung, welche durch eine erworbene Resistenz der menschlichen Körperzellen gegenüber dem körpereigenen, in der Bauchspeicheldrüse produzierten Hormon Insulin gekennzeichnet ist.
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Die physiologische Wirkung des Insulins besteht in der Förderung der Aufnahme von Glucose (und Kalium) durch die Körperzellen, was zwangsläufig mit einem Absinken des Blutzuckerspiegels (sowie des Kaliumspiegels im Blut) einhergeht. Bei Patienten mit einem Diabetes mellitus Typ 2 steigt demzufolge der Blutzuckerspiegel auf Werte oberhalb des physiologischen Normbereichs an. Dieser liegt bei 70 bis 100 mg/dl im nüchternen Zustand und bei 100 bis 140 mg/dl nach der Nahrungsaufnahme.
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Zur Behandlung seiner Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 2 erhielt der Angeklagte ein Blutzuckermessgerät samt Teststreifen zur regelmäßigen selbstständigen Blutzuckerkontrolle. Ferner wurde dem Angeklagten das orale Antidiabetikum Metformin verordnet. Die Behandlung mit oralen Antidiabetika wurde Anfang Januar 2017 um den Wirkstoff Glimepirid erweitert.
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Am 24.01.2017 wurde dem Angeklagten darüber hinaus erstmals zusätzlich das Insulinpräparat Gensulin M 30 (30/70) des Herstellers IBA BIOTON - ein Mischinsulin bestehend aus 30 Prozent schnell wirkendem und 70 Prozent lange wirkendem Insulin - verschrieben.
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Die ärztliche Verordnung umfasste eine Packung des Insulinpräparats mit fünf Patronen zu je 3 ml Suspension mit einem Wirkstoffgehalt von 100 I.E. Insulin pro Milliliter. Im Zeitraum 24.01.2017 bis 19.01.2018 wurden dem Angeklagten insgesamt 35 derartige Patronen dieses Insulinpräparats, mithin insgesamt 10.500 I.E. Insulin, verordnet. Die Patronen dieses Insulinpräparats sind ausschließlich für die Verwendung in einem Insulin-Pen des Herstellers IBA BIOTON zur subkutanen Injektion bestimmt. Der Angeklagte erhielt mindestens zwei Insulin-Pens dieses Herstellers, einen roten und einen blauen.
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Für die Durchführung der subkutanen Injektion von Insulin wird - nach dem Einsetzen einer Patrone in den Insulin-Pen - mithilfe eines Drehrads am hinteren Ende des Pens mechanisch eine Dosis zwischen 2 I.E. und 40 I.E. Insulin eingestellt. Mit der am vorderen Ende des Insulin-Pens befindlichen Nadel erfolgt der Einstich in eine Körperstelle mit ausreichend Unterhautfettgewebe, wie insbesondere am Bauch oder Oberschenkel. Durch Drücken eines Schalters am Insulin-Pen wird die zuvor eingestellte Dosis automatisch in das Unterhautfettgewebe, mithin subkutan, injiziert. Hierbei erfolgt gleichzeitig eine Rücksetzung des Dosierrads in die Nullstellung, so dass für eine weitere Injektion die zu verabreichende Dosis mithilfe des Drehrads neu eingestellt werden muss.
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Nach den Vorgaben seines Arztes sollte der Angeklagte täglich nach dem Frühstück und Abend essen jeweils seinen Blutzuckerwert messen, um anschließend die nach dem Behandlungskonzept des Arztes standardmäßig vorgesehenen Dosen von 10 I.E. Insulin morgens und 6 I.E. abends stets an seine individuellen Bedürfnisse anpassen zu können.
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Allerdings hielt sich der Angeklagte nicht an diese Vorgaben, sondern verabreichte sich das Insulin nur unregelmäßig und jedenfalls insgesamt nicht in einer ausreichenden, von seinem Körper für die Einstellung eines normwertigen Blutzuckerspiegels benötigten Menge. Der Angeklagte konsultierte auch keine Diabetes-Beratungsstelle, um sich bei der medikamentösen Behandlung spezialisiert beraten zu lassen.
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Im Zuge der erstmaligen Verschreibung von Insulin wies den Angeklagten darauf hin, dass die für eine ordnungsgemäße Einstellung des Blutzuckerspiegels benötigte Dosis Insulin individuell unterschiedlich sei, weshalb der Blutzuckerspiegel stets vorab durch eine vom Patienten selbst durchzuführende Blutzuckermessung kontrolliert werden müsse, um die Insulindosis entsprechend anzupassen. Zudem setze die Verabreichung von Insulin stets eine vorherige Nahrungsaufnahme voraus.
76
Ferner betonte der Arzt gegenüber dem Angeklagten, dass die Verabreichung von Insulin zu einer Senkung des Blutzuckerspiegels führe und eine zu hohe Insulindosis eine Hypoglykämie (Unterzuckerung) hervorrufe, welche den gesamten Organismus schwäche und eine Bewusstlosigkeit zur Folge haben könne. wies in diesem Zusammenhang den Angeklagten nachdrücklich darauf hin, dass in einem solchen Fall wegen der Lebensbedrohlichkeit der Situation sofort ein Notarzt zu verständigen sei.
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Die Packungsbeilage des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) enthält ebenfalls die ausdrückliche Warnung, dass durch das Medikament eine Hypoglykämie verursacht werden könne. Mögliche Auslöser einer solchen seien demnach die Verabreichung einer zu hohen Dosis Insulin, eine zu geringe oder unterlassene Nahrungsaufnahme oder eine ungewohnte körperliche Anstrengung größeren Ausmaßes.
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Als mögliche Symptome einer Hypoglykämie werden in der Packungsbeilage Teilnahmslosigkeit, Verwirrtheit, Herzklopfen, Kopfschmerzen, Schwitzen und Erbrechen genannt. Ausdrücklich wird in der Packungsbeilage davor gewarnt, dass eine schwere Hypoglykämie mit Zittern und Bewusstlosigkeit einhergehen und sogar zum Tod führen könne. Ferner wird darauf hingewiesen, dass die individuell benötigte Dosis Insulin anhand des gemessenen Blutzuckerspiegels bestimmt werden müsse und die Wirkungszeit von Insulin bei älteren Patienten verlängert sei.
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Ab einem Blutzuckerwert von 50 mg/dl liegt eine Hypoglykämie vor. Bei Werten im Bereich von 50 mg/dl treten als typische Symptome Heißhunger, Schweißausbrüche und Herzklopfen auf. Ab Werten von etwa 40 mg/dl kommt es zu einer Glucose-Unterversorgung des Gehirns, welche mit Symptomen wie Verwirrtheit, Koordinationsstörungen, Krampfanfällen sowie Bewusstseinsstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit einhergeht und schließlich zum Tod führen kann. Darüber hinaus ist auch ein hypoglykämischer Schock mit zentraler Atem- und Kreislaufstörung möglich.
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Die Verabreichung einer Überdosis Insulin birgt deshalb wegen der hierdurch beim Betroffenen hervorgerufenen Hypoglykämie und der damit einhergehenden, genannten Risiken generell - und erst recht für zuckerstoffwechselgesunde Menschen - die Gefahr eines tödlichen Ausgangs.
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Nachdem dem Angeklagten am 24.01.2017 erstmals Insulin verordnet worden war, war er im Zeitraum bis zum 12.02.2018 in insgesamt 34 Privathaushalten tätig, in denen er mindestens eine Nacht verbrachte und nicht bereits am Tag seiner Ankunft wieder abreiste. An acht dieser Einsatzstellen missbrauchte er im Zeitraum vom 25.05.2017 bis 12.02.2018 das ihm zur therapeutischen Behandlung seiner eigenen Diabetes-Erkrankung ärztlicherseits verschriebene Insulin-Präparat Gensulin M 30 (30/70), indem er mit seinem Insulin-Pen hilfsbedürftigen älteren Personen, zu deren 24-StundenBetreuung er eingesetzt war, eine Überdosis Insulin spritzte. Alle acht Personen waren nicht an Diabetes mellitus erkrankt und hatten demzufolge, wie der Angeklagte wusste, keinen therapeutischen Bedarf an Insulin.
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Bei seinem Vorgehen hielt der Angeklagte in sämtlichen acht Fällen jeweils einen tödlichen Ausgang für möglich und nahm diesen billigend in Kauf.
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Der Angeklagte verursachte durch die Injektion einer Überdosis Insulin in allen acht Fällen eine Hypoglykämie bei der geschädigten Person und rief hierdurch jeweils zumindest eine konkret lebensbedrohliche Notfallsituation für diese hervor. In drei Fällen - denjenigen zum Nachteil der Geschädigten W 1, N und W 2 (Ziffern 2., 11. und 12. der Anklageschrift, vgl. unten I., VII., S. 45 ff., und VIII., S. 50 ff.) - realisierte sich jeweils das Risiko eines tödlichen Ausgangs.
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Die acht Fälle im Einzelnen in chronologischer Reihenfolge:
I. Fall W 1 (Ziffer 2 der Anklageschrift)
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Ab 24.05.2017 wurde der Angeklagte auf vertraglicher Grundlage als 24-Stunden-Betreuungskraft für den damals 91-jährigen späteren Geschädigten W 1 eingesetzt. Dieser litt unter anderem an einer hochgradigen chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD, chronic obstructive pulmonary disease), an Herzmuskelschwäche und einem Herzklappenfehler, an einer schweren Arthrose in zahlreichen Gelenken, insbesondere in beiden Händen, an Blutarmut sowie an Morbus Parkinson. W 1 war schwerhörig, leicht dement und zur Fortbewegung auf den Rollstuhl angewiesen. Seine Aussprache war verwaschen. In der Vergangenheit hatte er einen Magendurchbruch und mehrfach blutende Magengeschwüre erlitten. Eine Erkrankung an Diabetes mellitus bestand bei ihm hingegen nicht.
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Der Angeklagte traf am 24.05.2017 gegen 16:30 Uhr im Haushalt des Geschädigten in … ein. Ihm ging es auch bei diesem Einsatz - wie bei seiner Ausübung der Tätigkeit als 24-StundenBetreuungskraft generell - nur darum, sich durch das heimliche Entwenden oder betrügerische Erschleichen von Bargeld, Vermögenswerten und Gegenständen des täglichen Bedarfs zu bereichern sowie durch den übermäßigen Verzehr von Nahrungsmitteln und Konsum von insbesondere zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken seine diesbezüglichen Bedürfnisse zu befriedigen. Er wollte deshalb die Aufgaben einer 24-Stunden-Betreuungskraft mit möglichst wenig Arbeitsaufwand verrichten und den Haushalt des Geschädigten möglichst schnell wieder verlassen, um so bald wie möglich aus denselben Gründen den nächsten Einsatz antreten zu können.
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Der Angeklagte hatte somit von Anfang an nicht vor, seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen und längerfristig als 24-Stunden-Betreuungskraft für Heinrich W 1tätig zu sein. Vor diesem Hintergrund bemühte er sich erst gar nicht darum, beim Geschädigten und dessen Angehörigen durch ein gepflegtes Erscheinungsbild sowie ein freundliches, sympathisches und vertrauenserweckendes Auftreten einen guten Eindruck zu hinterlassen.
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Vielmehr war der Angeklagte körperlich ungepflegt, nachlässig gekleidet und im Umgang zwar höflich, strahlte jedoch - in Übereinstimmung mit seiner inneren Einstellung - Lustlosigkeit im Hinblick auf seine Aufgabe als 24-Stunden-Betreuungskraft, mangelnde Fürsorglichkeit gegenüber dem Geschädigten sowie Gleichgültigkeit im Hinblick darauf aus, ob dieser sich mit ihm als seiner Betreuungskraft wohlfühlte.
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P, eine der xx Töchter des Geschädigten, war bei der Ankunft des Angeklagten ebenfalls vor Ort. Sie trat dem Angeklagten gegenüber stets höflich auf, obwohl ihr dieser aufgrund seiner oben beschriebenen negativen Ausstrahlung und körperlichen Ungepflegtheit vom ersten Augenblick an unsympathisch war.
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W 1 wurde vom Angeklagten mit Handschlag begrüßt. Auch er empfand wegen der negativen Ausstrahlung und des nicht vertrauenserweckenden Auftretens des Angeklagten von Anfang an eine starke Abneigung diesem gegenüber und fühlte sich bei ihm nicht in guten Händen. Nach der Begrüßung äußerte der schwerhörige Geschädigte deshalb mit lauter Stimme gegenüber seiner Tochter, dass er den Angeklagten nicht als Betreuungskraft haben wolle, und unterstrich die Dringlichkeit seines Wunsches nach einer anderen Betreuungskraft mit der Äußerung, dass er aus dem Fenster springen werde, wenn der Angeklagte bleibe.
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W erklärte ihrem Vater daraufhin, dass der Angeklagte jedenfalls zunächst als seine Betreuungskraft vor Ort bleiben müsse, da es keine schnell verfügbare Alternativlösung gebe. W 1 erkannte, dass er sich trotz seines schlechten Gefühls bezüglich des Angeklagten mit der Situation werde abfinden müssen. Der aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen umfassend auf fremde Hilfe angewiesene Geschädigte war hierüber traurig und versuchte, sich der Situation wenigstens dadurch zu entziehen, dass er den Angeklagten nicht anschaute und stattdessen schweigend auf die Tischplatte starrte.
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Da der Angeklagte aufgrund seiner generellen Einstellung hinsichtlich der Ausübung der 24-StundenBetreuungstätigkeit keinerlei Interesse am Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zu dem von ihm zu betreuenden Patienten hatte, unternahm er nichts, um die durch sein Auftreten verursachte Verschlossenheit des Geschädigten ihm gegenüber zu überwinden. Er war vielmehr über die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten verärgert.
93
Der Angeklagte wurde von seinem ebenfalls noch in der Wohnung anwesenden Vorgänger in die Gegebenheiten vor Ort eingewiesen und vermittelte diesem hierbei, lediglich am WLAN-Zugang sowie an den im Kühlschrank gelagerten Essensvorräten interessiert zu sein.
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Einige Zeit später traf K, eine weitere Tochter des Geschädigten, in der Wohnung ein, während ihre Schwester gerade dabei war, diese zu verlassen. Auch ihr war der Angeklagte aufgrund seiner negativen Ausstrahlung, seines Auftretens und seines Erscheinungsbildes vom ersten Moment an unsympathisch. Sie begrüßte ihn deshalb zwar kühl, begegnete ihm jedoch stets höflich und fuhr nach einem kurzen Besuch bei ihrem Vater wieder nach Hause. Als kurz darauf auch der Vorgänger des Angeklagten seine Heimreise antrat, war der Angeklagte fortan mit dem Geschädigten allein.
95
In der Nacht auf den 25.05.2017 rief der Geschädigte, der für seine nächtliche Unruhe bekannt war, den Angeklagten mehrfach zu sich, damit dieser ihm beim Toilettengang behilflich war. Auch hierüber war der Angeklagte verärgert, da ihm seine eigene ungestörte Nachtruhe sehr wichtig war.
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Am nächsten Morgen gegen 09:00 Uhr kam der Sohn des Geschädigten, N, zu Besuch und zeigte dem Angeklagten, welche Besonderheiten bei der Frühstückszubereitung für W 1 zu beachten seien. Die Schale mit dem zubereiteten Frühstück ließ der Angeklagte geräuschvoll vor dem Geschädigten auf den Tisch fallen. Obwohl W 1 über die darin zum Ausdruck kommende Lustlosigkeit und Gleichgültigkeit des Angeklagten sehr irritiert war, trat er diesem gegenüber stets höflich und freundlich auf.
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In der Folge brachte der Angeklagte gegenüber N seine Verärgerung darüber zum Ausdruck, dass er in der vorangegangenen Nacht mehrfach vom Geschädigten gerufen worden sei und deshalb habe aufstehen müssen. In dem Versuch, beim Angeklagten Verständnis für seinen Vater zu wecken, erwiderte N, dass das Ausmaß der nächtlichen Unruhe des Geschädigten tagesformabhängig sei und es auch Nächte gebe, in denen sein Vater durchschlafe.
98
Als N kurz darauf seinen Vater fragte, ob alles soweit in Ordnung sei, reagierte dieser mit einer wegwischenden Handbewegung, welche N als Ausdruck von Unzufriedenheit bei seinem Vater kannte. Insgesamt stellte sich für ihn die Stimmung zwischen seinem Vater und dem Angeklagten als schlecht dar. Da der Angeklagte zudem einen zu geringen Vorrat an Kartoffeln moniert hatte, bat N anschließend seine Schwester K, mittags Kartoffeln vorbeizubringen.
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Als K gegen 12:00 Uhr dieser Bitte nachkam, teilte der Angeklagte auch ihr in verärgertem Tonfall mit, dass er in der Nacht mehrfach vom Geschädigten gerufen worden sei, und brachte dabei zum Ausdruck, dass er dies als unzumutbar empfand. K vermutete, dass der Angeklagte deshalb erschöpft sei, und bot ihm an, dass er sich hinlegen oder auch spazieren gehen könne, während sie bei ihrem zu diesem Zeitpunkt im Bett schlafenden Vater bleiben würde. Der Angeklagte lehnte dieses Angebot jedoch ab, weshalb K bereits nach wenigen Minuten die Wohnung wieder verließ.
100
Als sie gegen 15:30 Uhr zurückkehrte, saß ihr Vater im Wohnzimmer in seinem Rollstuhl vor einer pürierten Mahlzeit aus Kartoffeln, Erbsen und Möhren, während der Angeklagte im Nebenzimmer ein üppiges Fischgericht mit Kartoffel- und Gemüsebeilage verspeiste. Gegenüber seiner Tochter äußerte W 1 mit den Worten „Guck dir mal meinen Fraß an!“ lautstark seinen Unmut über die vom Angeklagten für ihn zubereitete Mahlzeit.
101
Darüber hinaus brachte W 1 mit der von ihm mehrfach wiederholten Äußerung „Guck dir den mal an, wie der sich hier benimmt!“ seine Irritation und Unzufriedenheit über das generelle Auftreten des Angeklagten zum Ausdruck. K versprach ihrem Vater daraufhin, schnellstmöglich einen Ersatz für den Angeklagten zu suchen. Der Angeklagte hatte all dies mitbekommen, wodurch seine Verärgerung über den Geschädigten noch zunahm.
102
Im Anschluss unterhielt sich K bis etwa 17:00 Uhr mit ihrem Vater, wobei sie diesen in einer unauffälligen, in jeder Hinsicht seinem damaligen gesundheitlichen Allgemeinzustand entsprechenden Verfassung erlebte. Nachdem sie die Wohnung verlassen hatte, war der Angeklagte wieder mit W 1 allein.
103
Am 25.05.2017 kurz nach 17:00 Uhr verabreichte der Angeklagte mit seinem Insulin-Pen dem Geschädigten W 1 mindestens drei Injektionen zu je 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70), um auf diese Weise eine Hypoglykämie beim Geschädigten und damit eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorzurufen.
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Hierdurch wollte sich der Angeklagte zum einen Genugtuung verschaffen, um auf diese Weise seine Verärgerung über die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten sowie über die erhebliche Störung seiner eigenen Nachtruhe in der vorangegangenen Nacht durch die mehrfachen Rufe des Geschädigten abzureagieren.
105
Zum anderen wollte der Angeklagte im Zuge dessen zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen dieser Arbeitsstelle ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf schaffen, da zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt zu erwarten war.
106
Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass er durch sein Auftreten und seine darin zum Ausdruck kommende innere Einstellung - ihm ging es nur darum, die Aufgaben einer 24-StundenBetreuungskraft mit möglichst wenig Arbeitsaufwand zu verrichten, sich zum Nachteil des Geschädigten zu bereichern und danach möglichst schnell wieder abzureisen - die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten maßgeblich verursacht hatte.
107
Der Angeklagte wusste ferner, dass es zu den ganz zentralen Aufgaben einer 24-StundenBetreuungskraft gehört, insbesondere nachts als Ansprechpartner und Unterstützung für die hilfsbedürftige Person bei entsprechendem Bedarf zur Verfügung zu stehen, und er deshalb auf die von ihm eingeforderte ungestörte eigene Nachtruhe keinen Anspruch hatte.
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Bei seinem Vorgehen hielt der Angeklagte einen tödlichen Ausgang für möglich und nahm diesen billigend in Kauf. Welche Folgen sein Handeln für den Geschädigten hatte, war dem Angeklagten gleichgültig.
109
Gegen 18:45 Uhr traf - für den Angeklagten überraschend - N erneut in der Wohnung ein und fand seinen Vater im Bett liegend vor. W 1 blickte ins Leere, stöhnte leise vor sich hin und reagierte weder auf Ansprache noch auf Handbewegungen vor seinem Gesicht. N fragte den Angeklagten, was los sei und ob etwas vorgefallen sei. Hierauf erklärte der Angeklagte lediglich, dass der Geschädigte geschlafen und gerade eben nach ihm gerufen habe, dass er aufstehen wolle.
110
N informierte telefonisch seine Schwester K über den Zustand des Geschädigten. Diese traf wenige Minuten später ebenfalls vor Ort ein und fand den Geschädigten in unverändertem Zustand vor. Die Geschwister beschlossen, umgehend den Rettungsdienst zu verständigen, woraufhin K gegen 19:20 Uhr einen entsprechenden Notruf absetzte.
111
Der Angeklagte hingegen hatte in keiner Weise zur Verständigung des Rettungsdienstes beigetragen. Dass er dem Geschädigten Insulin verabreicht hatte, erwähnte der Angeklagte weder gegenüber den beiden Kindern des Geschädigten noch gegenüber den um 19:24 Uhr alarmierten und gegen 19:30 Uhr vor Ort eingetroffenen Rettungssanitätern.
112
Diese fanden den Geschädigten in getrübter Bewusstseinslage vor. Gleichwohl unterließen die Rettungssanitäter eine Bestimmung des Blutzuckerspiegels. Die von ihnen erhobenen Vitalparameter waren unauffällig. Wegen der Bewusstseinsstörung des Geschädigten entschieden die Rettungssanitäter allerdings, diesen umgehend in ein Krankenhaus zu verbringen.
113
Während W 1 in den Rettungswagen verbracht wurde, entsorgte der Angeklagte eine Tüte mit dem Hausmüll aus der Wohnung des Geschädigten in den Mülltonnen vor dem Anwesen. Anschließend verlangte er von N, dass dieser sofort die Vermittlungsagentur anrufen solle, damit der Angeklagte abgeholt werde, da er ja nun vor Ort nicht mehr arbeiten könne. N lehnte dies jedoch mit dem Hinweis ab, dass er zunächst eine Tasche für den Krankenhausaufenthalt seines Vaters zu packen habe.
114
Als der Angeklagte kurz darauf sein Ansinnen gegenüber N in sehr nachdrücklicher und fordernder Weise wiederholte, entgegnete dieser, dass er zunächst ins Krankenhaus fahren werde, um sich dort über den Zustand des Geschädigten zu informieren. Sobald er wisse, wie es weitergehe, erhalte der Angeklagte Bescheid.
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Um 19:43 Uhr wurde W 1 mit dem Rettungswagen zum Krankenhaus … transportiert und um 19:50 Uhr in der Notaufnahme der dortigen Zentralambulanz übergeben. Mit dem Hinweis, dass es dem Geschädigten sehr schlecht gehe, wurde die diensthabende Ärztin Y von der dortigen Pflegekraft zu diesem hinzugezogen.
116
Bei ihrer Untersuchung stellte die Ärztin Y fest, dass W 1 nicht ansprechbar war, auf Schmerzreiz nur minimal reagierte, sehr schwerfällig und flach atmete, zwischendurch immer wieder röchelte und auch kurze Atemaussetzer hatte. Die Herzfrequenz, der Blutdruck und die Sauerstoffsättigung waren ausweislich der von Y auf dem Monitor des Überwachungsgeräts abgelesenen Werte stabil, weshalb sich die Ärztin die Bewusstseinsstörung des Geschädigten nicht erklären konnte.
117
Routinemäßig wurde in der Zentralambulanz um 19:53 Uhr eine venöse Blutgasanalyse erstellt, welche neben diversen anderen Laborparametern auch das Ergebnis einer Blutzuckermessung enthielt. Der Ausdruck des Analyseergebnisses wurde der Ärztin Y mit einigen Minuten Verzögerung vorgelegt, da die Ärztin von ihrer Untersuchung des Geschädigten unmittelbar zu einem weiteren Notfall in der Zentralambulanz gerufen worden war.
118
Bei der Durchsicht des Ergebnisses der venösen Blutgasanalyse von 19:53 Uhr beschränkte sich Y auf die Prüfung der Elektrolytwerte, welche sie als zufriedenstellend erachtete. Dem Blutzuckerwert schenkte sie keinerlei Beachtung, obwohl sie sich die Bewusstseinsstörung des Geschädigten nicht erklären konnte.
119
Da Hypoglykämie eine der möglichen Hauptursachen für eine Bewusstseinsstörung darstellt, ist die Blutzuckermessung einschließlich der Bewertung des hierbei erzielten Ergebnisses insbesondere bei bewusstseinsgestörten Patienten eine der standardmäßig stets durchzuführenden medizinischen Notfallmaßnahmen. Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - eine sonstige Ursache der Bewusstseinsstörung nicht erkennbar ist.
120
Da Y dem bei der venösen Blutgasanalyse um 19:53 Uhr erhobenen Glucosewert keinerlei Beachtung schenkte, entging der Ärztin, dass dieser Wert mit 16 mg/dl äußerst niedrig war und das Vorliegen einer schweren Hypoglykämie beim Geschädigten belegte. Für den Geschädigten bestand konkrete Lebensgefahr.
121
Kurz darauf trafen N und K in der Notaufnahme der Zentralambulanz ein. Mit dem Zusatz, dass es dem Geschädigten sehr schlecht gehe, wurden die Geschwister von der Ärztin Y sofort nach einer Vorsorgevollmacht des Geschädigten gefragt, woraufhin sich N als Vorsorgebevollmächtigter zu erkennen gab.
122
Y führte weiter aus, dass der Geschädigte im Sterben liege und in den nächsten Stunden mit seinem Ableben zu rechnen sei. Sie fragte deshalb, ob lebensverlängernde Maßnahmen ergriffen werden sollten. Dies lehnte N im Hinblick auf den von seinem Vater in der Vergangenheit geäußerten, entsprechenden Willen ab. Hierauf erklärte Y, dass dann ärztlicherseits keine Maßnahmen mehr ergriffen würden, und kündigte an, dem Geschädigten und seinen Angehörigen ein separates Zimmer bereitzustellen, falls sich der Sterbeprozess noch über einen längeren Zeitraum erstrecken sollte.
123
Dem Geschädigten wurde einmal Schleim aus den Atemwegen abgesaugt und eine Infusion mit Ringer-Lösung verabreicht. Darüber hinaus fanden - der ärztlichen Ankündigung entsprechend - keine weiteren Behandlungsmaßnahmen am Geschädigten statt, solange Y als Ärztin für ihn zuständig war. Insbesondere ordnete die Ärztin Y keine Medikamentengabe an den Geschädigten an.
124
Die Atmung des Geschädigten blieb zunächst weiter unregelmäßig und setzte immer wieder aus, bis sie sich nach etwa zwei Stunden ohne ärztliches Eingreifen von selbst besserte. Danach wirkte W 1 auf seine Kinder, als ob er lediglich tief schlafe.
125
Wegen des erhöhten Arbeitsanfalls aufgrund mehrerer Notfälle sah sich die Ärztin Y nicht in der Lage, ihren Dienst planmäßig um 21:30 Uhr nach einer Übergabe an die Ärztin der Nachtschicht, Z, zu beenden, die ihren Dienst in der Zentralambulanz gegen 21:00 Uhr angetreten hatte. Beide Ärztinnen arbeiteten über 21:30 Uhr hinaus zumindest bis gegen 23:00 Uhr parallel und teilten sich die anfallende Arbeit auf.
126
Gegen 22:00 Uhr begab sich die Ärztin Z zum Geschädigten und dessen Kindern N und K. In einem Gespräch, an dem auch die Ärztin Y teilnahm, wurden der bisherige Ablauf und die weiteren Aussichten erörtert.
127
Im Zuge dessen erklärte N in seiner Eigenschaft als Vorsorgebevollmächtigter gegenüber der Ärztin Z, dass er eine fundierte Auskunft über den Zustand seines Vaters wünsche sowie die Abklärung, ob für diesen wirklich nichts - außer lebensverlängernden Maßnahmen - mehr getan werden könne. Hierauf erwiderte Z, dass man eine Computertomografie des Kopfes durchführen werde, um das Vorliegen einer Gehirnblutung ausschließen zu können. Auf die von K geäußerte Frage, wie es denn sein könne, dass es jemandem so schnell so schlecht gehe, wurde ärztlicherseits angekündigt, dass dem Geschädigten außerdem noch einmal Blut für eine entsprechende Laboruntersuchung abgenommen werden solle.
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Anschließend wurden die beiden angekündigten Maßnahmen am Geschädigten durchgeführt. Die Blutprobe musste wegen der Nachtzeit zur Untersuchung in ein Labor nach … geschickt werden, wo sie um 23:22 Uhr einging. Das Ergebnis der Computertomografie war unauffällig und erbrachte insbesondere keinerlei Anhaltspunkte für eine Gehirnblutung.
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Gegen 23:00 Uhr sah die Ärztin Z den Ausdruck mit dem Ergebnis der venösen Blutgasanalyse von 19:53 Uhr. Hierbei fiel der Ärztin der sehr niedrige Blutzuckerwert von 16 mg/dl auf, zumal der Blutzucker des Geschädigten bis dahin nie thematisiert worden war. Z führte daraufhin ein Gespräch mit ihrer nach wie vor anwesenden Vorgängerin Y und zeigte ihr den Glucosewert auf dem Ausdruck mit dem Analyseergebnis.
130
Überdies veranlasste die Ärztin Z eine Blutzuckermessung beim Geschädigten durch einen Krankenpfleger, welche von diesem etwa zwischen 23:10 Uhr und 23:30 Uhr durchgeführt wurde. Anlässlich des von ihm erhobenen Messergebnisses äußerte der Krankenpfleger in Anwesenheit der Angehörigen „Oh“ und verließ das Krankenzimmer wieder. Kurz darauf kehrte er zurück und verabreichte dem Geschädigten auf Anordnung der Ärztin Z eine 500 ml-Infusionslösung mit 4 g Glucose.
131
Bereits nach wenigen Minuten setzte beim Geschädigten eine deutliche Zustandsverbesserung ein. W 1 erlangte das Bewusstsein zurück, erkannte seine anwesenden Kinder und sprach diese an. Inzwischen war auch die xx Tochter des Geschädigten, J, im Krankenhaus eingetroffen, während P urlaubsbedingt verhindert war.
132
Als kurz darauf die Ärztin Z hinzukam, um nach dem Geschädigten zu sehen, stellte auch sie fest, dass sich der Bewusstseinszustand des Geschädigten innerhalb von etwa 20 Minuten nach Verabreichung der Glucose-Lösung deutlich verbessert hatte. Im Gegensatz zu vorher reagierte W 1 nun auf Ansprache und tätigte darüber hinaus sogar selbst Äußerungen.
133
Das Untersuchungsergebnis der um 23:22 Uhr im Labor … eingegangenen, kurz nach 22:00 Uhr entnommenen Blutprobe des Geschädigten wies einen Blutzuckerwert von weniger als 10 mg/dl aus und lag damit unterhalb des im Labor verwendeten Kalibrationsbereichs.
134
Am 26.05.2017 um 00:15 Uhr wurde in der Zentralambulanz des Krankenhauses … eine Kontrollmessung des Blutzuckerwerts beim Geschädigten durchgeführt. Diese erbrachte einen nach wie vor hypoglykämischen Wert von 37 mg/dl, woraufhin dem Geschädigten eine Infusion mit 1000 ml Glucose-5%-Lösung verabreicht wurde. Eine im Anschluss daran um 00:37 Uhr ebenfalls in der Zentralambulanz durchgeführte, weitere Kontrollmessung beim Geschädigten ergab einen oberhalb des Normbereichs liegenden Blutzuckerwert von 237 mg/dl. Gegen 00:50 Uhr wurde W 1 auf die Normalstation verlegt, wo ihm ab 00:54 Uhr eine weitere Infusion mit 500 ml Glucose-5%-Lösung verabreicht wurde.
135
Insgesamt wurden dem Geschädigten mithin in einem Zeitraum von mindestens 1,5 Stunden 79 g Glucose intravenös verabreicht. Weitere Glucose-Infusionen waren nicht erforderlich. Die Blutzuckerwerte des Geschädigten waren fortan unauffällig.
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Allerdings trat bei W 1 infolge der Immobilität, die mit dem Zustand der Hypoglykämie und der daraus resultierenden Bewusstlosigkeit zwangsläufig verbunden ist, in den folgenden Tagen eine Lungenentzündung (hypostatische Pneumonie) auf. Damit realisierte sich ein Risiko, welches im Falle einer Immobilisierung insbesondere bei älteren Menschen typischerweise besteht. Die Lungenentzündung des Geschädigten musste mit Antibiotika behandelt werden und ging mit einer drastischen Verschlechterung seines Allgemeinzustandes einher.
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Nachdem W 1 am 31.05.2017 trotz bestehender Luftnot aus dem Krankenhaus entlassen worden war, musste er bereits am Folgetag, dem 01.06.2017, im Zustand der Somnolenz, einer tiefen Bewusstseinsstörung, vom Notarzt erneut in das Krankenhaus … eingeliefert werden. Während des anschließenden stationären Krankenhausaufenthalts bis 14.06.2017 stand wiederum die Behandlung der fortdauernden Lungenentzündung des Geschädigten im Vordergrund.
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Bereits nach einem rund einwöchigen Aufenthalt zu Hause musste der Geschädigte am 24.06.2017 mit Atemnot und insgesamt weiter verschlechtertem Allgemeinzustand erneut in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Diesmal wurde er in das yyy-Hospital in … verbracht, wo er zunächst rund 10 Tage auf der Intensivstation und anschließend auf der Normalstation untergebracht war. Nachdem sich sein Allgemeinzustand immer weiter verschlechtert hatte, wurde W 1 am 07.07.2017 in ein Pflegeheim verlegt, wo er schließlich am 11.07.2017 gegen 02:30 Uhr verstarb.
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Der Angeklagte wurde am 26.05.2017 gegen 16:35 Uhr von dem Fahrer der Vermittlungsagentur „O“, T S, an der Wohnung des Geschädigten abgeholt und in die Betriebswohnung der Agentur nach G verbracht. Sowohl gegenüber T S als auch gegenüber dem Inhaber der Agentur, T M, äußerte der Angeklagte, dass der Geschädigte aufgrund eines erlittenen Herzinfarkts ins Krankenhaus eingeliefert worden sei und dies angesichts seines Alters bestimmt nicht überleben werde. Am 27.05.2017 gegen 03:00 Uhr reiste der Angeklagte mit einem Bus zurück nach .
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Zwei Töchter des Geschädigten, K und J, leiden bis heute unter den psychischen Folgen der Tat..
II. Fall B (Ziffer 3 der Anklageschrift)
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Ab 30.05.2017 wurde der Angeklagte auf vertraglicher Grundlage als 24-Stunden-Betreuungskraft für den damals 90-jährigen späteren Geschädigten B eingesetzt. Dieser litt seit einem Sturz im Februar 2016 an Demenz und konnte seither nicht mehr sprechen. Eine Erkrankung an Diabetes mellitus bestand bei ihm hingegen nicht. In seinem Haus war er mithilfe eines Rollators mobil. B war ein sehr freundlicher, zugewandter und friedfertiger Mensch, der sich auch im Zuge seiner DemenzErkrankung nie verbal oder körperlich aggressiv verhielt.
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Der Angeklagte kam am 30.05.2017 im Haushalt des Geschädigten in an und traf dort auf seinen Vorgänger, der ihn in die Gegebenheiten vor Ort einwies. Am Abend des 30.05.2017 lernte der Angeklagte auch Be, eine von xxi Töchtern des Geschädigten, kennen, die von ihrem Arbeitsplatz zurückkehrte und im selben Haus wie ihr Vater lebte. In ihrer Freizeit kümmerte sich Be neben der jeweils anwesenden 24-Stunden-Betreuungskraft um ihren Vater und übernahm ferner vollständig dessen Betreuung in der Nacht.
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B lehnte den Angeklagten als seine 24-Stunden-Betreuungskraft ab und zeigte dies beim gemeinsamen Abendessen am 30.05.2017 und danach durch einen skeptischen Gesichtsausdruck sowie dadurch, dass er den Angeklagten nicht anschaute. Be erkannte darin einen wesentlichen Unterschied zu allen früheren Wechseln der Betreuungskraft. Alle anderen neuen 24-StundenBetreuungskräfte hatte ihr Vater stets ganz normal angeblickt. Der Angeklagte bemerkte die Ablehnung des Geschädigten ihm gegenüber und war hierüber verärgert.
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Am nächsten Morgen, den 31.05.2017, verließ Be gegen 09:00 Uhr das Haus und fuhr zur Arbeit. Nach der Abreise seines Vorgängers im Laufe des Vormittags war der Angeklagte mit dem Geschädigten allein.
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Am frühen Nachmittag des 31.05.2017 etwa im Zeitraum 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr verabreichte der Angeklagte mit seinem Insulin-Pen dem Geschädigten B zwei Injektionen zu je 40 I.E. des InsulinPräparats Gensulin M 30 (30/70), um auf diese Weise eine Hypoglykämie beim Geschädigten und damit eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorzurufen.
146
Hierdurch wollte sich der Angeklagte zum einen Genugtuung verschaffen, um auf diese Weise seine Verärgerung über die nonverbal zum Ausdruck gebrachte Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten abzureagieren. Zum anderen wollte der Angeklagte im Zuge dessen zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen dieser Arbeitsstelle ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf schaffen, da zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt zu erwarten war.
147
Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass wegen seiner inneren Einstellung - ihm ging es nur darum, die Aufgaben einer 24-Stunden-Betreuungskraft mit möglichst wenig Arbeitsaufwand zu verrichten, sich zum Nachteil des Geschädigten zu bereichern und danach möglichst schnell wieder abzureisen - die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten letztlich begründet war, auch wenn dieser keine positive Kenntnis von der inneren Einstellung des Angeklagten hatte.
148
Bei seinem Vorgehen hielt der Angeklagte einen tödlichen Ausgang für möglich und nahm diesen billigend in Kauf. Welche Folgen sein Handeln für den Geschädigten hatte, war dem Angeklagten gleichgültig.
149
Gegen 16:00 Uhr / 16:30 Uhr rief der Angeklagte Be an und informierte sie darüber, dass ihr Vater im Bett liege und es ihm nicht gelinge, diesen aufzuwecken. Im Zuge dessen forderte der Angeklagte Be auf, nach Hause zu kommen, erwähnte jedoch nicht, dass er dem Geschädigten Insulin verabreicht hatte. Durch die vom Angeklagten erhaltene Information war Be nicht beunruhigt, da es in der Vergangenheit gelegentlich vorgekommen war, dass ihr Vater am Nachmittag mehrere Stunden fest geschlafen hatte. Da sie an ihrem Arbeitsplatz noch etwas fertigzustellen hatte, äußerte sie gegenüber dem Angeklagten, dass es bis zu ihrer Rückkehr nach Hause noch eine Weile dauern werde.
150
Als Be gegen 18:00 Uhr zu Hause eintraf, teilte ihr der Angeklagte aufgeregt mit, dass ihr Vater schon längere Zeit im Bett liege und schlafe. Be unternahm daraufhin gemeinsam mit dem Angeklagten einen erfolglosen Versuch, ihren Vater zu wecken. Sie vermutete eine tiefschlafphasenbedingte Müdigkeit ihres Vaters als Grund dafür, dass dieser auf den Weckversuch kaum eine Reaktion gezeigt hatte, und wollte ihn deshalb weiter im Bett liegen und sich ausruhen lassen. Der Angeklagte drängte jedoch nachdrücklich darauf, einen Arzt zu verständigen. Be fragte daraufhin telefonisch ihre Schwester G um Rat, war aber auch nach diesem Telefonat weiter unentschlossen hinsichtlich des weiteren Vorgehens.
151
Da der Angeklagte, der auf Be nunmehr einen nervösen Eindruck machte, weiterhin nachdrücklich darauf drängte, einen Arzt zu verständigen, entschloss sich Be, dem Drängen des Angeklagten nachzugeben. Sie setzte deshalb gegen 18:25 Uhr einen Notruf ab, was sie um diese Uhrzeit ohne das nachdrückliche Drängen des Angeklagten nicht getan hätte. Sie hätte vielmehr noch längere Zeit zugewartet und die weitere Entwicklung des Zustands ihres Vaters beobachtet.
152
Der Angeklagte ließ jedoch weiterhin unerwähnt, dass er dem Geschädigten Insulin verabreicht hatte. Er teilte dies weder Be noch dem aufgrund des Notrufs um 18:26 Uhr alarmierten und um 18:35 Uhr beim Geschädigten eingetroffenen Notarzt Dr. S mit. Dieser fand den Geschädigten bewusstlos und nicht mehr erweckbar vor. Lediglich Beugereflexe waren noch vorhanden, was insgesamt zu einem Punktwert von 5 gemäß der Glasgow-Coma-Scale (GCS-Score) führte. Eine Blutzuckermessung erbrachte einen hypoglykämischen Wert von 36 mg/dl. Für den Geschädigten bestand konkrete Lebensgefahr.
153
Der Notarzt spritzte dem Geschädigten 8 g Glucose als Bolus unmittelbar intravenös und verabreichte ihm weitere 4 g Glucose durch Infusion einer mit Glucose versetzten 500 ml-Ringer-Acetat-Lösung. Hierdurch stieg der Blutzuckerwert auf 156 mg/dl an und der Bewusstseinszustand des Geschädigten verbesserte sich im Zuge dessen soweit, dass B auf Ansprache die Augen öffnete.
154
Um 18:55 Uhr wurde B in Begleitung des Notarztes zum Klinikum … transportiert, wo er um kurz nach 19:00 Uhr eintraf. Im Krankenhaus durchgeführte Blutzuckermessungen erbrachten folgende hypoglykämischen Blutzuckerwerte: am 31.05.2017 um 19:24 Uhr 32 mg/dl, am 01.06.2017 um 04:00 Uhr 36 mg/dl und um 06:00 Uhr 39 mg/dl. Zwischen diesen Messungen und danach konnte der Blutzuckerspiegel durch die Verabreichung einer unbekannten Menge Glucose in einen unauffälligen Bereich angehoben und letztlich stabilisiert werden. Insgesamt musste dem Geschädigten über einen Zeitraum von mindestens 12 Stunden Glucose verabreicht werden. Am 08.06.2017 konnte B wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden und trug keine erkennbaren Folgeschäden von der Hypoglykämie davon.
155
Kurz nach dem Abtransport des Geschädigten ins Krankenhaus holte G ihre Schwester Be zu Hause ab, um sich zusammen mit ihr im Krankenhaus nach dem Zustand ihres Vaters zu erkundigen. Bei dieser Gelegenheit äußerte der Angeklagte gegenüber Gl, dass er aufgrund der Krankenhauseinlieferung des Geschädigten nun ja nicht mehr gebraucht werde und gleich wieder abreisen könne. G entgegnete hierauf, dass sie sich erst einmal im Krankenhaus darüber informieren wolle, wie lange ihr Vater voraussichtlich im Krankenhaus bleiben müsse. Anschließend könne man das Weitere besprechen.
156
Als die Schwestern am Abend des 31.05.2017 aus dem Krankenhaus zurückkehrten, wiederholte der Angeklagte, dass er in Kürze heimfahren werde und begründete dies mit dem stationären Krankenhausaufenthalt des Geschädigten. G und Be erwiderten hierauf, dass der Angeklagte auf jeden Fall zunächst noch vor Ort bleiben müsse und keinesfalls abreisen dürfe.
157
Der Angeklagte wollte jedoch unbedingt möglichst bald abreisen, allerdings nicht gegen den ausdrücklich erklärten Willen der beiden Schwestern. Er behaupte deshalb im Laufe der beiden folgenden Tage gegenüber Be bewusst wahrheitswidrig, dass sein Vater gestorben sei und er deshalb unbedingt abreisen müsse. Wie vom Angeklagten beabsichtigt, erteilte Be aufgrund des vermeintlichen Trauerfalls ihr Einverständnis mit seiner Abreise. Sie knüpfte dieses jedoch an die Bedingung, dass der Angeklagte nach dem anstehenden Wochenende am Montag, den 05.06.2017, wieder zurückkehren müsse. Zum Schein ging der Angeklagte hierauf ein und sagte dies zu.
158
Der Angeklagte behauptete ferner, dass er noch Geld benötige, um die Hin- und Rückreise bezahlen zu können. Be erklärte sich bereit, dem Angeklagten hierfür 100 Euro zu leihen, verlangte jedoch ausdrücklich die Rückzahlung des vollen Betrags bei der vom Angeklagten zugesagten Rückkehr am darauffolgenden Montag. In der Absicht, sich hierdurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, sicherte der Angeklagte die Rückzahlung des Geldbetrages für den darauffolgenden Montag zu, obwohl er entschlossen war, nicht mehr in den Haushalt des Geschädigten B zurückzukehren. Im Vertrauen darauf, dass die Rückzahlungszusicherung des Angeklagten der Wahrheit entsprach, händigte ihm Be 100 Euro in bar aus.
159
In den frühen Morgenstunden des 03.06.2017 reiste der Angeklagte ab, nahm hierbei Nahrungsmittel aus dem Haushalt des Geschädigten mit und kehrte seiner vorgefassten Absicht entsprechend danach nicht mehr zurück. Vielmehr verfasste der Angeklagte noch am 03.06.2017 ein Kündigungsschreiben an seinen … Vertragspartner, die Agentur „P“, in welchem er sich als M W ausgab, der aus „familiärpersönlichen Gründen“ des Angeklagten in dessen Auftrag die Vertragskündigung aussprach. Am 05.06.2017 sandte der Angeklagte an Be eine WhatsApp-Nachricht mit dem Wortlaut „Herr W hatte Unfall und liegt im Koma“.
160
Das Bundesverdienstkreuz des Geschädigten B, welches von Be zum Zeitpunkt ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung in dieser Sache zunächst vermisst worden war, konnte von ihr zu einem späteren Zeitpunkt auf einem Schrank unter einem Stapel von Unterlagen wieder aufgefunden werden. Aufgrund der spezifischen, für ein Versteck ihres Vaters typischen Auffindesitution ist Be davon überzeugt, dass B selbst das Bundesverdienstkreuz dort versteckt hatte. Im Haushalt des Geschädigten B hatte es zu keinem Zeitpunkt ein weiteres Abzeichen oder einen sonstigen Wertgegenstand in Kreuzform gegeben.
III. Fall M (Ziffer 4 der Anklageschrift)
161
Ab 25.06.2017 wurde der Angeklagte auf vertraglicher Grundlage als 24-Stunden-Betreuungskraft für den damals 82-jährigen späteren Geschädigten M eingesetzt. Dieser litt an Morbus Parkinson mit leichter Demenz und war zur Fortbewegung auf einen Rollstuhl angewiesen. Eine Erkrankung an Diabetes mellitus bestand bei ihm hingegen nicht. M war ein sehr freundlicher Mensch, der nie aus der Rolle fiel und sich auch im Zuge seiner Parkinson-Erkrankung nie verbal oder körperlich aggressiv verhielt. Er wurde nie beleidigend oder handgreiflich. Unabhängig davon wäre M aufgrund seiner krankheitsbedingten körperlichen Schwäche und motorischen Einschränkungen zu Handgreiflichkeiten wie etwa einem Faustschlag körperlich gar nicht mehr in der Lage gewesen.
162
M lebte zusammen mit seiner Ehefrau in einem Einfamilienhaus, welches mit einem Treppenlift und diversen Patientenliftern ausgestattet war, um den Transfer des Geschädigten etwa zwischen dem Wohnzimmer im Erdgeschoss und seinem Schlafzimmer im ersten Obergeschoss oder zwischen Bett und Rollstuhl zu erleichtern.
163
Als der Angeklagte am 25.06.2017 gegen 16:35 Uhr im Haushalt des Geschädigten M in, eintraf, war er wieder einmal körperlich ungepflegt, nachlässig gekleidet und trat - seiner inneren Einstellung entsprechend - nicht vertrauenserweckend auf. Da es ihm generell nur darum ging, die Aufgaben als 24-Stunden-Betreuungskraft mit möglichst wenig Arbeitsaufwand zu verrichten, sich zum Nachteil des Geschädigten zu bereichern und danach möglichst schnell wieder abzureisen, bemühte er sich gar nicht erst darum, durch ein gepflegtes Erscheinungsbild sowie ein freundliches, sympathisches und vertrauenserweckendes Auftreten einen guten Eindruck zu hinterlassen.
164
Dementsprechend war G, die Ehefrau des Geschädigten, die den Angeklagten in Empfang nahm, von dessen Erscheinungsbild und Auftreten negativ überrascht. Er wirkte auf sie nicht vertrauenswürdig und war ihr nicht zuletzt deshalb vom ersten Augenblick an unsympathisch. Gleichwohl trat G dem Angeklagten gegenüber stets höflich auf. M zeigte bei der Begrüßung durch den Angeklagten keinerlei auffällige Reaktion und reagierte insbesondere nicht ablehnend auf ihn. Der Angeklagte wurde anschließend von seinem Vorgänger, welcher am darauffolgenden Morgen abreiste, in die Gegebenheiten vor Ort eingewiesen.
165
Als G am Abend des 25.06.2017 nach dem Angeklagten das gemeinsam genutzte Badezimmer aufsuchte, erschrak sie aufgrund des Anblicks, der sich ihr bot. Der Angeklagte hatte nach dem Stuhlgang die Toilettenschüssel voller Kot hinterlassen sowie von ihm zur Reinigung des Gesäßes verwendete Handtücher auf dem Badezimmerboden zurückgelassen. Hierüber erzürnt forderte G den Angeklagten nachdrücklich dazu auf, die Toilettenschüssel zu reinigen sowie die Handtücher wegzuräumen und diese ebenfalls zu reinigen.
166
Der Angeklagte war über diese Zurechtweisung verärgert, kam der an ihn gerichteten Aufforderung jedoch letztlich nach. Allerdings hinterließ er bereits am darauffolgenden Morgen, den 26.06.2017, nach dem Stuhlgang erneut die Toilettenschüssel voller Kot, woraufhin G den Angeklagten erneut erzürnt und nachdrücklich dazu aufforderte, die Toilettenschüssel zu reinigen. Die Verärgerung des Angeklagten wurde durch diese erneute Zurechtweisung verstärkt.
167
Zu den Aufgaben des Angeklagten gehörte unter anderem, M vor den Mahlzeiten 30 Tropfen - dies entspricht 1,5 ml - des kreislaufstabilisierenden Medikaments Cardiodoron®, üblicherweise unter Verwendung eines Teelöffels, zu verabreichen.
168
Am darauffolgenden Tag, dem 27.06.2017, vor dem Mittagessen verwendete der Angeklagte hierfür stattdessen einen Esslöffel und eine größere Flüssigkeitsmenge, indem er entweder eine größere Menge an Cardiodoron®-Tropfen auf den Esslöffel gab oder der üblichen Menge an Cardiodoron®- Tropfen Wasser hinzufügte. In der Flüssigkeit löste er heimlich mindestens 3 mg des in Tablettenform erhältlichen Wirkstoffs Lorazepam (Tavor®) auf und verabreichte diese dem Geschädigten M zur Mittagszeit des 27.06.2017, um ihn zu sedieren.
169
Die zur Stoffgruppe der Benzodiazepine gehörende Substanz Lorazepam hat neben einer sedierenden Wirkung auch eine muskelentspannende Wirkung, welche bei M zu einer stark lallenden Aussprache führte, so dass ihn seine Ehefrau beim gemeinsamen Mittagessen kaum verstand. Im Hinblick darauf, dass es ein heißer Sommertag war, vermutete G als Ursache für das Lallen einen Flüssigkeitsmangel, wie er bereits einmal in der Vergangenheit zu einer ähnlichen Symptomatik bei ihrem Ehemann geführt hatte. Da G den Hausarzt der Familie, Dr. P, ohnehin am Abend gegen 18:30 Uhr zu seinem regelmäßigen Hausbesuch beim Geschädigten erwartete, hielt sie es nicht für erforderlich, auf die Zustandsveränderung ihres Ehemannes sofort mit der Anforderung medizinischer Hilfe zu reagieren.
170
Nach dem Mittagessen legte sich der Angeklagte im Wohnzimmer auf die Couch und schlief. Als gegen 14:00 Uhr der Mitarbeiter eines Sanitätshauses eintraf, um den Bettlifter im 1. Obergeschoss auszutauschen, weckte G den Angeklagten und forderte ihn auf, dem Sanitätshausmitarbeiter beim Tragen des Bettlifters über die Treppe behilflich zu sein. Der Angeklagte lehnte dies jedoch ab und behauptete, dass er das nicht könne.
171
Am Nachmittag saß M in seinem Rollstuhl auf der Terrasse, die unmittelbar an das Wohnzimmer im Erdgeschoss des Hauses angrenzte. G stellte ihrem Ehemann eine Tasse mit frisch zubereitetem Kaffee hin, bevor sie sich von 15:30 Uhr bis 16:10 Uhr zum Einkaufen außer Haus begab. Während dieses Zeitraums der Abwesenheit von G war der Angeklagte mit dem Geschädigten allein. M war aufgrund der vom Angeklagten heimlich verabreichten 3 mg des Wirkstoffs Lorazepam zumindest stark sediert und jedenfalls in seiner Wahrnehmungsfähigkeit erheblich eingeschränkt.
172
Am 27.06.2017 zwischen 15:30 Uhr und 16:10 Uhr verabreichte der Angeklagte mit seinem InsulinPen dem in seinem Rollstuhl auf der Terrasse sitzenden Geschädigten M vier Injektionen zu je 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) teilweise subkutan und teilweise intramuskulär, um auf diese Weise eine Hypoglykämie beim Geschädigten und damit eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorzurufen. Zwei dieser Injektionen erfolgten in den rechten Oberarm des Geschädigten.
173
Dabei ging es dem Angeklagten zum einen darum, sich Genugtuung dadurch zu verschaffen, dass G, die sich hingebungsvoll um ihren Ehemann kümmerte und um dessen Wohlergehen besorgt war, aufgrund der für diesen lebensbedrohlichen Notfallsituation um dessen Leben würde fürchten müssen. Auf diese Weise wollte der Angeklagte seine maßgeblich aus den beiden Zurechtweisungen wegen der unhygienischen Badezimmernutzung resultierende Verärgerung über G abreagieren, da die Ehefrau des Geschädigten selbst wegen ihrer hervorragenden körperlichen und geistigen Verfassung als unmittelbares Tatopfer für den Angeklagten nicht in Betracht kam.
174
Zum anderen wollte der Angeklagte im Zuge dessen zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen dieser Arbeitsstelle ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf schaffen, da zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit einem anschließenden stationären Aufenthalt zu erwarten war.
175
Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass er jeweils einen begründeten Anlass für die Zurechtweisungen durch G geboten hatte, indem er zweimal beim Toilettengang im gemeinsam genutzten Badezimmer gegen das sozialübliche Mindestmaß an Hygiene verstoßen hatte, als er jeweils die Toilettenschüssel voller Kot hinterlassen sowie einmal überdies zur Reinigung des Gesäßes verwendete Handtücher auf dem Badezimmerboden zurückgelassen hatte.
176
Bei seinem Vorgehen hielt der Angeklagte einen tödlichen Ausgang für möglich und nahm diesen billigend in Kauf. Welche Folgen sein Handeln für den Geschädigten hatte, war dem Angeklagten gleichgültig.
177
Als G von ihrem Einkauf zurückkehrte, saß M nach wie vor in seinem Rollstuhl auf der Terrasse. Irritiert stellte sie fest, dass die von ihr zuvor hingestellte Tasse Kaffee unverändert gefüllt war. Ferner bemerkte sie, dass sich der Zustand ihres Ehemanns zwischenzeitlich auffällig verschlechtert hatte. Er wirkte kraftlos und hielt seine Augen immer wieder geschlossen.
178
Da G ihren Ehemann noch nie in einem solchen Zustand erlebt hatte, rief sie schließlich gegen 17:15 Uhr in der Praxis ihres Hausarztes Dr. P an und bat diesen, seinen geplanten Hausbesuch wegen der schlechten gesundheitlichen Verfassung des Geschädigten vorzuziehen. Hierbei äußerte sie ihre Vermutung, dass ihr Ehemann möglicherweise unter einem Flüssigkeitsmangel leide. Auf entsprechende telefonische Anweisung des Hausarztes verbrachte G anschließend gemeinsam mit dem Angeklagten den Geschädigten in sein Bett im 1. Obergeschoss des Hauses, wo dieser für seine Ehefrau bereits nicht mehr ansprechbar war.
179
Als Dr. P gegen 18:00 Uhr zu seinem vorgezogenen Hausbesuch eintraf, fand er den Geschädigten somnolent vor. M war durch den Arzt erweckbar und öffnete auf dessen Ansprache hin die Augen. Sein Kreislauf erwies sich als stabil. Dr. P teilte die von G geäußerte Vermutung hinsichtlich eines Flüssigkeitsmangels als mögliche Ursache für den Zustand des Geschädigten und legte diesem deshalb eine Infusion mit 500 ml NaCl-Lösung (Natriumchlorid- bzw. Kochsalz-Lösung) an. Dr. P vereinbarte mit G, dass diese ihn auf seinem Mobiltelefon verständigen solle, sobald die Infusion vollständig in den Geschädigten hineingelaufen sei. Er wolle inzwischen seine übrigen Hausbesuche absolvieren und danach noch einmal vorbeikommen.
180
Nach Beendigung der Infusion versuchte G mehrfach erfolglos, Dr. P telefonisch zu erreichen. Als der Arzt einige Zeit später die Anrufversuche auf seinem Mobiltelefon bemerkte, meldete er sich seinerseits telefonisch bei G und kündigte an, sich zu seinem zweiten Besuch beim Geschädigten auf den Weg zu machen.
181
Unterdessen forderte der Angeklagte G wiederholt auf, ein „Krankenauto“ zu rufen. Mit ihrer Erwiderung, dass sie zunächst den zweiten Besuch des Hausarztes abwarten wolle, gab sich der Angeklagte zufrieden. Zwar äußerte er im weiteren Verlauf wiederholt, dass der Geschädigte nun aber wirklich in ein Krankenhaus müsse, begründete seine Einschätzung jedoch nicht. Insbesondere erwähnte er zu keinem Zeitpunkt, dass er M Insulin sowie einige Stunden zuvor überdies Lorazepam - jeweils massiv überdosiert - verabreicht hatte. Der Angeklagte äußerte auch, dass er jetzt einen Krankenwagen rufen würde, machte jedoch keinerlei Anstalten, zu einem Telefon zu greifen und selbst einen entsprechenden Notruf abzusetzen. Als G erneut erwiderte, dass sie zunächst den zweiten Besuch des Hausarztes abwarten wolle, gab sich der Angeklagte wiederum damit zufrieden. Bei seinen Äußerungen klang er zwar durchaus besorgt, aber weder aufgeregt noch beunruhigt.
182
Eigene ernsthafte Rettungsbemühungen unternahm der Angeklagte nicht, obwohl ihm bewusst war, dass der Geschädigte möglicherweise an der durch die Verabreichung des Insulins hervorgerufenen Hypoglykämie und ihren Folgen versterben könnte. Auch im weiteren Verlauf informierte der Angeklagte niemanden darüber, dass er dem Geschädigten Lorazepam und Insulin verabreicht hatte.
183
Gegen 20:30 Uhr machte sich Dr. P erneut auf den Weg und fand bei seinem Eintreffen den Geschädigten nunmehr bewusstlos vor. Gegen 21:10 Uhr setzte Dr. P einen Notruf ab und leitete telefonisch die organisatorischen Maßnahmen für eine Einlieferung des Geschädigten in das Krankhaus … in die Wege, wo dieser aufgrund früherer Behandlungen als Patient bereits bekannt war.
184
Der aufgrund des Notrufs um 21:13 Uhr alarmierte und gegen 21:25 Uhr vor Ort eingetroffene Notarzt Dr. N fand M tief bewusstlos und nicht erweckbar vor. Dessen Zustand entsprach einem GCS-Score von 3. Die Sauerstoffsättigung betrug nur noch 92 Prozent. Eine Blutzuckermessung erbrachte einen Wert von 17 mg/dl, wodurch das Vorliegen einer schweren Hypoglykämie belegt war. Dieses Ergebnis wurde durch eine Kontrollmessung mit einem Blutzuckerwert von 23 mg/dl bestätigt. Für den Geschädigten bestand konkrete Lebensgefahr.
185
Der Notarzt spritzte M 8 g Glucose als Bolus unmittelbar intravenös und verabreichte ihm weitere 4 g Glucose durch Infusion einer mit Glucose versetzten 500 ml-Ringer-Lösung. Ferner saugte Dr. N dem Geschädigten eine große Menge an zähem Sekret im Bereich der Atemwege ab. Dieses hatte bereits zu Rasselgeräuschen bei der Atmung geführt.
186
Infolge der Glucosegabe stieg der Blutzuckerwert auf 86 mg/dl an. Um den Blutzuckerspiegel für den Transport zum Rettungswagen zu stabilisieren, spritzte Dr. N dem Geschädigten weitere 4 g Glucose als Bolus unmittelbar intravenös, wodurch der Blutzuckerwert auf 125 mg/dl angehoben wurde. M war daraufhin vorübergehend normal ansprechbar, antwortete adäquat und konnte über den Treppenlift nach unten in den Rettungswagen verbracht werden.
187
Allerdings erlitt er bereits etwa 10 Minuten später erneut eine Bewusstseinsstörung in Form der Somnolenz. Eine daraufhin durchgeführte Blutzuckermessung erbrachte wieder einen hypoglykämischen Wert von 25 mg/dl, woraufhin der Notarzt dem Geschädigten weitere 8 g Glucose als Bolus unmittelbar intravenös verabreichte. Hierdurch stieg der Blutzuckerwert auf 102 mg/dl an.
188
Auf der nachfolgenden Fahrt zum Krankenhaus … war M zunächst wieder normal ansprechbar und in der Lage, adäquat zu antworten. Doch bereits kurz vor der Ankunft im Krankenhaus kam es zu einem erneuten Abfall des Blutzuckerspiegels, woraufhin Dr. N dem Geschädigten weitere 4 g Glucose als Bolus unmittelbar intravenös verabreichte.
189
Insgesamt musste der Notarzt dem Geschädigten 28 g Glucose verabreichen, um dessen Zustand bis zur Einlieferung ins Krankenhaus zu stabilisieren. Mit dieser Menge hatte er den gesamten Vorratsbestand an Glucose nicht nur in seinem Notarztkoffer, sondern auch in dem Rettungswagen aufgebracht. Eine derartige Menge Glucose hatte Dr. N noch nie bei einem Notarzteinsatz einem Patienten verabreichen müssen.
190
Gegen 22:30 Uhr erfolgte die Aufnahme des Geschädigten in der Notaufnahme des Krankenhauses …. Die Untersuchung einer unmittelbar darauf abgenommenen Blutprobe des Geschädigten ergab einen massiv erhöhten Insulinwert von mehr als 600 mU/l - dies entspricht mehr als 21 ng/ml - sowie einen deutlich erniedrigten C-Peptid-Wert von 0,21 µg/l.
191
Trotz der großen Menge Glucose, die der Notarzt dem Geschädigten verabreicht hatte, fiel dessen Blutzuckerspiegel im Krankenhaus innerhalb kürzester Zeit wieder ganz erheblich ab. Der Blutzuckerwert wurde bei einer Blutgasanalyse um 22:34 Uhr mit 16 mg/dl und bei einer Blutuntersuchung im Labor um 22:45 Uhr mit 12 mg/dl bestimmt. Damit bestand zu dieser Zeit erneut eine schwere Hypoglykämie, obwohl M zuvor 28 g Glucose binnen rund einer Stunde vom Notarzt erhalten hatte. Auch im Krankenhaus … wurden ihm in der Folge wiederholt Glucose-Infusionen verabreicht. Trotzdem traten in der Nacht auf den 28.06.2017 sowie danach im Laufe des Tages immer wieder hypoglykämische Blutzuckerwerte auf.
192
Unter Einbeziehung der vom Notarzt verabreichten 28 g Glucose mussten dem Geschädigten M über einen Zeitraum von 60 Stunden insgesamt mindestens 420 g Glucose verabreicht werden. Am 05.07.2017 konnte M wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden. Er trug keine erkennbaren Folgeschäden von der Hypoglykämie davon und verstarb am 23.09.2018 an den Folgen seiner Parkinson-Erkrankung.
193
Einen Tag nach der Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus reiste der Angeklagte am 28.06.2017 gegen 19:30 Uhr mit dem Einverständnis von G ab, nachdem er seine Tatwerkzeuge im Haus des Geschädigten zurückgelassen hatte. Hinter Büchern in einer Regalablage im Wohnzimmer oberhalb des Fernsehers hatte er seinen roten Insulin-Pen des Herstellers IBA BIOTON, den er zur Verabreichung des Insulins beim Geschädigten verwendet hatte, samt einer darin eingesetzten leeren Patrone des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) sowie eine weitere, ebenfalls leere Patrone dieses Insulin-Medikaments, einen hierzu passenden leeren Blister für eine Patrone mit dem Aufdruck des Herstellers IBA BIOTON und einen bei der Injektion verwendeten Wundtupfer versteckt. Diese Gegenstände wurden dort von der Enkelin des Geschädigten, J, am 04.12.2017 im Rahmen von Umzugsarbeiten aufgefunden.
194
IV. Fall H 1 (Ziffer 8 der Anklageschrift Ab 28.08.2017 wurde der Angeklagte auf vertraglicher Grundlage als 24-Stunden-Betreuungskraft für den damals 81-jährigen späteren Geschädigten H 1 eingesetzt. Dieser war schwerhörig, hatte generell ein lautes Auftreten und litt unter anderem an Demenz, Niereninsuffizienz, einer HerzklappenErkrankung sowie insbesondere einer hypertensiven Herzerkrankung. In der Vergangenheit hatte er eine Lungenembolie erlitten. Eine Erkrankung an Diabetes mellitus bestand bei H 1 hingegen nicht. In den Räumen seines Hauses - dem Wohnhaus eines ehemaligen Bauernhofs - konnte er sich ohne Hilfsmittel selbstständig fortbewegen und war ansonsten mit einem Rollator mobil.
195
I, die Nichte des Geschädigten, hatte für die bei ihrem Onkel eingesetzten 24-StundenBetreuungskräfte ein Merkblatt verfasst und in die Sprache übersetzen lassen. Darin infor mierte sie zum einen sehr ausführlich über den Tagesablauf des Geschädigten, seine Vorlieben und Abneigungen bei Speisen und Getränken sowie sämtliche von der 24-Stunden-Betreuungskraft zu verrichtenden Aufgaben. Zum anderen beschrieb I auch die persönlichkeits- und demenzbedingten Eigenheiten und Verhaltensweisen ihres Onkels und gab Ratschläge zum Umgang hiermit.
196
So wies I in dem Merkblatt auf die Nachtaktivität des Geschädigten hin und beschrieb, dass sich H 1 nachts selbstständig von seinem Bett ins Wohnzimmer begebe, wobei er keine Hilfe benötige. Manchmal sei er nachts sehr unruhig, kontrolliere die Türen, suche nach Lebensmitteln und sei hierbei sehr laut. Die 24-Stunden-Betreuungskraft solle ihn bei seinen nächtlichen Aktivitäten lediglich beobachten. Irgendwann lege er sich im Wohnzimmer auf das Sofa und schlafe weiter.
197
Zum Auftreten des Geschädigten wurde in dem Merkblatt erläutert, dass H 1 manchmal wütend sei und lautstark vor sich hin schimpfe. In solchen Situationen solle man ihn einfach in Ruhe lassen und, wenn nötig, selbst das Zimmer verlassen, da er sich von selbst wieder beruhige.
198
Dieses Merkblatt hatte der Angeklagte vor Antritt seiner Tätigkeit beim Geschädigten H 1 über seinen Vertragspartner, die Agentur „S“, zugesandt bekommen und als Datei auf seinem Laptop abgespeichert.
199
Der Angeklagte traf am 28.08.2017 im Haushalt des Geschädigten H 1 in ein. Dort wurde er von I in Empfang genommen, die wegen seines äußeren Erscheinungsbilds zwar im ersten Augenblick irritiert war, ihm jedoch stets höflich und freundlich begegnete. Nach einer unauffällig verlaufenen Begrüßung zwischen dem Angeklagten und H 1 war I zuversichtlich hinsichtlich der Betreuungstätigkeit des Angeklagten, zumal sich dieser sehr interessiert gab, als sie ihm im Haus alles zeigte, und ihr bestätigte, das Merkblatt in Sprache bereits im Vorfeld erhalten zu haben.
200
In ihrer Zuversicht hinsichtlich des Angeklagten fühlte sich I bestärkt, als sie am nächsten Tag von der Mitarbeiterin des ambulanten Pflegediensts, welche am Morgen des 29.08.2017 den Termin beim Geschädigten wahrgenommen hatte, auf die Frage nach ihrem Eindruck vom Angeklagten die Mitteilung erhielt, dass dieser freundlich mit H 1 umgegangen sei und aus ihrer Sicht alles in Ordnung sei.
201
Der Angeklagte hingegen war am 29.08.2017 bereits erheblich verärgert über den Geschädigten, da er durch dessen nächtliche Unruhe und Aktivität in der vorangegangenen Nacht in seiner eigenen Nachtruhe erheblich gestört worden war. Demgegenüber hatte die ebenfalls noch vor Ort anwesende Vorgängerin des Angeklagten im gesamten Zeitraum ihrer Anwesenheit nur selten etwas von der nächtlichen Unruhe des Geschädigten mitbekommen.
202
Nach der Abreise seiner Vorgängerin am späten Nachmittag des 29.08.2017 war der Angeklagte mit H 1 in dessen Haus allein. Wegen des generell lauten Auftretens des Geschädigten, der gelegentlich lautstark vor sich hin schimpfte, nahm die Verärgerung des Angeklagten weiter zu.
203
Am 29.08.2017 zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr verabreichte der Angeklagte mit seinem InsulinPen dem Geschädigten H 1 mindestens zwei Injektionen zu je 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70), um auf diese Weise eine Hypoglykämie beim Geschädigten und damit eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorzurufen.
204
Hierdurch wollte sich der Angeklagte zum einen Genugtuung verschaffen, um auf diese Weise seine Verärgerung über den Geschädigten H 1 abzureagieren, welche maßgeblich aus der von diesem ausgegangenen erheblichen Störung seiner eigenen Nachtruhe in der vorangegangenen Nacht sowie aus dem generell lauten Auftreten des gelegentlich lautstark vor sich hin schimpfenden Geschädigten resultierte.
205
Zum anderen wollte der Angeklagte im Zuge dessen zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen dieser Arbeitsstelle ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf schaffen, da zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt zu erwarten war.
206
Dabei wusste der Angeklagte, dass es zu den ganz zentralen Aufgaben einer 24-StundenBetreuungskraft gehört, insbesondere nachts als Ansprechpartner und Unterstützung für die hilfsbedürftige Person bei entsprechendem Bedarf zur Verfügung zu stehen, und er deshalb auf die von ihm eingeforderte ungestörte eigene Nachtruhe keinen Anspruch hatte.
207
Zudem hatte der Angeklagte durch das von I erstellte Merkblatt bereits im Vorfeld Kenntnis von der Nachtaktivität und dem lauten Auftreten des demenzkranken Geschädigten erlangt und wusste deshalb, dass dieser gelegentlich lautstark vor sich hin schimpfte. Dem Angeklagten war ferner bekannt, dass gerade auch der Umgang mit derartigen persönlichkeits- und / oder krankheitsbedingten Eigenheiten von hilfsbedürftigen Personen zu den Kernaufgaben einer 24-Stunden-Betreuungskraft gehört.
208
Bei seinem Vorgehen hielt der Angeklagte einen tödlichen Ausgang für möglich und nahm diesen billigend in Kauf. Welche Folgen sein Handeln für den Geschädigten hatte, war dem Angeklagten gleichgültig.
209
Am 30.08.2017 gegen 01:50 Uhr rief der Angeklagte vom Festnetzanschluss des Geschädigten dessen Nichte I an und forderte sie auf, schnell zu kommen, da H 1 sterbe. Aus dem Mund des Geschädigten trete Schaum aus. Anschließend setzte der Angeklagte einen Notruf ab, woraufhin um 01:58 Uhr der Notarzt Dr. J alarmiert wurde.
210
I machte sich nach dem Anruf des Angeklagten sofort auf den Weg zu ihrem Onkel, nachdem sie zuvor noch kurz ihren Ehemann R von der Nachricht des Angeklagten in Kenntnis gesetzt und ihn aufgefordert hatte, einen Notarzt für den Geschädigten zu rufen. R verständigte jedoch stattdessen um 01:54 Uhr telefonisch den Cousin seiner Ehefrau, L, der räumlich näher beim Geschädigten wohnte, und bat ihn, die vom Angeklagten gemeldete Notfallsituation vor Ort zu überprüfen.
211
Um 01:59 Uhr rief R am Festnetzanschluss des Geschädigten an. Dort meldete sich der Angeklagte und antwortete auf die Frage, was mit dem Geschädigten los sei, dass dieser Schaum vor dem Mund habe. Die weitere Frage, ob der Notarzt verständigt sei, bejahte der Angeklagte in ruhigem Tonfall, woraufhin ihm R mitteilte, dass seine Ehefrau und L bereits auf dem Weg zum Geschädigten seien.
212
Gegen 02:15 Uhr traf L als erster vor Ort ein und fand H 1 nicht ansprechbar in seinem Bett liegend vor. Aus dem Mund des Geschädigten trat Schaum aus, der beidseits am Gesicht herunterlief. H 1 war sehr unruhig, bewegte den Kopf nach links und rechts, stöhnte und zitterte so, dass der gesamte Körper bebte. Auch L fragte den Angeklagten, ob der Notarzt verständigt sei, was dieser wiederum bejahte.
213
Einige Minuten später traf auch I vor Ort ein. Ihr folgten wenig später die alarmierten Rettungssanitäter sowie kurz darauf der Notarzt Dr. N. Diesem fielen schon beim Betreten des Raumes Rasselgeräusche an der Atmung des Geschädigten auf, wie sie für ein Lungenödem typisch sind. Der Notarzt fand H 1 komatös vor. Dessen Zustand entsprach einem GCS-Score von 3. Die Sauerstoffsättigung betrug nur noch 82 Prozent. Eine Blutzuckermessung erbrachte einen Wert von 21 mg/dl, welcher eine schwere Hypoglykämie belegte. Für den Geschädigten bestand konkrete Lebensgefahr.
214
Der Notarzt spritzte dem Geschädigten dreimal 4 g Glucose, mithin insgesamt 12 g, als Bolus unmittelbar intravenös. H 1 erhielt zudem insgesamt 15 Liter Sauerstoff, wodurch die Sauerstoffsättigung auf 90 Prozent anstieg und die Atmung sich soweit verbesserte, dass keine deutlichen Rasselgeräusche mehr zu hören waren. Abgesehen von der Glucose verabreichte Dr. N dem Geschädigten eine Infusion mit 500 ml-Jonosteril-Lösung sowie 3 mg des Wirkstoffs Midazolam zur Beruhigung und 40 mg Furosemid (Lasix®) zur Entwässerung.
215
Um 02:37 Uhr wurde H 1 in Begleitung des Notarztes zum Krankenhaus … transportiert, wo er gegen 02:50 Uhr in der Notaufnahme eintraf. Dort wurde der Blutzuckerwert bei einer venösen Blutgasanalyse um 02:58 Uhr mit 42 mg/dl und bei einer Blutuntersuchung im Labor um 03:12 Uhr mit 32 mg/dl bestimmt. Damit bestand auch zu dieser Zeit eine Hypoglykämie beim Geschädigten, obwohl er zuvor bereits 12 g Glucose vom Notarzt erhalten hatte.
216
In der Notaufnahme wurden dem Geschädigten weitere 8 g Glucose als Bolus unmittelbar intravenös gespritzt und eine Infusion mit 500 ml Glucose-10%-Lösung verabreicht, bevor er gegen 03:30 Uhr auf eine Normalstation verlegt wurde. Obwohl dem Geschädigten auch dort wiederholt GlucoseInfusionen verabreicht wurden, traten im weiteren Tagesverlauf am 30.08.2017 immer wieder hypoglykämische Blutzuckerwerte auf.
217
Unter Einbeziehung der vom Notarzt verabreichten 12 g Glucose mussten dem Geschädigten H 1 über einen Zeitraum von 19 Stunden insgesamt 245 g Glucose verabreicht werden. Am 06.09.2017 konnte H 1 wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden. Er trug keine aus ärztlicher Sicht erkennbaren Folgeschäden von der Hypoglykämie davon, weigerte sich allerdings fortan hartnäckig und dauerhaft, sich in sein Bett zu legen, und schlief seitdem auf der Eckbank in seinem Wohnzimmer. Eine bewusste Erinnerung an die Ereignisse am Abend des 29.08.2017 hatte H 1 jedoch nicht. Er verstarb rund zwei Jahre später am 21.09.2019.
218
Am Vormittag nach der Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus sprach L dem Angeklagten seinen Dank für die Verständigung des Notarztes aus und lobte ihn hierfür. Der Angeklagte reagierte hierauf ruhig und vermittelte L den Eindruck, dass eine solche Rettungshandlung für ihn selbstverständlich sei. Anlässlich dieses Gesprächs behauptete der kinderlose Angeklagte bewusst wahrheitswidrig, dass seine angebliche Tochter schwer krank sei, in yyy behandelt werde und er die teuren Behandlungskosten tragen müsse. Wie vom Angeklagten beabsichtigt, empfand L Mitleid mit ihm und zog ernsthaft in Erwägung, ihm einen größeren Bargeldbetrag als finanzielle Unterstützung für die Behandlungskosten seiner angeblichen Tochter auszuhändigen. Letztlich nahm L hiervon jedoch wieder Abstand.
219
Bevor der Angeklagte am 31.08.2017 in Absprache mit I abreiste, sagte er - entgegen seiner tatsächlichen Absicht - zu, dass er nach der Entlassung des Geschädigten aus dem Krankenhaus zurückkehren werde. I kündigte an, dass sie ihm telefonisch das genaue Entlassungsdatum mitteilen werde, sobald dieses feststehe. Lediglich zum Schein händigte der Angeklagte I zu diesem Zweck seine Mobilnummer aus, war jedoch danach für I zu keinem Zeitpunkt telefonisch erreichbar. Vielmehr kündigte er bereits mit Schreiben vom 01.09.2017 seinen Vertrag mit der Agentur „S“ und führte als Be gründung an, dass sein Gesundheitszustand keine körperliche Arbeit mehr erlaube. Er sei an der Wirbelsäule erkrankt, habe Ischias-Schmerzen, könne nicht laufen und werde medikamentös behandelt.
V. Fall G (Ziffer 9 der Anklageschrift)
220
Nach der Unterzeichnung einer entsprechenden Absichtserklärung vom 06.12.2017 schloss der Angeklagte am 14.12.2017 einen Vertrag mit der Agentur „M24“ für den Zeitraum 14.12.2017 bis 11.01.2018, auf dessen Grundlage er ab 14.12.2017 als 24-Stunden-Betreuungskraft für die damals 79-jährige spätere Geschädigte G eingesetzt wurde. Diese war schwerhörig, fast blind und seit vielen Jahren schwer an Depression erkrankt, weswegen sie die meiste Zeit im Bett verbrachte. Eine Erkrankung an Diabetes mellitus bestand bei ihr hingegen nicht. G benötigte Hilfe beim Aufstehen aus dem Bett sowie bei der Essenszubereitung, konnte sich allerdings - je nach Tagesverfassung - in den Räumen ihres Einfamilienhauses zumindest mit einem Rollator oder auch ohne Hilfsmittel selbstständig fortbewegen.
221
Ursprünglich war geplant, dass sich die 24-Stunden-Betreuungstätigkeit des Angeklagten nicht nur auf G, sondern maßgeblich auch auf deren noch wesentlich hilfsbedürftigeren Ehemann erstrecken sollte. Da dieser jedoch am 08.12.2017 - sechs Tage vor dem Arbeitsbeginn des Angeklagten - verstorben war, sollte der Angeklagte nur noch für G tätig sein.
222
Vor seinem Vertragsschluss mit der Agentur „M24“ hatte der Angeklagte bereits am 28.11.2017 mit der Agentur „D24“ einen Vertrag für den Zeitraum 21.12.2017 bis 28.02.2018 geschlossen. Seitens der mit dieser Agentur zusammenarbeitenden deutschen Vermittlungsagentur „H24“ war ursprünglich vorgesehen, den Angeklagten aufgrund dieses Vertrages ab 27.12.2017 bei dem Patienten M in … einzusetzen. Da jedoch die für den Zeitraum 20. bis 27.12.2017 bei dem Patienten H 2 in yyy (vgl. unten VI., S. 41 ff.) vorgesehene Betreuungskraft kurzfristig abgesagt hatte, war der Angeklagte im Hinblick auf seinen ab 21.12.2017 geltenden Vertrag gebeten worden, zuvor dort einzuspringen und den Zeitraum vom 20. bis 27.12.2017 zu überbrücken.
223
Der Angeklagte kam am Vormittag des 14.12.2017 im Haushalt der Geschädigten G in zzz, an, wo er von deren Tochter, C, in Empfang genommen wurde. Hierbei kam gleich zur Sprache, dass es im Haushalt der Geschädigten keinen Internetzugang gab. Der Angeklagte erklärte, dass dies ein Problem für ihn darstelle, und forderte, ihm einen für ihn kostenfreien Internetzugang zur Verfügung zu stellen.
224
Seine Forderung begründete der kinderlose Angeklagte mit der bewusst wahrheitswidrigen Behauptung, dass seine angebliche Tochter kurz vor einer Herzoperation in yyy stehe und er insbesondere deshalb zu seiner Familie Kontakt halten müsse, wofür er einen Internetzugang benötige. C zeigte sich jedoch völlig unbeeindruckt von dieser Begründung und entgegnete lediglich, dass man auch telefonieren könne, um in Kontakt zu bleiben. Ferner gab sie dem Angeklagten zu verstehen, dass sich jedenfalls kurzfristig sein Problem nicht lösen lasse.
225
Der Angeklagte wurde von seinem ebenfalls anwesenden Vorgänger in die Gegebenheiten vor Ort eingewiesen, bevor dieser abreiste. Nachdem auch C gegen 13:00 Uhr das Haus verlassen hatte, war der Angeklagte mit der Geschädigten allein.
226
Im Hinblick auf seine bestehende Vertrags- und Terminkollision zwischen den Einsatzstellen G und H 2 beabsichtigte der Angeklagte, den Haushalt G so frühzeitig wieder zu verlassen, dass er in der Lage sein würde, nach zurückzufahren und aus seiner Heimatstadt zur Einsatzstelle H 2 anzu reisen. Hierdurch wollte er vermeiden, durch einen anderen Reiseantrittsort bei den für den dortigen Einsatz zuständigen Agenturen „D24“ und „H24“ Anlass für den Verdacht eines - vom Angeklagten tatsächlich praktizierten - kurzfristigen Agenturwechsels zu bieten und hierdurch Misstrauen gegen seine Person und seine vermeintliche Seriosität zu wecken.
227
Allerdings wollte der Angeklagte zu diesem Zweck nicht zu seinen Eltern in die gemeinsam benutzte Wohnung zurückkehren, sondern stattdessen in der von ihm gelegentlich insbesondere wegen ihrer sanitären Anlagen aufgesuchten Jugendherberge unter der Anschrift, übernachten.
228
Deshalb reservierte der Angeklagte am 15.12.2017 um 14:34 Uhr telefonisch ein Zimmer für den Zeitraum 17. bis 19.12.2017 bei dem Betreiber dieser Jugendherberge, W M. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte mithin entschlossen, die Einsatzstelle G so frühzeitig wieder zu verlassen, dass er die Nacht auf den 18.12.2017 in der Jugendherberge in seiner Heimatstadt würde verbringen können.
229
Am späten Nachmittag des 15.12.2017 fuhr M, der Sohn der Geschädigten, mit dem Angeklagten zum Einkaufen, nachdem dieser den entsprechenden Wunsch geäußert hatte. Hierbei sprach der Angeklagte auch gegenüber M den fehlenden Internetzugang im Haushalt der Geschädigten an und brachte seine Verärgerung hierüber zum Ausdruck.
230
Sehr nachdrücklich äußerte der Angeklagte, dass er einen für ihn kostenfreien Internetzugang benötige, und begründete dies wiederum mit der bewusst wahrheitswidrigen Behauptung, dass er ein krankes Kind habe, weswegen er mit seiner Familie Kontakt halten müsse. Aber auch M vermittelte dem Angeklagten, dass man ihm jedenfalls kurzfristig keinen kostenfreien Internetzugang zur Verfügung stellen werde.
231
Der Angeklagte sah sich deshalb zu einer Internetnutzung auf eigene Kosten über einen mobilen Internetzugang gezwungen, als er in der darauffolgenden Nacht am 16.12.2017 um 02:05 Uhr per EMail unter der von ihm genutzten E-Mail-Adresse „pflege24@“ und dem Alias-Namen G K bei dem Transportunternehmen „Obus“ für den 17.12.2017 eine Fahrt mit dem Kleinbus von der Anschrift der Geschädigten in … zur Anschrift der von W M betriebenen Jugendherberge in für sich buch te. Rund vier bis fünf Stunden später verabreichte der Angeklagte am 16.12.2017 etwa im Zeitraum 06:15 Uhr bis 07:15 Uhr mit seinem Insulin-Pen der Geschädigten G eine Injektion à 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) intramuskulär in den Nacken, um auf diese Weise eine Hypoglykämie und damit eine für G lebensbedrohliche Notfallsituation hervorzurufen, die erwartbar zumindest deren notfallmäßige Einlieferung ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt nach sich ziehen würde.
232
Hierbei ging es dem Angeklagten maßgeblich darum, hierdurch einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen der Einsatzstelle G zu schaffen, um auf diese Weise die für ihn bestehende Vertrags- und Terminkollision zwischen der Einsatzstelle G und seiner nachfolgenden Einsatzstelle beim Geschädigten H 2 (vgl. unten VI., S. 41 ff.) zu beseitigen und seine mehrere Stunden zuvor für den 17.12.2017 gebuchte Busreise nach ohne weitergehenden Rechtferti gungsbedarf antreten zu können.
233
Daneben wollte sich der Angeklagte durch das Hervorrufen einer für G lebensbedrohlichen Notfallsituation zugleich Genugtuung verschaffen, um hierdurch seine Verärgerung darüber abzureagieren, dass ihm im Haushalt G kein für ihn kostenfreier Internetzugang zur Verfügung gestellt worden war und er sich deshalb zu einer Internetnutzung auf eigene Kosten über einen mobilen Internetzugang gezwungen gesehen hatte.
234
Bei seinem Vorgehen hielt der Angeklagte einen tödlichen Ausgang für möglich und nahm diesen billigend in Kauf. Welche Folgen sein Handeln für die Geschädigte hatte, war dem Angeklagten gleichgültig.
235
Am 16.12.2017 gegen 07:45 Uhr rief der Angeklagte vom Festnetzanschluss der Geschädigten C an und teilte ihr mit, dass es ihrer Mutter schlecht gehe und diese nicht mehr sprechen könne. Da C sich selbst einen Eindruck vom Zustand ihrer Mutter verschaffen wollte, hielt der Angeklagte dieser den Telefonhörer hin. Auf die Ansprache ihrer Tochter zeigte G zwar eine Reaktion, sprach jedoch sehr verwaschen und undeutlich.
236
Auf entsprechende Aufforderung von C setzte der Angeklagte um 07:50 Uhr einen Notruf unter der Rufnummer 112 ab. Das um 07:53 Uhr alarmierte First-Responder-Team der Freiwilligen Feuerwehr traf gegen 08:00 Uhr vor Ort ein. G wies zu diesem Zeitpunkt eine gravierende Bewusstseinsstörung auf und reagierte lediglich auf Schmerzreize. Eine Blutzuckermessung erbrachte einen hypoglykämischen Wert von 33 mg/dl. Die Sauerstoffsättigung betrug nur noch 90 Prozent. Für die Geschädigte bestand konkrete Lebensgefahr.
237
Die um 08:05 Uhr ebenfalls vor Ort eingetroffenen Rettungssanitäter der Berufsfeuerwehr spritzten der Geschädigten 2 g Glucose als Bolus unmittelbar intravenös. Hierdurch stieg der Blutzuckerwert auf 68 mg/dl an. Anschließend wurde G mit dem Rettungswagen in die Klinik N transportiert, wo sie gegen 09:20 Uhr in der Notaufnahme eintraf. Dort wurde der Blutzuckerwert bei einer venösen Blutgasanalyse um 09:29 Uhr mit 82 mg/dl und bei einer Blutuntersuchung im Labor um 09:35 Uhr mit 76 mg/dl bestimmt. Zur Stabilisierung des Blutzuckerspiegels wurde der Geschädigte danach mehrmals Glucose verabreicht.
238
Unter Einbeziehung der von den Rettungssanitätern verabreichten 2 g Glucose mussten der Geschädigten G über einen Zeitraum von 7 Stunden insgesamt mindestens 56 g Glucose verabreicht werden.
239
In der Klinik N befand sich G zunächst bis 22.12.2017 auf einer internistischen Station, bevor sie in die geriatrische Abteilung verlegt wurde. Am 11.01.2018 konnte G wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden. Sie trug keine erkennbaren Folgeschäden von der Hypoglykämie davon und verstarb über zwei Jahre später am 15.05.2020.
240
Der Angeklagte reiste seiner Absicht entsprechend am Morgen des 17.12.2017 ab und nahm aus dem von ihm bewohnten Zimmer eine Schachtel mit etwa 160 Euro Bargeld mit. M hatte ihm die Schachtel gezeigt und erläutert, dass ihm das Bargeld für den Zeitraum seines geplant mehrwöchigen Aufenthalts zum Einkauf für den persönlichen Bedarf zur Verfügung stehe. Der Angeklagte wurde am 17.12.2017 gegen 06:00 Uhr von einem Kleinbus an der Anschrift der Geschädigten in … abgeholt und kam gegen 15:00 Uhr an seinem Reiseziel in an.
VI. Fall H 2 (Ziffer 10 der Anklageschrift)
241
Der Angeklagte hatte am 28.11.2017 mit der Agentur „D24“ einen Vertrag als 24-StundenBetreuungskraft für den Zeitraum 21.12.2017 bis 28.02.2018 geschlossen. Seitens der mit der Agentur „D24“ zusammenarbeitenden deutschen Vermittlungsagentur „H24“ war ursprünglich vorgesehen, den Angeklagten aufgrund dieses Vertrages ab 27.12.2017 als 24-Stunden-Betreuungskraft bei dem Patienten M in … einzusetzen.
242
Da jedoch die für den Zeitraum 20. bis 27.12.2017 bei dem Patienten H 2 in … vorgesehene Betreuungskraft kurzfristig abgesagt hatte, war der Angeklagte im Hinblick auf seinen ab 21.12.2017 geltenden Vertrag gebeten worden, zuvor dort einzuspringen und den Zeitraum vom 20. bis 27.12.2017 zu überbrücken. Weiter war seitens der Agentur geplant, dass der Angeklagte am 27.12.2017 direkt von der Einsatzstelle H 2 in … zu der von Anfang an für ihn vorgesehenen Einsatzstelle F in … wechseln sollte.
243
Der damals 82-jährige spätere Geschädigte H 2 litt an Demenz und einer Haarzell-Leukämie. Seit einer Operation wegen eines Prostatakarzinoms war er harninkontinent. Eine Erkrankung an Diabetes mellitus bestand bei ihm hingegen nicht.
244
H 2, der einen ausgeprägten Bewegungsdrang hatte, konnte sich in den Wohnräumen seines Einfamilienhauses mithilfe eines Rollators selbstständig fortbewegen, während der Keller seines Hauses für ihn nicht mehr zugänglich war. Um das Risiko eines Treppensturzes zu reduzieren, hatte sein Sohn G am Treppenabgang zum Keller einen Treppenschutz einbauen lassen, welcher vom Geschädigten demenzbedingt nicht geöffnet werden konnte. H 2 war zudem für seine nächtliche Unruhe und Nachtaktivität bekannt. Diese hatten im Laufe der Zeit immer mehr zugenommen.
245
Bereits am 19.12.2017 - mithin einen Tag vor dem eigentlich vorgesehenen Beginn seiner Tätigkeit - reiste der Angeklagte mit dem Busunternehmen „M-Trans“ von der Anschrift der von W M betriebenen Jugendherberge, an, wo er - wie von ihm am 15.12.2017 während seines Einsatzes bei der Geschädigten G organisiert (vgl. oben V., S. 38 ff.) - die beiden vorangegangenen Nächte verbracht hatte.
246
Am 19.12.2017 gegen 16:00 Uhr traf der Angeklagte im Haushalt des Geschädigten H 2 in … ein. Seine Vorgängerin, B, war noch vor Ort und übernahm in der Nacht auf den 20.12.2017 die nächtliche Betreuung des wieder einmal sehr unruhigen und nachtaktiven Geschädigten. Gleichwohl fühlte sich der Angeklagte durch dessen nächtliche Unruhe und Nachtaktivität in seiner eigenen Nachtruhe erheblich gestört und war hierüber verärgert.
247
Als B am nächsten Tag, den 20.12.2017, den Angeklagten in die Gegebenheiten vor Ort einwies und ihm alles zeigte, vermittelte er ihr, sich lediglich für die Essensvorräte im Haus und weniger für die Krankheiten des Geschädigten zu interessieren. Am Nachmittag des 20.12.2017 kam C - eine Freundin des Geschädigten, die sich um die Organisation von dessen 24-Stunden-Betreuung kümmerte und auch als Ansprechpartnerin für die Betreuungskräfte zur Verfügung stand - anlässlich des Betreuerwechsels zu Besuch.
248
Da es dem Angeklagten - wie bei seiner Ausübung der 24-Stunden-Betreuungstätigkeit generell - nur darum ging, seine Aufgaben mit möglichst wenig Arbeitsaufwand zu verrichten, sich zum Nachteil des Geschädigten zu bereichern und danach möglichst schnell wieder abzureisen, bemühte er sich gar nicht erst darum, durch ein gepflegtes Erscheinungsbild sowie ein freundliches, sympathisches und vertrauenserweckendes Auftreten einen guten Eindruck zu hinterlassen. Er war wieder einmal körperlich ungepflegt, nachlässig gekleidet, aß den Kuchen, den seine Vorgängerin als Abschiedsgeschenk für C gebacken hatte, fast vollständig allein auf und trat - seiner inneren Einstellung entsprechend - ganz allgemein nicht vertrauenserweckend auf.
249
Dementsprechend war C von seinem Erscheinungsbild und Auftreten negativ überrascht. Der Angeklagte wirkte auf sie nicht vertrauenswürdig und war ihr nicht zuletzt deshalb vom ersten Augenblick an unsympathisch. Gleichwohl trat sie ihm gegenüber stets höflich auf.
250
Nachdem B am 20.12.2017 gegen 17:00 Uhr abgereist und auch C wieder gegangen war, war der Angeklagte mit dem Geschädigten H 2 allein. Im weiteren Verlauf des Abends und der Nacht sah er sich auf der Suche nach stehlenswertem Gut im Haus um und begab sich hierfür auch in den Keller, indem er den an der Kellertreppe angebrachten Treppenschutz öffnete. In einem der Kellerräume stieß er auf einen versperrten Tresor, der unter einem Tisch am Boden stand, mit einer Zahlenkombination gesichert war und zusätzlich ein Schlüsselloch aufwies.
251
Da der Angeklagte im Haushalt des Geschädigten weder einen Hinweis auf die zur Tresoröffnung benötigte Zahlenkombination noch den Schlüssel für das vorhandene Tresorschloss auffinden konnte, versuchte er erfolglos, den Tresor mit Gewalt zu öffnen, indem er das am Zahlenschloss angebrachte Batteriefach öffnete, eines von zwei Stromkabeln zwischen Batterie und Zahlenschloss abriss und den Griff an der Tresortür gewaltsam betätigte. Danach ließ er den Tresor mit geöffnetem Batteriefach und der lediglich an einem Kabel außen an der Tresortür herabhängenden Batterie zurück.
252
Der Angeklagte war verärgert, dass es ihm nicht gelungen war, den versperrten Tresor zu öffnen, um die mutmaßlich darin enthaltenen Wertgegenstände zu entwenden und dauerhaft unberechtigt für sich zu behalten. In diese Verärgerung floss mit ein, dass darüber hinaus sämtliche Wohnzimmerschränke, in denen sich mutmaßlich ebenfalls stehlenswertes Gut befand, versperrt waren und der Angeklagte die entsprechenden Schlüssel ebenfalls nicht auffinden konnte.
253
In der Nacht auf den 21.12.2017 vor 03:00 Uhr verabreichte der Angeklagte mit seinem Insulin-Pen dem Geschädigten H 2 mindestens vier Injektionen zu je 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70), um auf diese Weise eine Hypoglykämie beim Geschädigten und damit eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorzurufen, die erwartbar zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt nach sich ziehen würde.
254
Hierbei ging es dem Angeklagten einerseits darum, hierdurch einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen der Einsatzstelle H 2 ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf zu schaffen, um sich auf diese Weise der aus seinem Vertrag mit der Agentur „D24“ resultierenden Verpflichtung zu entziehen, unmittelbar nacheinander an zwei verschiedenen Einsatzstellen - vom 20. bis 27.12.2017 beim Geschädigten H 2 in … und ab dem 27.12.2017 bei dem Patienten F in … - als 24-Stunden-Betreuungskraft tätig zu werden, und sich stattdessen eine mehrtägige Pause zwischen den beiden Einsätzen zu verschaffen.
255
Andererseits wollte sich der Angeklagte durch das Hervorrufen einer für den Geschädigten lebensbedrohlichen Notfallsituation Genugtuung verschaffen, um hierdurch seine Verärgerung über die misslungene Öffnung des Tresors im Keller und die versperrten Wohnzimmerschränke sowie über die vom Geschädigten ausgegangene erhebliche Störung seiner eigenen Nachtruhe in der vorangegangenen Nacht abzureagieren.
256
Bei seinem Vorgehen hielt der Angeklagte einen tödlichen Ausgang für möglich und nahm diesen billigend in Kauf. Welche Folgen sein Handeln für den Geschädigten hatte, war dem Angeklagten gleichgültig.
257
Am 21.12.2017 kurz vor 04:00 Uhr rief der Angeklagte C an und teilte ihr mit, dass der Geschädigte nicht mehr atme und keinen fühlbaren Puls mehr habe. Um 03:57 Uhr setzte er nach entsprechender Aufforderung durch C einen Notruf unter der Rufnummer 112 ab. Der hierauf um 04:01 Uhr alarmierte Notarzt Dr. G traf um 04:11 Uhr vor Ort ein und fand H 2 bewusstlos vor. Dessen Zustand entsprach einem GCS-Score von 3. Die Sauerstoffsättigung betrug nur noch 75 Prozent, so dass eine Hypoxie vorlag. Eine Blutzuckermessung erbrachte einen Wert von 12 mg/dl, welcher eine schwere Hypoglykämie belegte. Für den Geschädigten bestand konkrete Lebensgefahr.
258
Der Notarzt verabreichte H 2 20 g Glucose im Wege einer Kurzinfusion mit 100 ml Glucose-20%- Lösung, welche innerhalb von etwa 3 Minuten vollständig in den Geschädigten hineinlief. Darüber hinaus erhielt H 2 15 Liter Sauerstoff.
259
Um 04:39 Uhr wurde der Geschädigte in Begleitung des Notarztes zum Krankenhaus W transportiert, wo er gegen 05:00 Uhr in der Notaufnahme eintraf. Durch die Glucosegabe war der Blutzuckerspiegel angestiegen und lag kurz vor der Ankunft im Krankenhaus mit einem Wert von 364 mg/dl weit oberhalb des Normbereichs. Im Zuge dessen hatte sich auch der Bewusstseinszustand des Geschädigten auf einen GCS-Score von 10 verbessert.
260
Rund 45 Minuten später war der Blutzuckerspiegel des Geschädigten jedoch bereits wieder massiv abgesunken. Um 05:44 Uhr wurde im Krankenhaus bei einer venösen Blutgasanalyse ein Wert von weniger als 18 mg/dl gemessen, welcher damit unterhalb des Kalibrationsbereichs des Analysegeräts lag. Bei einer Blutuntersuchung im Labor um 05:51 Uhr wurde der Blutzuckerwert mit 15 mg/dl bestimmt. Daraufhin wurden dem Geschädigten in der Notaufnahme eine Infusion mit 250 ml Glucose- 5%-Lösung sowie eine weitere Infusion mit 500 ml Glucose-10%-Lösung verabreicht. Überdies wurde bei ihm eine Lungenentzündung diagnostiziert.
261
Unter Einbeziehung der vom Notarzt verabreichten 20 g Glucose mussten dem Geschädigten H 2 vom 21. bis 28.12.2017 - mithin über einen Zeitraum von 8 Tagen bzw. rund 190 Stunden - insgesamt mindestens 2.615,5 g Glucose - also mehr als 2,5 kg Zucker - verabreicht werden.
262
H 2 befand sich vom 21. bis 29.12.2017 auf der Intensivstation und wurde anschließend auf eine Normalstation des Krankenhauses verlegt. Am 05.01.2018 konnte er wieder nach Hause entlassen werden. Die Hypoglykämie und der anschließende Krankenhausaufenthalt führten beim Geschädigten zu einer einschneidenden Wesensveränderung und zunehmenden Verschlechterung seines Allgemeinzustandes. H 2, der zuvor ungeachtet seiner Demenz jedenfalls gegenüber seinem Sohn sehr gesprächig gewesen war, sprach seither nichts mehr. Ab März 2018 musste er in einem Pflegeheim untergebracht werden und verstarb rund zwei Jahre später am 02.01.2020.
263
Nach dem am 21.12.2017 um 04:39 Uhr erfolgten Abtransport des Geschädigten ins Krankenhaus informierte der Angeklagte telefonisch hierüber zunächst um 04:42 Uhr C und anschließend um 04:48 Uhr die Inhaberin der Agentur „D24“, C-A. Diese forderte den Angeklagten auf, C ins Kranken haus zu begleiten und sich nach dem Zustand des Geschädigten und dem geplanten weiteren Verlauf zu erkundigen. Dieser Aufforderung kam der Angeklagte am Nachmittag des 21.12.2017 nach. Im Krankenhaus erfuhr C von ärztlicher Seite, dass bei H 2 ein extremer Unterzuckerzustand und eine Lungenentzündung vorlägen und mit einem längeren stationären Krankenhausaufenthalt zu rechnen sei. Beim gemeinsamen Verlassen des Krankenhauses äußerte der Angeklagte, dass der Geschädigte in seinem Alter eine Lungenentzündung wahrscheinlich nicht überleben werde, und kündigte an, dass er angesichts des absehbar längeren stationären Krankenhausaufenthalts abreisen werde. Damit erklärte sich C einverstanden.
264
Am 21.12.2017 gegen 17:00 Uhr begann der Angeklagte, telefonisch seine Abreise zu organisieren. Zu diesem Zweck führte er zunächst um 17:06 Uhr ein einmütiges Telefonat mit dem Busunternehmen „M-Trans“, mit dem er am 19.12.2017 zur Einsatzstelle H 2 angereist war und bei dem er bereits am 20.12.2017 um 16:53 Uhr einen Anrufversuch von 23 Sekunden Dauer unternommen hatte. Ansonsten hatte er seit seiner Ankunft bis zum 21.12.2017 gegen 17:00 Uhr kein Busunternehmen kontaktiert. Da das Unternehmen „M-Trans“ dem Angeklagten jedoch keine geeignete Fahrgelegenheit anbieten konnte, versuchte dieser zunächst zwei weitere Busunternehmen zu kontaktieren, bevor es ihm schließlich in zwei rund ein- bis eineinhalbminütigen Telefonaten mit dem Busunternehmen „I“ um 17:43 Uhr und 18:10 Uhr gelang, seine Rückfahrt für den Folgetag zu buchen.
265
Bei seiner Abreise am nächsten Morgen, den 22.12.2017, nahm der Angeklagte zwei Packungen Waschpulver aus dem Haushalt des Geschädigten mit, um diese dauerhaft unberechtigt für sich zu behalten.
VII. Fall N (Ziffer 11 der Anklageschrift)
266
Ab 15.01.2018 wurde der Angeklagte auf bis dahin wegen besonderer Eilbedürftigkeit lediglich mündlich erfolgter Vertragsabsprache als 24-Stunden-Betreuungskraft für den damals 84-jährigen späteren Geschädigten N eingesetzt. Dieser litt an Herzschwäche und seit einigen Jahren an einem metastasierenden Prostatakarzinom. Wegen Metastasen in den Knochen war N seit Ende Oktober / Anfang November 2017 zur Fortbewegung auf den Rollstuhl angewiesen. In der Vergangenheit war es bei ihm zu einem akuten Nierenversagen gekommen. Eine Erkrankung an Diabetes mellitus bestand bei ihm hingegen nicht.
267
N lebte in seiner Wohnung im Obergeschoss des Anwesens …. In diesem Anwesen befindet sich auch ein Gasthof, den N selbst über Jahrzehnte betrieben hatte und der von seinem Sohn F und dessen Ehefrau M weitergeführt wird. Die Eheleute leben ebenfalls in einer Wohnung im selben Anwesen.
268
Aufgrund der im Herbst 2017 aufgetretenen Immobilität des Geschädigten hatten F und M seit Anfang November 2017 über die von A betriebene Agentur „As Pflegedienst“ eine 24-Stunden-Betreuung für N organisiert. Mit der vermittelten Betreuungskraft M, die ihre Tätigkeit mit Hingabe und großer Geduld verrichtete, waren sowohl der Geschädigte als auch seine Angehörigen äußerst zufrieden.
269
N war für seine stark ausgeprägte nächtliche Unruhe bekannt, welche immer weiter zunahm. Er schlief in keiner Nacht durch und rief regelmäßig mehrfach pro Nacht nach M, die teilweise bis zu zwölf Mal in einer Nacht aufstehen musste, um ihn zu versorgen. Häufig wollte er nachts auch sein Bett verlassen und war hierfür auf fremde Hilfe angewiesen.
270
Im Januar 2018 sollte M absprachegemäß einen etwa dreiwöchigen Urlaub in ihrer Heimat antreten. Als Urlaubsvertretung war K vorgesehen, die nach ihrer Ankunft noch von M in die Gegebenheiten vor Ort eingewiesen wurde, bevor diese abreiste. Unmittelbar darauf unterzog sich N am 11.01.2018 einem operativen Eingriff im Krankenhaus …, bei dem ihm ein Blasenkatheter über die Bauchdecke gelegt wurde. Bereits am Tag nach dem komplikationslos verlaufenen Eingriff konnte er wieder nach Hause entlassen werden.
271
K stellte daraufhin schnell fest, dass sie mit der Betreuung des rund 100 kg schweren Geschädigten körperlich überfordert war. Ihr fehlte die erforderliche Kraft, um ihn adäquat - etwa zwischen Bett und Rollstuhl - zu transferieren. Sie veröffentlichte deshalb am 13.01.2018 um 15:05 Uhr auf der sozialen Internetplattform „Facebook“ in einer Gruppe für 24-Stunden-Betreuungskräfte einen Aufruf, in welchem sie kurzfristig einen Nachfolger für sich suchte. Sie wies darauf hin, dass entweder ein starker Mann oder jemand mit Transfergeschicklichkeit benötigt werde.
272
Hierauf bekundete der Angeklagte bereits um 15:33 Uhr per Facebook-Nachricht sein Interesse. Im weiteren Chatverlauf informierte ihn K wahrheitsgemäß über das Körpergewicht des Geschädigten und ihre eigene körperliche Überforderung wegen fehlender Kraft. Ferner teilte sie ihm die telefonische Erreichbarkeit von A mit. Diese vereinbarte mit dem Angeklagten in einem Telefonat am nächsten Vormittag, die Ablösung von K durch ihn bereits am darauffolgenden Tag zu vollziehen.
273
Der Angeklagte traf am 15.01.2017 gegen Mittag im Anwesen …, ein, wo er von M und F in Empfang genommen wurde. Obwohl die Eheleute über sein äußeres Erscheinungsbild erschrocken waren und M den Angeklagten am liebsten auf der Stelle wieder weggeschickt hätte, traten sie ihm gegenüber stets höflich auf. M führte ihn im Haus herum und zeigte ihm alles.
274
Da N es stets genoss, sich mehrmals täglich im Rollstuhl durch das Dorf schieben zu lassen, begab er sich am Nachmittag des 15.01.2018 gemeinsam mit dem Angeklagten und dessen Vorgängerin auf einen entsprechenden Spaziergang. Unterwegs wollte er in einem Ladengeschäft einkaufen und bat den Angeklagten, ihn mit dem Rollstuhl hineinzufahren, was dieser jedoch ablehnte.
275
Nach der gemeinsamen Rückkehr in den von der Familie N betriebenen Gasthof sprach N mit den Worten „Wenn ich in den Laden will, dann gehen wir da rein!“ nachdrücklich an, dass seine Wünsche vom Angeklagten zu respektieren seien. Dieser entgegnete hierauf jedoch mit rotem Kopf lautstark: „Ich Pfleger. Und ich sage, was gemacht wird!“ Auf diese Behauptung erwiderte der Geschädigte ebenfalls lautstark, dass vielmehr er es sei, der die Vorgaben mache, da er schließlich für die Tätigkeit des Angeklagten bezahle. Daraufhin griffen F und M schlichtend in die verbale Auseinandersetzung ein, so dass sich die Situation entspannte.
276
Beim Abendessen richtete N in Gegenwart des Angeklagten an K die Bitte, dass diese nicht abreisen, sondern weiterhin als seine 24-Stunden-Betreuungskraft bei ihm bleiben möge, und fügte hinzu, dass er ohnehin eine weibliche Betreuungskraft bevorzuge. Über die in dieser Äußerung zum Ausdruck gekommene Ablehnung seiner Person war der Angeklagte verärgert.
277
Ebenfalls beim Abendessen suchten M und F das Gespräch mit dem Angeklagten über dessen Aufgaben als 24-Stunden-Betreuungskraft. Als sie betonten, wie wichtig es für das Wohlbefinden des Geschädigten sei, dass er mehrmals täglich im Rollstuhl durch das Dorf gefahren werde, erklärte der Angeklagte, dass er mit ihm höchstens zweimal am Tag hinausgehen werde. Ferner wiesen die Eheleute N auf die Wichtigkeit der nächtlichen Betreuung hin und erläuterten dem Angeklagten, dass N mehrmals pro Nacht aufstehen wolle und hierfür von seinem Bett in den Rollstuhl und wieder zurück transferiert werden müsse. Hierauf entgegnete der Angeklagte sehr nachdrücklich, dass er nachts nicht aufstehen werde, weil die Nacht zum Schlafen da sei und er ein Recht auf acht Stunden Schlaf habe.
278
Diese vom Angeklagten ausgesprochene Weigerung nahmen die Eheleute N jedoch nicht widerspruchslos hin. Sie machten deutlich, dass die nächtliche Betreuung des Geschädigten Gegenstand des entsprechenden Vertrags und damit vertragliche Aufgabe des Angeklagten sei, worauf dieser verärgert entgegnete: „Egal Vertrag. Ich habe Recht auf acht Stunden schlafen.“
279
Der Angeklagte war verärgert über diese aus seiner Sicht unzumutbaren Anforderungen der Familie N an seine 24-Stunden-Betreuungstätigkeit und darüber, dass seine diesbezüglich ausgesprochenen Weigerungen nicht widerspruchslos hingenommen worden waren.
280
Am 15.01.2018 gegen 22:00 Uhr beschwerte sich N in einem Vier-Augen-Gespräch bei seiner Schwiegertochter darüber, dass der Angeklagte seine persönlichen Obst- und Süßigkeitsvorräte in seiner Wohnung aufgegessen habe, ohne ihn vorher zu fragen. M fand dieses übergriffige und unhöfliche Verhalten des Angeklagten in besonderem Maße irritierend, da sie ihm bei ihrem einführenden Rundgang durch das Haus ausdrücklich angeboten hatte, er dürfe sich jederzeit - über die drei festen Mahlzeiten hinaus - in der Küche des Gasthauses bedienen, während sie über die Vorräte in der Wohnung des Geschädigten nichts dergleichen gesagt hatte.
281
Wegen seiner negativen Erfahrungen mit dem Angeklagten äußerte N gegenüber seiner Schwiegertochter, dass er diesen als 24-Stunden-Betreuungskraft fürchterlich finde und es mit ihm nicht aushalte. Angesichts der vom Angeklagten ausgesprochenen Weigerungen hinsichtlich der Erfüllung seiner Aufgaben, seiner diesbezüglichen Unnachgiebigkeit und seines übergriffigen Essverhaltens versprach M ihrem Schwiegervater, dass sie am nächsten Morgen A kontaktieren und einen Ersatz für den Angeklagten anfordern werde.
282
Am Abend des 15.01.2018 verabreichte der Angeklagte dem Geschädigten ohne dessen Wissen eine unbekannte Menge einer unbekannten zentralwirksamen Substanz, wie etwa das Schlafmittel Zopiclon, um einen ununterbrochenen Nachtschlaf des Geschädigten sicherzustellen und auf diese Weise eine Störung seiner eigenen Nachtruhe durch dessen nächtliche Unruhe zu verhindern. Wie vom Angeklagten beabsichtigt, schlief N in dieser Nacht - erstmals - durch.
283
Am nächsten Morgen, den 16.01.2018, war N nach dem Aufstehen zwar noch leicht benommen, äußerte jedoch zufrieden, dass er gut und die ganze Nacht durchgeschlafen habe. Hierüber war M verwundert, da dies bis dahin noch nie vorgekommen war. Nach dem Frühstück war der Geschädigte wieder völlig wach, fühlte sich wohl und las wie üblich die Zeitung. Wie sie es ihrem Schwiegervater versprochen hatte, rief M im Laufe des Vormittags A an, schilderte ihr die Probleme mit dem Angeklagten und bat sie, schnellstmöglich einen Ersatz für diesen zu organisieren, was A zusagte.
284
Am Nachmittag des 16.01.2018 erhielt N Besuch von seiner Tochter G, die von ihrer Schwägerin bereits über die Probleme mit dem Angeklagten informiert worden war. Sie blieb deshalb länger als üblich bei ihrem Vater, übernahm komplett dessen Betreuung und fuhr ihn auch im Rollstuhl durch das Dorf, so dass der Angeklagte den ganzen Nachmittag frei hatte.
285
Am Abend des 16.01.2018 verabreichte der Angeklagte dem Geschädigten ohne dessen Wissen insgesamt 30 mg - und damit die vierfache Menge der therapeutischen Tagesdosis - des Schlafmittels Zopiclon, um hierdurch auch in dieser Nacht ein Durchschlafen des Geschädigten sicherzustellen und auf diese Weise eine Störung seiner eigenen Nachtruhe durch dessen nächtliche Unruhe zu verhindern.
286
Die verabreichte Substanz führte im Verlauf des Abends dazu, dass N gegen 21:15 Uhr in der Gaststube in seinem Rollstuhl einschlief, nur schwer wieder erweckbar und anschließend benommen war. Ferner kippte er in seinem Rollstuhl mit dem Oberkörper kraftlos nach vorne, als ihn der Angeklagte etwa eine Stunde später die Rampe zum Aufzug im Bereich der Gaststube hinunterschob, um ihn zu Bett zu bringen. In dieser Situation fing der Angeklagte den Oberkörper des Geschädigten auf und verhinderte so, dass dieser aus dem Rollstuhl herausfiel. Wie vom Angeklagten beabsichtigt, schlief N aufgrund der verabreichten 30 mg des Wirkstoffs Zopiclon auch in dieser Nacht durch.
287
In den frühen Morgenstunden des 17.01.2018 etwa im Zeitraum 04:30 Uhr bis 06:30 Uhr verabreichte der Angeklagte mit seinem Insulin-Pen dem schlafenden Geschädigten N mindestens eine Injektion à 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) in den rechten Oberschenkel, um auf diese Weise eine Hypoglykämie beim Geschädigten und damit eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorzurufen.
288
Hierdurch wollte sich der Angeklagte zum einen Genugtuung verschaffen, um auf diese Weise seine Verärgerung abzureagieren. Der Angeklagte war verärgert über die aus seiner Sicht unzumutbaren Anforderungen der Familie N an seine 24-Stunden-Betreuungstätigkeit, welche sich auf die nächtliche Betreuung des Geschädigten sowie tägliche Spaziergänge mit ihm im Rollstuhl bezogen. Ferner war der Angeklagte darüber verärgert, dass seine diesbezüglich ausgesprochenen Weigerungen von der Familie N nicht widerspruchslos hingenommen worden waren. Außerdem bezog sich die Verärgerung des Angeklagten auch auf die am Abend des 15.01.2018 zum Ausdruck gekommene Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten.
289
Zum anderen wollte der Angeklagte im Zuge dessen zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen dieser Arbeitsstelle ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf schaffen, da zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt zu erwarten war.
290
Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass er die Anforderungen der Familie N an seine 24-StundenBetreuungstätigkeit lediglich deshalb als unzumutbar ansah, weil es ihm nur darum ging, die Aufgaben einer 24-Stunden-Betreuungskraft mit möglichst wenig Arbeitsaufwand zu verrichten, sich zum Nachteil des Geschädigten zu bereichern und danach möglichst schnell wieder abzureisen. Ihm war ferner bewusst, dass er deshalb auch nicht erwarten durfte, dass seine in Bezug auf die Anforderungen ausgesprochenen Weigerungen von der Familie N widerspruchslos hingenommen würden.
291
Dem Angeklagten war ebenfalls bewusst, dass er die am Abend des 15.01.2018 zum Ausdruck gekommene Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten maßgeblich durch seine Weigerung, diesen beim Spaziergang mit dem Rollstuhl in ein Ladengeschäft hineinzufahren, sowie durch sein konfrontatives Auftreten nach der Rückkehr in den Gasthof der Familie N verursacht hatte.
292
Bei seinem Vorgehen hielt der Angeklagte einen tödlichen Ausgang für möglich und nahm diesen billigend in Kauf. Welche Folgen sein Handeln für den Geschädigten hatte, war dem Angeklagten gleichgültig.
293
Am 17.01.2018 gegen 07:30 Uhr informierte der Angeklagte eine Mitarbeiterin des Gasthofs, dass es dem Geschädigten nicht gut gehe und dessen Angehörige nach ihm sehen sollten. Die Mitarbeiterin gab diese Nachricht umgehend an F weiter, der sich zusammen mit seiner Ehefrau sofort zu seinem Vater begab. Bei ihrem Eintreffen saß N, vom Angeklagten gestützt, auf der Bettkante, wirkte benommen und gab nur unverständliche Laute von sich. Allerdings schien er seinen Sohn und seine Schwiegertochter noch zu erkennen, während dies nach dem Eindruck der Eheleute N bereits eine halbe Stunde später nicht mehr der Fall war.
294
Der Angeklagte forderte die Eheleute N auf, den Notarzt oder Rettungsdienst zu verständigen, und fügte hinzu, dass sie Mörder seien, wenn sie es nicht täten. Er sehe, dass der Geschädigte sterbe, weshalb die Eheleute N unbedingt einen Notruf absetzen müssten.
295
Allerdings erwähnte der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt, dass er dem Geschädigten Insulin und am Vorabend überdies Zopiclon - jeweils überdosiert - verabreicht hatte. Auch machte er keinerlei Anstalten, zu einem Telefon zu greifen und selbst einen entsprechenden Notruf abzusetzen. Als M erwiderte, dass sie den Hausarzt der Familie, Dr. B, verständigen wolle, der ihr Vertrauen genieße, gab sich der Angeklagte damit zufrieden.
296
Die Eheleute N legten den Geschädigten zurück ins Bett und F wachte am Bett seines Vaters, während seine Ehefrau, entsprechend ihrer Ankündigung, den Hausarzt verständigte. Dr. B traf gegen 09:00 Uhr vor Ort ein, untersuchte den Geschädigten und teilte den Eheleuten N mit, dass sich dieser seiner Einschätzung nach bereits im Sterbeprozess befinde und mit einem Todeseintritt innerhalb der nächsten Stunden zu rechnen sei.
297
Nachdem der Hausarzt wieder gefahren war, wiederholte der Angeklagte seine Anschuldigung gegenüber den Eheleuten N, dass diese Mörder seien, wenn sie keinen Notarzt oder Rettungsdienst verständigten. M und F gingen auf diese Äußerung des Angeklagten jedoch nicht ein.
Gegen 11:15 Uhr traf auch G, die von ihrer Schwägerin über die Situation informiert worden war, beim Geschädigten ein. Im Kreis seiner Angehörigen verstarb N am 17.01.2018 gegen 13:15 Uhr an den Folgen der vom Angeklagten durch die Verabreichung von Insulin hervorgerufenen Hypoglykämie.
298
Bei seiner Abreise am frühen Morgen des 18.01.2018 ließ der Angeklagte einen leeren Blister für vier Insulin-Patronen mit dem Aufdruck des Herstellers IBA BIOTON auf dem Schrank in dem von ihm bewohnten Zimmer in der Wohnung des Geschädigten zurück. Der Blister wurde dort in der Nacht auf den 21.01.2018 von M aufgefunden, die zur Teilnahme an der Beerdigung des Geschädigten aus … angereist war.
299
Der Leichnam von N wurde erdbestattet. Im Zuge der gegen den Angeklagten geführten Ermittlungen im hiesigen Verfahren wurde der Leichnam nach einer rund achtwöchigen Liegezeit im Erdgrab am 14.03.2018 exhumiert und am darauffolgenden Tag im Institut für Rechtsmedizin der Universität München obduziert. Hierbei zeigten sich zwar diverse Organveränderungen, jedoch keine pathologischanatomisch fassbare sichere Todesursache.
300
Allerdings wurde bei der Obduktion an der Vorderseite des rechten Oberschenkels am Übergang vom oberen zum mittleren Drittel eine etwa stecknadelkopfgroße, leicht blutig verfärbte Hautveränderung gefunden. Bei der toxikologischen Untersuchung einer hiervon genommenen Gewebeprobe konnte Humaninsulin in hoher Konzentration nachgewiesen werden. In einer zu Vergleichszwecken vom linken Oberschenkel entnommenen Gewebeprobe war Humaninsulin in geringer Konzentration ebenfalls nachweisbar.
301
G, die Tochter des Geschädigten, leidet bis heute unter den psychischen Folgen der Tat.
VIII. Fall W 2 (Ziffer 12 der Anklageschrift)
302
Am 30.01.2018 schloss der Angeklagte unter der Firma „Pflege 24 W“ einen Subunternehmervertrag mit der Firma „B Hauswirtschaftliche Dienstleistungen“ für den Zeitraum 10.02. bis 31.05.2018, auf dessen Grundlage er bei der Patientin L in … als 24-Stunden-Betreuungskraft eingesetzt werden sollte. Nach E-Mail-Verkehr vom 02., 03. und 08.02.2018 wurde der Anreisetermin des Angeklagten zur Arbeitsaufnahme bei L seitens der mit seinem Vertragspartner zusammenarbeitenden deutschen Vermittlungsagentur „U“ auf den 13.02.2018 festgesetzt.
303
Am 09.02.2018 schloss der Angeklagte darüber hinaus einen Vertrag mit der Agentur „At“ für den Zeitraum 10.02. bis 30.06.2018, auf dessen Grundlage er ab 10.02.2018 bei dem damals 83-jährigen späteren Geschädigten W 2 eingesetzt wurde. Dieser litt unter anderem an Morbus Parkinson und Demenz. Krankheits- oder medikamentenbedingt traten bei ihm immer wieder optische und szenische Halluzinationen auf. Nicht zuletzt deshalb war er häufiger auch von starken Ängsten geplagt. Er litt ferner sehr darunter, dass er nach einer Operation an der Prostata harninkontinent war. Zur Fortbewegung war er auf einen Rollstuhl angewiesen. Eine Erkrankung an Diabetes mellitus bestand bei ihm hingegen nicht.
304
W 2, der stets einen Hausnotrufknopf am Körper trug, war zudem für seine nächtliche Unruhe bekannt. Er wachte regelmäßig mehrmals pro Nacht auf und rief die im Haus anwesende 24-StundenBetreuungskraft zu sich mit der Bitte, ihn beim Toilettengang zu unterstützen oder sich auch nur neben sein Bett zu setzen und bei ihm zu bleiben.
305
W 2 war vermögend und nicht zuletzt deshalb stets misstrauisch gegenüber fremden Personen, da er in ständiger Sorge lebte, bestohlen zu werden. Er besaß in seinem Haus mehrere Tresore, in denen er Vermögenswerte aufbewahrte. Ein mit einem Zahlenschloss gesicherter Tresor befand sich in einem Schrank im Büro im Obergeschoss. Die Zimmertür zum Büro war stets versperrt. Den entsprechenden Zimmerschlüssel sowie einen Zettel mit der für die Tresoröffnung benötigten Zahlenkombination bewahrte W 2 in einer versperrten Geldkassette auf, die er immer mit sich führte. Den Schlüssel für die Geldkassette trug er an einem Schlüsselband um den Hals. Einen weiteren Schlüssel für die Zimmertür zum Büro im Obergeschoss besaß der Bruder des Geschädigten, H, dem - ebenso wie den beiden Vertrauten des Geschädigten, F und S - auch die Zahlenkombination zur Öffnung des Tresors bekannt war.
306
W 2 wurde täglich morgens und abends von einem ambulanten Pflegedienst versorgt, der auch die Verabreichung der Medikamente übernahm. Zudem beschäftigte der Geschädigte eine Putzkraft sowie in der Person von M eine Haushaltshilfe, die mehrmals pro Woche zu ihm kam, seinen Haushalt führte und für ihn kochte.
307
Bereits am 09.02.2018 gegen 19:40 Uhr - mithin einen Tag vor dem eigentlich vorgesehenen Beginn seiner Tätigkeit - kam der Angeklagte im Haushalt des Geschädigten in … an und traf dort auf seinen Vorgänger, den Staatsangehörigen V. W 2 war aufgrund seiner Demenzerkrankung nicht in der Lage, die Ankunft des Angeklagten im Hinblick auf den Wechsel der Betreuungskraft richtig einzuordnen, und hielt diesen vielmehr für einen Einbrecher. Aus Angst und Aufregung urinierte er in die Hose und setzte um 19:45 Uhr einen polizeilichen Notruf ab, der zu einem Polizeieinsatz mit dem Einsatzgrund „Einbruch, Täter am Ort“ führte.
308
Den hierauf eintreffenden Polizeibeamten erläuterte V die Situation und stellte den Angeklagten als seinen Nachfolger vor. Ferner gab er an, mit der Betreuung des Geschädigten überfordert zu sein, da dieser jeden Abend die Nerven verliere und unter Realitätsverlust leide. Zudem habe sich W 2 aufgrund seiner Demenz-Erkrankung teilweise sehr aggressiv ihm gegenüber verhalten.
309
Die Polizeibeamten versuchten vergeblich, dem Geschädigten die Situation des Wechsels der Betreuungskraft zu erklären. Dieser war jedoch krankheitsbedingt nicht in der Lage, die Erklärungen zu verstehen, weshalb seine Angst und Aufregung anhielten. Er fühlte sich weiterhin durch die Anwesenheit des Angeklagten bedroht, hilflos und zudem von den Polizeibeamten im Stich gelassen, da er krankheitsbedingt nicht begreifen konnte, warum diese den Angeklagten nicht wegen Einbruchs in sein Haus festnahmen und abführten.
310
W 2 äußerte deshalb gegenüber dem Polizeibeamten PHM D wütend und voller Unverständnis in bayerischem Dialekt unter Anspielung auf das äußere Erscheinungsbild des Angeklagten „Muas ma de Dampfnudl da erst oane aufn Schädl haun, bevor wos bassiert?!“. In seiner Wut über die - von ihm krankheitsbedingt nicht richtig erfasste - Situation und insbesondere deshalb von ihm als bedrohlich empfundene Anwesenheit des Angeklagten schimpfte W 2 lautstark vor sich hin und äußerte dabei unter anderem „Die scheiß P… gehören alle erschossen!“.
311
Der Angeklagte war über den Polizeieinsatz und das Verhalten des Geschädigten massiv verärgert und führte deshalb noch in Anwesenheit der Polizeibeamten ein Telefonat, in welchem er in schimpfendem Tonfall äußerte, dass er an dieser Einsatzstelle nicht arbeiten wolle, und mit seiner umgehenden Abreise drohte. Als die Polizeibeamten nach dem Einsatz das Haus verließen, beobachtete der Angeklagte bei diesen eine „Scheibenwischer-Geste“ und interpretierte dies als Ausdruck ihrer Einschätzung, dass W 2 nicht klar bei Verstand sei.
312
In der Nacht auf den 10.02.2018 übernahm der Vorgänger des Angeklagten die nächtliche Betreuung des wieder einmal sehr unruhigen Geschädigten. Gleichwohl fühlte sich der Angeklagte durch dessen nächtliche Unruhe in seiner eigenen Nachtruhe erheblich gestört und war hierüber verärgert. Am 10.02.2018 um 11:44 Uhr sandte der Angeklagte eine E-Mail an die Vermittlungsagentur, worin er sich beschwerte, man habe ihn nicht darüber informiert, dass „der Patient psychisch krank“ sei. Am Vormittag des 10.02.2018 traf die Haushaltshilfe des Geschädigten, M, ein und ging bis gegen 17:00 Uhr ihrer Tätigkeit nach. Im Zuge dessen wies sie auch den Angeklagten in die Gegebenheiten vor Ort ein. Auch der Bruder des Geschädigten kam mit seiner Ehefrau kurzzeitig vorbei, um den Angeklagten zu begrüßen.
313
Im Laufe des Tages äußerte W 2 gegenüber M, dass er den Angeklagten nicht als seine 24-StundenBetreuungskraft haben wolle, da dieser kein guter Mensch sei. Er wolle den Angeklagten nicht in seinem Haus haben und verlange, dass dieser so schnell wie möglich ausgetauscht werde. Dabei verwies er darauf, dass er als Arbeitgeber derjenige sei, der zu entscheiden habe, wer bleibe und wer gehe. W 2 fügte hinzu, dass er den Angeklagten am Montag nicht mehr im Haus haben wolle und unterstrich seinen Wunsch mit den Worten „Noch bis Montag, dann ist Schluss!“. Im Anschluss an diese Äußerung kam es zu einem Austausch böser Blicke zwischen W 2 und dem Angeklagten, der die ablehnenden Äußerungen bezüglich seiner Person gehört hatte und hierüber verärgert war.
314
W 2 legte im Umgang mit anderen Menschen Wert darauf, gesiezt zu werden, und sprach seinerseits andere Menschen auch stets mit „Sie“ an. Er fühlte sich prinzipiell unwohl, wenn er nicht gesiezt wurde. So war es auch im Fall des Angeklagten, der den Geschädigten von Anfang an einfach duzte, ohne sich vorher vergewissert zu haben, ob diesem das recht war. Nachdem W 2 deshalb M gefragt hatte, warum der Angeklagte ihn einfach duze, bat diese den Angeklagten, W 2 mit „Sie“ anzusprechen. Der Angeklagte ignorierte diese Bitte jedoch einfach und sprach den Geschädigten weiterhin mit „Du“ an.
315
Als M daraufhin dem Angeklagten mehrfach mit deutlichen Worten sagte, dass er den Geschädigten zu siezen habe, fragte der Angeklagte lediglich nach dem Grund hierfür. M erläuterte ihm die in Deutschland sozialübliche Anredeform, worauf der Angeklagte erwiderte, dass er an seinen früheren Einsatzstellen in Deutschland noch nie jemanden habe siezen müssen.
316
M wiederholte erneut eindringlich ihre Bitte an den Angeklagten, den Geschädigten zu siezen, was dieser schließlich zusagte. Er fügte jedoch hinzu, dass er bei W 2 ohnehin nicht bleiben werde, und berichtete verärgert von dem Polizeieinsatz am Vorabend. M warb beim Angeklagten um Verständnis für die Erkrankung des Geschädigten und bat ihn, Geduld mit diesem zu haben und jedenfalls noch so lange vor Ort zu bleiben, bis ein Ersatz für den Angeklagten organisiert sei.
317
Bevor sich M gegen 17:00 Uhr auf den Heimweg machte, informierte sie den Angeklagten, dass W 2 wegen seiner Medikamente viel und auch nachts in regelmäßigen Abständen trinken müsse und hierfür gegebenenfalls geweckt werden müsse. M bat den Angeklagten deshalb, nachts ab 00:00 Uhr eigeninitiativ - ohne zu warten, bis er vom Geschädigten gerufen werde - regelmäßig alle zwei Stunden nach W 2 zu sehen, ihm Wasser zu bringen und dafür zu sorgen, dass er es trinke. Der Angeklagte sagte dies zu, obwohl ihm seine eigene ungestörte Nachtruhe sehr wichtig war.
318
Nachdem M das Haus verlassen hatte, war der Angeklagte mit W 2 allein. Er löschte in dessen Festnetztelefon sämtliche Einträge aus der Anrufliste und dem integrierten Telefonbuch, um es dem Geschädigten zumindest erheblich zu erschweren, wenn nicht gar unmöglich zu machen, gegebenenfalls selbstständig telefonisch Kontakt zu Dritten aufzunehmen und eventuell um Hilfe zu bitten.
319
In der darauffolgenden Nacht auf den 11.02.2018 wurde der Angeklagte mehrfach vom Geschädigten gerufen, um diesem unter anderem beim Toilettengang behilflich zu sein. Der Angeklagte war hierüber verärgert, da er hierdurch in seiner eigenen Nachtruhe erheblich gestört worden war. Nicht zuletzt im Hinblick auf seine bestehende Vertrags- und Terminkollision zwischen der Einsatzstelle W 2 und seiner nachfolgenden Einsatzstelle bei der Patientin L begann der Angeklagte am nächsten Morgen gegen 08:00 Uhr mit der Kontaktaufnahme zu Transportunternehmen, um seine baldige Abreise zu organisieren.
320
Als M am 11.02.2018 gegen 09:00 Uhr wiederkam, beklagte sich der Angeklagte bei ihr verärgert über den Verlauf der vorangegangenen Nacht. M forderte ihn auf, sich tagsüber hinzulegen und auszuschlafen. Beim Frühstück gestattete W 2 dem Angeklagten nicht, sich zu ihm an den Tisch zu setzen und dort ebenfalls sein Frühstück einzunehmen. Am Vormittag sowie im weiteren Tagesverlauf einschließlich des Abends setzte der Angeklagte seine Kontaktaufnahmen zu Transportunternehmen zur Organisation seiner baldigen Abreise fort.
321
Am Nachmittag registrierte M zufrieden, dass der Angeklagte den Geschädigten nunmehr tatsächlich siezte. Als W 2 gegen 15:00 Uhr seinen Bruder anrufen wollte, bemerkte M, dass sämtliche Einträge aus der Anrufliste und dem integrierten Telefonbuch gelöscht worden waren. Als sie den Angeklagten irritiert fragte, was mit den Einträgen aus der Anrufliste und dem Telefonbuch geschehen sei, gab dieser vor, das nicht zu wissen.
322
Gegen 16:00 Uhr verabschiedete sich M vom Geschädigten, der sie nicht gehen lassen wollte und darum bat, dass sie in der kommenden Nacht bei ihm bleiben möge. M musste dies jedoch aufgrund ihrer anderweitigen beruflichen Verpflichtungen ablehnen. Sie versuchte allerdings den Geschädigten mit der Ankündigung zu trösten, dass sie am nächsten Tag wiederkommen werde. W 2 fand sich schweigend mit der Situation ab.
323
Am 11.02.2018 um 19:13 Uhr erhielt der Angeklagte eine SMS von dem für das Transportunternehmen „M-Trans“ tätigen Busfahrer Sz mit der Bestätigung, dass dieser ihn am nächsten Morgen gegen 05:30 Uhr abholen werde. Die Anschrift des Geschädigten W 2hatte der Angeklagte dem Transportunternehmen „M-Trans“ bereits um 13:41 Uhr per SMS mitgeteilt.
324
Als der Pfleger K vom ambulanten Pflegedienst gegen 19:30 Uhr die Abendpflege beim Geschädigten durchführte, äußerte dieser ihm gegenüber, dass er Angst vor dem Angeklagten habe, da mit diesem etwas nicht stimme. K nahm diese Äußerung nicht ernst, da W 2 in der Vergangenheit bereits öfter ähnliche Äußerungen getätigt hatte, was der Pfleger stets auf die Erkrankung des Geschädigten zurückgeführt hatte. An diesem Abend wurde K von W 2 jedoch erstmals gebeten, dessen Geldkassette unter dessen Kopfkissen im Bett zu legen. Hierbei fiel dem Pfleger auf, dass W 2 den Schlüssel für die Geldkassette an einem Schlüsselband um den Hals trug. Als K das Haus verlassen hatte, war der Angeklagte wieder mit dem Geschädigten allein.
325
Am 12.02.2018 im Zeitraum 01:00 Uhr bis 02:00 Uhr verabreichte der Angeklagte mit seinem InsulinPen dem Geschädigten W 2 vier Injektionen zu je 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70), um hierdurch eine Hypoglykämie beim Geschädigten und damit eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorzurufen. Drei dieser Injektionen erfolgten subkutan in den linken Oberarm des Geschädigten, eine intramuskulär in die Brustwand links.
326
Auf diese Weise wollte der Angeklagte eine Bewusstseinsstörung bei W 2 verursachen, welche es ihm ermöglichen würde, diesem ungehindert den um den Hals getragenen Schlüssel für dessen Geldkassette abzunehmen und die unter dem Kopfkissen des Geschädigten aufbewahrte Geldkassette herauszuziehen, um diese anschließend mit dem Schlüssel zu öffnen und etwaige Wertgegenstände hieraus fortan unberechtigt zu behalten.
327
Ferner wollte der Angeklagte durch das Hervorrufen einer für den Geschädigten lebensbedrohlichen Notfallsituation, die erwartbar zumindest dessen notfallmäßige Einlieferung ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt nach sich ziehen würde, zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen der Einsatzstelle W 2ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf schaffen, um auf diese Weise die für ihn bestehende Vertrags- und Terminkollision zwischen der Einsatzstelle W 2 und seiner nachfolgenden Einsatzstelle bei der Patientin L in … zu beseitigen.
328
Darüber hinaus wollte sich der Angeklagte durch das Hervorrufen einer für den Geschädigten lebensbedrohlichen Notfallsituation Genugtuung verschaffen, um hierdurch seine Verärgerung über den Geschädigten abzureagieren. Diese resultierte maßgeblich aus dem am Abend des 09.02.2018 vom Geschädigten veranlassten Polizeieinsatz, der Ablehnung des Angeklagten durch den Geschädigten als dessen 24-Stunden-Betreuungskraft sowie der erheblichen Störung der eigenen Nachtruhe des Angeklagten durch die nächtliche Unruhe des Geschädigten insbesondere in der Nacht auf den 11.02.2018.
329
Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten wegen seiner inneren Einstellung zur Ausübung der 24-Stunden-Betreuungstätigkeit letztlich begründet war, auch wenn W 2 hiervon keine positive Kenntnis hatte. Ihm ging es generell nur darum, die Aufgaben einer 24-Stunden-Betreuungskraft mit möglichst wenig Arbeitsaufwand zu verrichten, sich zum Nachteil des Geschädigten zu bereichern und möglichst schnell wieder abzureisen. Im Fall des Geschädigten W 2 war er sogar bereits vor Antritt seiner Tätigkeit am Abend des 09.02.2018 dazu entschlossen, spätestens am 12.02.2018 wieder abzureisen, um am 13.02.2018 seine neue Einsatzstelle bei L in … antreten zu können.
330
Dem Angeklagten war ferner bewusst, dass er zur Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten auch maßgeblich dadurch beigetragen hatte, dass er sich zunächst hartnäckig geweigert hatte, den Geschädigten, wie von diesem gewünscht, zu siezen, obwohl er von M hierzu mehrfach nachdrücklich aufgefordert worden war.
331
Der Angeklagte wusste außerdem, dass es zu den ganz zentralen Aufgaben einer 24-StundenBetreuungskraft gehört, insbesondere nachts als Ansprechpartner und Unterstützung für die hilfsbedürftige Person bei entsprechendem Bedarf zur Verfügung zu stehen, und er deshalb auf die von ihm eingeforderte ungestörte eigene Nachtruhe keinen Anspruch hatte.
332
Dass dies im Fall des Geschädigten W 2 in besonderem Maße galt, war dem Angeklagten ebenfalls klar angesichts dessen, dass hier - wie der Angeklagte wusste - viele der üblicherweise in den Aufgabenbereich einer 24-Stunden-Betreuungskraft fallenden Tätigkeiten von Dritten erledigt wurden. W 2 beschäftigte eine Putzkraft, eine Haushaltshilfe sowie einen ambulanten Pflegedienst, der ihn zweimal täglich pflegerisch versorgte.
333
Bei seinem Vorgehen hielt der Angeklagte einen tödlichen Ausgang für möglich und nahm diesen billigend in Kauf. Welche Folgen sein Handeln für den Geschädigten hatte, war dem Angeklagten gleichgültig.
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Als bei W 2 infolge der durch die Insulingabe verursachten Hypoglykämie eine Bewusstseinsstörung auftrat, nahm der Angeklagte seiner Absicht entsprechend dem Geschädigten den Schlüssel für die Geldkassette vom Hals, zog diese unter dessen Kopfkissen heraus, öffnete sie und durchsuchte sie nach stehlenswertem Gut sowie sonstigen für ihn nützlichen Dingen. Er entnahm hieraus den Zimmerschlüssel für das versperrte Büro im Obergeschoss sowie den Zettel mit der Zahlenkombination für den dortigen Tresor.
335
In der Folge verschaffte sich der Angeklagte mit dem Zimmerschlüssel Zutritt zu dem versperrten Büro im Obergeschoss und durchsuchte dieses, bis er den in einem Schrank eingebauten Tresor fand. Diesen öffnete er mithilfe der auf dem Zettel notierten Zahlenkombination und entwendete hieraus 1.210 Euro Bargeld sowie ein rosafarbenes Etui, in welchem eine Goldkette mit Anhänger, eine goldene Uhr der Marke Rolex, drei Goldringe sowie eine Krügerrandgoldmünze aufbewahrt waren, um diese Wertgegenstände unberechtigt dauerhaft zu behalten. Darüber hinaus nahm er die EC-Karte sowie die Kreditkarte des Geschädigten samt den Originalbankanschreiben, aus denen sich die jeweilige PIN ergab, an sich, um hiermit künftig Bargeldabhebungen von den Konten des Geschädigten vorzunehmen.
336
Als der Angeklagte gegen 03:40 Uhr zum Geschädigten zurückkehrte, stellte er fest, dass dieser inzwischen verstorben war. W 2 verstarb am 12.02.2018 zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Zeitraum von etwa 01:30 Uhr bis gegen 03:40 Uhr an den Folgen der vom Angeklagten durch die Insulingabe hervorgerufenen Hypoglykämie.
337
Der Angeklagte versandte zunächst um 03:41 Uhr eine E-Mail an die Vermittlungsagentur, worin er behauptete, dass er an diesem Morgen nach … habe zurückreisen müssen, da seine Mutter gestorben sei und er die Bestattungsdokumente arrangieren müsse. Um 03:59 Uhr verständigte er durch Betätigung des Hausnotrufknopfs des Geschädigten die Notrufzentrale der Johanniter und teilte dieser mit, dass W 2 nicht reagiere und tot sei. Um 04:05 Uhr setzte er darüber hinaus M telefonisch vom Tod des Geschädigten in Kenntnis, welche daraufhin den Bruder und die Schwägerin des Geschädigten informierte.
338
Der aufgrund des Notrufs des Angeklagten um 04:03 Uhr alarmierte und nur wenige Minuten später vor Ort eingetroffene Notarzt Dr. F konnte nur noch den Tod des Geschädigten feststellen. Die ebenfalls alarmierten Rettungskräfte meldeten den Todesfall routinemäßig der Polizeieinsatzzentrale, woraufhin sich eine Polizeistreife vor Ort begab.
339
Der Angeklagte, der eine Entdeckung seiner Tat befürchtete, wollte das Anwesen möglichst schnell verlassen. Jedoch wurde ihm der Antritt seiner für 05:30 Uhr gebuchten Rückreise polizeilich untersagt. Da er von den Polizeibeamten vor Ort aufgefordert wurde, noch längere Zeit im Anwesen zu bleiben, wollte er verhindern, dass die Schmuckstücke, die er aus dem Tresor entwendet hatte, im Rahmen einer etwaigen Durchsuchung bei ihm oder in seinem Reisegepäck gefunden würden. Er versteckte deshalb das rosafarbene Etui mit den Schmuckstücken in dem von ihm bewohnten Zimmer im Bett unter der Matratze. Dort wurden die Gegenstände am 14.02.2018 von H zufällig aufgefunden.
340
Die restliche Tatbeute - 1.210 Euro Bargeld sowie die Bankkarten des Geschädigten samt Bankunterlagen - bewahrte der Angeklagte in seinem Geldbeutel auf, wo sie später anlässlich seiner Zeugenvernehmung durch Kriminalbeamte der Mordkommission München aufgefunden und sichergestellt werden konnte, bevor der Angeklagte eine Bargeldabhebung vom Konto des Geschädigten hätte tätigen können.
341
Ein blauer Insulin-Pen des Herstellers IBA BIOTON, mit dem der Angeklagte dem Geschädigten W 2 das Insulin injiziert hatte, eine leere Patrone des Insulinpräparats Gensulin M 30 (30/70) sowie ein Blister mit fünf gefüllten Patronen dieses Insulinpräparats konnten von den Kriminalbeamten im Gepäck des Angeklagten aufgefunden und sichergestellt werden. Deshalb sowie aufgrund weiterer Verdachtsmomente erfolgte schließlich die vorläufige Festnahme des Angeklagten durch die Polizei.
342
Bei einer im Zuge der Ermittlungen am 05.03.2018 durchgeführten Durchsuchung der vom Angeklagten gemeinsam mit seinen Eltern bewohnten Wohnung unter der Anschrift …, konnten im Kühlschrank zwei Packungen mit Patronen des Insulinpräparats Gensulin M 30 (30/70) des Herstellers IBA BIOTON aufgefunden werden.
343
Der Leichnam von W 2 wurde am 12.02.2018 ab 10:00 Uhr obduziert. Hierbei zeigten sich zwar diverse Organveränderungen, jedoch keine pathologischanatomisch fassbare sichere Todesursache. Allerdings wurde bei einer Blutuntersuchung im Rahmen der Obduktion ein hypoglykämischer Blutzuckerwert von 27 mg/dl gemessen. Darüber hinaus fanden sich drei punktförmige Hautveränderungen an der Außenseite des linken Oberarms sowie eine an der Brustwand links. Bei der toxikologischen Untersuchung der vier hiervon genommenen Gewebeproben konnte jeweils Humaninsulin in hoher Konzentration nachgewiesen werden.
344
Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war bei sämtlichen acht Taten weder aufgehoben noch erheblich vermindert.
X. Verfahrensbeschränkung
345
Im Hauptverhandlungstermin am 22.09.2020 hat das Schwurgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren im Hinblick auf die Tatvorwürfe des Betruges zum Nachteil von B (Ziffer 3 der Anklageschrift vom 21.03.2019) sowie der gefährlichen Körperverletzung durch die Verabreichung des Schlafmittels Zopiclon am 15.01.2018 zum Nachteil des Geschädigten N (Ziffer 11 der Anklageschrift) gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
346
Ferner hat die Strafkammer im selben Hauptverhandlungstermin mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft den Tatvorwurf des Diebstahls in den Fällen zum Nachteil der Geschädigten W 1, B, H 1, G, H 2 und N (Ziffern 2, 3, 8, 9, 10 und 11 der Anklageschrift) gemäß § 154a Abs. 2 StPO ausgeschieden.
347
C. Das Schwurgericht hat im Zuge dessen darauf hingewiesen, dass die gemäß §§ 154 Abs. 2, 154a Abs. 2 StPO eingestellten bzw. ausgeschiedenen Tatvorwürfe sowohl bei der Beweiswürdigung als auch bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden können.
(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
I. Persönliche Verhältnisse
348
1. Die Feststellungen zum Lebenslauf und Werdegang des Angeklagten beruhen auf den Angaben des Angeklagten gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. H, soweit diese mit den übrigen Ergebnissen der Beweisaufnahme im Einklang stehen. Dr. H berichtete glaubhaft über die ihm gegenüber vom Angeklagten im Rahmen seiner psychiatrischen Exploration am 22., 23. und 27.03.2018 sowie am 10.12.2018 gemachten Angaben.
349
a. Ferner stützen sich die Feststellungen auf die verlesene deutsche Übersetzung des Protokolls der Zeugenvernehmung der Mutter des Angeklagten, Z, durch die … Polizei vom 05.03.2018 und die dem Protokoll zufolge hierbei gemachten Angaben. Demnach habe die Zeugin Z unter anderem bekundet, dass der Angeklagte seinen Eltern gegenüber stets sehr verschlossen und immer schon ein Einzelgänger gewesen sei. Ferner habe sie über die festgestellten Heimaufenthalte des Angeklagten, sein hierfür ursächliches Verhalten einschließlich Diebstahlsstraftaten, seine abgeschlossene Berufsausbildung und seine jeweils nur kurzzeitigen Arbeitsstellen als Reinigungskraft berichtet sowie darüber, dass der Angeklagte die vierte Klasse der Grundschule wiederholt habe.
350
b. Die Feststellungen zu den Wohnverhältnissen des Angeklagten bei seinen Eltern gründen sich ergänzend auf die entsprechenden glaubhaften Angaben des Zeugen KHK P über seine Wahrnehmungen anlässlich der Durchsuchung der Wohnung der Familie W unter der Anschrift …, an welcher KHK P begleitend teilgenommen hatte. Anhand der hierbei von der Wohnung gefertigten, von KHK P erläuterten Lichtbilder hat sich die Strafkammer zudem einen eigenen Eindruck von den Wohnverhältnissen verschafft.
351
c. Die Feststellung zum Tod des Vaters des Angeklagten beruhen auf der verlesenen deutschen Übersetzung des Briefs der Zeugin Z an den Angeklagten vom 09.01.2020, in welchem diese ihren Sohn vom Tod seines Vaters in Kenntnis setzte.
352
d. Für die Feststellungen zur Unterbringung des Angeklagten in Erziehungsheimen zog die Strafkammer ergänzend die verlesene deutsche Übersetzung eines Schreibens der Abteilung Familien- und Jugendgericht des Amtsgerichts … an die Bezirksstaatsanwaltschaft … vom 07.06.2018 heran. Demnach sei gegen den Angeklagten ein Vollstreckungsverfahren geführt worden, nachdem in einem Verfahren aus dem Jahr 1995 dessen Unterbringung in einem Erziehungsheim gerichtlich angeordnet worden sei.
353
e. Dass der Angeklagte in den Jahren 1999 und 2000 in einer Jugendstrafanstalt inhaftiert war, stützt das Schwurgericht ergänzend auf die deutsche Übersetzung der Auskunft der Sozialversicherungsanstalt (ZUS), Abteilung in …, vom 12.03.2018 über die Sozialversicherungszeiten des Angeklagten für den Zeitraum seit 01.01.1999. Demnach seien im Zeitraum 10.08.1999 bis 30.09.2000 die Sozialversicherungsbeiträge für den Angeklagten von der Jugendstrafanstalt in … gezahlt worden.
354
2. Auch die Feststellungen zum Gesundheitszustand und Suchtmittelkonsum des Angeklagten stützen sich auf die vom Sachverständigen Dr. H glaubhaft berichteten Angaben des Angeklagten im Rahmen seiner psychiatrischen Exploration, soweit diese mit den übrigen Ergebnissen der Beweisaufnahme im Einklang stehen.
355
a. Ferner beruhen die Feststellungen auf den vom Sachverständigen bei seiner Auswertung der den Angeklagten betreffenden Krankenakte der Justizvollzugsanstalt M gewonnenen, entsprechenden Erkenntnisse, worüber Dr. H ebenfalls glaubhaft und sachkundig berichtete.
356
b. Darüber hinaus zog die Strafkammer die entsprechenden Angaben des behandelnden Arztes des Angeklagten in …, K, heran. Dieser berichtete glaubhaft und sachkundig über sein gesamtes Behandlungsverhältnis zum Angeklagten, darunter die von ihm gestellten Diagnosen, die veranlasste medikamentöse Therapie, sein Behandlungskonzept hinsichtlich der Erkrankung des Angeklagten an Diabetes mellitus Typ 2 sowie den Behandlungsverlauf und die hierbei erhobenen Befunde. Seinen Angaben zufolge habe sich an den Blutzuckerwerten im Verlauf gezeigt, dass sich der Angeklagte das Insulin jedenfalls insgesamt nicht in einer ausreichenden, von seinem Körper für die Einstellung eines normwertigen Blutzuckerspiegels benötigten Menge verabreicht habe.
357
In diesem Zusammenhang setzte der sachverständige Zeuge K die Strafkammer auch über die Krankheiten des Vaters des Angeklagten, wie festgestellt, in Kenntnis.
358
c. Schließlich basieren die Feststellungen ergänzend auf den Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Z vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München. Diese legte die Ergebnisse der körperlichen Untersuchung des Angeklagten vom 12.02.2018 dar und referierte ihre bei der Auswertung der in die deutsche Sprache übersetzten … Behandlungsunterlagen des Angeklagten gewonnenen Erkenntnisse.
359
(1) Bei der körperlichen Untersuchung des Angeklagten am 12.02.2018 hätten sich laut Prof. Dr. Z an dessen Bauch zwei nicht ganz frische, punktförmige Hautdefekte sicher abgrenzen lassen, welche sich aufgrund ihrer Morphologie gut durch die Verabreichung subkutaner Injektionen - etwa von Insulin - erklären ließen. Darüber hinaus habe sich am Bauch des Angeklagten eine weitere punktförmige rötliche Hautverfärbung gezeigt, bei welcher ein Hautdefekt nicht sicher abgrenzbar gewesen sei, welche aber ebenfalls nicht ausschließbar von einer subkutanen Injektion herrühren könne.
360
Prof. Dr. Z zufolge seien diese Befunde zwanglos mit den damaligen Angaben des Angeklagten in Einklang zu bringen, wonach er sich am Vortag, dem 11.02.2018, insgesamt dreimal, zuletzt am Abend des 11.02.2018, Insulin gespritzt habe.
361
(2) Auch aus den Ergebnissen der Blutuntersuchung des Angeklagten ergibt sich nichts anderes.
362
(a) Dem verlesenen ärztlichen Untersuchungsbericht zufolge seien dem Angeklagten am 12.02.2018 um 17:42 Uhr im Institut für Rechtsmedizin der Universität München zwei Blutproben entnommen worden.
363
(b) Die toxikologische Sachverständige Dr. R vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München berichtete glaubhaft, dass eine geringe Menge der dem Angeklagten entnommenen Blutproben mit der Tox-Nummer 1591/18 zur Untersuchung auf Insulin und Insulinanaloga an den führenden Experten auf diesem Gebiet, Prof. Dr. T von der Deutschen Sporthochschule Köln (vgl. zu seiner Expertise unten I.III.3.t(1)(f), S. 293), übersandt worden seien.
364
(c) Der toxikologische Sachverständige Prof. Dr. T legte dar, dass sich in der Blutprobe mit der Tox-Nummer 1591/18 bei der Untersuchung mittels NanoFlüssigkeitschromatografie mit hochauflösender Tandem-Massenspektrometrie (nanoLC-MS/MS) etwa 1 ng/ml Insulin habe nachweisen lassen.
365
(d) Die beiden toxikologischen Sachverständigen führten übereinstimmend aus, dass dies ein völlig unauffälliger Befund sei, der sich zwanglos sowohl mit einer vorangegangenen Nahrungsaufnahme des Angeklagten, wie sie dem Zeugen KHK P zufolge rund eine Stunde vor der Blutentnahme erfolgt sei, als auch mit der vom Angeklagten angegebenen - mehrfachen - Verabreichung von Insulin in therapeutischer Dosierung am Vortag vereinbaren lasse.
366
(3) Die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Z, Dr. R und Prof. Dr. T, welche von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgingen, waren sachkundig, nachvollziehbar, widerspruchsfrei und überzeugend.
367
3. Grundlage für die Feststellungen zur Intelligenz und Persönlichkeit des Angeklagten waren die übereinstimmenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. H und der psychologischen Sachverständigen Dipl.-Psych. L sowie ergänzend die weiteren genannten Beweismittel.
368
a. Die Sachverständige Dipl.-Psych. L legte ihren Ausführungen die Ergebnisse der von ihr am 09. und 12.04.2018 durchgeführten testpsychologischen Untersuchung des Angeklagten sowie ihre hierbei gemachten Wahrnehmungen zugrunde. Dr. H bezog die Darlegungen der psychologischen Sachverständigen in seine Beurteilung mit ein, stützte sich ferner auf seine Wahrnehmungen in der mehrmonatigen Hauptverhandlung sowie seine hierbei gewonnenen Erkenntnisse und zog darüber hinaus seine Wahrnehmungen bei der am 22., 23., 27.03.2018 und 10.12.2018 durchgeführten Exploration des Angeklagten sowie seine hierbei gewonnenen Erkenntnisse heran.
369
Die beiden Sachverständigen gingen jeweils von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus. Ihre Erläuterungen waren von Sachkunde getragen, widerspruchsfrei und überzeugend.
370
b. Die Feststellung, dass sich der Angeklagte nicht offen aggressiv verhält und in der Regel die direkte Konfrontation meidet, stützt sich zusätzlich auf die ausweislich der verlesenen deutschen Übersetzung des Vernehmungsprotokolls von der Mutter des Angeklagten, der Zeugin Z, gegenüber der …Polizei am 05.03.2018 gemachten entsprechenden Angaben. Dasselbe gilt für die Feststellungen, dass der Angeklagte seit seiner Kindheit ein Einzelgänger ist, nie Freunde hatte und auch seinen Eltern gegenüber stets sehr verschlossen war.
371
c. Die Feststellungen zum Verhalten des Angeklagten während seiner Inhaftierung in … beruhen auf dem entsprechenden Inhalt des verlesenen Schreibens der Haftanstalt … vom 27.04.2018. Die in diesem Schreiben enthaltene Beurteilung des Verhaltens des Angeklagten im … Strafvollzug sei laut den dortigen Angaben auf der Grundlage der in der …zentralen Vollzugsdatei (Noe.NET) über den Angeklagten enthaltenen Informationen erstellt worden.
372
4. Die Feststellung, dass der Angeklagte in Deutschland nicht vorbestraft ist, beruht auf der verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 25.11.2019.
373
5. Die Feststellungen zu den Vorstrafen des Angeklagten in … basieren auf der vom Bundes amt für Justiz übersandten Mitteilung aus dem … Strafregister vom 03.12.2018, welche verlesen wurde. Die Feststellungen hinsichtlich der den Verurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalte gründen sich auf die deutschen Übersetzungen der entsprechenden Urteile, welche ebenfalls zur Verlesung kamen.
374
6. Die Feststellungen zu den Haftzeiten des Angeklagten in stützen sich auf die verlesene deutsche Übersetzung der Auskunft aus der Vollzugsdatenbank „Noe.NET“. Aus dieser ergibt sich insbesondere auch, dass der Angeklagte - abweichend vom Eintrag im … Strafregister zur Entscheidung 14 (vgl. oben Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.., S. Fehler! Textmarke nicht definiert.) - zuletzt am 07.05.2014 (und nicht am 14.05.2014) aus der Haft entlassen wurde.
375
Mit dem diesbezüglichen Eintrag in der … Vollzugsdatenbank „Noe.NET“ im Einklang stehen die entsprechenden Angaben des Angeklagten im Rahmen der psychiatrischen Exploration durch den Sachverständigen Dr. H. Wie dieser glaubhaft berichtete, habe der Angeklagte ihm gegenüber bekundet, in … am 07.05.2014 aus der Haft entlassen worden zu sein.
II. Einlassungen des Angeklagten zur Sache
376
1. In der Hauptverhandlung erklärte der Angeklagte in seinem letzten Wort, dass er sich bei allen Familien noch einmal für das, was er getan habe, entschuldigen wolle. Er bereue es zutiefst und verspreche „mit der Hand auf dem Herzen“, dass er für die Verstorbenen bete. Er habe kein mildes Urteil verdient. Das, was er getan habe, sei und bleibe sehr brutal. Er schließe sich dem Antrag seiner Verteidiger vollumfänglich an. Er bitte alle um Vergebung und entschuldige sich noch einmal.
377
Darüber hinaus ließ sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht zur Sache ein.
378
2. Im Ermittlungsverfahren äußerte sich der Angeklagte bei den nachfolgend genannten Gelegenheiten zur Sache:
379
a. Wie der Zeuge KHK B glaubhaft berichtete, habe er den Angeklagten am 12.02.2018 mithilfe einer Dolmetscherin für die Sprache zunächst als Zeugen im Hinblick auf die To desermittlungen zum Ableben des von ihm zuletzt betreuten Patienten W 2 belehrt und anschließend vernommen. Der Angeklagte habe erklärt, dass er sich mit der Dolmetscherin problemlos verständigen könne und die Zeugenbelehrung verstanden habe. Sein Kollege KHK P sei bei der Vernehmung gelegentlich als Zuhörer anwesend gewesen und habe im Laufe der Vernehmung selbst auch einige Fragen an den Angeklagten gerichtet.
380
Als im Verlauf der Vernehmung aufgrund der polizeilichen Ermittlungen bekannt geworden sei, dass eine wertvolle Uhr aus dem Haushalt des Geschädigten vermisst werde, habe sich der Angeklagte mit einer Durchsuchung seiner Person und der von ihm mitgeführten Gegenstände einverstanden erklärt. Hierbei sei im Koffer des Angeklagten unter anderem ein Insulin-Pen aufgefunden worden. Im Widerspruch zu seinen vorherigen Angaben, wonach er an keiner Krankheit leide und außer Schmerzmitteln keine Medikamente einnehme, habe der Angeklagte nunmehr angegeben, dass es sich um seinen persönlichen Insulin-Pen handle und er seit kurzem an Diabetes leide.
381
Überdies hätten die Polizeibeamten laut KHK B im Laufe der Vernehmung die Information erhalten, dass bei der Obduktion des Geschädigten W 2 ein hypoglykämischer Blutzuckerwert gemessen worden sei. Dies habe den Verdacht begründet, dass der Angeklagte den Geschädigten durch die Verabreichung von Insulin getötet habe. Daraufhin sei dem Angeklagten von KHK P der Vorwurf des Mordes zum Nachteil des Geschädigten W 2durch die Beibringung von Insulin in der vorangegangenen Nacht eröffnet und die vorläufige Festnahme erklärt worden. Ferner sei der Angeklagte von KHK P über seine Rechte als Beschuldigter belehrt worden. Nach einer Vernehmungspause habe der Angeklagte als Beschuldigter den Tatvorwurf bestritten.
382
In seiner Zeugenvernehmung am 12.02.2018 habe der Angeklagte im Wesentlichen folgende Angaben zur Sache gemacht:
383
(1) Zu seiner Ankunft habe der Angeklagte berichtet, dass er am vorangegangenen Freitag (Anmerkung: 09.02.2018) gegen 19:00 Uhr im Haushalt des Geschädigten W 2 angekommen sei. Dort habe er seinen Vorgänger, einen rumänischen Staatsangehörigen namens V, angetroffen, mit dem er sich auf Deutsch verständigt habe.
384
Dem Angeklagten zufolge habe V ihm erzählt, dass er seit acht Tagen als Betreuungskraft des Geschädigten W 2 tätig sei. Der Grund für seine Abreise sei, dass W 2 in diesen acht Tagen fünf Mal die Polizei gerufen habe, weil er keinen fremden Mann im Haus akzeptiere. Ferner habe V dem Angeklagten erzählt, dass nach den Angaben der Angehörigen des Geschädigten zuvor bereits viele Pfleger bei W 2 eingesetzt gewesen seien, die allesamt von diesem nicht akzeptiert worden seien. Hingegen genössen eine Pflegekraft namens M, die sich seit zwei Jahren um den Geschädigten kümmere, sowie eine Putzkraft namens Mo, die seit 15 Jahren für den Geschädigten arbeite, höchste Wertschätzung.
385
V, mit dem sich der Angeklagte auf Deutsch verständigt habe, habe den Haushalt W 2 am Folgetag zwischen 16:00 Uhr und 17:00 Uhr verlassen.
386
Im Vorfeld sei dem Angeklagten seinen Angaben zufolge im Hinblick auf seine Tätigkeit als 24-Stunden-Betreuungskraft beim Geschädigten W 2 eine Beschreibung des Patienten und der in dessen Haushalt zu erledigenden Aufgaben übersandt worden. Allerdings sei dem Angeklagten nicht mitgeteilt worden, dass W 2 aggressiv sei und vier andere Pflegekräfte vorzeitig ihre Einsätze beendet hätten, da sie nicht länger vor Ort hätten bleiben wollen.
387
(2) Der Angeklagte habe laut KHK B die Aufgaben einer 24-Stunden-Betreuungskraft erläutert. Demnach umfasse diese Tätigkeit im Allgemeinen das Waschen und Anziehen des Patienten, den Transfer des Patienten in den Rollstuhl bzw. aus diesem heraus, die Zubereitung und das Anrichten der Mahlzeiten, das Aufräumen des Haushalts, Waschen der Wäsche sowie eine allgemeine Kontrolle des Patienten dahingehend, was dieser wolle bzw. was die 24-Stunden-Betreuungskraft für den Patienten tun könne.
388
Konkret im Fall des Geschädigten W 2 habe sich die vom Angeklagten ausgeübte Kontrolle des Patienten allerdings im Wesentlichen auf dessen Bedürfnisse hinsichtlich des Toilettengangs sowie der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr beschränkt.
389
Wie der Angeklagte dargelegt habe, sei ihm am Tag nach seiner Ankunft gegen Mittag überdies klar geworden, dass sich seine Tätigkeit im Wesentlichen auf die nächtliche Betreuung des Geschädigten W 2 beschränkt habe.
390
Morgens und abends sei jeweils ein Pfleger von der Diakoniestation gekommen, der den Patienten gewaschen, ihn an- bzw. ausgekleidet und in den Rollstuhl bzw. aus diesem heraus transferiert habe sowie dem Patienten die Medikamente aus einem mitgebrachten Tablettenbehältnis verabreicht habe. Im Gegensatz zu anderen Einsatzstellen in der Vergangenheit habe der Angeklagte im Fall des Geschädigten W 2 mit der Verabreichung der Medikamente überhaupt nichts zu tun gehabt. Ferner sei die Pflegerin Maria nahezu täglich von 09:00 Uhr bis 17:00 Uhr vor Ort gewesen und habe sämtliche in diesem Zeitraum anfallenden Tätigkeiten erledigt.
391
Unter Verweis auf den Vertrag mit der Agentur, wonach sich die Betreuungskraft 24 Stunden am Tag für die Bedürfnisse des Patienten bereithalten müsse, hätten die Angehörigen des Geschädigten dem Angeklagten zudem aufgetragen, nachts am Bett des Geschädigten zu wachen.
392
(3) Seinen auch insoweit glaubhaften Angaben zufolge habe KHK B den Angeklagten anschließend aufgefordert, den Geschehensablauf seit seiner Ankunft am Freitag, 09.02.2018, gegen 19:00 Uhr, zu schildern.
393
Hierauf habe der Angeklagte angegeben, dass er in der Nacht auf Samstag von 22:00 / 23:00 Uhr bis gegen 01:00 / 02:00 Uhr geschlafen habe, während sein Vorgänger beim Geschädigten Wache gehalten habe. Anschließend habe der Angeklagte die Wache beim Geschädigten von seinem Vorgänger übernommen, der sich seinerseits schlafen gelegt habe. Bis gegen 07:00 Uhr sei der Angeklagte beim Geschädigten im Zimmer auf dem Sofa gesessen und habe sich für dessen Wünsche, insbesondere im Hinblick auf Unterstützung beim Toilettengang bereitgehalten. Dem Angeklagten zufolge habe W 2 habe in dieser Nacht „ein bisschen geschlafen“ und „ab und zu die Augen aufgemacht“.
394
Im Widerspruch zu diesen Angaben habe sich der Angeklagte im weiteren Verlauf der Vernehmung laut KHK B dahingehend eingelassen, dass er von etwa 01:00 Uhr bis 06:00 Uhr beim Geschädigten Wache gehalten habe, welcher in diesem Zeitraum geschlafen und lediglich einmal das Bedürfnis geäußert habe zu urinieren. Der Angeklagte habe sich auf dem Sofa beim Geschädigten im Zimmer ebenfalls hingelegt und etwa eineinhalb Stunden geschlafen. An einer anderen Stelle seiner Vernehmung habe der Angeklagte laut KHK B erläutert, dass sich seine nächtliche Tätigkeit im Zusammenhang mit dem von W 2 geäußerten Bedürfnis darauf beschränkt habe, dem Geschädigten eine Urinflasche ans Bett zu bringen.
395
Auf die Nachfrage des Vernehmungsbeamten, ob der Angeklagte bei seiner Schilderung des Ablaufs seit seiner Ankunft nicht ein wichtiges Ereignis am Freitag, den 09.02.2018, vergessen habe, habe der Angeklagte dies zunächst verneint und hinzugefügt, dass alles in Ordnung gewesen sei. Er sei ja erst gegen 19:00 Uhr angekommen.
396
Seinen auch insoweit glaubhaften Angaben zufolge habe KHK B dem Angeklagten anschließend konkret vorgehalten, dass am Freitagabend, den 09.02.2018, ein Polizeieinsatz beim Geschädigten stattgefunden habe.
397
Hierauf habe der Angeklagte geäußert, dass die Polizei auf Veranlassung des Geschädigten gekommen sei, da dieser weder ihn noch seinen Vorgänger als Betreuungskraft habe akzeptieren wollen. W 2 habe den Polizeibeamten gegenüber behauptet, dass er, der Angeklagte mit mehreren Personen gekommen sei, woraufhin die Polizeibeamten ergebnislos das Haus abgesucht hätten. Als die Polizeibeamten nach etwa einer Stunde das Haus wieder verlassen hätten, habe er bei diesen eine „Scheibenwischer-Geste“ gesehen, wie wenn die Polizeibeamten zum Ausdruck hätten bringen wollen, dass W 2 nicht klar bei Verstand sei.
398
(4) Wie KHK B ferner glaubhaft berichtete, habe er den Angeklagten anschließend nach dem Verlauf seiner ersten Begegnung mit dem Geschädigten befragt.
399
Hierauf habe der Angeklagte angegeben, dass er dem Geschädigten zur Begrüßung die Hand gereicht habe. W 2 habe diese Begrüßungsgeste jedoch nicht erwidert, sondern mit den Worten „Hau ab! Hau ab!“ eine abwinkende Handbewegung gemacht. Seinen Angaben zufolge habe der Angeklagte aufgrund dieser Reaktion des Geschädigten bereits gewusst, dass dieser krank sei. Der Angeklagte habe hinzugefügt, dass er in seiner bislang achtjährigen Tätigkeit als Betreuungskraft noch nie zuvor von der Polizei kontrolliert worden sei.
400
Wie der Angeklagte laut KHK B an einer späteren Stelle der Vernehmung unter Bezugnahme auf die Verweigerung des Begrüßungshandschlags durch den Geschädigten erklärt habe, sei ihm bereits von diesem Moment an klar gewesen, dass er in diesem Haushalt nicht länger als zwei bis drei Wochen bleiben werde.
401
(5) Zum weiteren Geschehensablauf ab Samstagmorgen, den 10.02.2018, habe der Angeklagte KHK B zufolge berichtet, dass er gegen 06:00 Uhr aufgestanden sei. Zwischen 07:00 Uhr und 07:30 Uhr sei ein Pfleger von der Diakoniestation gekommen und habe den Geschädigten umfassend versorgt. Von 09:00 Uhr bis 17:00 Uhr sei die Zeugin M vor Ort gewesen und habe - wie zuvor schon V - den Angeklagten in seine Aufgaben vor Ort eingewiesen. Die Zeugin M habe zudem nahezu alle anfallenden Tätigkeiten beim Patienten selbst ausgeführt, wobei der Angeklagte ihr zugesehen habe. Einmal habe der Angeklagte die Zeugin M dabei unterstützt, dem Geschädigten beim Toilettengang behilflich zu sein.
402
Am Samstag gegen 10:00 / 11:00 Uhr sei ferner der Bruder des Geschädigten mit seiner Ehefrau D für etwa eine Stunde bis eineinhalb Stunden gekommen. Auch D habe den Angeklagten in den Haushalt eingewiesen und ihn zudem in einem Vier-AugenGespräch gewarnt, dass W 2 psychisch krank sei und bald die Polizei rufen werde. Der Angeklagte solle vorsichtig sein und dem Geschädigten nachts das Telefon wegnehmen, damit dieser nicht die Polizei rufen könne, was W 2 in der Vergangenheit schon einmal nachts getan habe. Ferner habe D dem Angeklagten zufolge geäußert, dass er dem Geschädigten dessen um den Hals getragenen Notrufknopf zwar nicht wegnehmen, jedoch im Bett des Geschädigten so auf die Seite legen solle, dass der Knopf nicht versehentlich gedrückt werde.
403
Von etwa 19:00 / 19:30 Uhr bis 20:00 Uhr sei der Pfleger von der Diakoniestation namens A vor Ort gewesen und habe den Geschädigten versorgt.
404
Im Verlauf des Samstags habe sich der Angeklagte seinen Angaben zufolge telefonisch bei der Vermittlungsagentur darüber beschwert, dass er nicht im Vorfeld über die psychische Erkrankung des Patienten informiert worden sei. Zudem habe der Angeklagte die Vermittlungsagentur über den Polizeieinsatz vom Freitagabend sowie darüber informiert, dass er am darauffolgenden Montag kündigen werde. Wie KHK B auch insoweit glaubhaft berichtete, habe der Angeklagte in diesem Zusammenhang erläutert, dass er laut Vertrag nach der Kündigung noch zwei bis drei Wochen warten müsse, bis der Austausch der Betreuungskraft vollzogen werden könne.
405
(6) Zum Verlauf der Nacht auf Sonntag, den 11.02.2018, habe der Angeklagte berichtet, dass er sich von etwa 21:00 Uhr bis 06:00 Uhr durchgängig beim Geschädigten aufgehalten und überhaupt nicht geschlafen habe. Wenn er, der Angeklagte, kurzzeitig eingenickt sei, habe W 2 ihn sofort angeschrien, dass er nicht schlafen, sondern mit diesem fernsehen solle. Zudem habe W 2 verlangt, dass der Fernseher und das Licht ständig eingeschaltet gewesen seien.
406
Es sei vorgekommen, dass er, der Angeklagte, vom Geschädigten, der in Rückenlage wach im Bett gelegen sei, mit beiden Händen weggestoßen und angeschrien worden sei. In diesem Zusammenhang habe der Angeklagte laut KHK B geäußert, dass er sich „mit solchen Patienten“ auskenne und wisse, dass es am besten sei, kurz das Zimmer zu verlassen und eine Zigarette zu rauchen.
407
In der Nacht auf Sonntag, den 11.02.2018, sei der Angeklagte acht Mal vom Geschädigten gerufen worden, um diesem beim Toilettengang behilflich zu sein. Überdies habe er dessen Beine mit ArnikaÖl eingerieben und sei am nächsten Tag „fix und fertig“ gewesen.
408
(7) Wie KHK B auch insoweit glaubhaft bekundete, habe er den Angeklagten aufgefordert, den weiteren Geschehensablauf ab Sonntagmorgen, den 11.02.2018, zu schildern. Hierauf habe der Angeklagte weinerlich erklärt, dass er bis zum Eintreffen der Zeugin M um 09:00 Uhr beim Geschädigten ausgeharrt habe, wobei er kurzzeitig eingenickt sei. Gegen 08:00 Uhr sei der Zeuge A gekommen und habe W 2 versorgt. Anschließend habe der Angeklagte dem Geschädigten Kaffee und Müsli bereitgestellt, welches dieser aufgegessen habe.
409
Im Widerspruch dazu habe der Angeklagte an einer späteren Stelle der Vernehmung diesbezüglich angegeben, dass die Zeugin M das vom Angeklagten zubereitete Müsli weggeworfen und dem Geschädigten ein anderes Frühstück - bestehend aus Brot, Wurst und Gemüse - gereicht habe. In diesem Zusammenhang habe sie dem Angeklagten Vorwürfe wegen des von ihm zubereiteten Frühstücks für den Geschädigten gemacht und erklärt, dass sie allein für die Zubereitung und das Servieren des Frühstücks zuständig sei.
410
Auf Vorhalt des dargestellten Widerspruchs durch den Vernehmungsbeamten habe der Angeklagte laut KHK B seine ursprüngliche Aussage dahingehend abgeändert, dass W 2 „zwei bis drei Löffel Müsli gegessen“ habe, das Müsli ihm aber nicht geschmeckt habe. Der Angeklagte habe hinzugefügt, dass er der Zeugin M hinsichtlich der Zuständigkeit für das Frühstück widersprochen und erklärt habe, dass er als Betreuungskraft des Geschädigten auch für dessen Frühstück zuständig sei.
411
Bei seiner ersten Schilderung zum Ablauf des Sonntagmorgens habe der Angeklagte weiter berichtet, dass W 2 die Zeugin M und ihn, den Angeklagten, angeschrien habe, wobei er „wild mit den Händen herumgefuchtelt“ habe. Er, der Angeklagte, habe dann kurz gefrühstückt und sich für ein paar Stunden bis gegen 12:00 Uhr hingelegt. Den Nachmittag habe er mit der Zeugin M beim Geschädigten verbracht, der „ziemlich aufgeregt und aufgebracht“ gewesen sei.
412
Gegen 16:00 Uhr sei die Zeugin M nach Hause gefahren. Sie sei „ziemlich fertig und verärgert“ über den Geschädigten gewesen, da sie von diesem auch „die ganze Zeit“ angeschrien worden sei. Danach habe W 2 eine gute Stunde in seinem Rollstuhl geschlafen.
413
Gegen 18:30 Uhr sei ein anderer Pfleger von der Diakoniestation gekommen, habe den Geschädigten etwa eine Stunde lang versorgt und zu Bett gebracht. W 2 habe weder zu Abend gegessen noch etwas getrunken und sei bei eingeschaltetem Fernseher schnell eingeschlafen. Seine Hautfarbe sei etwas blass und sein „Gesichtsausdruck nicht sehr ausdrucksstark“ gewesen. Er habe etwa fünf Minuten lang geschnarcht und danach normal im Schlaf geatmet.
414
(8) Zum Verlauf der Nacht auf Montag, den 12.02.2018, habe der Angeklagte berichtet, dass er zu Abend gegessen und einige private Angelegenheiten an seinem Laptop erledigt habe, bevor er sich beim Geschädigten im Zimmer auf das Sofa gelegt und bis etwa 01:00 Uhr oder 02:00 Uhr geschlafen habe. Als er aufgewacht sei, habe W 2 weiterhin geschlafen und normal geatmet. Er, der Angeklagte, habe sich daraufhin ebenfalls wieder schlafen gelegt.
415
Gegen 03:30 Uhr sei er erneut aufgewacht und habe nach dem Geschädigten gesehen. Dieser habe überhaupt nicht reagiert, als er ihn ein wenig am Arm gerüttelt habe, um ihn aufzuwecken. Daraufhin habe er sofort den Notrufknopf des Geschädigten gedrückt, um den Notarzt zu alarmieren. Er habe im Rahmen des Notrufs mitgeteilt, dass der Geschädigte regungslos sei und keine Reaktion zeige, und habe darum gebeten, dass möglichst schnell jemand komme. Darüber hinaus habe er telefonisch die Angehörigen verständigt.
416
Abgesehen von dem sofortigen Notruf habe er, der Angeklagte, keine Erste-HilfeMaßnahmen ergriffen, da er hierzu als Betreuungskraft nicht berechtigt sei. Er habe keinen Erste-Hilfe-Kurs für lebensrettende Maßnahmen absolviert und sei nur verpflichtet, rund um die Uhr auf die Wünsche des jeweiligen Patienten einzugehen.
417
(9) Das Verhalten des Geschädigten habe der Angeklagte dahingehend beschrieben, dass W 2 sich die ganze Zeit „nicht normal“ verhalten habe und immer „sehr forsch“ zu ihm gewesen sei, obwohl er versucht habe, sich „normal“ mit diesem zu unterhalten. W 2 habe Schimpfwörter benutzt, ihn als „Schwein“ bezeichnet und wiederholt verlangt, dass er „abhauen“ bzw. „verschwinden“ solle. Er habe hierauf nicht reagiert.
418
(10) Der Angeklagte habe laut KHK B auf eine entsprechende Frage in Abrede gestellt, dem Geschädigten Injektionen verabreicht zu haben. W 2 habe während seiner Anwesenheit auch von niemand anderem eine Injektion erhalten. Er, der Angeklagte, gehe davon aus, dass der Geschädigte aufgrund seines hohen Alters eines natürlichen Todes gestorben sei.
419
b. Wie der Zeuge KHK P glaubhaft bekundete, habe der Angeklagte am Abend des 12.02.2018 nach der Verbringung in die Haftanstalt des Polizeipräsidiums München ihm gegenüber den Wunsch nach einer weiteren Vernehmung am darauffolgenden Morgen geäußert. Der Angeklagte habe darum gebeten, noch vor der Vorführung vor den Ermittlungsrichter zur Haftbefehlseröffnung erneut - und zwar diesmal allein von KHK P - vernommen zu werden.
420
Seinen glaubhaften Angaben zufolge habe KHK P dem Wunsch des Angeklagten entsprochen, diesen am Morgen des 13.02.2018 erneut aufgesucht und über seine Rechte als Beschuldigter belehrt. Er habe den Angeklagten insbesondere auch darauf hingewiesen, dass dieser jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, mit einem Rechtsanwalt sprechen könne. Der Angeklagte habe hierauf erwidert, dass er die Belehrung verstanden habe, jedoch ohne Anwalt nunmehr Angaben machen wolle. Weiter habe der Angeklagte erklärt, dass er die ihm vorgeworfene Tat zugebe.
421
Auf die Frage, was in der Nacht auf den 12.02.2018 bei dem Geschädigten W 2 geschehen sei, habe der Angeklagte in der Beschuldigtenvernehmung am 13.02.2018 laut KHK P im Wesentlichen Folgendes angegeben:
422
Er, der Angeklagte, sei von W 2 mit den Worten „Hallo, hallo, hallo“ sehr laut angeschrien worden, obwohl er sich neben diesem aufgehalten habe. W 2 habe ihn zudem mit den Worten „Schwein“, „Sau“ und „Schwanzlutscher“ beleidigt und ihn aufgefordert, auf der Stelle dessen Haus zu verlassen. Er, der Angeklagte, sei sehr müde, gestresst und aufgeregt gewesen. Wegen des Verhaltens des Geschädigten ihm gegenüber habe er W 2 eine Injektion mit dem Insulin-Pen verabreicht. Er habe dies „weder extra noch mit Absicht getan“ und bereue das, was er getan habe, wirklich sehr.
423
Danach habe der Angeklagte erklärt, dass er auf weitere Fragen in Gegenwart eines Anwalts antworten wolle.
424
c. Wie der Zeuge KHK P auch insoweit glaubhaft berichtete, habe er den Angeklagten am 29.06.2018 mithilfe einer Dolmetscherin für die … Sprache sowie in Anwesenheit der Verteidigerin des Angeklagten, Rechtsanwältin …, als Beschuldigten im Hinblick auf die ihm zu diesem Zeitpunkt zur Last liegenden Tötungsdelikte belehrt und anschließend vernommen. Der Angeklagte habe unmittelbar vor der Vernehmung noch einmal Gelegenheit gehabt, sich mit seiner Verteidigerin zu besprechen. Auf Nachfrage habe der Angeklagte ausdrücklich erklärt, dass er sich mit der Dolmetscherin problemlos verständigen könne, die Beschuldigtenbelehrung verstanden habe und Angaben machen wolle.
425
In seiner Beschuldigtenvernehmung am 29.06.2018 habe der Angeklagte laut KHK P zusammengefasst folgende Angaben zur Sache gemacht:
426
(1) Zum Fall W 2 habe der Angeklagte im Wesentlichen Folgendes angegeben:
427
(a) Zum objektiven Tatgeschehen habe der Angeklagte eingeräumt, dem Geschädigten am 12.02.2018 zwischen 02:00 Uhr und 03:00 Uhr „zweimal à 40 mg“ Insulin mit seinem Insulin-Pen verabreicht zu haben. Die Dosis von 40 „mg“ Insulin habe der Angeklagte mithilfe des Drehrads am Insulin-Pen eingestellt, wo man seinen Angaben zufolge so viele Einheiten „zwischen 40 mg und 120 mg“ einstellen könne, wie man wolle.
428
Zu der Frage, ob der Geschädigte zum Zeitpunkt des Verabreichens der Injektionen geschlafen habe, habe sich der Angeklagte widersprüchlich eingelassen. Zunächst habe er angegeben, dass der Geschädigte zum Zeitpunkt der Injektionen geschlafen habe. Im weiteren Verlauf habe der Angeklagte demgegenüber geschildert, dass der Geschädigte mit offenen Augen dagelegen und sehr aggressiv gewesen sei, als er auf diesen zugegangen sei. Laut KHK P habe der Angeklagte auf entsprechende Nachfrage wiederholt, dass der Geschädigte zum Zeitpunkt der Injektionen nicht geschlafen habe, sondern dagelegen sei und in Richtung der im Zimmer eingeschalteten Lampe geblickt habe.
429
Nach den Insulin-Injektionen habe er, der Angeklagte, dem Geschädigten den Schlüssel für dessen versperrte Geldkassette abgenommen, den dieser um den Hals getragen habe. Zu diesem Zeitpunkt sei W 2 gerade am Einschlafen gewesen und habe nach Meinung des Angeklagten das Entwenden des Schlüssels nicht bemerkt. Wie KHK P auch insoweit glaubhaft bekundete, habe der Angeklagte eingeräumt, dass er dem Geschädigten den Schlüssel ohne die vorherige Gabe von Insulin „nicht gerade gut“ hätte abnehmen können, da W 2 immer nur für zehn Minuten eingeschlafen sei und gleich wieder die Augen geöffnet habe.
430
Danach habe er, der Angeklagte, die versperrte Geldkassette, welche der Geschädigte unter seinem Kopfkissen aufbewahrt habe, an sich genommen. Zu diesem Zeitpunkt habe W 2 noch gelebt und geschlafen.
431
In der Geldkassette habe sich der Schlüssel für die versperrte Tür zum Büro im ersten Obergeschoss befunden. Mit dem Schlüssel habe er, der Angeklagte, sich Zutritt zum Büro verschafft und dieses durchsucht. Er habe sämtliche Schränke und Schubladen geöffnet und schließlich den dortigen Tresor gefunden und geöffnet.
432
(b) Im Hinblick auf seine Tatbeute habe der Angeklagte eingeräumt, dass er in der Nacht auf den 12.02.2018 gegen 01:00 Uhr / 02:00 Uhr den mit einer Zahlenkombination gesicherten Tresor im ersten Obergeschoss des Hauses geöffnet und aus diesem 1.200 Euro Bargeld sowie goldenen Schmuck entnommen habe. Der Angeklagte habe in diesem Zusammenhang behauptet, die für die Tresoröffnung erforderliche Zahlenkombination nicht gekannt zu haben. Er habe lediglich das Zahlenrad mehrmals in die eine sowie in die andere Richtung gedreht, woraufhin sich die Tresortür plötzlich geöffnet habe.
433
Hinsichtlich des aus dem Tresor entnommenen Schmucks habe der Angeklagte behauptet, diesen „einfach (…) vergessen“ zu haben, als er in der Nacht auf den 12.02.2018 seine Sachen gepackt habe. Er habe deshalb den Schmuck unter dem Bett in dem von ihm bewohnten Zimmer im Haus des Geschädigten zurückgelassen. Dass er den Schmuck erst später wegen der dann im Haus anwesenden Polizeikräfte unter das Bett verbracht habe, habe der Angeklagte auf entsprechende Nachfrage in Abrede gestellt.
434
Im Hinblick auf das aus dem Tresor entnommene Bargeld habe der Angeklagte erklärt, dass dieses von der Polizei in seinem Geldbeutel aufgefunden worden sei, den er bei seiner Festnahme mit sich geführt habe. Die dort ebenfalls von der Polizei aufgefundenen, auf W 2 ausgestellten Bankkarten habe er, der Angeklagte, aus der Geldkassette entnommen, welche der Geschädigte nachts unter seinem Kopfkissen aufbewahrt habe.
435
(c) Zum Nachtatgeschehen habe der Angeklagte laut KHK P berichtet, dass er am 12.02.2018 gegen 03:30 Uhr nach dem Geschädigten gesehen und festgestellt habe, dass dieser nicht mehr lebe. Daraufhin habe er sofort den Rettungsdienst verständigt, welcher etwa 15 Minuten später eingetroffen sei.
436
(d) Hinsichtlich seiner Einstellung zu der Tat habe der Angeklagte erklärt, dass er sehr bedaure, was passiert sei, und es ihm sehr leidtue.
437
(e) Zu seinem Tatmotiv habe der Angeklagte angegeben, dass er dem Geschädigten das Insulin verabreicht habe, weil dieser ihm gegenüber aggressiv gewesen sei. Außerdem habe er sich bereichern wollen. Mit den Insulin-Injektionen habe er erreichen wollen, dass der Geschädigte zwei bis drei Stunden lang schlafe, weil er „einfach genug von ihm“ gehabt habe, nachdem W 2 ihn am Abend bis gegen Mitternacht angeschrien und „mit den Händen gefuchtelt“ gehabt habe. Mit dem Geschädigten habe man es psychisch nicht aushalten können, was laut dem Angeklagten auch sein Vorgänger gesagt habe. Dieser sei bereits nach acht Tagen wieder nach Hause gefahren, weil W 2 „psychisch krank und unerträglich“ gewesen sei.
438
(f) Im Hinblick auf die subjektive Tatseite im Übrigen habe der Angeklagte zunächst behauptet, ihm sei nicht bewusst gewesen, dass die von ihm verabreichte InsulinInjektion tödlich sein könne. Er habe „keinerlei Gedanken daran“ gehabt, dass der Geschädigte sterben könne, und habe nur gewollt, dass der Geschädigte einige Stunden lang schlafe.
439
Im weiteren Verlauf habe der Angeklagte eingeräumt, dass es an seinen früheren Einsatzorten bereits Situationen gegeben habe, in denen ein Notarzt gekommen sei und von einer lebensgefährlichen Unterzuckerung des Patienten gesprochen habe. Gleichwohl habe der Angeklagte zunächst weiterhin behauptet, nicht gewusst zu haben, dass das Verabreichen von Insulin lebensgefährlich sei. Allerdings habe der Angeklagte laut KHK P hinzugefügt, dass ein Patient, dem man „eine solche Insulindosis“ verabreiche, sterben könne. Dies gelte unabhängig davon, ob der Patient zuckerkrank sei oder nicht. Der Patient müsse aber nicht sterben.
440
(2) Zum Fall N habe der Angeklagte laut KHK P zunächst behauptet, den Tod des Geschädigten gar nicht mitbekommen zu haben und sich an eine Situation, wie sie ihm vom Vernehmungsbeamten auf der Grundlage der polizeilichen Ermittlungsergebnisse vorgehalten worden sei, nicht zu erinnern. Im weiteren Verlauf habe der Angeklagte den ihm von KHK P gemachten Vorwurf, dem Geschädigten N in der Nacht auf den 17.01.2018 Insulin injiziert und ihn dadurch getötet zu haben, zunächst ausdrücklich bestritten, später jedoch pauschal gestanden. Zusammengefasst habe der Angeklagte zum Fall N laut KHK P folgende Angaben gemacht:
441
(a) Wie der Zeuge KHK P auch insoweit glaubhaft bekundete, habe er dem Angeklagten unter Vorlage von Lichtbildern, welche den Geschädigten und dessen Wohnanwesen gezeigt hätten, zunächst vorgehalten, dass sich der Angeklagte nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis vom 15. bis 17.01.2018 bei dem Geschädigten N in … aufgehalten habe, welcher am 17.01.2018 verstorben sei.
442
Daraufhin habe der Angeklagte erklärt, sich an diese Einsatzstelle erinnern zu können. N sei sehr krank und auf den Rollstuhl angewiesen gewesen. Der Angeklagte habe den Geschädigten waschen, anziehen und „praktisch alles um ihn herum machen“ müssen. Dessen Angehörige hätten „24 Stunden am Tag“ auf den Geschädigten aufgepasst. Dessen Sohn habe in dem Haus ein Restaurant geführt.
443
(b) Im Hinblick auf seine Anreise und Ankunft im Haushalt des Geschädigten habe der Angeklagte angegeben, man habe ihm im Vorfeld gesagt, dass es sich um einen probeweisen Einsatz handle, da N ein schwieriger Patient sei, der schwer mit anderen Leuten auskomme und zudem fast 120 kg wiege. Er, der Angeklagte, sei von der Chefin der Vermittlungsagentur auf die besondere Eilbedürftigkeit seines Einsatzes hingewiesen und gebeten worden, sofort - noch ohne schriftlichen Vertragsschluss - zum Geschädigten anzureisen. Hierfür sei ihm für den Fall, dass er einen Monat bei N arbeiten würde, ein zusätzliches Entgelt zugesagt worden. Der Angeklagte habe seinen Angaben zufolge dem Wunsch der Agenturchefin entsprochen und sei sofort angereist.
444
Unmittelbar nach seiner Ankunft zwischen 15:00 Uhr und 16:00 Uhr habe die Schwiegertochter des Geschädigten ihm eröffnet, dass die Familie N lieber eine weibliche Betreuungskraft haben wolle. Auf sein Angebot, dass er wieder abreisen könne, habe die Zeugin N erwidert, es dennoch mit ihm probieren zu wollen, und angekündigt, dass sie insoweit mit ihrem Schwiegervater sprechen werde. Dem Angeklagten zufolge habe die Zeugin N ferner das Verhalten des Geschädigten seiner Familie gegenüber als taktlos bezeichnet.
445
Nach ihrem angekündigten Gespräch mit dem Geschädigten habe die Zeugin N ihm, dem Angeklagten, mitgeteilt, dass N nun sehen wolle, ob er mit ihm zurechtkomme und ob er - im Gegensatz zu seiner Vorgängerin - in der Lage sei, ihn zu transportieren. Obwohl es ihm im dritten Versuch gelungen sei, den Geschädigten vom Bett in den Rollstuhl zu transferieren, habe ihm dieser anschließend gesagt, dass er nicht lange bleiben werde, da er, N, eine weibliche Betreuungskraft haben wolle.
446
(c) Den weiteren Angaben des Angeklagten zufolge sei er am nächsten Tag gegen Abend mit dem Geschädigten spazieren gegangen und habe mit ihm zwei bis drei Stunden bei einem Freund verbracht. Bei der anschließenden Rückkehr nach Hause habe sich N „sehr schlecht“ gefühlt, was er, der Angeklagte, dessen Angehörigen gemeldet habe. Diese hätten den Geschädigten daraufhin in sein Schlafzimmer verbracht und ihn, den Angeklagten, aufgefordert, sich in sein Zimmer zu begeben und am nächsten Tag abzureisen. Als er die Aufforderung der Familie N zu seiner frühzeitigen Abreise der Agentur gemeldet habe, sei diese hierüber sehr unzufrieden gewesen.
447
(d) Wie der Zeuge KHK P auch insoweit glaubhaft berichtete, habe der Angeklagte seine Frage nach etwaigen Schlafproblemen des Geschädigten verneint und hinzugefügt, dass N in der ersten und zweiten Nacht bis zu seiner Abreise gegen 04:00 Uhr / 05:00 Uhr jeweils „normal geschlafen“ habe.
448
Auf entsprechende Nachfrage habe der Angeklagte noch einmal ausdrücklich bekundet, dass er vom 15. bis 17.01.2018 zwei Nächte bei N verbracht und am 17.01.2018 gegen 04:00 Uhr / 05:00 Uhr seine Heimreise angetreten habe.
449
Den Grund für seine Abreise habe der Angeklagte laut KHK P nunmehr dahingehend präzisiert, dass N ihn als seine Betreuungskraft abgelehnt und auch seinen Angehörigen gegenüber geäußert habe, dass er vielmehr eine weibliche Betreuungskraft habe wolle. N habe darauf verwiesen, dass er die Betreuungskraft schließlich bezahle. Auf entsprechende Nachfrage habe der Angeklagte angegeben, dass der Geschädigte ihm gegenüber weder ausfallend noch beleidigend geworden sei.
450
(e) Wie KHK P weiter glaubhaft darlegte, habe er den Angeklagten anschließend gefragt, ob dieser den Tod des Geschädigten N überhaupt mitbekommen habe. Dies habe der Angeklagte verneint und hinzugefügt, dass er in der zweiten Nacht lediglich bis 23:00 Uhr beim Geschädigten gewesen sei. Danach habe dessen Tochter oder Schwiegertochter auf diesen aufgepasst, während er von 23:00 Uhr bis etwa 03:00 Uhr geschlafen habe, bevor er aufforderungsgemäß die Heimreise angetreten habe.
451
(f) Seinen auch insoweit glaubhaften Angaben zufolge habe KHK P den Angeklagten mit den im Widerspruch zu dessen Angaben stehenden polizeilichen Ermittlungsergebnissen konfrontiert und ihm im Einzelnen Folgendes vorgehalten:
452
Zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten habe es Dispute gegeben. Der Angeklagte sei nicht am 17.01.2018 gegen 04:00 Uhr / 05:00 Uhr abgereist, sondern habe am Morgen des 17.01.2018 die Angehörigen des Geschädigten aufgefordert, einen Arzt zu verständigen, da N nicht mehr richtig erweckbar gewesen sei. Als die Angehörigen den Hausarzt verständigt hätten, habe ihnen der Angeklagte vorgeworfen, dass sie Mörder seien, wenn sie nicht sofort einen Notarzt verständigten. Überdies habe N normalerweise nachts nie durchgeschlafen, weshalb sich seine Angehörigen darüber sehr gewundert hätten, zumal der Geschädigte am Morgen des 16.01.2018 noch sehr schläfrig gewesen sei.
453
Auf den vom Vernehmungsbeamten erhobenen Vorwurf, dass der Angeklagte dem Geschädigten in der Nacht auf den 17.01.2018 Insulin injiziert und dies in der Folge verschwiegen habe, habe der Angeklagte behauptet, sich an eine entsprechende Situation nicht zu erinnern.
454
Wie KHK P ebenfalls glaubhaft berichtete, habe er dem Angeklagten weiter vorgehalten, dass bei der Obduktion des zwischenzeitlich exhumierten Geschädigten eine Einstichstelle am Oberschenkel aufgefunden worden sei, an welcher Insulin nachgewiesen worden sei. Hierauf habe der Angeklagte behauptet, dass er bei seinem Aufenthalt im Haushalt N nicht einmal seinen Insulin-Pen oder Insulin dabeigehabt habe, da er wegen der Kurzfristigkeit des Auftrags mit wenig Gepäck angereist sei.
455
Der Angeklagte habe ferner die Tötung des Geschädigten N ausdrücklich bestritten und erklärt, dass er hierfür überhaupt keinen Grund gehabt hätte.
456
(g) In einer anschließenden Vernehmungsunterbrechung habe der Angeklagte laut KHK P Gelegenheit gehabt, allein mit seiner Verteidigerin, Rechtsanwältin …, zu sprechen. Im Anschluss an diese Unterbrechung habe der Kriminalbeamte dem Angeklagten vorgehalten, dass in dem von diesem bewohnten Zimmer im Haushalt des Geschädigten ein leerer Blister desjenigen Insulins aufgefunden sei, welches der Angeklagte benutze. Hierauf habe der Angeklagte eine Antwort verweigert und erklärt, dass er zum Fall N überhaupt keine Fragen mehr beantworten wolle.
457
(h) Wie KHK P ferner glaubhaft berichtete, habe er daraufhin die Einsatzstelle bei H 2 in … zum Gegenstand der weiteren Vernehmung gemacht. Nach seinen ersten Angaben hierzu habe der Angeklagte um eine erneute Unterbrechung der Vernehmung gebeten, um nochmals allein mit seiner Verteidigerin zu sprechen. Im Anschluss daran habe der Angeklagte pauschal zugegeben, dem Geschädigten N (wie auch dem Geschädigten H 2, vgl. unten (3)(b), S. 76) Insulin verabreicht zu haben. Danach habe sich der Angeklagte zunächst zum Fall H 2 eingelassen und zum Fall N wiederum nur pauschal angegeben, dass er in der Sache den Tatvorwurf gestehe. Allerdings wolle er nichts weiter dazu sagen, weil er sich an Einzelheiten nicht mehr erinnere.
458
(3) Im Hinblick auf den Fall H 2 habe der Angeklagte laut KHK P - nach einer erneuten Vernehmungsunterbrechung mit Gelegenheit zur Rücksprache mit seiner Verteidigerin - die Verabreichung von Insulin an den Geschädigten eingeräumt und sich zusammengefasst folgendermaßen eingelassen:
459
(a) Wie der Zeuge KHK P auch insoweit glaubhaft aussagte, habe er dem Angeklagten unter Vorlage von Lichtbildern des Geschädigten einleitend vorgehalten, dass sich der Angeklagte nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis im Dezember 2017 zwei Tage im Haushalt des Geschädigten H 2 in … aufgehalten habe.
460
Daraufhin habe der Angeklagte erklärt, sich daran erinnern zu können. Er sei am 20.12.2017 vor Ort eingetroffen und habe auch im Fall von H 2 „alles um ihn herum machen“ müssen. Angehörige des Geschädigten seien nicht vor Ort gewesen, lediglich eine Bekannte, die sich um ihn gekümmert habe. Diese sei am Abend des 21.12.2017 vorbeigekommen, um nach dem Rechten zu sehen. Sie habe ihm, dem Angeklagten, kein Einkaufsgeld gegeben, weshalb am nächsten Tag keine Essensvorräte mehr im Kühlschrank gewesen seien.
461
(b) Wie KHK P ferner glaubhaft bekundete, habe er dem Angeklagten danach vorgehalten, dass H 2 nachts in einem äußerst bedrohlichen Zustand der Unterzuckerung in ein Krankenhaus eingeliefert worden sei und der Angeklagte unmittelbar darauf um 04:48 Uhr mit der Chefin der Vermittlungsagentur telefoniert habe. Hierauf habe der Angeklagte erklärt, sich an ein nächtliches Telefonat mit der Agenturchefin nicht zu erinnern, sondern nur an ein Telefonat, in welchem diese ihm mitgeteilt habe, dass sie mit der Zeugin C gesprochen habe und der Angeklagte am Folgetag nach Hause fahren solle.
462
KHK P zufolge habe der Angeklagte anschließend um eine erneute Vernehmungsunterbrechung gebeten, um nochmals allein mit seiner Verteidigerin zu sprechen. Im Anschluss an diese Unterbrechung habe der Angeklagte zunächst pauschal zugegeben, dem Geschädigten H 2 (wie auch dem Geschädigten N, vgl. oben (2)(h), S. 75) Insulin verabreicht zu haben.
463
(c) Im Hinblick auf das objektiven Tatgeschehen habe der Angeklagte im weiteren Verlauf eingeräumt, dem Geschädigten nachts zwischen 03:00 Uhr und 04:00 Uhr drei oder vier Injektionen Insulin entweder in den Arm oder ins Knie verabreicht zu haben, worauf H 2 „keinerlei Reaktion“ gezeigt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe der Geschädigte nicht geschlafen, sondern im Bett liegend an die Decke gestarrt. Der Angeklagte habe hinzugefügt, dass H 2 in den zwei Nächten seiner Anwesenheit „praktisch (…) nicht geschlafen“ habe. Der Angeklagte habe ferner behauptet, nicht mehr zu wissen, welche Menge Insulin er dem Geschädigten verabreicht habe.
464
(d) Seinen auch insoweit glaubhaften Angaben zufolge habe KHK P dem Angeklagten danach vorgehalten, dass er glaube, der Angeklagte habe nach der Verabreichung der Insulin-Injektionen das Haus des Geschädigten durchsucht. Auf diesen Vorhalt habe der Angeklagte mit „Ja“ geantwortet und hinzugefügt, dass das stimme.
465
Wie KHK P weiter glaubhaft berichtete, habe er den Angeklagten anschließend aufgefordert, genau zu schildern, wie er nach der Verabreichung des Insulins das Haus durchsucht habe. Hierauf habe der Angeklagte angegeben, sich daran nicht genau zu erinnern, aber zu wissen, dass er Weinflaschen aus dem Keller gestohlen habe.
466
Anschließend habe KHK P seinen glaubhaften Angaben zufolge den Angeklagten gefragt, ob es richtig sei, dass dieser zunächst dem Geschädigten Insulin injiziert, dann das Haus durchsucht und erst danach den Rettungsdienst verständigt habe. Dies habe der Angeklagte mit einem kurzen „Ja“ beantwortet.
467
Danach habe der Angeklagte seine Angaben zum Diebstahl von Weinflaschen aus dem Keller des Geschädigten dahingehend präzisiert, dass es sich um 10 bis 15 Weinflaschen gehandelt habe. Der Angeklagte habe hinzugefügt, dass sich im Keller ansonsten „lauter altes Zeug“ befunden habe. „Praktisch alles“ im Haus sei versperrt gewesen. Schlüssel seien nicht vorhanden gewesen. Ergänzend habe der Angeklagte angemerkt, dass im Wohnzimmer „alles abgesperrt“ gewesen sei und die Schlüssel gefehlt hätten.
468
(e) Wie der Zeuge KHK P weiter glaubhaft berichtete, habe er den Angeklagten nach dem Sinn der Insulin-Injektion im Fall des Geschädigten H 2 gefragt und im Einzelnen wissen wollen, warum der Angeklagte diesem Insulin verabreicht habe, um das Haus zu durchsuchen, wenn doch der Geschädigte ohnehin hilflos in seinem Bett gelegen sei. Hierauf habe der Angeklagte laut KHK P entgegnet, dass er diese Frage nicht beantworte.
469
(f) Zum Nachtatgeschehen habe der Angeklagte laut KHK P zunächst angegeben, er habe ein bis zwei Stunden nach der Verabreichung des Insulins bemerkt, dass der Geschädigte am ganzen Körper zittere. An einer späteren Stelle der Vernehmung habe der Angeklagte dem Vernehmungsbeamten zufolge hinsichtlich dieser Zeitspanne nur noch von zwei Stunden gesprochen. Als der Angeklagte das Zittern des Geschädigten bemerkt habe, habe er telefonisch die Zeugin C und den Rettungsdienst verständigt.
470
(g) Wie KHK P weiter glaubhaft bekundete, habe der Angeklagte die Frage, ob er sich an einen Tresor im Keller erinnere, verneint. Daraufhin habe der Vernehmungsbeamte dem Angeklagten Lichtbilder dieses Tresors vorgelegt und ihn mit dem Ergebnis der Spurenauswertung im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen konfrontiert, wonach an jenem Tresor im Keller DNA-Material des Angeklagten nachgewiesen worden sei. Hierauf habe der Angeklagte entgegnet, dass er zwar am zweiten Tag seines Aufenthalts den entsprechenden Kellerraum aufgeräumt habe. Allerdings habe er weder hierbei noch später beim Entwenden der Weinflaschen den Tresor gesehen.
471
(h) Wie der Zeuge KHK P weiter glaubhaft berichtete, habe er dem Angeklagten vorgehalten, dass dieser nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis am 20.12.2017, „dem Tag seiner Ankunft“ (Anmerkung: Tatsächliches Datum der Ankunft: 19.12.2017, vgl. hierzu unten III.1.e(1), S. 98) im Haushalt des Geschädigten H2, Kontakt zu dem Transportunternehmen „M-Trans“ aufgenommen habe.
472
Hieran anknüpfend habe KHK P seinen glaubhaften Angaben zufolge dem Angeklagten vorgeworfen, dass dieser seiner Kenntnis nach bereits am 20.12.2017 den Bus für seine Rückfahrt am „21.12.2017“ (Anmerkung: Tatsächliches Datum der Rückfahrt: 22.12.2017, vgl. hierzu unten III.1.e(1), S. 98) bestellt habe, da er bereits zu diesem Zeitpunkt gewusst habe, dass der Geschädigte am nächsten Morgen ins Krankenhaus eingeliefert oder womöglich gar nicht mehr leben werde, so dass der Angeklagte vermeintlich nichts dafür könne, dass er die Einsatzstelle wieder verlassen müsse, nachdem er zuvor allerdings sämtliche Wertgegenstände aus dem Haus des Geschädigten entwendet haben würde.
473
In diesem Zusammenhang habe KHK P dem Angeklagten weiter vorgehalten, dass in dessen Vertrag eine Vertragsstrafe in Höhe von 3.500 … für den Fall vorgesehen gewesen sei, dass der Angeklagte ohne triftigen Grund die Einsatzstelle verlasse. Hierbei habe KHK P seinen Angaben zufolge zum Ausdruck gebracht, dass nach seiner Auffassung die Vermeidung der Vertragsstrafe ein Motiv des Angeklagten für die Verabreichung des Insulins gewesen sei.
474
Auf die hieran anschließende Frage des Vernehmungsbeamten, was der Angeklagte zu seinen Vorwürfen sage, habe der Angeklagte laut KHK P erklärt: „Ja, das, was Sie sagen, stimmt alles.“ Weitergehend habe sich der Angeklagte hierzu nicht geäußert.
475
(i) Der Zeuge KHK P sagte ferner glaubhaft aus, dass sich der Angeklagte zu den Ereignissen nach der Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus widersprüchlich eingelassen habe:
476
Zunächst habe der Angeklagte - im Widerspruch zu seinen Angaben zu Beginn der Vernehmung, wonach die Zeugin C am Abend des 21.12.2017 vorbeigekommen sei, um nach dem Rechten zu sehen, und dem Angeklagten kein Einkaufsgeld gegeben habe - im Zusammenhang mit seinen Angaben zu dem Diebstahl von 10 bis 15 Weinflaschen und dem Durchsuchen des Hauses (vgl. oben (d), S. 77) behauptet, er sei „gleich in der Früh, nachdem Herr H 2 ins Krankenhaus abgeholt“ worden sei, nach Hause gefahren.
477
An einer späteren Stelle der Vernehmung habe der Angeklagte demgegenüber angegeben, dass er „gleich in der Früh“ nach der Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus einen Anruf von der Chefin der Vermittlungsagentur erhalten habe, in welchem diese ihn aufgefordert habe, gemeinsam mit der Zeugin C den Geschädigten im Krankenhaus zu besuchen. Dieser Aufforderung sei er nachgekommen und gegen 14:00 Uhr / 15:00 Uhr mit der Zeugin C zum Geschädigten ins Krankenhaus gefahren.
478
(4) Betreffend den Fall G habe der Angeklagte laut KHK P die Verabreichung von Insulin an die Geschädigte sowie den Diebstahl von Bargeld in Höhe von 135 Euro eingeräumt. Zusammengefasst habe der Angeklagte zum Fall G laut KHK P folgende Angaben gemacht:
479
(a) Wie der Zeuge KHK Pl auch insoweit glaubhaft bekundete, habe er dem Angeklagten unter Vorlage von Lichtbildern, welche die Geschädigte und deren Wohnanwesen gezeigt hätten, zunächst vorgehalten, dass der Angeklagte dem polizeilichen Ermittlungsergebnis zufolge vom 13. bis 16.12.2017 bei der Geschädigten G in … eingesetzt gewesen sei. Hierauf habe der Angeklagte zunächst um eine erneute Vernehmungsunterbrechung zur Beratung mit seiner Verteidigerin, Rechtsanwältin …, gebeten. Diese habe bei Fortsetzung der Vernehmung erklärt, dass ihr Mandant noch zum Fall G Stellung nehmen und danach die Vernehmung beenden wolle.
480
(b) Zu seiner Ankunft im Haushalt G habe sich der Angeklagte dahingehend eingelassen, dass er nicht direkt am Einsatzort, sondern an der Vermittlungsagentur in … eingetroffen sei, wo er zunächst den Vertrag betreffend die 24-StundenBetreuungstätigkeit unterschrieben habe. Anschließend sei er von dort zum Anwesen der Geschädigten gebracht worden, wo er seinen Vorgänger angetroffen habe, der dem Angeklagten zufolge seit ein oder zwei Monaten dort tätig gewesen sei. Der Angeklagte habe angegeben, dass er entweder noch am Tag seiner Ankunft oder am Folgetag einen Bus für seine Rückfahrt nach … bestellt habe.
481
(c) Im Hinblick auf das objektive Tatgeschehen habe der Angeklagte erklärt, dass er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zugebe. Er habe eingeräumt, der Geschädigten Insulin verabreicht und Bargeld in Höhe von 135 Euro gestohlen zu haben. Seinen Angaben zufolge habe der Angeklagte der Geschädigten das Insulin entweder „am Nacken“ oder in den Oberarm injiziert. Der Angeklagte habe erklärt, sich an die Anzahl der Injektionen und die verabreichte Dosis nicht mehr erinnern zu können. Auch wisse er nicht mehr, zu welcher Tages- oder Nachtzeit er der Geschädigten das Insulin verabreicht habe.
482
(d) Zu seinem Tatmotiv habe der Angeklagte zunächst angegeben, dass er der Geschädigten das Insulin verabreicht habe, um die 135 Euro Bargeld stehlen zu können. An einer späteren Stelle der Vernehmung habe der Angeklagte sein Motiv etwas allgemeiner dahingehend umschrieben, dass es ihm darum gegangen sei, Vermögen zu erlangen und an Geld zu kommen.
483
Danach habe der Angeklagte laut KHK P erklärt, dass er die Vernehmung nunmehr beenden wolle, und habe um die Vereinbarung eines weiteren Vernehmungstermins gebeten.
484
d. Wie der Zeuge KHK P auch insoweit glaubhaft berichtete, habe er den Angeklagten am 30.10.2018 mithilfe einer Dolmetscherin für die … Sprache als Beschuldigten im Hinblick auf die ihm zur Last liegenden Tötungsdelikte belehrt und anschließend vernommen. Nach der Belehrung habe KHK P darauf hingewiesen, dass die Verteidigerin des Angeklagten, Rechtsanwältin …, über den Vernehmungstermin informiert, jedoch nicht anwesend sei und die Entscheidung, ob der Angeklagte auch ohne seine Verteidigerin Angaben machen wolle, ausschließlich beim Angeklagten liege. Auf Nachfrage habe der Angeklagte ausdrücklich erklärt, dass er die Beschuldigtenbelehrung verstanden habe und ohne seine Verteidigerin Angaben machen wolle. Ferner habe der Angeklagte bekundet, dass es keinerlei Verständigungsschwierigkeiten mit der Dolmetscherin gebe.
485
In seiner Beschuldigtenvernehmung am 29.06.2018 habe der Angeklagte laut KHK P zusammengefasst folgende Angaben zur Sache gemacht:
486
(1) Im Hinblick auf den Fall H 1 habe der Angeklagte laut KHK P eingeräumt, dem Geschädigten Insulin verabreicht sowie 50 bis 100 Euro Bargeld, 10 bis 15 Weinflaschen und Waschpulver aus dessen Haushalt entwendet zu haben. Zusammengefasst habe der Angeklagte zum Fall H 1 laut KHK P folgende Angaben gemacht:
487
(a) Wie der Zeuge KHK P auch insoweit glaubhaft aussagte, habe er dem Angeklagten unter Vorlage von Lichtbildern des Geschädigten einleitend vorgehalten, dass der Angeklagte nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis im Haushalt des Geschädigten H 1 in … eingesetzt gewesen sei. Dies habe der Angeklagte bestätigt und hinzugefügt, dass er glaube, sich dort zwei bis drei Tage aufgehalten zu haben. H 1 habe „funktioniert“, was der Angeklagte dahingehend erläutert habe, dass der Geschädigte mithilfe eines Rollators „ganz normal“ habe gehen können.
488
(b) Das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten habe der Angeklagte laut KHK P folgendermaßen beschrieben:
489
Am zweiten Tag seines Aufenthalts im Haushalt H 1 habe der Geschädigte ihn, den Angeklagten, mit der Faust ins Gesicht geschlagen und von ihm verlangt, dass er „abhauen“ solle, weil H 1 lieber eine weibliche Betreuungskraft haben wolle. Auch in der Folgezeit habe H 1 ihn „durchgehend“ angeschrien und ihn verletzt. Deshalb sei er, der Angeklagte, „gestresst“ gewesen und habe „nicht genau“ gewusst, was er tun solle. Als er die Angehörigen des Geschädigten um Intervention gebeten habe, hätten diese lediglich geäußert, dass sie über den Geschädigten nichts Negatives sagen könnten.
490
(c) Zum objektiven Tatgeschehen habe der Angeklagte laut KHK P eingeräumt, dem Geschädigten zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr zwei- oder dreimal je 40 „mg“ Insulin „höchstwahrscheinlich“ in den Arm - „wahrscheinlich“ in den Oberarm - verabreicht zu haben. Zu diesem Zeitpunkt sei H 1gerade dabei gewesen, in seinem Bett langsam einzuschlafen.
491
Ferner habe der Angeklagte eingeräumt, aus dem Haushalt H 1 150 bis 100 Euro Bargeld sowie 10 bis 15 Weinflaschen aus dem Keller entwendet zu haben. Wie KHK P weiter glaubhaft berichtete, habe er daraufhin unter erneuter Vorlage der Lichtbilder vom Geschädigten H 1 nachgefragt, ob der Angeklagte sicher sei, dass er tatsächlich aus dessen Haushalt Weinflaschen entwendet habe, oder ob er dies nicht möglicherweise verwechsle und aus dem Haushalt H 1vielmehr etwas anderes, beispielsweise Waschpulver, entwendet habe. Hierauf habe der Angeklagte bestätigt, dass er auch Waschpulver mitgenommen habe, und sei im Übrigen bei seiner Einlassung geblieben, dass er auch Wein entwendet habe.
492
(d) Zu seinem Tatmotiv habe der Angeklagte angegeben, dass er „sehr genervt“ vom Geschädigten gewesen sei, wenn er diesen gesehen habe. Dessen Verhalten sei „den ganzen Tag (…) nicht in Ordnung“ gewesen. H 1 sei „den ganzen Tag“ aggressiv ihm gegenüber gewesen, habe ihn „den ganzen Tag angeschrien“, ihn beleidigt und verletzt.
493
Mit den Insulin-Injektionen habe der Angeklagte seinen Angaben zufolge bezweckt, dass der Geschädigte die Nacht durchschlafe, da dieser „auch während der Nacht sehr aktiv“ und „sehr aufgeregt“ gewesen sei, oft aufgestanden sei und sein Zimmer verlassen habe. Er, der Angeklagte, habe deshalb seinerseits nachts sein Zimmer verlassen müssen, um nach dem Geschädigten zu sehen. Dies sei für ihn „problematisch“ gewesen, da zwischen dem Zimmer des Geschädigten und der Treppe im Haus „50 bis 100 Meter“ gelegen hätten. Die Angehörigen des Geschädigten hätten ihn, den Angeklagten, zuvor aufgefordert gehabt, darauf aufzupassen, dass H 1 nicht die Treppe im Haus hinunterfalle.
494
Wie der Zeuge KHK P weiter glaubhaft angab, habe er dem Angeklagten vorgehalten, dass nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis im Vertrag des Angeklagten eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.000 Euro für den Fall des grundlosen Verlassens der Betreuungsstelle vorgesehen gewesen sei. Hieran habe der Vernehmungsbeamte die Frage angeschlossen, ob der Angeklagte mit der Verabreichung des Insulins an den Geschädigten auch dessen Einlieferung ins Krankenhaus habe veranlassen wollen, um infolgedessen „vermeintlich unverschuldet“ - und deshalb ohne Pflicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe - die Einsatzstelle verlassen zu können.
495
Der Angeklagte habe dies in Abrede gestellt und hinzugefügt, dass die zivilrechtlichen Verträge und die darin geregelten Vertragsstrafen in …unwirksam seien. Deshalb sei es dem Angeklagten zufolge im Ergebnis ohne Belang, ob eine Betreuungskraft einen Haushalt aufgrund eines entsprechenden Vorfalls oder grundlos verlasse. Anschließend habe der Angeklagte noch einmal ausdrücklich erklärt, dass die Vertragsstrafe „sicherlich nicht der Grund“ gewesen sei, warum er dem Geschädigten Insulin verabreicht habe.
496
(e) Zum Nachtatgeschehen habe der Angeklagte berichtet, dass er gegen 01:00 Uhr / 02:00 Uhr nach dem Geschädigten gesehen und bei diesem Schaum um den Mund festgestellt habe. Unmittelbar darauf habe er dessen Angehörige sowie den Rettungsdienst verständigt, welcher H 1 ins Krankenhaus gebracht habe.
497
Am nächsten Tag sei er, der Angeklagte, von Seiten der Angehörigen aufgefordert worden, nach Hause zu fahren. Dieser Aufforderung sei er entweder noch am selben oder am darauffolgenden Tag nachgekommen.
498
(2) Betreffend den Fall M habe der Angeklagte laut KHK P die Verabreichung von Insulin an den Geschädigten eingeräumt und sich zusammengefasst folgendermaßen eingelassen:
499
(a) Wie der Zeuge KHK P auch insoweit glaubhaft bekundete, habe er dem Angeklagten unter Vorlage von Lichtbildern, welche den Geschädigten und dessen Wohnanwesen gezeigt hätten, zunächst vorgehalten, dass sich der Angeklagte nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis vom 25. bis 28.06.2017 bei dem Geschädigten M in … aufgehalten habe, welcher in einem bedrohlichem Zustand der Unterzuckerung in ein Krankenhaus eingeliefert worden sei.
500
Daraufhin habe der Angeklagte seinen dortigen Aufenthalt bestätigt. M sei auf den Rollstuhl angewiesen gewesen und habe „zu 80 Prozent, 90 Prozent funktioniert“. Dies habe der Angeklagte laut KHK P dahingehend erläutert, dass der Geschädigte „normal schauen und Dinge verstehen“ habe können. „Bloß“ sei die Frau des Geschädigten dazu gekommen.
501
(b) Zu seiner Ankunft habe der Angeklagte angegeben, dass er gegen 16:00 Uhr oder 17:00 Uhr im Haushalt des Geschädigten eingetroffen sei. Als er noch „keine drei Schritte vom Eingang ins Haus gemacht“ und noch nicht einmal gegrüßt habe, sei er bereits von M beleidigt und beschimpft worden. Als er sich anschließend der Ehefrau des Geschädigten vorgestellt und ihr die Hand geküsst habe, habe diese sich wortlos umgedreht und ein Telefonat geführt.
502
Er, der Angeklagte, habe sich danach mit seinem ebenfalls noch anwesenden Vorgänger, der etwa zwei Wochen im Haushalt M beschäftigt gewesen sei, unter vier Augen unterhalten. Dieser habe ihm berichtet, dass er die Einsatzstelle verlasse, weil er mit dem Patienten nicht zurechtgekommen sei und sich trotz sehr guter Deutschkenntnisse mit dem Geschädigten nicht habe unterhalten können. Zudem sei M groß und „etwas korpulent“, wenn auch „nicht stämmig oder dick“ gewesen.
503
Dem Angeklagten zufolge habe ihm sein Vorgänger ferner erzählt, dass er vom Geschädigten „tagtäglich angeschrien, beschimpft, mit den übelsten Schimpfworten belegt“ und unter anderem mit den Worten „Du … Sau, du … Schlampe“ beleidigt worden sei. Überdies sei sein Vorgänger vom Geschädigten aufgefordert worden „abzuhauen“. M habe keine Männer im Haus geduldet, weil er im Hinblick auf seine Ehefrau eifersüchtig gewesen sei und deshalb eine weibliche Pflegekraft gewollt habe.
504
Nach dem Vier-Augen-Gespräch hätten sich er, der Angeklagte, und sein Vorgänger gemeinsam zum Geschädigten begeben, um diesen zu begrüßen. Hierbei habe M versucht, ihn, den Angeklagten, mit der Faust in den Bauch zu schlagen, was diesem aufgrund der räumlichen Distanz zwischen ihnen jedoch nicht gelungen sei. Seinen Vorgänger habe M jedoch auf den Kopf geschlagen. Danach sei er, der Angeklagte, vom Geschädigten mit denselben Worten beschimpft worden, wie sie ihm von seinem Vorgänger berichtet worden seien.
505
Bei einem anschließenden Gespräch mit der Zeugin M sowie der Tochter des Geschädigten und deren Ehemann habe die Zeugin S ihm, dem Angeklagten, mitgeteilt, dass ihr Vater überhaupt niemandem im Haus haben wolle. Anschließend sei sein Vorgänger abgereist.
506
Nachdem er, der Angeklagte, den Geschädigten vom Rollstuhl auf den Treppenlift transferiert habe, sei er von M seitlich in den Bauch geschlagen worden. Danach, noch am ersten Abend seiner Anwesenheit im Haushalt M, habe er den Entschluss gefasst, dem Geschädigten Insulin zu verabreichen.
507
(c) Zum objektiven Tatgeschehen habe der Angeklagte angegeben, dass er dem Geschädigten am nächsten Morgen - mithin am zweiten Tag seines Aufenthalts - gegen 09:00 Uhr / 10:00 Uhr zwei- bis dreimal je 40 „mg“ Insulin „vermutlich in den Arm“ verabreicht habe. M sei zu diesem Zeitpunkt in seinem Zimmer in seinem Bett gelegen.
508
(d) Zu seinem Tatmotiv habe der Angeklagte angeführt, dass der Geschädigte von Anfang an ihm gegenüber aggressiv gewesen sei und ihn mit der Faust in den Bauch geschlagen habe.
509
(3) Im Hinblick auf den Fall W 1 habe der Angeklagte laut KHK P eingeräumt, dem Geschädigten Insulin verabreicht sowie Wein und Nahrungsmittel gestohlen zu haben. Zusammengefasst habe der Angeklagte zum Fall W 1 laut KHK P folgende Angaben gemacht:
510
(a) Wie der Zeuge KHK P auch insoweit glaubhaft schilderte, habe er dem Angeklagten unter Vorlage von Lichtbildern, welche den Geschädigten und dessen Wohnanwesen gezeigt hätten, zunächst vorgehalten, dass der Angeklagte dem polizeilichen Ermittlungsergebnis zufolge vom 24. bis 25.05.2017 bei dem Geschädigten W 1in … eingesetzt gewesen sei. Hierauf habe der Angeklagte seinen dortigen Aufenthalt bestätigt.
511
(b) Zu seiner Ankunft im Haushalt des Geschädigten habe der Angeklagte angegeben, dass W 1 „sehr aggressiv und aufbrausend“ gewesen sei und ihn von sich weggestoßen habe. Zudem habe der Geschädigte versucht, seine Tochter ins Gesicht zu schlagen, welche jedoch ausgewichen sei.
512
Dem Angeklagten zufolge sei der Vermittlungsagentur von den Angehörigen des Geschädigten dessen Unterbringung „in einer Psychiatrie oder so etwas“ verheimlicht worden. Zudem habe er, der Angeklagte, bei seiner Arbeit am Patienten Handschuhe tragen müssen, da W 1an Hautkrebs oder einer anderen Krebserkrankung gelitten habe.
513
Am ersten Abend habe der Angeklagte seinen Angaben zufolge den Geschädigten zwischen 19:00 Uhr und 20:00 Uhr zu Bett gebracht. Hierbei habe W 1 ihn zunächst - auf seinem Bett sitzend - am Hemd gepackt und erfolglos versucht, ihn wegzustoßen. Danach habe der Geschädigte - im Bett liegend - versucht, ihn mit der flachen Hand ins Gesicht zu schlagen. Er habe dem Schlag jedoch ausweichen können. Als er die Angehörigen des Geschädigten hierüber informiert habe, hätten diese zwar angekündigt zu kommen, dies jedoch letztlich nicht getan.
514
(c) Zum objektiven Tatgeschehen habe der Angeklagte angegeben, dass er dem Geschädigten noch am selben Abend - mithin am ersten Abend seines Aufenthalts im Haushalt W 1 - zwischen 20:00 Uhr und 21:00 Uhr drei- bis viermal je 40 „mg“ Insulin „vermutlich ebenfalls in den Arm“ injiziert habe. Zu diesem Zeitpunkt sei er mit dem Geschädigten allein in dessen Wohnung gewesen.
515
(d) Der Angeklagte habe ferner eingeräumt, vor seiner Abreise das Haus nach Wertgegenständen durchsucht zu haben. Ob er etwas gefunden und mitgenommen habe, habe der Angeklagte seinen Angaben zufolge nicht mehr genau gewusst. Er habe hinzugefügt, er glaube aber, dass er einige Weinflaschen aus dem Keller sowie Nahrungsmittel aus dem Kühlschrank als Reiseproviant mitgenommen habe.
516
(e) Zu seinem Tatmotiv habe der Angeklagte laut KHK P angegeben, dass der Grund für die Verabreichung des Insulins „unter anderem“ das aggressive Verhalten des Geschädigten ihm gegenüber gewesen sei sowie dessen Versuch, ihn einmal ins Gesicht zu schlagen.
517
(f) Im Hinblick auf die subjektive Tatseite im Übrigen habe der Angeklagte jegliche Tötungsabsicht bestritten. Vielmehr habe er gewollt, dass W 1für einige Stunden schlafe, da dieser „ein Tag-Nachtaktiver Patient“ gewesen sei und nachts nicht geschlafen habe.
518
(g) Zum Nachtatgeschehen habe sich der Angeklagte dahingehend eingelassen, dass er etwa ein bis zwei Stunden nach Verabreichung des Insulins nach dem Geschädigten gesehen und bei diesem ein Zittern festgestellt habe. Daraufhin habe er telefonisch den Rettungsdienst und die Angehörigen des Geschädigten verständigt, welche allesamt gegen 22:00 Uhr eingetroffen seien. Der Rettungsdienst habe den Geschädigten ins Krankenhaus transportiert. Der Angeklagte habe ferner erklärt, nicht mehr zu wissen, was im weiteren Verlauf mit dem Geschädigten passiert sei.
519
Nach der Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus hätten dessen Angehörige die Vermittlungsagentur hierüber informiert. Daraufhin sei ihm, dem Angeklagten, seitens der Vermittlungsagentur telefonisch mitgeteilt worden, dass die Angehörigen des Geschädigten den Vertrag gekündigt und verlangt hätten, dass er am nächsten Tag abreise.
520
(4) Betreffend den Fall B habe der Angeklagte laut KHK P eingeräumt, dem Geschädigten Insulin verabreicht sowie 100 Euro Bargeld aus einem Geldbeutel und „so etwas wie ein Verdienstkreuz, irgendein Kreuz“ entwendet zu haben. Zusammengefasst habe der Angeklagte zum Fall B laut KHK P folgende Angaben gemacht:
521
(a) Wie der Zeuge KHK P auch insoweit glaubhaft bekundete, habe er dem Angeklagten unter Vorlage von Lichtbildern, welche den Geschädigten und dessen Wohnanwesen gezeigt hätten, zunächst vorgehalten, dass sich der Angeklagte nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis vom 30.05. bis 02.06.2017 bei dem Geschädigten B in … aufgehalten habe.
522
(b) Daraufhin habe der Angeklagte erklärt, dass er am Tag seiner Ankunft seinen Vorgänger im Haushalt des Geschädigten angetroffen habe, welcher dort seit einigen Jahren fest beschäftigt gewesen sei, weshalb B sehr an ihn gewöhnt gewesen sei. Als sein Vorgänger in seiner Gegenwart dem Geschädigten mitgeteilt habe, dass er leider abreisen müsse, sei B „plötzlich ausgeflippt“, habe angefangen, „mit den Händen zu fuchteln“, und habe seinen Vorgänger mit den Worten „Entweder du bleibst hier oder du brauchst nie wieder zu kommen!“ am Hemd gepackt.
523
In dieser Situation seien er, der Angeklagte, und sein Vorgänger von der Tochter des Geschädigten weggeschickt worden. In einem anschließenden Vier-AugenGespräch habe er, der Angeklagte, von seinem Vorgänger erfahren, dass dieser vom Geschädigten „genug [habe]“, da B angefangen habe, „ihn anzufallen“. Weiter habe ihm sein Vorgänger berichtet, dass die Situation mit dem Geschädigten in den ersten zwei Jahren in Ordnung gewesen sei, sich im dritten Jahr jedoch immer mehr verschlechtert habe. Der Patient habe einfach nicht mehr so „funktioniert“, wie sich sein Vorgänger dies gewünscht habe. Dieser habe ihm, dem Angeklagten, im Vertrauen mitgeteilt, dass er in den Haushalt B nicht mehr zurückkehren werde.
524
Als er, der Angeklagte, mit seinem Vorgänger, dem Geschädigten und dessen Tochter gemeinsam am Tisch gesessen sei, sei B „sehr aufgebracht und etwas aggressiv gegenüber der Tochter“ gewesen. Wie der Angeklagte seinen Angaben zufolge aufgrund der entsprechenden Übersetzung durch seinen Vorgänger erfahren habe, habe B gegenüber seiner Tochter geäußert, dass er für die Pflegetätigkeit bezahle, weshalb er sich seine Betreuungskraft selbst aussuchen wolle. Der Geschädigte habe ferner hinzugefügt, dass er eine weibliche Betreuungskraft wolle und nicht wieder eine männliche.
525
(c) Sein Verhältnis zum Geschädigten habe der Angeklagte dahingehend beschrieben, dass B bereits am ersten Tag ihm gegenüber aggressiv gewesen sei und sich in der Folge immer schlechter benommen habe. Am zweiten Tag habe der Geschädigte beim Mittagessen ein Besteckmesser, eine Gabel sowie einen Löffel nach ihm geworfen und habe ihn „natürlich“ beschimpft.
526
Er, der Angeklagte, habe die Tochter des Geschädigten angerufen, „um ihr zu sagen, was los“ sei. Diese habe jedoch entgegnet, dass sie keine Zeit habe und erst zwischen 18:00 Uhr und 19:00 Uhr nach Hause komme.
527
(d) Zum objektiven Tatgeschehen habe der Angeklagte laut KHK P angegeben, dass er dem Geschädigten „schon nach zwei Tagen am Abend“ zwei- bis dreimal Insulin in den Arm injiziert habe. Zu diesem Zeitpunkt sei B wach im Bett gelegen.
528
(e) Zu seinem Tatmotiv habe der Angeklagte angeführt, dass er dem Geschädigten das Insulin injiziert habe, damit dieser sich beruhige.
529
(f) Zum Nachtatgeschehen habe der Angeklagte berichtet, dass B zwei oder drei Stunden nach der Verabreichung des Insulins gezittert habe. Dann sei die Tochter des Geschädigten eingetroffen, habe die Situation erkannt und den Rettungsdienst verständigt. Dieser sei gekommen und habe den Geschädigten ins Krankenhaus gebracht.
530
Wie der Angeklagte ferner eingeräumt habe, habe er die Zeugin Be in einem späteren Gespräch im Hinblick auf die Notwendigkeit seiner sofortigen Heimreise angelogen, indem er behauptet habe, dass sein Vater verstorben sei und er kein Geld habe, um die Fahrt zu bezahlen. Auf seine entsprechende Bitte hin habe ihm die Zeugin Be 100 Euro Bargeld für die Fahrt geliehen. Am nächsten Tag sei er abgereist.
531
(g) Den auch insoweit glaubhaften Angaben des Zeugen KHK P zufolge habe er den Angeklagten gefragt, ob dieser auch im Haushalt des Geschädigten B die Wohnung durchsucht und etwas gestohlen habe. Hierauf habe der Angeklagte erklärt, dass er sich nicht genau erinnere, aber „sicher die Wohnung durchsucht“ und „so etwas wie ein Verdienstkreuz, irgendein Kreuz, gestohlen“ habe. Außerdem habe er 100 Euro Bargeld aus dem Geldbeutel des Geschädigten entwendet.
532
(5) Wie der Zeuge KHK P weiter glaubhaft berichtete, habe er auch fallübergreifende Themen zum Gegenstand der Beschuldigtenvernehmung vom 30.10.2018 gemacht:
533
(a) Demnach habe der Kriminalbeamte vom Angeklagten das eigentliche Ziel seiner Tätigkeit als 24-Stunden-Betreuungskraft in Privathaushalten in Erfahrung bringen wollen. Zu diesem Zweck habe KHK P dem Angeklagten zunächst vorgeworfen, dass sich dieser seiner Meinung nach durch die Verabreichung von Insulin lediglich wieder schnell aus seinem jeweiligen Arbeitsverhältnis habe lösen wollen, ohne zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet zu sein.
534
Ferner habe er, KHK P, dem Angeklagten vorgeworfen, dass dieser seiner Meinung nach tatsächlich nie als Pfleger habe arbeiten wollen, sondern diese Tätigkeit lediglich als „Türöffner für deutsche Haushalte“ benutzt habe, „um dort schnell und einfach und bequem an Geld zu kommen“. Schließlich habe er dem Angeklagten vorgehalten, dass dieser in der Beschuldigtenvernehmung vom 29.06.2018 auf einen ähnlichen Vorhalt eingeräumt habe, dass alles, was der Vernehmungsbeamte sage, stimme (vgl. oben c(3)(h), S. 78).
535
Auf die hieran anknüpfende Frage des Vernehmungsbeamten, was der Angeklagte diesmal zu den Vorwürfen sage, habe dieser laut KHK P wiederum erklärt, dass alles stimme, was der Kriminalbeamte gesagt habe.
536
Seinen weitere glaubhaften Angaben zufolge habe KHK P den Angeklagten daraufhin aufgefordert, mit eigenen Worten zu formulieren, was dieser in den deutschen Haushalten gewollt habe. Hierauf habe der Angeklagte geantwortet, dass es ihm darum gegangen sei, Besitz zu erlangen und sich zu bereichern. Er habe nur kurze Zeit arbeiten und viel Geld verdienen wollen. Deshalb habe er getan, was er getan habe.
537
An einer späteren Stelle der Vernehmung habe der Angeklagte laut KHK P die Frage, ob er irgendwann einmal tatsächlich alte Menschen habe pflegen wollen, bejaht und hinzugefügt, dass „Probleme, die mit Aggressivität der deutschen Patienten zusammenhängen“, ihn „ganz einfach zum Wahnsinn“ gebracht hätten. Wenn ein Patient während des Aufenthalts des Angeklagten aggressiv gewesen sei, habe er diesem „anschließend Insulin verabreicht“. „Später“ habe er „die Häuser ausgeraubt“ und sei nach Hause abgereist.
538
(b) Wie der Zeuge KHK P ferner glaubhaft schilderte, habe er in diesem Zusammenhang auch das generelle Motiv des Angeklagten für die Verabreichung von Insulin erfragen wollen und deshalb im Anschluss an die obige Äußerung des Angeklagten nachgefragt, warum Diebstahl nicht ausreichend gewesen sei, sondern Personen deswegen hätten sterben müssen. Hierauf habe der Angeklagte geantwortet, dass dies „unter anderem“ deshalb gewesen sei, weil die Patienten ihm gegenüber aggressiv gewesen seien. Er habe jedoch nicht gewollt, dass jemand sterbe.
539
Die Nachfrage, was er mit seiner Formulierung „unter anderem“ meine, habe der Angeklagte laut KHK P inhaltlich nicht beantwortet. Der Angeklagte habe lediglich erklärt, er habe in den acht Jahren seiner Tätigkeit in deutschen Haushalten lediglich „normal funktionieren“ und mit den Patienten „normal“ arbeiten wollen. „Aber fast jedes Mal“ hätten sich die Patienten von Anfang an ihm gegenüber aggressiv verhalten.
540
Auch an einer anderen Stelle der Vernehmung habe der Angeklagte auf eine entsprechende Frage nach dem Grund für die Insulin-Injektionen angeführt, dass die Patienten ihm gegenüber aggressiv gewesen seien, und dies mit Beispielen veranschaulicht: Manche Patienten hätten Messer und Teller, ein Patient einen Rollator nach ihm geworfen. Andere Patienten hätten im Bett liegend versucht, ihn zu verletzen, ihn beleidigt und mit den Händen weggeschubst.
541
Zu einem anderen Zeitpunkt der Vernehmung habe der Angeklagte insoweit angegeben, dass es „an allen Stellen“, an denen er eingesetzt gewesen sei, Probleme mit den Patienten gegeben habe. Die Patienten seien „allesamt entweder demenzaggressiv oder aggressiv gegenüber anderen Familienmitgliedern“ gewesen.
542
Auch in diesem Zusammenhang habe der Angeklagte beteuert, dass er die Patienten mit dem Insulin nicht habe umbringen wollen. Er habe demnach nur dafür sorgen wollen, dass die Patienten „eine Zeit lang schlafen“, damit sie ihm gegenüber nicht aggressiv seien. Letzteres habe der Angeklagte laut KHK P auch am Ende der Vernehmung noch einmal wiederholt und hinzugefügt, es sei ihm dabei auch darum gegangen, dass er seine Ruhe habe.
543
Wie der Zeuge KHK P schilderte, habe er den Angeklagten überdies gefragt, warum dieser in sehr vielen Fällen mit einer Lüge - wie etwa dem angeblichen Tod seiner Mutter oder dem Krankenhausaufenthalt eines angeblichen Kindes - einen Grund für seine sofortige Abreise vorgeschoben habe, während er in manchen Fällen Insulin injiziert habe. Diese Frage habe der Angeklagte laut KHK P inhaltlich nicht beantwortet, sondern lediglich angegeben, er habe sich in den Fällen, in denen er gelogen habe, einen entsprechenden Grund für seine plötzliche Abreise ausgedacht, weil er bei den Angehörigen der Patienten nicht den Eindruck habe erwecken wollen, dass er aus eigenem Antrieb plötzlich die Betreuungsstelle habe verlassen wollen.
544
(c) Auf die weitere Frage des Vernehmungsbeamten nach der Anzahl der Patienten, denen der Angeklagte Insulin gespritzt habe, habe dieser laut KHK P angegeben, sich daran „nicht so genau erinnern“ zu können, aber wie der Vernehmungsbeamte schon wisse und es in den Akten stehe, seien es „an die 15 bis 20 Patienten“ gewesen. Der Angeklagte habe hinzugefügt, dass er allerdings nicht wisse, ob diese Patienten verstorben seien. Die einen Patienten seien ins Krankenhaus gebracht worden und die anderen zu Hause gestorben. Seinen Angaben zufolge habe sich der Angeklagte nicht mehr daran erinnert, welcher Patient der erste gewesen sei, dem er Insulin verabreicht habe.
545
(d) Im Hinblick auf sein Tatmittel habe der Angeklagte angegeben, dass er nur über seinen eigenen Insulin-Pen verfügt habe, welchen er zwei oder drei Jahre zuvor in einer Apotheke in … erhalten habe. Wie KHK P auch insoweit glaubhaft bekundete, habe er den Angeklagten ferner gefragt, ob dieser auch schon einmal andere Medikamente als Insulin an Patienten verabreicht und beispielsweise Tabletten in ein Getränk gemischt habe. Dies habe der Angeklagte mit den Worten „Tabletten hundertprozentig nicht“ vehement bestritten. Der Angeklagte habe hinzugefügt, dass die Verabreichung von Tabletten immer entweder durch die Angehörigen des Patienten oder durch einen Pflegedienst erfolgt sei.
546
(e) Die Idee zur Verabreichung von Insulin an Patienten sei dem Angeklagten seinen Angaben zufolge selbst gekommen, als er im Besitz eines Insulin-Pens gewesen sei.
547
(f) Hinsichtlich seiner Einstellung zu den von ihm begangenen Taten habe der Angeklagte laut KHK P erklärt, dass er „jetzt nach den vielen Monaten im deutschen Gefängnis“ alles wirklich sehr bereue und „größte Gewissensbisse“ habe. Wenn er an der Stelle eines Richters wäre und „ein Urteil über eine Person sprechen müsste, die so viele Menschen umgebracht“ habe, dann würde er „das Urteil lebenslänglich aussprechen“, denn das, was er getan habe, sei „schlichtweg unentschuldbar und tragisch in der Konsequenz“.
548
Die anschließende Frage des Vernehmungsbeamten, ob der Angeklagte froh sei, dass er von der Polizei im Februar 2018 festgenommen und inhaftiert worden sei, habe dieser bejaht und hinzugefügt, er bereue wirklich sehr, dass er „all das getan“ habe. Er bete jeden Tag zu Gott und bitte darum, dass das Gericht ihn „nicht in Sicherungsverwahrung steck[e].“
549
An einer späteren Stelle der Vernehmung habe der Angeklagte erneut bekundet, dass er „heute und jetzt wirklich sehr bedaure“, den Patienten Insulin verabreicht zu haben.
550
Zum Abschluss der Vernehmung habe der Angeklagte schließlich laut KHK P noch einmal erklärt, dass er das, was er getan habe, „sehr bereue und riesige Gewissensbisse“ habe. Allerdings habe der Angeklagte einschränkend den Zusatz „was die Vorfälle der Insulingabe an die Patienten betrifft“ hinzugefügt. Weiter habe der geäußert, er wisse, dass er „dieses Kreuz bis zum Ende [s]eines Lebens tragen werde“.
551
3. Zur Sache äußerte sich der Angeklagte darüber hinaus in mehreren, in … Sprache verfassten Briefen. Diese Briefe kamen jeweils in deutscher Übersetzung zur Verlesung:
552
a. In einem Brief an P vom 29.08.2018 schrieb der Angeklagte, er wisse, dass er „einen sehr großen Fehler begangen“ habe, und bereue dies jetzt „sehr schwer“. Er habe Schuldgefühle, die ihn „richtig krank“ machten. Er wolle sich bei den Familien dieser Menschen entschuldigen. Er „hätte im Leben nicht gedacht, dass [ihm] das passieren“ werde. Aber in seiner Familie habe es „auch solche wie [ihn]“ gegeben. Ihn habe es „am schlimmsten erwischt“. Er habe das nicht gewollt, „aber die Gier nach Geld in Euro [habe] gesiegt“. Das sei sein Untergang gewesen.
553
b. In einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft München I vom 20.09.2018 erklärte der Angeklagte, dass er dem Haftbefehl vom 13.08.2018, Aktenzeichen ER VI Gs 2369/18, „zu 100 Prozent“ zustimme und die ihm zur Last gelegten Taten „im Ganzen“ gestehe.
554
c. In einem Brief an seine Verwandten M W vom 06.10.2018 schrieb der Angeklagte, dass er das, was er getan habe, „wirklich sehr“ bedaure. Er habe „schreckliche Gewissensbisse“, weil das, was er getan habe, bis ans Lebensende nicht zu entschuldigen sei. Er bereue es „von ganzem Herzen“ und bedaure es sehr, dass er nicht auf seine Mutter gehört habe im Hinblick darauf, dass er nicht wieder „zu ihnen fahren“, sondern zu Hause bleiben solle. Aber er sei „gierig und auf das Geld fixiert“ gewesen. Nun bereue er es.
555
d. Mit Schreiben an die Staatsanwaltschaft München I vom 31.12.2018 beantragte der Angeklagte „die Erhebung der öffentlichen Klage nach Durchführung aller prozessualen Tätigkeiten“ und verwies darauf, dass er die ihm vorgeworfenen Taten - „bestialische Morde älterer, wehrloser Menschen in ihren privaten Häusern und deren Bestehlen“ - gestanden habe. Dem Angeklagten zufolge gebe es „keine Milderungsgesichtspunkte“. „Als Mordverdächtiger“ verdiene er „keinerlei mildernde Umstände“.
556
(1) Wie der Angeklagte in dem Schreiben vom 31.12.2018 weiter ausführte, sei in den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und durch seine Vernehmungen festgestellt worden, dass er „diese Morde ohne Skrupel begangen“ habe. Er bereue das, was er getan habe, sehr und habe „schreckliche Gewissensbisse“. Er habe sich damit abgefunden, dass er „die Freiheit in seinem Leben nicht mehr sehen“ werde, da er eine lebenslange Strafe verdient habe. Er sei nicht psychisch krank und dies auch nie gewesen. Sein Vater hingegen sei depressiv.
557
(2) Der Angeklagte äußerte sich in dem Schreiben vom 31.12.2018 darüber hinaus zu seinem Tatmotiv. Demnach habe er die ihm zur Last gelegten Taten begangen, weil die Patienten ihm gegenüber aggressiv gewesen seien. Dies habe er nicht hingenommen, da er „normal und in Ruhe“ habe arbeiten wollen.
558
Die Behauptung der Staatsanwaltschaft, dass der Angeklagte „angeblich Angst vor einer Vertragsstrafe“ gehabt habe, wenn er den Arbeitsort „ohne triftigen Grund“ verlasse, sei falsch, da diese Vertragsstrafen, wie alle Absprachen, „in Wirklichkeit nicht sanktioniert“ würden. Er habe deshalb keine Angst davor gehabt, etwas zahlen zu müssen, wenn er ohne Grund nach … zurückkehre. In … werde der Anspruch auf Vertragsstrafe von keiner Vermittlungsagentur gerichtlich verfolgt, da dies mit hohen Kosten verbunden sei und die Agenturen fürchten müssten, dass die Betreuungskraft im Gegenzug Ansprüche wegen fehlerhafter Informationen über die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse geltend mache.
559
(3) In dem Schreiben vom 31.12.2018 ließ sich der Angeklagte darüber hinaus zum Fall W 2 ein und machte dazu im Wesentlichen folgende Angaben:
560
Er sei um 18:35 Uhr am Haus des Geschädigten W 2 angekommen und von seinem Vorgänger, dem „Pfleger V“, eingelassen worden. Dieser habe ihm erzählt, dass er seit acht Tagen vor Ort sei. In diesem Zeitraum habe Franz W 2 sieben Mal die Polizei alarmiert, weil sein Vorgänger angeblich fremde Leute in das Haus gebracht und den Geschädigten bestohlen habe. Ferner habe ihm sein Vorgänger erzählt, dass er vom Geschädigten nicht akzeptiert und beleidigt worden sei.
561
Als er, der Angeklagte, sich beim Geschädigten vorgestellt und diesem zur Begrüßung die Hand gereicht habe, habe Franz W 2 den Begrüßungshandschlag verweigert, sehr laut um Hilfe geschrien und telefonisch die Polizei verständigt. Sieben Polizeibeamte seien gegen 19:30 Uhr eingetroffen, hätten die Personalien des Angeklagten aufgenommen, mit dem Geschädigten gesprochen und seien schließlich wieder gefahren. Es sei das erste Mal gewesen, dass ihm so etwas passiert sei. Sein Vorgänger sei „psychisch völlig am Ende“ gewesen.
562
Er, der Angeklagte, habe sich nach Absprache mit seinem Vorgänger zunächst schlafen gelegt, während dieser beim Geschädigten geblieben sei. 24 Stunden am Tag habe jemand neben dem Geschädigten sitzen müssen, da dieser psychisch krank gewesen sei. Gegen 00:00 Uhr sei er wieder aufgewacht und habe seinen Vorgänger abgelöst. Als er den Geschädigten begrüßt habe, habe ihn dieser mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, was er ignoriert habe.
563
Anschließend habe Franz W 2 erneut die Polizei angerufen. Polizeibeamte seien mit drei Polizeiwagen gekommen, hätten das Haus überprüft, da Franz W 2 angeblich bestohlen worden sei, und seien schließlich wieder gefahren. Danach sei er, der Angeklagte, vom Geschädigten weggeschubst worden, bevor dieser dann geschlafen habe. Er sei unterdessen bis etwa 08:30 Uhr neben dem Geschädigten gesessen.
564
Am Samstag gegen 08:00 Uhr sei jemand vom Pflegedienst gekommen, habe den Geschädigten versorgt und ihm, dem Angeklagten, erzählt, dass bereits etwa fünf Betreuungskräfte bei Franz W 2 gearbeitet hätten, welche allesamt nach ein paar Tagen wieder abgereist seien, da dieser grundlos die Polizei alarmiert habe und aggressiv gewesen sei.
565
Gegen 09:10 Uhr sei die festangestellte Pflegerin des Geschädigten eingetroffen, welche ihm, dem Angeklagten, gegenüber geäußert habe, dass Franz W 2 aggressiv sei und man auf ihn aufpassen müsse. Die Pflegerin habe ihn in seine Aufgaben eingewiesen und ihm alles gezeigt. Als er die Pflegerin dabei unterstützt habe, dem Geschädigten beim Toilettengang behilflich zu sein, habe Franz W 2 ihn angeschrien, weggeschubst und ihm vor den Augen der Pflegerin einen Faustschlag auf die Brust versetzt. Gegen 16:30 Uhr sei die Pflegerin nach Hause gefahren. Gegen 19:30 Uhr sei erneut jemand vom Pflegedienst gekommen und habe den Geschädigten versorgt.
566
Franz W 2 habe verlangt, dass 24 Stunden am Tag das Licht bei ihm im Zimmer gebrannt habe. Er, der Angeklagte, habe nachts wieder Wache am Bett des Geschädigten gehalten. Gegen 22:30 Uhr habe Franz W 2 plötzlich um Hilfe geschrien, ihn beschimpft und weggeschubst, als er an das Bett des Geschädigten herangetreten sei. Dies habe sich drei- bis viermal wiederholt, was „psychisch und nervlich“ nicht zu ertragen gewesen sei.
567
Um 00:30 Uhr habe er, der Angeklagte, dem Geschädigten Insulin verabreicht, damit dieser einschlafe. Er habe den vom Geschädigten um den Hals getragenen Schlüssel sowie die Geldkassette an sich genommen, sich Zutritt zum Büro im ersten Obergeschoss verschafft, den dortigen Tresor „ohne irgendeinen besonderen Code“ geöffnet und daraus 1.230 Euro Bargeld, zwei Ringe und eine Goldkette entnommen. Anschließend habe er wieder alles verschlossen.
568
Als er gegen 01:30 Uhr nach dem Geschädigten gesehen habe, habe dieser ihn angeblickt. Er habe dessen Zimmer wieder verlassen und sich hingelegt. Gegen 03:50 Uhr sei er wieder aufgewacht und habe erneut nach Franz W 2 gesehen. Als dieser sich nun nicht mehr bewegt und keine Reaktion gezeigt habe, habe er gegen 04:00 Uhr einen Notruf abgesetzt. Etwa zehn Minuten später seien Rettungskräfte und ein Arzt eingetroffen.
569
e. Mit Schreiben vom 01.03.2019 wandte sich der Angeklagte erneut an die Staatsanwaltschaft München I.
570
(1) In diesem Schreiben äußerte sich der Angeklagte erneut zu seinem Tatmotiv. Demnach sei der Grund für das Verabreichen von Insulin an die Patienten gewesen, dass diese sehr aggressiv ihm gegenüber gewesen seien. Sie hätten ihn mit Tellern, Messern, Schuhen und TV-Fernbedienungen beworfen. Ein Patient habe einen Rollator nach ihm geworfen. Ferner hätten die Patienten ihn ins Gesicht und mit Fäusten am ganzen Körper geschlagen. Überdies hätten die Patienten Tag und Nacht geschrien und ihn beschimpft.
571
Nur zwölf der 68 Patienten, bei denen er beschäftigt gewesen sei, seien ihm gegenüber aggressiv gewesen. „Der Stress, die Nerven und die Aggressivität der Patienten“ hätten ihn dazu gebracht, den Patienten Insulin zu verabreichen. Er habe die Patienten nicht umbringen, sondern lediglich „zum Schlafen, zum Schweigen“ bringen wollen. Er habe nicht gewusst und wisse nicht, welche Nebenwirkungen Insulin habe. Hierüber habe ihn niemand aufgeklärt. Bei seiner Anreise in die deutschen Haushalte habe er die „reine und zuverlässige Absicht“ gehabt, den Patienten zu helfen.
572
(2) In dem Schreiben vom 01.03.2019 äußerte sich der Angeklagte darüber hinaus zum Fall W 2. Nach seiner Ankunft habe der Geschädigte um 19:00 Uhr die Polizei gerufen. Kurz darauf hätten sieben Polizeibeamte die Situation vor Ort überprüft. Sein Vorgänger sei seit acht Tagen im Haushalt des Geschädigten gewesen und habe erzählt, dass er wieder abreise, weil während seiner Anwesenheit sieben Mal das Haus von Polizeikräften kontrolliert worden sei und der Geschädigte ihn beschimpft, beleidigt und weggeschubst habe.
573
(3) Überdies erklärte der Angeklagte in dem Schreiben vom 01.03.2019 erneut, dass er nicht psychisch krank sei. Er sei niemals in einem psychiatrischen Krankenhaus gewesen. Er sei sich „der begangenen Tat völlig bewusst“ und bitte das Gericht, sein weiteres Leben „nicht noch mehr im Gefängnis zu verschwenden“. Er wolle sich „gerne offiziell und freiwillig der Freiheitsstrafe und der psychiatrischen Beobachtung unterwerfen“.
574
f. In einem Schreiben an das Landgericht München I vom 01.07.2019 erklärte der Angeklagte, dass „die von der Staatsanwaltschaft in München gefertigte Anklageschrift vom 23.02.2019 zu 100 Prozent mit dem tatsächlichen Sachverhalt übereinstimm[e]“ und es „keinerlei Unwahrheiten in dieser“ gebe. Die Anklageschrift sei „richtig und ehrlich“ erstellt worden. Er gebe alle ihm vorgeworfenen Straftaten zu und bereue das, was er getan habe, ehrlich.
575
Der Angeklagte beantragte in diesem Schreiben die Ausstellung eines neuen Haftbefehls in dieser Sache, den Erlass eines Urteils ohne Durchführung einer Hauptverhandlung, die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe und eines lebenslangen Berufsverbots für die Pflege älterer Menschen sowie die Bewilligung des freiwilligen Strafantritts und ein lebenslanges Einreiseverbot für die Bundesrepublik Deutschland. Außerdem stellte der Angeklagte den Antrag, ihn von der Pflicht zur Zahlung der Gerichtskosten zu befreien.
576
Der Angeklagte führte aus, dass er bereits im Ermittlungsverfahren alle ihm vorgeworfenen Taten zugegeben habe. Seine Schuld werde durch die vorhandenen Beweismittel „zu 100 Prozent“ bewiesen. Es gebe „keinerlei Zweifel in diesem Fall“. Er bezeichnete sich selbst in diesem Schreiben als „perfide[n] Mörder“ und „entartete Person“. Im Widerspruch zu seinem obigen Antrag auf Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe beantragte er an einer anderen Stelle ein „Strafmaß von 30 Jahren nach der Rechtskraft des Urteils“.
577
Der Angeklagte erklärte in dem Schreiben ferner, dass es ihm mit dem, was er getan habe, sehr schlecht gehe und er es sehr bereue. Er bete jeden Tag für die Seelen der Verstorbenen, weil er „immer noch Gewissensbisse“ habe. Er wolle sich auch bei den Familien der verstorbenen Personen entschuldigen. Eine lebenslange Strafe sei nicht zu hoch, weil man „für so etwas (…) die Strafe ‚Tod für Tod‘ verhängen“ solle.
578
Der Angeklagte begründete seinen Antrag auf Befreiung von der Pflicht zur Zahlung der Gerichtskosten damit, dass er über keinerlei finanzielle Mittel verfüge.
579
g. Mit Schreiben an das Landgericht München I vom 03.12.2019 beantragte der Angeklagte erneut „den freiwilligen Antritt der Strafe ohne Berufung“ sowie ohne weitere Beweisaufnahme. Ferner beantragte er erneut die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe sowie ferner die „Sicherungsverwahrung nach Strafverbüßung“ und erklärte, dass er diese Strafe annehme. Er erklärte erneut, dass er sehr bereue, was er getan habe.
580
Er führte weiter aus, dass er sechs ältere Menschen getötet habe und versucht habe, sechs weitere Menschen zu töten. Das sei „bis zum Lebensende unverzeihlich“. Der Angeklagte habe „ernsthafte Gewissensbisse“. Er beantrage die Verhängung eines Urteils und nehme dieses „ohne weitere Berufung bei einem Gericht höherer Instanz“ an.
581
h. In einem offenen Brief an die durch den Angeklagten geschädigten Familien vom 01.09.2020 erklärte der Angeklagte, dass er schuld und sich dessen bewusst sei, was er getan habe. „Dieses Kreuz werde [er] bis zum Ende [s]eines Lebens mit [sich] tragen“.
582
Er sei nicht unter dem Einfluss von Alkohol, Drogen oder Medikamenten gestanden. Er habe das, was er jetzt habe, verdient. Im Gefängnis bete er „für die Menschen“. Er „bereue es wirklich sehr“ und habe „schreckliche Gewissensbisse“ wegen seiner Taten.
583
Er werde sich das niemals verzeihen. Das habe für ihn „tragische Folgen“. Die Folgen seines Handelns hätten ihn „definitiv überwältigt“. Er gebe niemandem die Schuld, weil er selbst „der degenerierte Mörder“ sei. Er bete täglich für die Väter bzw. Großväter der Familienangehörigen. Er wolle sich „wirklich für das, was passiert [sei], entschuldigen“. „So einer“ wie er verdiene nichts. Es solle die höchste Strafe sein.
584
Der Angeklagte führte in dem offenen Brief weiter aus, dass er 39 Jahre alt sei und schon sein Leben zerstört und dieses verschwendet habe. Er „hätte nicht im Traum gedacht, dass [ihm] sowas [widerfahre], aber die Pläne Gottes [seien] unerforscht“.
585
Er habe das, was er in … gehabt habe, nicht schätzen können. Am schlimmsten sei, dass er nicht auf seine Mutter gehört habe, die er im Alter allein gelassen habe. Das werde er sich auch nicht verzeihen. Er bete jeden Tag zu Gott und bitte um Vergebung. Aber das, was er getan habe, sei unverzeihlich.
586
Ferner erklärte der Angeklagte, dass er „zuverlässig und ehrlich“ habe arbeiten wollen, als er „zur Arbeit gekommen“ sei. „Das“ sei „nicht von Anfang an so gemacht“ worden, „sondern es [habe] in einem bestimmten Moment angefangen“. Er habe „nichts Böses“ gewollt, aber es sei „das passiert, was passiert“ sei. Nun würden ihm „Gott und das deutsche Gericht das heimzahlen, was [er] angerichtet habe, weil es (…) wirklich etwas Abnormales, Unverzeihliches und für [ihn] Tragisches“ gewesen sei.
587
Der Angeklagte schrieb in dem offenen Brief weiter, dass er bei Begehung der Taten „zu 100 Prozent zurechnungsfähig“ gewesen sei und gewusst habe, was er tue. „Aber niemals im Leben [werde] jemals jemand erfahren, wie es wirklich“ gewesen sei.
588
III. Der Angeklagte bitte die Familien der durch ihn geschädigten Personen „nur um Verzeihung und sage ganz offen Entschuldigung“. Er werde „niemals mehr Tageslicht und Alltagslicht sehen“. Sachverhalt Der oben unter B. (S. 14 ff.) festgestellte Sachverhalt beruht auf den Einlassungen des Angeklagten in seinen Vernehmungen im Ermittlungsverfahren (vgl. oben II.2., S. 63 ff.) und Briefen (vgl. oben II.3., S. 90 ff.), soweit ihnen gefolgt werden konnte. Im Übrigen stützen sich die Feststellungen auf die nachfolgend dargelegten Beweismittel und Erwägungen.
589
1. Auf die Einlassungen des Angeklagten hat das Schwurgericht seine Feststellungen nur insoweit gestützt, als diese eine Bestätigung in anderen Beweismitteln finden und mit den übrigen Beweisergebnissen im Einklang stehen. Dies hat folgende Gründe:
590
Teilweise ließen sich die Angaben des Angeklagten zur Tatzeit und zu den Tatumständen nicht auch nur annähernd mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen (vgl. unten b., S. 98). Die Gründe für die zum Teil in krassem Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen stehenden Angaben des Angeklagten konnten in der Hauptverhandlung nicht aufgeklärt werden, da der Angeklagte hier von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte.
591
Einerseits war der Angeklagte in einigen Punkten erkennbar darum bemüht, sich durch Schutzbehauptungen (vgl. unten c., S. 98) und eine Beschönigungstendenz (vgl. unten d., S. 98) zu entlasten.
592
Andererseits belastete sich der Angeklagte in zwei Punkten zu Unrecht selbst (vgl. unten e., S. 98 ff.) und bestätigte - allerdings ohne selbst eigene Angaben hierzu zu machen, welche als tragfähige geständige Einlassung gewertet werden könnten - in zwei Punkten Vorhalte und Vorwürfe des Vernehmungsbeamten, obwohl diese nicht den Tatsachen entsprachen (vgl. unten f., S. 102 ff.). Nach der Überzeugung der Strafkammer kommt in beiden Aspekten zum einen das Bemühen des Angeklagten, den Vernehmungsbeamten als Repräsentanten der Ermittlungsbehörden für sich einzunehmen, und zum anderen eine gewisse Bequemlichkeit des Angeklagten zum Ausdruck (vgl. hierzu näher unten e(3), S. 102).
593
Darüber hinaus wird an einer Stelle deutlich, dass der Angeklagte seine geständige Einlassung hinsichtlich der Verabreichung von Insulin an die - tatsächlichen oder vermeintlichen - Tatvorwürfe der Ermittlungsbehörden anpasste. Er räumte pauschal eine größere Anzahl an Fällen ein, als nach den umfangreichen polizeilichen Ermittlungen Gegenstand eines hinreichenden Tatverdachts waren, und nahm dabei auf die - insoweit vermeintlichen - polizeilichen Erkenntnisse Bezug (vgl. unten g., S. 106).
594
Angesichts der genannten Umstände konnten die Feststellungen zum Vorliegen einer Straftat und zur Täterschaft des Angeklagten nicht allein auf dessen geständige Einlassung gestützt werden, was letztlich nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zum Freispruch des Angeklagten aus tatsächlichen Gründen in den vier weiteren verfahrensgegenständlichen Fällen führte (vgl. unten G., S. 237 ff., H., S. 259 ff., I., S. 273 ff. und J., S. 306 ff.).
595
a. Der Angeklagte räumte in seinen Vernehmungen im Ermittlungsverfahren sowie in mehreren Briefen die Tatvorwürfe in objektiver Hinsicht ein. In seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 30.10.2018 räumte der Angeklagte auch ein, dass ein Patient, dem man „eine solche Insulindosis“ verabreiche, sterben könne. Dies gelte unabhängig davon, ob der Patient zuckerkrank sei oder nicht (vgl. oben II.2.c(1)(f), S. 72).
596
b. Die Angaben des Angeklagten zur Tatzeit und zu den Tatumständen in den Fällen W 1 und M ließen sich nicht auch nur annähernd mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen (vgl. hierzu unten W 1: 3.b(1), S. 120, und M: 5.b(1), S. 134). Auch im Fall B stehen die Angaben des Angeklagten zur Tatzeit im Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen (vgl. hierzu unten 4.b(1), S. 124).
597
Die sich aus den Angaben des Angeklagten ergebenden Widersprüche zu den übrigen Beweisergebnissen konnten in der Hauptverhandlung nicht aufgeklärt werden, da der Angeklagte hier von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte.
598
c. Soweit der Angeklagte im Hinblick auf sein Tatmotiv ein aggressives Verhalten der Geschädigten behauptete, wertete das Schwurgericht diese Einlassungen als Schutzbehauptungen, mit denen der Angeklagte versuchte, seine Verärgerung über die Geschädigten gegenüber den Ermittlungsbehörden nachvollziehbar und verständlich erscheinen zu lassen. Die entsprechenden Einlassungen des Angeklagten zu den verschiedenen Fällen ähnelten einander zum Teil in auffälliger Weise und waren schon deshalb nicht plausibel. Zudem stehen diese Behauptungen des Angeklagten in krassem Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen oder sind hierdurch sogar unmittelbar widerlegt (vgl. hierzu unten 6.b., S. 137).
599
d. Die Angaben des Angeklagten zu den von ihm verabreichten Insulinmengen sind in den Fällen M und W 2 durch die Ausführungen der toxikologischen Sachverständigen Dr. R widerlegt (vgl. hierzu unten M: 5.a(17)(f), S. 133, und W 2: 10.q(7), S. 157). Insoweit wertete die Strafkammer die vom Angeklagten angegebenen, deutlich zu geringen Insulinmengen als Ausdruck einer Beschönigungstendenz in dem Bestreben des Angeklagten, sein Handeln in einem für ihn günstigeren Licht erscheinen zu lassen.
600
e. Während der Angeklagte einerseits teilweise erkennbar darum bemüht war, sich durch Schutzbehauptungen (vgl. oben c.) und eine Beschönigungstendenz (vgl. oben d.) zu entlasten, belastete er sich andererseits in zwei Punkten zu Unrecht selbst und legte insoweit ein überschießendes Geständnis ab.
601
(1) In der Beschuldigtenvernehmung am 29.06.2018 zum Fall H 2 bestätigte der Angeklagte mit den Worten „Ja, das, was Sie sagen, stimmt alles.“ einen längeren Vorhalt des Vernehmungsbeamten KHK P, in welchem dieser ihm unter anderem vorwarf, schon am 20.12.2017 - mithin am Tag vor der in der Nacht auf den 21.12.2017 auf den begangenen Tat - den Bus für seine Rückfahrt bestellt zu haben, da er bereits zu diesem Zeitpunkt gewusst habe, dass der Geschädigte am nächsten Morgen ins Krankenhaus eingeliefert oder womöglich gar nicht mehr leben werde (vgl. oben II.2.c(3)(h), S. 78).
602
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht jedoch fest, dass der Angeklagte den Bus für seine Rückfahrt erst am 21.12.2017 gegen 18:00 Uhr - mithin erst nach der in der Nacht auf den 21.12.2017 vor 03:00 Uhr begangenen Tat - bestellte, nachdem er am Nachmittag auf Aufforderung der Inhaberin der Vermittlungsagentur, C-Ai, die Zeugin C ins Krankenhaus begleitet hatte, um sich nach dem Zustand des Geschädigten und dem geplanten weiteren Verlauf zu erkundigen.
603
(a) Wie der Zeuge KHK P glaubhaft erläuterte, habe er zum Zeitpunkt der Beschuldigtenvernehmung am 29.06.2018 die Auswertungsergebnisse hinsichtlich der Telefonverbindungsdaten des Mobilfunkanschlusses des Angeklagten falsch in Erinnerung gehabt und sei deshalb irrtümlich davon ausgegangen, dass der Angeklagte bereits am späten Nachmittag des 20.12.2017 - mithin vor der in der Nacht auf den 21.12.2017 begangenen Tat - mehrfach telefonisch Kontakt zu verschiedenen Transportunternehmen aufgenommen habe. Deshalb habe er dem Angeklagten einen entsprechenden - objektiv falschen - Vorhalt gemacht.
604
Darüber hinaus habe sich KHK P seinen glaubhaften Angaben zufolge auch hinsichtlich der Daten der An- und Abreise des Angeklagten geirrt. Da er der Meinung gewesen sei, der Angeklagte sei erst am 20.12.2017 an- und noch im Laufe des 21.12.2017 wieder abgereist, seien die Angaben in dem von ihm gemachten Vorhalt auch insoweit objektiv falsch gewesen.
605
(b) Der Zeuge KHK P berichtete glaubhaft über die Auswertungsergebnisse hinsichtlich der Telefonverbindungsdaten des Mobilfunkanschlusses des Angeklagten und die hierbei gewonnenen Erkenntnisse im Hinblick auf telefonische Kontakte des Angeklagten zu Transportunternehmen im Zeitraum 20. bis 21.12.2017.
606
i. Am 20.12.2017 habe es demnach einen einzigen Telefonkontakt vom Mobilfunkanschluss des Angeklagten zum Anschluss eines Transportunternehmens gegeben. Dieser habe um 16:53 Uhr zum Anschluss des Unternehmens „MTrans“ stattgefunden, wobei aufgrund der Verbindungsdauer von lediglich 23 Sekunden davon auszugehen sei, dass es sich um einen bloßen Anrufversuch gehandelt habe.
607
Wie die polizeilichen Ermittlungen bei dem Transportunternehmen „M-Trans“ ergeben hätten, sei der Angeklagte mit diesem Unternehmen am 19.12.2017 von der Anschrift der von M betriebenen Jugendherberge …, zur Anschrift des Geschädigten H 2 in …, angereist.
608
Nach Auskunft des Unternehmens „M-Trans“ finde sich in deren Datenbestand darüber hinaus lediglich eine weitere gebuchte Fahrt des Angeklagten am 12.02.2018 von der Anschrift …, zur Anschrift der oben genannten Jugendherberge in …, welche der Angeklagte jedoch nicht angetreten habe.
609
Wie der Zeuge KHK P erläuterte, handle es sich bei der Abfahrtsadresse um die Anschrift des Geschädigten W 2. Diese Fahrt habe der Angeklagte nicht antreten können, da ihm der Fahrtantritt von den zunächst routinemäßig seitens der Rettungskräfte zum Todesfall W 2 hinzugezogenen Streifenbeamten polizeilich untersagt worden sei. Letzteres wurde von den entsprechenden Streifenbeamten, den Zeugen POM N und POM B glaubhaft bestätigt (vgl. unten 10.p., S. 156).
610
ii. Laut KHK P habe der nächste Telefonkontakt vom Mobilfunkanschluss des Angeklagten zum Anschluss eines Transportunternehmens am späten Nachmittag des 21.12.2017 stattgefunden. Nachdem um 17:05 Uhr ein erneuter Anrufversuch beim Transportunternehmen „M-Trans“ mit einer Verbindungsdauer von 0 Sekunden dokumentiert sei, habe eine Minute später, um 17:06 Uhr, ein einminütiges Telefonat mit diesem Unternehmen stattgefunden. Um 17: 08 Uhr und 17:09 Uhr seien zwei Anrufversuche des Angeklagten bei den Transportunternehmen „C“ und „P-Trans“ von 12 bzw. 23 Sekunden Dauer verzeichnet.
611
iii. KHK P zufolge seien im überprüften Zeitraum als nächste und zugleich letzte Kontakte zwischen dem Mobilfunkanschluss des Angeklagten und dem Anschluss eines Transportunternehmens am 21.12.2017 um 17:43 Uhr und 18: 10 Uhr zwei rund ein- bis eineinhalbminütige Telefonate zum Anschluss des Busunternehmens „I“ dokumentiert. Dementsprechend sei davon auszugehen, dass diese beiden Telefonate zur Fahrtbuchung bei dem Unternehmen „I“ geführt hätten, bei welchem der Angeklagte dem polizeilichen Ermittlungsergebnis zufolge auch als Kunde bekannt sei.
612
iv. Wie der Zeuge KHK P weiter glaubhaft berichtete, sei zum Zeitpunkt der Beschuldigtenvernehmung am 29.06.2018 aus den polizeilichen Vernehmungen der Zeuginnen C und P bekannt gewesen, dass der Angeklagte am 19.12.2017 an- und am Morgen des 22.12.2017 wieder abgereist sei.
613
(c) Die Feststellungen, dass der Angeklagte am Nachmittag des 19.12.2017 an- und am Morgen des 22.12.2017 abreiste, beruhen auf den folgenden Beweismitteln:
614
i. Ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen Protokolls ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung vom 08.06.2018 habe P angegeben, dass der Angeklagte am 19.12.2017 gegen 16:00 Uhr im Haushalt des Geschädigten H 2 eingetroffen sei. Wie der Zeuge KHK P glaubhaft angab, sei die Zeugin P am 19.09.2019 in … verstorben.
615
ii. Wie die Zeugin C glaubhaft berichtete, habe sie von ihrem Ansprechpartner bei der deutschen Vermittlungsagentur „H24“, D, erfahren, dass er am 22.12.2017 gegen 05:30 Uhr einen Anruf vom Angeklagten erhalten habe, worin dieser mitgeteilt habe, dass er nun nach Hause fahre. Als die Zeugin C am 22.12.2017 das Haus des Geschädigten aufgesucht habe, sei der Angeklagte nicht mehr vor Ort gewesen.
616
(2) In seiner Beschuldigtenvernehmung am 30.10.2018 zum Fall B erklärte der Angeklagte auf die Frage des Vernehmungsbeamten KHK P, ob er auch im Haushalt des Geschädigten B die Wohnung durchsucht und etwas gestohlen habe, unter anderem, dass er sich nicht genau erinnere, aber „sicher die Wohnung durchsucht“ und „so etwas wie ein Verdienstkreuz, irgendein Kreuz, gestohlen“ habe (vgl. oben II.2.d(4)(g), S. 87).
617
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht jedoch fest, dass der Angeklagte aus dem Haushalt des Geschädigten B weder das Bundesverdienstkreuz des Geschädigten noch einen sonstigen Wertgegenstand in Kreuzform gestohlen hat.
618
(a) Wie der Zeuge KHK P glaubhaft berichtete, sei den Ermittlungsbehörden durch die polizeiliche Vernehmung der Zeugin Be bekannt geworden, dass diese das Bundesverdienstkreuz des Geschädigten vermisst habe und davon ausgegangen sei, dass sich dieses nicht mehr in der Wohnung ihres Vaters befinde. Er, KHK P, habe deshalb zum Zeitpunkt der Beschuldigtenvernehmung am 29.06.2018 den Verdacht gehabt, dass der Angeklagte das Bundesverdienstkreuz des Geschädigten gestohlen habe. Dies habe er dem Angeklagten gegenüber auch zum Ausdruck gebracht.
619
(b) Die Zeugin Be, die Tochter des Geschädigten, bestätigte in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung, dass sie zum Zeitpunkt ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung das Bundesverdienstkreuz ihres Vaters vermisst habe und davon ausgegangen sei, dass sich dieses nicht mehr in dessen Wohnung befinde. Sie habe jedoch zu einem späteren Zeitpunkt das Bundesverdienstkreuz ihres Vaters auf einem Schrank unter einem Stapel von Unterlagen wieder aufgefunden.
620
Wie die Zeugin ferner erläuterte, sei sie aufgrund der spezifischen, für ein Versteck ihres Vaters typischen Auffindesitution davon überzeugt, dass B selbst das Bundesverdienstkreuz dort versteckt habe. Be bekundete ferner, dass es im Haushalt des Geschädigten B zu keinem Zeitpunkt ein weiteres Abzeichen in Kreuzform oder einen sonstigen Wertgegenstand in der Form eines Kreuzes gegeben habe.
621
Die Angaben der Zeugin Be waren glaubhaft. Es bestand kein Anlass, am Wahrheitsgehalt ihrer ruhig und sachlich gemachten Angaben zu zweifeln. Anzeichen für Be- oder Entlastungseifer waren nicht erkennbar.
622
(3) Indem sich der Angeklagte in diesen zwei Punkten zu Unrecht selbst belastete, passte er - wie auch durch die Bestätigung von nicht den Tatsachen entsprechenden Vorhalten und Vorwürfen des Vernehmungsbeamten (vgl. hierzu nachfolgend f.) - seine Einlassung an die vom Vernehmungsbeamten erhobenen Vorwürfe an, von deren Richtigkeit sich KHK P entweder ausdrücklich oder zumindest unterschwellig überzeugt zeigte.
623
Nach der Überzeugung des Schwurgerichts ist dies zum einen Ausdruck des Bemühens des Angeklagten, den Vernehmungsbeamten KHK P als Repräsentanten der Ermittlungsbehörden auf diese Weise für sich einzunehmen, wovon sich der Angeklagte Vorteile versprach. Zum anderen kommt darin auch eine gewisse Bequemlichkeit des Angeklagten zum Ausdruck, da er sich hierdurch weitere umfangreiche Vorhalte und bohrende Nachfragen des Vernehmungsbeamten ersparte.
624
f. In zwei Punkten bestätigte der Angeklagte Vorhalte und Vorwürfe des Vernehmungsbeamten KHK P, obwohl diese nicht den Tatsachen entsprachen. Allerdings machte der Angeklagte hierzu jeweils selbst keine eigenen Angaben, welche als tragfähige geständige Einlassung gewertet werden könnten.
625
Auch darin zeigt sich nach der Überzeugung der Strafkammer zum einen das Bemühen des Angeklagten, den Vernehmungsbeamten KHK P als Repräsentanten der Ermittlungsbehörden für sich einzunehmen, und zum anderen eine gewisse Bequemlichkeit des Angeklagten (vgl. oben e(3)).
626
(1) In der Beschuldigtenvernehmung vom 29.06.2018 zum Fall H 2 bestätigte der Angeklagte eine vom Vernehmungsbeamten geäußerte Vermutung hinsichtlich der Reihenfolge der Insulinverabreichung und Durchsuchung des Hauses, welche jedoch nach der Überzeugung der Strafkammer nicht plausibel ist.
627
(a) Den Vorhalt des Vernehmungsbeamten KHK P, wonach dieser glaube, der Angeklagte habe nach der Verabreichung der Insulin-Injektionen das Haus des Geschädigten durchsucht, bestätigte der Angeklagte mit einem kurzen „Ja“ und dem Zusatz, dass das stimme (vgl. oben II.2.c(3)(d), S. 77).
628
Auch die explizit auf die Reihenfolge abzielende Nachfrage des Vernehmungsbeamten, ob es richtig sei, dass der Angeklagte zunächst dem Geschädigten Insulin injiziert, dann das Haus durchsucht und erst danach den Rettungsdienst verständigt habe, beantwortete der Angeklagte lediglich mit einem kurzen „Ja“ (vgl. oben II.2.c(3)(d), S. 77).
629
Hingegen verweigerte der Angeklagte eine Antwort auf die weitere Frage nach dem Sinn der Insulin-Injektion und konkret danach, warum er dem Geschädigten H 2 Insulin verabreicht habe, um das Haus zu durchsuchen, wenn dieser doch ohnehin hilflos in seinem Bett gelegen sei (II.2.c(3)(e), S. 77).
630
(b) Nach der Überzeugung des Schwurgerichts bestätigte der Angeklagte die vom Vernehmungsbeamten geäußerte Vermutung aus den oben unter e(3), S. 102, dargelegten Gründen. Die hinsichtlich der Reihenfolge von Insulingabe und Durchsuchung des Hauses abweichenden Feststellungen des Schwurgerichts beruhen maßgeblich auf der Erwägung, dass die von KHK P vermutete Reihenfolge nach der Überzeugung der Strafkammer nicht plausibel ist.
631
Die fehlende Plausibilität wurde im weiteren Vernehmungsverlauf von KHK P selbst thematisiert durch seine Frage nach dem Sinn der Insulin-Injektion zum Zweck der Hausdurchsuchung, wenn der Geschädigte ohnehin hilflos im Bett gelegen sei. Dass der Angeklagte eine Antwort auf diese Frage ausdrücklich verweigerte, verwundert angesichts der fehlenden Plausibilität nicht.
632
Hinzukommt, dass der Angeklagte nach der Abreise seiner Vorgängerin am 20.12.2017 gegen 17:00 Uhr den ganzen Abend und die Nacht bis zur Tat mit dem Geschädigten allein war und ausreichend Gelegenheit hatte, in Ruhe den Keller zu durchsuchen und sich am dortigen Tresor zu schaffen zu machen, da der Keller für den Geschädigten aufgrund eines am Treppenabgang eingebauten Treppenschutzes nicht mehr zugänglich war.
633
Dass sich der Angeklagte am 20.12.2017 - und nicht erst am 21.12.2017 - im Keller des Geschädigten H 2aufgehalten hat, räumte er schließlich ein, als ihm vom Vernehmungsbeamten unter Vorlage von Lichtbildern eines Tresors im Keller vorgehalten wurde, dass DNA-Material des Angeklagten an diesem Tresor nachgewiesen worden sei.
634
Der Angeklagte bestritt zwar, den Tresor gesehen zu haben, gab jedoch an, dass er sich am zweiten Tag seines Aufenthalts im Keller aufgehalten habe, wenngleich er dies mit der Schutzbehauptung verknüpfte, den entsprechenden Kellerraum aufgeräumt zu haben. Nachdem der Angeklagte - wie oben unter e(1)(c), S. 100, dargelegt - am 19.12.2017 im Haushalt des Geschädigten eingetroffen war, handelt es sich bei dem zweiten Tag seines Aufenthalts um den 20.12.2017.
635
(2) In den Beschuldigtenvernehmungen vom 29.06.2018 und 30.10.2018 bestätigte der Angeklagte zwei längere Vorhalte des Vernehmungsbeamten KHK P, in denen dieser unter anderem seine Auffassung deutlich machte, dass es dem Angeklagten bei der Verabreichung des Insulins auch um die Vermeidung einer Vertragsstrafe gegangen sei. Dies steht jedoch im Widerspruch zur eigenen Einlassung den Angeklagten an anderen Stellen sowie zum Ergebnis der Beweisaufnahme.
636
(a) In dem bereits oben unter e(1), S. 98, erörterten längeren Vorhalt aus der Beschuldigtenvernehmung vom 29.06.2018 zum Fall H 2, welchen der Angeklagte mit den Worten „Ja, das, was Sie sagen, stimmt alles.“ bestätigte, hielt KHK P dem Angeklagten ferner vor, dass in dessen Vertrag eine Vertragsstrafe in Höhe von 3.500 für den Fall vorgesehen gewesen sei, wenn der Angeklagte ohne triftigen Grund die Einsatzstelle verlassen hätte. Hierbei brachte KHK P seinen Angaben zufolge zum Ausdruck, dass nach seiner Auffassung die Vermeidung der Vertragsstrafe ein Motiv des Angeklagten für die Verabreichung des Insulins gewesen sei. Über die zitierte Bestätigung hinaus äußerte sich der Angeklagte zu dem Vorhalt nicht (vgl. oben II.2.c(3)(h), S. 78).
637
(b) In der Beschuldigtenvernehmung vom 30.10.2018 nahm KHK P auf diesen Vorhalt Bezug und machte im Rahmen seiner Befragung zum eigentlichen Ziel des Angeklagten bei seiner Tätigkeit als 24-Stunden-Betreuungskraft erneut einen längeren Vorhalt, in welchem er dem Angeklagten unter anderem vorwarf, dass sich dieser seiner Meinung nach durch die Verabreichung von Insulin lediglich wieder schnell aus seinem jeweiligen Arbeitsverhältnis habe lösen wollen, ohne zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet zu sein. Hierauf erklärte der Angeklagte wiederum, dass alles stimme, was der Kriminalbeamte gesagt habe (vgl. oben II.2.d(5)(a), S. 87).
638
(c) Demgegenüber bestritt der Angeklagte in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 30.10.2018 im Rahmen seiner Vernehmung zum Fall H 1ausdrücklich, dass die Vermeidung einer Vertragsstrafe für ihn jemals eine Rolle gespielt habe und begründete dies auch.
639
i. Im Rahmen seiner Vernehmung zum Fall H 1 hielt KHK P dem Angeklagten vor, dass in dessen Vertrag eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.000 Euro für den Fall des grundlosen Verlassens der Betreuungsstelle vorgesehen gewesen sei, und fragte ihn anschließend ausdrücklich, ob es ihm bei der Verabreichung des Insulins auch darum gegangen sei, die Einsatzstelle ohne Pflicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe verlassen zu können (vgl. oben II.2.d(1)(d), S. 81).
640
ii. Dies stellte der Angeklagte in Abrede und fügte hinzu, dass die zivilrechtlichen Verträge und die darin geregelten Vertragsstrafen in … unwirksam seien, weshalb es im Ergebnis ohne Belang sei, ob eine Betreuungskraft einen Haushalt aufgrund eines entsprechenden Vorfalls oder grundlos verlasse. Anschließend erklärte der Angeklagte noch einmal ausdrücklich, dass die Vertragsstrafe „sicherlich nicht der Grund“ gewesen sei, warum er dem Geschädigten Insulin verabreicht habe (vgl. oben II.2.d(1)(d), S. 81).
641
(d) Auch in seinem Schreiben an die Staatsanwaltschaft München I vom 31.12.2018 führte der Angeklagte aus, dass die Behauptung, er habe „angeblich Angst vor einer Vertragsstrafe“ gehabt, wenn er den Arbeitsort „ohne triftigen Grund“ verlasse, falsch sei, da diese Vertragsstrafen, wie alle Absprachen, „in Wirklichkeit nicht sanktioniert“ würden. Er habe deshalb keine Angst davor gehabt, etwas zahlen zu müssen, wenn er ohne Grund nach … zurückkehre. In … werde der Anspruch auf Vertragsstrafe von keiner Vermittlungsagentur gerichtlich verfolgt, da dies mit hohen Kosten verbunden sei und die Agenturen fürchten müssten, dass die Betreuungskraft im Gegenzug Ansprüche wegen fehlerhafter Informationen über die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse geltend mache (vgl. oben II.3.d(2), S. 91).
642
(e) Nach der Überzeugung des Schwurgerichts war die Vermeidung einer Vertragsstrafe für den Angeklagten bei der Verabreichung von Insulin jedenfalls kein bewusstseinsdominanter Aspekt und somit nicht Teil seines Tatmotivs. Diese Überzeugung stützt die Strafkammer maßgeblich auf folgende Umstände:
643
i. Wie der Zeuge KHK P auch insoweit glaubhaft berichtete, hätten die polizeilichen Ermittlungen keinen Hinweis darauf erbracht, dass jemals von einer …Vermittlungsagentur die Geltendmachung einer Vertragsstrafe gegen den Angeklagten verfolgt oder gar vollstreckt worden wäre.
644
ii. Lediglich einmal wurde von einer Vermittlungsagentur gegenüber dem Angeklagten überhaupt auf das Bestehen einer Vertragsstrafe ausdrücklich hingewiesen. Bereits in diesem Zusammenhang äußerte der Angeklagte jedoch seine oben unter (c) ii., S. 104, und (d), S. 105, dargelegte Auffassung. Seine entsprechende Einlassung (vgl. oben (c) ii und (d)) erachtete das Schwurgericht deshalb als glaubhaft.
645
1. In einem undatierten Schreiben der Agentur „D24“, dessen deutsche Übersetzung zur Verlesung kam, führte die Inhaberin der Agentur, C-A, aus: „Wir informieren Sie ebenfalls, dass Sie die Vertragsbestimmungen gemäß § 12 Abs. 1, die eine Vertragsstrafe in Höhe von 3.500 im Fall eines Abbruchs der Pflegetätigkeit ohne Einhaltung der Kündigungsfrist nach sich ziehen, nicht eingehalten haben.“
646
2. Wie der Zeuge KHK B glaubhaft bekundete, sei bei der Auswertung der vom Angeklagten benutzten E-Mail-Postfächer eine E-Mail des Angeklagten an seine Bekannte N vom 19.01.2018 um 09:15 Uhr aufgefunden worden. Dieser E-Mail sei als Dateianhang das oben unter 1 genannte undatierte Schreiben der Agentur „D24“ an den Angeklagten beigefügt gewesen. In dieser E-Mail habe sich der Angeklagte zu dem oben unter 1 zitierten Hinweis auf die Vertragsstrafe - laut einer durch die Ermittlungsbehörden veranlassten Übersetzung der E-Mail in die deutsche Sprache - mit den Worten „was für eine Strafe, wenn es doch gar nicht legal ist“ geäußert.
647
g. Darüber hinaus wird an einer Stelle deutlich, dass der Angeklagte seine geständige Einlassung hinsichtlich der Verabreichung von Insulin an die - tatsächlichen oder vermeintlichen - Tatvorwürfe der Ermittlungsbehörden anpasste.
648
In der Beschuldigtenvernehmung vom 30.10.2018 antwortete der Angeklagte auf die Frage des Vernehmungsbeamten KHK P nach der Anzahl der Patienten, denen er Insulin gespritzt habe, dass er sich daran „nicht so genau erinnern“ könne, aber wie der Vernehmungsbeamte schon wisse und es in den Akten stehe, seien es „an die 15 bis 20 Patienten“ gewesen (vgl. oben II.2.d(5)(c), S. 89).
649
Tatsächlich waren es (lediglich) 12 Fälle, in denen nach den umfangreichen kriminalpolizeilichen Ermittlungen und einer intensiven Überprüfung der insgesamt 69 Einsatzstellen des Angeklagten im Zeitraum 01.05.2015 bis 12.02.2018 von der Staatsanwaltschaft ein hinreichender Tatverdacht gegen den Angeklagten hinsichtlich der Verabreichung von Insulin an Patienten bejaht wurde. Diese 12 Fälle sind Gegenstand der Anklageschrift vom 21.03.2019.
650
Die Zeugen KHK P und KHK B bekundeten übereinstimmend und auch insoweit glaubhaft, dass sämtliche Einsatzstellen des Angeklagten von der Kriminalpolizei sorgfältig hinsichtlich des Verdachts der Verabreichung von Insulin durch den Angeklagten überprüft worden seien. Hierbei habe sich auch aus kriminalpolizeilicher Sicht nur in den durch die Staatsanwaltschaft angeklagten 12 Fällen ein entsprechender Tatverdacht gegen den Angeklagten ergeben. Insbesondere hätten sich bei den übrigen Patienten während des Aufenthalts des Angeklagten keine relevanten gesundheitlichen Auffälligkeiten gezeigt.
651
2. Die fallübergreifenden Feststellungen oben unter B. (S. 14 ff.) stützen sich auf die nachfolgend genannten Beweismittel:
652
a. Die Feststellungen zur inneren Haltung des Angeklagten hinsichtlich der Ausübung der 24- Stunden-Betreuungstätigkeit beruhen auf einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände sowie auf den folgenden Beweismitteln:
653
(1) In der Beschuldigtenvernehmung am 30.10.2018 räumte der Angeklagte auf die Frage des Vernehmungsbeamten, was er in den deutschen Haushalten gewollt habe, ein, dass es ihm darum gegangen sei, Besitz zu erlangen und sich zu bereichern. Er habe nur kurze Zeit arbeiten und viel Geld verdienen wollen (vgl. oben II.2.d(5)(a), S. 87).
654
(2) In einem Brief an seine Verwandten M W vom 06.10.2018 äußerte der Angeklagte sein Bedauern darüber, nicht auf seine Mutter gehört zu haben im Hinblick darauf, dass er nicht wieder „zu ihnen fahren“, sondern zu Hause bleiben solle. Aber er sei „gierig und auf das Geld fixiert“ gewesen (vgl. oben II.3.c., S. 91).
655
(3) Diese Einlassungen des Angeklagten werden durch die Erkenntnisse der EDVAuswertung bestätigt, worüber der Zeuge KHK B glaubhaft berichtete.
656
(a) Demnach habe sich bei der Auswertung des Facebook-Accounts des Angeklagten ein von ihm in … Sprache geführter Chat mit seinem Bekannten P gefunden, welcher in die deutsche Sprache übersetzt worden sei. Ausweislich der gefertigten Übersetzungen habe der Angeklagte laut KHK B am 13.05.2017 unter anderem folgende Nachrichten verfasst:
„Nur für kurze Zeit, beklaue und fahre weg“, „Bin da, fahre weg, weil beschissen weiß, wo er/sie Euro hat, und auf Wiedersehen“, „Wenn man keine Kohle hat, dann macht man, was man tut, die Reichen…“, „Reiche Deutsche tut man ihrer Euro bekla…“.
Darüber hinaus habe der Angeklagte laut KHK B am 22.01.2018 folgende Nachricht geschrieben: „Ich fahre, klaue und komme zurück - zleur - klau… usw…“
657
(b) Wie KHK B ferner glaubhaft darlegte, sei auch ein in …Sprache geführter Facebook-Chat des Angeklagten mit seiner Bekannten Z in die deutsche Sprache übersetzt worden. Hiernach habe der Angeklagte am 17.05.2016 an Z geschrieben: „Leider, meine Liebe, muss man aus den Deutschen alles herausholen und in Raten Kohle zurückzahlen.“
658
Am 07.03.2017 habe der Angeklagte laut KHK B unter anderem folgende Nachrichten verfasst:
„Mein alter Knacker die Bude ist kontrolliert. Aber es gibt keine Devotionalien. Und Kohle etwas. „Gold“ gibt es aber nur wenig.“, Kohle ist das Wichtigste, weil ohne sie sterbe ich.“, „Verstehst du verdammt nochmal, dass das nur ein Trick war, um an die Kohle zu kommen?!“, „Entschuldige vielmals, aber ich musste, weil ich ein Messer an der Kehle hatte.“
659
Überdies habe der Angeklagte am 16.09.2017 folgende Nachrichten geschrieben:
„Hallo Z, was macht die Gesundheit, ich bin in Deutschland in der Arbeit, eine Stelle bei einem Opa.“, „Er hat etwas Ware, aber ich leiere ihm Kohle aus der Tasche und kaufe verschiedene Reinigungsmittel für Zuhause ein und überhaupt er ist 88 Jahre alt und ich muss hier sein, ich weiß sogar, wo er seinen Safe-Schlüssel aufbewahrt, aber ich warte bis 25., weil dann bekommt er seine Rente. 2600 Euro. So steht das auf seinen Kontoüberweisungen.“
660
(4) Die Einlassungen des Angeklagten werden ferner durch die Angaben seiner Mutter in ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung vom 05.03.2018 bestätigt. Ausweislich des verlesenen Vernehmungsprotokolls habe Z bekundet, dass den Angeklagten bereits in seiner Jugend „außer leicht erlangtem, gestohlenem Geld“ nichts interessiert habe.
661
b. Die Feststellungen zu dem vom Angeklagten absolvierten Kurs „Altenpfleger mit Deutsch“ stützen sich auf das Zertifikat in deutscher Sprache und die deutsche Übersetzung der Bescheinigung über den Kursabschluss samt Anlage, welche allesamt zur Verlesung kamen.
662
c. Die Feststellungen zur Vermittlung des Angeklagten an 69 Privathaushalte in Deutschland im Zeitraum 01.05.2015 bis 12.02.2018, zur Verweildauer des Angeklagten an den verschiedenen Einsatzstellen sowie zu den vom Angeklagten vorgebrachten wahrheitswidrigen Begründungen für seine vorzeitige Abreise gründen sich auf die Angaben des Zeugen KHK B, der über die entsprechenden Ergebnisse der kriminalpolizeilichen Ermittlungen glaubhaft berichtete.
663
Laut KHK B sei der Angeklagte, nachdem ihm am 24.01.2017 erstmals Insulin verordnet worden sei, im Zeitraum bis zum 12.02.2018 in insgesamt 34 Privathaushalten tätig gewesen, in denen er mindestens eine Nacht verbracht habe und nicht bereits am Tag seiner Ankunft wieder abgereist sei. Nur bei 12 dieser 34 Einsatzstellen habe sich aus kriminalpolizeilicher Sicht ein Tatverdacht gegen den Angeklagten im Hinblick auf die Verabreichung von Insulin ergeben. Diese 12 Fälle seien Gegenstand der Anklageschrift vom 21.03.2019.
664
Wie der Zeuge KHK B in Übereinstimmung mit seinem Kollegen KHK P glaubhaft bekundete, hätten sich bei allen übrigen Einsatzstellen im Rahmen der umfangreichen und sorgfältig geführten kriminalpolizeilichen Ermittlungen keine Hinweise auf eine etwaige Verabreichung von Insulin durch den Angeklagten ergeben. Insbesondere hätten sich bei den übrigen Patienten während des Aufenthalts des Angeklagten keine relevanten gesundheitlichen Auffälligkeiten gezeigt (vgl. oben 1.g., S. 106).
665
Ferner legten die Zeugen KHK B und KHK P übereinstimmend und glaubhaft die entsprechenden polizeilichen Erkenntnisse zu den Übernachtungen des Angeklagten in einer Jugendherberge in seiner Heimatstadt … dar.
666
d. Die Feststellungen zu den wesentlichen Aufgaben einer 24-Stunden-Betreuungskraft beruhen auf einer Gesamtwürdigung der Vertragsinhalte zwischen dem Angeklagten und den Vermittlungsagenturen einerseits sowie zwischen den Vermittlungsagenturen und den Patienten bzw. deren Angehörigen andererseits. Die Verträge kamen - zum Teil auszugsweise - zur Verlesung. Ergänzend hat die Strafkammer die glaubhaften Angaben der Zeugen aus dem Bereich der Vermittlungsagenturen, T und Sz (Fall W 1) sowie D (Fall H 2), herangezogen.
667
e. Die Feststellungen zur Erkrankung des Angeklagten an Diabetes mellitus Typ 2 und deren Behandlung in … beruhen auf den oben unter I.2. (S. 60) dargelegten Beweismitteln.
668
Der sachverständige Zeuge K berichtete ferner glaubhaft über die von ihm durchgeführte Aufklärung des Angeklagten im Hinblick auf die Behandlung mit Insulin und die damit verbundenen Risiken.
669
Die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. Z referierte außerdem sachkundig und nachvollziehbar über den Zuckerstoffwechsel des Menschen, dessen krankheitsbedingte Störung in Form des Diabetes mellitus, die physiologischen Wirkungen der Verabreichung von Insulin sowie über Hypoglykämie, deren Symptome und Folgen. Überdies erläuterte und demonstrierte Prof. Dr. Z die Funktionsweise der beiden Insulin-Pens des Angeklagten und den Ablauf einer damit durchgeführten Injektion.
670
Die toxikologische Sachverständige Dr. R legte sachkundig und nachvollziehbar die Wirkungen von Insulin aus toxikologischer Sicht dar und stellte die dem Angeklagten verordneten oralen Antidiabetika sowie das Insulinpräparat Gensulin M 30 (30/70) des Herstellers IBA BIOTON näher vor.
671
Die deutsche Übersetzung der Packungsbeilage des vom Angeklagten verwendeten Insulinpräparats Gensulin M30 (30/70) kam zur Verlesung.
672
a. Der oben unter B.I. (S. 18 ff.) festgestellte Sachverhalt beruht auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
673
(1) Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Geschädigten W 1 stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben der Hausärztin des Geschädigten, Dr. D.
674
(2) Die Feststellungen im Zusammenhang mit der Ankunft des Angeklagten beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin P, die den Sachverhalt wie festgestellt schilderte. Laut der Zeugin habe es insbesondere keine Situation gegeben, in der W 1 den Angeklagten von sich weggestoßen oder einen Versuch unternommen hätte, der Zeugin ins Gesicht zu schlagen.
675
(3) Den Feststellungen zu den Besuchen von S am Abend des 24.05.2017 sowie am Mittag und Nachmittag des 25.05.2017 liegen die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin S zugrunde.
676
(4) Die Feststellungen zu den Besuchen von W 1am Morgen und am Abend des 25.05.2017 gründen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben des Zeugen N.
677
(5) Die Feststellungen im Zusammenhang mit dem von S gegen 19:20 Uhr abgesetzten Notruf basieren auf den insoweit übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugen S und N.
678
(6) Den Feststellungen zum Rettungseinsatz liegen die entsprechenden glaubhaften Angaben der Rettungskräfte K und S zugrunde. Über das Verhalten des Angeklagten während des Rettungseinsatzes berichtete glaubhaft der Zeuge N.
679
(7) Die Feststellungen zur Behandlung des Geschädigten in der Notaufnahme der Zentralambulanz des … Krankenhauses … am 25.05.2017 von etwa 19:50 Uhr bis gegen 22:00 Uhr beruhen auf folgenden Beweismitteln:
680
(a) Die in diesem Zeitraum diensthabende Ärztin N schilderte die von ihr nach der Aufnahme des Geschädigten erhobenen Befunde wie festgestellt. Ihren weiteren Angaben zufolge sei ihr der Ausdruck des Ergebnisses der um 19:53 Uhr erstellten Blutgasanalyse mit einigen Minuten Verzögerung vorgelegt worden. Der Grund hierfür sei gewesen, dass N von ihrer Untersuchung des Geschädigten unmittelbar zu einem weiteren Notfall in der Zentralambulanz gerufen worden sei. Es habe am Abend des 25.05.2017 erhöhter Arbeitsanfall geherrscht, da mehrere Notfälle gleichzeitig zu behandeln gewesen seien.
681
Die Ärztin N räumte ein, dass sie sich bei der Durchsicht des Ergebnisses der venösen Blutgasanalyse von 19:53 Uhr auf die Prüfung der Elektrolytwerte beschränkt und dem Blutzuckerwert keinerlei Beachtung geschenkt habe, obwohl sie sich die Bewusstseinsstörung des Geschädigten nicht habe erklären können.
682
Die Elektrolytwerte habe sie als zufriedenstellend erachtet. Der Blutzuckerwert sei ihr jedoch „komplett durchgerutscht“. Erst viel später am Abend sei ihr das Ergebnis der Blutgasanalyse von 19:53 Uhr noch einmal mit dem Hinweis auf den „exorbitant niedrigen“ Blutzuckerwert von 16 mg/dl gezeigt worden.
683
Wie die sachverständige Zeugin N ferner bekundete, sei sie sich „hundertprozentig sicher“, dass sie keine Medikamentengabe für W 1angeordnet habe. Während ihrer Zuständigkeit für den Geschädigten sei ihm lediglich eine Infusion mit RingerLösung verabreicht worden.
684
N berichtete, dass sie sich wegen des erhöhten Arbeitsanfalls aufgrund mehrerer Notfälle nicht in der Lage gesehen habe, ihren Dienst planmäßig um 21:30 Uhr nach einer Übergabe an die Ärztin der Nachtschicht, L, zu beenden, die ihren Dienst in der Zentralambulanz gegen 21:00 Uhr angetreten habe. Beide Ärztinnen hätten über 21:30 Uhr hinaus noch längere Zeit parallel gearbeitet und sich die anfallende Arbeit aufgeteilt. Wann sie letztlich ihren Dienst beendet habe, vermochte N nicht mehr zeitlich einzugrenzen.
685
Die Angaben der (sachverständigen) Zeugin N waren nicht zuletzt deshalb glaubhaft, da sie sich selbst belastete, indem sie einräumte, dem Blutzuckerwert keinerlei Beachtung geschenkt zu haben, obwohl sie sich die Bewusstseinsstörung des Geschädigten nicht habe erklären können.
686
(b) Die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. Z legte sachkundig und überzeugend dar, dass die Blutzuckermessung einschließlich der Bewertung des hierbei erzielten Ergebnisses insbesondere bei bewusstseinsgestörten Patienten eine der standardmäßig stets durchzuführenden medizinischen Notfallmaßnahmen sei, da Hypoglykämie eine der möglichen Hauptursachen für eine Bewusstseinsstörung darstelle. Dies gelte umso mehr, wenn - wie hier - eine sonstige Ursache der Bewusstseinsstörung nicht erkennbar sei.
687
(c) Die sachverständigen Zeuginnen Dr. S und G, die beide im Mai / Juni 2017 ebenfalls als Ärztinnen im … Krankenhaus … beschäftigt waren und regelmäßig Dienst in der Notaufnahme der Zentralambulanz des Krankenhauses verrichteten, bekundeten übereinstimmend und glaubhaft, dass das Ergebnis einer venösen Blutanalyse dem diensthabenden Arzt in der Zentralambulanz in aller Regel binnen etwa zwei Minuten nach der Blutabnahme zur Kenntnisnahme vorliege.
688
(d) Die Feststellungen zum Inhalt des Gesprächs zwischen der Ärztin N und den Geschwistern N und S beruhen auf den übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der beiden Geschwister. Hierauf basieren auch die Feststellungen zur Atmung des Geschädigten sowie zum einmaligen Absaugen von Schleim aus dessen Atemwegen.
689
(8) Die Feststellungen zum weiteren Verlauf in der Notaufnahme der Zentralambulanz des … Krankenhauses … am 25.05.2017 ab etwa 22:00 Uhr beruhen auf folgenden Beweismitteln:
690
(a) Die Feststellungen zur Uhrzeit und zum Inhalt des Gesprächs der Geschwister N und S mit der Ärztin L in Gegenwart der Ärztin N beruhen auf den entsprechenden übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugen N, S und der sachverständigen Zeugin Nr.
691
i. Der Zeuge N bekundete glaubhaft, dass gegen 22:00 Uhr ein Wechsel der behandelnden Ärztin stattgefunden habe. „Eine neue Ärztin sei gekommen und habe ein Gespräch mit ihm und seiner Schwester geführt, an welchem auch „die alte Ärztin“ teilgenommen habe. In diesem Gespräch habe „die neue Ärztin“ angekündigt, eine Computertomografie vom Kopf zu veranlassen, um das Vorliegen einer Gehirnblutung auszuschließen. Außerdem habe „die neue Ärztin“ noch einmal Blut abnehmen wollen, um es untersuchen lassen.
692
ii. Mit diesen Angaben im Einklang stehen die hierzu von der Zeugin K gemachten Angaben. Diese wusste ergänzend zu berichten, dass ärztlicherseits mitgeteilt worden sei, dass die Blutprobe zur Untersuchung in ein Labor nach … gefahren werden müsse, weshalb es längere Zeit dauern werde, bis das Untersuchungsergebnis vorliege.
693
iii. Die Angaben der Zeugen N und S wurden von der sachverständigen Zeugin N bestätigt und ergänzt. Diese bekundete, dass zum Ausschluss einer Gehirnblutung eine Computertomografie des Kopfes veranlasst worden sei. Außerdem sei dem Geschädigten „dann noch“ Blut abgenommen worden zur Bestimmung der Laborwerte, nachdem dessen Tochter im Gespräch mit der Ärztin L gefragt habe, wie es denn sein könne, dass es jemandem so schnell so schlecht gehe.
694
Wie die Ärztin N weiter ausführte, habe die Blutprobe wegen der Nachtzeit zur Untersuchung in ein Labor nach … geschickt werden müssen, wofür eine Transportdauer von mindestens einer Stunde zu veranschlagen sei.
695
(b) Die Ärztin L berichtete glaubhaft, dass das Ergebnis der Computertomografie des Kopfes unauffällig gewesen sei und insbesondere keinerlei Anhaltspunkte für eine Gehirnblutung erbracht habe.
696
Ferner gab die sachverständige Zeugin an, dass sie ihrer Erinnerung nach selbst keine Blutentnahme für eine Laboruntersuchung veranlasst habe. Sie gehe deshalb davon aus, dass der Laborbefund, auf dem die Aktivierungszeit 23:22 Uhr am 25.05.2017 sowie ein Blutzuckerwert von weniger als 10 mg/dl ausgewiesen seien, sich auf eine Blutprobe beziehe, welche dem Geschädigten standardmäßig unmittelbar nach seiner Aufnahme in der Zentralambulanz gegen 19:50 Uhr - zeitnah mit der Blutentnahme für die Blutgasanalyse - entnommen worden sei.
697
Laut L erfolge die Versendung von Blutproben aus dem …Krankenhaus … in das Labor nach … in der Regel ab etwa 20:15 Uhr. Im Einzelfall könne diese zeitliche Grenze aber auch einmal abweichen. Wie lange es dauere, bis das Laborergebnis vorliege, hänge davon ab, wann die Blutprobe im … Krankenhaus … abgeholt werde. Insgesamt könne das „schon mal zwei bis drei Stunden“ dauern. Die eigentliche Laboruntersuchung selbst dauere der Ärztin zufolge rund 30 Minuten. Das Ergebnis werde seitens des Labors in die EDV eingespeist und sei im …Krankenhaus … unmittelbar per Computer abrufbar. Eine gesonderte telefonische Benachrichtigung durch das Labor über die Einstellung eines Laborbefundes in die EDV erfolge üblicherweise nicht.
698
(c) Die toxikologische Sachverständige Dr. R erläuterte, dass unter der Aktivierungszeit auf einem Laborbefund stets die Uhrzeit zu verstehen sei, zu der die zu untersuchende Probe im Labor eingehe und erstmals erfasst werde. Vorliegend sei die untersuchte Blutprobe mithin am 25.05.2017 um 23:22 Uhr in dem Labor in … eingegangen.
699
(d) Dass die um 23:22 Uhr im Labor … eingegangene Blutprobe, die ausweislich des Laborbefunds einen Blutzuckerwert von weniger als 10 mg/dl auswies, dem Geschädigten nach 22:00 Uhr entnommen wurde und nicht, wie von der sachverständigen Zeugin L gemutmaßt, bereits kurz nach der Aufnahme des Geschädigten gegen 19:50 Uhr, schließt das Schwurgericht aus einer Gesamtwürdigung der oben dargelegten Aussagen.
700
i. Der Mutmaßung der Ärztin L liegt eine von ihr gezogene Schlussfolgerung zugrunde, deren Ausgangspunkt ist, dass die Ärztin ihrer Erinnerung nach selbst keine Blutentnahme für eine Laboruntersuchung veranlasst habe.
701
ii. Demgegenüber gab jedoch die Ärztin N an, dass dem Geschädigten zur Bestimmung der Laborwerte „dann noch“ Blut abgenommen worden sei.
702
1. Für die Glaubhaftigkeit dieser Angaben der (sachverständigen) Zeugin N spricht in besonderem Maße, dass von ihr spontan - ohne eine entsprechende Nachfrage - zugleich ein konkreter Anlass für diese medizinische Maßnahme benannt wurde, der schon für sich genommen sehr plausibel ist. Zudem werden diese Angaben der (sachverständigen) Zeugin N durch weitere Beweismittel gestützt.
703
[a] Den Angaben der (sachverständigen) Zeugin N zufolge sei die Blutentnahme erfolgt, nachdem die Tochter des Geschädigten - mithin die Zeugin S - im Gespräch mit der Ärztin L gefragt habe, wie es denn sein könne, dass es jemandem so schnell so schlecht gehe. Eine derartige Frage eines Angehörigen ist schon allein aufgrund des objektiven Geschehensablaufs sehr naheliegend und plausibel.
704
[b] Darüber hinaus werden die Angaben der (sachverständigen) Zeugin N durch die oben unter (a) i. (S. 111) und (a) ii. (S. 112) dargelegten Angaben der Zeugen N und S gestützt.
705
[c] Die Angaben der (sachverständigen) Zeugin N zum Anlass für die Anordnung der Blutentnahme finden ferner eine Stütze in den Angaben der Zeugin S zu ihren damaligen Gedanken.
706
Demnach sei es für die Zeugin völlig unverständlich gewesen, weshalb es ihrem Vater plötzlich so schlecht gegangen sei. Sie habe ihn am Nachmittag des 25.05.2017 in einer unauffälligen, in jeder Hinsicht seinem damaligen gesundheitlichen Allgemeinzustand entsprechenden Verfassung erlebt, bis sie ihn gegen 17:00 Uhr verlassen habe. Bereits weniger als zwei Stunden später, beim Eintreffen ihres Bruders gegen 18:45 Uhr, sei es ihrem Vater sehr schlecht gegangen. In der Notaufnahme sei ihr dann von der Ärztin mitgeteilt worden, dass ihr Vater im Sterben liege.
707
Wie die Zeugin S glaubhaft schilderte, habe sie diese rasante Entwicklung einfach nicht begreifen können und sich ständig gefragt, wie es sein könne, dass es ihrem Vater so schnell so schlecht gegangen sei.
708
Vor diesem Hintergrund liegt es ausgesprochen nahe, dass die Zeugin S diese Frage nicht nur in Gedanken sich selbst stellte, sondern sie auch laut aussprach und - wie von der (sachverständigen) Zeugin N geschildert - an die Ärztin L richtete.
709
2. Dass die zum Zeitpunkt des Arztgesprächs zuständige Ärztin L ihrer Erinnerung nach selbst keine Blutentnahme für eine Laboruntersuchung veranlasst habe, steht der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin N nicht entgegen.
710
[a] L bestätigte die Angaben ihrer Kollegin N, wonach die beiden Ärztinnen wegen des erhöhten Arbeitsanfalls über 21:30 Uhr hinaus noch längere Zeit parallel gearbeitet und sich die anfallende Arbeit aufgeteilt hätten.
711
Angesichts dessen ist es ohne weiteres vorstellbar, dass sich die Ärztinnen L und N auch die beiden hinsichtlich des Geschädigten zu treffenden Maßnahmen aufteilten und die Ärztin L die Computertomografie veranlasste, während sich die Ärztin N um die Blutentnahme kümmerte. Hierdurch ließe sich zwanglos und plausibel erklären, dass zwar die - eigentlich zu dieser Zeit zuständige - Ärztin L keine Blutentnahme beim Geschädigten veranlasste, aber gleichwohl eine solche erfolgte.
712
[b] Ebenso gut möglich ist es jedoch auch, dass die Ärztin L die Blutentnahme beim Geschädigten anordnete und sich nach dem langen Zeitablauf lediglich nicht mehr daran erinnert.
713
3. Gegen die von der Ärztin L geäußerte Mutmaßung, dass sich das Laborergebnis von 23:22 Uhr auf eine gegen 19:50 Uhr entnommene Blutprobe bezieht, spricht schließlich auch, dass die glaubhaften Angaben der Ärztin N keinen Anhaltspunkt dafür bieten, dass sie - als die zunächst für den Geschädigten zuständige Ärztin - auf das ausstehende Laborergebnis einer gegen 19:50 Uhr entnommene Blutprobe gewartet hätte.
714
Vielmehr bekundete die Ärztin N unmissverständlich, dass dem Geschädigten „dann noch“ Blut abgenommen worden sei zur Bestimmung der Laborwerte, nachdem dessen Tochter im Gespräch mit der Ärztin L gefragt habe, wie es denn sein könne, dass es jemandem so schnell so schlecht gehe (vgl. oben (a) iii., S. 112).
715
4. Die Schlussfolgerung, dass sich das Laborergebnis von 23:22 Uhr auf eine kurz nach 22:00 Uhr erfolgte Blutentnahme bezieht, lässt sich auch gut mit den Angaben der sachverständigen Zeugin N vereinbaren, wonach für den Transport einer Blutprobe vom … Krankenhaus … zum Labor in … eine Dauer von mindestens einer Stunde zu veranschlagen sei (vgl. oben (a) iii., S. 112).
716
5. Die denktheoretische Möglichkeit, dass das Ergebnis von 23:22 Uhr eine gegen 19:50 Uhr entnommene Blutprobe betreffen könnte, während die nach 22:00 Uhr entnommene Blutprobe in einem späteren Laborbefund erfasst worden wäre, kann hingegen ausgeschlossen werden.
717
Der Laborbefund vom 25.05.2017 um 23:22 Uhr ist der einzige, der in der Nacht auf den 26.05.2017 für eine Blutprobe des Geschädigten erstellt wurde. Der nächste umfassende Laborbefund datiert vom 28.05.2017 um 11:27 Uhr. Dazwischen erfolgte lediglich eine Insulinbestimmung am 26.05.2017 um 18:42 Uhr. All dies ergibt sich aus den entsprechenden Angaben der sachverständigen Zeugin Dr. S, welche als Stationsärztin ab dem Morgen des 26.05.2017 für den Geschädigten zuständig war.
718
(e) Die Feststellung, dass die Ärztin L gegen 23:00 Uhr den Ausdruck mit dem Ergebnis der venösen Blutgasanalyse von 19:53 Uhr sah, wobei ihr der sehr niedrige Blutzuckerwert von 16 mg/dl auffiel, beruht auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
719
i. Die sachverständige Zeugin L mutmaßte, dass es kurz vor 22:00 Uhr gewesen sein müsse, als sie den Blutzuckerwert von 16 mg/dl auf dem Ausdruck mit dem Ergebnis der venösen Blutgasanalyse von 19:53 Uhr gesehen habe. Hierbei handelte es sich jedoch nur um eine zeitliche Schätzung der (sachverständigen) Zeugin.
720
L bekundete, dass sie am 25.05.2017 ihren Dienst gegen 21:00 Uhr angetreten habe. In der Folgezeit habe ein Übergabegespräch mit ihrer Kollegin N stattgefunden, in welchem diese ihre beim Geschädigten erhobenen Befunde mitgeteilt habe. Die Ärztin L habe sich dann selbst einen Eindruck vom Geschädigten verschafft.
721
Den weiteren Angaben der sachverständigen Zeugin zufolge habe es „dann sicher noch ein bisschen gedauert“, bis sie den Zettel mit dem Ergebnis der venösen Blutgasanalyse von 19:53 Uhr gesehen habe. Hierbei sei ihr der sehr niedrige Blutzuckerwert von 16 mg/dl aufgefallen, zumal der Blutzucker des Geschädigten bis dahin nie thematisiert worden sei. Anschließend habe ein Gespräch zwischen ihr und ihrer Kollegin stattgefunden.
722
Danach sei dem Geschädigten „zügig“ eine 10 ml-Ampulle Glucose 40%- Lösung verabreicht worden. Dies sei „sicher zeitnah, also etwa 5 bis 10 Minuten“ nach der Kenntniserlangung von dem niedrigen Blutzuckerwert erfolgt, jedoch nicht in der Patientenakte des Geschädigten dokumentiert worden. Die sachverständige Zeugin bekundete, dass sie nicht mehr sagen könne, ob die Glucose-Lösung unmittelbar intravenös über den beim Geschädigten gelegten Zugang gespritzt oder über eine Infusion verabreicht worden sei.
723
Falls es über eine Infusion erfolgt sei, könne sie jedoch mit Sicherheit sagen, dass die 10 ml-Ampulle Glucose 40%-Lösung in eine 500 ml-Infusionslösung hinzugespritzt worden sei. Mit dieser Vorgehensweise habe sie im Rettungsdienst gute Erfahrungen gemacht, weshalb sie diese bei der Verabreichung von Glucose mittels Infusion seither immer anwende. Die sachverständige Zeugin gab an, sie könne ausschließen, dass die 10 ml-Ampulle Glucose 40%-Lösung in eine 1.000 ml-Infusionslösung hinzugespritzt worden sei, da Glucose 40%-Lösung „nicht in einer 1.000 ml-Infusionslösung verabreicht“ werde.
724
ii. Aus den übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugen N und S, die sich ständig am Krankenbett ihres Vaters aufhielten, ergibt sich, dass die Ärztin L gegen 22:00 Uhr zum Geschädigten gekommen sei, sich von ihm einen unmittelbaren Eindruck verschafft und ein Gespräch mit den Angehörigen geführt habe, in welchem die Durchführung einer Computertomografie und einer Blutentnahme angekündigt worden seien (vgl. oben (a), S. 111).
725
iii. Der Zeuge N bekundete glaubhaft, dass etwa im Zeitraum 23:10 Uhr bis 23:30 Uhr ein Pfleger zu ihnen ins Krankenzimmer gekommen sei und am Geschädigten hantiert habe. Anschließend habe der Pfleger „Oh“ geäußert und das Krankenzimmer wieder verlassen.
726
Kurz darauf sei der Pfleger mit einer Infusionsflasche zurückgekehrt und habe diese am Geschädigten angehängt. Auf die Frage, was das für eine Infusion sei, seien die Angehörigen vom Pfleger an die Ärztin verwiesen worden.
727
Wenig später habe W 1wieder angefangen, sich zu regen, und sei wieder zu sich gekommen. Dies habe der Zeuge angesichts der zuvor über einen Zeitraum von mehreren Stunden bestehenden Bewusstlosigkeit und Regungslosigkeit seines Vaters kaum glauben können.
728
Dann sei die Ärztin gekommen und habe ihnen mitgeteilt, dass W 1 einen Blutzuckerwert „unter 10“ gehabt habe und sein komatöser Zustand hierauf zurückzuführen sei. Auf die Frage, wie es zu einem solchen Wert kommen könne, habe die Ärztin geantwortet, dass dies nur durch die Verabreichung von Insulin möglich sei. In diesem Zusammenhang hätten die Kinder des Geschädigten darauf hingewiesen, dass ihr Vater kein Diabetiker sei.
729
iv. Diese Angaben wurden durch die Angaben der Zeuginnen S und R im Wesentlichen bestätigt. Letztere berichtete überdies glaubhaft, dass sie von ihrem Vater nach dessen plötzlichem Erwachen im Zuge der verabreichten Infusion mit der Frage angesprochen worden sei, was sie denn hier mache.
730
v. Aus einer Gesamtwürdigung der dargelegten Aussagen schließt die Strafkammer, dass es gegen 23:00 Uhr war, als die Ärztin L den Ausdruck mit dem Ergebnis der venösen Blutgasanalyse von 19:53 Uhr sah und hierbei den Blutzuckerwert von 16 mg/dl bemerkte.
731
(f) Die Feststellungen zur verabreichten Glucose-Lösung beruhen auf einer Gesamtwürdigung der oben unter (e) i. (S. 116) dargelegten Angaben der sachverständigen Zeugin L und der oben unter (e) iii. (S. 117) angeführten Angaben des Zeugen N.
732
(9) Die Feststellungen zum weiteren Verlauf bis zur Verlegung des Geschädigten auf die Normalstation stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben der sachverständigen Zeugin L.
733
(10) Den Feststellungen zum weiteren Krankenhausaufenthalt des Geschädigten bis zum 31.05.2017 liegen die entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben der für den Geschädigten zuständigen Stationsärztin, Dr. S, zugrunde.
734
(11) Die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. Z legte schlüssig und nachvollziehbar dar, dass die bei W 1in den folgenden Tagen aufgetretene Lungenentzündung (hypostatische Pneumonie) durch die Immobilität hervorgerufen worden sei, die mit dem Zustand der Hypoglykämie und der daraus resultierenden Bewusstlosigkeit zwangsläufig verbunden sei. Damit habe sich ein Risiko realisiert, welches im Falle einer Immobilisierung insbesondere bei älteren Menschen typischerweise bestehe.
735
Die Entstehung der Lungenentzündung sei dadurch begünstigt worden, dass W 1 am 25.05.2017 rund 3,5 Stunden bewusstlos in der Notaufnahme gelegen sei, bis ihm eine Glucose-Infusion verabreicht worden sei und er im Zuge dessen sein Bewusstsein wiedererlangt habe. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass sich insbesondere bei älteren Menschen der Zustand der Bewusstlosigkeit umso negativer auswirke, je länger er andauere.
736
Dass die Lungenentzündung beim Geschädigten W 1 mit einer drastischen Verschlechterung seines Allgemeinzustandes einhergegangen sei, sei nicht ungewöhnlich, sondern komme vielmehr bei älteren Menschen häufig vor. Man spreche insoweit von einem „Knick in der Lebenslinie“, zu dem es bei dem Geschädigten W 1 durch die Lungenentzündung infolge der lang andauernden Bewusstlosigkeit gekommen sei. Dieser „Knick in der Lebenslinie“ habe eine weitere Verschlechterung des Allgemeinzustands des Geschädigten in den folgenden Wochen nach sich gezogen, welche schließlich zum Tod des Geschädigten am 11.07.2017 geführt habe.
737
Die Bewusstlosigkeit des Geschädigten sei durch eine schwere Hypoglykämie hervorgerufen worden, welche durch die Blutzuckerwerte von 16 mg/dl bzw. weniger als 10 mg/dl belegt sei. Derartige Blutzuckerwerte ließen sich nur durch die Verabreichung von Insulin erklären. Die Hypoglykämie sowie die daraus resultierende Bewusstlosigkeit seien nur durch die intravenöse Verabreichung einer Glucose-Lösung - dann allerdings in der Regel sehr schnell, wie auch der Fall W 1eindrucksvoll zeige - behebbar.
738
Aufgrund des Umstandes, dass die Ärztin N eine Bestimmung des Blutzuckerwerts versäumt und deshalb - mangels Kenntnis vom Vorliegen einer schweren Hypoglykämie - die intravenöse Verabreichung einer Glucose-Lösung unterlassen habe, habe der durch die Insulingabe hervorgerufene Zustand der Hypoglykämie mit Bewusstlosigkeit rund 3,5 Stunden länger fortbestanden, als wenn der elementare medizinische Behandlungsstandard der Bestimmung des Blutzuckerwerts bei einem Bewusstlosen eingehalten worden wäre.
739
(12) Die Feststellungen zum weiteren Verlauf vom 01.06.2017 bis zum Tod des Geschädigten am 11.07.2017 beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugen N, S und P sowie auf den entsprechenden nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben der sachverständigen Zeugen G, B und M.
740
G behandelte den Geschädigten am 01.06.2017 als zuständige Ärztin in der Notaufnahme der Zentralambulanz des …Krankenhauses …. B war während des anschließenden stationären Krankenhausaufenthalts als Oberärztin für ihn zuständig. M war einer der behandelnden Ärzte des Geschädigten im …-Hospital.
741
(13) Die Feststellungen im Zusammenhang mit der Abreise des Angeklagten stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugen M und Sz.
742
(14) Die Feststellungen zu den psychischen Folgen für S und R basieren auf den entsprechenden glaubhaften Angaben dieser beiden Zeuginnen.
743
(15) Wie die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. Z überzeugend ausführte, lasse sich die Hypoglykämie des zuckerstoffwechselgesunden Geschädigten nur durch die Verabreichung von Insulin erklären (vgl. oben (11), S. 118). Sämtliche anderen denkbaren Ursachen könnten vorliegend ausgeschlossen werden.
744
(16) Im Hinblick auf die verabreichte Insulinmenge erachtete die Sachverständige Dr. R die Einlassung des Angeklagten, wonach er dem Geschädigten drei- bis viermal je 40 „mg“ Insulin verabreicht habe (vgl. oben II.2.d(4)(d), S. 87), aus toxikologischer Sicht als zumindest nicht unplausibel. Allerdings sei auf der Grundlage der vorhandenen Anknüpfungstatsachen eine Beurteilung aus toxikologischer Sicht nur eingeschränkt möglich.
745
(17) Die Feststellungen zur Tatzeit stützen sich auf die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Z und Dr. R.
746
(a) Die beiden Sachverständigen bekundeten übereinstimmend, dass aufgrund der sich aus den Zeugenangaben ergebenden gravierenden Zustandsverschlechterung des Geschädigten am 25.05.2017 zwischen 17:00 Uhr und 18:45 Uhr davon auszugehen sei, dass die Verabreichung des Insulins in diesem Zeitraum erfolgt sei.
747
(b) Dr. R führte weiter aus, dass bei therapeutischer Dosierung und subkutaner Injektion die Wirkung des Medikaments Gensulin M 30 (30/70) etwa dreißig Minuten nach der Verabreichung einsetze und ihren Höhepunkt zwischen der zweiten und achten Stunde erreiche. Im Falle einer Überdosierung sei es möglich, dass der Wirkungsverlauf hiervon im Einzelnen ein wenig abweiche, was sich jedoch nicht näher konkretisieren lasse. Im Falle einer intramuskulären Verabreichung sei wegen der schnelleren Resorption des Wirkstoffs von einem früheren Einsetzen der Wirkung und einem früheren Erreichen der maximalen Wirkung auszugehen.
748
(c) Unter Berücksichtigung der oben unter (b) gemachten Ausführungen spreche das vom Zeugen N beschriebene Zustandsbild des Geschädigten gegen 18:45 Uhr laut Dr. R aus toxikologischer Sicht dafür, dass die Verabreichung des Insulins kurz nach 17:00 Uhr erfolgt sei.
749
(18) Die Feststellungen zum Tatmotiv des Angeklagten beruhen auf einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Angeklagten (vgl. hierzu oben A.III.2., S. 12).
750
b. Die Einlassung des Angeklagten zur Tatzeit und zum Nachtatgeschehen lässt sich nicht ansatzweise mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen. Auch seine Angaben zum Verhalten des Geschädigten bei seiner Ankunft sowie zu seiner behaupteten Beschwerde gegenüber den Angehörigen des Geschädigten hinsichtlich dessen körperlicher Aggressivität sind durch die Ergebnisse der Beweisaufnahme widerlegt.
751
(1) Die Angaben des Angeklagten zur Tatzeit und zum Nachtatgeschehen stehen in krassem Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen.
752
(a) Der Angeklagte behauptete, dass er dem Geschädigten am ersten Abend seines Aufenthalts im Haushalt W 1 - dies wäre am 24.05.2017 - zwischen 20:00 Uhr und 21:00 Uhr Insulin verabreicht habe (vgl. oben II.2.d(3)(c), S. 85). Etwa ein bis zwei Stunden später habe er, der Angeklagte, ein Zittern beim Geschädigten festgestellt und daraufhin telefonisch den Rettungsdienst und die Angehörigen des Geschädigten verständigt, welche allesamt gegen 22:00 Uhr eingetroffen seien (vgl. oben II.2.d(3)(g), S. 85).
753
(b) Tatsächlich verabreichte der Angeklagte dem Geschädigten das Insulin jedoch am zweiten Tag seines Aufenthalts, dem 25.05.2017, kurz nach 17:00 Uhr. Gegen 17:00 Uhr hatte S ihren Vater verlassen und ihn in einer unauffälligen, in jeder Hinsicht seinem damaligen gesundheitlichen Allgemeinzustand entsprechenden Verfassung erlebt. Gegen 18:45 Uhr fand N seinen Vater mit einer gravierenden Bewusstseinsstörung im Bett liegend vor (vgl. oben B.I., S. 18 ff.).
754
Der Angeklagte verständigte weder den Rettungsdienst noch die Angehörigen. N suchte seinen Vater vielmehr eigeninitiativ auf und verständigte telefonisch seine Schwester S. Die Geschwister beschlossen daraufhin, umgehend den Rettungsdienst zu verständigen, woraufhin S gegen 19:20 Uhr einen entsprechenden Notruf absetzte. Der Angeklagte hingegen hatte in keiner Weise zur Verständigung des Rettungsdienstes beigetragen (vgl. oben B.I., S. 18 ff.).
755
Die Grundlagen für diese Feststellungen des Schwurgerichts wurden oben unter a. (S. 109 ff.) zusammengefasst skizziert.
756
(2) Die Angaben des Angeklagten zum Verhalten des Geschädigten bei der Ankunft des Angeklagten sind durch die Ergebnisse der Beweisaufnahme widerlegt.
757
(a) Der Angeklagte behauptete zu seiner Ankunft, dass W 1 ihn von sich weggestoßen habe. Zudem habe der Geschädigte versucht, seine Tochter ins Gesicht zu schlagen, welche jedoch ausgewichen sei (vgl. oben II.2.d(3)(b), S. 84).
758
(b) Diese Einlassung des Angeklagten ist durch die glaubhaften Angaben der Zeugin P widerlegt. Die Zeugin schilderte die Ereignisse bei der Ankunft des Angeklagten wie festgestellt (vgl. oben B.I., S. 18 ff.). Ein körperlich aggressives Verhalten des Geschädigten, wie vom Angeklagten behauptet, habe es demnach nicht gegeben.
759
(3) Auch die Angaben des Angeklagten zu seiner behaupteten Beschwerde gegenüber den Angehörigen des Geschädigten hinsichtlich dessen körperlicher Aggressivität sind durch die Ergebnisse der Beweisaufnahme widerlegt.
760
(a) Der Angeklagte behauptete, er habe die Angehörigen des Geschädigten darüber informiert, dass dieser ihn am ersten Abend seines Aufenthalts - dies wäre am 24.05.2017 - zunächst am Hemd gepackt und erfolglos versucht habe, ihn wegzustoßen. Danach habe der Geschädigte versucht, ihn mit der flachen Hand ins Gesicht zu schlagen. Er habe dem Schlag jedoch ausweichen können. Hierüber habe er die Angehörigen des Geschädigten informiert, die zwar angekündigt hätten zu kommen, dies jedoch letztlich nicht getan hätten (vgl. oben II.2.d(3)(b), S. 84).
761
(b) Diese Einlassung des Angeklagten ist durch die glaubhaften Angaben der Zeugen N, S und P widerlegt.
762
Demnach habe sich der Angeklagte am Morgen des 25.05.2017 bei N und am Mittag des 25.05.2017 bei S im Hinblick auf den Geschädigten nur darüber beschwert, dass er in der vorangegangenen Nacht mehrfach von diesem gerufen worden sei und deshalb habe aufstehen müssen.
763
Darüber hinaus habe der Angeklagte lediglich noch gegenüber N einen zu geringen Vorrat an Kartoffeln moniert, woraufhin S auf Bitten ihres Bruders am Mittag des 25.05.2017 Kartoffeln vorbeigebracht habe.
764
Eine Beschwerde, wie vom Angeklagten behauptet, habe es demnach nicht gegeben.
765
Gegenüber P, die am Morgen des 25.05.2017 in den Urlaub geflogen sei, habe der Angeklagte überhaupt keine Beschwerde angebracht.
766
a. Der oben unter B.II. (S. 25 ff.) festgestellte Sachverhalt beruht auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
767
(1) Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Geschädigten B stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben von dessen Hausärztin Dr. G sowie ergänzend auf die damit im Einklang stehenden Angaben der Zeuginnen Be und G B.
768
Übereinstimmend und glaubhaft bekundeten Dr. G sowie Be und G B insbesondere, dass B seit einem Sturz im Februar 2016 an Demenz gelitten habe und seither nicht mehr in der Lage gewesen sei zu sprechen.
769
(2) Die Feststellungen zur Persönlichkeit des Geschädigten fußen auf den insoweit übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeuginnen Be und G B sowie der (sachverständigen) Zeugin Dr. G.
770
Demnach sei B ein sehr freundlicher, zugewandter und friedfertiger Mensch gewesen, der sich auch im Zuge seiner Demenz-Erkrankung nie verbal oder körperlich aggressiv verhalten habe.
771
(3) Die Feststellungen im Zusammenhang mit der Ankunft des Angeklagten und dem Abendessen am 30.05.2017 sowie zu den Ereignissen am Morgen und Vormittag des 31.05.2017 beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin Be.
772
(4) Die Feststellungen zum Anruf des Angeklagten bei Be am 31.05.2017 gegen 16:00 Uhr / 16:30 Uhr, zu deren Rückkehr gegen 18:00 Uhr sowie zu dem von Be gegen 18:25 Uhr abgesetzten Notruf gründen sich ebenfalls auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin Be.
773
Die Zeugin bekundete insbesondere glaubhaft, dass sie ohne das nachdrückliche Drängen des Angeklagten, einen Arzt zu verständigen, nicht bereits gegen 18:25 Uhr einen Notruf abgesetzt hätte. Sie hätte vielmehr noch längere Zeit zugewartet und die weitere Entwicklung des Zustands ihres Vaters beobachtet. Sie habe eine tiefschlafphasenbedingte Müdigkeit ihres Vaters als Grund dafür vermutet, dass dieser auf den Weckversuch kaum eine Reaktion gezeigt habe. Deshalb habe sie eigentlich ihren Vater weiter im Bett liegen und sich ausruhen lassen wollen.
774
(5) Den Feststellungen zum Notarzteinsatz liegen die entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des Notarztes Dr. L zugrunde.
775
(6) Die Feststellungen zur Behandlung des Geschädigten im Klinikum … basieren auf den entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. F.
776
(7) Dass B keine erkennbaren Folgeschäden von der Hypoglykämie davontrug, stützt die Strafkammer auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin Be sowie auf die entsprechenden glaubhaften und schlüssigen Ausführungen der sachverständigen Zeugin Dr. G.
777
(8) Die Feststellungen zum Gespräch zwischen dem Angeklagten und G B kurz nach dem Abtransport des Geschädigten ins Krankenhaus beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin G B. Diese berichtete ferner in Übereinstimmung mit den Angaben ihrer Schwester über das Gespräch zwischen ihnen und dem Angeklagten am Abend des 31.05.2017.
778
(9) Die Feststellungen zu den Ereignissen im Zeitraum 01.06.2017 bis zur Abreise des Angeklagten am 03.06.2017 stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin Be. Diese berichtete ebenfalls glaubhaft über die von ihr am 05.06.2017 erhaltene WhatsApp-Nachricht.
779
(10) Die Feststellungen zum Kündigungsschreiben vom 03.06.2017 fußen auf der Verlesung der deutschen Übersetzung dieses Schreibens.
780
(11) Die Feststellungen zu dem ursprünglich von der Zeugin Be vermissten und später von ihr wieder aufgefundenen Bundesverdienstkreuz ihres Vaters basieren auf den glaubhaften Angaben der Zeugin Be. Insoweit wird umfassend auf die Ausführungen oben unter 1.e(2)(b), S. 101, verwiesen.
781
(12) Wie die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. Z überzeugend ausführte, lasse sich die Hypoglykämie des zuckerstoffwechselgesunden Geschädigten nur durch die Verabreichung von Insulin erklären. Sämtliche anderen denkbaren Ursachen könnten vorliegend ausgeschlossen werden.
782
(13) Die Sachverständige Dr. R legte überzeugend dar, dass sich aus der Dauer der erforderlichen Glucosegabe Rückschlüsse auf die Größenordnung der verabreichten Insulinmenge ziehen ließen.
783
(a) Demnach habe eine wissenschaftliche Publikation aus dem Jahr 2007 gezeigt, dass bei Insulinintoxikationen die verabreichte Insulinmenge mit der Dauer der danach benötigten Glucosegaben korreliere. Die durchschnittliche Dauer betrage 32 Stunden, wobei die Spannbreite von 12 Stunden bis zu 68 Stunden reiche.
784
(b) Dem Geschädigten B habe über einen Zeitraum von mindestens 12 Stunden Glucose verabreicht werden müssen. Diese Dauer liege somit im unteren Bereich der zu Insulinintoxikationen veröffentlichten wissenschaftlichen Daten. Angesichts dessen erscheine die vom Angeklagten angegebene Menge von zwei- bis drei Injektionen (vgl. oben II.2.d(4)(d), S. 87) - jedenfalls wenn man von der vom Angeklagten üblicherweise angegebenen Einzeldosis von 40 I.E. Insulin ausgehe - aus toxikologischer Sicht zumindest nicht unplausibel.
785
(14) Die Feststellungen zur Tatzeit stützen sich auf die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Z und Dr. R.
786
(a) Wie die beiden Sachverständigen übereinstimmend bekundeten, lasse sich aus der von der Zeugin Be berichteten telefonischen Mitteilung des Angeklagten am 31.05.2017 gegen 16:00 Uhr / 16:30 Uhr, wonach der Geschädigte nicht erweckbar sei, ableiten, dass die Verabreichung des Insulins wenige Stunden zuvor erfolgt sein müsse.
787
(b) Laut Dr. R sei eine Verabreichung des Insulins am frühen Nachmittag des 31.05.2017 etwa im Zeitraum 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr aus toxikologischer Sicht am wahrscheinlichsten. Eine weitergehende zeitliche Eingrenzung sei auch unter Berücksichtigung der oben unter 3.a(17)(b), S. 119, gemachten Ausführungen aus toxikologischer Sicht nicht möglich.
788
(15) Die Feststellungen zum Tatmotiv des Angeklagten beruhen auf einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Angeklagten (vgl. hierzu oben A.III.2., S. 12).
789
b. Die Einlassung des Angeklagten zur Tatzeit lässt sich nicht mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen. Auch seine Angaben zum Verhalten des Geschädigten und zu dessen Äußerungen sind durch die Ergebnisse der Beweisaufnahme widerlegt. Dasselbe gilt für den vom Angeklagten eingeräumten Diebstahl des Bundesverdienstkreuzes des Geschädigten. Insoweit belastete sich der Angeklagte zu Unrecht selbst.
790
(1) Die Angaben des Angeklagten zur Tatzeit stehen im Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen.
791
(a) Der Angeklagte behauptete, dass er dem Geschädigten „schon nach zwei Tagen am Abend“ Insulin injiziert habe (vgl. oben II.2.d(4)(d), S. 87).
792
(b) Tatsächlich verabreichte der Angeklagte dem Geschädigten das Insulin jedoch nicht am Abend, sondern am frühen Nachmittag des 31.05.2017 etwa im Zeitraum 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr. Gegen 16:00 Uhr / 16:30 Uhr forderte der Angeklagte Be telefonisch auf, nach Hause zu kommen, da ihr Vater im Bett liege und es dem Angeklagten nicht gelinge, ihn aufzuwecken. Gegen 18:25 Uhr erfolgte der Notruf durch Be (vgl. oben B.II., S. 25 ff.).
793
Die Grundlagen für diese Feststellungen des Schwurgerichts wurden oben unter a. (S. 122 ff.) zusammengefasst skizziert.
794
(2) Die Angaben des Angeklagten zum Verhalten des Geschädigten und zu dessen Äußerungen sind durch die Ergebnisse der Beweisaufnahme widerlegt.
795
(a) Der Angeklagte behauptete, B habe am Tag seiner, des Angeklagten, Ankunft seinen Vorgänger mit den Worten „Entweder du bleibst hier oder du brauchst nie wieder zu kommen!“ am Hemd gepackt (vgl. oben II.2.d(4)(b), S. 86).
796
Ferner behauptete der Angeklagte, B sei „sehr aufgebracht und etwas aggressiv gegenüber der Tochter“ gewesen, als sie am ersten Abend gemeinsam mit seinem Vorgänger am Tisch gesessen seien. B habe gegenüber seiner Tochter geäußert, dass er für die Pflegetätigkeit bezahle, weshalb er sich seine Betreuungskraft selbst aussuchen wolle. Er habe hinzugefügt, dass er eine weibliche Betreuungskraft wolle und nicht wieder eine männliche (vgl. oben II.2.d(4)(b), S. 86).
797
Darüber hinaus behauptete der Angeklagte, dass B ihn am zweiten Tag unter anderem „natürlich“ beschimpft habe (vgl. oben II.2.d(4)(c), S. 86).
798
(b) Die Behauptungen des Angeklagten hinsichtlich der Äußerungen des Geschädigten und dessen Beschimpfungen sind durch die übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeuginnen Be und G B sowie Dr. G widerlegt, wonach B seit einem Sturz im Februar 2016 nicht mehr in der Lage gewesen sei zu sprechen (vgl. oben a(1), S. 122).
799
Die Behauptung des Angeklagten, wonach B am ersten Abend „sehr aufgebracht und etwas aggressiv gegenüber der Tochter“ gewesen sei, als sie gemeinsam am Tisch gesessen seien, ist durch die Angaben der Zeugin Be widerlegt. Die Zeugin schilderte das Verhalten des Geschädigten beim gemeinsamen Abendessen am ersten Abend glaubhaft wie festgestellt.
800
Zudem bekundete die Zeugin Be glaubhaft, dass im Laufe der Jahre zahlreiche männliche und weibliche 24-Stunden-Betreuungskräfte für ihren Vater tätig gewesen seien, mit denen es keine Probleme gegeben habe. Weder der Geschädigte noch sie selbst habe eine Präferenz hinsichtlich des Geschlechts der Betreuungskraft gehabt.
801
(3) Der Angeklagte belastete sich zu Unrecht selbst, indem er wahrheitswidrig einräumte, „so etwas wie ein Verdienstkreuz, irgendein Kreuz, gestohlen“ zu haben (vgl. oben II.2.d(4)(g), S. 87). Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter 1.e(2), S. 101, umfassend Bezug genommen.
802
a. Der oben unter B.III. (S. 29 ff.) festgestellte Sachverhalt beruht auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
803
(1) Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Geschädigten stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben von dessen Hausarzt Dr. P sowie ergänzend auf die damit im Einklang stehenden Angaben der Zeugin G.
804
(2) Die Feststellungen zur Persönlichkeit des Geschädigten und dessen körperlicher Schwäche fußen auf den insoweit übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeuginnen G, S J, R sowie des (sachverständigen) Zeugen Dr. Kurt P.
805
Demnach sei M ein sehr freundlicher Mensch gewesen, der nie aus der Rolle gefallen sei. Auch im Zuge seiner Parkinson-Erkrankung habe er sich nie verbal oder körperlich aggressiv verhalten. Er sei nie beleidigend oder handgreiflich geworden.
806
Der Hausarzt Dr. P und G bekundeten ferner übereinstimmend und glaubhaft, dass der Geschädigte unabhängig von seinem freundlichen und friedfertigen Wesen im Juni 2017 aufgrund seiner krankheitsbedingten körperlichen Schwäche und motorischen Einschränkungen zu Handgreiflichkeiten wie etwa einem Faustschlag körperlich gar nicht mehr in der Lage gewesen wäre.
807
(3) Die Feststellungen im Zusammenhang mit der Ankunft des Angeklagten und der Verunreinigung des gemeinsam genutzten Badezimmers durch ihn am Abend des 25.06.2017 sowie am Morgen des 26.06.2017 beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin G.
808
Die Zeugin bekundete überdies glaubhaft, dass mehrere männliche und weibliche 24- Stunden-Betreuungskräfte für ihren Ehemann tätig gewesen seien, mit denen es keine Probleme gegeben habe. Weder der Geschädigte noch sie selbst habe eine Präferenz hinsichtlich des Geschlechts der Betreuungskraft gehabt.
809
(4) Die Feststellung, dass der Angeklagte am 27.06.2017 vor dem Mittagessen heimlich mindestens 3 mg Lorazepam (Tavor®) in Flüssigkeit, welche Cardiodoron®-Tropfen beinhaltete, auflöste und dem Geschädigten mit einem Esslöffel verabreichte, beruht auf den folgenden Beweismitteln und Erwägungen:
810
(a) Die Feststellungen zur Medikation des Geschädigten mit Cardiodoron®-Tropfen stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des Hausarztes Dr. P sowie auf die glaubhaften Angaben der Zeugin G. Letztere bekundete ferner glaubhaft, dass die Cardiodoron®-Tropfen dem Geschädigten üblicherweise unter Verwendung eines Teelöffels verabreicht worden seien.
811
(b) Den weiteren glaubhaften Angaben der Zeugin G zufolge habe ihr Ehemann geäußert, dass es diesmal aber mehr gewesen sei als sonst, als ihm der Angeklagte am Mittag des 27.06.2017 die Cardiodoron®-Tropfen verabreicht habe. In dieser Situation habe der Angeklagte einen Esslöffel in der Hand gehalten.
812
Wie die Zeugin G ferner glaubhaft berichtete, habe ihr Ehemann danach beim gemeinsamen Mittagessen so stark gelallt, dass sie ihn kaum verstanden habe. Die Zeugin habe einen Flüssigkeitsmangel als Ursache für das Lallen vermutet, da es ein heißer Sommertag gewesen sei und Flüssigkeitsmangel bereits einmal in der Vergangenheit zu einer ähnlichen Symptomatik bei dem Geschädigten geführt gehabt habe.
813
G erläuterte, dass sie es nicht für erforderlich gehalten habe, auf die Zustandsveränderung ihres Ehemannes sofort mit der Anforderung medizinischer Hilfe zu reagieren, da am Abend gegen 18:30 Uhr ohnehin der regelmäßige Hausbesuch des Hausarztes Dr. P beim Geschädigten vorgesehen gewesen sei.
814
(c) Die toxikologische Sachverständige Dr. R erläuterte, dass 30 Tropfen einer Flüssigkeitsmenge von 1,5 ml entsprächen. Auf einen handelsüblichen Teelöffel passe eine Flüssigkeitsmenge von 5 ml. Deshalb sei ein Teelöffel bei weitem ausreichend, um die dem Geschädigten verordnete Dosis von 30 Cardiodoron®-Tropfen zu verabreichen.
815
(d) Dr. R legte ferner dar, dass in einer dem Geschädigten am 27.06.2017 gegen 22:30 Uhr entnommenen Blutprobe der zur Stoffgruppe der Benzodiazepine gehörende Wirkstoff Lorazepam (Tavor®) in einer Konzentration von 20 µg/l nachgewiesen worden sei. Die nachgewiesene Konzentration entspreche der Aufnahme von 2 mg Lorazepam.
816
(e) Der Hausarzt Dr. P bekundete glaubhaft und nachvollziehbar, dass der Wirkstoff Lorazepam nicht zu den regelmäßig vom Geschädigten einzunehmenden Medikamenten gehört habe. Der Notarzt Dr. N gab glaubhaft und schlüssig an, dass er am 27.06.2017 um 21:13 Uhr alarmiert worden sei und bei seinem Einsatz von etwa 21:25 Uhr bis gegen 22:30 Uhr dem Geschädigten kein Lorazepam verabreicht habe.
817
(f) Wie die Sachverständige Dr. R erläuterte, liege es aus toxikologischer Sicht nahe, dass die von der Zeugin G beschriebene lallende Aussprache des Geschädigten beim Mittagessen am 27.06.2017 auf die Aufnahme des Wirkstoffs Lorazepam zurückzuführen sei. Lorazepam habe neben einer sedierenden Wirkung auch eine muskelentspannende Wirkung, welche zwanglos geeignet sei, eine lallende Aussprache zu erklären. Dies spreche aus toxikologischer Sicht dafür, dass M den Wirkstoff Lorazepam vor dem Mittagessen aufgenommen habe.
818
Laut Dr. R lasse sich der geschmacksneutrale Wirkstoff Lorazepam problemlos heimlich verabreichen, indem man die in Tablettenform erhältliche Substanz beispielsweise in Flüssigkeit auflöse.
819
Die Halbwertszeit von Lorazepam betrage 9 bis 16 Stunden. Dies bedeute, dass im Falle einer Aufnahme des Wirkstoffs vor dem Mittagessen am 27.06.2017 bis zur Entnahme der Blutprobe gegen 22:30 Uhr die Wirkstoffkonzentration im Körper des Geschädigten durch den zwischenzeitlich erfolgten körpereigenen Wirkstoffabbau über einen Zeitraum von rund zehn Stunden bereits um rund ein Drittel bis um rund die Hälfte gesunken sei. Angesichts der nachgewiesenen Wirkstoffkonzentration von 20 µg/l Lorazepam, was der Aufnahme von 2 mg Lorazepam entspreche, sei demnach davon auszugehen, dass M am 27.06.2017 zur Mittagszeit 3 bis 4 mg des Wirkstoffs Lorazepam aufgenommen habe.
820
Im ambulanten Bereich liege die maximale Tagesdosis für ältere Patienten bei 2 mg Lorazepam. Damit handle es sich bei der dem Geschädigten verabreichten Menge von 3 bis 4 mg Lorazepam um die 1,5- bis 2-fache Menge der maximalen Tagesdosis für ältere Patienten im ambulanten Bereich.
821
(g) Wie die Sachverständige Prof. Dr. Z darlegte, liege es auch aus rechtsmedizinischer Sicht nahe, dass die von der Zeugin G beschriebene lallende Aussprache des Geschädigten beim Mittagessen am 27.06.2017 auf die muskelentspannende Wirkung des Wirkstoffs Lorazepam zurückzuführen sei.
822
Wenn man annehme, dass M am 27.06.2017 zur Mittagszeit mindestens 3 mg Lorazepam aufgenommen habe (vgl. oben (f)), sei aufgrund der sedierenden Wirkung der Substanz und unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich mindestens um die 1,5-fache Menge der maximalen Tagesdosis für ältere Patienten im ambulanten Bereich gehandelt habe (vgl. oben (f)), davon auszugehen, dass M am 27.06.2017 zwischen 15:30 Uhr und 16:10 Uhr zumindest stark sediert und jedenfalls in seiner Wahrnehmungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen sei.
823
Weitergehende Aussagen zum Zustand des Geschädigten seien der rechtsmedizinischen Sachverständigen zufolge hingegen mangels entsprechender Anknüpfungstatsachen nicht möglich. Insbesondere könne nicht gesagt werden, ob M trotz seiner erheblich eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit in der Lage gewesen sei, einen etwaigen Angriff auf sein Leben zu erkennen. Auch könne keine Aussage darüber getroffen werden, ob seine Wahrnehmungsfähigkeit so stark eingeschränkt gewesen sei, dass er sich in einem der Bewusstlosigkeit vergleichbaren Zustand der Benommenheit befunden habe.
824
(h) Die von großer Sachkunde getragenen Ausführungen der sehr erfahrenen Sachverständigen Prof. Dr. Z und Dr. R waren überzeugend, widerspruchsfrei und gingen von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus.
825
(i) Nach einer Gesamtwürdigung der oben unter (a) bis (g) dargelegten Beweisergebnisse gelangte das Schwurgericht zu der Überzeugung, dass der Angeklagte dem Geschädigten M am 27.06.2017 vor dem Mittagessen mindestens 3 mg des in Tablettenform erhältlichen Wirkstoffs Lorazepam verabreichte, indem er die den Wirkstoff enthaltenden Tabletten heimlich in Flüssigkeit auflöste und diese dem Geschädigten mit einem Esslöffel verbreichte. Bei der vom Angeklagten verwendeten Flüssigkeit handelte es sich entweder um eine größere Menge als die dem Geschädigten verordneten 30 Tropfen des Medikaments Cardiodoron® oder um 30 Tropfen dieses Medikaments, welchen der Angeklagte Wasser hinzufügte.
826
(5) Die Feststellungen zu den Ereignissen am Nachmittag des 27.05.2017 beruhen auf den entsprechenden Angaben der Zeugin G.
827
Demnach habe sich der Angeklagte nach dem Mittagessen im Wohnzimmer auf die Couch gelegt und geschlafen, als gegen 14:00 Uhr der Mitarbeiter eines Sanitätshauses eingetroffen sei, um den Bettlifter im 1. Obergeschoss auszutauschen. Ihren Angaben zufolge habe sie, G, den Angeklagten geweckt und aufgefordert, dem Sanitätshausmitarbeiter beim Tragen des Bettlifters über die Treppe behilflich zu sein. Der Angeklagte habe dies jedoch abgelehnt und behauptet, dass er das nicht könne.
828
Die Zeugin G berichtete ferner, dass ihr Ehemann am Nachmittag des 27.06.2017 in seinem Rollstuhl auf der Terrasse gesessen sei. Die Terrasse grenze unmittelbar an das Wohnzimmer im Erdgeschoss des Hauses an. Sie, G, habe ihrem Ehemann eine Tasse mit frisch zubereitetem Kaffee hingestellt, bevor sie ihn mit dem Angeklagten allein gelassen und sich von 15:30 Uhr bis 16:10 Uhr zum Einkaufen außer Haus begeben habe.
829
Als sie vom Einkaufen zurückgekehrt sei, sei ihr Ehemann nach wie vor in seinem Rollstuhl auf der Terrasse gesessen. Irritiert habe sie festgestellt, dass die von ihr zuvor hingestellte Tasse Kaffee unverändert gefüllt gewesen sei. Ferner habe die Zeugin laut ihren Angaben bemerkt, dass sich der Zustand des Geschädigten zwischenzeitlich auffällig verschlechtert habe. M habe kraftlos gewirkt und seine Augen immer wieder geschlossen gehalten.
830
Die Zeugin bekundete, dass sie ihren Ehemann noch nie in einem solchen Zustand erlebt habe, weshalb sie schließlich gegen 17:15 Uhr in der Praxis ihres Hausarztes Dr. P angerufen und den Arzt gebeten habe, seinen geplanten Hausbesuch wegen der schlechten gesundheitlichen Verfassung des Geschädigten vorzuziehen. Hierbei habe sie ihre Vermutung geäußert, dass ihr Ehemann möglicherweise unter einem Flüssigkeitsmangel leide.
831
Wie die Zeugin G weiter angab, habe sie anschließend auf entsprechende telefonische Anweisung des Hausarztes gemeinsam mit dem Angeklagten den Geschädigten in sein Bett im 1. Obergeschoss des Hauses verbracht, wo dieser für sie nicht mehr ansprechbar gewesen sei.
832
Die Angaben der Zeugin G waren glaubhaft. Es bestand kein Anlass, den Wahrheitsgehalt ihrer ruhig und sachlich gemachten Angaben in Zweifel zu ziehen.
833
(6) Die Feststellungen im Zusammenhang mit dem Anruf von G in der Hausarztpraxis Dr. P gegen 17:15 Uhr stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugen G und Dr. P.
834
(7) Die Feststellungen zu den zwei Hausbesuchen des Hausarztes Dr. P beruhen auf dessen entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben.
835
(8) Die Feststellungen zu dem Zeitraum zwischen den zwei Hausbesuchen von Dr. P basieren auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin G. Die Zeugin berichtete insbesondere, dass sie vom Angeklagten wiederholt aufgefordert worden sei, ein „Krankenauto“ zu rufen. Mit ihrer Erwiderung, dass sie zunächst den zweiten Besuch des Hausarztes abwarten wolle, habe sich der Angeklagte zufriedengegeben. Im weiteren Verlauf habe er wiederholt geäußert, dass der Geschädigte nun aber wirklich in ein Krankenhaus müsse. Seine Einschätzung habe der Angeklagte jedoch nicht begründet und auch sonst nichts hierzu mitgeteilt.
836
Wie die Zeugin G weiter glaubhaft bekundete, habe der Angeklagte auch geäußert, dass er jetzt einen Krankenwagen rufen würde. Jedoch habe er keinerlei Anstalten gemacht, zu einem Telefon zu greifen und selbst einen entsprechenden Notruf abzusetzen. Als sie erneut erwidert habe, dass sie zunächst den zweiten Besuch des Hausarztes abwarten wolle, habe sich der Angeklagte wiederum damit zufriedengegeben. Bei seinen Äußerungen habe er zwar durchaus besorgt, aber weder aufgeregt noch beunruhigt geklungen.
837
(9) Die Feststellungen zu dem von Dr. P gegen 21:10 Uhr abgesetzten Notruf und den weiteren vom Arzt in die Wege geleiteten Maßnahmen gründen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben des (sachverständigen) Zeugen Dr. P.
838
(10) Den Feststellungen zum Notarzt- und Rettungsdiensteinsatz liegen die entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des Notarztes Dr. N sowie die glaubhaften Angaben der Rettungskräfte L und R zugrunde.
839
(11) Die Feststellungen zur Behandlung des Geschädigten im Krankenhaus … basieren auf den entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. S.
840
(12) Dass M keine erkennbaren Folgeschäden von der Hypoglykämie davontrug und am 23.09.2018 an den Folgen seiner Parkinson-Erkrankung verstarb, stützt die Strafkammer auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin G sowie auf die entsprechenden glaubhaften und schlüssigen Ausführungen des sachverständigen Zeugen Dr. P.
841
(13) Die Feststellungen zur Abreise des Angeklagten gründen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin G.
842
(14) Die Feststellungen zur Auffindung diverser Utensilien für Insulin-Injektionen in einer Regalablage im Wohnzimmer oberhalb des Fernsehers beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin J sowie des Spurensicherungsbeamten KHK R.
843
(15) Die Feststellung, dass es sich bei den aufgefundenen Utensilien für Insulin-Injektionen um die vom Angeklagten bei der Tat zum Nachteil des Geschädigten M verwendeten Tatwerkzeuge handelt, beruht auf den folgenden Beweismitteln und Erwägungen:
844
(a) Dass die aufgefundenen Utensilien dem Angeklagten gehörten, schließt die Strafkammer aus Folgendem:
845
Es wurden leere Patronen des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) aufgefunden. Dabei handelt es sich um dasjenige Insulin-Präparat des Herstellers IBA BIOTON, welches dem Angeklagten von seinem behandelnden Arzt in …, K, zur Behandlung seiner Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 2 verschrieben worden war (vgl. hierzu oben B., S. 14 ff.).
846
Patronen dieses Insulin-Präparats wurden auch beim Angeklagten anlässlich seiner Festnahme (vgl. oben B.VIII. am Ende, S. 50 ff.) sowie im Kühlschrank der vom Angeklagten mit seinen Eltern bewohnten Wohnung in … (vgl. oben B.VIII. am Ende, S. 50 ff.) aufgefunden.
847
Der aufgefundene Insulin-Pen und der aufgefundene leere Blister tragen den Aufdruck des Herstellers IBA BIOTON.
848
Wie sich aus den glaubhaften Angaben des Spurensicherungsbeamten KHK R sowie aus den widerspruchsfreien und überzeugenden Ausführungen des daktyloskopischen Sachverständigen EKHK M vom Kommissariat 92 des Polizeipräsidiums München und der DNA-Sachverständigen W von Eurofins Medigenomix Forensik ergibt, seien an der im Insulin-Pen eingesetzten Patrone eine Fingerspur des Angeklagten und am Insulin-Pen, am leeren Blister sowie am Wundtupfer DNA-Material des Angeklagten nachgewiesen worden.
849
(b) Dass die aufgefundenen Utensilien vom Angeklagten bei der Tat zum Nachteil des Geschädigten M verwendet wurden, wird nicht zuletzt dadurch belegt, dass am Insulin-Pen, am leeren Blister sowie am Wundtupfer DNA-Material des Geschädigten nachgewiesen worden sei, wie sich den glaubhaften Angaben des Spurensicherungsbeamten KHK R sowie den widerspruchsfreien und überzeugenden Ausführungen der DNA-Sachverständigen W entnehmen lässt.
850
(16) Dass der Geschädigte bei der Verabreichung des Insulins durch den Angeklagten in seinem Rollstuhl auf der Terrasse saß, schließt die Strafkammer aus dem Umstand, dass G ihren Ehemann dort zurückließ, als sie sich um 15:30 Uhr zum Einkaufen außer Haus begab, und ihn bei ihrer Rückkehr um 16:10 Uhr dort wieder antraf (vgl. oben (5), S. 129). Gestützt wird diese Schlussfolgerung dadurch, dass die Tatwerkzeuge des Angeklagten in dem unmittelbar an die Terrasse angrenzenden Wohnzimmer im Erdgeschoss des Hauses aufgefunden wurden (vgl. oben (14) und (15)).
851
(17) Die Feststellungen zur verabreichten Insulinmenge beruhen auf den Ausführungen der toxikologischen Sachverständigen Dr. R.
852
(a) Laut Dr. R sei die dem Geschädigten am 27.06.2017 gegen 22:30 Uhr entnommene Blutprobe durch das Labor B in … unter anderem auf Insulin und C-Peptid untersucht worden. Hierbei seien ein massiv erhöhter Insulinwert von mehr als 600 mU/l - dies entspreche mehr als 21 ng/ml - sowie ein deutlich erniedrigter CPeptid-Wert von 0,21 µg/l gemessen worden.
853
(b) Wie die toxikologische Sachverständige erläuterte, lasse sich dieser Untersuchungsbefund nur durch die exogene Zufuhr einer massiven Überdosis Insulin erklären.
854
Bei der körpereigenen Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse werde die Vorstufe des Insulins, das Proinsulin, zu gleichen Teilen in die beiden Bestandteile Insulin und C-Peptid aufgespalten. Da die Halbwertszeit von C-Peptid mit dreißig Minuten jedoch deutlich länger sei als diejenige von Insulin mit drei bis fünf Minuten, sei bei körpereigener Insulinproduktion stets mehr C-Peptid als Insulin im Blut vorhanden und nachweisbar.
855
Die Konstellation eines hohen Insulinwerts in Kombination mit einem sehr niedrigen C-Peptid-Wert sei deshalb nur durch eine exogene Insulinzufuhr zu erzielen.
856
Eine Insulinkonzentration von mehr als 600 mU/l bzw. 21 ng/ml belege, dass eine erhebliche Überdosis Insulin verabreicht worden sei.
857
(c) Dr. R legte ferner ihre anhand des Studiums wissenschaftlicher Publikationen gewonnenen Erkenntnisse zur Korrelation von verabreichter Insulinmenge und nachgewiesener Insulinkonzentration im Blut dar.
858
Demnach führe die Verabreichung von 1 I.E. Insulin zu einer Insulin-Konzentration von 0,1 ng/ml im Blut. Die Gabe von 40 I.E. Insulin erzeuge dementsprechend eine Insulin-Konzentration im Blut von 4 ng/ml. Vier Injektionen zu je 40 I.E. Insulin hätten somit eine Insulin-Konzentration von 16 ng/ml zur Folge.
859
Wie die toxikologische Sachverständige erläuterte, bezögen sich die dargelegten Angaben auf die subkutane Injektion von Insulin, da dies die übliche Applikationsform sei.
860
(d) Ausgehend von den oben unter (c) dargelegten wissenschaftlichen Erkenntnissen sei es laut Dr. R ausgeschlossen, durch weniger als vier Injektionen zu je 40 I.E. Insulin die beim Geschädigten nachgewiesene Insulin-Konzentration von mehr als 21 ng/ml zu erzielen.
861
Angesichts dessen, dass vier subkutane Injektionen zu je 40 I.E. Insulin auch nur eine Insulin-Konzentration von 16 ng/ml hervorriefen (vgl. oben (c)), lasse sich das Untersuchungsergebnis von mehr als 21 ng/ml Insulin im Blut des Geschädigten Mdurch vier Injektionen zu je 40 I.E. Insulin aber auch nur dann erklären, wenn diese nicht allesamt, der üblichen Applikationsform entsprechend, subkutan, sondern teilweise auch intramuskulär erfolgt seien.
862
Wie die Sachverständige erläuterte, finde bei einer intramuskulären Injektion eine wesentlich schnellere Resorption des Insulins statt, was zwangsläufig mit einem deutlichen Anstieg der Wirkstoffkonzentration im Blut einhergehe.
863
160 I.E. - entsprechend vier Injektionen zu je 40 I.E. - sei somit die Mindestmenge Insulin, welche bei einer teilweise subkutanen und teilweise intramuskulär erfolgten Injektion geeignet sei, den Untersuchungsbefund des Geschädigten Mzu erklären.
864
(e) Die von großer Sachkunde getragenen Ausführungen der sehr erfahrenen Sachverständigen Dr. R waren überzeugend, widerspruchsfrei und gingen von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus.
865
(f) Die Einlassung des Angeklagten, wonach er dem Geschädigten M zwei- bis dreimal je 40 „mg“ Insulin (vgl. oben II.2.d(2)(c), S. 84) verabreicht habe, ist somit durch die oben unter (a) bis (d) dargelegten Ausführungen der toxikologischen Sachverständigen Dr. R widerlegt.
866
(18) Die Feststellungen zur Tatzeit stützen sich auf die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Z und Dr. R.
867
(a) Die beiden Sachverständigen bekundeten übereinstimmend, dass aufgrund der sich aus den Angaben der Zeugin G ergebenden auffälligen Zustandsverschlechterung des Geschädigten am 27.06.2017 zwischen 15:30 Uhr und 16:10 Uhr davon auszugehen sei, dass die Verabreichung des Insulins in diesem Zeitraum erfolgt sei.
868
(b) Laut Dr. R sei aus toxikologischer Sicht auch unter Berücksichtigung der oben unter 3.a(17)(b), S. 119, gemachten Ausführungen eine weitergehende Eingrenzung der Tatzeit nicht möglich.
869
(19) Die Feststellungen zum Tatmotiv des Angeklagten beruhen auf einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Angeklagten (vgl. hierzu oben A.III.2., S. 12).
870
b. Die Einlassung des Angeklagten zur Tatzeit, Tatsituation und verabreichten Insulinmenge lassen sich nicht ansatzweise mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen.
871
(1) Die Angaben des Angeklagten zur Tatzeit und Tatsituation stehen in krassem Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen.
872
(a) Der Angeklagte behauptete, dass er dem Geschädigten „am nächsten Tag“, mithin am zweiten Tag seines Aufenthalts - dies wäre am 26.06.2017 -, „gegen 09:00 Uhr / 10:00 Uhr in der Früh“ Insulin verabreicht habe. M sei zu diesem Zeitpunkt in seinem Zimmer in seinem Bett - dies wäre im 1. Obergeschoss des Hauses - gelegen (vgl. oben II.2.d(2)(c), S. 84).
873
(b) Tatsächlich verabreichte der Angeklagte dem Geschädigten das Insulin jedoch erst am dritten Tag seines Aufenthalts, dem 27.06.2017, zwischen 15:30 Uhr und 16:10 Uhr. M saß hierbei in seinem Rollstuhl auf der Terrasse, die unmittelbar an das Wohnzimmer im Erdgeschoss des Hauses angrenzt (vgl. oben B.III., S. 29 ff.).
874
Die Grundlagen für diese Feststellungen des Schwurgerichts wurden oben unter a. (S. 126 ff.) zusammengefasst skizziert.
875
(2) Die Angaben des Angeklagten zu der von ihm verabreichten Insulinmenge sind - wie oben unter a(17)(f), S. 133, dargelegt - durch die Ausführungen der toxikologischen Sachverständigen Dr. R widerlegt.
876
a. Der oben unter B.IV. (S. 34 ff.) festgestellte Sachverhalt beruht auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
877
(1) Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Geschädigten H 1stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben von dessen Hausarzt Dr. R.
878
(2) Die Feststellungen zum Inhalt des von I verfassten Merkblatts und zur Ankunft des Angeklagten beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin I. Dass eine Datei dieses Merkblatts auf dem Laptop des Angeklagten abgespeichert gewesen sei und dort von den Ermittlungsbehörden habe gesichert werden können, berichtete glaubhaft der Zeuge KHK P.
879
(3) Dass die Vorgängerin des Angeklagten im gesamten Zeitraum ihrer Anwesenheit nur selten etwas von der nächtlichen Unruhe des Geschädigten mitbekommen habe, bekundete glaubhaft die Zeugin I.
880
Die Feststellung, dass sich der Angeklagte durch die nächtliche Unruhe und Aktivität des Geschädigten in der Nacht auf den 29.08.2017 in seiner eigenen Nachtruhe erheblich gestört fühlte, stützt die Strafkammer auf eine vom Angeklagten in … Sprache verfasste WhatsApp-Nachricht vom 29.08.2017 um 13:44 Uhr an Ch von der Vermittlungsagentur „S“, die in deutscher Übersetzung zur Verlesung kam. Darin schrieb der Angeklagte unter anderem, dass er „schlafen gehen“ müsse, weil er in der vorangegangenen Nacht acht Mal „zum Patienten“ habe aufstehen müssen und nun übermüdet sei.
881
(4) Die Feststellungen zum Anruf des Angeklagten bei I am 30.08.2017 gegen 01:50 Uhr basieren auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin I.
882
(5) Die Feststellungen zu den Telefonaten von R um 01:54 Uhr mit L sowie um 01:59 Uhr mit dem Angeklagten am Festnetzanschluss des Geschädigten gründen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben des Zeugen R, die vom Zeugen L bestätigt wurden, soweit sie das mit ihm geführte Telefonat betreffen.
883
(6) Dass der Notruf vom Angeklagten abgesetzt wurde, schließt die Strafkammer daraus, dass nach den glaubhaften Angaben der einvernommenen Zeugen keiner von ihnen einen Notruf abgesetzt habe. Gestützt wird diese Schlussfolgerung durch die Angaben der Zeugen R und Ll, wonach der Angeklagte die Frage, ob der Notarzt verständigt sei, ihnen gegenüber jeweils bejaht habe.
884
(7) Die Feststellungen zum Zustand des Geschädigten beim Eintreffen von L beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Bekundungen des Zeugen L.
885
(8) Den Feststellungen zum Notarzteinsatz liegen die entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des Notarztes Dr. N zugrunde.
886
(9) Die Feststellungen zur Behandlung des Geschädigten im Krankenhaus … basieren auf den entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. P.
887
(10) Die Feststellungen, dass H 1aus ärztlicher Sicht keine erkennbaren Folgeschäden von der Hypoglykämie davontrug und am 21.09.2019 verstarb, stützt die Strafkammer auf die entsprechenden glaubhaften und schlüssigen Ausführungen des sachverständigen Zeugen Dr. R.
888
Die Zeugin I berichtete glaubhaft, dass sich H 1seit seiner Entlassung aus dem Krankenhaus am 06.08.2017 allerdings hartnäckig und dauerhaft geweigert habe, sich in sein Bett zu legen, und seitdem auf der Eckbank in seinem Wohnzimmer geschlafen habe.
889
Übereinstimmend und glaubhaft bekundeten die Zeugen I und Dr. R, dass H 1 keine bewusste Erinnerung an die Ereignisse am Abend des 29.08.2017 gehabt habe.
890
(11) Die Feststellungen zu den Ereignissen am Vormittag des 30.08.2017 basieren auf den entsprechenden glaubhaften Angaben des Zeugen L.
891
(12) Die Feststellungen im Zusammenhang mit der Abreise des Angeklagten gründen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin I.
892
(13) Die Feststellungen zur Kündigung des Angeklagten fußen auf dem an die Vermittlungsagentur „S“ gerichteten Kündigungsschreiben des Angeklagten vom 01.09.2017, welches in deutscher Übersetzung zur Verlesung kam.
893
(14) Wie die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. Z überzeugend ausführte, lasse sich die Hypoglykämie des zuckerstoffwechselgesunden Geschädigten nur durch die Verabreichung von Insulin erklären. Sämtliche anderen denkbaren Ursachen könnten vorliegend ausgeschlossen werden.
894
(15) Die toxikologische Sachverständige Dr. R verwies darauf, dass sich - wie oben unter
4. a(13), S. 123, dargelegt - aus der Dauer der erforderlichen Glucosegabe Rückschlüsse auf die Größenordnung der verabreichten Insulinmenge ziehen ließen.
895
Beim Geschädigten H 1 sei die Verabreichung von Glucose über einen Zeitraum von 19 Stunden erforderlich gewesen. Diese Dauer liege somit im unteren Bereich der zu Insulinintoxikationen veröffentlichten wissenschaftlichen Daten (vgl. hierzu 4.a(13)(a), 5. 123).
896
Angesichts dessen erscheine die Einlassung des Angeklagten, wonach er dem Geschädigten zwei- oder dreimal je 40 „mg“ Insulin verabreicht habe (vgl. oben II.2.d(1)(c), S. 81), aus toxikologischer Sicht zumindest nicht unplausibel.
897
(16) Die Feststellungen zur Tatzeit stützen sich auf die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Z und Dr. R.
898
Die beiden Sachverständigen bekundeten übereinstimmend, dass aufgrund des sich aus den Zeugenangaben ergebenden Zustandsbilds des Geschädigten am 30.08.2017 gegen 02:00 Uhr davon auszugehen sei, dass die Verabreichung des Insulins in den Stunden zuvor erfolgt sei.
899
Laut Dr. R sei der vom Angeklagten angegebene Tatzeitraum am 29.08.2017 zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr (vgl. oben II.2.d(1)(c), S. 81) aus toxikologischer Sicht unter Berücksichtigung der oben unter 3.a(17)(b), S. 119, gemachten Ausführungen zumindest nicht unplausibel.
900
(17) Die Feststellungen zum Tatmotiv des Angeklagten beruhen auf einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Angeklagten (vgl. hierzu oben A.III.2., S. 12).
901
b. Die Einlassung des Angeklagten zum aggressiven Verhalten des Geschädigten H 1 ähnelt seinen Einlassungen zu anderen Fällen in auffälliger Weise und ist schon deshalb nicht plausibel. Zudem stehen seine entsprechenden Angaben in anderen Fällen in krassem Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen oder sind hierdurch sogar unmittelbar widerlegt.
902
(1) Der Angeklagte behauptete, H 1 habe ihn am zweiten Tag seines Aufenthalts mit der Faust ins Gesicht geschlagen und von ihm verlangt, dass er „abhauen“ solle, weil der Geschädigte lieber eine weibliche Betreuungskraft haben wolle (vgl. oben II.2.d(1)(b), S. 81).
903
(2) Der Angeklagte behauptete auch in den Fällen W 1 und M Schläge oder zumindest Schlagversuche der Geschädigten. Diese Behauptungen stehen in krassem Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen oder sind hierdurch sogar unmittelbar widerlegt.
904
(a) Im Fall W 1 behauptete der Angeklagte, bei seiner Ankunft habe der Geschädigte versucht, seine Tochter - mithin die Zeugin P - ins Gesicht zu schlagen. Diese sei jedoch ausgewichen (vgl. oben II.2.d(3)(b), S. 84).
905
Diese Behauptung des Angeklagten ist durch die glaubhaften Angaben der Zeugin P widerlegt (vgl. oben 3.a(2), S. 109).
906
Ferner behauptete der Angeklagte, der Geschädigte habe am ersten Abend versucht, ihn mit der flachen Hand ins Gesicht zu schlagen. Er habe dem Schlag jedoch ausweichen können (vgl. oben II.2.d(3)(b), S. 84).
907
Diese Behauptung des Angeklagten ist schon deshalb unglaubhaft, da sie ein identisches Verhalten des Geschädigten wie gegenüber seiner Tochter mit einer identischen Reaktion beinhaltet und die entsprechenden Angaben des Angeklagten bezüglich der Tochter des Geschädigten - wie oben dargelegt - widerlegt sind.
908
(b) Im Fall M behauptete der Angeklagte, der Geschädigte habe ihn mit der Faust in den Bauch geschlagen (vgl. oben II.2.d(2)(b), S. 83, und II.2.d(2)(d), S. 84), nachdem er dies zuvor bereits einmal erfolglos versucht gehabt habe (vgl. oben II.2. d(2)(b), S. 83).
909
Diese Behauptung des Angeklagten lässt sich mit den Ergebnissen der Beweisaufnahme nicht ansatzweise in Einklang bringen. Demnach habe sich M nie verbal oder körperlich aggressiv verhalten. Unabhängig davon wäre er im Juni 2017 aufgrund seiner krankheitsbedingten körperlichen Schwäche und motorischen Einschränkungen zu einem Faustschlag körperlich auch gar nicht mehr in der Lage gewesen (vgl. oben 5.a(2), S. 126).
910
(3) Dass der Geschädigte lieber eine weibliche Betreuungskraft gehabt hätte, behauptete der Angeklagte auch in den Fällen B und M. Diese Behauptungen sind widerlegt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war N der einzige der Geschädigten, der eine entsprechende Äußerung tätigte.
911
(a) Im Fall B behauptete der Angeklagte, der Geschädigte habe gegenüber seiner Tochter am ersten Tag geäußert, dass er für die Pflegetätigkeit bezahle, weshalb er sich seine Betreuungskraft selbst aussuchen wolle. Der Geschädigte habe hinzugefügt, dass er eine weibliche Betreuungskraft wolle und nicht wieder eine männliche (vgl. oben II.2.d(4)(b), S. 86).
912
Wie oben unter 4.b(2), S. 125, dargelegt, ist diese Behauptung des Angeklagten widerlegt. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.
913
(b) Im Fall M behauptete der Angeklagte, der Geschädigte habe keine Männer im Haus geduldet, weil er im Hinblick auf seine Ehefrau eifersüchtig gewesen sei und deshalb eine weibliche Pflegekraft gewollt habe (vgl. oben II.2.d(2)(b), S. 83).
914
Diese Behauptung des Angeklagten ist durch die glaubhaften Angaben der Zeugin G widerlegt, wonach weder der Geschädigte noch sie selbst eine Präferenz hinsichtlich des Geschlechts der Betreuungskraft gehabt habe (vgl. oben 5.a(3), S. 126).
915
(c) N war der einzige der Geschädigten, der eine Äußerung in Bezug auf die Präferenz einer weiblichen Betreuungskraft tätigte.
916
Beim ersten gemeinsamen Abendessen richtete N in Gegenwart des Angeklagten an dessen Vorgängerin die Bitte, dass diese nicht abreisen, sondern weiterhin als seine 24-Stunden-Betreuungskraft bei ihm bleiben möge, und fügte hinzu, dass er ohnehin eine weibliche Betreuungskraft bevorzuge.
917
Dieser Äußerung des Geschädigten war vorausgegangen, dass sich der Angeklagte geweigert hatte, N beim Spaziergang mit dem Rollstuhl in ein Ladengeschäft hineinzufahren, und danach mit konfrontativem Auftreten behauptet hatte: „Ich Pfleger. Und ich sage, was gemacht wird!“ (vgl. oben B.VII., S. 45 ff., und unten 9.i., S. 148).
918
Der oben unter B.V. (S. 38 ff.) festgestellte Sachverhalt beruht auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
919
a. Die Feststellungen zu den Verträgen des Angeklagten vom 28.11.2017 mit der Agentur „D24“ und vom 14.12.2017 mit der Agentur „M24“ beruhen auf den Verlesungen der deutschen Übersetzungen dieser Verträge.
920
b. Die Feststellungen zu dem von der Vermittlungsagentur „H24“ vorgesehenen Einsatz des Angeklagten aufgrund des Vertrages vom 28.11.2017 und der kurzfristigen Änderung im Hinblick auf den Einsatz bei H 2 stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben des Zeugen P, des Inhabers der Agentur „H24“.
921
c. Dass die 24-Stunden-Betreuungstätigkeit des Angeklagten im Haushalt G sich nach der ursprünglichen Planung maßgeblich auch auf den noch wesentlich hilfsbedürftigeren Ehemann der Geschädigten G erstrecken sollte, welcher jedoch am 08.12.2017 verstarb, bekundete glaubhaft der Zeuge M.
922
d. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Geschädigten G gründen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin C und die damit im Einklang stehenden nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben der Hausärztin der Geschädigten, P.
923
e. Die Feststellungen zu der Ankunft des Angeklagten und seiner hierbei geäußerten Beschwerde über den fehlenden Internetzugang fußen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin C.
924
f. Die Feststellungen zur telefonischen Zimmerreservierung durch den Angeklagten am 15.12.2017 um 14:34 Uhr für den Zeitraum 17. bis 19.12.2017 basieren auf den Angaben des Zeugen KHK S vom Landeskriminalamt …, der glaubhaft die entsprechenden polizeilichen Ermittlungsergebnisse darlegte.
925
g. Die Feststellungen zum Einkauf von M mit dem Angeklagten am 15.12.2017 und zu der hierbei vorgebrachten Beschwerde des Angeklagten über den fehlenden Internetzugang fußen auf den entsprechenden glaubhaften Bekundungen des Zeugen M.
926
h. Die Feststellungen zu der Buchung einer Busfahrt für den 17.12.2017 durch den Angeklagten per E-Mail am 16.12.2017 um 02:05 Uhr beruhen auf der verlesenen deutschen Übersetzung der entsprechenden E-Mail sowie auf den entsprechenden Angaben des Zeugen KHK S, der die Ergebnisse der hierzu geführten polizeilichen Ermittlungen glaubhaft erläuterte.
927
Dass der Angeklagte über einen mobilen Internetzugang verfügte, ergibt sich schon daraus, dass er in der Lage war, die entsprechende E-Mail zu versenden, obwohl es im Haushalt G keinen Internetzugang gab. Gestützt wird diese Schlussfolgerung durch die glaubhaften Angaben des Spurensicherungsbeamten KOK B, wonach sich in dem vom Angeklagten bei seiner polizeilichen Festnahme am 12.02.2017 mitgeführten Gepäck ein mobiler WLANRouter befunden habe.
928
i. Die Feststellungen zu dem Telefonat des Angeklagten am 16.12.2017 gegen 07:45 Uhr mit der Zeugin C stützen sich auf deren entsprechende glaubhafte Angaben.
929
j. Die Feststellungen zum Notruf des Angeklagten basieren auf den entsprechenden glaubhaften Angaben des Zeugen KHK S.
930
k. Die Feststellungen zum First Responder- und Rettungsdiensteinsatz beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugen T, H und M.
931
l. Die Feststellungen zur Behandlung der Geschädigten in der Asklepios Klinik … gründen sich auf die entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben der sachverständigen Zeugen Dr. J, Dr. E und Dr. H.
932
m. Dass G keine erkennbaren Folgeschäden von der Hypoglykämie davontrug, stützt die Strafkammer auf die entsprechenden, insoweit übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugen C, M und P. Die Zeugin C berichtete auch über den Tod der Geschädigten am 15.05.2020.
933
n. Die Feststellungen im Zusammenhang mit der Abreise des Angeklagten beruhen auf den entsprechenden Angaben des Zeugen KHK S, der die diesbezüglichen polizeilichen Ermittlungsergebnisse glaubhaft darlegte. Ergänzend berichtete der Zeuge M glaubhaft über das Abhandenkommen der Schachtel mit etwa 160 Euro Bargeld aus dem vom Angeklagten bewohnten Zimmer.
934
o. Wie die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. Z überzeugend ausführte, lasse sich die Hypoglykämie der zuckerstoffwechselgesunden Geschädigten nur durch die Verabreichung von Insulin erklären. Sämtliche anderen denkbaren Ursachen könnten vorliegend ausgeschlossen werden.
935
p. Die toxikologische Sachverständige Dr. R verwies darauf, dass sich - wie oben unter 4.a(13), S. 123, dargelegt - aus der Dauer der erforderlichen Glucosegabe Rückschlüsse auf die Größenordnung der verabreichten Insulinmenge ziehen ließen.
936
(1) Bei der Geschädigten G sei die Verabreichung von Glucose über einen Zeitraum von 7 Stunden erforderlich gewesen. Diese Dauer liege somit unterhalb der Spannbreite der zu Insulinintoxikationen veröffentlichten wissenschaftlichen Daten (vgl. hierzu 4.a(13)(a), S. 123), was für eine - relativ betrachtet - eher geringere Insulinmenge spreche.
937
Der Angeklagte habe angegeben, das Insulin entweder „am Nacken“ oder in den Oberarm injiziert zu haben, und sich an die verabreichte Insulinmenge nicht mehr zu erinnern (vgl. oben II.2.c(4)(c), S. 79).
938
In Zusammenschau mit dem Umstand, dass sich der Zustand der Geschädigten innerhalb kürzester Zeit zwischen 07:45 Uhr und 08:00 Uhr gravierend verschlechtert und G gegen 08:00 Uhr einen Blutzuckerwert von 33 mg/dl sowie eine gravierende Bewusstseinsstörung aufgewiesen habe, spreche die relativ kurze Dauer der anschließend benötigten Glucosegabe für eine schnelle Resorption des Insulins und einen damit einhergehenden starken Anstieg der Wirkstoffkonzentration, gefolgt von einem relativ schnellen Wirkstoffabbau. Dieser Verlauf sei typisch für eine intramuskuläre Verabreichung.
939
(2) Die Sachverständige Prof. Dr. Z teilte diese Einschätzung aus rechtsmedizinischer Sicht und legte dar, dass am Nacken unmittelbar unter der Haut die Muskelschicht gelegen sei, weshalb eine dort lokalisierte Injektion in aller Regel intramuskulär erfolge.
940
(3) Ausgehend von der Einlassung des Angeklagten sowie den oben unter (1) und (2) dargelegten Ausführungen der beiden Sachverständigen gelangte die Strafkammer zu der Überzeugung, dass die Insulin-Injektion in den Nacken der Geschädigten erfolgte, zumal der Fall G der einzige war, in welchem der Angeklagte den Nacken als (mögliche) Injektionsstelle benannte (vgl. oben II.2.c(4)(c), S. 799).
941
Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Insulin-Pen des Angeklagten eine Maximaldosis von 40 I.E. vorsieht (vgl. hierzu oben B., S. 14 ff., und 2.e., S. 109) und der Angeklagte in seinen Einlassungen, soweit er Angaben zur Einzeldosis machte, stets von 40 „mg“ Insulin sprach (vgl. oben zum Fall W 2: II.2.c(1)(a), S. 70, zum Fall H 1: II.2. d(1)(c), S. 81, zum Fall M: II.2.d(2)(c), S. 84, und zum Fall W 1: II.2.d(3)(c), S. 85), gelangte die Strafkammer zu der Schlussfolgerung, dass der Angeklagte der Geschädigten G eine Injektion à 40 I.E. Insulin intramuskulär in den Nacken verabreichte.
942
q. Die Feststellungen zur Tatzeit stützen sich auf die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Z und Dr. R.
943
(1) Wie die beiden Sachverständigen übereinstimmend bekundeten, lasse sich aus den Zeugenbeschreibungen zum Zustandsbild der Geschädigten gegen 07:45 Uhr und gegen 08:00 Uhr ableiten, dass die Verabreichung des Insulins relativ zeitnah vor 07:45 Uhr erfolgt sein müsse.
944
(2) Laut Dr. R sei unter Berücksichtigung der oben unter 3.a(17)(b), S. 119, gemachten Ausführungen sowie des Umstands der intramuskulären Verabreichung (vgl. oben p.) eine Verabreichung des Insulins am 16.12.2017 etwa im Zeitraum 06:15 Uhr bis 07:15 Uhr aus toxikologischer Sicht am wahrscheinlichsten. Eine weitergehende zeitliche Eingrenzung sei aus toxikologischer Sicht nicht möglich.
945
r. Die Feststellungen zum Tatmotiv des Angeklagten beruhen auf einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Angeklagten (vgl. hierzu oben A.III.2., S. 12).
946
a. Der oben unter B.VI. (S. 41 ff.) festgestellte Sachverhalt beruht auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
947
(1) Die Feststellungen zu dem Vertrag des Angeklagten vom 28.11.2017 mit der Agentur „D24“ beruhen auf der Verlesung der deutschen Übersetzung dieses Vertrags.
948
(2) Die Feststellungen zu dem von der Vermittlungsagentur „H24“ vorgesehenen Einsatz des Angeklagten aufgrund des Vertrages vom 28.11.2017 und der kurzfristigen Änderung im Hinblick auf den Einsatz bei H 2 stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben des Zeugen P, des Inhabers der Agentur „H24“.
949
(3) Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Geschädigten H 2 stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben von dessen Hausärztin R sowie ergänzend auf die damit im Einklang stehenden Angaben des Zeugen G.
950
(4) Die Feststellungen zur Anreise des Angeklagten mit dem Busunternehmen „M-Trans“ basieren auf den entsprechenden glaubhaften Angaben des Zeugen KHK P (vgl. hierzu oben 1.e(1)(b) i., S. 99).
951
(5) Die Feststellungen im Zusammenhang mit der Ankunft des Angeklagten im Haushalt des Geschädigten gründen sich auf die ausweislich des verlesenen Vernehmungsprotokolls gemachten Angaben der zwischenzeitlich verstorbenen Zeugin P. Dass die Zeugin am 19.09.2019 in … verstorben sei, berichtete glaubhaft der Zeuge KHK P (vgl. oben 1.e(1)(c), S. 100).
952
(6) Die Feststellungen zum Besuch von C am Nachmittag des 20.12.2017 fußen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin C.
953
(7) Die Feststellung, dass der Angeklagte erfolglos versuchte, den versperrten Tresor im Keller mit Gewalt zu öffnen, beruht auf einer Gesamtwürdigung der nachfolgenden Beweismittel.
954
(a) Die Polizeibeamten KHKin Ca und PK H berichteten übereinstimmend und glaubhaft, dass sie am 26.03.2018 das Haus des Geschädigten nach Beweismitteln abgesucht hätten. Hierbei hätten sie im Keller einen Tresor aufgefunden, der zwar versperrt, jedoch beschädigt gewesen sei. Das am Zahlenschloss angebrachte Batteriefach sei geöffnet gewesen und die Batterie, die nur noch über eines von zwei Stromkabeln mit dem Zahlenschloss verbunden gewesen sei, sei außen an der Tresortür herabgehangen. Vom Zustand des beschädigten Tresors hat sich die Strafkammer anhand von Lichtbildern, die vom Zeugen PK H erläutert wurden, einen unmittelbaren Eindruck verschafft.
955
PK H bekundete ferner glaubhaft, dass vom Tresorgriff ein als Asservat 6 bezeichneter DNA-Abrieb gefertigt und zur DNA-Untersuchung an das Landeskriminalamt … übersandt worden sei. Für eine Vergleichsuntersuchung seien ferner das mit der Bezeichnung ….y anonymisierte DNA-Muster des Angeklagten sowie ein als Asservat 11 bezeichneter Mundschleimhautabstrich der Zeugin P übersandt worden.
956
(b) Die DNA-Sachverständige Dr. S vom Landeskriminalamt … legte sachkundig und nachvollziehbar dar, dass die Untersuchung des als Asservat 6 bezeichneten DNA-Abriebs eine Mischspur ohne deutlich abgrenzbare Hauptkomponente erbracht habe, welche sich auf mindestens vier Spurenverursacher zurückführen lasse. Darin sei das DNA-Merkmalmuster der mit ….y anonymisierten Person - mithin des Angeklagten - vollständig enthalten gewesen. Um dieses Ergebnis einer biostatistischen Beurteilung zu unterziehen, sei für die am Tresorgriff gesicherte Mischspur der RMNE (Random Man Not Excluded, Einschlusschance) berechnet worden.
957
Die RMNE-Berechnung gebe die Häufigkeit an, dass eine zufällig aus der Bevölkerung ausgewählte Person als Mitverursacher der untersuchten DNA-Mischspur nicht ausgeschlossen werden könne. Mit anderen Worten ausgedrückt, bedeute dies, dass mit der RMNE-Berechnung die Größe einer Gruppe abgeschätzt werde, in der sich eine Person befinde, die zufällig ein DNA-Merkmalmuster aufweise, welches sich - wie vorliegend das DNA-Merkmalmuster des Angeklagten - vollständig in dem DNA-Merkmalmuster der untersuchten Mischspur wiederfinde.
958
Der Sachverständigen zufolge habe sich unter Heranziehung der Frequenztabellen für die europäische Bevölkerung aus der Datenbank STRidER und unter Anwendung der Berechnungssoftware „Statistefix“ für das Merkmalmuster der am Tresorgriff gesicherten Mischspur ein RMNE-Wert von 1:116.000 ergeben.
959
Demgegenüber sei laut Dr. S die Person, der das Asservat 11 zugeordnet sei - mithin die Zeugin P - als Spurenmitverursacher auszuschließen.
960
(c) Die Zeugin C bekundete glaubhaft, dass sie letztmals im Herbst 2016 mit dem ihr bekannten Zahlencode den Tresor im Keller geöffnet habe, um den Ersatzschlüssel für das Auto des Geschädigten herauszuholen. Damals habe sie den Tresor unbeschädigt vorgefunden und ihn ebenso hinterlassen.
961
(d) Nach einer Gesamtwürdigung der oben unter (a) bis (c) dargestellten Beweisergebnisse gelangte die Strafkammer zu der Überzeugung, dass der Angeklagte erfolglos versuchte, den versperrten Tresor im Keller mit Gewalt zu öffnen, indem er das am Zahlenschloss angebrachte Batteriefach öffnete, eines von zwei Stromkabeln zwischen Batterie und Zahlenschloss abriss und den Griff an der Tresortür gewaltsam betätigte.
962
(8) Hinsichtlich der festgestellten Reihenfolge, wonach der Angeklagte zunächst auf seiner Suche nach stehlenswertem Gut im Haus den erfolgslosen Versuch der gewaltsamen Tresoröffnung unternahm und anschließend unter anderem aus Verärgerung über die misslungene Tresoröffnung dem Geschädigten Insulin verabreichte, wird auf die Ausführungen oben unter 1.f(1)(b), S. 103, Bezug genommen.
963
(9) Den Feststellungen zum Anruf des Angeklagten bei C am 21.12.2017 um kurz vor 04:00 Uhr liegen die entsprechenden glaubhaften Bekundungen der Zeugin C zugrunde.
964
(10) Die Feststellungen zum Notruf des Angeklagten um 03:57 Uhr beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin KHKin Ca.
965
(11) Den Feststellungen zum Notarzt- und Rettungsdiensteinsatz liegen die entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des Notarztes Dr. G sowie die glaubhaften Angaben des Fahrers des Notarzteinsatzfahrzeugs, S, sowie der Rettungskräfte G und K zugrunde.
966
(12) Die Feststellungen zur Behandlung des Geschädigten im Krankenhaus … basieren auf den entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben der sachverständigen Zeugen K und Dr. D.
967
(13) Die Feststellungen im Zusammenhang damit, dass die medizinische Notfallsituation und der hierdurch bedingte Krankenhausaufenthalt zu einer zunehmenden Verschlechterung des Allgemeinzustands und einschneidenden Wesensveränderung beim Geschädigten führten, stützen sich auf die entsprechenden übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugen G und C. Erstgenannter bekundete ferner glaubhaft, dass sein Vater am 02.01.2020 verstorben sei.
968
(14) Die Feststellungen zu den Telefonaten des Angeklagten am 21.12.2017 um 04:42 Uhr und 04:48 Uhr sowie zur Aufforderung von C-Ai an den Angeklagten, C ins Krankenhaus zu begleiten, beruhen auf den entsprechenden Angaben des Zeugen KHK P, der glaubhaft über die diesbezüglichen Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen berichtete.
969
(15) Die Feststellungen im Zusammenhang mit dem Krankenhausbesuch der Zeugin C in Begleitung des Angeklagten am Nachmittag des 21.12.2017 fußen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin C.
970
(16) Im Hinblick auf die Feststellungen zur Organisation der Abreise durch den Angeklagten wird auf die Ausführungen oben unter 1.e(1)(b), S. 99, Bezug genommen.
971
(17) Die Feststellungen zur Mitnahme von zwei Packungen Waschpulver aus dem Haushalt des Geschädigten durch den Angeklagten gründen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin C.
972
(18) Wie die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. Z überzeugend ausführte, lasse sich die Hypoglykämie des zuckerstoffwechselgesunden Geschädigten nur durch die Verabreichung von Insulin erklären. Sämtliche anderen denkbaren Ursachen könnten vorliegend ausgeschlossen werden.
973
(19) Die toxikologische Sachverständige Dr. R verwies darauf, dass sich - wie oben unter 4.a(13), S. 123, dargelegt - aus der Dauer der erforderlichen Glucosegabe Rückschlüsse auf die Größenordnung der verabreichten Insulinmenge ziehen ließen.
974
Beim Geschädigten H 2 sei die Verabreichung von Glucose über einen Zeitraum von 8 Tagen bzw. rund 190 Stunden erforderlich gewesen. Diese Dauer liege somit weit oberhalb der Spannbreite der zu Insulinintoxikationen veröffentlichten wissenschaftlichen Daten (vgl. hierzu 4.a(13)(a), S. 123). Mit 190 Stunden sei der Wert fast dreimal so hoch wie der obere Wert der Spannbreite von 68 Stunden.
975
Der Angeklagte habe in seiner Einlassung von drei oder vier Injektionen Insulin gesprochen, die er dem Geschädigten verabreicht habe (vgl. oben II.2.c(3)(c), S. 76). Unter Zugrundelegung der vom Angeklagten in anderen Fällen angegebenen Einzeldosis von 40 „mg“, mithin 40 I.E., Insulin seien die vom Angeklagten (auch) angegebenen vier Injektionen die Mindestanzahl an Injektionen, von der im Fall H 2aus toxikologischer Sicht auszugehen sei.
976
(20) Die Feststellungen zur Tatzeit stützen sich auf die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Z und Dr. R.
977
(a) Wie die beiden Sachverständigen übereinstimmend bekundeten, sei aufgrund des sich aus den Zeugenangaben ergebenden Zustandsbilds des Geschädigten am 21.12.2017 gegen 04:00 Uhr von einer Verabreichung des Insulins wenige Stunden zuvor auszugehen.
978
(b) Laut Dr. R sei aus toxikologischer Sicht am wahrscheinlichsten, dass die Verabreichung des Insulins in der Nacht auf den 21.12.2017 vor 03:00 Uhr erfolgt sei. Eine weitergehende zeitliche Eingrenzung sei auch unter Berücksichtigung der oben unter 3.a(17)(b), S. 119, gemachten Ausführungen aus toxikologischer Sicht nicht möglich.
979
(21) Die Feststellungen zum Tatmotiv des Angeklagten beruhen auf einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Angeklagten (vgl. hierzu oben A.III.2., S. 12).
980
b. In seiner Einlassung belastete sich der Angeklagte zu Unrecht selbst und bestätigte nicht den Tatsachen entsprechende Vorhalte und Vorwürfe des Vernehmungsbeamten.
981
(1) Wie oben unter 1.e(1), S. 98, dargelegt, belastete sich der Angeklagte zu Unrecht selbst, indem er einen längeren Vorhalt des Vernehmungsbeamten bestätigte, wonach er schon vor der Tat den Bus für seine Rückfahrt bestellt habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht jedoch fest, dass er den Bus für die Rückfahrt erst nach der Tat bestellte. Insoweit legte der Angeklagte mithin ein überschießendes Geständnis ab. Auf die Ausführungen oben unter 1.e(1), S. 98, wird umfassend Bezug genommen.
982
(2) Wie oben unter 1.f. (S. 102) erörtert, bestätigte der Angeklagte darüber hinaus Vorhalte und Vorwürfe des Vernehmungsbeamten KHK P, obwohl diese nicht den Tatsachen entsprachen. Allerdings machte der Angeklagte hierzu jeweils selbst keine eigenen Angaben, welche als tragfähige geständige Einlassung gewertet werden könnten.
983
Zum einen bestätigte der Angeklagte die vom Vernehmungsbeamten geäußerte Vermutung hinsichtlich der Reihenfolge der Insulinverabreichung und Durchsuchung des Hauses, welche jedoch - wie oben unter 1.f(1)(b), S. 103, dargelegt - nach der Überzeugung der Strafkammer nicht plausibel ist.
984
Zum anderen bestätigte der Angeklagte die von KHK P geäußerte Auffassung, dass es dem Angeklagten bei der Verabreichung von Insulin an den Geschädigten auch um die Vermeidung einer Vertragsstrafe gegangen sei. Dies steht jedoch im Widerspruch zur eigenen Einlassung den Angeklagten an anderen Stellen (vgl. oben 1.f(2)(c), S. 104, und 1.f(2)(d), S. 105) sowie zum Ergebnis der Beweisaufnahme (vgl. oben 1.f(2)(e), S. 105). Auf die Ausführungen oben unter 1.f. (S. 102) wird umfassend Bezug genommen.
985
(3) Beides ist nach der Überzeugung des Schwurgerichts sowohl Ausdruck des Bemühens des Angeklagten, den Vernehmungsbeamten KHK P als Repräsentanten der Ermittlungsbehörden auf diese Weise für sich einzunehmen, als auch Ausdruck einer gewissen Bequemlichkeit des Angeklagten (vgl. hierzu oben 1.e(3), S. 102).
986
Der oben unter B.VII. (S. 45 ff.) festgestellte Sachverhalt beruht auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
987
a. Dass der Angeklagte ab 15.01.2018 auf bis dahin wegen besonderer Eilbedürftigkeit lediglich mündlich erfolgter Vertragsabsprache als 24-Stunden-Betreuungskraft für N eingesetzt wurde, entnimmt die Strafkammer den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin A.
988
b. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Geschädigten stützen sich auf die entsprechenden nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben von dessen Hausarzt Dr. B sowie auf die damit im Einklang stehenden glaubhaften Angaben der Zeugen M und F.
989
c. Die Feststellungen zu den Wohnverhältnissen, zur Organisation der 24-Stunden-Betreuung für den Geschädigten sowie zur Zufriedenheit der Familie N mit der Betreuungskraft K beruhen auf den entsprechenden, insoweit übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugen M und F.
990
d. Den Feststellungen zur nächtlichen Unruhe des Geschädigten liegen die entsprechenden, insoweit übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugen F und M sowie M zugrunde. Die beiden Letztgenannten äußerten sich zudem übereinstimmend und glaubhaft entsprechend den getroffenen Feststellungen zur Häufigkeit der nächtlichen Einsätze der Zeugin K beim Geschädigten.
991
e. Die Feststellungen zur Urlaubsvertretung hinsichtlich der 24-Stunden-Betreuung im Januar 2018 basieren auf den insoweit übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeuginnen M, K und A.
992
f. Die Feststellungen zur Operation des Geschädigten am 11.01.2018 im Krankenhaus … stützen sich auf die entsprechenden nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. B, der die Operation durchführte.
993
g. Die Feststellungen zur körperlichen Überforderung der Betreuungskraft Malgorzata Kowal beruhen auf den entsprechenden, insoweit übereinstimmenden und glaubhaften Angaben der Zeuginnen M und A.
994
h. Die Feststellungen im Zusammenhang mit dem Facebook-Chat zwischen Ko und dem Angeklagten gründen sich auf die entsprechenden Angaben des Zeugen KHK B, der glaubhaft über die diesbezüglichen polizeilichen Ermittlungsergebnisse berichtete.
995
i. Den Feststellungen zu der Ankunft des Angeklagten, dem Wortwechsel zwischen dem Geschädigten und dem Angeklagten nach der Rückkehr vom gemeinsamen Spaziergang sowie zu den Gesprächen und Äußerungen beim gemeinsamen Abendessen liegen die entsprechenden glaubhaften, übereinstimmenden Angaben der Zeugen M und F zugrunde.
996
j. Die Feststellungen zum Vier-Augen-Gespräch am Abend des 15.01.2018 zwischen M und dem Geschädigten sowie zu dessen Zustand am Morgen des 16.01.2018 fußen auf den entsprechenden, glaubhaften Angaben der Zeugin M. Deren weitere glaubhafte Angaben über ihr Telefonat mit A am Morgen des 16.01.2018 wurden von der Zeugin A bestätigt.
997
k. Die Feststellungen zum Besuch von G am Nachmittag des 16.01.2018 beruhen auf den entsprechenden, glaubhaften Angaben der Zeugin G.
998
l. Die Feststellungen, dass N am Abend des 16.01.2018 gegen 21:15 Uhr in der Gaststube in seinem Rollstuhl einschlief, nur schwer wieder erweckbar und anschließend benommen war sowie später auf der Rampe zum Aufzug mit dem Oberkörper kraftlos nach vorne kippte, basieren auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin M. Der Zeuge F gab glaubhaft an, dass er den zweiten Vorfall ebenfalls beobachtet habe, und bestätigte die diesbezüglichen Angaben seiner Ehefrau.
999
m. Die Feststellungen zur Tatzeit hinsichtlich der Verabreichung des Insulins stützen sich auf die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Z und Dr. R.
1000
(1) Wie die beiden Sachverständigen übereinstimmend bekundeten, lasse sich aus den Zeugenangaben zum Zustandsbild des Geschädigten am 17.01.2018 gegen 07:30 Uhr und im weiteren Verlauf ableiten, dass die Verabreichung des Insulins wenige Stunden zuvor erfolgt sein müsse.
1001
(2) Laut Dr. R sei eine Verabreichung des Insulins in den frühen Morgenstunden des 17.01.2018 etwa im Zeitraum 04:30 Uhr bis 06:30 Uhr aus toxikologischer Sicht am wahrscheinlichsten. Eine weitergehende zeitliche Eingrenzung sei auch unter Berücksichtigung der oben unter 3.a(17)(b), S. 119, gemachten Ausführungen aus toxikologischer Sicht nicht möglich.
1002
n. Die Feststellungen, dass der Angeklagte dem Geschädigten am Abend des 16.01.2018 insgesamt 30 mg Zopiclon verabreichte und ihm bereits am Vorabend heimlich eine unbekannte Menge einer unbekannten zentralwirksamen Substanz, wie etwa das Schlafmittel Zopiclon, zugeführt hatte, beruhen auf den Ausführungen der toxikologischen Sachverständigen Dr. R sowie auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
1003
(1) Dr. R legte dar, dass in einer Blutprobe, die dem Geschädigten im Rahmen der Obduktion am 15.03.2018 aus der Oberschenkelvene entnommen worden sei, das Schlafmittel Zopiclon in einer Konzentration von 55 µg/l nachgewiesen worden sei. Diese Wirkstoffkonzentration liege im Bereich der maximalen Plasmakonzentration von 60 µg/l, welche bei der Aufnahme der therapeutischen Dosis von 7,5 mg Zopiclon erzielt werde. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass sowohl zu Lebzeiten als auch postmortal ein Wirkstoffabbau stattgefunden hätten, weshalb die ursprünglich aufgenommenen Wirkstoffmenge vorliegend deutlich größer gewesen sein müsse (vgl. hierzu nachfolgend (2)).
1004
Im Hinblick auf die therapeutische Dosis von 7,5 mg Zopiclon wies die toxikologische Sachverständige darauf hin, dass dies zugleich die maximale Tagesdosis des zentraldämpfenden Medikaments Zopiclon darstelle, welches üblicherweise unmittelbar vor dem Schlafengehen zur Nacht eingenommen werde.
1005
(2) Wie Dr. R erläuterte, liege es aus toxikologischer Sicht nahe, dass die von der Zeugin M beschriebenen Auffälligkeiten hinsichtlich des Zustands des Geschädigten am Abend des 16.01.2018 (vgl. hierzu oben l., S. 148) auf die Aufnahme einer Überdosis des Wirkstoffs Zopiclon und dessen zentraldämpfende Wirkung zurückzuführen seien. Dies spreche aus toxikologischer Sicht für eine Wirkstoffaufnahme am Abend des 16.01.2018.
1006
(a) Die Halbwertszeit des Wirkstoffs Zopiclon betrage bei älteren Menschen rund sieben Stunden, weshalb laut Dr. R davon auszugehen sei, dass in den frühen Morgenstunden des 17.01.2018 die Konzentration des Wirkstoffs Zopiclon im Körper des Geschädigten bereits auf etwa die Hälfte der ursprünglich vorhandenen maximalen Wirkstoffkonzentration gesunken gewesen sei.
1007
(b) Während des Sterbeprozesses am Vormittag des 17.01.2018 bis zum Todeseintritt gegen 13:15 Uhr sowie postmortal sei der toxikologischen Sachverständigen zufolge hingegen von einem wesentlich geringeren und langsameren Wirkstoffabbau auszugehen. Die Mindestabbaumenge, welche für die Sterbephase sowie für die postmortale Zeit unter Berücksichtigung einer rund achtwöchigen Liegezeit des Leichnams im Erdgrab mit Sicherheit zugrunde gelegt werden könne, sei etwa die Hälfte des Wirkstoffs. Demnach sei davon auszugehen, dass die Wirkstoffkonzentration im Körper des Geschädigten am Morgen des 17.01.2018 rund doppelt so hoch gewesen sei wie das Messergebnis.
1008
(c) Wenn man die oben unter (a) und (b) dargelegten Ergebnisse gemeinsam würdige, lasse sich Dr. R zufolge hieraus ableiten, dass dem Geschädigten am Abend des 16.01.2018 (mindestens) 30 mg Zopiclon - und damit die vierfache Menge der therapeutischen Tagesdosis - verabreicht worden seien.
1009
(d) Die von der Zeugin M beschriebenen Auffälligkeiten hinsichtlich des Zustands des Geschädigten am Abend des 16.01.2018 (vgl. hierzu oben l., S. 148) ließen sich gut mit einer vorangegangenen, ebenfalls am Abend des 16.01.2018 erfolgten, überdosierten Verabreichung des zentraldämpfenden Wirkstoffs Zopiclon in Einklang bringen.
1010
(e) In den frühen Morgenstunden des 17.01.2018 etwa im Zeitraum 04:30 Uhr bis 06:30 Uhr sei die verbleibende Wirkstoffkonzentration im Körper des Geschädigten demnach - trotz des zwischenzeitlich erfolgten körpereigenen Wirkstoffabbaus - immer noch etwa doppelt so hoch gewesen wie die Wirkstoffkonzentration im Falle der Verabreichung der therapeutischen - und zugleich maximalen - Tagesdosis des Medikaments. Deshalb sei aus toxikologischer Sicht davon auszugehen, dass der Wirkstoff Zopiclon in diesem Zeitraum weit über das therapeutische Maß hinausgehende chemische, zentraldämpfende Wirkungen entfaltet habe.
1011
(3) Die Sachverständige Prof. Dr. Z legte dar, dass auf der Grundlage der oben unter (2)(e) dargelegten Erwägungen aus rechtsmedizinischer Sicht davon auszugehen sei, dass N in den frühen Morgenstunden des 17.01.2018 etwa im Zeitraum 04:30 Uhr bis 06:30 Uhr geschlafen habe und sein Schlaf durch die über das therapeutische Maß hinausgehenden zentraldämpfenden Wirkungen des verabreichten Schlafmittels Zopiclon aufrechterhalten worden sei.
1012
(4) Dass der Angeklagte dem Geschädigten am Abend des 16.01.2018 das Zopiclon heimlich verabreichte, schließt das Schwurgericht aus einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände sowie der nachfolgenden Beweisergebnisse.
1013
(a) Der Hausarzt Dr. B bekundete nachvollziehbar und glaubhaft, dass er dem Geschädigten im November 2017 zweimal eine Packung Zopiclon 7,5 mg als Schlafmedikation verschrieben habe. Eine Testphase dieser Medikation habe jedoch gezeigt, dass hierdurch die nächtliche Unruhe des Geschädigten nicht beseitigt worden sei, weshalb die Medikation nicht fortgeführt worden sei.
1014
Die Zeugin M bestätigte diese Angaben und ergänzte glaubhaft, dass sie dem Geschädigten letztmals vor Weihnachten 2017 das Medikament Zopiclon verabreicht habe.
1015
(b) Wie der Zeuge KHK B glaubhaft berichtete, habe sich bei der Auswertung des Facebook-Accounts des Angeklagten ein von ihm in … Sprache geführter Chat mit K gefunden, welcher in die deutsche Sprache übersetzt worden sei. Ausweislich der gefertigten Übersetzungen habe der Angeklagte laut KHK B am 22.04.2017 um 16:52 Uhr folgende Nachricht verfasst:
„Wenn sie nicht brav ist, dann gib ihr Zopiclon und sie wird schlafen. Zerdrücke zwei Tabletten im Joghurt und reiche es ihr.“
1016
(5) Wie Dr. R erläuterte, liege es aus toxikologischer Sicht nahe, dass auch die von der Zeugin M beschriebenen Auffälligkeiten hinsichtlich des Zustands des Geschädigten am Morgen des 16.01.2018 (vgl. hierzu oben j., S. 148) auf die Aufnahme einer zentralwirksamen Substanz zurückzuführen seien, da sie hierfür typisch seien. Welche Substanz dem Geschädigten am Vorabend verabreicht worden sei, lasse sich mangels entsprechender Anknüpfungstatsachen aus toxikologischer Sicht nicht belegen.
1017
Insbesondere ließen die Ergebnisse der im Rahmen der Obduktion am 15.03.2018 entnommenen Blutprobe (vgl. oben (1), S. 149) insoweit keinen Rückschluss zu, da davon auszugehen sei, dass noch zu Lebzeiten ein vollständiger Wirkstoffabbau seit der Substanzaufnahme am Abend des 15.01.2018 erfolgt sei.
1018
Zwanglos vorstellbar, allerdings nicht belegbar sei, dass es sich auch bei der am Abend des 15.01.2018 verabreichten Substanz bereits um den Wirkstoff Zopiclon gehandelt habe. Jedoch kämen prinzipiell auch diverse andere zentraldämpfende Substanzen in Betracht. Zur aufgenommenen Menge des zentraldämpfenden Wirkstoffs seien auf dieser Grundlage naturgemäß keine Aussagen möglich.
1019
(6) Wie die Sachverständige Prof. Dr. Z darlegte, seien auch aus rechtsmedizinischer Sicht die von der Zeugin M beschriebenen Auffälligkeiten hinsichtlich des Zustands des Geschädigten am Morgen des 16.01.2018 (vgl. hierzu oben j., S. 148) als typisch für die vorangegangene Aufnahme einer zentralwirksamen Substanz am Vorabend anzusehen. Deshalb liege eine solche auch aus rechtsmedizinischer Sicht nahe. Weitergehende Aussagen seien mangels entsprechender Anknüpfungstatsachen nicht möglich.
1020
(7) Die von großer Sachkunde getragenen Ausführungen der sehr erfahrenen Sachverständigen Prof. Dr. Z und Dr. R waren überzeugend, widerspruchsfrei und gingen von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus.
1021
o. Die Feststellungen zu den Ereignissen am Morgen und Vormittag des 17.01.2017 beruhen auf den entsprechenden, übereinstimmenden und glaubhaften Angaben der Zeugen M und F. Die Feststellungen zum Hausbesuch von Dr. B stützen sich zusätzlich auf die mit den Angaben der Zeugen N im Einklang stehenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. B.
1022
p. Die Feststellung zum Tod des Geschädigten am 17.01.2017 gegen 13:15 Uhr basiert auf den entsprechenden übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugen G und F.
1023
q. Die Feststellung, dass N an den Folgen einer durch die Verabreichung von Insulin hervorgerufenen Hypoglykämie verstarb, stützt das Schwurgericht auf die Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Z sowie der beiden toxikologischen Sachverständigen Dr. R und Prof. Dr. T.
1024
(1) Die Sachverständige Prof. Dr. Z vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München berichtete, dass sie zusammen mit drei Kollegen am 15.03.2018 den nach einer etwa achtwöchigen Liegezeit im Erdgrab am Vortag exhumierten Leichnam von N obduziert habe.
1025
(a) Hierbei hätten sich zwar diverse Organveränderungen gezeigt, jedoch keine pathologischanatomisch fassbare sichere Todesursache, wobei die Beurteilbarkeit der erhobenen Befunde aufgrund der etwa achtwöchigen Liegezeit bereits eingeschränkt gewesen sei.
1026
(b) Bei N habe ein Prostatakarzinom vorgelegen. Das Herz und die Leber seien deutlich vergrößert gewesen, während die linke Niere deutlich, im Sinne einer Schrumpfniere, verkleinert gewesen sei. In den Herzkranzgefäßen hätten sich Kalkeinlagerungen gefunden. Anhaltspunkte dafür, dass diese Organveränderungen den Tod des Geschädigten am 15.01.2018 gegen 13:15 Uhr verursacht hätten, bestünden jedoch nicht.
1027
(c) Laut Prof. Dr. Z sei an der Vorderseite des rechten Oberschenkels am Übergang vom oberen zum mittleren Drittel eine etwa stecknadelkopfgroße, leicht blutig verfärbte Hautveränderung gefunden worden. Diese sei als mutmaßliche Einstichstelle beurteilt worden, weshalb eine Gewebeprobe hiervon genommen worden sei. Zu Vergleichszwecken sei auch eine Gewebeprobe vom linken Oberschenkel genommen worden, wo sich kein Hinweis auf eine Einstichstelle gefunden habe.
1028
(2) Laut Dr. R seien die beiden Gewebeproben zusammen mit Blutproben und Glaskörperflüssigkeit des Geschädigten N zur gezielten Untersuchung auf Insulin und Insulinanaloga an den führenden Experten auf diesem Gebiet, Prof. Dr. T von der Deutschen Sporthochschule Köln (zu seiner Expertise vgl. unten I.III.3.t(5)(e), S. 296), übersandt worden.
1029
(3) Der toxikologische Sachverständige Prof. Dr. T berichtete, dass sich bei der Untersuchung mittels Nano-Flüssigkeitschromatografie mit hochauflösender Tandem Massenspektrometrie (nanoLC-MS/MS) in der Gewebeprobe von der mutmaßlichen Einstichstelle am rechten Oberschenkel Humaninsulin in hoher Konzentration habe nachweisen lassen. In der Vergleichsprobe vom linken Oberschenkel sei Humaninsulin in geringer Konzentration ebenfalls nachweisbar gewesen. In den weiteren Proben, welche Blut und Glaskörperflüssigkeit beinhaltet hätten, seien weder Insulin noch Insulinanaloga nachweisbar gewesen.
1030
(4) Wie die beiden toxikologischen Sachverständigen Prof. Dr. T und Dr. R übereinstimmend darlegten, lasse sich der Umstand, dass in den weiteren Proben kein Insulin nachweisbar gewesen sei, durch den während der rund achtwöchigen Liegezeit des Leichnams im Erdgrab erfolgten Abbau zwanglos erklären. Dieser Befund stehe somit in keinerlei Widerspruch zu den Befunden hinsichtlich der Gewebeproben, in denen Insulin nachweisbar gewesen sei. Aus diesen lasse sich ableiten, dass N vor seinem Tod Insulin verabreicht worden sei. Aus der hohen Insulinkonzentration in der Gewebeprobe am rechten Oberschenkel ergebe sich, dass an der mutmaßlichen Einstichstelle tatsächlich Insulin injiziert worden sei.
1031
(5) Prof. Dr. Z zufolge lasse sich der von den Zeugen beschriebene Zustand des Geschädigten am Morgen und Vormittag des 17.01.2018 zwanglos durch eine durch die Verabreichung von Insulin hervorgerufene Hypoglykämie erklären. Wie die rechtsmedizinische Sachverständige erläuterte, komme es ab Blutzuckerwerten von etwa 40 mg/dl zu einer Glucose-Unterversorgung des Gehirns, welche mit Symptomen wie Verwirrtheit, Koordinationsstörungen, Krampfanfällen sowie Bewusstseinsstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit einhergehe und schließlich zum Tod führen könne. Dieses mit einer Hypoglykämie verbundene Risiko habe sich demnach beim Geschädigten realisiert.
1032
Risikoerhöhend habe sich in diesem Zusammenhang ausgewirkt, dass dem Geschädigten am Vorabend, dem 16.01.2018, bereits 30 mg des Wirkstoffs Zopiclon verabreicht worden seien (vgl. oben n., S. 149), da insoweit von einer wechselseitigen Wirkungsverstärkung zwischen der pharmakologischen zentraldämpfenden Wirkung von Zopiclon und der physiologischen zentraldämpfenden Wirkung des durch die Insulingabe hervorgerufenen Zustands der Hypoglykämie auszugehen sei.
1033
r. Im Hinblick auf die verabreichte Insulinmenge legte die Sachverständige Dr. R dar, dass mangels entsprechender Anknüpfungstatsachen aus toxikologischer Sicht keine Aussagen hierzu getroffen werden könnten. Allgemein sei jedoch festzuhalten, dass ausweislich der wissenschaftlichen Literatur bereits eine Dosis von 20 I.E. Insulin tödlich sein könne.
1034
Hiervon ausgehend und unter Berücksichtigung dessen, dass der Insulin-Pen des Angeklagten eine Maximaldosis von 40 I.E. vorsieht (vgl. oben B., S. 14 ff., und 2.e., S. 109) und der Angeklagte, soweit er Angaben zur Einzeldosis machte, stets von 40 „mg“ Insulin sprach (vgl. oben zum Fall W 2: II.2.c(1)(a), S. 70, zum Fall H 1: II.2.d(1)(c), S. 81, zum Fall M: II.2.d(2)(c), S. 84, und zum Fall W 1: II.2.d(3)(c), S. 85), gelangte die Strafkammer zu der Schlussfolgerung, dass der Angeklagte dem Geschädigten N mindestens eine Injektion à 40 I.E. Insulin verabreichte.
1035
s. Die Feststellungen zur Auffindung eines Blisters für vier Insulin-Patronen durch die Zeugin K stützen sich auf deren entsprechende glaubhafte Angaben. Anhand der Lichtbilder, welche die Zeugin von ihrem Fund fertigte, hat sich die Strafkammer einen eigenen Eindruck von dem Fundstück verschafft.
1036
t. Die Feststellungen zu den psychischen Tatfolgen für G basieren auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin G.
1037
u. Die Feststellungen zum Tatmotiv des Angeklagten beruhen auf einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Angeklagten (vgl. hierzu oben A.III.2., S. 12).
1038
Der oben unter B.VIII. (S. 50 ff.) festgestellte Sachverhalt beruht auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
1039
a. Die Feststellungen zum geplanten Einsatz des Angeklagten bei der Patientin L in … ab 13.02.2018 auf der Grundlage seines am 30.01.2018 geschlossenen Vertrags mit der Firma „B Hauswirtschaftliche Dienstleistungen“ beruhen auf den Angaben des Zeugen KOK H, der glaubhaft über die Ergebnisse der diesbezüglichen polizeilichen Ermittlungen berichtete.
1040
b. Die Feststellungen zum Vertrag des Angeklagten mit der Agentur At vom 09.02.2018 basieren auf der auszugsweisen Verlesung der deutschen Übersetzung dieses Vertrags.
1041
c. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Geschädigten stützen sich auf die entsprechenden nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben von dessen Hausarzt Dr. Z.
1042
d. Den Feststellungen zur nächtlichen Unruhe des Geschädigten liegen die entsprechenden, insoweit übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugen M und S zugrunde. Beide Zeugen bekundeten ebenfalls übereinstimmend und glaubhaft, dass W 2 stets einen Hausnotrufknopf am Körper getragen habe.
1043
e. Die Feststellungen zu dem Misstrauen des Geschädigten, dem mit einem Zahlenschloss gesicherten Tresor im Büro im Obergeschoss, der Geldkassette und dem Schlüssel für die Geldkassette gründen sich auf die entsprechenden, insoweit übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugen H und F. Die Angaben der Zeugen zu der Geldkassette und dem Schlüssel hierfür wurden von den Zeugen M und S übereinstimmend bestätigt.
1044
f. Die Feststellungen zur Versorgung des Geschädigten durch einen ambulanten Pflegedienst sowie zur Beschäftigung der Haushaltshilfe M und einer Putzkraft fußen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugen S M und H.
1045
g. Die Feststellungen zum Notruf des Geschädigten am 09.02.2018 um 19:45 Uhr gründen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben des Zeugen KHK B.
1046
h. Die Feststellungen im Zusammenhang mit dem durch den Notruf (vgl. oben g.) veranlassten Polizeieinsatz am Abend des 09.02.2018 beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der an dem Einsatz beteiligten Polizeibeamten PHM D und PHM N sowie ergänzend auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugen D und H.
1047
i. Die Feststellungen zu den beiden E-Mails des Angeklagten an die Vermittlungsagentur vom 10.02.2018 um 11:44 Uhr und vom 12.02.2018 um 03:41 Uhr basieren auf der Verlesung dieser E-Mails.
1048
j. Die Feststellungen zu den Ereignissen im Tagesverlauf am 10. und 11.02.2018 stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin M. Diese bekundete insbesondere auch, dass der Geschädigte im Umgang mit anderen Menschen auf das gegenseitige Siezen Wert gelegt habe.
1049
k. Die Feststellungen zu den Kontakten des Angeklagten mit Transportunternehmen im Laufe des 11.02.2018 beruhen auf den entsprechenden Angaben des Zeugen KHK B, der die diesbezüglichen polizeilichen Ermittlungsergebnisse glaubhaft darlegte.
1050
l. Die Feststellungen im Zusammenhang mit der Abendpflege am 11.02.2018 gründen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben des Zeugen S.
1051
m. Die Feststellungen zu der Verständigung der Notrufzentrale der Johanniter am 12.02.2018 um 03:59 Uhr durch den Angeklagten fußen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben des Zeugen KHK B zum Ergebnis der hierzu geführten polizeilichen Ermittlungen.
1052
n. Die Feststellungen zum Anruf des Angeklagten bei M am 12.02.2018 um 04:05 Uhr stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften Bekundungen der Zeugin M.
1053
o. Die Feststellungen zum Notarzt- und Rettungsdiensteinsatz beruhen auf den entsprechen den glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des Notarztes Dr. F. Ferner liegen diesen Feststellungen die glaubhaften Angaben der Zeugen W und J zugrunde, die als Fahrer des Notarzteinsatzfahrzeugs bzw. als Praktikant den Notarzt begleiteten. Außerdem zog die Strafkammer die glaubhaften Angaben des als First Responder im Einsatz gewesenen Zeugen K und des Rettungsassistenten L heran.
1054
p. Dass dem Angeklagten der Antritt seiner für 05:30 Uhr gebuchten Rückreise polizeilich untersagt worden sei, bekundeten glaubhaft die Zeugen POM N und POM B, die aufgrund der routinemäßigen Meldung des Todesfalls durch die Rettungskräfte an die Polizeieinsatzzentrale als Polizeistreife vor Ort eingesetzt waren.
1055
q. Die Feststellung, dass W 2 an den Folgen einer durch die Verabreichung von Insulin hervorgerufene Hypoglykämie verstarb, stützt das Schwurgericht auf die Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Z sowie der beiden toxikologischen Sachverständigen Dr. R und Prof. Dr. T.
1056
(1) Die Sachverständige Prof. Dr. Z berichtete, dass der Leichnam von W 2 am 12.02.2018 ab 10:00 Uhr im Institut für Rechtsmedizin der Universität München obduziert worden sei.
1057
(a) Hierbei hätten sich zwar diverse Organveränderungen gezeigt, jedoch keine pathologischanatomisch fassbare sichere Todesursache.
1058
Das Herz sei vergrößert gewesen und habe Zeichen einer bluthochdruckbedingten Schädigung sowie von Durchblutungsstörungen aufgewiesen. Flüssigkeitseinlagerungen in den Unterschenkeln und Flüssigkeit in der Brusthöhle seien Anhaltspunkte dafür, dass bei dem Geschädigten eine Herzinsuffizienz vorgelegen habe. Ferner seien die Nieren deutlich verkleinert gewesen, was auf eine Niereninsuffizienz schließen lasse. Überdies habe sich Schleim in den gesamten Atemwegen bis in die Lunge hinein als Zeichen eines Lungenödems gefunden.
1059
(b) Bei einer Blutuntersuchung im Rahmen der Obduktion sei ein hypoglykämischer Blutzuckerwert von 27 mg/dl gemessen worden. Darüber hinaus hätten sich an der Außenseite des linken Oberarms drei punktförmige Hautveränderungen gefunden, welche als mutmaßliche Injektionsstellen beurteilt worden seien. Eine weitere mutmaßliche Injektionsstelle habe sich an der Brustwand links gezeigt. Von allen vier Stellen sei eine Gewebeprobe genommen worden.
1060
(2) Laut Dr. R seien die vier Gewebeproben zusammen mit zwei Blutproben und einer Urinprobe des Geschädigten W 2zur gezielten Untersuchung auf Insulin und Insulinanaloga an den führenden Experten auf diesem Gebiet, Prof. Dr. T von der Deutschen Sporthochschule Köln (zu seiner Expertise vgl. unten I.III.3.t(5)(e), S. 296), übersandt worden.
1061
(3) Der toxikologische Sachverständige Prof. Dr. T berichtete, dass sich bei der Untersuchung mittels Nano-Flüssigkeitschromatografie mit hochauflösender TandemMassenspektrometrie (nanoLC-MS/MS) in den vier Gewebeproben von den mutmaßlichen Einstichstellen jeweils Humaninsulin in hoher Konzentration habe nachweisen lassen. Daraus lasse sich ableiten, dass an diesen vier Stellen tatsächlich jeweils Insulin injiziert worden sei.
1062
Darüber hinaus sei in den beiden Blutproben Humaninsulin in einer Konzentration von mehr als 20 ng/ml, mithin oberhalb des Kalibrationsbereichs der Untersuchungsgeräte, nachweisbar gewesen. C-Peptid habe sich demgegenüber nicht nachweisen lassen. Auch in der Urinprobe sei der Nachweis von Humaninsulin positiv verlaufen.
1063
(4) Wie die Sachverständige Dr. R ausführte, lasse sich dieser Untersuchungsbefund aus den oben unter 5.a(17)(b), S. 132, dargelegten Gründen nur durch die exogene Zufuhr einer massiven Überdosis Insulin erklären und nicht durch körpereigene Insulinproduktion.
1064
Ausgehend von den oben unter 5.a(17)(c), S. 133, dargelegten wissenschaftlichen Erkenntnissen sei es laut Dr. R ausgeschlossen, durch weniger als vier Injektionen zu je 40 I.E. Insulin die beim Geschädigten nachgewiesene Insulin-Konzentration von mehr als 20 ng/ml zu erzielen.
1065
Angesichts dessen, dass vier subkutane Injektionen zu je 40 I.E. Insulin auch nur eine Insulin-Konzentration von 16 ng/ml hervorriefen (vgl. oben 5.a(17)(c), S. 133), lasse sich das Untersuchungsergebnis von mehr als 20 ng/ml Insulin aus den oben unter 5.a(17)(d), S. 133, genannten Gründen auch nur dann durch vier Injektionen zu je 40 I.E. Insulin erklären, wenn die Injektionen nicht allesamt - der üblichen Applikationsform entsprechend - subkutan, sondern teilweise auch intramuskulär erfolgt seien.
1066
(5) Hierzu führte die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. Z aus, dass die Injektion an der Brustwand links intramuskulär erfolgt sein müsse, da durch die Obduktionsergebnisse belegt sei, dass der Geschädigte W 2 in diesem Bereich erwartungsgemäß kein Unterhautfettgewebe aufgewiesen habe.
1067
(6) Die von großer Sachkunde getragenen Ausführungen der sehr erfahrenen Sachverständigen Prof. Dr. Z, Dr. R und Prof. Dr. T waren überzeugend, widerspruchsfrei und gingen von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus.
1068
(7) Die Einlassung des Angeklagten, wonach er dem Geschädigten W 2 „zweimal à 40 mg“ Insulin mit seinem Insulin-Pen (vgl. oben II.2.c(1)(a), S. 70) verabreicht habe, ist somit durch die oben unter (4) dargelegten Ausführungen der toxikologischen Sachverständigen Dr. R widerlegt.
1069
r. Die Feststellungen zur Todeszeit am 12.02.2018 zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Zeitraum von etwa 01:30 Uhr bis gegen 03:40 Uhr beruhen auf den auch insoweit widerspruchsfreien und schlüssigen Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Z.
1070
(1) Der Notarzt Dr. F bekundete glaubhaft und nachvollziehbar, dass sich in dem beim Geschädigten durchgeführten Elektrokardiogramm am 12.02.2018 um 04:08 Uhr eine Asystolie gezeigt habe. Ferner habe am Unterkiefer des Geschädigten eine beginnende Leichenstarre vorgelegen.
1071
(2) Laut Prof. Dr. Z habe ihre Kollegin vom Institut für Rechtsmedizin, Dr. S, am 12.02.2018 gegen 09:25 Uhr im Anwesen des Geschädigten W 2eine Leichenfundortbesichtigung vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt habe in den Ellbogengelenken beidseits Totenstarre vorgelegen, welche jeweils leicht zu brechen gewesen sei. Im Bereich der Fingergelenke sei die Totenstarre nur mäßig ausgeprägt gewesen, am Kiefergelenk kaum und an den Kniegelenken gar nicht. An den seitlichen Rumpfpartien sowie am Rücken hätten sich deutliche Totenflecken gezeigt, welche vollständig wegdrückbar gewesen seien. Eine Messung der Raumtemperatur habe einen Wert von 24°C ergeben.
1072
(3) Wie die rechtsmedizinische Sachverständige erläuterte, sei der Eintritt von Totenstarre temperaturabhängig. Bei einer Raumtemperatur von 21°C setze die Totenstarre durchschnittlich etwa 3 Stunden nach dem Todeseintritt ein. Die Sachverständige betonte jedoch, dass es sich hierbei um einen Durchschnittswert handle. Sie selbst habe zum Beispiel auch schon erlebt, dass bereits nach 20 bis 30 Minuten eine beginnende Totenstarre am Kiefergelenk zu beobachten gewesen sei. Voll ausgeprägt sei die Totenstarre durchschnittlich etwa 8 Stunden nach dem Todeseintritt.
1073
Die Ausbildung von Totenflecken sei hingegen nicht temperaturabhängig. Sie beginne durchschnittlich etwa 45 Minuten nach Todeseintritt bei einer Variationsbreite von 0 bis 3 Stunden. Ihre größte Ausdehnung erreichten Totenflecken durchschnittlich 9,5 Stunden nach Todeseintritt.
1074
(4) Bei einer Gesamtschau der oben dargelegten Befunde lasse sich der Zeitraum des Todeseintritts laut Prof. Dr. Z aus rechtsmedizinischer Sicht dahingehend eingrenzen, dass der Geschädigte am 12.02.2018 im Zeitraum von etwa 01:30 Uhr bis gegen 03:40 Uhr verstorben sei.
1075
s. Die Feststellungen zur Tatzeit stützen sich auf die Ausführungen der Sachverständigen Dr. R.
1076
Diese legte dar, dass ausgehend von dem oben unter r(4) dargelegten Zeitraum des Todeseintritts und unter Berücksichtigung der oben unter 3.a(17)(b), S. 119, gemachten Ausführungen aus toxikologischer Sicht eine Verabreichung des Insulins am 12.02.2018 im Zeitraum 01:00 Uhr bis 02:00 Uhr am wahrscheinlichsten sei.
1077
Die Strafkammer schloss sich dieser Einschätzung der toxikologischen Sachverständigen an. Dieser Tatzeitraum ist auch plausibel unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Angeklagte danach zunächst die Geldkassette und anschließend das Büro im Obergeschoss durchsuchte, sich dort Zugang zum Tresor verschaffte und aus diesem stehlenswertes Gut entwendete. All dies beansprucht eine längere Zeitspanne und passt daher gut zu dem von der toxikologischen Sachverständigen genannten Zeitraum für die Insulinverabreichung.
1078
t. Die Feststellungen im Zusammenhang mit dem rosafarbenen Etui mit Goldschmuck beruhen auf den nachfolgenden Beweismitteln und Erwägungen:
1079
(1) Der Zeuge H bekundete glaubhaft, dass er das rosafarbene Etui mit den Schmuckstücken am 14.02.2018 zufällig unter der Matratze im Bett in dem vom Angeklagten bewohnten Zimmer im Anwesen des Geschädigten W 2 aufgefunden habe.
1080
(2) Den glaubhaften Angaben des Spurensicherungsbeamten KOK B sowie den widerspruchsfreien und überzeugenden Ausführungen der DNA-Sachverständigen Dr. M ließ sich entnehmen, dass sich am rosafarbenen Etui DNA-Material des Angeklagten befunden habe.
1081
(3) Die Behauptung des Angeklagten, er habe den aus dem Tresor entnommenen Schmuck „einfach (…) vergessen“, als er in der Nacht auf den 12.02.2018 seine Sachen gepackt habe (vgl. oben II.2.c(1)(b), S. 71) erachtet die Strafkammer als unplausibel und unglaubhaft.
1082
Naheliegend ist vielmehr, dass der Angeklagte im Hinblick auf die vor Ort anwesende Polizeistreife verhindern wollte, dass die von ihm aus dem Tresor entwendeten Schmuckstücke im Rahmen einer etwaigen Durchsuchung bei ihm oder in seinem Reisegepäck gefunden würden, und er deshalb das Etui mit den Schmuckstücken in dem von ihm bewohnten Zimmer im Anwesen W 2 im Bett unter der Matratze versteckte.
1083
(4) Ebenfalls als unplausibel und unglaubhaft erachtet die Strafkammer die Behauptung des Angeklagten, er habe die für die Tresoröffnung erforderliche Zahlenkombination nicht gekannt und lediglich das Zahlenrad mehrmals in die eine sowie in die andere Richtung gedreht, woraufhin sich die Tresortür plötzlich geöffnet habe (vgl. oben II.2.c(1)(b), S. 71).
1084
Insoweit liegt vielmehr nahe, dass der demenzkranke Geschädigte, der in seiner versperrten Geldkassette nach den übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugen H und F den Zimmerschlüssel für das Büro verwahrt habe (vgl. oben e., S. 154), darin auch einen Zettel mit der für die Tresoröffnung benötigten Zahlenkombination aufbewahrte.
1085
Hierfür spricht auch, dass sich nach den glaubhaften Angaben der Zeugin M in der Geldkassette einige Notizzettel befunden hätten. Allerdings konnte die Zeugin zum Inhalt der Notizen auf diesen Zetteln keine Angaben machen, da sie weiter glaubhaft bekundete, hiervon nie Kenntnis genommen zu haben.
1086
u. Die Feststellungen zur Auffindung der restlichen Tatbeute - bestehend aus 1.210 Euro Bargeld sowie den Bankkarten des Geschädigten samt Bankunterlagen - und eines InsulinPens samt Patronen des Insulinpräparats Gensulin M 30 (30/70) anlässlich der Zeugenvernehmung des Angeklagten beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugen KHK P, KHK B und KOK B.
1087
Dass der Angeklagte mit dem aufgefundenen Insulin-Pen dem Geschädigten W 2 das Insulin injizierte, wird nicht zuletzt dadurch belegt, dass an dem Insulin-Pen DNA-Material des Geschädigten nachgewiesen worden sei, wie sich aus den glaubhaften Angaben des Spurensicherungsbeamten KOK B sowie aus den widerspruchsfreien und überzeugenden Ausführungen der DNA-Sachverständigen Dr. M ergibt.
1088
v. Die Feststellungen zum Tatmotiv des Angeklagten beruhen auf einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Angeklagten (vgl. hierzu oben A.III.2., S. 12).
1089
IV. Schuldfähigkeit des Angeklagten
1090
Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten beruhen auf den überzeugenden Darlegungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. H sowie den Teilgutachten der beiden toxikologischen Sachverständigen Prof. Dr. M und Dr. R, der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Z und der psychologischen Sachverständigen Dipl.-Psych. L.
1091
1. Der toxikologische Sachverständige Prof. Dr. M vom Forensisch Toxikologischen Centrum (FTC) in … legte sachkundig und überzeugend dar, dass nach der Untersuchung der dem Angeklagten am 12.02.2018 entnommenen Haarprobe kein Anhaltspunkt für den missbräuchlichen Konsum einer berauschenden Substanz im Zeitraum von etwa zwei Monaten vor der Probenentnahme bestehe.
1092
2. Die toxikologische Sachverständige Dr. R vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München gelangte anhand des Untersuchungsergebnisses der dem Angeklagten am 12.02.2018 entnommenen Blutproben sachkundig und überzeugend zum selben Ergebnis für den Tatzeitraum im Fall zum Nachteil des Geschädigten W 2.
1093
3. Die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. Z vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München führte sachkundig und überzeugend aus, dass in keinem der acht Fälle Anhaltspunkte für eine forensisch relevante Substanzbeeinflussung des Angeklagten bestünden.
1094
4. Der psychiatrische Sachverständige Dr. H gelangte zu der Einschätzung, dass eine relevante Beeinträchtigung der Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit des Angeklagten aus medizinischpsychiatrischer Sicht unter keinem Gesichtspunkt vorliege.
1095
In seine Ausführungen bezog der Sachverständige die Teilgutachten der Sachverständigen Prof. Dr. M, Dr. R, Prof. Dr. Z und Dipl.-Psych. L, welche er jeweils in allen Punkten für zutreffend erachtete, mit ein. Im Übrigen stützte sich Dr. H auf seine Exploration des Angeklagten am 22., 23., 27.03.2018 und 10.12.2018 sowie auf seine Wahrnehmungen in der mehrmonatigen Hauptverhandlung und seine hierbei gewonnenen Erkenntnisse.
1096
a. Dr. H legte dar, dass das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit aus medizinischpsychiatrischer Sicht nicht erfüllt sei.
1097
(1) Zwar liege beim Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) vor. Diese sei jedoch nicht so stark ausgeprägt, dass die durch sie hervorgerufenen psychosozialen Leistungseinbußen mit den Defiziten infolge forensisch relevanter krankhafter seelischer Störungen gleichzusetzen wären.
1098
(a) Dr. H zufolge sei die Persönlichkeit des Angeklagten gekennzeichnet durch Rücksichtslosigkeit und Skrupellosigkeit bei der Verfolgung persönlicher Ziele, Durchsetzung eigener Interessen und Befriedigung individueller Bedürfnisse sowie eine in diesem Zusammenhang auftretende Empathielosigkeit.
1099
Die Schwelle, dass sich der Angeklagte durch andere Menschen oder spezifische Umstände gestresst und / oder benachteiligt fühle, sei sehr niedrig. Seine Frustrationstoleranz sei gering, sein Aggressionspotential hoch. Der Angeklagte verhalte sich jedoch nicht offen aggressiv und meide in der Regel die direkte Konfrontation.
1100
Die fortwährende Missachtung sozialer Normen durch den Angeklagten komme in seinen zahlreichen Vorstrafen wegen Eigentums- und Vermögensdelikten (vgl. oben A.IV.2., S. 13) zum Ausdruck. Der Angeklagte sei nicht in der Lage gewesen, aus negativen Erfahrungen - insbesondere aus Bestrafung und mehrjähriger Inhaftierung (vgl. oben A.V., S. 13) - zu lernen.
1101
Der Angeklagte sei überdies nicht in der Lage, enge, vertrauensvolle Beziehungen zu anderen Menschen einzugehen und dauerhaft aufrechtzuerhalten.
1102
(b) Wie der psychiatrische Sachverständige darlegte, hätten sich die dissozialen Persönlichkeitszüge des Angeklagten seit seiner frühen Jugend gezeigt und im Laufe seines Lebens verfestigt. Aufgrund ihres frühzeitigen Auftretens, ihrer Konstanz sowie des Ausmaßes ihrer Ausprägung liege beim Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) vor.
1103
(c) Hingegen bestünden beim Angeklagten keine nennenswerten psychopathologischen Auffälligkeiten wie emotionale Instabilität, erhöhte Affektivität, ausgeprägte Impulsivität oder übermäßige Gereiztheit. Vielmehr sei der Angeklagte ohne erkennbare Anstrengung auch über längere Zeiträume zu einem adäquaten und höflichen Auftreten in der Lage, wie er nicht zuletzt an den zahlreichen Hauptverhandlungstagen unter Beweis gestellt habe. Auch habe sich der Angeklagte im Zusammenhang mit der von ihm über mehrere Jahre ausgeübten Tätigkeit als 24- Stunden-Betreuungskraft und der hierfür erforderlichen Stellenvermittlung durch entsprechende Agenturen als sozial ausreichend anpassungsfähig erwiesen.
1104
(2) Dr. H zufolge sei das Eingangskriterium der schweren anderen seelischen Abartigkeit auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Abhängigkeitserkrankung des Angeklagten erfüllt. Für eine solche gebe es keinerlei Anhaltspunkte.
1105
b. Der psychiatrische Sachverständige führte weiter aus, dass auch das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung aus medizinischpsychiatrischer Sicht nicht erfüllt sei.
1106
Anhaltspunkte für eine überdauernde psychiatrische Erkrankung des Angeklagten, insbesondere für eine Psychose oder eine hirnorganische Schädigung, hätten sich nicht ergeben. Auch in der passageren Form unter dem Gesichtspunkt einer akuten Intoxikation des Angeklagten sei dieses Eingangskriterium aus medizinischpsychiatrischer Sicht nicht erfüllt. In Übereinstimmung mit der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Z legte Dr. H dar, dass es keine Hinweise auf eine Beeinflussung des Angeklagten durch Alkohol, Drogen oder Medikamente zu den acht Tatzeitpunkten gebe.
1107
c. Schwachsinn liege beim Angeklagten ebenfalls nicht vor.
1108
In Übereinstimmung mit der psychologischen Sachverständigen Dipl.-Psych. L, welche die entsprechenden Ergebnisse der von ihr durchgeführten testpsychologischen Untersuchung darlegte, führte Dr. H aus, dass der Angeklagte durchschnittlich intelligent sei. Seine Konzentrationsfähigkeit sei unbeeinträchtigt. Eine intellektuelle Minderleistungsfähigkeit liege beim ihm ebenso wenig vor wie eine gravierende Hirnfunktionsstörung.
1109
Laut Dipl.-Psych. L habe der Angeklagte in dem sprachfreien Intelligenztest „Standard Progressive Matrices“ (SPM) einen Intelligenzquotienten (IQ) von 98 erzielt.
1110
d. Auch für das Vorliegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne eines affektiven Ausnahmezustands zu den acht Tatzeitpunkten hätten sich laut Dr. H aus medizinischpsychiatrischer Sicht keine Anhaltspunkte ergeben.
1111
Es lägen keine Spontantaten vor, welche in einem Zustand hoher affektiver Erregung begangen worden wären. Vielmehr habe es sich um gleichförmige, mehraktige Taten mit einem komplexen Handlungsablauf in Etappen gehandelt, welchen der Angeklagte jeweils aktiv und zielgerichtet gestaltet habe. Der Angeklagte habe die Tatzeitpunkte stets so gewählt, dass er mit dem jeweiligen Opfer allein gewesen sei, so dass es keine Dritten als unmittelbare Tatzeugen gegeben habe. Ferner habe der Angeklagte die Taten vorbereitet, indem er dafür Sorge getragen habe, dass sich eine mit Insulin gefüllte Patrone in seinem Insulin-Pen befunden habe, welchen er für die Tatbegehung habe mit sich führen müssen.
1112
Im Fall zum Nachteil des Geschädigten M spreche gegen das Vorliegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung zudem der Umstand, dass der Angeklagte nach der Tat seine Tatwerkzeuge hinter Büchern in einer Regalablage im Wohnzimmer versteckt habe. Dies stelle ein geordnetes Nachtatverhalten dar und belege, dass beim Angeklagten der Überblick über die Situation erhalten gewesen sei.
1113
Im Übrigen gebe es in keinem der acht Fälle Hinweise darauf, dass beim Angeklagten vegetative, psychische oder körperliche Anzeichen einer heftigen Affekterregung aufgetreten wären.
1114
D. Das Schwurgericht schloss sich den von großer Sachkunde getragenen, widerspruchsfreien Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. H mit den genannten Argumenten an. Die Darlegungen des sehr erfahrenen Gutachters gingen von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus, waren nachvollziehbar und überzeugend. Rechtliche Würdigung Die Taten des Angeklagten stellen sich strafrechtlich dar als Mord in drei Fällen, hiervon in einem Fall in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge, in Tatmehrheit mit versuchtem Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen gemäß §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 3, 4 und 8, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5, 249 Abs. 1, 251, 22, 23, 52, 53 StGB. Die einzelnen Taten in chronologischer Reihenfolge:
I. Tat zum Nachteil von W 1
1115
Die Tat des Angeklagten zum Nachteil von W 1 ist strafrechtlich zu werten als Mord gemäß §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4 StGB.
1116
1. Der Angeklagte verübte einen Angriff auf das Leben des Geschädigten W 1, indem er diesem am 25.05.2017 kurz nach 17:00 Uhr mit seinem Insulin-Pen mindestens drei Injektionen zu je 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) verabreichte.
1117
2. W 1 verstarb am 11.07.2017 gegen 02:30 Uhr. Durch das vom Angeklagten verabreichte Insulin war bei dem Geschädigten eine schwere Hypoglykämie mit Bewusstlosigkeit hervorgerufen worden. Infolge der damit einhergehenden Immobilität war bei W 1 in den Tagen nach der Verabreichung des Insulins eine Lungenentzündung aufgetreten und mit einer drastischen, in der Folge immer weiter zunehmenden Verschlechterung des Allgemeinzustandes einhergegangen.
1118
3. Die oben unter 1. beschriebene Tathandlung des Angeklagten war kausal für den oben unter 2. dargestellten Tod des Geschädigten.
1119
a. Ursächlich für den Eintritt eines tatbestandsmäßigen Erfolgs ist jede Bedingung, die den Erfolg herbeigeführt hat. Dabei ist gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben. Ein Kausalzusammenhang ist nur dann zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitigt und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat. Dagegen schließt es die Ursächlichkeit des Täterhandelns nicht aus, dass ein weiteres Verhalten an der Herbeiführung des Erfolgs mitgewirkt hat. Ob es sich bei dem mitwirkenden Verhalten um ein solches des Opfers oder um deliktisches oder undeliktisches Verhalten eines Dritten oder des Täters selbst handelt, ist dabei ohne Bedeutung (BGH, Urteil vom 03.12.2015 - 4 StR 223/15 m.w.N.).
1120
b. Die Verabreichung von mindestens 120 I.E. Insulin durch den Angeklagten führte bei W 1 zu einer schweren Hypoglykämie mit Bewusstlosigkeit, welche die notfallmäßige Einlieferung in ein Krankenhaus erforderlich machte und zwangsläufig mit einer Immobilisierung des Geschädigten einherging. Damit ist typischerweise insbesondere bei älteren Menschen das Risiko für eine Lungenentzündung (hypostatische Pneumonie) verbunden, welches sich beim Geschädigten W 1 in den Tagen nach der Einlieferung ins Krankenhaus realisierte.
1121
Diese vom Angeklagten gesetzte Ursache wirkte trotz eines groben bzw. schweren Behandlungsfehlers der Ärztin N in der Zentralambulanz des …Krankenhauses … fort.
1122
Die Ärztin N unterließ grob fahrlässig eine Überprüfung des Blutzuckerwerts des Geschädigten, obwohl diese insbesondere bei bewusstseinsgestörten Patienten eine der standardmäßig stets durchzuführenden medizinischen Notfallmaßnahmen darstellt. Da die Ärztin N aufgrund dieses groben bzw. schweren Behandlungsfehlers zunächst keine Kenntnis von der beim Geschädigten vorliegenden Hypoglykämie erlangte, unterließ sie die intravenöse Verabreichung von Glucose, welche den vom Angeklagten verursachten Zustand der Hypoglykämie hätte beseitigen können. Der vom Angeklagten verursachte Zustand bestand deshalb rund 3,5 Stunden länger, als dies bei Einhaltung des elementaren medizinischen Behandlungsstandards der Bestimmung des Blutzuckerwerts bei einem Bewusstlosen der Fall gewesen wäre. Die vom Angeklagten gesetzte Ursache wirkte in diesem Zeitraum fort.
1123
Dass der grobe bzw. schwere Behandlungsfehler der Ärztin N mitursächlich für das Auftreten der Lungenentzündung beim Geschädigten und die drastische Verschlechterung seines Allgemeinzustandes sowie letztlich seinen Tod am 11.07.2017 war, lässt die Kausalität der Tathandlung des Angeklagten somit nicht entfallen.
1124
4. Bei Begehung der Tat handelte der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz.
1125
a. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet. Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt.
1126
Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung - z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung - zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements).
1127
Erforderlich ist eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände. Die Annahme einer Billigung liegt nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt. Hierbei sind die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände - insbesondere die konkrete Angriffsweise -, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen.
1128
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Vertrauen auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolgs regelmäßig dann zu verneinen, wenn der vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahekommt, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann (BGH, Urteil vom 22.03.2012 - 4 StR 558/11 m.w.N.).
1129
Der Täter handelt bereits dann mit bedingtem Vorsatz, wenn er den Erfolgseintritt als nur möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, gleichwohl sein gefährliches Handeln fortsetzt und ihm der mögliche Eintritt des Todes zumindest gleichgültig ist (BGH, Urteil vom 12.08.2009 - 2 StR 226/09).
1130
b. Daran gemessen handelte der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz.
1131
(1) Der Angeklagte erkannte bei seinem Vorgehen die Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs.
1132
(a) Der Angeklagte wusste, dass die Verabreichung von Insulin an eine zuckerstoffwechselgesunde Person lebensgefährlich sein kann. Ihm war durch entsprechende Aufklärung seines behandelnden Arztes bekannt, dass Insulin ein Medikament zur Absenkung des Blutzuckerspiegels bei einer Erkrankung an Diabetes mellitus ist, zumal ihm selbst aus diesem Grund Insulin verordnet worden war (vgl. oben B., S. 14 ff.). Er wusste mithin, dass Insulin einem zuckerstoffwechselgesunden Menschen nicht verabreicht werden darf.
1133
Der Angeklagte war von seinem Arzt zudem insbesondere darauf hingewiesen worden, dass eine zu hohe Insulindosis eine Hypoglykämie hervorrufe, welche mit einer lebensbedrohlichen Bewusstlosigkeit einhergehen könne (vgl. oben B., S. 14 ff.). Ein entsprechender Hinweis findet sich auch in der Packungsbeilage des vom Angeklagten verwendeten Insulinpräparats Gensulin M30 (30/70), in welcher ferner ausdrücklich davor gewarnt wird, dass eine schwere Hypoglykämie zum Tod führen könne (vgl. oben B., S. 14 ff.).
1134
Der Angeklagte wusste darüber hinaus, dass die von ihm verabreichte Dosis von mindestens 120 I.E. Insulin zudem eine massive Überdosis - weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung bei Diabetes-Patienten mit zu hohen Blutzuckerwerten - darstellt. Dem Angeklagten war von seinem Arzt die Verabreichung von 10 I.E. Insulin nach dem Frühstück und 6 I.E. Insulin nach dem Abendessen als Standarddosierung genannt worden. Hierbei hatte sein Arzt allerdings betont, dass diese Dosis stets nach vorheriger Bestimmung des Blutzuckerspiegels noch individuell anzupassen sei (vgl. oben B., S. 14 ff.).
1135
In seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 30.10.2018 räumte der Angeklagte letztlich auch ein, dass ein Patient, dem man „eine solche Insulindosis“ verabreiche, sterben könne. Dies gelte unabhängig davon, ob der Patient zuckerkrank sei oder nicht (vgl. oben C.II.2.c(1)(f), S. 72).
1136
Der Zustand der Bewusstlosigkeit kann insbesondere wegen der Gefahr einer Aspiration von Erbrochenem und / oder von Sekret infolge herabgesetzter Schutzreflexe einen tödlichen Ausgang nehmen. Zudem kann Bewusstlosigkeit insbesondere bei älteren Menschen eine gravierende Verschlechterung des Allgemeinzustands nach sich ziehen und / oder - insbesondere auch wegen der mit der Bewusstlosigkeit verbundenen Immobilität - zu einer Komplikation wie etwa einer Lungenentzündung (hypostatische Pneumonie) führen, welche ihrerseits entweder unmittelbar oder mittelbar tödliche Folgen haben kann. Die Lebensgefährlichkeit des Zustands der Bewusstlosigkeit ist offenkundig und war daher auch dem Angeklagten bekannt.
1137
(b) Einem zuckerstoffwechselgesunden älteren Menschen eine massive Überdosis Insulin - weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - zu verabreichen, stellt demnach eine äußerst gefährliche Vorgehensweise dar.
1138
Es ist offenkundig und war auch dem Angeklagten bekannt, dass ein solches Vorgehen die Gefahr eines - unmittelbar oder mittelbar - tödlichen Ausgangs birgt. Bei seinem Vorgehen ging es dem Angeklagten ja gerade darum, eine für den Geschädigten lebensbedrohliche Notfallsituation hervorzurufen (vgl. unten (2)(b), S. 168).
1139
(c) Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte zur Tatzeit wegen einer affektiven Ausnahmesituation oder aufgrund eines psychischen Defekts die Situation nicht hätte erfassen können.
1140
i. Die Angeklagte war in seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit nicht in einem relevanten Maße beeinträchtigt. Er war auch sonst nicht an einer realistischen Einschätzung der einfach strukturierten und leicht zu überblickenden Gefahrenlage gehindert.
1141
ii. Es handelte sich um ein mehraktiges Tatgeschehen, welches der Angeklagte aktiv gestaltete. Der Angeklagte verabreichte dem Geschädigten drei Injektionen zu je 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70), nachdem er zunächst seinen persönlichen Insulin-Pen mit einer eingelegten InsulinPatrone geholt und mithilfe des Dosierrads am Pen die Maximaldosis von 40 I.E. eingestellt hatte. Da sich das Dosierrad wegen der entsprechenden technischen Ausstattung des Insulin-Pens während der Verabreichung einer Injektion auf 0 I.E. zurückdrehte, musste der Angeklagte vor der zweiten und dritten Injektion jeweils erneut zunächst die zu verabreichende Dosis mithilfe des Dosierrads einstellen.
1142
(2) Der Angeklagte handelte trotz der von ihm erkannten Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs und nahm einen solchen billigend in Kauf.
1143
(a) Bei seiner Vorgehensweise hatte der Angeklagte keinerlei begründeten Anlass, ernsthaft auf das Ausbleiben tödlicher Folgen zu vertrauen. Vielmehr hatte er es nicht in der Hand, ob sein Handeln zu tödlichen Folgen beim Opfer führen würde oder nicht.
1144
i. Die Verabreichung von mindestens 120 I.E. Insulin - und damit einer extrem hohen Dosis weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - rief bei dem zuckerstoffwechselgesunden, multimorbiden 91-jähren Geschädigten eine schwere Hypoglykämie mit Bewusstlosigkeit hervor, welche naturgemäß mit einer Immobilisierung des Geschädigten über einen längeren Zeitraum verbunden war.
1145
Das hiermit - insbesondere bei alten Menschen - verbundene typische Risiko für das Auftreten einer Lungenentzündung (hypostatische Pneumonie) realisierte sich beim Geschädigten in der Folge. Sein Allgemeinzustand verschlechterte sich signifikant. Es kam zu einem sogenannten „Knick in der Lebenslinie“ des Geschädigten, welcher in den nächsten Wochen eine weiter zunehmende Verschlechterung des Allgemeinzustandes zur Folge hatte und letztlich zum Tod des Geschädigten am 11.07.2017 gegen 02:30 Uhr führte.
1146
ii. Ob sein Handeln zu tödlichen Folgen beim Opfer führen würde, war dem Angeklagten gleichgültig.
1147
(b) Das Tatmotiv des Angeklagten spricht ebenfalls nicht gegen seine Bereitschaft, dafür auch schwerste, tödliche Folgen in Kauf zu nehmen.
1148
Dem Angeklagten ging es darum, durch die Verabreichung einer massiven Überdosis Insulin - weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - bei einem zuckerstoffwechselgesunden, älteren Menschen eine Hypoglykämie und damit eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorzurufen.
1149
Hierdurch wollte sich der Angeklagte zum einen Genugtuung verschaffen, um auf diese Weise seine Verärgerung über die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten sowie über die erhebliche Störung seiner eigenen Nachtruhe in der vorangegangenen Nacht durch die mehrfachen Rufe des Geschädigten abzureagieren.
1150
Zum anderen wollte der Angeklagte im Zuge dessen zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen dieser Arbeitsstelle ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf schaffen, da zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt zu erwarten war.
1151
(c) Wie bereits oben unter (1)(c) (S. 167) dargelegt, war der Angeklagte weder aufgrund eines psychischen Defekts noch aus sonstigen Gründen an einer realistischen Wahrnehmung und Bewertung der Tat gehindert. Auch unter diesem Gesichtspunkt bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte ernsthaft darauf vertraut haben könnte, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen.
1152
Bei einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände kam das Schwurgericht daher zu der Überzeugung, dass der Angeklagte den möglichen Tod des Geschädigten W 1- trotz der hohen Hemmschwelle hinsichtlich der Tötung eines Menschen - im Sinne einer billigenden Inkaufnahme hingenommen hat.
1153
5. Der Tod des Geschädigten W 1als Folge der oben unter 1. (S. 164) beschriebenen Tathandlung ist dem Angeklagten auch subjektiv als von dem die Verabreichung des Insulins tragenden Vorsatz mitumfasst zuzurechnen.
1154
a. Der Vorsatz des Täters muss sich auf den zum Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs führenden Geschehensablauf erstrecken. Da dieser indes kaum je in allen Einzelheiten zu erfassen ist, wird der Vorsatz durch unwesentliche Abweichungen des vorgestellten vom tatsächlichen Geschehensablauf nicht in Frage gestellt. Eine Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als unwesentlich anzusehen, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist in Fällen, in denen bei Angriffen gegen das Leben der Tod des Opfers nicht unmittelbar durch die Angriffshandlung, sondern durch vorsätzliches Handeln eines Dritten oder eine nicht mehr vom Tötungsvorsatz getragene Verdeckungshandlung des Täters herbeigeführt wurde, von der Rechtsprechung eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf verneint worden (BGH, Urteil vom 03.12.2015 - 4 StR 223/15 m.w.N.).
1155
b. Hieran gemessen ist vorliegend die Abweichung des tatsächlichen Geschehensablaufs vom vorgestellten lediglich als unwesentlich zu qualifizieren.
1156
Da nach der oben unter a. zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Angriffen gegen das Leben selbst bei vorsätzlichem Handeln eines Dritten eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf verneint wird, gilt dies erst recht, wenn bei dem Dritten - wie hier im Fall der Ärztin N - in subjektiver Hinsicht lediglich grobe Fahrlässigkeit vorliegt und der Beitrag nicht in aktivem Tun, sondern in einem pflichtwidrigen Unterlassen besteht (vgl. oben 3.b., S. 164).
1157
Aufgrund eines groben bzw. schweren Behandlungsfehlers unterließ es die Ärztin N, den vom Angeklagten verursachten Zustand der Hypoglykämie durch die intravenöse Gabe von Glucose zu beseitigen, so dass dieser rund 3,5 Stunden länger fortwirkte, als dies bei Einhaltung des elementaren medizinischen Behandlungsstandards der Bestimmung des Blutzuckerwerts bei einem Bewusstlosen der Fall gewesen wäre. Einen neuen Kausalverlauf setzte die Ärztin nicht in Gang.
1158
Die Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf hält sich mithin innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren und rechtfertigt insbesondere keine andere Bewertung der Tat. Der Vorsatz des Angeklagten bei der Tatausführung wird hierdurch nicht in Frage gestellt.
1159
6. Der Angeklagte handelte aus niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB).
1160
a. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Tötungsbeweggrund niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt. Bei einer Tötung aus Wut oder Verärgerung kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (BGH, Urteil vom 11.10.2005 - 1 StR 195/05).
1161
Gefühlsregungen wie Eifersucht, Rache, Wut und Hass kommen nach ständiger Rechtsprechung nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren (BGH, Beschluss vom 22.07.2010 - 4 StR 180/10).
1162
In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass sich der Täter bei der Tat der Umstände bewusst ist, die seine Beweggründe als niedrig erscheinen lassen, und, soweit gefühlsmäßige und triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann (BGH, Urteil vom 19.10.2001 - 2 StR 259/01).
1163
b. Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt sich das dargelegte Tatmotiv des Angeklagten auch unter Berücksichtigung der Vorgeschichte der Tat sowie der individuellen Persönlichkeit und der Lebensverhältnisse der Angeklagten als niedriger Beweggrund im Sinne des § 211 Abs. 2 Var. 4 StGB dar.
1164
Dem Angeklagten ging es darum, durch die Verabreichung einer extrem hohen Dosis Insulin bei einem zuckerstoffwechselgesunden, multimorbiden, alten Menschen eine Hypoglykämie und damit eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorzurufen.
1165
Hierdurch wollte sich der Angeklagte zum einen Genugtuung verschaffen, um auf diese Weise seine Verärgerung über die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten sowie über die erhebliche Störung seiner eigenen Nachtruhe in der vorangegangenen Nacht durch die mehrfachen Rufe des Geschädigten abzureagieren.
1166
Zum anderen wollte der Angeklagte im Zuge dessen zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen dieser Arbeitsstelle ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf schaffen, da zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt zu erwarten war.
1167
Die Folgen für den Geschädigten waren dem Angeklagten gleichgültig.
1168
(1) Der Angeklagte war über die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten sowie über die erhebliche Störung seiner eigenen Nachtruhe in der vorangegangenen Nacht durch die mehrfachen Rufe des Geschädigten verärgert.
1169
(a) Die Verärgerung des Angeklagten über die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten entbehrt einer nachvollziehbaren Grundlage.
1170
Der Angeklagte hatte durch sein Auftreten und seine darin zum Ausdruck kommende innere Einstellung die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten maßgeblich verursacht.
1171
i. Die innere Einstellung des Angeklagten war dadurch gekennzeichnet, dass es ihm nur darum ging, sich durch das heimliche Entwenden oder betrügerische Erschleichen von Bargeld, Vermögenswerten und Gegenständen des täglichen Bedarfs zu bereichern sowie durch den übermäßigen Verzehr von Nahrungsmitteln und Konsum von insbesondere zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken seine diesbezüglichen Bedürfnisse zu befriedigen.
1172
Der Angeklagte wollte deshalb die Aufgaben einer 24-StundenBetreuungskraft mit möglichst wenig Arbeitsaufwand verrichten und den Haushalt des Geschädigten möglichst schnell wieder verlassen, um so bald wie möglich aus denselben Gründen den nächsten Einsatz antreten zu können.
1173
ii. Da der Angeklagte somit von Anfang an nicht vorhatte, seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen und längerfristig als 24-Stunden-Betreuungskraft für Heinrich W 1tätig zu sein, bemühte er sich erst gar nicht darum, beim Geschädigten und dessen Angehörigen durch ein gepflegtes Erscheinungsbild sowie ein freundliches, sympathisches und vertrauenserweckendes Auftreten einen guten Eindruck zu hinterlassen.
1174
Vielmehr war der Angeklagte körperlich ungepflegt, nachlässig gekleidet und im Umgang zwar höflich, strahlte jedoch - in Übereinstimmung mit seiner inneren Einstellung - Lustlosigkeit im Hinblick auf seine Aufgabe als 24- Stunden-Betreuungskraft, mangelnde Fürsorglichkeit gegenüber dem Geschädigten sowie Gleichgültigkeit im Hinblick darauf aus, ob der Geschädigte sich mit dem Angeklagten als seiner Betreuungskraft wohlfühlte.
1175
iii. Wegen der negativen Ausstrahlung des Angeklagten und dessen nicht vertrauenserweckenden Auftretens empfand W 1 von Anfang an eine starke Abneigung diesem gegenüber und fühlte sich beim Angeklagten nicht in guten Händen. Er war traurig über die Unabänderlichkeit der Situation und zeigte sich deshalb dem Angeklagten gegenüber verschlossen.
1176
Der Angeklagte, der keinerlei Interesse am Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zu dem von ihm zu betreuenden Patienten hatte, unternahm nichts, um die durch sein Auftreten verursachte Verschlossenheit des Geschädigten ihm gegenüber zu überwinden.
1177
Die Ablehnung des Angeklagten durch den Geschädigten ist somit nachvollziehbar und verständlich. Sie wurde durch das Auftreten des Angeklagten und seine darin zum Ausdruck kommende innere Einstellung maßgeblich verursacht.
1178
iv. All dies war dem Angeklagten bewusst.
1179
(b) Auch die Verärgerung des Angeklagten über die erhebliche Störung seiner eigenen Nachtruhe in der vorangegangenen Nacht durch die mehrfachen Rufe des Geschädigten entbehrt einer nachvollziehbaren Grundlage.
1180
i. Es gehört zu den ganz zentralen Aufgaben einer 24-Stunden-Betreuungskraft, insbesondere nachts als Ansprechpartner und Unterstützung für die hilfsbedürftige Person bei entsprechendem Bedarf zur Verfügung zu stehen. Deshalb hatte der Angeklagte auf die von ihm eingeforderte ungestörte eigene Nachtruhe keinen Anspruch.
1181
ii. All dies wusste der Angeklagte.
1182
(2) Der Angeklagte wollte durch das Hervorrufen einer Hypoglykämie und damit einer für den Geschädigten lebensbedrohlichen Notfallsituation zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen dieser Arbeitsstelle ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf schaffen, da zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt zu erwarten war.
1183
(a) Wegen seiner oben unter (1)(a) i. (S. 171) dargelegten inneren Einstellung wollte der Angeklagte den Haushalt des Geschädigten möglichst schnell wieder verlassen, um so bald wie möglich aus denselben Gründen den nächsten Einsatz antreten zu können.
1184
Zu dieser von vorneherein bestehenden - die Ausübung der Tätigkeit als 24- Stunden-Betreuungskraft generell betreffenden - inneren Einstellung des Angeklagten hatte der Geschädigte nichts beigetragen und keinen Anlass hierzu geboten. Dies wusste der Angeklagte.
1185
(b) Der Angeklagte wollte sich den Aufwand ersparen, seine vorzeitige Abreise gegenüber dem Geschädigten und / oder dessen Angehörigen sowie der Vermittlungsagentur besonders begründen und rechtfertigen zu müssen, indem er einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen der Einsatzstelle schuf.
1186
Zu diesem Zweck benutzte er den Geschädigten, indem er eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorrief, welche zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt erwarten ließ, so dass ein objektiv nachvollziehbarer Grund für die vorzeitige Abreise des Angeklagten gegeben war.
1187
(3) Zwischen dem Anlass zur Tat und der Tat selbst besteht demnach ein eklatantes Missverhältnis. Durch die Tat reduzierte der Angeklagte den Geschädigten zum Objekt seiner eigenen Bedürfnisse.
1188
(4) Nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände steht das Tatmotiv des Angeklagten damit auf sittlich tiefster Stufe und ist deshalb besonders verachtenswert.
1189
(5) Der uneingeschränkt schuldfähige Angeklagte war auch in der Lage, seine gefühlsmäßigen Regungen zu beherrschen und willentlich zu steuern.
1190
Trotz des Vorliegens einer dissozialen Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) bestehen beim Angeklagten keine nennenswerten psychopathologischen Auffälligkeiten wie emotionale Instabilität, erhöhte Affektivität, ausgeprägte Impulsivität oder übermäßige Gereiztheit. Auch eine affektive Erregung solchen Ausmaßes, dass sie die Fähigkeit des Angeklagten, seine gefühlsmäßigen Regungen zu beherrschen, in Frage stellen könnten, lag nicht vor.
1191
7. Das Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 Var. 5 StGB) ist hingegen nicht erfüllt.
1192
a. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Das Opfer muss gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein. Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (BGH, Urteil vom 25.11.2015 - 1 StR 349/15 m.w.N.).
1193
Heimtückisches Handeln erfordert jedoch kein „heimliches“ Vorgehen. Das Opfer kann auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (BGH, Urteil vom 03.09.2015 - 3 StR 242/15 m.w.N.).
1194
Für das bewusste Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers genügt es, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH, Urteil vom 29.01.2015 - 4 StR 433/14).
1195
Die Arglosigkeit kann nur einem solchen Menschen gegenüber ausgenutzt werden, der selbst oder mit Hilfe Dritter dem Angriff auf sein Leben entgegentreten könnte, falls er oder ein schützender Dritter nicht durch das tückische Verhalten des Täters in Sicherheit gewiegt worden wäre (BGH, Urteil vom 4. 11. 1952 - 2 StR 261/52).
1196
b. Vorliegend lässt sich schon eine Arglosigkeit des Geschädigten bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs des Angeklagten nicht belegen.
1197
(1) Maßgeblich ist insoweit, ob der Geschädigte selbst arglos war.
1198
(2) Die für die Fälle der Tötung von Kleinkindern entwickelte Rechtsprechung, wonach es ausnahmsweise nicht auf die Arglosigkeit des Tatopfers selbst, sondern vielmehr auf die Arglosigkeit eines schutzbereiten Dritten ankommt, findet auf die vorliegende Fallkonstellation keine Anwendung.
1199
Der entscheidende Aspekt für diese Rechtsprechung ist, dass ein Kleinkind bei einem Angriff auf sein Leben stets arglos ist, da seine Wahrnehmungsfähigkeit noch nicht soweit ausgebildet ist, dass es überhaupt Argwohn empfinden könnte.
1200
Diese Ausnahme-Rechtsprechung wurde auf solche Tatopfer übertragen, die nicht (mehr) über die natürliche Fähigkeit zum Argwohn verfügen. Dies gilt vor allem für bewusstlose Tatopfer, deren natürliche Fähigkeit zum Argwohn durch die Bewusstlosigkeit ausgeschaltet ist. Diesen gleichgestellt werden Personen, die infolge ihres Krankheitszustandes die Umwelt nur noch schemenhaft wahrnehmen können, so dass sie nicht (mehr) in der Lage sind, die böse Absicht eines ihnen nach dem Leben trachtenden Täters zu erkennen.
1201
In diesen Sonderkonstellationen kommt es für die Frage der Arglosigkeit im Rahmen des Mordmerkmals der Heimtücke nicht auf die innere Befindlichkeit des Tatopfers, sondern vielmehr auf diejenige eines schutzbereiten Dritten an. Damit allerdings ein Dritter überhaupt als schutzbereit in diesem Sinne in Betracht kommt, ist in aller Regel eine gewisse räumliche Nähe zum Tatopfer unerlässlich.
1202
Anders als die genannten Personengruppen besitzt ein - gegebenenfalls auch schwer - demenzkranker Mensch grundsätzlich noch die Fähigkeit zum Argwohn, wenn nicht aufgrund entsprechender sachverständiger Beurteilung das Gegenteil festgestellt werden kann.
1203
Dementsprechend war vorliegend für die Frage der Arglosigkeit auf die innere Befindlichkeit des Geschädigten abzustellen, mithin auf dessen individuelle Einschätzung der Situation unmittelbar vor der Verabreichung der ersten Insulin-Injektion durch den Angeklagten.
1204
(3) Hierzu konnten jedoch keine Feststellungen getroffen werden. Der inzwischen verstorbene Geschädigte hat sich zu der Tat nie geäußert. Unmittelbare Tatzeugen gibt es nicht. Der Angeklagte machte im Verfahren keine Angaben zur Situation bei Angriffsbeginn. Indizien, welche einen tragfähigen Rückschluss auf die innere Befindlichkeit des Geschädigten unmittelbar vor der Verabreichung der ersten Insulin-Injektion durch den Angeklagten zuließen, liegen ebenfalls nicht vor.
1205
8. Das Mordmerkmal der Habgier (§ 211 Abs. 2 Var. 3 StGB) ist ebenfalls nicht erfüllt.
1206
a. Nach ständiger Rechtsprechung liegt Habgier im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB vor, wenn der Täter in rücksichtsloser Weise durch seine Tat den Gewinn von Geld oder Geldwert in einer noch über die bloße Gewinnsucht hinaus gesteigerten Weise erstrebt; dieses Streben nach materiellen Gütern oder Vorteilen um jeden Preis, auch um den Preis eines Menschenlebens willen, stellt den Grund für den gesteigerten Vorwurf einer aus Habgier begangenen Tötung dar. Dieses rücksichtlose Streben nach materiellen Gütern und Vorteilen um jeden Preis muss den Täter bei seinem Tötungsentschluss und dessen Umsetzung entscheidend beeinflusst haben; beim Vorliegen eines Motivbündels muss das Streben nach dem Vorteil bei der Tatausführung „bewusstseinsdominant“ gewesen sein (BGH, Beschluss vom 18.03.2020 - 4 StR 487/19 m.w.N.).
1207
b. Zwar ging es dem Angeklagten bei seiner Ausübung der Tätigkeit als 24-StundenBetreuungskraft generell nur darum, sich durch das heimliche Entwenden oder betrügerische Erschleichen von Bargeld, Vermögenswerten und Gegenständen des täglichen Bedarfs zu bereichern sowie durch den übermäßigen Verzehr von Nahrungsmitteln und Konsum von insbesondere zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken seine diesbezüglichen Bedürfnisse zu befriedigen.
1208
Jedoch war dieses rücksichtslose Gewinnstreben nicht das Motiv des Angeklagten für die Verabreichung von Insulin an den Geschädigten, wie sich aus den obigen Darlegungen zum Tatmotiv ergibt.
1209
9. Der Angeklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft. Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht gegeben.
II. Tat zum Nachteil von B
1210
Die Tat des Angeklagten zum Nachteil von Eugen B stellt sich strafrechtlich dar als gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5 StGB.
1211
Vom Versuch des Mordes gemäß §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4, 22, 23 Abs. 1 StGB ist der Angeklagte mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten, § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB.
1212
1. Der Angeklagte setzte nach seiner Vorstellung von der Tat unter Verwirklichung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe unmittelbar zur Tötung des Geschädigten B an, §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4, 22, 23 StGB.
1213
a. Der Angeklagte hatte den bedingt vorsätzlichen Tatenschluss zur Tötung des Geschädigten B gefasst.
1214
Auf die Ausführungen zum bedingten Tötungsvorsatz oben unter I.4. (S. 165) wird umfassend Bezug genommen. Sie gelten entsprechend.
1215
(1) Anstelle der Ausführungen oben unter I.4.b(2)(a) i., S. 168, gilt Folgendes:
1216
Die Verabreichung von 80 I.E. Insulin - und damit einer sehr hohen Dosis weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - rief bei dem zuckerstoffwechselgesunden, 90-jähren Geschädigten eine schwere Hypoglykämie mit Bewusstlosigkeit hervor, welche lediglich durch die intravenöse Gabe von Glucose über einen Zeitraum von mindestens 12 Stunden wieder behoben werden konnte.
1217
(2) Auch im Fall des Geschädigten B spricht das Tatmotiv des Angeklagten nicht gegen seine Bereitschaft, dafür auch schwerste, tödliche Folgen in Kauf zu nehmen. Das Tatmotiv des Angeklagten weicht hier von dem oben unter I.4.b(2)(b), S. 168, dargestellten Motiv lediglich insoweit ab, als sich die Verärgerung des Angeklagten im Fall B ausschließlich auf die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten bezog.
1218
b. Der Angeklagte setzte zur Tötung des Geschädigten B unmittelbar an, indem er diesem am frühen Nachmittag des 31.05.2017 etwa im Zeitraum 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr mit seinem Insulin-Pen zwei Injektionen zu je 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) verabreichte.
1219
c. Der Angeklagte handelte aus niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB).
1220
Auf die Darlegungen zu den niedrigen Beweggründen oben unter I.6. (S. 170) - mit Ausnahme der Ausführungen zur (im Fall B nicht vorhandenen) Verärgerung des Angeklagten über die erhebliche Störung seiner eigenen Nachtruhe in der vorangegangenen Nacht - wird verwiesen. Diese gelten entsprechend mit folgender Maßgabe hinsichtlich der Verärgerung des Angeklagten über die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten B:
1221
Die Verärgerung des Angeklagten über die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten B entbehrt einer nachvollziehbaren Grundlage.
1222
(1) Wegen der inneren Einstellung des Angeklagten - ihm ging es nur darum, die Aufgaben einer 24-Stunden-Betreuungskraft mit möglichst wenig Arbeitsaufwand zu verrichten, sich zum Nachteil des Geschädigten zu bereichern und danach möglichst schnell wieder abzureisen - war die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten B letztlich begründet, auch wenn dieser von der inneren Einstellung des Angeklagten keine positive Kenntnis hatte.
1223
(2) Darüber hinaus hatte der - überdies demenzkranke - Geschädigte seine Ablehnung des Angeklagten in einer sehr zurückhaltenden, sozialüblichen Art und Weise zum Ausdruck gebracht und deshalb keinen Anlass für eine verständliche Verärgerung des Angeklagten geboten.
1224
(3) All dies war dem Angeklagten bewusst.
1225
d. Das Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 Var. 5 StGB) ist hingegen nicht erfüllt. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter I.7. (S. 173) verwiesen. Diese gelten entsprechend mit folgender Maßgabe:
1226
Auch die Angaben des Angeklagten, wonach B bei Verabreichung des Insulins durch ihn wach im Bett gelegen sei (vgl. oben C.II.2.d(4)(d), S. 87), stellen keine tragfähige Grundlage für die Feststellung der Arglosigkeit des Geschädigten bzw. einer heimtückischen Begehungsweise dar.
1227
e. Das Mordmerkmal der Habgier (§ 211 Abs. 2 Var. 3 StGB) ist ebenfalls nicht erfüllt. Auf die Ausführungen oben unter I.8. (S. 175) wird umfassend Bezug genommen.
1228
f. Der Angeklagte handelte insoweit rechtswidrig und schuldhaft. Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht gegeben.
1229
2. Der Angeklagte ist jedoch vom Versuch des Mordes mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten, § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB.
1230
a. Der Versuch war nicht fehlgeschlagen. Ein Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB scheidet deshalb nicht schon von vorneherein aus.
1231
(1) Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (BGH, Beschluss vom 11.03.2014, 1 StR 735/13).
1232
(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt kein fehlgeschlagener Versuch vor.
1233
Nachdem der Angeklagte dem Geschädigten zwei Injektionen zu je 40 I.E. Insulin verabreicht hatte, war die Vollendung der Tat mit den bereits eingesetzten Mitteln aus Sicht des Angeklagten weiterhin möglich. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte subjektiv (irrig) die Vollendung mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln nicht mehr für möglich gehalten hätte.
1234
b. Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch bestimmt sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont.
1235
Bei einem Tötungsdelikt liegt demgemäß ein unbeendeter Versuch vor, bei dem allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch führt, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend ist. Ein beendeter Tötungsversuch, bei dem er für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist hingegen anzunehmen, wenn der Täter den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht (BGH, Urteil vom 01.12.2011 - 3 StR 337/11 m.w.N.).
1236
c. Es liegt ein beendeter Versuch vor.
1237
Nachdem der Angeklagte dem Geschädigten 80 I.E. Insulin verabreicht hatte, war B für den Angeklagten nicht mehr erweckbar. In diesem Zustandsbild des Geschädigten erkannte der Angeklagte die Folgen seiner vorangegangenen, äußerst gefährlichen Vorgehensweise, zumal er wusste, dass er dem zuckerstoffwechselgesunden Geschädigten zwei Injektionen zu je 40 I.E. Insulin verabreicht hatte. Dem Angeklagten war deshalb in dieser Situation bewusst, dass der Geschädigte möglicherweise an der durch die Verabreichung des Insulins hervorgerufenen Hypoglykämie und ihren Folgen versterben könnte.
1238
d. Wegen beendeten Versuchs wird der Täter nur dann nicht bestraft, wenn er freiwillig die Vollendung der Tat verhindert oder sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und S. 2 StGB).
1239
Der Angeklagte drängte die Tochter des Geschädigten, Be, nachdrücklich dazu, einen Arzt zu verständigen. Be, die von einer tiefschlafphasenbedingten Müdigkeit ihres Vaters ausging und diesen deshalb weiter im Bett liegen lassen wollte, gab schließlich dem Drängen des Angeklagten nach und setzte gegen 18:25 Uhr einen Notruf ab. Ohne das nachdrückliche Drängen des Angeklagten hätte Be um diese Uhrzeit noch keinen Notruf abgesetzt, sondern noch längere Zeit zugewartet und die weitere Entwicklung des Zustands ihres Vaters beobachtet.
1240
Der aufgrund dieses Notrufs alarmierte Notarzt verabreichte dem Geschädigten intravenös eine Glucose-Lösung und verbrachte ihn ins Krankenhaus, wo B stationär weiterbehandelt wurde. Durch diese Maßnahmen konnte das Leben des Geschädigten B gerettet werden.
1241
Ursächlich für die lebensrettenden Maßnahmen war das nachdrückliche Drängen des Angeklagten gegenüber Be, einen Arzt zu verständigen. Durch sein Drängen hat der Angeklagte demnach die Vollendung der Tat verhindert, wobei er freiwillig handelte. Die Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt vom beendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB sind damit erfüllt.
1242
3. Durch seine Handlungsweise hat sich der Angeklagte einer gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten B schuldig gemacht (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5 StGB).
1243
a. Durch das Verabreichen von 80 I.E. Insulin hat der Angeklagte den Geschädigten vorsätzlich körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt (§ 223 Abs. 1 StGB). Der Angeklagte handelte mit direktem Körperverletzungsvorsatz.
1244
b. Der Angeklagte hat zugleich den Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB) verwirklicht.
1245
(1) Der Angeklagte beging die Körperverletzung durch Beibringung von Gift (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
1246
(a) Die Vorschrift erfasst das Beibringen von Gift und allen gesundheitsschädlichen Stoffen, die im konkreten Fall die Eigenschaft eines Giftes haben. Für den objektiven Tatbestand genügt bereits die Gesundheitsschädlichkeit des Stoffes, dessen Beibringung das Opfer im Sinne des § 223 StGB an der Gesundheit schädigt. Dafür erforderlich, aber auch genügend ist, dass die Substanz nach ihrer Art und dem konkreten Einsatz zur erheblichen Gesundheitsschädigung geeignet ist. Danach werden - im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zum Begriff des gefährlichen Werkzeugs im Sinne der Nr. 2 des § 224 Abs. 1 StGB - auch an sich unschädliche Stoffe des täglichen Bedarfs erfasst, wenn ihre Beibringung nach der Art ihrer Anwendung oder Zuführung des Stoffes, seiner Menge oder Konzentration, ebenso aber auch nach dem Alter und der Konstitution des Opfers mit der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung im Einzelfall verbunden ist (BGH, Urteil vom 16.03.2006 - 4 StR 536/05 m.w.N.).
1247
(b) Die Verabreichung von Insulin an einen zuckerstoffwechselgesunden Menschen ist generell geeignet, ernsthafte gesundheitliche Schäden zu verursachen, indem hierdurch eine Hypoglykämie hervorgerufen wird, welche mit Bewusstlosigkeit einhergehen, zu irreversiblen Nervenzellschädigungen im Gehirn führen und einen tödlichen Ausgang nehmen kann. Dies gilt umso mehr bei Verabreichung einer massiven Überdosis Insulin weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung.
1248
(c) Die Verabreichung von 80 I.E. Insulin an den Geschädigten hatte genau diesen Effekt und führte bei B zu einer Hypoglykämie mit Bewusstlosigkeit.
1249
(2) Der Angeklagte beging die Körperverletzung ferner mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB).
1250
Einem zuckerstoffwechselgesunden, älteren Menschen eine massive Überdosis Insulin - weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - zu injizieren, ist nach den Umständen des Einzelfalles generell dazu geeignet, das Leben zu gefährden, da hierdurch eine Hypoglykämie hervorgerufen wird, welche mit Bewusstlosigkeit einhergehen und tödliche Folgen nach sich ziehen kann.
1251
Für den Geschädigten B bestand sogar konkrete Lebensgefahr.
1252
(3) Die Tatbestandsvariante der Körperverletzung mittels eines hinterlistigen Überfalls (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB) ist hingegen nicht erfüllt.
1253
(a) Überfall ist ein Angriff auf den Verletzten, dessen er sich nicht versieht und auf den er sich nicht vorbereiten kann (Fischer, StGB, 67. A., § 224 Rn. 22 m.w.N.).
1254
Hinterlist setzt voraus, dass der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen (BGH, Urteil vom 09.09.2004 - 4 StR 199/04 m.w.N.).
1255
(b) Vorliegend lässt sich schon ein Überfall nicht belegen. Es konnten keine Feststellungen zur inneren Befindlichkeit des Geschädigten bei Angriffsbeginn - namentlich dazu, ob er sich des Angriffs durch Injektion von Insulin versah und sich hierauf vorbereiten konnte - getroffen werden.
1256
(4) Der Angeklagte handelte mit direktem Körperverletzungsvorsatz sowie rechtswidrig und schuldhaft.
III. Tat zum Nachteil von M
1257
Die Tat des Angeklagten zum Nachteil von M ist strafrechtlich zu werten als versuchter Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5, 22, 23, 52 StGB.
1258
1. Der Angeklagte setzte nach seiner Vorstellung von der Tat unter Verwirklichung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe unmittelbar zur Tötung des Geschädigten M an, §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4, 22, 23 StGB.
1259
a. Der Angeklagte hatte den bedingt vorsätzlichen Tatenschluss zur Tötung des Geschädigten M gefasst.
1260
(1) Auf die Ausführungen zum bedingten Tötungsvorsatz oben unter I.4. (S. 165) wird umfassend Bezug genommen. Sie gelten entsprechend.
1261
(a) Anstelle der Ausführungen oben unter I.4.b(2)(a) i., S. 168, gilt Folgendes:
1262
Die Verabreichung von 160 I.E. Insulin - und damit einer extrem hohen Dosis weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - rief bei dem zuckerstoffwechselgesunden, 82-jähren Geschädigten eine schwere Hypoglykämie mit Bewusstlosigkeit hervor, welche lediglich durch die intravenöse Gabe von insgesamt mindestens 420 g Glucose über einen Zeitraum von 60 Stunden wieder behoben werden konnte.
1263
(b) Auch im Fall des Geschädigten M spricht das Tatmotiv des Angeklagten nicht gegen seine Bereitschaft, dafür auch schwerste, tödliche Folgen in Kauf zu nehmen. Das Tatmotiv im Fall M stellt sich folgendermaßen dar:
1264
Der Angeklagte wollte auch hier durch die Verabreichung einer massiven Überdosis Insulin - weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - bei einem zuckerstoffwechselgesunden, älteren Menschen eine Hypoglykämie und damit eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorrufen.
1265
Hierbei ging es dem Angeklagten zum einen darum, sich Genugtuung dadurch zu verschaffen, dass G, die sich hingebungsvoll um ihren Ehemann kümmerte und um dessen Wohlergehen besorgt war, aufgrund der für diesen lebensbedrohlichen Notfallsituation um dessen Leben würde fürchten müssen. Auf diese Weise wollte der Angeklagte seine maßgeblich aus den beiden Zurechtweisungen wegen der unhygienischen Badezimmernutzung resultierende Verärgerung über G abreagieren, da die Ehefrau des Geschädigten selbst wegen ihrer hervorragenden körperlichen und geistigen Verfassung als unmittelbares Tatopfer für den Angeklagten nicht in Betracht kam.
1266
Zum anderen wollte der Angeklagte im Zuge dessen zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen dieser Arbeitsstelle ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf schaffen, da zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt zu erwarten war.
1267
(2) Für die Annahme, dass der Angeklagte den bedingt vorsätzlichen Tatenschluss zur Tötung des Geschädigten M bereits gefasst hatte, als er diesem zur Mittagszeit des 27.06.2017 3 mg des Wirkstoffs Lorazepam verabreichte, liegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vor. Die Verabreichung von Lorazepam durch den Angeklagten erfolgte vielmehr mit direktem Körperverletzungsvorsatz.
1268
b. Der Angeklagte setzte zur Tötung des Geschädigten M unmittelbar an, indem er diesem am 27.06.2017 zwischen 15:30 Uhr und 16:10 Uhr mit seinem Insulin-Pen vier Injektionen zu je 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) teilweise subkutan und teilweise intramuskulär verabreichte, wobei zwei dieser Injektionen in den rechten Oberarm des Geschädigten erfolgten.
1269
c. Der Angeklagte handelte aus niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB).
1270
Auf die Darlegungen zu den niedrigen Beweggründen oben unter I.6. (S. 170) - mit Ausnahme der Ausführungen zur Verärgerung des Angeklagten - wird verwiesen. Diese gelten entsprechend. Im Hinblick auf die Verärgerung des Angeklagten im Fall M gilt abweichend Folgendes:
1271
Die maßgeblich aus den beiden Zurechtweisungen wegen der unhygienischen Badezimmernutzung resultierende Verärgerung des Angeklagten über G entbehrt einer nachvollziehbaren Grundlage.
1272
(1) Der Angeklagte hatte jeweils einen begründeten Anlass für die Zurechtweisungen durch G geboten, indem er zweimal beim Toilettengang im gemeinsam genutzten Badezimmer gegen das sozialübliche Mindestmaß an Hygiene verstoßen hatte, als er jeweils die Toilettenschüssel voller Kot hinterlassen sowie einmal überdies zur Reinigung des Gesäßes verwendete Handtücher auf dem Badezimmerboden zurückgelassen hatte. Die von G erzürnt vorgebrachten Zurechtweisungen waren daher nachvollziehbar und begründet.
1273
(2) All dies war dem Angeklagten bewusst.
1274
d. Das Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 Var. 5 StGB) ist hingegen nicht erfüllt. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter I.7. (S. 173) verwiesen. Diese gelten entsprechend. Im Hinblick auf die nicht zu belegende Arglosigkeit des Geschädigten bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs des Angeklagten gilt Folgendes:
1275
Aufgrund der vom Angeklagten heimlich verabreichten 3 mg des Wirkstoffs Lorazepam aus der Substanzgruppe der Benzodiazepine war M zumindest stark sediert und jedenfalls in seiner Wahrnehmungsfähigkeit erheblich eingeschränkt, als ihm der Angeklagte das Insulin verabreichte. Weitergehende Feststellungen zur inneren Befindlichkeit des Geschädigten vermochte die Strafkammer nicht zu treffen.
1276
(1) Der inzwischen verstorbene Geschädigte hat sich zu der Tat nie geäußert. Unmittelbare Tatzeugen gibt es nicht. Die Angaben des Angeklagten zur Tatsituation, wonach der Geschädigte in seinem Bett gelegen sei, lassen sich mit den übrigen Beweisergebnissen ebenso wenig in Einklang bringen wie seine Angaben zur Tatzeit und zur verabreichten Insulinmenge (vgl. oben C.III.5.b., S. 134).
1277
(2) Allein aus dem Umstand, dass der Geschädigte stark sediert und jedenfalls in seiner Wahrnehmungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war, lässt sich weder eine Arglosigkeit des Geschädigten noch das Gegenteil ableiten.
1278
(a) Hätte der Geschädigte trotz erheblich eingeschränkter Wahrnehmungsfähigkeit den Angriff des Angeklagten erkannt, wäre er nicht arglos gewesen. Arglosigkeit läge hingegen vor, wenn der Geschädigte den Angriff des Angeklagten nicht erwartet hätte, aber zum Erkennen des Angriffs trotz seiner erheblich eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit in der Lage gewesen wäre.
1279
(b) Im Falle einer so starken Einschränkung der Wahrnehmungsfähigkeit, dass sich der Geschädigte in einem der Bewusstlosigkeit vergleichbaren Zustand der Benommenheit befunden hätte, wäre M ebenfalls nicht arglos gewesen, da seine natürliche Fähigkeit zum Argwohn durch die medikamentöse Sedierung ausgeschaltet gewesen wäre (vgl. oben I.7.b(2), S. 174).
1280
i. Dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs „die Tötung eines Schlafenden das geradezu klassische Beispiel der Heimtücke“ (BGH, Urteil vom 08.10.1969 - 3 StR 90/69) darstellt, während „die Tötung eines Besinnungslosen nicht heimtückisch sein kann“ (BGH aaO.), ist sachlich gerechtfertigt.
1281
1. Der Schlafende ist in aller Regel arglos, wenn er einschläft. Er überlässt sich dem Schlaf im Vertrauen darauf, dass ihm nichts geschehen werde; in diesem Vertrauen überliefert er sich der Wehrlosigkeit. Wer sich zum Schlafen niederlegt, nimmt die Arglosigkeit mit in den Schlaf; sie begleitet ihn, auch wenn er sich ihrer nicht mehr bewusst ist. Den Bewusstlosen hingegen überkommt sein Zustand, ohne dass er es hindern könnte; er kann nicht in der Erwartung, ihm werde niemand etwas anhaben, getäuscht werden. (BGH aaO.).
1282
2. Auch im Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung gestaltet sich die Lage unterschiedlich. Der Bewusstlose befindet sich in einem Defektzustand, aus dem er sich nicht ohne Weiteres selbst befreien kann. Seine Hilflosigkeit ist vorgezeichnet und situativ nicht zu beseitigen. Anders verhält es sich beim Schlafenden. Er kann jederzeit auf Grund endogener Kräfte aufwachen und Abwehrmaßnahmen ergreifen (MüKo-Schneider, StGB, 3. A., § 211 Rn. 180 m.w.N.).
1283
ii. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Opfer, das den Beginn des mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht bewusst erlebt, auch dann nicht arglos, wenn der Täter sein Opfer vor der Tötungshandlung mit Körperverletzungsvorsatz heimtückisch angegriffen und dadurch die Benommenheit bzw. Bewusstlosigkeit herbeigeführt hat (BGH, Beschluss vom 19.03.1997 - 3 StR 68/97).
1284
iii. Deshalb ändert sich an der fehlenden Arglosigkeit des Geschädigten M im Falle eines der Bewusstlosigkeit vergleichbaren Zustands der Benommenheit auch nichts dadurch, dass der Angeklagte dem Geschädigten zuvor heimlich - mit Körperverletzungsvorsatz (vgl. hierzu oben a(2), S. 182) - 3 mg Lorazepam verabreicht und dadurch den Zustand der erheblich eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit hervorgerufen hatte.
1285
e. Das Mordmerkmal der Habgier (§ 211 Abs. 2 Var. 3 StGB) ist ebenfalls nicht erfüllt. Auf die Ausführungen oben unter I.8. (S. 175) wird umfassend Bezug genommen.
1286
f. Der Angeklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft. Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht gegeben.
1287
2. Der Angeklagte ist nicht nach § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend vom Versuch des Mordes zurückgetreten.
1288
a. Der Versuch war nicht fehlgeschlagen. Ein Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB scheidet deshalb nicht schon von vorneherein aus.
1289
Ausgehend von den oben unter II.2.a(1) (S. 178) dargelegten Grundsätzen liegt kein fehlgeschlagener Versuch vor. Nachdem der Angeklagte dem Geschädigten vier Injektionen zu je 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) teilweise subkutan und teilweise intramuskulär verabreicht hatte, war die Vollendung der Tat mit den bereits eingesetzten Mitteln aus Sicht des Angeklagten weiterhin möglich. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte subjektiv (irrig) die Vollendung mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln nicht mehr für möglich gehalten hätte.
1290
b. Gemäß der oben unter II.2.b. (S. 178) dargelegten Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch liegt ein beendeter Versuch vor.
1291
Nachdem der Angeklagte dem Geschädigten insgesamt 160 I.E. Insulin verabreicht hatte, war dieser nicht mehr ansprechbar. In diesem Zustandsbild des Geschädigten erkannte der Angeklagte die Folgen seiner vorangegangenen, äußerst gefährlichen Vorgehensweise, zumal er wusste, dass er dem zuckerstoffwechselgesunden Geschädigten vier Injektionen zu je 40 I.E. Insulin verabreicht hatte. Dem Angeklagten war deshalb in dieser Situation bewusst, dass der Geschädigte möglicherweise an der durch die Verabreichung des Insulins hervorgerufenen Hypoglykämie und ihren Folgen versterben könnte.
1292
c. Wegen beendeten Versuchs wird der Täter nur dann nicht bestraft, wenn er freiwillig die Vollendung der Tat verhindert oder sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und S. 2 StGB).
1293
Ernsthafte Rettungsbemühungen entfaltete der Angeklagte indes nicht. Es war vielmehr der Hausarzt Dr. P, der anlässlich seines zweiten Besuchs beim Geschädigten eigeninitiativ gegen 21:10 Uhr einen Notruf absetzte. Zuvor hatte G - ebenfalls eigeninitiativ - wegen der schlechten Verfassung ihres Ehemannes den Hausarzt telefonisch gebeten, seinen geplanten Hausbesuch vorziehen.
1294
Zwar forderte der Angeklagte nach dem (ersten) Besuch des Hausarztes die Ehefrau des Geschädigten wiederholt auf, ein „Krankenauto“ zu rufen. Jedoch gab er sich mit deren Erwiderung, dass sie zunächst den zweiten Besuch ihres Hausarztes abwarten wolle, zufrieden. Seine im weiteren Verlauf wiederholt gegenüber G getätigte Äußerung, dass der Geschädigte nun aber wirklich in ein Krankenhaus müsse, begründete der Angeklagte nicht.
1295
Darüber hinaus beschränkte sich der Angeklagte auf die Äußerung, dass er jetzt einen Krankenwagen rufen würde, machte jedoch keinerlei Anstalten, zu einem Telefon zu greifen und selbst einen entsprechenden Notruf abzusetzen. Als G erneut erwiderte, dass sie zunächst den zweiten Besuch des Hausarztes abwarten wolle, gab sich der Angeklagte wiederum damit zufrieden.
1296
Letztlich setzte der Hausarzt Dr. P anlässlich seines zweiten Besuchs beim Geschädigten eigeninitiativ gegen 21:10 Uhr einen Notruf ab. Der hierauf alarmierte Notarzt verabreichte dem Geschädigten intravenös eine Glucose-Lösung und verbrachte ihn ins Krankenhaus, wo M stationär weiterbehandelt wurde. Durch diese Maßnahmen konnte das Leben des Geschädigten M gerettet werden.
1297
3. Durch seine Handlungsweise hat sich der Angeklagte zugleich einer gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten M schuldig gemacht (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5 StGB).
1298
a. Durch das Verabreichen von 160 I.E. Insulin hat der Angeklagte den Geschädigten vorsätzlich körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt (§ 223 Abs. 1 StGB). Der Angeklagte handelte mit direktem Körperverletzungsvorsatz.
1299
b. Der Angeklagte hat zugleich den Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB) verwirklicht. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter II.3.b. (S. 179) umfassend Bezug genommen. Sie gelten entsprechend.
IV. Tat zum Nachteil von H 1
1300
Die Tat des Angeklagten zum Nachteil von H 1 stellt sich strafrechtlich dar als gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5 StGB.
1301
Vom Versuch des Mordes gemäß §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4, 22, 23 Abs. 1 StGB ist der Angeklagte mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten, § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB.
1302
1. Der Angeklagte setzte nach seiner Vorstellung von der Tat unter Verwirklichung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe unmittelbar zur Tötung des Geschädigten H 1 an, §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4, 22, 23 StGB.
1303
a. Der Angeklagte hatte den bedingt vorsätzlichen Tatenschluss zur Tötung des Geschädigten H 1 gefasst.
1304
Auf die Ausführungen zum bedingten Tötungsvorsatz oben unter I.4. (S. 165) wird umfassend Bezug genommen. Sie gelten entsprechend.
1305
(1) Anstelle der Ausführungen oben unter I.4.b(2)(a) i., S. 168, gilt Folgendes:
1306
Die Verabreichung von mindestens 80 I.E. Insulin - und damit einer sehr hohen Dosis weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - rief bei dem zuckerstoffwechselgesunden, 81-jähren Geschädigten eine schwere Hypoglykämie mit Bewusstlosigkeit hervor, welche lediglich durch die intravenöse Gabe von 245 g Glucose über einen Zeitraum von 19 Stunden wieder behoben werden konnte.
1307
(2) Auch im Fall des Geschädigten H 1 spricht das Tatmotiv des Angeklagten nicht gegen seine Bereitschaft, dafür auch schwerste, tödliche Folgen in Kauf zu nehmen. Das Tatmotiv im Fall H 1 stellt sich folgendermaßen dar:
1308
Dem Angeklagten ging es auch hier darum, durch die Verabreichung einer massiven Überdosis Insulin - weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - bei einem zuckerstoffwechselgesunden, älteren Menschen eine Hypoglykämie und damit eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorzurufen.
1309
Hierdurch wollte sich der Angeklagte zum einen Genugtuung verschaffen, um auf diese Weise seine Verärgerung über den Geschädigten H 1 abzureagieren, welche maßgeblich aus der von diesem ausgegangenen erheblichen Störung seiner eigenen Nachtruhe in der vorangegangenen Nacht sowie aus dem generell lauten Auftreten des gelegentlich lautstark vor sich hin schimpfenden Geschädigten resultierte.
1310
Zum anderen wollte der Angeklagte im Zuge dessen zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen dieser Arbeitsstelle ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf schaffen, da zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt zu erwarten war.
1311
b. Der Angeklagte setzte zur Tötung des Geschädigten H 1 unmittelbar an, indem er diesem am 29.08.17 zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr mit seinem Insulin-Pen mindestens zwei Injektionen zu je 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) verabreichte.
1312
c. Der Angeklagte handelte aus niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB).
1313
Auf die Darlegungen zu den niedrigen Beweggründen oben unter I.6. (S. 170) - mit Ausnahme der Ausführungen zur Verärgerung des Angeklagten über die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten - wird verwiesen. Diese gelten entsprechend. Im Hinblick auf die Verärgerung des Angeklagten im Fall H 1 gilt abweichend Folgendes:
1314
Auch soweit die Verärgerung des Angeklagten über den Geschädigten H 1 aus dem generell lauten Auftreten des gelegentlich lautstark vor sich hin schimpfenden Geschädigten resultierte, entbehrt die Verärgerung des Angeklagten einer nachvollziehbaren Grundlage.
1315
(1) I, die Nichte des Geschädigten, hatte ein Merkblatt für die bei ihrem Onkel eingesetzten 24-Stunden-Betreuungskräfte verfasst und in die … Sprache übersetzen lassen. Darin beschrieb sie unter anderem die Nachtaktivität des Geschädigten sowie dessen lautes Auftreten und insbesondere auch, dass Franz H 1 manchmal wütend sei und lautstark vor sich hin schimpfe. Für den Umgang mit dem Geschädigten enthielt das Merkblatt den Ratschlag, dass man H 1 einfach in Ruhe lassen und, wenn nötig, selbst das Zimmer verlassen solle. H 1beruhige sich dann von selbst wieder.
1316
(2) Der Angeklagte hatte dieses Merkblatt vor Antritt seiner Tätigkeit beim Geschädigten H 1 erhalten und als Datei auf seinem Laptop abgespeichert. Gegenüber I bestätigte er auch den Erhalt des Merkblatts.
1317
Dem Angeklagten waren mithin die persönlichkeits- und demenzbedingten Eigenheiten und Verhaltensweisen des Geschädigten im Einzelnen vor Antritt seiner Tätigkeit bekannt.
1318
Überdies gehört gerade auch der Umgang mit derartigen persönlichkeits- und / oder krankheitsbedingten Eigenheiten von hilfsbedürftigen Personen zu den Kernaufgaben einer 24-Stunden-Betreuungskraft. Auch dies war dem Angeklagten bekannt.
1319
d. Das Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 Var. 5 StGB) ist hingegen nicht erfüllt. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter I.7. (S. 173) verwiesen. Diese gelten entsprechend mit folgender Maßgabe:
1320
Zwar gab der Angeklagte an, dass H 1 bei Verabreichung des Insulins zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr gerade dabei gewesen sei, in seinem Bett langsam einzuschlafen (vgl. oben C.II.2.d(1)(c), S. 81).
1321
Jedoch stellt diese Einlassung allein schon deshalb keine tragfähige Grundlage für die Feststellung der Arglosigkeit des Geschädigten bzw. einer heimtückischen Begehungsweise dar, da die Einlassungen des Angeklagten den Feststellungen - insbesondere auch, soweit diese den Angeklagten belasten - nur insoweit zugrunde gelegt werden konnten, als diese Angaben eine Bestätigung in anderen Beweismitteln finden und mit den übrigen Beweisergebnissen im Einklang stehen (vgl. hierzu oben C.III.1., S. 97 ff.).
1322
Entsprechende andere Beweismittel zur Frage der individuellen Befindlichkeit des Geschädigten und seiner individuellen Einschätzung der Situation unmittelbar vor der Verabreichung der ersten Insulin-Injektion durch den Angeklagten liegen nicht vor.
1323
e. Das Mordmerkmal der Habgier (§ 211 Abs. 2 Var. 3 StGB) ist ebenfalls nicht erfüllt. Auf die Darlegungen oben unter I.8. (S. 175) wird umfassend Bezug genommen.
1324
f. Der Angeklagte handelte insoweit rechtswidrig und schuldhaft. Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht gegeben.
1325
2. Der Angeklagte ist jedoch vom Versuch des Mordes mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten, § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB.
1326
a. Der Versuch war nicht fehlgeschlagen. Ein Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB scheidet deshalb nicht schon von vorneherein aus.
1327
Ausgehend von den oben unter II.2.a(1) (S. 178) dargelegten Grundsätzen liegt kein fehlgeschlagener Versuch vor. Nachdem der Angeklagte dem Geschädigten mindestens zwei Injektionen zu je 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) verabreicht hatte, war die Vollendung der Tat mit den bereits eingesetzten Mitteln aus Sicht des Angeklagten weiterhin möglich. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte subjektiv (irrig) die Vollendung mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln nicht mehr für möglich gehalten hätte.
1328
b. Gemäß der oben unter II.2.b. (S. 178) dargelegten Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch liegt ein beendeter Versuch vor.
1329
Nachdem der Angeklagte dem Geschädigten insgesamt mindestens 80 I.E. Insulin verabreicht hatte, ging er davon aus, dass H 1 möglicherweise versterben werde, wie er gegenüber Ingrid Lerch in einem Telefonat am 30.08.2017 gegen 01:50 Uhr ausdrücklich äußerte, als er sie aufforderte, schnell zu kommen. Der Angeklagte erkannte in dem Zustand des Geschädigten die Folgen seiner vorangegangenen, äußerst gefährlichen Vorgehensweise, zumal er wusste, dass er dem zuckerstoffwechselgesunden Geschädigten mindestens zwei Injektionen zu je 40 I.E. Insulin verabreicht hatte.
1330
c. Wegen beendeten Versuchs wird der Täter nur dann nicht bestraft, wenn er freiwillig die Vollendung der Tat verhindert oder sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und S. 2 StGB).
1331
Im Anschluss an sein am 30.08.2017 gegen 01:50 Uhr mit I geführtes Telefonat setzte der Angeklagte einen Notruf ab, woraufhin um 01:58 Uhr der Notarzt Dr. N alarmiert wurde. Dieser verabreichte dem Geschädigten intravenös eine Glucose-Lösung und verbrachte ihn ins Krankenhaus, wo H 1 stationär weiterbehandelt wurde. Durch diese Maßnahmen konnte das Leben des Geschädigten H 1 gerettet werden.
1332
Ursächlich für die lebensrettenden Maßnahmen war der Notruf des Angeklagten. Hierdurch hat der Angeklagte demnach die Vollendung der Tat verhindert, wobei er freiwillig handelte. Die Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt vom beendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB sind damit erfüllt.
1333
3. Durch seine Handlungsweise hat sich der Angeklagte einer gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten H 1 schuldig gemacht (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5 StGB).
1334
a. Durch das Verabreichen von mindestens 80 I.E. Insulin hat der Angeklagte den Geschädigten vorsätzlich körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt (§ 223 Abs. 1 StGB). Der Angeklagte handelte mit direktem Körperverletzungsvorsatz.
1335
b. Der Angeklagte hat zugleich den Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB) verwirklicht. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter II.3.b. (S. 179) umfassend Bezug genommen. Sie gelten entsprechend.
V. Tat zum Nachteil von G
1336
Die Tat des Angeklagten zum Nachteil von G ist strafrechtlich zu werten als gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5 StGB.
1337
Vom Versuch des Mordes gemäß §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4, 22, 23 Abs. 1 StGB ist der Angeklagte mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten, § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB.
1338
1. Der Angeklagte setzte nach seiner Vorstellung von der Tat unter Verwirklichung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe unmittelbar zur Tötung der Geschädigten G an, §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4, 22, 23 StGB.
1339
a. Der Angeklagte hatte den bedingt vorsätzlichen Tatenschluss zur Tötung der Geschädigten G gefasst.
1340
Auf die Ausführungen zum bedingten Tötungsvorsatz oben unter I.4. (S. 165) wird umfassend Bezug genommen. Sie gelten entsprechend.
1341
(1) Anstelle der Ausführungen oben unter I.4.b(2)(a) i., S. 168, gilt Folgendes:
1342
Die Verabreichung von 40 I.E. Insulin - und damit einer hohen Dosis weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - rief bei der zuckerstoffwechselgesunden, 79-jähren Geschädigten eine schwere Hypoglykämie mit Bewusstlosigkeit hervor, welche lediglich durch die intravenöse Gabe von mindestens 56 g Glucose über einen Zeitraum von 7 Stunden wieder behoben werden konnte.
1343
(2) Auch im Fall der Geschädigten G spricht das Tatmotiv des Angeklagten nicht gegen seine Bereitschaft, dafür auch schwerste, tödliche Folgen in Kauf zu nehmen. Das Tatmotiv im Fall G stellt sich folgendermaßen dar:
1344
Der Angeklagte wollte auch hier durch die Verabreichung einer Überdosis Insulin bei einem zuckerstoffwechselgesunden, älteren Menschen eine Hypoglykämie und damit eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorrufen.
1345
Hierbei ging es dem Angeklagten maßgeblich darum, dadurch einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen der Einsatzstelle G zu schaffen, um auf diese Weise die für ihn bestehende Vertrags- und Terminkollision zwischen der Einsatzstelle G und seiner nachfolgenden Einsatzstelle beim Geschädigten H 2 zu beseitigen und seine bereits zuvor für den nächsten Tag gebuchte Busreise nach … ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf antreten zu können.
1346
Daneben wollte sich der Angeklagte durch das Hervorrufen einer für die Geschädigte lebensbedrohlichen Notfallsituation zugleich Genugtuung verschaffen, um hierdurch seine Verärgerung darüber abzureagieren, dass ihm im Haushalt G kein für ihn kostenfreier Internetzugang zur Verfügung gestellt worden war und er sich deshalb zu einer Internetnutzung auf eigene Kosten über einen mobilen Internetzugang gezwungen gesehen hatte.
1347
b. Der Angeklagte setzte zur Tötung der Geschädigten G unmittelbar an, indem er dieser am 16.12.2017 etwa im Zeitraum 06:15 Uhr bis 07:15 Uhr mit seinem Insulin-Pen eine Injektion à 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) intramuskulär in den Nacken verabreichte.
1348
c. Der Angeklagte handelte aus niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB).
1349
(1) Ausgehend von den oben unter I.6.a. (S. 170) dargelegten Grundsätzen stellt sich das genannte Tatmotiv des Angeklagten auch unter Berücksichtigung der Vorgeschichte der Tat sowie der individuellen Persönlichkeit und der Lebensverhältnisse des Angeklagten als niedriger Beweggrund im Sinne des § 211 Abs. 2 Var. 4 StGB dar.
1350
(2) Dem Angeklagten ging es maßgeblich darum, durch das Hervorrufen einer für G lebensbedrohlichen Notfallsituation einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen dieser Einsatzstelle zu schaffen, um auf diese Weise die für ihn bestehende Vertrags- und Terminkollision zwischen der Einsatzstelle G und seiner nachfolgenden Einsatzstelle beim Geschädigten H 2 zu beseitigen und seine bereits zuvor für den nächsten Tag gebuchte Busreise nach … ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf antreten zu können.
1351
(a) Zu der für den Angeklagten bestehenden Vertrags- und Terminkollision zwischen der Einsatzstelle G und seiner nachfolgenden Einsatzstelle beim Geschädigten H 2 hatte die Geschädigte nichts beigetragen und keinen Anlass hierzu geboten. Dies wusste der Angeklagte.
1352
(b) Der Angeklagte wollte sich den Aufwand ersparen, seine vorzeitige Abreise gegenüber der Geschädigten und ihren Angehörigen sowie insbesondere gegenüber der Vermittlungsagentur besonders begründen und rechtfertigen zu müssen, indem er einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen schuf.
1353
Zu diesem Zweck benutzte er die Geschädigte, indem er eine für diese lebensbedrohliche Notfallsituation hervorrief, welche zumindest die notfallmäßige Einlieferung der Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt erwarten ließ, so dass ein objektiv nachvollziehbarer Grund für die vorzeitige Abreise des Angeklagten gegeben war.
1354
(3) Daneben wollte sich der Angeklagte durch das Hervorrufen einer für G lebensbedrohlichen Notfallsituation zugleich Genugtuung verschaffen, um hierdurch seine Verärgerung darüber abzureagieren, dass ihm im Haushalt G kein für ihn kostenfreier Internetzugang zur Verfügung gestellt worden war und er sich deshalb zu einer Internetnutzung auf eigene Kosten über einen mobilen Internetzugang gezwungen gesehen hatte.
1355
(a) Zu dieser Verärgerung des Angeklagten hatte die Geschädigte G nichts beigetragen. Die nicht vorhandene Internetausstattung fiel nicht in ihren Verantwortungsbereich, da sie als hilfsbedürftige Patientin, die eine 24-Stunden-Betreuung benötigte, krankheitsbedingt gar nicht in der Lage war, sich um organisatorische und technische Maßnahmen wie die Ausstattung ihres Hauses mit einem Internetzugang zu kümmern. Darüber hinaus hatte der Angeklagte auch keinen Anspruch auf einen für ihn kostenfreien Internetzugang, auch wenn ein solcher den 24-StundenBetreuungskräften in den meisten Haushalten zur Verfügung gestellt wird.
1356
(b) G hatte sich dem Angeklagten gegenüber stets adäquat verhalten und ihm auch sonst keinen Anlass gegeben, sie dafür zu benutzen, um in der dargelegten Weise seine Verärgerung abzureagieren.
1357
(c) All dies war dem Angeklagten bei der Ausführung seiner Tat bekannt und bewusst.
1358
(4) Zwischen dem Anlass zur Tat und der Tat selbst besteht demnach ein eklatantes Missverhältnis. Durch die Tat reduzierte der Angeklagte die Geschädigte zum Objekt seiner eigenen Bedürfnisse.
1359
(5) Die Ausführungen oben unter I.6.b(4), S. 173, und I.6.b(5), S. 173, gelten entsprechend.
1360
d. Das Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 Var. 5 StGB) ist hingegen nicht erfüllt. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter I.7. (S. 173) verwiesen. Diese gelten entsprechend mit folgender Maßgabe:
1361
Feststellungen zur individuellen Einschätzung der Situation durch die Geschädigte unmittelbar vor der Verabreichung der Insulin-Injektion durch den Angeklagten konnten nicht getroffen werden. Unmittelbare Tatzeugen gibt es nicht. Der Angeklagte machte im Verfahren keine Angaben zur Situation bei Angriffsbeginn. Der Umstand, dass die Insulin-Injektion in den Nacken der Geschädigten erfolgte, ist als Indiz allein nicht ausreichend, um hieraus einen tragfähigen Rückschluss auf die innere Befindlichkeit der Geschädigten unmittelbar vor der Verabreichung der Insulin-Injektion ziehen zu können.
1362
e. Das Mordmerkmal der Habgier (§ 211 Abs. 2 Var. 3 StGB) ist ebenfalls nicht erfüllt. Auf die Darlegungen oben unter I.8. (S. 175) wird umfassend Bezug genommen. Ergänzend gilt Folgendes:
1363
Soweit der Angeklagte in seiner Beschuldigtenvernehmung angab, er habe der Geschädigten G das Insulin verabreicht, um das Bargeld in Höhe von 135,- Euro stehlen zu können (vgl. oben C.II.2.c(4)(d), S. 80), erachtet das Schwurgericht diese Einlassung als nicht plausibel.
1364
Das Bargeld befand sich in einer Schachtel in dem vom Angeklagten bewohnten Zimmer und war für den Angeklagten, wie er wusste, jederzeit frei zugänglich. Der Sohn der Geschädigten, M, hatte das Bargeld dem Angeklagten gezeigt und erläutert, dass ihm dieser Bargeldbetrag für Einkäufe des persönlichen Bedarfs im Zeitraum seines - vertragsgemäß mehrwöchigen - Aufenthalts bei der Geschädigten zur Verfügung stehe.
1365
Auch soweit der Angeklagte an einer späteren Stelle der Vernehmung zu seinem Motiv allgemein angab, dass es ihm darum gegangen sei, Vermögen zu erlangen und an Geld zu kommen, ist diese pauschale Angabe, welche der Angeklagte auch nicht erläuterte, im Hinblick auf die Wohnverhältnisse im Haushalt G nicht plausibel.
1366
f. Der Angeklagte handelte insoweit rechtswidrig und schuldhaft. Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht gegeben.
1367
2. Der Angeklagte ist jedoch vom Versuch des Mordes mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten, § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB.
1368
a. Der Versuch war nicht fehlgeschlagen. Ein Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB scheidet deshalb nicht schon von vorneherein aus.
1369
Ausgehend von den oben unter II.2.a(1) (S. 178) dargelegten Grundsätzen liegt kein fehlgeschlagener Versuch vor.
1370
Nachdem der Angeklagte der Geschädigten eine Injektion à 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) verabreicht hatte, war die Vollendung der Tat mit den bereits eingesetzten Mitteln aus Sicht des Angeklagten weiterhin möglich. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte subjektiv (irrig) die Vollendung mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln nicht mehr für möglich gehalten hätte.
1371
b. Gemäß der oben unter II.2.b. (S. 178) dargelegten Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch liegt ein beendeter Versuch vor.
1372
Nachdem der Angeklagte der Geschädigten 40 I.E. Insulin verabreicht hatte, ging es G nach Einschätzung des Angeklagten schlecht, wie er gegenüber der Tochter der Geschädigten, C, in einem Telefonat am 16.12.2017 gegen 07:45 Uhr äußerte. Zudem war die Geschädigte nicht mehr in der Lage zu sprechen, was der Angeklagte wahrnahm.
1373
Der Angeklagte erkannte in dem Zustand der Geschädigten die Folgen seiner vorangegangenen, äußerst gefährlichen Vorgehensweise, zumal er wusste, dass er der zuckerstoffwechselgesunden Geschädigten eine Injektion à 40 I.E. Insulin verabreicht hatte. Dem Angeklagten war deshalb in dieser Situation bewusst, dass die Geschädigte möglicherweise an der durch die Verabreichung des Insulins hervorgerufenen Hypoglykämie und ihren Folgen versterben könnte.
1374
c. Wegen beendeten Versuchs wird der Täter nur dann nicht bestraft, wenn er freiwillig die Vollendung der Tat verhindert oder sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und S. 2 StGB).
1375
Am 16.12.2017 um 07:50 Uhr setzte der Angeklagte einen Notruf ab. Die hierauf alarmierten Rettungskräfte verabreichten der Geschädigten intravenös eine Glucose-Lösung und verbrachten sie ins Krankenhaus, wo G stationär weiterbehandelt wurde. Durch diese Maßnahmen konnte das Leben der Geschädigten G gerettet werden.
1376
Ursächlich für die lebensrettenden Maßnahmen war der Notruf des Angeklagten. Hierdurch hat der Angeklagte demnach die Vollendung der Tat verhindert, wobei er freiwillig handelte. Die Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt vom beendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB sind damit erfüllt.
1377
3. Durch seine Handlungsweise hat sich der Angeklagte einer gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten G schuldig gemacht (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5 StGB).
1378
a. Durch das Verabreichen von 40 I.E. Insulin hat der Angeklagte die Geschädigte vorsätzlich körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt (§ 223 Abs. 1 StGB). Der Angeklagte handelte mit direktem Körperverletzungsvorsatz.
1379
b. Der Angeklagte hat zugleich den Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB) verwirklicht. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter II.3.b. (S. 179) umfassend Bezug genommen. Sie gelten entsprechend.
VI. Tat zum Nachteil von H 2
1380
Die Tat des Angeklagten zum Nachteil von H 2 stellt sich strafrechtlich dar als gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5 StGB.
1381
Vom Versuch des Mordes gemäß §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4, 22, 23 Abs. 1 StGB ist der Angeklagte mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten, § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB.
1382
1. Der Angeklagte setzte nach seiner Vorstellung von der Tat unter Verwirklichung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe unmittelbar zur Tötung des Geschädigten H 2 an, §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4, 22, 23 StGB.
1383
a. Der Angeklagte hatte den bedingt vorsätzlichen Tatenschluss zur Tötung des Geschädigten H 2 gefasst.
1384
Auf die Ausführungen zum bedingten Tötungsvorsatz oben unter I.4. (S. 165) wird umfassend Bezug genommen. Sie gelten entsprechend.
1385
(1) Anstelle der Ausführungen oben unter I.4.b(2)(a) i., S. 168, gilt Folgendes:
1386
Die Verabreichung von mindestens 160 I.E. Insulin - und damit einer extrem hohen Dosis weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - rief bei dem zuckerstoffwechselgesunden, 82-jähren Geschädigten eine schwere Hypoglykämie mit Bewusstlosigkeit hervor, welche lediglich durch die intravenöse Gabe von mindestens 2.615,5 g Glucose - also mehr als 2,5 kg Zucker - über einen Zeitraum von 8 Tagen bzw. rund 190 Stunden wieder behoben werden konnte.
1387
(2) Auch im Fall des Geschädigten H 2 spricht das Tatmotiv des Angeklagten nicht gegen seine Bereitschaft, dafür auch schwerste, tödliche Folgen in Kauf zu nehmen. Das Tatmotiv im Fall H 2 stellt sich folgendermaßen dar:
1388
Der Angeklagten wollte auch hier durch die Verabreichung einer massiven Überdosis Insulin - weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - bei einem zuckerstoffwechselgesunden, älteren Menschen eine Hypoglykämie und damit eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorrufen.
1389
Hierbei ging es dem Angeklagten einerseits darum, dadurch einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen der Einsatzstelle H 2 ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf zu schaffen, um sich auf diese Weise der aus seinem Vertrag mit der Agentur D24 resultierenden Verpflichtung zu entziehen, unmittelbar nacheinander an zwei verschiedenen Einsatzstellen - vom 20. bis 27.12.2017 beim Geschädigten H 2 in … und ab dem 27.12.2017 bei dem Patienten F in yyy - als 24- Stunden-Betreuungskraft tätig zu werden, und sich stattdessen eine mehrtägige Pause zwischen den beiden Einsätzen zu verschaffen.
1390
Andererseits wollte sich der Angeklagte durch das Hervorrufen einer für den Geschädigten lebensbedrohlichen Notfallsituation Genugtuung verschaffen, um hierdurch seine Verärgerung über die misslungene Öffnung des Tresors im Keller des Geschädigten und die versperrten Wohnzimmerschränke sowie über die vom Geschädigten ausgegangene erhebliche Störung seiner eigenen Nachtruhe in der vorangegangenen Nacht abzureagieren.
1391
b. Der Angeklagte setzte zur Tötung des Geschädigten H 2 unmittelbar an, indem er diesem in der Nacht auf den 21.12.2017 vor 03:00 Uhr mit seinem Insulin-Pen mindestens vier Injektionen zu je 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) verabreichte.
1392
c. Der Angeklagte handelte aus niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB).
1393
(1) Ausgehend von den oben unter I.6.a. (S. 170) dargelegten Grundsätzen stellt sich das Tatmotiv des Angeklagten auch unter Berücksichtigung der Vorgeschichte der Tat sowie der individuellen Persönlichkeit und der Lebensverhältnisse des Angeklagten als niedriger Beweggrund im Sinne des § 211 Abs. 2 Var. 4 StGB dar.
1394
(2) Dem Angeklagten ging es einerseits darum, durch das Hervorrufen einer für H 2 lebensbedrohlichen Notfallsituation einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen dieser Einsatzstelle ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf zu schaffen, um sich auf diese Weise der aus seinem Vertrag mit der Agentur D24 resultierenden Verpflichtung zu entziehen, unmittelbar nacheinander an zwei verschiedenen Einsatzstellen - vom 20. bis 27.12.2017 beim Geschädigten H 2 in … und ab dem 27.12.2017 bei dem Patienten F in yyy - als 24-Stunden-Betreuungskraft tätig zu werden, und sich stattdessen eine mehrtägige Pause zwischen den beiden Einsätzen zu verschaffen.
1395
(a) H 2 konnte nichts für die vertragliche Verpflichtung des Angeklagten, unmittelbar nacheinander an zwei verschiedenen Einsatzstellen tätig zu werden. Dies wusste der Angeklagte.
1396
(b) Der Angeklagte wollte von der Einsatzstelle H 2 vorzeitig abreisen, um sich eine mehrtägige Pause vor seinem nächsten Einsatz ab dem 27.12.2017 bei dem Patienten F in yyy zu verschaffen. Ferner wollte sich der Angeklagte den Aufwand ersparen, seine vorzeitige Abreise insbesondere gegenüber der Vermittlungsagentur besonders begründen und rechtfertigen zu müssen, indem er einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen schuf.
1397
Zu diesem Zweck benutzte er den Geschädigten, indem er eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorrief, welche zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt erwarten ließ, so dass ein objektiv nachvollziehbarer Grund für die vorzeitige Abreise des Angeklagten gegeben war.
1398
(3) Andererseits wollte sich der Angeklagte durch das Hervorrufen einer für den Geschädigten lebensbedrohlichen Notfallsituation Genugtuung verschaffen, um hierdurch seine Verärgerung über die misslungene Öffnung des Tresors im Keller des Geschädigten und die versperrten Wohnzimmerschränke sowie über die vom Geschädigten ausgegangene erhebliche Störung seiner eigenen Nachtruhe in der vorangegangenen Nacht abzureagieren.
1399
(a) Die Verärgerung des Angeklagten über die misslungene Öffnung des Tresors im Keller des Geschädigten und die versperrten Wohnzimmerschränke entbehrt einer nachvollziehbaren Grundlage.
1400
Insoweit ist Gegenstand der Verärgerung des Angeklagten, dass es ihm wegen der im Haus des Geschädigten getroffenen Sicherheitsvorkehrungen nicht gelungen war, Diebstahlsstraftaten zu begehen und sich hierdurch zum Nachteil des Geschädigten zu bereichern. Dass diese Verärgerung des Angeklagten auf einer niedrigen Gesinnung beruht, bedarf keiner weiteren Erörterung. Dies war auch dem Angeklagten bewusst.
1401
(b) Im Hinblick auf die Verärgerung des Angeklagten über die vom Geschädigten ausgegangene erhebliche Störung seiner eigenen Nachtruhe in der vorangegangenen Nacht wird auf die Ausführungen oben unter I.6.b(1)(b), S. 172, Bezug genommen. Diese gelten entsprechend.
1402
(4) Zwischen dem Anlass zur Tat und der Tat selbst besteht demnach ein eklatantes Missverhältnis. Durch die Tat reduzierte der Angeklagte den Geschädigten zum Objekt seiner eigenen Bedürfnisse.
1403
(5) Die Ausführungen oben unter I.6.b(4), S. 173, und I.6.b(5), S. 173, gelten entsprechend.
1404
d. Das Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 Var. 5 StGB) ist hingegen nicht erfüllt. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter I.7. (S. 173) verwiesen. Diese gelten entsprechend mit folgender Maßgabe:
1405
Auch die Angaben des Angeklagten, wonach H 2b ei Verabreichung des Insulins durch ihn nicht geschlafen, sondern im Bett liegend an die Decke gestarrt habe (vgl. oben C.II.2.c(3)(c), S. 76), stellen keine tragfähige Grundlage für die Feststellung der Arglosigkeit des Geschädigten bzw. einer heimtückischen Begehungsweise dar.
1406
e. Das Mordmerkmal der Habgier (§ 211 Abs. 2 Var. 3 StGB) ist ebenfalls nicht erfüllt. Auf die Ausführungen oben unter I.8. (S. 175) wird umfassend Bezug genommen. Ergänzend gilt Folgendes:
1407
Soweit der Angeklagte in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 29.06.2018 einen Vorhalt des Vernehmungsbeamten KHK P bestätigte, wonach dieser glaube, dass der Angeklagte (erst) nach der Verabreichung der Insulin-Injektionen das Haus des Geschädigten durchsucht habe (vgl. oben C.II.2.c(3)(d), S. 77), erachtete die Strafkammer dies - wie oben unter C.III.1.f(1), S. 102, dargelegt - als nicht plausibel.
1408
f. Der Angeklagte handelte insoweit rechtswidrig und schuldhaft. Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht gegeben.
1409
2. Der Angeklagte ist jedoch vom Versuch des Mordes mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten, § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB.
1410
a. Der Versuch war nicht fehlgeschlagen. Ein Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB scheidet deshalb nicht schon von vorneherein aus.
1411
Ausgehend von den oben unter II.2.a(1) (S. 178) dargelegten Grundsätzen liegt kein fehlgeschlagener Versuch vor. Nachdem der Angeklagte dem Geschädigten mindestens vier Injektionen zu je 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) verabreicht hatte, war die Vollendung der Tat mit den bereits eingesetzten Mitteln aus Sicht des Angeklagten weiterhin möglich. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte subjektiv (irrig) die Vollendung mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln nicht mehr für möglich gehalten hätte.
1412
b. Gemäß der oben unter II.2.b. (S. 178) dargelegten Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch liegt ein beendeter Versuch vor.
1413
Nachdem der Angeklagte dem Geschädigten mindestens 160 I.E. Insulin verabreicht hatte, konnte er bei H 2 keine Atmung und keinen Puls mehr feststellen, wie er gegenüber C in einem Telefonat am 21.12.2017 kurz vor 04:00 Uhr angab. Der Angeklagte erkannte in diesem Zustandsbild des Geschädigten die Folgen seiner vorangegangenen, äußerst gefährlichen Vorgehensweise, zumal er wusste, dass er dem zuckerstoffwechselgesunden Geschädigten mindestens vier Injektionen zu je 40 I.E. Insulin verabreicht hatte. Dem Angeklagten war deshalb in dieser Situation bewusst, dass der Geschädigte möglicherweise an der durch die Verabreichung des Insulins hervorgerufenen Hypoglykämie und ihren Folgen versterben könnte.
1414
c. Wegen beendeten Versuchs wird der Täter nur dann nicht bestraft, wenn er freiwillig die Vollendung der Tat verhindert oder sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und S. 2 StGB).
1415
Am 21.12.2017 um 03:57 Uhr setzte der Angeklagte einen Notruf ab. Der hierauf alarmierte Notarzt verabreichte dem Geschädigten intravenös eine Glucose-Lösung und verbrachte ihn ins Krankenhaus, wo H 2 stationär weiterbehandelt wurde. Durch diese Maßnahmen konnte das Leben des Geschädigten H 2 gerettet werden.
1416
Ursächlich für die lebensrettenden Maßnahmen war der Notruf des Angeklagten. Hierdurch hat der Angeklagte demnach die Vollendung der Tat verhindert, wobei er freiwillig handelte. Die Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt vom beendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB sind damit erfüllt.
VII. Tat zum Nachteil von N
1417
Die Tat des Angeklagten zum Nachteil von N ist strafrechtlich zu werten als Mord gemäß §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 4 StGB.
1418
1. Der Angeklagte tötete den Geschädigten N, indem er diesem in den frühen Morgenstunden des 17.01.2018 etwa im Zeitraum 04:30 Uhr bis 06:30 Uhr mit seinem Insulin-Pen mindestens eine Injektion à 40 I.E. des Insulin-Präparats Gensulin M 30 (30/70) in den rechten Oberschenkel verabreichte. N verstarb am 17.01.2018 gegen 13:15 Uhr an den Folgen der vom Angeklagten durch die Verabreichung von Insulin hervorgerufenen Hypoglykämie.
1419
2. Bei Begehung der Tat handelte der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz.
1420
a. Auf die Ausführungen zum bedingten Tötungsvorsatz oben unter I.4. (S. 165) wird umfassend Bezug genommen. Sie gelten entsprechend.
1421
(1) Anstelle der Ausführungen oben unter I.4.b(2)(a) i., S. 168, gilt Folgendes:
1422
Die Verabreichung von mindestens 40 I.E. Insulin - und damit einer hohen Dosis weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - rief bei dem zuckerstoffwechselgesunden, 84-jähren Geschädigten eine schwere Hypoglykämie mit Bewusstlosigkeit hervor, welche einen tödlichen Ausgang nahm.
1423
(2) Auch im Fall des Geschädigten N spricht das Tatmotiv des Angeklagten nicht gegen seine Bereitschaft, dafür auch schwerste, tödliche Folgen in Kauf zu nehmen. Das Tatmotiv im Fall N stellt sich folgendermaßen dar:
1424
Dem Angeklagten ging es auch hier darum, durch die Verabreichung einer massiven Überdosis Insulin - weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - bei einem zuckerstoffwechselgesunden, älteren Menschen eine Hypoglykämie und damit eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorzurufen.
1425
Hierdurch wollte sich der Angeklagte zum einen Genugtuung verschaffen, um hierdurch seine Verärgerung abzureagieren. Der Angeklagte war verärgert über die aus seiner Sicht unzumutbaren Anforderungen der Familie N an seine 24-StundenBetreuungstätigkeit, welche sich auf die nächtliche Betreuung des Geschädigten sowie tägliche Spaziergänge mit ihm im Rollstuhl bezogen. Ferner war der Angeklagte darüber verärgert, dass seine diesbezüglich ausgesprochenen Weigerungen von der Familie N nicht widerspruchslos hingenommen worden waren. Außerdem bezog sich die Verärgerung des Angeklagten auch auf die am Abend des 15.01.2018 zum Ausdruck gekommene Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten.
1426
Zum anderen wollte der Angeklagte im Zuge dessen zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen dieser Arbeitsstelle ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf schaffen, da zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt zu erwarten war.
1427
b. Für die Annahme, dass der Angeklagte den bedingt vorsätzlichen Tatenschluss zur Tötung des Geschädigten N bereits gefasst hatte, als er diesem im Laufe des Abends des 16.01.2018 30 mg des Schlafmittels Zopiclon verabreichte, liegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vor. Die Verabreichung von Zopiclon durch den Angeklagten erfolgte vielmehr mit direktem Körperverletzungsvorsatz.
1428
3. Der Angeklagte handelte aus niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB).
1429
Auf die Darlegungen zu den niedrigen Beweggründen oben unter I.6. (S. 170) - mit Ausnahme der Ausführungen zur Verärgerung des Angeklagten - wird umfassend verwiesen. Diese gelten entsprechend. Im Hinblick auf die oben unter 2.a. (S. 199) dargelegte Verärgerung des Angeklagten im Fall N gilt Folgendes:
1430
Die Verärgerung des Angeklagten entbehrt einer nachvollziehbaren Grundlage.
1431
a. Der Angeklagte sah die Anforderungen der Familie N an seine 24-StundenBetreuungstätigkeit lediglich deshalb als unzumutbar an und war hierüber verärgert, weil es ihm nur darum ging, die Aufgaben einer 24-Stunden-Betreuungskraft mit möglichst wenig Arbeitsaufwand zu verrichten, sich zum Nachteil des Geschädigten zu bereichern und danach möglichst schnell wieder abzureisen. Deshalb durfte der Angeklagte auch nicht erwarten, dass seine in Bezug auf die Anforderungen ausgesprochenen Weigerungen von der Familie N widerspruchslos hingenommen würden.
1432
Im Hinblick auf die Anforderungen der Familie N an die nächtliche Betreuung des Geschädigten durch den Angeklagten gelten für die sich darauf beziehende Verärgerung des Angeklagten die Ausführungen oben unter I.6.b(1)(b), S. 172, entsprechend.
1433
b. Der Angeklagte hatte die am Abend des 15.01.2018 zum Ausdruck gekommene Ablehnung durch den Geschädigten maßgeblich durch seine Weigerung, diesen beim Spaziergang mit dem Rollstuhl in ein Ladengeschäft hineinzufahren, sowie durch sein konfrontatives Auftreten nach der Rückkehr in den Gasthof der Familie N verursacht.
1434
c. All dies war dem Angeklagten bewusst.
1435
4. Das Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 Var. 5 StGB) ist hingegen nicht erfüllt. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter I.7. (S. 173) verwiesen. Diese gelten entsprechend. Im Hinblick auf die nicht zu belegende Arglosigkeit des Geschädigten bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs des Angeklagten gilt Folgendes:
1436
Obwohl N aufgrund der ihm vom Angeklagten am Vorabend ohne sein Wissen verabreichten 30 mg des Schlafmittels Zopiclon schlief, als ihm der Angeklagte am 17.01.2018 etwa im Zeitraum 04:30 Uhr bis 06:30 Uhr das Insulin verabreichte, war er bei Angriffsbeginn nicht arglos.
1437
Wie oben unter III.1.d(2)(b) i., S. 183, dargelegt, stellt zwar nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs „die Tötung eines Schlafenden das geradezu klassische Beispiel der Heimtücke“ (BGH, Urteil vom 08.10.1969 - 3 StR 90/69) dar, während demgegenüber „die Tötung eines Besinnungslosen nicht heimtückisch sein kann“ (BGH aaO.).
1438
Allerdings handelt es sich beim Schlaf des Geschädigten N in der Nacht auf den 17.01.2018 nicht um einen natürlichen Schlaf, sondern um einen Schlaf, der durch die Verabreichung von 30 mg des Schlafmittels Zopiclon - einer massiven Überdosis, die dem Vierfachen der therapeutischen Tagesdosis von 7,5 mg entspricht - hervorgerufen wurde.
1439
a. Nach Maßgabe der oben unter III.1.d(2)(b) i.[1], S. 184, und III.1.d(2)(b) i.[2], S. 184, dargestellten Differenzierungskriterien ist der Schlafzustand des Geschädigten N viel eher mit demjenigen eines Bewusstlosen als mit demjenigen eines auf natürliche Weise Schlafenden vergleichbar:
1440
(1) Der durch die massive Überdosis von 30 mg des Schlafmittels Zopiclon hervorgerufene Schlaf überkam den Geschädigten N am Abend des 16.01.2018, ohne dass er es hätte verhindern können. Dies zeigt sich insbesondere an zwei Vorfällen:
1441
Am 16.10.2018 gegen 21:15 Uhr schlief N in der Gaststube in seinem Rollstuhl ein, war nur schwer wieder erweckbar und anschließend benommen. Ferner kippte N in seinem Rollstuhl mit dem Oberkörper kraftlos nach vorne, als ihn der Angeklagte etwa eine Stunde später die Rampe zum Aufzug im Bereich der Gaststube hinunterschob, um ihn zu Bett zu bringen. In dieser Situation fing der Angeklagte den Oberkörper des Geschädigten auf und verhinderte so, dass der Geschädigte aus dem Rollstuhl herausfiel.
1442
(2) Da der Angeklagte dem Geschädigten am Vorabend 30 mg - und damit die vierfache Menge der therapeutischen Tagesdosis von 7,5 mg - des Schlafmittels Zopiclon verabreicht hatte, befand sich N zur Tatzeit in den frühen Morgenstunden des 17.01.2018 etwa im Zeitraum 04:30 Uhr bis 06:30 Uhr wegen der fortbestehenden Wirkungen des Schlafmittels in einem Defektzustand, aus dem er sich nicht ohne Weiteres selbst befreien konnte.
1443
Zwar hatte der Zeitablauf seit der heimlichen Verabreichung des Schlafmittels am Vorabend bis zur Tatzeit dazu geführt, dass durch den zwischenzeitlich erfolgten körpereigenen Wirkstoffabbau die Konzentration des Wirkstoffs Zopiclon im Körper des Geschädigten bereits auf etwa die Hälfte gesunken war. Allerdings war damit die verbleibende Wirkstoffkonzentration im Körper des Geschädigten zur Tatzeit noch immer etwa doppelt so hoch wie die Wirkstoffkonzentration im Falle der Verabreichung der therapeutischen Tagesdosis des Medikaments.
1444
Da somit der Schlaf des Geschädigten auch noch zur Tatzeit durch die weit über das therapeutische Maß hinausgehenden, chemischen Wirkungen des verabreichten Arzneimittels aufrechterhalten wurde, war N - anders als ein auf natürliche Weise Schlafender - nicht in der Lage, jederzeit aufgrund endogener Kräfte aufzuwachen und Abwehrmaßnahmen zu ergreifen.
1445
b. An der fehlenden Arglosigkeit des Geschädigten N zum Tatzeitpunkt ändert sich auch nichts dadurch, dass der Angeklagte dem Geschädigten am Vorabend ohne dessen Wissen - mit Körperverletzungsvorsatz (vgl. hierzu oben 2.b., S. 200) - 30 mg des Schlafmittels Zopiclon verabreicht und dadurch den Schlaf des Geschädigten hervorgerufen hatte. Insoweit wird auf die oben unter III.1.d(2)(b) ii., S. 184, dargestellte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verwiesen.
1446
5. Das Mordmerkmal der Habgier (§ 211 Abs. 2 Var. 3 StGB) ist ebenfalls nicht erfüllt. Auf die Ausführungen oben unter I.8. (S. 175) wird umfassend Bezug genommen.
1447
6. Der Angeklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft. Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht gegeben.
VIII. Tat zum Nachteil von W 2
1448
Die Tat des Angeklagten zum Nachteil von W 2 stellt sich strafrechtlich dar als Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge gemäß §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 3, 4 und 8, 249 Abs. 1, 251, 52 StGB.
1449
1. Der Angeklagte tötete den Geschädigten W 2, indem er diesem am 12.02.2018 im Zeitraum 01:00 Uhr bis 02:00 Uhr mit seinem Insulin-Pen vier Injektionen zu je 40 I.E. des InsulinPräparats Gensulin M 30 (30/70) verabreichte, wobei drei dieser Injektionen subkutan in den linken Oberarm des Geschädigten und eine intramuskulär in die Brustwand links erfolgten. W 2 verstarb am 12.02.2018 zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Zeitraum von etwa 01:30 Uhr bis gegen 03:40 Uhr an den Folgen der vom Angeklagten durch die Insulingabe hervorgerufenen Hypoglykämie.
1450
2. Bei Begehung der Tat handelte der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz.
1451
Auf die Ausführungen zum bedingten Tötungsvorsatz oben unter I.4. (S. 165) wird umfassend Bezug genommen. Sie gelten entsprechend.
1452
a. Anstelle der Ausführungen oben unter I.4.b(2)(a) i., S. 168, gilt Folgendes:
1453
Die Verabreichung von 160 I.E. Insulin - und damit einer extrem hohen Dosis weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - rief bei dem zuckerstoffwechselgesunden, 83-jähren Geschädigten eine schwere Hypoglykämie mit Bewusstlosigkeit hervor, welche einen tödlichen Ausgang nahm.
1454
b. Auch im Fall des Geschädigten W 2 spricht das Tatmotiv des Angeklagten nicht gegen seine Bereitschaft, dafür auch schwerste, tödliche Folgen in Kauf zu nehmen. Das Tatmotiv im Fall W 2 stellt sich folgendermaßen dar:
1455
Dem Angeklagten ging es auch hier darum, durch die Verabreichung einer massiven Überdosis Insulin - weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - bei einem zuckerstoffwechselgesunden, älteren Menschen eine Hypoglykämie und damit eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorzurufen, wobei ein Motivbündel aus drei gleichermaßen bewusstseinsdominanten Komponenten vorlag:
1456
(1) Der Angeklagte wollte durch das Hervorrufen einer Hypoglykämie eine Bewusstseinsstörung bei W 2 verursachen, welche es ihm ermöglichen würde, diesem ungehindert den um den Hals getragenen Schlüssel für dessen Geldkassette abzunehmen und die unter dem Kopfkissen des Geschädigten aufbewahrte Geldkassette herauszuziehen, um diese anschließend mit dem Schlüssel zu öffnen und etwaige Wertgegenstände hieraus fortan unberechtigt für sich zu behalten.
1457
(2) Ferner wollte der Angeklagte durch das Hervorrufen einer für den Geschädigten lebensbedrohlichen Notfallsituation zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen der Einsatzstelle W 2 ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf schaffen, um auf diese Weise die für ihn bestehende Vertrags- und Terminkollision zwischen der Einsatzstelle W 2und seiner nachfolgenden Einsatzstelle bei der Patientin L in … zu beseitigen.
1458
(3) Darüber hinaus wollte sich der Angeklagten durch das Hervorrufen einer für den Geschädigten lebensbedrohlichen Notfallsituation Genugtuung verschaffen, um hierdurch seine Verärgerung über den Geschädigten abzureagieren. Diese resultierte maßgeblich aus dem am Abend des 09.02.2018 vom Geschädigten veranlassten Polizeieinsatz, der Ablehnung des Angeklagten durch den Geschädigten als dessen 24-StundenBetreuungskraft sowie der erheblichen Störung der eigenen Nachtruhe des Angeklagten durch die nächtliche Unruhe des Geschädigten insbesondere in der Nacht auf den 11.02.2018.
1459
3. Das Mordmerkmal der Habgier (§ 211 Abs. 2 Var. 3 StGB) liegt vor.
1460
a. Auf die Ausführungen zur Habgier oben unter I.8.a., S. 175, wird Bezug genommen. b. Wie oben unter 2.b(1), S. 203, dargestellt, bestand ein bewusstseinsdominanter Teil der Tatmotivation des Angeklagten darin, durch die Verabreichung von Insulin eine hypoglykämiebedingte Bewusstseinsstörung beim Geschädigten zu verursachen, welche es ihm ermöglichen würde, diesem ungehindert den um den Hals getragenen Schlüssel für dessen Geldkassette abzunehmen und die unter dem Kopfkissen des Geschädigten aufbewahrte Geldkassette herauszuziehen, um diese anschließend mit dem Schlüssel zu öffnen und etwaige Wertgegenstände hieraus fortan unberechtigt für sich zu behalten.
1461
Insoweit ging es dem Angeklagten darum, um jeden Preis - auch um den Preis des Lebens des Geschädigten W 2- an den von diesem um den Hals getragenen Schlüssel für dessen Geldkassette sowie an diese selbst zu gelangen, um sich etwaige darin enthaltenen Wertgegenstände anzueignen. Dies stellt ein Streben nach materiellen Gütern in einer noch über die bloße Gewinnsucht hinaus gesteigerten Weise dar.
1462
Dieser Teil des beim Angeklagten vorliegenden Motivbündels war ebenso wie die beiden anderen, oben unter 2.b(2), S. 203, und 2.b(3), S. 203, genannten Teile bewusstseinsdominant und beeinflusste den Angeklagten entscheidend bei seinem bedingt vorsätzlich gefassten Tötungsentschluss und dessen Umsetzung.
1463
4. Daneben ist auch das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB) erfüllt.
1464
Ausgehend von den oben unter I.6.a. (S. 170) dargelegten Grundsätzen stellen sich die weiteren Teile des oben unter 2.b. (S. 203) beschriebenen Motivbündels auch unter Berücksichtigung der Vorgeschichte der Tat sowie der individuellen Persönlichkeit und der Lebensverhältnisse des Angeklagten als niedrige Beweggründe im Sinne des § 211 Abs. 2 Var. 4 StGB dar.
1465
a. Der Angeklagte wollte durch das Hervorrufen einer für den Geschädigten lebensbedrohlichen Notfallsituation zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen der Einsatzstelle W 2 ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf schaffen, um auf diese Weise die für ihn bestehende Vertrags- und Terminkollision zwischen der Einsatzstelle W 2und seiner nachfolgenden Einsatzstelle bei der Patientin L in … zu beseitigen (vgl. oben 2.b(2), S. 203).
1466
(1) Zu der für den Angeklagten bestehenden Vertrags- und Terminkollision zwischen der Einsatzstelle W 2und seiner nachfolgenden Einsatzstelle bei der Patientin L in … hatte der Geschädigte nichts beigetragen und keinen Anlass hierzu geboten. Dies wusste der Angeklagte.
1467
Vielmehr hatte der Angeklagte selbst vor der Aufnahme seiner Tätigkeit beim Geschädigten W 2 diese Vertrags- und Terminkollision bewusst geschaffen. Mit Vertrag vom 09.02.2018 verpflichtete er sich zum Einsatz beim Geschädigten W 2 ab 10.02.2018, obwohl er wusste, dass er aufgrund eines bereits am 30.01.2018 geschlossenen Vertrages ab 13.02.2018 die 24-Stunden-Betreuungstätigkeit bei der Patientin L in … aufzunehmen hatte.
1468
(2) Der Angeklagte wollte sich den Aufwand ersparen, seine vorzeitige Abreise gegenüber dem Geschädigten sowie insbesondere gegenüber der Vermittlungsagentur besonders begründen und rechtfertigen zu müssen, indem er einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen schuf.
1469
Zu diesem Zweck benutzte er den Geschädigten, indem er eine für diesen lebensbedrohliche Notfallsituation hervorrief, welche zumindest die notfallmäßige Einlieferung des Geschädigten ins Krankenhaus mit anschließendem stationären Aufenthalt erwarten ließ, so dass ein objektiv nachvollziehbarer Grund für die vorzeitige Abreise des Angeklagten gegeben war.
1470
b. Darüber hinaus wollte sich der Angeklagten durch das Hervorrufen einer für den Geschädigten lebensbedrohlichen Notfallsituation Genugtuung verschaffen, um hierdurch seine Verärgerung über den Geschädigten abzureagieren. Die Verärgerung des Angeklagten resultierte maßgeblich aus dem am Abend des 09.02.2018 vom Geschädigten veranlassten Polizeieinsatz, aus der Ablehnung des Angeklagten durch den Geschädigten als dessen 24-StundenBetreuungskraft sowie aus der erheblichen Störung der eigenen Nachtruhe des Angeklagten durch die nächtliche Unruhe des Geschädigten insbesondere in der Nacht auf den 11.02.2018 (vgl. oben 2.b(3), S. 203).
1471
Die Verärgerung des Angeklagten entbehrt in allen drei Punkten einer nachvollziehbaren Grundlage.
1472
(1) Der Angeklagte war über den am Abend des 09.02.2018 vom Geschädigten veranlassten Polizeieinsatz verärgert.
1473
(a) W 2 setzte nach der Ankunft des Angeklagten einen polizeilichen Notruf ab, da er aufgrund seiner Demenzerkrankung nicht in der Lage war, die Ankunft des Angeklagten im Hinblick auf den Wechsel der Betreuungskraft richtig einzuordnen, und den Angeklagten vielmehr für einen Einbrecher hielt.
1474
Krankheitsbedingt war der Geschädigte nachfolgend auch nicht in der Lage, die Erklärungen der Polizeibeamten hinsichtlich des Wechsels der Betreuungskraft zu verstehen. W 2, der sich aus Angst und Aufregung in die Hose uriniert hatte, war sehr aufgeregt und fühlte sich von den Polizeibeamten im Stich gelassen und hilflos.
1475
In seiner Wut über die von ihm krankheitsbedingt nicht richtig erfasste Situation und insbesondere deshalb von ihm als bedrohlich empfundene Anwesenheit des Angeklagten schimpfte W 2 lautstark vor sich hin, wobei er im Hinblick auf den Angeklagten auch Äußerungen mit beleidigendem Inhalt von sich gab.
1476
(b) Der Angeklagte erkannte, dass der Geschädigte krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen war, seine Ankunft richtig einzuordnen, und deshalb die Polizei gerufen hatte.
1477
Dem Angeklagten war deshalb auch klar, dass die zum Teil beleidigenden Äußerungen des Geschädigten, als dieser vor sich hin schimpfte, ebenfalls aus dessen krankheitsbedingtem Missverständnis der Situation resultierten.
1478
Dass dem Angeklagten die Krankheit des Geschädigten bewusst war, zeigt sich an Folgendem:
1479
i. Am 10.02.2018 um 11:44 Uhr beschwerte sich der Angeklagte per E-Mail bei der Vermittlungsagentur, man habe ihn nicht darüber informiert, dass „der Patient psychisch krank“ sei.
1480
ii. Den Angaben in seiner Zeugenvernehmung vom 12.02.2018 zufolge habe der Angeklagte, als die Polizeibeamten nach dem Einsatz das Haus wieder verlassen hätten, bei diesen eine „Scheibenwischer-Geste“ gesehen, wie wenn die Polizeibeamten zum Ausdruck hätten bringen wollen, dass W 2 nicht klar bei Verstand sei (vgl. oben C.II.2.a(3), S. 65).
1481
iii. Wie der Angeklagte darüber hinaus in derselben Vernehmung angab, habe er bereits aufgrund der Reaktion des Geschädigten bei der Begrüßung gewusst, dass dieser krank sei. Als er, der Angeklagte, dem Geschädigten zur Begrüßung die Hand gereicht habe, habe W 2 diese Begrüßungsgeste nicht erwidert, sondern mit den Worten „Hau ab! Hau ab!“ eine abwinkende Handbewegung gemacht (vgl. oben C.II.2.a(4), S. 66).
1482
(c) Da W 2 aufgrund seiner Demenzerkrankung nicht in der Lage war, die Ankunft des Angeklagten richtig einzuordnen, und sein gesamtes Verhalten am Abend des 09.02.2018 hierauf zurückzuführen ist, hat der Geschädigte nicht in vorwerfbarer Weise zur Verärgerung des Angeklagten beigetragen. Dies hat der Angeklagte auch erkannt.
1483
(2) Der Angeklagte war über die Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten verärgert.
1484
(a) Soweit sich die Ablehnung des Angeklagten durch den Geschädigten in dessen Verhalten am Abend des 09.02.2018 zeigte, wird auf die Ausführungen oben unter (1), S. 205, Bezug genommen. Diese gelten insoweit entsprechend.
1485
(b) Wie der Angeklagte mitbekam, äußerte W 2 gegenüber M im Laufe des 10.02.2018, dass er den Angeklagten nicht als seine 24-Stunden-Betreuungskraft haben wolle, da dieser kein guter Mensch sei. Er wolle den Angeklagten nicht in seinem Haus haben und verlange, dass dieser so schnell wie möglich ausgetauscht werde. Am Montag solle der Angeklagte sein Haus verlassen.
1486
Die in diesen Äußerungen des Geschädigten zum Ausdruck kommende Ablehnung des Angeklagten war wegen der inneren Einstellung des Angeklagten letztlich begründet, auch wenn W 2 keine positive Kenntnis hiervon hatte.
1487
Die innere Einstellung des Angeklagten war dadurch gekennzeichnet, dass es ihm generell nur darum ging, die Aufgaben einer 24-Stunden-Betreuungskraft mit möglichst wenig Arbeitsaufwand zu verrichten, sich zum Nachteil des Geschädigten zu bereichern und möglichst schnell wieder abzureisen. Im Fall des Geschädigten W 2 war der Angeklagte sogar schon vor Antritt seiner Tätigkeit am Abend des 09.02.2018 dazu entschlossen, spätestens am 12.02.2018 wieder abzureisen, um am 13.02.2018 seine neue Einsatzstelle bei L in … antreten zu können.
1488
(c) Der Angeklagte hatte zur Ablehnung seiner Person durch den Geschädigten auch dadurch maßgeblich beigetragen, dass er sich zunächst hartnäckig geweigert hatte, den Geschädigten dessen Wunsch entsprechend zu siezen, obwohl er von M hierzu mehrfach nachdrücklich aufgefordert worden war.
1489
(d) All dies war dem Angeklagten bewusst.
1490
(3) Hinsichtlich der Verärgerung des Angeklagten über die vom Geschädigten ausgegangene erhebliche Störung seiner eigenen Nachtruhe insbesondere in der Nacht auf den 11.02.2018 wird auf die Ausführungen oben unter I.6.b(1)(b), S. 172, Bezug genommen. Diese gelten entsprechend mit folgender Ergänzung:
1491
Der Angeklagte wusste, dass im Haushalt W 2viele der üblicherweise in den Aufgabenbereich einer 24-Stunden-Betreuungskraft fallenden Tätigkeiten von Dritten erledigt wurden. W 2 beschäftigte eine Putzkraft, eine Haushaltshilfe sowie einen ambulanten Pflegedienst, der ihn zweimal täglich pflegerisch versorgte. Dem Angeklagten war deshalb klar, dass der ohnehin zentralen Aufgabe der nächtlichen Betreuung im Fall des Geschädigten W 2 ein ganz besonderes Gewicht zukam.
1492
c. Im Hinblick auf diese beiden Teile des Motivbündels besteht zwischen dem Anlass zur Tat und der Tat selbst demnach ein eklatantes Missverhältnis. Durch die Tat reduzierte der Angeklagte den Geschädigten zum Objekt seiner eigenen Bedürfnisse.
1493
d. Die Ausführungen oben unter I.6.b(4), S. 173, und I.6.b(5), S. 173, gelten entsprechend.
1494
5. Das Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 Var. 5 StGB) ist hingegen nicht erfüllt. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter I.7. (S. 173) verwiesen. Diese gelten entsprechend mit folgender Maßgabe:
1495
Die Angaben des Angeklagten stellen schon deshalb keine tragfähige Grundlage für die Feststellung der Arglosigkeit des Geschädigten bzw. einer heimtückischen Begehungsweise dar, weil sich der Angeklagte insoweit widersprüchlich einließ.
1496
Während der Angeklagte zunächst angab, dass W 2 zum Zeitpunkt der Injektionen geschlafen habe, berichtete er im weiteren Verlauf, dass der Geschädigte mit offenen Augen dagelegen und sehr aggressiv gewesen sei, als er auf diesen zugegangen sei. Auf entsprechende Nachfrage wiederholte der Angeklagte, dass W 2 zum Zeitpunkt der Injektionen nicht geschlafen habe, sondern dagelegen sei und in Richtung der im Zimmer eingeschalteten Lampe geblickt habe (vgl. oben C.II.2.c(1)(a), S. 70).
1497
Darüber hinaus konnten die Einlassungen des Angeklagten den Feststellungen - insbesondere auch, soweit diese den Angeklagten belasten - ohnehin nur insoweit zugrunde gelegt werden, als diese Angaben eine Bestätigung in anderen Beweismitteln finden und mit den übrigen Beweisergebnissen im Einklang stehen (vgl. hierzu oben C.III.1., S. 97 ff.).
1498
Entsprechende andere Beweismittel zur Frage der individuellen Befindlichkeit des Geschädigten und seiner individuellen Einschätzung der Situation unmittelbar vor der Verabreichung der ersten Insulin-Injektion durch den Angeklagten liegen nicht vor.
1499
6. Darüber hinaus handelte der Angeklagte in der Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen (§ 211 Abs. 2 Var. 8 StGB).
1500
a. Der Angeklagte hatte den bedingt vorsätzlichen Tatentschluss gefasst, W 2 durch die Verabreichung von 160 I.E. Insulin zu töten (vgl. oben 1., S. 202, und 2., S. 202). Neben zwei weiteren, ebenfalls bewusstseinsdominanten Tatmotiven (vgl. oben 2.b(2), S. 203, und 2.b(3), S. 203) wollte der Angeklagte durch das Hervorrufen einer Hypoglykämie eine Bewusstseinsstörung bei W 2 verursachen, welche es ihm ermöglichen würde, diesem ungehindert den um den Hals getragenen Schlüssel für dessen Geldkassette abzunehmen und die unter dem Kopfkissen des Geschädigten aufbewahrte Geldkassette herauszuziehen, um diese anschließend mit dem Schlüssel zu öffnen und etwaige Wertgegenstände hieraus fortan unberechtigt für sich zu behalten (vgl. oben 2.b(1), S. 203).
1501
b. Die Tötungshandlung - Verabreichung von 160 I.E. Insulin - diente mithin dazu, die Begehung einer anderen Straftat - nämlich einer Raubstraftat - zu ermöglichen.
1502
(1) Der Angeklagte verwirklichte den Straftatbestand eines besonders schweren Raubes gemäß §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 1 Nr. 1 b) StGB.
1503
(a) Der Angeklagte nahm dem Geschädigten den von diesem um den Hals getragenen Schlüssel für dessen Geldkassette sowie die unter dessen Kopfkissen aufbewahrte Geldkassette weg, um diese anschließend mit dem Schlüssel zu öffnen und etwaige Wertgegenstände an sich zu nehmen und diese fortan unberechtigt für sich zu behalten.
1504
(b) Hierfür wandte der Angeklagte Gewalt an, indem er dem Geschädigten 160 I. E. Insulin verabreichte, um durch das Hervorrufen einer Hypoglykämie eine Bewusstseinsstörung beim Geschädigten zu verursachen und auf diese Weise die ungehinderte Wegnahme gemäß (a) zu ermöglichen.
1505
(c) Der Angeklagte führte bei der Tat das Insulin bei sich, um durch dessen Verabreichung - mithin durch Gewalt (vgl. oben (b)) - den Widerstand des Geschädigten zu verhindern.
1506
Da das Insulin geeignet ist, aufgrund der hierdurch hervorgerufenen Hypoglykämie eine Bewusstseinsstörung zu verursachen, steht es einer Substanz mit narkotisierender Wirkung gleich und ist deshalb ein Mittel im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b) StGB, jedoch kein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 06.03.2018 - 2 StR 65/18).
1507
(2) Zudem verwirklichte der Angeklagte den Straftatbestand eines Raubes mit Todesfolge gemäß § 251 StGB, indem er durch die beim Raub angewandte Gewalt (vgl. oben (1)(b)) bedingt vorsätzlich (vgl. oben 2., S. 202) - und damit jedenfalls leichtfertig - den Tod des Geschädigten verursachte (vgl. oben 1., S. 202).
1508
(3) Diese Raubstraftat stellt eine andere Straftat im Sinne des § 211 Abs. 2 Var. 8 StGB dar, auch wenn die Tötungshandlung - wie hier - gerade die für den Raub eingesetzte Gewaltanwendung darstellt und damit nur die Wegnahme als weiterer Teilakt ermöglicht werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 09.03.1993 - 1 StR 870/92).
1509
Hierfür genügt es, wenn die Begehung der weiteren Straftat durch die Tötungshandlung erleichtert werden soll, sich der Täter also deshalb für die zum Tode führende Handlung entscheidet, weil er glaubt, auf diese Weise die andere Straftat schneller oder leichter begehen zu können (BGH aaO.). So liegt es hier.
1510
7. Der Angeklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft. Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht gegeben.
1511
8. Durch seine Handlungsweise hat sich der Angeklagte zugleich eines Raubes mit Todesfolge zum Nachteil des Geschädigten W 2 schuldig gemacht (§§ 249 Abs. 1, 251 StGB).
1512
a. Der Angeklagte verwirklichte den Straftatbestand eines besonders schweren Raubes gemäß §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 1 Nr. 1 b) StGB (vgl. oben 6.b(1), S. 208).
1513
b. Zudem verwirklichte der Angeklagte den Straftatbestand eines Raubes mit Todesfolge gemäß § 251 StGB (vgl. oben 6.b(2), S. 209).
1514
c. Allerdings besteht zwischen § 251 StGB und § 250 StGB Gesetzeseinheit (BGH, Urteil vom 23.08.2017 - 2 StR 150/16). Sämtliche Begehungsformen des § 250 StGB werden von § 251 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt (Fischer, StGB, 67. A., § 251 Rn. 12 m.w.N.).
1515
Dies hat zur Folge, dass § 250 Abs. 1 Nr. 1 b) StGB neben § 251 StGB nicht zur Anwendung kommt (vgl. Fischer, aaO., vor § 52 Rn. 39). Deshalb hat sich der Angeklagte eines Raubes mit Todesfolge gemäß §§ 249 Abs. 1, 251 StGB schuldig gemacht.
1516
d. Der Angeklagte handelte auch insoweit rechtswidrig und schuldhaft.
1517
E. Die Taten zum Nachteil der Geschädigten W 1, B, M, H 1, G, H 2, N und W 2 (Fälle I. bis VIII.) stehen zueinander in Tatmehrheit, § 53 StGB.
I. Tat zum Nachteil von W 1
1518
1. Gemäß § 211 Abs. 1 StGB war der Angeklagte für die Tat zum Nachteil des Geschädigten W 1 zu lebenslanger Freiheitsstrafe zu verurteilen. Die Strafdrohung des § 211 Abs. 1 StGB ist absolut. Nach dem Gesetz war keine Möglichkeit gegeben, diese Strafe zu mildern. Außergewöhnliche Umstände, aufgrund derer die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ausnahmsweise als unverhältnismäßig erschiene, sind nicht gegeben.
1519
2. Die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten im Sinne des § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB war nicht festzustellen.
1520
a. Die Entscheidung über die Frage der besonderen Schuldschwere gemäß § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB hat der Tatrichter im Wege einer zusammenfassenden Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit zu treffen. Ein Bejahen ist nur möglich, wenn Umstände von besonderem Gewicht vorliegen.
1521
b. Gegen die besondere Schuldschwere sprachen folgende Gesichtspunkte:
1522
(1) Der Angeklagte hat den Tatvorwurf in objektiver Hinsicht in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung sowie in mehreren Briefen an das Gericht und die Staatsanwaltschaft eingeräumt. Er brachte außerdem eine von Reue getragene Entschuldigung zum Ausdruck.
1523
Der Angeklagte ist durch die gegen ihn verhängte Maßregel der Besserung und Sicherung gemäß § 66 StGB (vgl. unten F., S. 224 ff.) zusätzlich belastet. Das Schwurgericht hat auch gesehen, dass bei dem Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) vorliegt.
1524
Die lange Verfahrensdauer von Februar 2018 bis Oktober 2020, die damit einhergehende ebenso lange Untersuchungshaft und die mehr als zehnmonatige Hauptverhandlung an insgesamt 49 Verhandlungstagen waren für den Angeklagten besonders belastend, zumal er in der Haft keine Besuche empfangen und zu seinen Bezugspersonen nur Brief- und Telefonkontakt unterhalten konnte. Ferner sah er sich mit der Nachricht vom Tod seines Vaters im Dezember 2019 konfrontiert.
1525
(2) Der Angeklagte handelte lediglich mit bedingtem Tötungsvorsatz.
1526
(3) Der grobe bzw. schwere Behandlungsfehler der Ärztin N in der Zentralambulanz des Krankenhauses … war für den am 11.07.2017 eingetretenen Tod des Geschädigten mitursächlich.
1527
c. Für die besondere Schuldschwere sprachen folgende Aspekte:
1528
(1) Der Angeklagte ist in … vielfach, wenn auch nicht einschlägig, vorbestraft und verbüßte dort bereits knapp y Jahre Haft, wobei das Schwurgericht bedacht hat, dass bei dem Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) vorliegt.
1529
(2) Der Angeklagte beging die Tat in der Wohnung des Geschädigten und damit in dessen besonders geschütztem Rückzugsbereich, in welchem W 1 sich besonders sicher fühlte. Der Angeklagte nutzte bei Begehung der Tat zudem die besondere Vertrauensstellung als 24-Stunden-Betreuungskraft aus, welche der Grund dafür war, dass der Angeklagte mit dem Geschädigten von dessen Angehörigen allein gelassen worden war. Auch hierbei hat das Schwurgericht bedacht, dass bei dem Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) vorliegt.
1530
(3) Bei der verabreichten Menge von mindestens 120 I.E. Insulin handelt es sich um eine massive Überdosis, weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung bei DiabetesPatienten mit zu hohen Blutzuckerwerten. Damit verübte der Angeklagte einen besonders gefährlichen Angriff auf das Leben des - überdies zuckerstoffwechselgesunden - Geschädigten.
1531
(4) S und R, zwei Töchter des Geschädigten, leiden bis heute unter den psychischen Folgen der Tat.
1532
d. Nach einer entsprechenden Gesamtwürdigung kam das Schwurgericht zu dem Ergebnis, dass die Schuld des Angeklagten nicht besonders schwer wiegt.
II. Tat zum Nachteil von B
1533
1. Die Strafkammer hat die gegen den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe einem Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren entnommen. Es handelt sich hierbei um den Strafrahmen des § 224 Abs. 1 Alt. 1 StGB. Diese Norm droht gegenüber § 223 Abs. 1 StGB die schwerere Strafe an (§ 52 Abs. 2 S. 1 StGB). Ein minder schwerer Fall der gefährlichen Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Alt. 2 StGB liegt nicht vor.
1534
a. Eine Provokation im Sinne des § 213 Alt. 1 StGB liegt ersichtlich nicht vor.
1535
b. Auch ein sonstiger minder schwerer Fall liegt nicht vor.
1536
Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, weichen weder das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente noch die Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle so sehr ab, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens unangemessen hart wäre.
1537
(1) Zu Gunsten des Angeklagten wurden die oben unter I.2.b(1), S. 211, dargelegten Umstände gewürdigt. Ferner sprach für den Angeklagten, dass der Geschädigte B keine erkennbaren Folgeschäden von der Tat davongetragen hat.
1538
(2) Zu Lasten des Angeklagten wirkten sich folgende Aspekte aus:
1539
(a) Die oben unter I.2.c(1), S. 212, genannten Gesichtspunkte wurden berücksichtigt.
1540
(b) Die oben unter I.2.c(2), S. 212, gemachten Ausführungen gelten für den Fall zum Nachteil des Geschädigten B entsprechend.
1541
(c) Der Angeklagte hat den Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung in zwei Varianten (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5 StGB) verwirklicht. Für den Geschädigten B bestand konkrete Lebensgefahr. Das Tatmotiv des Angeklagten steht auf sittlich tiefster Stufe und ist deshalb besonders verachtenswert.
1542
c. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung kommt nach Abwägung der soeben angeführten Strafzumessungsgesichtspunkte die Annahme eines minder schweren Falles nach der Überzeugung der Strafkammer nicht in Betracht.
1543
2. Bei der eigentlichen Strafzumessung hat die Strafkammer erneut die oben unter 1.b. dargelegten, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände berücksichtigt.
1544
Unter Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte erachtete das Schwurgericht eine Freiheitsstrafe von 4. (vier) Jahren 6 (sechs) Monaten für tat- und schuldangemessen.
III. Tat zum Nachteil von M
1545
1. Die Strafkammer hat die gegen den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe einem Strafrahmen von 3 Jahren bis zu 15 Jahren entnommen.
1546
Ausgangspunkt war § 211 Abs. 1 StGB, wonach auch für einen versuchten Mord regelmäßig eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen ist. Diese Norm droht somit gegenüber § 224 Abs. 1 StGB die schwerere Strafe an (§ 52 Abs. 2 S. 1 StGB). Das Schwurgericht hat jedoch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Versuch milder zu bestrafen als die vollendete Tat, und hat unter Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens die absolute Strafandrohung des § 211 Abs. 1 StGB gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert.
1547
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage einer Verschiebung des Strafrahmens wegen Versuchs aufgrund einer Gesamtschau der Tatumstände im weitesten Sinne sowie der Persönlichkeit des Täters zu entscheiden. Dabei kommt den wesentlich versuchsbezogenen Umständen jedoch besonderes Gewicht zu, namentlich der Nähe der Tatvollendung, der Gefährlichkeit des Versuchs und der aufgewandten kriminellen Energie, weil sie die wichtigsten Kriterien für die Einstufung von Handlungs- und Erfolgsunwert einer nur versuchten Tat liefern (BGH, Beschluss v. 12.05.2016 - 4 StR 94/16 m.w.N.).
1548
Eine sorgfältige Abwägung dieser Umstände, auch soweit sie für den Täter sprechen, ist namentlich dann geboten, wenn von der Entschließung über die versuchsbedingte Milderung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe abhängt (BGH, Urteil vom 15.06.2004 - 1 StR 39/04).
1549
2. Bei der Würdigung der wesentlich versuchsbezogenen Umstände waren insbesondere folgende Gesichtspunkte von Bedeutung:
1550
a. Gegen den Angeklagten sprach, dass die Tatvollendung in unmittelbare Nähe gerückt war. Für den Geschädigten M bestand konkrete Lebensgefahr.
1551
b. Die Gefährlichkeit des Versuchs wirkte sich ebenfalls zu Lasten des Angeklagten aus.
1552
(1) Bei der verabreichten Menge von 160 I.E. Insulin handelt es sich um eine massive Überdosis, weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung bei Diabetes-Patienten mit zu hohen Blutzuckerwerten. Damit verübte der Angeklagte einen besonders gefährlichen Angriff auf das Leben des - überdies zuckerstoffwechselgesunden - Geschädigten.
1553
(2) Darüber hinaus verabreichte der Angeklagte das Insulin in Kenntnis des Umstandes, dass er dem Geschädigten wenige Stunden zuvor bereits mindestens 3 mg des zentraldämpfenden Wirkstoffs Lorazepam - eine sehr hohe Dosis, ebenfalls weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung - verabreicht hatte. Dies führte zu einer wechselseitigen Wirkungsverstärkung zwischen der pharmakologischen zentraldämpfenden Wirkung von Lorazepam und der physiologischen zentraldämpfenden Wirkung des durch die Insulingabe hervorgerufenen Zustands der Hypoglykämie, wodurch die besondere Gefährlichkeit des Angriffs auf das Leben des Geschädigten noch einmal zusätzlich erhöht wurde.
1554
c. Im Rahmen der Bewertung der aufgewandten kriminellen Energie fand zu Gunsten des Angeklagten Berücksichtigung, dass er lediglich mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte.
1555
Zu seinen Lasten wirkten sich demgegenüber die Tatumstände aus: Der Angeklagte beging die Tat im Haus des Geschädigten und damit in dessen besonders geschütztem Rückzugsbereich, in welchem sich M besonders sicher fühlte. Der Angeklagte nutzte bei Begehung der Tat zudem die besondere Vertrauensstellung als 24-Stunden-Betreuungskraft aus, welche der Grund dafür war, dass der Angeklagte mit dem Geschädigten von dessen Angehörigen allein gelassen worden war. Das Schwurgericht hat hierbei bedacht, dass bei dem Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) vorliegt.
1556
3. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau fanden im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte Berücksichtigung:
1557
a. Zu Gunsten des Angeklagten wurden die oben unter I.2.b(1), S. 211, dargelegten Umstände gewürdigt. Ferner sprach für den Angeklagten, dass der Geschädigte M keine erkennbaren Folgeschäden von der Tat davongetragen hat.
1558
b. Zu Lasten des Angeklagten wurden die oben unter I.2.c(1), S. 212, genannten Gesichtspunkte berücksichtigt. Ferner gelten die oben unter I.2.c(2), S. 212, gemachten Ausführungen für den Fall zum Nachteil des Geschädigten M entsprechend. Darüber hinaus sprachen folgende Umstände gegen den Angeklagten:
1559
Der Angeklagte hat tateinheitlich den Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung in zwei Varianten (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5 StGB) verwirklicht. Dem Geschädigten M mussten über einen Zeitraum von 60 Stunden insgesamt 420 g Glucose verabreicht werden, um sein Leben zu retten.
1560
4. Bei einer Gesamtabwägung dieser Gesichtspunkte unter besonderer Berücksichtigung der wesentlich versuchsbezogenen Umstände hielt es das Schwurgericht für angemessen, von der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe abzusehen und den Strafrahmen gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB zu mildern. Dabei war sich die Strafkammer bewusst, dass eine Versagung der Strafrahmenverschiebung die zwingende Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe nach sich gezogen hätte und die Gesamtabwägung deshalb besonders sorgfältig vorzunehmen war. Anstelle der absoluten Strafdrohung lebenslanger Freiheitsstrafe war nunmehr ein Strafrahmen von 3 Jahren bis zu 15 Jahren eröffnet.
1561
5. Bei der eigentlichen Strafzumessung hat die Strafkammer erneut die oben unter 3. dargelegten, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände gewürdigt, wobei - wenn auch mit geringerem Gewicht - nochmals Berücksichtigung fand, dass die Tat im Versuchsstadium stecken blieb. Unter Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte erachtete das Schwurgericht eine Freiheitsstrafe von 10 (zehn) Jahren 6 (sechs) Monaten für tat- und schuldangemessen.
IV. Tat zum Nachteil von H 1
1562
Die Strafkammer hat die gegen den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe einem Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren entnommen. Es handelt sich hierbei um den Strafrahmen des § 224 Abs. 1 Alt. 1 StGB. Diese Norm droht gegenüber § 223 Abs. 1 StGB die schwerere Strafe an (§ 52 Abs. 2 S. 1 StGB).
1563
1. Ein minder schwerer Fall der gefährlichen Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Alt. 2 StGB liegt nicht vor.
1564
a. Eine Provokation im Sinne des § 213 Alt. 1 StGB liegt ersichtlich nicht vor.
1565
b. Auch ein sonstiger minder schwerer Fall liegt nicht vor.
1566
Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, weichen weder das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente noch die Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle so sehr ab, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens unangemessen hart wäre.
1567
(1) Zu Gunsten des Angeklagten wurden die oben unter I.2.b(1), S. 211, dargelegten Umstände gewürdigt. Ferner sprach für den Angeklagten, dass der Geschädigte H 1 keine erkennbaren Folgeschäden von der Tat davongetragen hat.
1568
(2) Zu Lasten des Angeklagten wurden die oben unter I.2.c(1), S. 212, genannten Gesichtspunkte berücksichtigt. Ferner gelten die oben unter I.2.c(2), S. 212, sowie unter II.1. b(2)(c), S. 213, gemachten Ausführungen für den Fall zum Nachteil des Geschädigten H 1entsprechend. Darüber hinaus sprach gegen den Angeklagten, dass dem Geschädigten H 1 über einen Zeitraum von 19 Stunden insgesamt 245 g Glucose verabreicht werden mussten, um sein Leben zu retten.
1569
c. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung kommt nach Abwägung der soeben angeführten Strafzumessungsgesichtspunkte die Annahme eines minder schweren Falles nach der Überzeugung der Strafkammer nicht in Betracht.
1570
2. Bei der eigentlichen Strafzumessung hat die Strafkammer erneut die oben unter 1.b. dargelegten, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände berücksichtigt.
1571
Unter Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte erachtete das Schwurgericht eine Freiheitsstrafe von 5. (fünf) Jahren für tat- und schuldangemessen.
V. Tat zum Nachteil von G
1572
Die Strafkammer hat die gegen den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe einem Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren entnommen. Es handelt sich hierbei um den Strafrahmen des § 224 Abs. 1 Alt. 1 StGB. Diese Norm droht gegenüber § 223 Abs. 1 StGB die schwerere Strafe an (§ 52 Abs. 2 S. 1 StGB).
1573
1. Ein minder schwerer Fall der gefährlichen Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Alt. 2 StGB liegt nicht vor.
1574
a. Eine Provokation im Sinne des § 213 Alt. 1 StGB liegt ersichtlich nicht vor.
1575
b. Auch ein sonstiger minder schwerer Fall liegt nicht vor.
1576
Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, weichen weder das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente noch die Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle so sehr ab, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens unangemessen hart wäre.
1577
(1) Zu Gunsten des Angeklagten wurden die oben unter I.2.b(1), S. 211, dargelegten Umstände gewürdigt. Ferner sprach für den Angeklagten, dass die Geschädigte G keine erkennbaren Folgeschäden von der Tat davongetragen hat.
1578
(2) Zu Lasten des Angeklagten wurden die oben unter I.2.c(1), S. 212, genannten Gesichtspunkte berücksichtigt. Ferner gelten die oben unter I.2.c(2), S. 212, sowie unter II.1. b(2)(c), S. 213, gemachten Ausführungen für den Fall zum Nachteil der Geschädigten G entsprechend.
1579
c. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung kommt nach Abwägung der soeben angeführten Strafzumessungsgesichtspunkte die Annahme eines minder schweren Falles nach der Überzeugung der Strafkammer nicht in Betracht.
1580
2. Bei der eigentlichen Strafzumessung hat die Strafkammer erneut die oben unter 1.b. (S. 217) dargelegten, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände berücksichtigt.
1581
Unter Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte erachtete das Schwurgericht eine Freiheitsstrafe von 4. (vier) Jahren für tat- und schuldangemessen.
VI. Tat zum Nachteil von H 2
1582
Die Strafkammer hat die gegen den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe einem Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren entnommen. Es handelt sich hierbei um den Strafrahmen des § 224 Abs. 1 Alt. 1 StGB. Diese Norm droht gegenüber § 223 Abs. 1 StGB die schwerere Strafe an (§ 52 Abs. 2 S. 1 StGB).
1583
1. Ein minder schwerer Fall der gefährlichen Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Alt. 2 StGB liegt nicht vor.
1584
a. Eine Provokation im Sinne des § 213 Alt. 1 StGB liegt ersichtlich nicht vor.
1585
b. Auch ein sonstiger minder schwerer Fall liegt nicht vor.
1586
Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, weichen weder das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente noch die Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle so sehr ab, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens unangemessen hart wäre.
1587
(1) Zu Gunsten des Angeklagten wurden die oben unter I.2.b(1), S. 211, dargelegten Umstände gewürdigt.
1588
(2) Zu Lasten des Angeklagten wurden die oben unter I.2.c(1), S. 212, genannten Gesichtspunkte berücksichtigt. Ferner gelten die oben unter I.2.c(2), S. 212, sowie unter II.1. b(2)(c), S. 213, gemachten Ausführungen für den Fall zum Nachteil des Geschädigten entsprechend. Darüber hinaus sprachen folgende Umstände gegen den Angeklagten:
1589
Bei der verabreichten Menge von mindestens 160 I.E. Insulin handelt es sich um eine massive Überdosis, weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung bei DiabetesPatienten mit zu hohen Blutzuckerwerten. Dies stellt eine das Leben des - überdies zuckerstoffwechselgesunden - Geschädigten in besonders hohem Ausmaß gefährdende Behandlung dar.
1590
Dem Geschädigten H 2 mussten über einen Zeitraum von acht Tagen bzw. rund 190 Stunden insgesamt mindestens 2.615,5 g Glucose - also mehr als 2,5 kg Zucker - verabreicht werden, um sein Leben zu retten.
1591
c. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung kommt nach Abwägung der soeben angeführten Strafzumessungsgesichtspunkte die Annahme eines minder schweren Falles nach der Überzeugung der Strafkammer nicht in Betracht.
1592
2. Bei der eigentlichen Strafzumessung hat die Strafkammer erneut die oben unter 1.b. dargelegten, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände berücksichtigt.
1593
Unter Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte erachtete das Schwurgericht eine Freiheitsstrafe von 7 (sieben) Jahren für tat- und schuldangemessen.
VII. Tat zum Nachteil von N
1594
1. Gemäß § 211 Abs. 1 StGB war der Angeklagte für die Tat zum Nachteil des Geschädigten N zu lebenslanger Freiheitsstrafe zu verurteilen. Die Strafdrohung des § 211 Abs. 1 StGB ist absolut. Nach dem Gesetz war keine Möglichkeit gegeben, diese Strafe zu mildern. Außergewöhnliche Umstände, aufgrund derer die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ausnahmsweise als unverhältnismäßig erschiene, sind nicht gegeben.
1595
2. Die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten im Sinne des § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB war nicht festzustellen.
1596
a. Auf die Darlegungen oben unter I.2.a. (S. 211) wird Bezug genommen.
1597
b. Gegen die besondere Schuldschwere des Angeklagten sprachen die oben unter I.2.b(1), S. 211, dargelegten Gesichtspunkte sowie der Umstand, dass der Angeklagte lediglich mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte.
1598
c. Für die besondere Schuldschwere sprachen folgende Aspekte:
1599
(1) Die oben unter I.2.c(1), S. 212, genannten Gesichtspunkte wurden berücksichtigt. Ferner gelten die oben unter I.2.c(2), S. 212, gemachten Ausführungen für den Fall zum Nachteil des Geschädigten N entsprechend.
1600
(2) Der Angeklagte verabreichte das Insulin in Kenntnis des Umstandes, dass er dem Geschädigten am Vorabend bereits 30 mg des Schlafmittels Zopiclon - eine massive Überdosis, die der vierfachen therapeutischen Tagesdosis entspricht - verabreicht hatte. Dies führte zu einer wechselseitigen Wirkungsverstärkung zwischen der pharmakologischen zentraldämpfenden Wirkung von Zopiclon und der physiologischen zentraldämpfenden Wirkung des durch die Insulingabe hervorgerufenen Zustands der Hypoglykämie, wodurch die besondere Gefährlichkeit des Angriffs auf das Leben des Geschädigten noch einmal zusätzlich erhöht wurde.
1601
(3) Der Angeklagte hatte dem Geschädigten bereits am Abend des 15.01.2018 eine unbekannte Menge einer unbekannten zentralwirksamen Substanz verabreicht.
1602
(4) G, die Tochter des Geschädigten, leidet bis heute unter den psychischen Folgen der Tat.
1603
d. Nach einer entsprechenden Gesamtwürdigung kam das Schwurgericht zu dem Ergebnis, dass die Schuld des Angeklagten nicht besonders schwer wiegt.
VIII. Tat zum Nachteil von W 2
1604
1. Gemäß § 211 Abs. 1 StGB war der Angeklagte für die Tat zum Nachteil des Geschädigten W 2 zu lebenslanger Freiheitsstrafe zu verurteilen. Die Strafdrohung des § 211 Abs. 1 StGB ist absolut. Nach dem Gesetz war keine Möglichkeit gegeben, diese Strafe zu mildern. Außergewöhnliche Umstände, aufgrund derer die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ausnahmsweise als unverhältnismäßig erschiene, sind nicht gegeben.
1605
2. Die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten im Sinne des § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB war nicht festzustellen.
1606
a. Auf die Darlegungen oben unter I.2.a. (S. 211) wird Bezug genommen.
1607
b. Gegen die besondere Schuldschwere des Angeklagten sprachen die oben unter I.2.b(1), S. 211, dargelegten Gesichtspunkte sowie der Umstand, dass der Angeklagte lediglich mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Ferner wirkte sich zu seinen Gunsten aus, dass die Tatbeute zu den insoweit Berechtigten zurückgelangte, da ein Teil (Wertgegenstände aus Gold in dem rosafarbenen Etui) letztlich im Anwesen des Geschädigten W 2 verblieb und die restliche Tatbeute (1.210 Euro Bargeld sowie die Bankkarten des Geschädigten samt Bankunterlagen) im Rahmen der vorläufigen Festnahme des Angeklagten sichergestellt werden konnte.
1608
c. Für die besondere Schuldschwere sprachen folgende Aspekte:
1609
(1) Die oben unter I.2.c(1), S. 212, genannten Gesichtspunkte wurden berücksichtigt. Ferner gelten die oben unter I.2.c(2), S. 212, gemachten Ausführungen für den Fall zum Nachteil des Geschädigten W 2 entsprechend.
1610
(2) Bei der verabreichten Menge von 160 I.E. Insulin handelt es sich um eine massive Überdosis, weit oberhalb einer therapeutischen Dosierung bei Diabetes-Patienten mit zu hohen Blutzuckerwerten. Damit verübte der Angeklagte einen besonders gefährlichen Angriff auf das Leben des - überdies zuckerstoffwechselgesunden - Geschädigten.
1611
(3) Der Angeklagte handelte aus Habgier (§ 211 Abs. 2 Var. 3 StGB) und niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB) und verwirklichte damit zwei Mordmerkmale mit eigenständigem Unrechtsgehalt.
1612
Dass der Angeklagte darüber hinaus auch das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht (§ 211 Abs. 2 Var. 8 StGB) sowie tateinheitlich einen Raub mit Todesfolge verwirklichte, hat das Schwurgericht hingegen nicht zu Lasten des Angeklagten gewürdigt, da insoweit derselbe Unrechtskern wie bei dem Mordmerkmal der Habgier vorliegt.
1613
d. Nach einer entsprechenden Gesamtwürdigung kam das Schwurgericht zu dem Ergebnis, dass die Schuld des Angeklagten nicht besonders schwer wiegt.
1614
Gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 StGB war auf lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe X. zu erkennen, da gegen den Angeklagten in den Fällen zum Nachteil der Geschädigten W 1, N und W 2 jeweils eine lebenslange Freiheitsstrafe als Einzelstrafe verhängt wurde. Feststellung der besonderen Schuldschwere Die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten im Sinne der §§ 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 57b StGB war festzustellen.
1615
1. Auf die Darlegungen oben unter I.2.a. (S. 211) wird Bezug genommen. Ist - wie hier - auf lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt, so werden bei der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB) die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt, § 57b StGB.
1616
2. Die Strafkammer hat eine nochmalige Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände vorgenommen und hierbei die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.
1617
a. Gegen die besondere Schuldschwere sprachen insbesondere folgende Gesichtspunkte:
1618
Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe in objektiver Hinsicht in seinen polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen sowie in mehreren Briefen an das Gericht und die Staatsanwaltschaft eingeräumt. Er brachte außerdem eine von Reue getragene Entschuldigung zum Ausdruck.
1619
Der Angeklagte ist durch die gegen ihn verhängte Maßregel der Besserung und Sicherung gemäß § 66 StGB (vgl. unten F., S. 224 ff.) zusätzlich belastet. Das Schwurgericht hat auch gesehen, dass bei dem Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) vorliegt.
1620
Die lange Verfahrensdauer von Februar 2018 bis Oktober 2020, die damit einhergehende ebenso lange Untersuchungshaft und die mehr als zehnmonatige Hauptverhandlung an insgesamt 49 Verhandlungstagen waren für den Angeklagten besonders belastend, zumal er in der Haft keine Besuche empfangen und zu seinen Bezugspersonen nur Brief- und Telefonkontakt unterhalten konnte. Ferner sah er sich mit der Nachricht vom Tod seines Vaters im Dezember 2019 konfrontiert.
1621
Der Angeklagte handelte bei dem versuchten Mord und den vollendeten Morden jeweils lediglich mit bedingtem Tötungsvorsatz.
1622
Die Geschädigten B, M, H 1und G trugen jeweils keine erkennbaren Folgeschäden von der Tat davon.
1623
b. Für die besondere Schuldschwere sprachen insbesondere folgende Aspekte:
1624
Der Angeklagte beging acht erhebliche Straftaten - namentlich drei vollendete Morde, einen versuchten Mord sowie vier gefährliche Körperverletzungen - binnen neun Monaten. Hierbei wirkte sich zu Gunsten des Angeklagten aus, dass zwischen sämtlichen Taten ein enger situativer sowie zwischen einigen Taten ein enger zeitlicher Zusammenhang bestand, so dass auf eine herabgesetzte Hemmschwelle geschlossen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 22.12.2011 - 4 StR 581/11). Hingegen bestand zwischen den Taten keinerlei räumlicher Zusammenhang. Bei Würdigung dieser Tatserie hat das Schwurgericht ferner bedacht, dass bei dem Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) vorliegt.
1625
Der Angeklagte beging sämtliche Taten in der Wohnung bzw. dem Haus der acht Geschädigten und damit in deren besonders geschütztem Rückzugsbereich, wo diese sich besonders sicher fühlten. Der Angeklagte nutzte bei Begehung der Tat zudem die besondere Vertrauensstellung als 24-Stunden-Betreuungskraft aus, welche der Grund dafür war, dass der Angeklagte mit den Geschädigten von deren Angehörigen bzw. Bezugspersonen jeweils allein gelassen worden war. Auch hierbei hat das Schwurgericht bedacht, dass bei dem Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) vorliegt.
1626
Im Fall zum Nachteil des Geschädigten W 2 handelte der Angeklagte aus Habgier (§ 211 Abs. 2 Var. 3 StGB) und niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB). Damit verwirklichte er zwei Mordmerkmale mit eigenständigem Unrechtsgehalt. Hingegen hat das Schwurgericht nicht zu Lasten des Angeklagten gewürdigt, dass er darüber hinaus auch das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht (§ 211 Abs. 2 Var. 8 StGB) sowie tateinheitlich einen Raub mit Todesfolge verwirklichte, da insoweit derselbe Unrechtskern wie bei dem Mordmerkmal der Habgier vorliegt.
1627
F. Nach einer entsprechenden Gesamtwürdigung kam das Schwurgericht zu dem Ergebnis, dass die Schuld des Angeklagten besonders schwer wiegt. Maßregel der Besserung und Sicherung Unter Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens hielt es das Schwurgericht für erforderlich und angemessen, neben der verhängten Freiheitsstrafe die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 und Abs. 3 S. 2 StGB anzuordnen.
1628
1. Nach § 66 Abs. 2 StGB kann das Gericht unter der in § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung im Sinne der § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 StGB anordnen, wenn der Täter drei Straftaten der in § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB genannten Art begangen hat, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wird.
1629
a. Der Angeklagte hat acht Straftaten der in § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a) StGB genannten Art begangen. Es handelt sich um vier Straftaten gegen das Leben zum Nachteil der Geschädigten W 1 (vgl. oben D.I., S. 164 ff.), M(vgl. oben D.III., S. 181 ff.), N (vgl. oben D.VII., S. 199 ff.) und W 2(vgl. oben D.VIII., S. 202 ff.) sowie um vier Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit zum Nachteil der Geschädigten B (vgl. oben D.II., S. 176 ff.), H 1(vgl. oben D.IV., S. 186 ff.), G (vgl. oben D.V., S. 190 ff.) und H 2 (vgl. oben D.VI., S. 194 ff.).
1630
b. Der Angeklagte hat durch die acht Straftaten Freiheitsstrafen von 4 Jahren (vgl. oben E.V.2., S. 218), 4 Jahren 6 Monaten (vgl. oben E.II.2., S. 213), 5 Jahren (vgl. oben E.IV.2., S. 217), 7 Jahren (vgl. oben E.VI.2., S. 219) und 10 Jahren 6 Monaten (vgl. oben E.III.5., S. 216) sowie dreimal lebenslange Freiheitsstrafe (vgl. oben E.I.1., S. 211, E.VII.1., S. 219 und E. VIII.1., S. 220) verwirkt. Er wurde wegen sämtlicher acht Taten zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt (vgl. oben E.IX., S. 221).
1631
c. Die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB liegen vor. Nach einer Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten kam das Schwurgericht zu der Überzeugung, dass der Angeklagte infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
1632
(1) Der Angeklagte hat einen Hang zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
1633
(a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezeichnet der Rechtsbegriff des Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB einen eingeschliffenen inneren Zustand, der den Täter immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Ein Hang liegt bei demjenigen vor, der dauerhaft zur Begehung von Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Hangtäter ist auch derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Das Vorliegen eines Hangs im Sinne eines gegenwärtigen Zustands ist vom Tatgericht auf der Grundlage einer umfassenden Vergangenheitsbetrachtung in eigener Verantwortung wertend festzustellen (BGH, Urteil vom 09.05.2019 - 4 StR 578/18 m.w.N.).
1634
(b) Wie der psychiatrische Sachverständige Dr. H ausführte, bestehe aus medizinischpsychiatrischer Sicht beim Angeklagten ein eingeschliffener innerer Zustand im Sinne einer fest eingewurzelten Neigung zur Begehung von Straftaten. Diverse Kriterien, welche in der psychiatrischen Wissenschaft hierzu entwickelt worden seien, lägen beim Angeklagten vor.
1635
i. Von Bedeutung sei in diesem Zusammenhang zunächst die dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) des Angeklagten (vgl. oben C.IV.4.a(1), S. 161).
1636
ii. Im Leben des Angeklagten hätten Phasen der Delinquenz gegenüber unauffälligen Lebensphasen bei weitem überwogen, wobei der Angeklagte bereits in seiner frühen Jugend durch delinquentes Verhalten aufgefallen sei. Er sei insgesamt knapp x Jahre in … inhaftiert gewesen und habe gezeigt, dass er nicht in der Lage sei, aus negativen Erfahrungen - insbesondere aus Bestrafung und mehrjähriger Inhaftierung - zu lernen. Der Angeklagte habe in seinem Leben soziale Normen fortwährend missachtet, wie in seinen zahlreichen Vorstrafen zum Ausdruck komme, und hierbei eine progrediente Rückfallneigung aufgewiesen. Dabei habe er sich auf einen bestimmten Deliktstyp spezialisiert und diesen ausgeweitet.
1637
Während die Vorstrafen allesamt Eigentums- und Vermögensdelikte beträfen, sei der Angeklagte nun erstmals mit Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit straffällig geworden. Dies stelle im Fall des Angeklagten eine mit einer qualitativen Änderung einhergehende Ausweitung - und keine bloße Auswechslung - des Deliktstyps dar, da auch den verfahrensgegenständlichen Taten eine relevante eigentums- und vermögensrechtliche Komponente innewohne und sämtliche vom Angeklagten begangene Straftaten im Kern eine Gemeinsamkeit haben.
1638
[1] Die eigentums- und vermögensrechtliche Komponente habe sich im Fall zum Nachteil des Geschädigten W 2 ganz unmittelbar gezeigt, da es dem Angeklagten bei diesem Tötungsdelikt maßgeblich - auch - darum gegangen sei, den vom Geschädigten um den Hals getragenen Schlüssel für dessen Geldkassette sowie die mutmaßlich darin enthaltenen Wertgegenstände zu erlangen.
1639
[2] Jedenfalls mittelbar habe die eigentums- und vermögensrechtliche Komponente in sämtlichen Fällen eine Rolle gespielt, da es dem Angeklagten bei seiner Tätigkeit als 24-Stunden-Betreuungskraft generell darum gegangen sei, seine Aufgaben mit möglichst wenig Arbeitsaufwand zu verrichten, sich zum Nachteil des jeweils von ihm zu betreuenden Patienten zu bereichern und danach möglichst schnell wieder abzureisen.
1640
Auf die Begehung der verfahrensgegenständlichen Straftaten habe sich dies insoweit ausgewirkt, als es dem Angeklagten stets zumindest auch darum gegangen sei, zugleich einen objektiv nachvollziehbaren Grund für sein vorzeitiges Verlassen der jeweiligen Arbeitsstelle ohne weitergehenden Rechtfertigungsbedarf zu schaffen.
1641
[3]. Darüber hinaus bestehe zwischen den Vorstrafendelikten in … und den verfahrensgegenständlichen Straftaten die Gemeinsamkeit, dass es dem Angeklagten im Kern stets um die Verfolgung persönlicher Ziele, Durchsetzung eigener Interessen und Befriedigung individueller Bedürfnisse gegangen sei. Hierbei hätten sich eine für seine Persönlichkeit charakteristische Rücksichtslosigkeit und Skrupellosigkeit sowie eine in diesem Zusammenhang auftretende Empathielosigkeit gezeigt.
1642
iii. Den Anlasstaten lägen keine psychosozialen Auslösefaktoren oder tatbegünstigende Konflikte im Sinne einer Lebenskrise, wie etwa ein Arbeitsplatzverlust oder die Trennung in einer Partnerschaft, zugrunde.
1643
iv. Der Angeklagte habe das komplexe, mehraktige Tatgeschehen stets aktiv und zielgerichtet gestaltet. Er habe die Tatzeitpunkte stets so gewählt, dass er mit dem jeweiligen Opfer allein gewesen sei, so dass es keine Dritten als unmittelbare Tatzeugen gegeben habe. Ferner habe der Angeklagte die Taten vorbereitet, indem er dafür Sorge getragen habe, dass sich eine mit Insulin gefüllte Patrone in seinem Insulin-Pen befunden habe, welchen er für die Tatbegehung habe mit sich führen müssen.
1644
(c) Dem psychiatrischen Sachverständigen zufolge zeige die verfahrensgegenständliche Tatserie eindrucksvoll, dass die fest eingewurzelte Neigung des Angeklagten zur Begehung von Straftaten - auch - solche Straftaten betreffe, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt würden. Die Anlasstaten seien mithin symptomatisch für den eingeschliffenen inneren Zustand des Angeklagten.
1645
(d) Das Schwurgericht schloss sich den auch insoweit von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgehenden, sachkundigen, widerspruchsfreien und überzeugenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. H mit den von diesem angeführten Argumenten an und gelangte auf dieser Grundlage zu der Überzeugung, dass beim Angeklagten ein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, besteht.
1646
(2) Nach der Überzeugung der Strafkammer ist der Angeklagte zum Zeitpunkt der Verurteilung infolge seines oben unter (1), S. 224 ff., dargelegten Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich.
1647
(a) Im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose ist die Wahrscheinlichkeit dafür einzuschätzen, ob sich der Täter in Zukunft trotz Vorliegen eines Hangs erheblicher Straftaten enthalten kann oder nicht. Der Hang ist dabei nur ein - wenngleich wesentliches - Kriterium, das auf eine Gefährlichkeit des Angeklagten hindeutet und als prognostisch ungünstiger Gesichtspunkt in die Gefährlichkeitsprognose einzustellen ist (BGH, Urteil vom 09.05.2019 - 4 StR 578/18).
1648
(b) Der psychiatrische Sachverständige Dr. H legte dar, dass aus medizinischpsychiatrischer Sicht die prognostische Beurteilung der Gefährlichkeit des Angeklagten ungünstig sei. Es bestehe demnach nicht nur die begründete Wahrscheinlichkeit, sondern sogar ein hohes Risiko dafür, dass der Angeklagte auch künftig - in jedem beliebigen Umfeld - den Anlasstaten vergleichbare Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit begehen werde, um seine persönlichen Ziele zu verfolgen, seine eigenen - meist eigentums- und vermögensrechtlichen - Interessen durchzusetzen und seine individuellen Bedürfnisse zu befriedigen.
1649
i. Im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose stelle die dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) des Angeklagten laut Dr. H einen prognostisch ungünstigen Faktor dar.
1650
Die dissozialen Persönlichkeitszüge des Angeklagten, insbesondere sein delinquentes Verhalten, hätten sich seit seiner frühen Jugend gezeigt und im Laufe seines Lebens verfestigt. Aufgrund ihres frühzeitigen Auftretens, ihrer Konstanz sowie des Ausmaßes ihrer Ausprägung sei der Grad einer Persönlichkeitsstörung erreicht (vgl. oben C.IV.4.a(1)(b), S. 161). Allein dieser Umstand spreche dem Sachverständigen zufolge dafür, dass auch in Zukunft delinquentes Verhalten - wie bei den acht Anlasstaten - vom Angeklagten zu erwarten sei.
1651
ii. Dass der Angeklagte im hiesigen Verfahren einen langjährigen Strafvollzug zu erwarten habe, stelle laut Dr. H keinen hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkt für eine günstige Gefährlichkeitsprognose dar.
1652
1. Dem Sachverständigen zufolge sei langjähriger Strafvollzug prinzipiell geeignet, sowohl positive als auch negative Veränderungen bei einem Verurteilten zu bewirken. In positiver Hinsicht bestehe grundsätzlich die Möglichkeit, dass während der Haft eine Auseinandersetzung mit den begangenen Taten stattfinde und therapeutische Hilfe in Anspruch genommen werde. Allerdings sei der Verurteilte über einen langen Zeitraum auf engem Raum mit der kriminellen Subkultur und der dort vorherrschenden Gewaltbereitschaft konfrontiert, was sich oftmals negativ auswirke.
1653
2. Im Fall des Angeklagten komme jedoch als wesentlicher Aspekt hinzu, dass dieser vor Begehung der Anlasstaten bereits knapp x Jahre Haft in … verbüßt habe.
1654
Diese langjährige Hafterfahrung habe keine positiven Auswirkungen auf den Angeklagten gehabt und ihn nicht davon abgehalten, danach weitere Straftaten zu begehen. Im Gegenteil habe der Angeklagte nach der langjährigen Haft seine bis dahin vorherrschende Delinquenz im Bereich der Eigentums- und Vermögensdelikte vielmehr auf Tötungs- und Körperverletzungsdelikte ausgeweitet, was also mit einer qualitativen Änderung und Verschärfung der begangenen Delikte einhergegangen sei (vgl. oben (1) (b) ii., S. 225).
1655
Deshalb fehle es dem psychiatrischen Sachverständigen zufolge an hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkten für die begründete Erwartung, dass sich der Angeklagte diesmal durch den langjährigen Strafvollzug von der künftigen Begehung von Straftaten, die den Anlasstaten vergleichbar seien, abhalten lassen werde.
1656
3. In diesem Zusammenhang wirke sich insbesondere die mit der dissozialen Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) einhergehende Unfähigkeit des Angeklagten, aus negativen Erfahrungen wie Bestrafung und mehrjähriger Inhaftierung zu lernen, prognostisch äußerst ungünstig aus.
1657
iii. Auch das bei einer etwaigen Entlassung höhere Lebensalter des Angeklagten sei laut Dr. H nicht geeignet, eine günstige Prognose im Hinblick auf die Gefährlichkeit des Angeklagten zu begründen.
1658
[1] Zwar sei Dissozialität ebenso wie Aggressivität durchaus altersabhängig, so dass grundsätzlich mit einer Abschwächung im höheren Lebensalter gerechnet werden könne. Allerdings wirke sich auch in diesem Zusammenhang die dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) des Angeklagten prognostisch ungünstig aus, da bei ihm das Ausmaß an Dissozialität derart stark ausgeprägt sei, dass auch im Falle einer altersbedingten Abschwächung noch ein hohes Ausmaß an Dissozialität zu erwarten sei.
1659
[2] Hinzukomme, dass die möglichen negativen Auswirkungen des langjährigen Strafvollzugs (vgl. oben ii.[1], S. 228) - im Falle ihres Auftretens - die altersbedingte Abschwächung der Dissozialität kompensieren könnten.
1660
[3] Darüber hinaus seien im Zusammenhang mit der prognostischen Einschätzung der Auswirkungen eines höheren Lebensalters auf die Gefährlichkeit des Angeklagten auch die Tatumstände der Anlasstaten zu berücksichtigen.
1661
Prognostisch ungünstig sei, dass den Anlasstaten keine psychosozialen Auslösefaktoren oder tatbegünstigende Konflikte im Sinne einer Lebenskrise zugrunde lägen, deren Wegfall das Risiko für neuerliche Straftaten senken würde. Auch handle es sich nicht um Taten, welche in einem bestimmten - altersabhängigen - Milieu begangen worden wären, dessen Vermeidung ebenfalls als risikoverringernd angesehen werden könnte.
1662
Ebenfalls prognostisch ungünstig wirke sich aus, dass es sich bei den Anlasstaten nicht um offene Aggressionsdelikte handle, die eine gewisse körperliche Fitness voraussetzen würden. Vielmehr sei auch ein deutlich älterer Täter, der noch größeren körperlichen Einschränkungen unterliege als der Angeklagte aufgrund seiner Adipositas permagna ohnehin schon, zwanglos in der Lage, den Anlasstaten vergleichbare Delikte zu begehen.
1663
Ein altersunabhängiger Faktor sei der gemeinsame Kern der vom Angeklagten begangenen Straftaten, welcher in der Verfolgung persönlicher Ziele, Durchsetzung eigener Interessen und Befriedigung individueller Bedürfnisse liege. Die hierbei vorhandene Rücksichts- und Skrupellosigkeit des Angeklagten sowie seine in diesem Zusammenhang auftretende Empathielosigkeit seien zudem weitere prognostisch ungünstige Faktoren.
1664
iv. Aus den soeben unter iii.[3] dargelegten Erwägungen lasse sich auch ableiten, dass sich das Risiko für künftige Straftaten des Angeklagten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit zum Zweck der Verfolgung persönlicher Ziele, Durchsetzung eigener Interessen und Befriedigung individueller Bedürfnisse nicht auf den Tätigkeitsbereich einer 24-Stunden-Betreuungskraft beschränke, sondern in jedem beliebigen Umfeld bestehe. Auch insoweit stelle die dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) des Angeklagten einen prognostisch ungünstigen Faktor dar.
1665
(c) Die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. H waren auch insoweit sachkundig, widerspruchsfrei, überzeugend und gingen von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus. Mit den vom Sachverständigen angeführten Argumenten schloss sich die Strafkammer diesen Ausführungen an und gelangte auf dieser Grundlage zu der Überzeugung, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist. Es besteht die begründete Wahrscheinlichkeit, dass der Angeklagte auch künftig den Anlasstaten vergleichbare Delikte begehen wird.
1666
(3) Die Anlasstaten haben Symptomcharakter sowohl für den Hang als auch für die Gefährlichkeit des Angeklagten.
1667
Zu dieser Überzeugung gelangte das Schwurgericht in Übereinstimmung mit dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. H nach einer Gesamtwürdigung der Anlasstaten und der Persönlichkeit des Angeklagten. Hierbei zog die Strafkammer die oben unter (1)(b), S. 225, und (2)(b), S. 227, angeführten Argumente heran, aus denen sich der symptomatische Zusammenhang ergibt.
1668
d. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung ist verhältnismäßig, § 62 StGB. Zum Schutz der Allgemeinheit hielt es das Schwurgericht unter Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens für erforderlich und insbesondere angesichts der Anzahl und Schwere der vom Angeklagten begangenen Straftaten auch für angemessen, die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung anzuordnen, § 62 StGB.
1669
(1) Die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist erforderlich.
1670
(a) Ein milderes Mittel reicht nicht aus. Die Anordnung eines - gegebenenfalls lebenslangen - Berufsverbots gemäß § 70 Abs. 1 StGB als ein gegenüber der Anordnung der Sicherungsverwahrung milderes Mittel ist nicht geeignet, um die Allgemeinheit in ausreichendem Maße vor dem Angeklagten zu schützen.
1671
i. Zwar beging der Angeklagte sämtliche Anlasstaten im Rahmen seiner Tätigkeit als 24-Stunden-Betreuungskraft. Diese stellt jedoch keinen Beruf im Sinne des § 70 Abs. 1 StGB dar, da die Ausübung dieser Tätigkeit nicht an Voraussetzungen geknüpft ist, die einer Berufsausbildung zumindest vergleichbar wären.
1672
Wie der Fall des Angeklagten exemplarisch zeigt, reicht der Besuch eines 120 Stunden umfassenden Kurses an einem privaten Ausbildungszentrum in … aus, um als 24-Stunden-Betreuungskraft arbeiten zu können.
1673
ii. Darüber hinaus wäre eine effektive Überwachung eines entsprechenden Berufsverbots durch die staatlichen Behörden angesichts der im Bereich der 24- Stunden-Betreuung vorherrschenden Praxis gar nicht möglich. In diesem Bereich ist eine Vielzahl an Vermittlungsagenturen tätig, die es - wie der Fall des Angeklagten ebenfalls eindrücklich zeigt - einer Betreuungskraft ermöglicht, vielfach eingesetzt zu werden, ohne innerhalb dieser Branche aufzufallen.
1674
iii. Entscheidend ist jedoch die Tatsache, dass die Gefährlichkeit des Angeklagten nicht auf den Bereich der 24-Stunden-Betreuungstätigkeit beschränkt ist.
1675
[1] Der Angeklagte hat bereits zahlreiche Straftaten außerhalb des Tätigkeitsbereichs einer 24-Stunden-Betreuungskraft verübt und war deshalb bereits knapp x Jahre in … inhaftiert. Insoweit hat die Strafkammer bedacht, dass die Vorstrafen des Angeklagten Eigentums- und Vermögensdelikte betreffen.
1676
Jedoch stellen die Anlasstaten eine mit einer qualitativen Änderung einhergehende Ausweitung - und keine bloße Auswechslung - des Deliktstyps dar, da auch den verfahrensgegenständlichen Taten eine relevante eigentums- und vermögensrechtliche Komponente innewohnt und sämtliche vom Angeklagten begangenen Straftaten im Kern die Gemeinsamkeit haben, dass es dem Angeklagten stets um die Verfolgung persönlicher Ziele, Durchsetzung eigener Interessen und Befriedigung individueller Bedürfnisse geht (vgl. oben c(1)(b) ii., S. 225).
1677
[2] Es besteht die begründete Wahrscheinlichkeit, dass der Angeklagte zu diesem Zweck auch künftig - in jedem beliebigen Umfeld - den Anlasstaten vergleichbare Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit begeht (vgl. oben c(2)(b), S. 227).
1678
(b) Die Strafkammer erachtete die Anordnung der Sicherungsverwahrung neben der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe für erforderlich.
1679
i. Die fakultative Anordnung der Sicherungsverwahrung ist neben der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe, auch bei Feststellung der besonderen Schuldschwere, zulässig (BGH, Urteile vom 28.06.2017 - 2 StR 178/16 und 5 StR 8/17).
1680
ii. Die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung ist nicht zu erwarten, da im Falle einer Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung regelmäßig auch die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen ist.
1681
Eine lebenslange Freiheitsstrafe kann nach Ablauf der nach § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 StGB bestimmten Verbüßungsdauer nur dann zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann (vgl. § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i. V.m. § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB). Solange der Verurteilte noch gefährlich ist, wird die lebenslange Freiheitsstrafe vollstreckt. Erst wenn sich herausstellt, dass von dem Verurteilten keine Gefahr mehr ausgeht, wird die Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
1682
In diesem Fall dürfte indes auch eine zusätzlich zur lebenslangen Strafe angeordnete Sicherungsverwahrung nicht mehr vollzogen werden, § 67c Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Auch sie müsste zur Bewährung ausgesetzt werden, § 67c Abs. 1 Nr. 1, S. 2 1. HS StGB. Angesichts dessen erscheint es kaum denkbar, dass im Anschluss an eine bedingte Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe die Sicherungsverwahrung wegen fortbestehender Gefährlichkeit des Betroffenen vollstreckt werden wird.
1683
Auch die verfahrensrechtlichen Anforderungen an eine spätere Entscheidung über eine etwaige Strafaussetzung entsprechen denjenigen, die für die nach § 67c Abs. 1 S. 1 StGB zu klärende Frage gelten, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung auch nach der Verbüßung der Strafe noch erfordert, § 454 i.V.m. § 463 Abs. 1 und 3 StPO. Insbesondere ist stets unter Heranziehung eines Sachverständigen zu klären, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, dass dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht, § 463 Abs. 3 S. 3 i.V.m. § 454 Abs. 2 S. 2 StPO (BGH, Urteil vom 28.06.2017 - 2 StR 178/16 m.w.N.).
1684
iii. Auch wenn es wegen des Gleichlaufs des Prüfungsmaßstabs zu keiner Vollstreckung der Maßregel kommen dürfte, hat deren Anordnung neben der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe (belastende wie begünstigende) rechtliche Auswirkungen, die durch alternative Maßnahmen nicht erreicht werden können. Im Einzelnen:
1685
[1] Bei Anordnung von Sicherungsverwahrung ist nach bedingter Entlassung aus dem Strafvollzug eine längere und intensivere Überwachung des Täters möglich.
1686
Wird die weitere Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe gemäß § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt, beträgt die Dauer der Bewährungszeit fünf Jahre (§ 57 Abs. 3 S. 1 StGB).
1687
Bei Aussetzung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung tritt nach §§ 67c Abs. 1 S. 1, 2. HS., 68 Abs. 2 StGB Führungsaufsicht mit den in §§ 68a ff. StGB vorgesehenen Begleitmaßnahmen ein. Zwar dauert die Führungsaufsicht gemäß § 68c Abs. 1 S. 1 StGB bei einer Mindestdauer von zwei Jahren ebenfalls nur höchstens fünf Jahre. Diese - bei entsprechender Bestimmung des Gerichts nach § 68g Abs. 2 S. 1 StGB bis zum Ablauf der Bewährungszeit ruhende - Höchstdauer kann aber unter den Voraussetzungen von § 68c Abs. 2 oder Abs. 3 Nr. 2 StGB überschritten und unbefristete Führungsaufsicht angeordnet werden.
1688
Die dadurch ermöglichte längere Überwachung nach der Entlassung aus der Strafhaft kann auf andere Weise als durch die primäre Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht erreicht werden, da die gerichtliche Anordnung von Führungsaufsicht gemäß § 68 Abs. 1 StGB in formeller Hinsicht nur bei zeitiger Freiheitsstrafe möglich ist und Führungsaufsicht nicht selbständig angeordnet werden kann (§ 71 StGB).
1689
Die im Rahmen der Führungsaufsicht zulässigen, über § 145a StGB strafbewehrten Weisungen gemäß § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 11 StGB ermöglichen ebenso wie Weisungen nach § 68b Abs. 2 StGB eine gegenüber den mit der Bewährungsentscheidung verbindbaren Weisungen nach § 57a Abs. 3 S. 2 StGB i.V.m. § 56c StGB gezieltere und intensivere Überwachung des Verurteilten. Insbesondere die Regelungen zur Vorstellungsweisung nach § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 11 StGB und zur Therapieweisung nach § 68b Abs. 2 S. 2 StGB eröffnen eine spezialpräventive Interventionsmöglichkeit zur psychiatrischen und psycho- bzw. sozialtherapeutischen Betreuung und Behandlung des Verurteilten unter Einbeziehung einer forensischen Ambulanz (BGH aaO. m.w.N.).
1690
[2] Die Anordnung der Sicherungsverwahrung eröffnet die Möglichkeit der Überweisung aus dem Strafvollzug in die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt.
1691
Nach § 67a Abs. 2 S. 1 StGB kann eine Person, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, nachträglich in ein psychiatrisches Krankenhaus oder eine Entziehungsanstalt überwiesen werden, wenn ihre Resozialisierung dadurch besser gefördert werden kann. Die Überweisung in den Vollzug der Maßregeln nach § 63 oder § 64 StGB kann gemäß § 67a Abs. 2 S. 2 StGB bereits dann erfolgen, wenn sich die Person noch im Strafvollzug befindet und die Überweisung zu einer Heilbehandlung oder Entziehungskur angezeigt ist.
1692
Dies bedeutet, dass eine Behandlung auch dann möglich ist, wenn kein Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit nach §§ 20, 21 StGB gegeben ist. Voraussetzung ist lediglich, dass eine behandlungsbedürftige psychische Disposition oder eine Suchtmittelproblematik vorliegt und Aussicht auf Erfolg der Behandlung besteht. Ziel der Regelung ist es, bei allen Strafgefangenen, bei denen Sicherungsverwahrung in Betracht kommt, schon während des Strafvollzugs alle therapeutischen Möglichkeiten zu nutzen, um die Gefährlichkeit zu reduzieren und die spätere Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entbehrlich zu machen (BGH aaO. m.w.N.).
1693
[3] Straftäter, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet ist, haben bereits im Vollzug der Freiheitsstrafe einen gerichtlich effektiv durchsetzbaren Anspruch auf intensive Behandlung.
1694
In § 66c Abs. 2 StGB ist vorgesehen, dass Tätern mit angeordneter Sicherungsverwahrung schon im Strafvollzug eine umfassende Betreuung, insbesondere eine sozialtherapeutische Behandlung, anzubieten ist. Die Angebote haben das Ziel, die Vollstreckung der Unterbringung möglichst entbehrlich zu machen. Die bundesrechtliche Vorgabe des § 66c StGB haben die Länder durch entsprechende Regelungen in ihren Strafvollzugsgesetzen ausgefüllt. Im Hinblick auf die begrenzten Kapazitäten in den sozialtherapeutischen Einrichtungen führen die gesetzlichen Betreuungsvorgaben zu einer Privilegierung von Strafgefangenen mit angeordneter Sicherungsverwahrung gegenüber den Gefangenen, die „nur“ eine lebenslange oder zeitige Freiheitsstrafe zu verbüßen haben (BGH aaO. m.w.N.).
1695
[4] Die Besserstellung der Strafgefangenen mit anschließender Sicherungsverwahrung gegenüber Strafgefangenen bei der Behandlung hat nach überwiegender Auffassung auch Auswirkungen auf die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen.
1696
Zwar verweist § 66c Abs. 2 StGB nicht auf § 66c Abs. 1 Nr. 3 a) StGB, der die Gewährung von Lockerungen während der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung vorsieht. Da die erfolgreiche Erprobung in Lockerungen aber besondere Bedeutung für die Prognosebasis im Rahmen der Entscheidung über die bedingte Entlassung besitzt, werden die Vollzugsanstalten mit zunehmender Strafdauer und Näherrücken der sich anschließenden Sicherungsverwahrung auch bei begrenzter Lockerungseignung die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen zu prüfen haben (BGH aaO. m.w.N.).
1697
iv. Das Schwurgericht erachtete die Anordnung der Sicherungsverwahrung neben der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe insbesondere aus den oben unter iii.[1], S. 233, und iii.[3], S. 234, angeführten Erwägungen für erforderlich.
1698
[1] Angesichts der zum Zeitpunkt der Verurteilung vom Angeklagten ausgehenden erheblichen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit erachtete es die Strafkammer im Hinblick auf den zu gewährleistenden Schutz der Bevölkerung als unerlässlich, für den Fall einer bedingten Entlassung des Angeklagten aus dem Strafvollzug jedenfalls die Möglichkeit für dessen bestmögliche Überwachung zu eröffnen. Bei Anordnung von Sicherungsverwahrung ist nach bedingter Entlassung aus dem Strafvollzug eine längere und intensivere Überwachung des Täters möglich (vgl. oben iii.[1], S. 233).
1699
[2] Aus denselben Gründen hielt es das Schwurgericht für geboten, dem Angeklagten jedenfalls die bestmögliche Chance auf eine intensive - insbesondere sozialtherapeutische - Behandlung zu eröffnen, damit er zumindest die Möglichkeit hat, sich hierdurch eine Perspektive auf eine mögliche bedingte Entlassung zu erarbeiten. Straftäter, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet ist, haben bereits im Vollzug der Freiheitsstrafe einen gerichtlich effektiv durchsetzbaren Anspruch auf intensive Behandlung (vgl. oben iii.[3], S. 234).
1700
Für den Fall, dass es dem Angeklagten hierdurch gelingen sollte, sich eine bedingte Entlassung zu erarbeiten, stehen zum Schutz der Allgemeinheit die oben unter 1. genannten Möglichkeiten zur Verfügung.
1701
(2) Angesichts der Anzahl und Schwere der vom Angeklagten begangenen Straftaten ist die Anordnung der Sicherungsverwahrung angemessen, aber auch ausreichend.
1702
Die kumulative Anordnung eines Berufsverbots gemäß § 70 StGB neben der Sicherungsverwahrung hielt die Strafkammer nicht für erforderlich, da hierdurch kein besserer Schutz der Allgemeinheit vor dem Angeklagten erzielt werden könnte als durch die isolierte Anordnung der Sicherungsverwahrung. Dies ergibt sich letztlich aus den oben unter (1), S. 230 ff., angeführten Erwägungen, welche insoweit entsprechend gelten.
1703
2. Nach § 66 Abs. 3 S. 2 StGB kann das Gericht unter den in § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung im Sinne der § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 StGB anordnen, wenn der Täter zwei Straftaten der in § 66 Abs. 3 S. 1 StGB genannten Art begangen hat, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat, und er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wird.
1704
a. Der Angeklagte hat acht Verbrechen begangen, welche die Voraussetzungen nach § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a) StGB erfüllen (vgl. oben 1.a., S. 224) und damit Straftaten der in § 66 Abs. 3 S. 1 StGB genannten Art sind.
1705
b. Der Angeklagte hat durch die acht Straftaten Freiheitsstrafen zwischen 4 Jahren und lebenslang verwirkt und wurde wegen sämtlicher acht Taten zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt (vgl. oben 1.b., S. 224).
1706
c. Wie oben unter 1.c. (S. 224 ff.) dargelegt, liegen die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB vor.
1707
G. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung ist verhältnismäßig, § 62 StGB. Unter Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens hielt das Schwurgericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung zum Schutz der Allgemeinheit für erforderlich und angemessen. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter 1.d. (S. 230 ff.) umfassend Bezug genommen. Freispruch im Fall (Ziffer 1 der Anklageschrift)
1708
Soweit dem Angeklagten der Tatvorwurf des Mordes (§ 211 StGB) zum Nachteil von C zur Last lag, war der Angeklagte nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
1709
Dem Angeklagten lag zur Last, C heimtückisch, aus Habgier und aus sonstigen niedrigen Beweggründen getötet zu haben, § 211 Abs. 1, Abs. 2 Var. 3, 4 und 5 StGB.
1710
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt am 12.04.2017 zwischen 11:30 Uhr und 16:00 Uhr soll der Angeklagte dem damals 77-jährigen, multimorbiden, bettlägerigen und - wie der Angeklagte gewusst habe - nicht an Diabetes erkrankten Patienten C in dessen Haus in …l, zwei bis drei Mal jeweils 40 „mg“ (Anmerkung: tatsächlich gemeint: 40 I.E.) Insulin injiziert haben, um hierdurch einen akut behandlungsbedürftigen Zustand mit notwendigem Krankenhausaufenthalt des Geschädigten hervorzurufen.
1711
Dabei sei es dem Angeklagten zum einen darum gegangen, sich auf diese Weise ein außerordentliches Kündigungsrecht zu verschaffen, um die Einsatzstelle sofort verlassen zu können und das Risiko der Geltendmachung einer Vertragsstrafe durch seinen Vertragspartner zu vermeiden. Zum anderen habe der Angeklagte einem für 16:00 Uhr an diesem Tag anberaumten Gespräch zwischen sämtlichen mit der Betreuung und Pflege des Patienten befassten Personen entgehen wollen, in welchem es unter anderem um die mangelhafte Aufgabenerfüllung durch den Angeklagten habe gehen sollen.
1712
Bei der Verabreichung des Insulins an den Patienten habe der Angeklagte einen tödlichen Ausgang für möglich gehalten und diesen zumindest billigend in Kauf genommen.
1713
C sei zum Zeitpunkt der Insulinverabreichung „in einer Art Dämmerzustand“ im Bett gelegen und habe in seinem Haus nicht mit einem Angriff auf Leib oder Leben gerechnet, weshalb er sich dessen auch nicht effektiv habe erwehren können. Der Angeklagte, der seit 09.04.2017 auf vertraglicher Grundlage als 24-Stunden-Betreuungskraft für C tätig gewesen sei, sei von den Bezugspersonen des Patienten mit diesem allein gelassen worden im Vertrauen darauf, dass er für dessen Wohlergehen sorgen werde. Dies habe der Angeklagte gezielt für die Verabreichung des Insulins ausgenutzt und dabei zudem seine eigenen Bedürfnisse und sein rücksichtsloses Gewinnstreben in krasser Eigensucht über das Lebensrecht des Patienten gestellt.
1714
Dem Angeklagten habe die Einsatzstelle bei C nicht zugesagt, da er sich zum einen durch die Besuche, die der Patient mehrmals pro Tag erhalten habe, sowie durch die im Obergeschoss des Anwesens wohnenden Mieter in seiner Arbeit kontrolliert gefühlt habe. Zum anderen habe sich der Angeklagte in seiner eigenen Nachtruhe erheblich dadurch gestört gefühlt, dass er mehrmals pro Nacht habe aufstehen müssen, um den Patienten zu versorgen.
1715
Der Vertrag des Angeklagten mit der Agentur „C“ vom 08.04.2017 habe für den Angeklagten eine ordentliche Kündigungsfrist von zwei Wochen vorgesehen sowie eine Vertragsstrafe in Höhe von 5000 für den Fall der Übertragung der Betreuungstätigkeit an einen Dritten. Für den Fall des Todes oder eines mehr als siebentägigen Krankenhausaufenthalts des Patienten habe der Vertrag dem Angeklagten das Recht zur fristlosen Kündigung zugestanden.
1716
C sei am 12.04.2017 um 16:00 Uhr an den Folgen einer Unterzuckerung verstorben.
1717
Nach der Verabreichung des Insulins habe der Angeklagte das vom Patienten als Wohn- und Schlafraum genutzte Zimmer nach stehlenswertem Gut durchsucht. Allerdings hätten sich im Haushalt des Patienten keine Wertgegenstände befunden, weshalb der Angeklagte lediglich 10 bis 15 Flüssigseifen, zwei bis drei Packungen Waschpulver, Toilettenpapier, zwei neue Toilettenbürsten sowie eine Flasche Parfüm entwendet habe, um diese Gegenstände dauerhaft unberechtigt für sich zu behalten. Noch am selben Tag sei der Angeklagte abgereist.
1718
Im Hauptverhandlungstermin am 22.09.2020 hat die Strafkammer mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft unter anderem den Tatvorwurf des Diebstahls zum Nachteil von C (Ziffer 1 der Anklageschrift) gemäß § 154a Abs. 2 StPO ausgeschieden und darauf hingewiesen, dass der ausgeschiedene Tatvorwurf sowohl bei der Beweiswürdigung als auch bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden kann.
1719
Im Dezember 2016 unterzog sich der 77-jährige Patient C im Klinikum in … einer Operation, bei welcher ihm wegen einer ausgeprägten Arthrose ein künstliches Hüftgelenk links eingesetzt wurde. Während des stationären Krankenhausaufenthalts anlässlich dieser Operation wurde bei C Speiseröhrenkrebs in einem bereits weit fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Der Tumor hatte schon auf benachbarte Körperregionen übergegriffen und wegen seiner Größe bereits zu Schluckbeschwerden und einer Einengung der Luftröhre geführt. Zudem wurden in zwei Lymphknoten bereits Metastasen festgestellt.
1720
C war bettlägerig und litt darüber hinaus an Bluthochdruck sowie an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD, chronic obstructive pulmonary disease). Außerdem bestand bei ihm ein hämorrhagischer Perikarderguss, mithin eine pathologische Ansammlung von Flüssigkeit - insbesondere auch von Blut - im Herzbeutel. Eine Erkrankung an Diabetes mellitus lag bei C hingegen nicht vor.
1721
Im Anschluss an die Hüftoperation befand sich C bis 09.02.2017 stationär im Krankenhaus und wies zu dieser Zeit noch ein Körpergewicht von 75 kg bei einer ursprünglichen Körpergröße von 204 cm auf. Sein Allgemeinzustand war für die Durchführung einer Chemotherapie aus Sicht der behandelnden Ärzte zu schlecht, weshalb diese eine Bestrahlung zur Behandlung der Krebserkrankung planten. C lehnte eine Bestrahlung jedoch mehrfach ab und wollte sich keinen therapeutischen Behandlungsmaßnahmen mehr unterziehen. Er vereinbarte mit den Ärzten im Krankenhaus vielmehr die Entlassung in ein Pflegeheim mit perspektivischer palliativer Versorgung.
1722
In einem Gespräch mit seinem Hausarzt Dr. T am 01.03.2017 vermittelte C diesem das Bewusstsein, dass seine „Tage gezählt“ seien, und äußerte im Hinblick auf seine nur noch sehr begrenzte Lebenserwartung den dringenden Wunsch, aus dem Pflegeheim nach Hause entlassen zu werden, da er „das bisschen Zeit, was [er] noch habe“, zu Hause verbringen wolle.
1723
Nach entsprechenden organisatorischen Vorbereitungsmaßnahmen wurde C am Abend des 27.03.2017 aus dem Pflegeheim entlassen und von einem Rettungswagen in sein Haus in …, transportiert, wo er von einem Mitarbeiter des ambulanten Pflegedienstes B in Empfang genommen wurde. Verschiedene Mitarbeiter dieses Pflegedienstes führten ab 28.03.2017 zweimal täglich die pflegerische Versorgung des Patienten durch. In den Nächten sollte C nach der Vorstellung seiner Töchter ohne Betreuung auskommen.
1724
Bei einem Hausbesuch am 29.03.2017 stellte Dr. T fest, dass C zwischenzeitlich weiter „stark abgebaut“ hatte. Der Zustand des Patienten war zwar stabil, jedoch „insgesamt sehr schwach, sehr elend“. C hatte weiter deutlich an Körpergewicht verloren und konnte wegen starker Zunahme seiner tumorbedingten Schluckbeschwerden nur noch die Flüssignahrung Fresubin® zu sich nehmen.
1725
Es zeigte sich schnell, dass C aufgrund seiner Bettlägerigkeit und seines sehr schwachen Allgemeinzustands auch nachts auf fremde Hilfe angewiesen war und deshalb die Nächte nicht allein verbringen konnte, sondern eine weitergehende Betreuung benötigte. Seine Töchter - L und A - organisierten deshalb Anfang April 2017 über die von H betriebene Agentur „As Seniorenservice“ kurzfristig eine 24- Stunden-Betreuung für ihren Vater. Die daraufhin vermittelte weibliche Betreuungskraft nahm ihre Tätigkeit bei dem Patienten am 05.04.2017 auf. C nahm nur noch mäßig Flüssigkeit und Flüssignahrung zu sich und wurde von Dr. T bei dessen Hausbesuch am 05.04.2017 in einem schlechten Allgemeinzustand angetroffen.
1726
Im weiteren Verlauf des 05.04.2017 setzte bei C Durchfall ein, welcher am Folgetag, dem 06.04.2017, deutlich stärker wurde, so dass C „massiv dünnflüssig“ abführte. Der hierüber von der Inhaberin des ambulanten Pflegedienstes, B, informierte Hausarzt Dr. T ordnete daraufhin zum einen eine Dosisänderung der Schmerzmedikation an, welche aus den beiden Opioiden Tramadol (Tramal®) und Oxycodon sowie dem Analgetikum Novaminsulfon (Novalgin®) bestand. Zum anderen verordnete Dr. T zur symptomatischen Durchfallbehandlung den in Kapselform erhältlichen Wirkstoff Loperamid, wovon dem Patienten am 06.04.2017 zwei Kapseln sowie nach jedem dünnflüssigen Stuhl eine weitere Kapsel bis zu einer maximalen Tagesdosis von acht Kapseln verabreicht werden sollten. Trotz ordnungsgemäßer Umsetzung der ärztlichen Verordnung blieb der Stuhl auch an den darauffolgenden Tagen durchgehend unvermindert dünnflüssig.
1727
Die seit 05.04.2017 für C tätige …24-Stunden-Betreuungskraft verfügte über keine deutschen Sprachkenntnisse, weshalb sich die Kommunikation mit den übrigen an der Betreuung des Patienten beteiligten Personen schwierig gestaltete. Da L eine Fortführung der 24-Stunden-Betreuungstätigkeit unter diesen Umständen als nicht praktikabel erachtete, veranlasste sie über H eine Auswechslung der Betreuungskraft, welche am 09.04.2017 vollzogen wurde.
1728
Am Nachmittag des 09.04.2017 traf der Angeklagte als neue Betreuungskraft für C vor Ort ein. Als L den Angeklagten nach seiner Ankunft in die Gegebenheiten vor Ort einwies, fragte dieser gleich zu Beginn nach dem WLAN-Passwort für den Internetzugang und gab sich darüber hinaus vor allem an der Sicherstellung seiner Versorgung mit Lebensmitteln interessiert.
1729
Ihren Vater erlebte L bei ihrem Besuch am 09.04.2017 in einer aus ihrer Sicht unauffälligen Verfassung. C war sehr verärgert darüber, dass er über den von seiner Tochter in die Wege geleiteten Wechsel der Betreuungskraft nicht vorab informiert worden war, sondern hiervon erst am Tag des Wechsels erfahren hatte. Er äußerte seine Verärgerung gegenüber seiner Tochter nachdrücklich und machte deutlich, dass er sich bevormundet fühle, zumal er mit der bislang für ihn tätigen Betreuungskraft zufrieden gewesen sei und deren fehlende Deutschkenntnisse - anders als seine Tochter - nicht als Problem angesehen habe. Nach der Auseinandersetzung über dieses Thema verbrachten L und ihr Vater die weitere Zeit mit dem gemeinsamen Lösen von Kreuzworträtseln.
1730
L hatte nach dem 09.04.2017 bis zum Nachmittag des 12.04.2017 keinen Kontakt zu ihrem Vater. In diesem Zeitraum wurde ihr jedoch zugetragen, dass es zwischen den an der Betreuung ihres Vaters beteiligten Personen Unstimmigkeiten gebe. Zu deren Klärung und für Absprachen hinsichtlich des weiteren Ablaufs wollte L mit allen Beteiligten ein gemeinsames Gespräch führen. Sie beraumte den Termin für den Nachmittag des 12.04.2017 gegen 16:00 Uhr im Haus ihres Vaters an, da der Hausarzt Dr. T zu dieser Zeit ohnehin anlässlich seines regelmäßigen Hausbesuchs bei ihrem Vater sein würde, und informierte hierüber B, H sowie M, eine Freundin ihres Vaters, die ihn regelmäßig besuchte, und sich gemeinsam mit ihrem Ehemann um organisatorische Angelegenheiten vor Ort kümmerte. B gab diese Information an Dr. T weiter, der daraufhin mehr Zeit für seinen Hausbesuch bei C einplante.
1731
Bei einem Kontakt zwischen H und dem ambulanten Pflegedienst B anlässlich des am 09.04.2017 vollzogenen Wechsels der Betreuungskraft wurde von Seiten des Pflegedienstes die Einschätzung geäußert, dass es aus pflegerischer Sicht angesichts des schlechten Gesundheitszustandes des Patienten „nicht mehr allzu lange dauern“ werde, bis C sterbe. Diese Äußerung verstand H so, dass sich C nach der pflegerischen Einschätzung bereits in der - wenn auch nicht unmittelbaren - Sterbephase befand.
1732
Die Durchfallerkrankung, unter der C trotz der symptomatischen Behandlung mit Loperamid seit 06.04.2017 durchgehend litt, verstärkte sich am 10.04.2017 weiter. Der Stuhl war am 10. wie auch am 11.04.2017 jeweils ganztägig von wässriger Konsistenz. Der ausgeschiedene Urin war demgegenüber konzentriert.
1733
Am 10.04.2017 erfolgte die morgendliche Pflege durch B. Den zweiten Termin an diesem Tag führte gegen 16:45 Uhr deren Mitarbeiterin S durch, die seit rund vierzig Jahren im Pflegebereich tätig ist. Hierbei war C zu einer adäquaten verbalen Antwort auf die Fragen nach etwaigen Schmerzen und seinem Lagerungswunsch nicht in der Lage, vermittelte der Pflegekraft jedoch mimisch und gestisch, dass er weitgehend schmerzfrei sei und auf dem Rücken liegen wolle. Er trank nur wenig Flüssigkeit und lehnte die Aufnahme von Flüssignahrung weitgehend ab.
1734
Da C nach Einschätzung von S in einer sehr schlechten gesundheitlichen Verfassung war, kehrte sie gegen 19:10 Uhr noch einmal zu einer weiterer Abendpflege zu ihm zurück, nachdem sie ihre anderen Abendtermine bei den verschiedenen Patienten absolviert hatte. Aufgrund ihrer jahrzehntelangen Erfahrung im Pflegebereich ging S insbesondere wegen der langandauernden schweren Durchfälle trotz symptomatischer Medikation mit Loperamid, der im Zuge dessen zu beobachtenden Verschlechterung des Gesundheitszustands des Patienten und seines aktuellen Zustandes am Nachmittag und Abend des 10.04.2017 davon aus, dass es insoweit zu keiner Verbesserung mehr kommen und C in Kürze versterben werde.
1735
Im Gegensatz zum Vortag nahm C am 11.04.2017 in Gegenwart von B wieder etwas von der Flüssignahrung Fresubin® zu sich. Auch gegenüber der Inhaberin des ambulanten Pflegedienstes brachte er zum Ausdruck, dass er meist auf dem Rücken liegen wolle. Als B am 12.04.2017 etwa im Zeitraum zwischen 06:00 Uhr und 08:00 Uhr erneut die tägliche Morgenpflege bei C durchführte, stellte sich ihr dessen gesundheitliche Verfassung nicht auffällig anders als am Vortag dar.
1736
Am Vormittag des 12.04.2017 erhielt C Besuch von S. Diese hatte den Eindruck, dass es C sehr schlecht ging, ihm das Sprechen sehr schwerfiel und wiederholt Bewusstseinsstörungen bei ihm auftraten. Von seiner Seite beschränkte sich die Kommunikation mit ihr im Wesentlichen auf Reaktionen durch Händedruck. Lediglich einmal äußerte C „Mein Kopf fliegt weg“, woraufhin S seinen Kopf hielt. Gegen 11:00 Uhr informierte S telefonisch L darüber, dass es C ihrem Eindruck nach sehr schlecht gehe, und berichtete von ihrem vorangegangenen Besuch. L verwies darauf, dass sie am Nachmittag anlässlich der geplanten Besprechung ihren Vater ohnehin besuchen und auch S persönlich treffen werde.
1737
Gegen 15:00 Uhr traf Dr. T zu seinem Hausbesuch bei C ein und stellte bei diesem eine massive Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Vergleich zu seinem letzten Hausbesuch am 05.04.2017 fest. C, der eine sehr blasse Hautfarbe aufwies, war nicht mehr ansprechbar und reagierte nur noch auf taktile Reize. Seine Atmung war sehr unregelmäßig und setzte immer wieder aus. Nach Einschätzung seines Hausarztes befand sich C im unmittelbaren Sterbeprozess. Durch eine Untersuchung des Patienten vergewisserte sich Dr. T, dass dessen Lunge und Atemwege ausreichend frei waren und ihm keine Atemnot drohte.
1738
Der Umstand, dass sich C nun im unmittelbaren Sterbeprozess befand, passte aus Sicht des Hausarztes zwanglos zu der gravierenden Verschlechterung des Allgemeinzustands des Patienten in den vorangegangenen Wochen und dem Verlauf seiner weit fortgeschrittenen, auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten nicht mehr therapeutisch behandelten, schweren Krebserkrankung. Da sich die Bewusstseinsstörung nach Beurteilung des Hausarztes zwanglos durch den unmittelbaren Sterbeprozess als Folge der schweren Erkrankung des Patienten erklären ließ, sah sich Dr. T zu weitergehenden Untersuchungen nicht veranlasst und führte insbesondere auch keine Messung des Blutzuckerspiegels bei C durch.
1739
Als L gegen 15:30 Uhr ebenfalls eintraf, befand sich Dr. T am Bett ihres Vaters. Auch der Angeklagte hielt sich in der Nähe auf. L bemerkte sofort die sehr blasse Hautfarbe ihres Vaters und hatte den Eindruck, dass dieser sie bei ihrem Eintreffen zwar erkannte und mit leerem Blick anschaute, allerdings nicht mehr in der Lage war zu sprechen. L begab sich mit Dr. T in die Küche und äußerte diesem gegenüber, dass ihr Vater in einer sehr schlechten Verfassung zu sein scheine. Der Hausarzt bestätigte diese Einschätzung und fügte sinngemäß hinzu, dass mit dem baldigen Tod des Patienten zu rechnen sei.
1740
Kurz darauf trafen auch H, S und B vor Ort ein und begaben sich nach einem kurzen Besuch am Sterbebett ebenfalls zu L und Dr. T in die Küche. Der Angeklagte, der sich bei C aufhielt, rief wenig später nach L, die daraufhin zu ihm eilte und sofort erkannte, dass ihr Vater nunmehr tot war.
1741
C verstarb am 12.04.2017 um 16:00 Uhr an einer unbekannten Todesursache. Sein Leichnam wurde feuerbestattet. Eine Obduktion wurde nicht durchgeführt.
1742
Als bei C am 12.04.2017 gegen 18:00 Uhr Leichenstarre einsetzte und am Rücken bereits Totenflecken vorhanden waren, stellte Dr. T die Todesbescheinigung aus. Darin dokumentierte er das Vorliegen eines natürlichen Todes und führte als unmittelbare Todesursache ein zirkulatorisches Versagen als Folge von Schwäche und Marasmus (Auszehrung, körperlicher Verfall) als Folge eines seit Monaten bestehenden Speiseröhrenkarzinoms an. Eine gründliche Untersuchung der Leiche einschließlich der Inspektion sämtlicher Körperöffnungen unterließ Dr. T, da er aufgrund des Krankheitsverlaufs mit dem Tod seines Patienten gerechnet hatte und aus seiner Sicht deshalb kein Anlass für eine vorschriftsgemäße Leichenschau wie bei einem ihm unbekannten oder völlig überraschend verstorbenen Patienten bestand.
1743
Als L am nächsten Tag in das Haus ihres Vaters zurückkehrte, war der Angeklagte bereits abgereist.
1744
1. Der Angeklagte gab Einlassungen zur Sache ab.
1745
a. In der Hauptverhandlung gab der Angeklagte lediglich, wie oben unter C.II.1. (S. 63) dargelegt, in seinem letzten Wort eine Erklärung ab. Auf die dortigen Ausführungen wird umfassend Bezug genommen.
1746
b. Im Ermittlungsverfahren äußerte sich der Angeklagte in der Beschuldigtenvernehmung am 30.10.2018 zum Tatvorwurf des Mordes zum Nachteil von C.
1747
Wie der Zeuge KHK P glaubhaft berichtete, habe der Angeklagte hierbei zusammengefasst folgende Angaben gemacht:
1748
(1) Seinen auch insoweit glaubhaften Angaben zufolge habe KHK P dem Angeklagten unter Vorlage von Lichtbildern, welche den Patienten und ein vollständig in der Farbe Rosa gestrichenes Zimmer gezeigt hätten, zunächst vorgehalten, dass sich der Angeklagte nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis im April 2017 bei dem Patienten C aufgehalten und das in der Farbe Rosa gestrichene Zimmer bewohnt habe.
1749
Der Angeklagte habe erklärt, sich an diese Einsatzstelle zu erinnern, und hinzugefügt, dass es sich um ein altes, in einem Wald gelegenes Haus gehandelt habe, in welchem Kameras installiert gewesen seien. C habe „zu 60 Prozent nicht mehr funktioniert“ und sei bettlägerig gewesen. Er habe überhaupt nicht geschlafen und verlangt, dass das Licht im Wohnzimmer 24 Stunden am Tag eingeschaltet gewesen sei. Wenn man mit dem Patienten gesprochen habe, habe dieser mit einem Stöhnen reagiert. Innerhalb von zwei Tagen sei es drei- bis viermal vorgekommen, dass der Patient ein Getränk, welches er, der Angeklagte, diesem in einer Schnabeltasse gereicht habe, nicht hinuntergeschluckt, sondern ausgespuckt und ihm ins Gesicht gespuckt habe. Wie C ihm gegenüber geäußert habe, sei er von seinem Freund zu diesem Verhalten aufgefordert worden.
1750
(2) Zum objektiven Tatvorwurf habe der Angeklagte angegeben, dass er am zweiten Abend seines Aufenthalts im Haushalt C zwischen 22:00 Uhr und 24:00 Uhr dem Patienten zwei- oder dreimal je 40 „mg“ Insulin verabreicht habe. Zu diesem Zeitpunkt sei er, der Angeklagte, mit dem Patienten allein gewesen. C sei in seinem Bett im Wohnzimmer gelegen.
1751
(3) Zu seinem Tatmotiv habe der Angeklagte angegeben, dass er dem Patienten das Insulin verabreicht habe, weil er von dessen Freund „angefallen“ worden sei. Dieser sei ihm gegenüber aggressiv gewesen. Er, der Angeklagte, sei „praktisch wie paralysiert und völlig aufgeregt“ gewesen, da der Freund des Patienten bis zu acht Mal am Tag vorbeikommen sei und ihn kontrolliert habe. Der Freund des Patienten habe ihm sehr zugesetzt.
1752
(4) Zum Nachtatgeschehen habe der Angeklagte angegeben, dass er sich nach den Insulin-Injektionen in dem von ihm bewohnten Zimmer schlafen gelegt habe. „Nach zwei bis drei Stunden“ - „gegen 02:00 Uhr / 03:00 Uhr nachts“ - habe er nach dem Patienten gesehen und festgestellt, dass dieser nicht mehr gelebt habe. Daraufhin habe er sofort telefonisch den Rettungsdienst und den Freund des Patienten verständigt. Der Rettungsdienst habe den Tod des Patienten festgestellt und keine Rettungsmaßnahmen mehr ergriffen. Ferner seien ein Arzt, der Freund und die Freundin des Patienten sowie die Angehörigen des Patienten eingetroffen.
1753
(5) Im Hinblick auf den Tatvorwurf des Diebstahls habe der Angeklagte angegeben, dass er aus dem Haushalt des Patienten 10 bis 15 Flüssigseifen, zwei oder drei Packungen Waschpulver, Toilettenpapier, zwei neue Klobürsten sowie Parfüm entwendet habe.
1754
2. Aus den oben unter C.III.1. (S. 97 ff.) dargelegten Gründen hat das Schwurgericht insgesamt seine Feststellungen nur insoweit auf die Einlassungen des Angeklagten gestützt, als diese eine Bestätigung in anderen Beweismitteln finden und mit den übrigen Beweisergebnissen im Einklang stehen. Auf die dortigen Ausführungen wird umfassend Bezug genommen.
1755
Die Einlassungen des Angeklagten zum objektiven Tatvorwurf sowie zum Nachtatgeschehen im Fall C lassen sich nicht ansatzweise mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen (vgl. hierzu unten 5.b., S. 256).
1756
3. Der oben unter II. (S. 238 ff.) festgestellte Sachverhalt beruht auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
1757
a. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Patienten C und dessen Entwicklung von Dezember 2016 bis Anfang April 2017 stützen sich auf die Angaben von dessen Hausarzt Dr. T.
1758
Der sachverständige Zeuge Dr. T berichtete, dass sich sein 77-jähriger Patient C im Dezember 2016 im Klinikum in … einer Operation unterzogen habe, bei welcher ihm wegen einer ausgeprägten Arthrose ein künstliches Hüftgelenk links eingesetzt worden sei. Während des stationären Krankenhausaufenthalts anlässlich dieser Operation sei bei C Speiseröhrenkrebs in einem bereits weit fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert worden. Der Tumor habe schon auf benachbarte Körperregionen übergegriffen gehabt und wegen seiner Größe bereits zu Schluckbeschwerden und einer Einengung der Luftröhre geführt. Zudem seien in zwei Lymphknoten bereits Metastasen festgestellt worden.
1759
C sei bettlägerig gewesen und habe darüber hinaus an Bluthochdruck sowie einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD, chronic obstructive pulmonary disease) gelitten.
1760
Außerdem habe bei ihm ein hämorrhagischer Perikarderguss bestanden. Hierunter verstehe man eine pathologische Ansammlung von Flüssigkeit - insbesondere auch von Blut - im Herzbeutel. Eine Erkrankung an Diabetes mellitus habe bei C hingegen nicht vorgelegen.
1761
Im Anschluss an die Hüftoperation habe sich C bis 09.02.2017 stationär im Krankenhaus befunden und zu dieser Zeit noch ein Körpergewicht von 75 kg bei einer ursprünglichen Körpergröße von 204 cm aufgewiesen. Sein Allgemeinzustand sei für die Durchführung einer Chemotherapie aus Sicht der behandelnden Ärzte zu schlecht gewesen, weshalb diese eine Bestrahlung zur Behandlung der Krebserkrankung geplant hätten. C habe eine Bestrahlung jedoch mehrfach abgelehnt und sich keinen therapeutischen Behandlungsmaßnahmen mehr unterziehen wollen. Er habe mit den Ärzten im Krankenhaus vielmehr die Entlassung in ein Pflegeheim mit perspektivischer palliativer Versorgung vereinbart.
1762
Die Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. T waren nachvollziehbar und glaubhaft. Es bestand kein Anlass, den Wahrheitsgehalt seiner ruhig und sachlich gemachten Angaben in Zweifel zu ziehen, zumal er offen und ohne Zögern einräumte, vor dem Ausfüllen der Todesbescheinigung keine ordnungsgemäße Leichenschau mit entsprechender gründlicher Untersuchung durchgeführt zu haben (vgl. hierzu unten v., S. 251). Seine hierfür vorgebrachte Begründung (vgl. hierzu unten v., S. 251) war plausibel.
1763
b. Die Feststellungen zu dem Gespräch am 01.03.2017 zwischen C und seinem Hausarzt basieren ebenfalls auf den Angaben des (sachverständigen) Zeugen Dr. T. Wie dieser auch insoweit glaubhaft bekundete, habe C ihm in einem Gespräch am 01.03.2017 das Bewusstsein vermittelt, dass seine „Tage gezählt“ seien, und im Hinblick auf seine nur noch sehr begrenzte Lebenserwartung den dringenden Wunsch geäußert, aus dem Pflegeheim nach Hause entlassen zu werden, da er „das bisschen Zeit, was [er] noch habe“, zu Hause verbringen wolle.
1764
c. Die Feststellungen zur Entlassung des Patienten aus dem Pflegeheim und der anschließenden Versorgung zu Hause zweimal täglich durch den ambulanten Pflegedienst B gründen sich auf die Angaben der Zeugin B, der Inhaberin des Pflegedienstes.
1765
(1) Diese gab glaubhaft an, dass C am Abend des 27.03.2017 aus dem Pflegeheim entlassen und von einem Rettungswagen in sein Haus in …, transportiert worden sei. Dort sei er von einem Mitarbeiter ihres Pflegedienstes in Empfang genommen worden. Ab 28.03.2017 sei die pflegerische Versorgung des Patienten zweimal täglich von verschiedenen Pflegekräften ihres Pflegedienstes - auch von ihr persönlich - durchgeführt worden.
1766
(2) Die Angaben der Zeugin B zur Entlassung des Patienten aus dem Pflegeheim werden durch die Angaben der Zeugin L gestützt, die angab, dass ihr Vater ab dem 28.03.2017 wieder zu Hause gewesen sei. Dies lässt sich mit den Angaben der Zeugin B insoweit in Einklang bringen, als der 28.03.2017 demnach der erste volle Tag war, den C nach der am Vorabend erfolgten Entlassung zu Hause verbrachte.
1767
L bekundete ferner glaubhaft, dass der Entlassung ihres Vaters aus dem Pflegeheim entsprechende organisatorische Vorbereitungsmaßnahmen im Hinblick auf seine ambulante Versorgung zu Hause vorangegangen seien. Wie die Zeugin ferner glaubhaft berichtete, seien ihre Schwester und sie davon ausgegangen, dass die Versorgung durch den ambulanten Pflegedienst zweimal täglich ausreichend sei und ihr Vater die Nächte allein, ohne Betreuung, verbringen könne.
1768
(3) Die Angaben der Zeugin B zum wechselnden Einsatz verschiedener Pflegekräfte bei C wurden durch die Aussagen ihrer beiden Mitarbeiter S und M bestätigt, die glaubhaft angaben, ebenfalls Termine zur pflegerischen Versorgung von C in dessen Haus wahrgenommen zu haben.
1769
d. Die Feststellungen zu den ärztlichen Hausbesuchen am 29.03. und 05.04.2017 beruhen auf den auch insoweit glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. T. Dieser habe seinen Angaben zufolge bei seinem Hausbesuch am 29.03.2017 festgestellt, dass C zwischenzeitlich weiter „stark abgebaut“ gehabt habe und dessen Zustand zwar stabil, jedoch „insgesamt sehr schwach, sehr elend“ gewesen sei. C habe weiter deutlich an Körpergewicht verloren gehabt und sei wegen starker Zunahme seiner tumorbedingten Schluckbeschwerden nur noch zur Aufnahme der Flüssignahrung Fresubin® in der Lage gewesen. Am 05.04.2017 sei C in schlechtem Allgemeinzustand gewesen und habe nur noch mäßig Flüssigkeit und Flüssignahrung zu sich genommen.
1770
e. Den Feststellungen zur Organisation einer 24-Stunden-Betreuung für C liegen die Angaben seiner Tochter L zugrunde. Demnach habe sich schnell gezeigt, dass - anders als von ihr und ihrer Schwester A ursprünglich gedacht - ihr Vater aufgrund seiner Bettlägerigkeit und seines sehr schwachen Allgemeinzustands auch nachts fremde Hilfe benötigt habe und deshalb die Nächte nicht habe allein verbringen können, so dass die Organisation einer weitergehenden Betreuung erforderlich geworden sei.
1771
Wie L weiter ausführte, habe sie deshalb gemeinsam mit ihrer Schwester Anfang April 2017 über die von H betriebene Agentur „As Seniorenservice“ kurzfristig eine 24-StundenBetreuung für ihren Vater organisiert. Die hierauf vermittelte weibliche …Betreuungskraft habe über keine deutschen Sprachkenntnisse verfügt, weshalb sich die Kommunikation mit den übrigen an der Betreuung des Patienten beteiligten Personen schwierig gestaltet habe. Laut ihren Angaben habe L eine Fortführung der 24-StundenBetreuungstätigkeit unter diesen Umständen als nicht praktikabel erachtet und deshalb über H eine Auswechslung der Betreuungskraft veranlasst, welche am 09.04.2017 vollzogen worden sei.
1772
Es bestand kein Anlass für Zweifel am Wahrheitsgehalt der ruhig und sachlich gemachten Angaben der Zeugin Lz.
1773
f. Die Feststellung, dass die Arbeitsaufnahme durch die weibliche 24-Stunden-Betreuungskraft am 05.04.2017 erfolgte, beruht auf den entsprechenden, auch insoweit glaubhaften Angaben der Zeugin B.
1774
g. Dass bei C ab 05.04.2017 Durchfall einsetzte, welcher am Folgetag deutlich stärker wurde, so dass C „massiv dünnflüssig“ abführte, stützt die Strafkammer auf die entsprechenden, auch insoweit glaubhaften Angaben der Zeugin B.
1775
Die Feststellungen zur Information des Hausarztes Dr. T über den Durchfall durch B am 06.04.2017 sowie zu der hierauf ergangenen ärztlichen Verordnung beruhen auf den übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugin B und des sachverständigen Zeugen Dr. T. Demnach habe der Hausarzt zum einen eine Dosisänderung der aus den beiden Opioiden Tramadol (Tramal®) und Oxycodon sowie dem Analgetikum Novaminsulfon (Novalgin®) bestehenden Schmerzmedikation angeordnet. Zum anderen habe Dr. T zur symptomatischen Durchfallbehandlung den in Kapselform erhältlichen Wirkstoff Loperamid verordnet, wovon dem Patienten am 06.04.2017 zwei Kapseln sowie nach jedem dünnflüssigen Stuhl eine weitere Kapsel bis zu einer maximalen Tagesdosis von acht Kapseln zu verabreichen gewesen seien.
1776
Die Zeugin B bekundete ferner glaubhaft, dass der Stuhlgang - trotz ordnungsgemäßer Umsetzung der ärztlichen Verordnung - auch an den darauffolgenden Tagen durchgehend unvermindert dünnflüssig geblieben sei.
1777
h. Den Feststellungen zur Ankunft des Angeklagten am Nachmittag des 09.04.2017 und seinem hierbei gezeigten Verhalten liegen die entsprechenden, auch insoweit glaubhaften Angaben der Zeugin L zugrunde.
1778
i. Die Feststellungen zu der Verfassung des Patienten C anlässlich des Besuchs seiner Tochter Lam 09.04.2017 stützt die Strafkammer ebenfalls auf die Angaben der Zeugin L.
1779
Diese bekundete auch insoweit glaubhaft, dass die Verfassung ihres Vaters bei ihrem Besuch am 09.04.2017 aus ihrer Sicht unauffällig gewesen sei. Demnach sei C sehr verärgert darüber gewesen, dass er über den von ihr in die Wege geleiteten Wechsel der Betreuungskraft nicht vorab informiert worden sei, sondern hiervon erst am Tag des Wechsels erfahren habe. Er habe seine Verärgerung ihr gegenüber nachdrücklich geäußert und deutlich gemacht, dass er sich bevormundet fühle, zumal er mit der bislang für ihn tätigen Betreuungskraft zufrieden gewesen sei und deren fehlende Deutschkenntnisse - anders als sie, die Zeugin L - nicht als Problem angesehen habe. Nach der Auseinandersetzung über dieses Thema hätten sie und ihr Vater die weitere Zeit mit dem gemeinsamen Lösen von Kreuzworträtseln verbracht.
1780
j. Dass L nach dem 09.04.2017 bis zum Nachmittag des 12.04.2017 keinen Kontakt zu ihrem Vater hatte, stützt das Schwurgericht auf die entsprechenden, auch insoweit glaubhaften Angaben der Zeugin L.
1781
k. Die Feststellungen zu der Anberaumung eines Gesprächs zwischen sämtlichen an der Betreuung des Patienten beteiligten Personen für den Nachmittag des 12.04.2017 beruhen auf den entsprechenden, auch insoweit glaubhaften Angaben der Zeugin L. Dass der Hausarzt Dr. T von B über den geplanten Gesprächstermin informiert wurde, entnimmt das Schwurgericht den auch insoweit glaubhaften Angaben des Hausarztes.
1782
Die Zeugin L bekundete ferner glaubhaft, dass sie die genaue Uhrzeit des Gesprächstermins nicht mehr in Erinnerung gehabt und deshalb versucht habe, diese im Nachhinein zu rekonstruieren. Bei diesem Rekonstruktionsversuch sei sie zu dem Ergebnis gelangt, dass sie das Gespräch wohl auf 16:30 Uhr anberaumt habe. Wie die Zeugin weiter glaubhaft angab, sei sie gegen 15:30 Uhr bei ihrem Vater eingetroffen.
1783
Die Feststellung, dass das Gespräch gegen 16:00 Uhr anberaumt wurde, stützt die Strafkammer auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin B. Diese werden durch mehrere Beweisergebnisse gestützt:
1784
(1) Der (sachverständige) Zeuge Dr. T berichtete auch insoweit glaubhaft, dass er wegen der von der Zeugin B erhaltenen Information bezüglich des anberaumten Gesprächstermins seinen Hausbesuch bei C so geplant habe, dass er diesen vor dem geplanten Gesprächstermin würde durchführen können. Seinen glaubhaften Angaben zufolge sei Dr. T am 12.04.2017 gegen 15:00 Uhr bei C eingetroffen und habe diesen anschließend ärztlich untersucht. Im Hinblick darauf erscheint eine Anberaumung des Gesprächs gegen 16:00 Uhr plausibler als eine Anberaumung auf 16:30 Uhr, da die Strafkammer die Veranschlagung von rund 60 Minuten für die ärztliche Untersuchung im Rahmen des Hausbesuchs als wahrscheinlicher erachtet als die Veranschlagung von 90 Minuten.
1785
(2) Auch dass die Zeugin L ihren glaubhaften Angaben zufolge gegen 15:30 Uhr eingetroffen sei, passt gut zu einem Gesprächstermin gegen 16:00 Uhr. Sie bekundete ferner, dass sie bei ihrer Ankunft den Hausarzt Dr. T am Bett ihres Vaters angetroffen habe, was sich mit den oben unter (1) dargelegten Angaben des (sachverständigen) Zeugen Dr. T zum zeitlichen Ablauf seines Hausbesuchs zwanglos in Einklang bringen lässt.
1786
(3) Ebenfalls sehr gut zu einem Gesprächstermin gegen 16:00 Uhr passt der Umstand, dass nach den auch insoweit glaubhaften Angaben der Zeugin L in dem Zeitraum nach ihrem eigenen Eintreffen vor Ort gegen 15:30 Uhr und vor dem Tod ihres Vaters um 16:00 Uhr H, S und B vor Ort eingetroffen seien. Wenn man annähme, der Gesprächstermin wäre auf 16:30 Uhr anberaumt worden, würde das bedeuten, dass sich sämtliche Gesprächsteilnehmer mehr als 30 Minuten zu früh vor Ort eingefunden hätten. Dies erachtet die Strafkammer als unwahrscheinlich. Wesentlich naheliegender ist es, dass das Gespräch - wie von der Zeugin B glaubhaft bekundet - gegen 16:00 Uhr anberaumt war.
1787
l. Die Feststellungen zu der anlässlich des am 09.04.2017 vollzogenen Wechsels der Betreuungskraft von Seiten des ambulanten Pflegedienstes B gegenüber H geäußerten Einschätzung, dass es aus pflegerischer Sicht angesichts des schlechten Gesundheitszustandes des Patienten „nicht mehr allzu lange dauern“ werde, bis C sterbe, beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin H. Wie die Zeugin glaubhaft erläuterte, habe sie diese Äußerung so verstanden, dass sich C nach der pflegerischen Einschätzung bereits in der - wenn auch nicht unmittelbaren - Sterbephase befunden habe.
1788
m. Die Feststellungen, dass sich die Durchfallerkrankung des Patienten am 10.04.2017 weiter verstärkte und der Stuhl des Patienten am 10. wie auch am 11.04.2017 jeweils ganztägig von wässriger Konsistenz war, wohingegen der ausgeschiedene Urin konzentriert war, beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin B.
1789
Die insoweit für den 10.04.2017 getroffenen Feststellungen basieren zusätzlich auf den entsprechenden, ebenfalls glaubhaften Angaben der Zeugin S. Die Zeugin berichtete ferner, dass sie am 10.04.2017 gegen 16:45 Uhr die pflegerische Versorgung bei C durchgeführt habe. Der Patient sei hierbei nicht zu einer adäquaten verbalen Antwort auf ihre Fragen nach etwaigen Schmerzen und seinem Lagerungswunsch in der Lage gewesen, habe ihr jedoch mimisch und gestisch vermittelt, dass er weitgehend schmerzfrei sei und auf dem Rücken liegen wolle. Er habe nur wenig Flüssigkeit getrunken und die Aufnahme von Flüssignahrung weitgehend abgelehnt.
1790
Wie die Zeugin S darlegte, sei sie seit rund vierzig Jahren im Pflegebereich tätig. Nach ihrer Einschätzung sei C in einer sehr schlechten gesundheitlichen Verfassung gewesen, weshalb sie gegen 19:10 Uhr noch einmal zu einer weiteren Abendpflege zu ihm zurückgekehrt sei, nachdem sie ihre anderen Abendtermine bei den verschiedenen Patienten absolviert gehabt habe. Den Angaben der Zeugin zufolge sei sie aufgrund ihrer jahrzehntelangen Erfahrung im Pflegebereich insbesondere wegen der langandauernden schweren Durchfälle trotz symptomatischer Medikation mit Loperamid, der im Zuge dessen zu beobachtenden Verschlechterung des Gesundheitszustands des Patienten und seines aktuellen Zustandes am Nachmittag und Abend des 10.04.2017 davon ausgegangen, dass es insoweit zu keiner Verbesserung mehr kommen und C in Kürze versterben werde.
1791
Die Angaben der Zeugin S waren glaubhaft. Sie machte ihre Aussage ruhig und sachlich. Es bestand kein Anlass, den Wahrheitsgehalt ihrer Angaben in Zweifel zu ziehen.
1792
n. Die Feststellungen zu der von B durchgeführten Morgenpflege am 11.04.2017 stützen sich auf die entsprechenden, auch insoweit glaubhaften Angaben der Zeugin B.
1793
o. Die Feststellungen zum Besuch von S bei C am Vormittag des 12.04.2017 sowie zu dem von ihr gegen 11:00 Uhr geführten Telefonat mit L beruhen auf den entsprechenden, auch insoweit glaubhaften Angaben der Zeugin L. Hinsichtlich des Besuchs von Marlis Steinhagen berichtete L glaubhaft als Zeugin vom Hörensagen über die ihr gegenüber insoweit von S dem Telefonat am 12.04.2017 gegen 11:00 Uhr gemachten Angaben.
1794
Demnach sei es C nach dem Eindruck von S sehr schlecht gegangen. Ihm sei das Sprechen sehr schwergefallen. Es seien wiederholt Bewusstseinsstörungen bei ihm aufgetreten, was S mit den Worten umschrieben habe, dass C „immer wieder weggetreten gewesen“ sei. Von seiner Seite habe sich die Kommunikation mit S deren Angaben zufolge im Wesentlichen auf Reaktionen durch Händedruck beschränkt. Lediglich einmal habe C ihr gegenüber „Mein Kopf fliegt weg“ geäußert, woraufhin S seinen Kopf gehalten habe. Weitergehende Äußerungen habe C laut S nicht getätigt und insbesondere seine oben zitierte Äußerung in keiner Weise erläutert oder sonst erklärt.
1795
p. Die Feststellungen zu dem Hausbesuch von Dr. T am 12.04.2017 gegen 15:00 Uhr sowie zu seinen hierbei erhobenen Befunden und seiner darauf beruhenden Einschätzung zum Zustand des Patienten basieren auf den entsprechenden, auch insoweit glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. T.
1796
Demnach habe Dr. T bei C eine massive Verschlechterung des Gesundheitszustands im Vergleich zu seinem letzten Hausbesuch am 05.04.2017 festgestellt, als er gegen 15:00 Uhr zu seinem Hausbesuch bei dem Patienten eingetroffen sei. C, der eine sehr blasse Hautfarbe aufgewiesen habe, sei nicht mehr ansprechbar gewesen und habe nur noch auf taktile Reize reagiert. Seine Atmung sei sehr unregelmäßig gewesen und habe immer wieder ausgesetzt. Wie Dr. T ferner ausführte, sei er zu der Einschätzung gelangt, dass sich C im unmittelbaren Sterbeprozess befunden habe. Durch eine Untersuchung seines Patienten habe er sich vergewissert, dass dessen Lunge und Atemwege ausreichend frei gewesen seien und diesem keine Atemnot gedroht habe.
1797
Wie der sachverständige Zeuge weiter nachvollziehbar und glaubhaft erläuterte, habe der Umstand, dass sich C nun im unmittelbaren Sterbeprozess befunden habe, aus seiner Sicht zwanglos zu der gravierenden Verschlechterung des Allgemeinzustands des Patienten in den vorangegangenen Wochen und dem Verlauf seiner weit fortgeschrittenen, auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten nicht mehr therapeutisch behandelten, schweren Krebserkrankung gepasst. Laut Dr. T habe sich nach seiner Beurteilung die Bewusstseinsstörung zwanglos durch den unmittelbaren Sterbeprozess als Folge der schweren Erkrankung des Patienten erklären lassen, weshalb er sich zu weitergehenden Untersuchungen nicht veranlasst gesehen und insbesondere auch keine Messung des Blutzuckerspiegels bei C durchgeführt habe.
1798
q. Die Feststellungen im Zusammenhang mit der Ankunft von L bei ihrem Vater gegen 15:30 Uhr und zu ihrem anschließenden Gespräch mit dem Hausarzt Dr. T gründen sich auf die entsprechenden, auch insoweit glaubhaften Angaben der Zeugin L.
1799
r. Die Feststellungen zum Eintreffen von H, S und B kurz darauf sowie zu deren anschließendem Aufenthalt mit L und Dr. T in der Küche beruhen auf den entsprechenden, auch insoweit glaubhaften Angaben der Zeugin L, welche von den Zeuginnen H und B bestätigt wurden.
1800
s. Die Feststellung, dass der Angeklagte, der sich bei C aufhielt, wenig später nach L rief, die daraufhin zu ihm eilte und sofort erkannte, dass ihr Vater nunmehr tot war, stützt sich auf die entsprechende glaubhafte Schilderung der Zeugin L, welche von der Zeugin H bestätigt wurde.
1801
t. Die Feststellung zum Tod des Patienten Holm Cam 12.04.2017 um 16:00 Uhr basiert auf den entsprechenden übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugen L und Dr. T. Im Einklang damit stehen die glaubhaften Angaben der Zeugin B, wonach C am Nachmittag des 12.04.2017 kurz nach dem Eintreffen der Zeugin anlässlich des für 16:00 Uhr anberaumten Gesprächstermins verstorben sei. Auch die Zeugin H bestätigte, dass C am Nachmittag des 12.04.2017 kurz nach ihrem Eintreffen anlässlich des geplanten Gesprächs verstorben sei, wobei sich die Zeugin H weder an die genaue Uhrzeit des Todeseintritts noch an die Uhrzeit des Gesprächstermins erinnern konnte.
1802
u. Dass C ohne Durchführung einer Obduktion feuerbestattet wurde, bekundete auch insoweit glaubhaft die Zeugin L.
1803
v. Die Feststellungen im Zusammenhang mit der Todesbescheinigung beruhen auf den auch insoweit glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. T. Dieser berichtete, dass er am 12.04.2017 gegen 18:00 Uhr, als bei C Leichenstarre eingesetzt habe und am Rücken bereits Totenflecken vorhanden gewesen seien, die Todesbescheinigung ausgefüllt habe. Darin habe er das Vorliegen eines natürlichen Todes dokumentiert und als unmittelbare Todesursache ein zirkulatorisches Versagen als Folge von Schwäche und Marasmus (Auszehrung, körperlicher Verfall) als Folge eines seit Monaten bestehenden Speiseröhrenkarzinoms angeführt.
1804
Dr. T räumte offen und ohne Zögern ein, vor dem Ausfüllen der Todesbescheinigung keine ordnungsgemäße Leichenschau mit gründlicher Untersuchung der Leiche einschließlich der Inspektion sämtlicher Körperöffnungen durchgeführt zu haben. Sein diesbezügliches Unterlassen begründete Dr. T plausibel damit, dass aus seiner Sicht kein Anlass für eine vorschriftsgemäße Leichenschau wie bei einem ihm unbekannten oder völlig überraschend verstorbenen Patienten bestanden habe, da er aufgrund des Krankheitsverlaufs mit dem Tod seines Patienten gerechnet habe. Dabei stellte Dr. T zu keinem Zeitpunkt infrage, dass sein Vorgehen den Vorschriften bezüglich einer ordnungsgemäßen Leichenschau nicht genügt habe.
1805
Die Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. T, wonach er vor dem Ausfüllen der Todesbescheinigung keine gründliche Untersuchung der Leiche einschließlich der Inspektion sämtlicher Körperöffnungen durchgeführt habe, wurden von der Zeugin L bestätigt, die angab, sich in dem relevanten Zeitraum stets bei Dr. T und ihrem verstorbenen Vater aufgehalten und das entsprechende Vorgehen des Hausarztes deshalb mitbekommen zu haben.
1806
w. Dass der Angeklagte bereits abgereist war, als L am nächsten Tag in das Haus ihres Vaters zurückkehrte, entnimmt die Strafkammer den entsprechenden, auch insoweit glaubhaften Angaben der Zeugin L.
1807
x. Die Feststellung, dass C an einer unbekannten Todesursache verstarb, stützt das Schwurgericht auf die Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Z und der toxikologischen Sachverständigen Dr. R, beide vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München.
1808
(1) Die rechtsmedizinische Sachverständige legte dar, dass die konkrete Todesursache, an welcher C verstorben sei, unbekannt sei, da keine Obduktion des letztlich feuerbestatteten Leichnams durchgeführt worden sei und auch keine über die Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. T hinausgehenden Untersuchungsbefunde vom 12.04.2017 vorlägen. Insbesondere seien keine Blutuntersuchungen durchgeführt worden, deren Ergebnisse aus rechtsmedizinischer Sicht Rückschlüsse auf das todesursächliche Krankheitsgeschehen zulassen würden.
1809
(2) Laut Prof. Dr. Z lasse sich das Vorliegen einer möglicherweise todesursächlichen Hypoglykämie aus rechtsmedizinischer Sicht nicht belegen, da bei C am 12.04.2017 keine Bestimmung des Blutzuckerspiegels erfolgt sei. Auch ansonsten fehle es an einer hinreichenden Tatsachengrundlage, aus der tragfähige Rückschlüsse auf das Vorliegen einer Hypoglykämie bei C gezogen werden könnten.
1810
(a) Der Sachverständigen zufolge sei es zwar prinzipiell möglich, dass bei C am 12.04.2017 eine - letztlich todesursächliche - Hypoglykämie vorgelegen habe, da die zum Zustand des Patienten vorliegenden Zeugenangaben keine Anknüpfungspunkte böten, auf deren Grundlage das Vorliegen einer Hypoglykämie ausgeschlossen werden könnte. Aber umgekehrt gebe es auch keine hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkte, aus denen sich das Vorliegen einer Hypoglykämie positiv schlussfolgern ließe.
1811
(b) Auch die nach den Angaben der Zeugin L am Vormittag des 12.04.2017 erfolgte Äußerung des Patienten gegenüber S („Mein Kopf fliegt weg“) stelle insoweit laut Prof. Dr. Z keinen hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkt dar.
1812
i. Zunächst sei aus rechtsmedizinischer Sicht bereits unklar, wie die zitierte Äußerung zu verstehen sei, da diese laut der Zeugin L nach den Angaben von S ihr gegenüber durch C in keiner Weise erläutert oder sonst erklärt worden sei.
1813
ii. Wenn man jedoch unterstelle, dass diese Äußerung ein Schwindelgefühl oder Kopfschmerzen oder eine einsetzende bzw. zunehmende Bewusstseinsstörung zum Ausdruck habe bringen sollen, gelte für alle drei Varianten, dass diese Symptome unspezifisch seien und viele verschiedene Ursachen haben könnten. So seien etwa allein bei Kopfschmerzen über 200 mögliche Ursachen in der medizinischen Wissenschaft bekannt. Aber auch für Schwindel und Bewusstseinsstörungen kämen zahlreiche mögliche Ursachen in Betracht.
1814
Hypoglykämie sei nur eine mögliche Ursache für die genannten Symptome. Eine andere, ebenso mögliche Ursache sei eine Dehydrierung, etwa infolge einer Durchfallerkrankung, wie sie bei C in der letzten Woche vor seinem Tod vorgelegen habe (vgl. hierzu unten (4), S. 254).
1815
Da jedoch darüber hinaus noch zahlreiche weitere Ursachen für die genannten Symptome in Betracht kämen, ließen diese für sich genommen aus rechtsmedizinischer Sicht keinen tragfähigen Rückschluss auf ihre Ursache zu.
1816
(3) Wie Prof. Dr. Z weiter ausführte, sei es gut möglich, aber mangels Obduktion und Laborbefunden vom Todestag ebenfalls nicht belegbar, dass die Angaben des Hausarztes Dr. T in der Todesbescheinigung zur Todesursache - ein zirkulatorisches Versagen als Folge von Schwäche und Marasmus (Auszehrung, körperlicher Verfall) als Folge eines seit Monaten bestehenden Speiseröhrenkarzinoms - im Ergebnis zutreffend seien.
1817
Jedenfalls ergebe sich aus den Angaben des Hausarztes Dr. T und der weiteren Zeugen, dass Schwäche und Marasmus bei C in den Wochen vor seinem Tod vorgelegen hätten. Dass diese insbesondere auf das im Dezember 2016 in einem bereits weit fortgeschrittenen Stadium diagnostizierte Speiseröhrenkarzinom zurückzuführen seien, habe Dr. T nachvollziehbar dargelegt. Dies sei auch aus rechtsmedizinischer Sicht naheliegend und plausibel, da zunehmende Schluckbeschwerden, wie sie bei C beschrieben worden seien, für Speiseröhrenkrebs typisch seien. Auch gehe eine fortschreitende Krebserkrankung mit einer signifikanten Schwächung des Allgemeinzustandes des Patienten einher. Dass eine solche Krankheitsentwicklung schließlich zu einem Kreislaufversagen führe, welches letztlich unmittelbar todesursächlich sei, sei ein typischer Verlauf und auch im hiesigen Fall zwanglos vorstellbar.
1818
(4) Allerdings sei laut Prof. Dr. Z auch die schwere Durchfallerkrankung, die C ab dem 05.04.2017 im weiteren Verlauf entwickelt habe, als mögliche Todesursache in Betracht zu ziehen. Wenn der hierbei entstehende Flüssigkeitsverlust nicht adäquat ausgeglichen werde, komme es zu einer Dehydrierung des Patienten, welche häufig zu Entgleisungen des Elektrolythaushalts führe. Am relevantesten seien insoweit Entgleisungen des Kalium- und des Natriumhaushalts, da diese jeweils zu - oftmals tödlichen - Herzrhythmusstörungen führen könnten. Auch Bewusstseinsstörungen seien eine häufige Folge von Elektrolytentgleisungen.
1819
(a) Für die Annahme, dass es bei C vor seinem am 12.04.2017 eingetretenen Tod zu einer relevanten Dehydrierung gekommen sei, sprächen insbesondere die folgenden Aspekte:
1820
i. Die Durchfallerkrankung mit dünnflüssigem Stuhl habe - trotz symptomatischer Behandlung mit dem Wirkstoff Loperamid - ab 05.04.2017 bis zum Tod über einen Zeitraum von etwa einer Woche bestanden, wobei zu berücksichtigen sei, dass sich C bereits zuvor in einem äußerst geschwächten Allgemeinzustand befunden habe.
1821
ii. Am 10.04.2017 sei es zu einer weiteren Verstärkung der Durchfallerkrankung gekommen und der Stuhl sei am 10. und 11.04.2017 jeweils ganztägig von wässriger Konsistenz gewesen. Der ausgeschiedene Urin sei demgegenüber konzentriert gewesen.
1822
Wässriger Stuhl führe zu einem erheblichen Flüssigkeitsverlust, welcher adäquat ausgeglichen werden müsse, damit es nicht zu einer Dehydrierung komme. Dass der ausgeschiedene Urin an beiden Tagen konzentriert gewesen sei, spreche dafür, dass bei C ein Flüssigkeitsmangel vorgelegen habe.
1823
iii. Im Einklang damit stünden die Angaben der Zeugin S, wonach C am 10.04.2017 nur wenig Flüssigkeit getrunken und die Aufnahme von Flüssignahrung weitgehend abgelehnt habe. Dies spreche ebenfalls dafür, dass der durchfallbedingte Flüssigkeitsverlust nicht adäquat ausgeglichen worden sei.
1824
iv. Aus rechtsmedizinischer Sicht sei es naheliegend und ohne weiteres einleuchtend, dass sich der ohnehin schon schlechte Allgemeinzustand des Patienten im Zuge dessen weiter verschlechtert habe. Dies komme auch darin zum Ausdruck, dass C nach Angaben der Zeugin S am 10.04.2017 zu einer adäquaten verbalen Antwort auf die Fragen nach etwaigen Schmerzen und seinem Lagerungswunsch nicht in der Lage gewesen sei und lediglich mimisch und gestisch vermittelt habe, dass er weitgehend schmerzfrei sei und auf dem Rücken liegen wolle.
1825
(b) Der Umstand, dass C am 11.04.2017 nach Angaben der Zeugin B in deren Gegenwart wieder etwas von der Flüssignahrung Fresubin® zu sich genommen habe, sei nicht ausreichend für einen adäquaten Ausgleich der Dehydrierung. Dass der Flüssigkeitsmangel hierdurch nicht behoben worden sei, zeige sich auch daran, dass der Urin des Patienten nach den Angaben der Zeugin B auch am 11.04.2017 konzentriert gewesen sei. Dass der Stuhl auch am 11.04.2017 wie am Vortag wässrig gewesen sei, habe zudem den Flüssigkeitsverlust verstärkt.
1826
(5) Laut Prof. Dr. Z sei aus rechtsmedizinischer Sicht gleichermaßen zwanglos vorstellbar, dass die oben unter (3), S. 253, und (4), S. 254, dargelegten Ursachen zusammengewirkt und letztlich zum Tod geführt hätten.
1827
(6) Darüber hinaus sei der rechtsmedizinischen Sachverständigen zufolge aber auch eine Vielzahl weiterer (unmittelbarer) Todesursachen denkbar, welche sich - mangels Obduktion - weder belegen noch ausschließen ließen.
1828
(7) Die Sachverständige Dr. R legte dar, dass mangels entsprechender Untersuchungsbefunde auch aus toxikologischer Sicht keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen vorlägen, welche einen tragfähigen Rückschluss auf die Todesursache zuließen.
1829
(8) Die von großer Sachkunde getragenen Ausführungen der sehr erfahrenen Sachverständigen Prof. Dr. Z und Dr. R waren überzeugend, widerspruchsfrei und gingen von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus.
1830
(9) Im Anschluss an die Darlegungen der beiden Sachverständigen und mit den genannten Argumenten gelangte das Schwurgericht zu der Überzeugung, dass C an einer unbekannten Todesursache verstarb.
1831
4. Ein vollendetes Tötungsdelikt des Angeklagten war im Fall C schon deshalb nicht nachweisbar, da die Todesursache, an welcher C verstarb, unbekannt ist (vgl. oben 3.x., S. 252 ff.). Damit wäre jedenfalls die Kausalität einer etwaigen Insulingabe durch den Angeklagten für das Versterben des Patienten nicht belegt.
1832
5. Aber auch ein versuchtes Tötungsdelikt und / oder ein vollendetes Körperverletzungsdelikt des Angeklagten durch die Verabreichung von Insulin waren im Fall C nicht nachweisbar.
1833
Als Grundlage für eine entsprechende Verurteilung käme allein die geständige Einlassung des Angeklagten in der Beschuldigtenvernehmung vom 30.10.2018 (vgl. oben 1.b., S. 243) in Betracht.
1834
a. Jedoch hat das Schwurgericht aus den oben unter C.III.1. (S. 97 ff.) dargelegten Gründen insgesamt seine Feststellungen nur insoweit auf die Einlassungen des Angeklagten gestützt, als diese eine Bestätigung in anderen Beweismitteln finden und mit den übrigen Beweisergebnissen im Einklang stehen. Auf die dortigen Ausführungen wird umfassend Bezug genommen.
1835
Im Fall C gibt es außerhalb der Einlassung des Angeklagten keine Beweismittel, welche die Einlassung des Angeklagten bestätigen würden. Es gibt keine anderen Beweisergebnisse, welche den tragfähigen Rückschluss zuließen, dass dem Patienten C kurz vor seinem Tod Insulin verabreicht worden wäre.
1836
b. Darüber hinaus lassen sich die Einlassungen des Angeklagten zur Tatzeit sowie zum Nachtatgeschehen nicht ansatzweise mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen.
1837
(1) Der Angeklagte behauptete, er habe Cam zweiten Abend seines Aufenthalts - dies wäre am Abend des 10.04.2017 - zwischen 22:00 Uhr und 24:00 Uhr Insulin verabreicht (vgl. oben 1.b(2), S. 243).
1838
„Nach zwei bis drei Stunden“, „gegen 02:00 Uhr / 03:00 Uhr nachts“ - mithin in der Nacht auf den 11.04.2017 - habe der Angeklagte festgestellt, dass C nicht mehr gelebt habe. Er habe daraufhin sofort telefonisch den Rettungsdienst und den Freund des Patienten verständigt. Der Rettungsdienst habe den Tod des Patienten festgestellt und keine Rettungsmaßnahmen mehr ergriffen. Ferner seien ein Arzt, der Freund und die Freundin des Patienten sowie die Angehörigen des Patienten eingetroffen (vgl. oben 1.b(4), S. 244).
1839
(2) Diese Einlassung steht sowohl hinsichtlich der Zeitangaben als auch im Hinblick auf den Ablauf in krassem Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen.
1840
(a) C verstarb nicht in der Nacht auf den 11.04.2017 zwischen 22:00 Uhr und 03:00 Uhr, sondern (erst) am 12.04.2017 um 16:00 Uhr in Anwesenheit des Angeklagten sowie der Zeugen L, Dr. T, B, H und S, wobei die Zeugen nicht vom Angeklagten telefonisch herbeigerufen worden waren (vgl. oben II., S. 238 ff.). Die Grundlagen für die entsprechenden Feststellungen des Schwurgerichts wurden oben unter 3. (S. 244 ff.) dargelegt.
1841
(b) Darüber hinaus verständigte weder der Angeklagten noch sonst jemand den Rettungsdienst anlässlich des Todes des Patienten C.
1842
Keiner der beim Tod des Patienten anwesenden Zeugen berichtete von einer Verständigung des Rettungsdienstes. Dies steht im Einklang mit den glaubhaften Angaben der Kriminalbeamtin KOKin K, wonach eine gezielte Überprüfung sämtlicher infrage kommender Rettungsleitstellen im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen ergeben habe, dass im fraglichen Zeitraum kein Rettungsdiensteinsatz beim Patienten C stattgefunden habe.
1843
(3) Ferner sind die Angaben des Angeklagten zum Zeitpunkt der Verabreichung von Insulin aus toxikologischer Sicht nicht plausibel, um den am 12.04.2017 um 16:00 Uhr eingetretenen Tod des Patienten zu erklären.
1844
(a) Wie die Sachverständige Dr. R darlegte, sei die vom Angeklagten angegebene Verabreichung von Insulin am zweiten Abend seines Aufenthalts - mithin am Abend des 10.04.2017 - insbesondere unter Berücksichtigung der Zeugenangaben zum Zustand des Patienten am 11.04.2017 sowie am Vormittag des 12.04.2017 aus toxikologischer Sicht nicht plausibel und nicht geeignet, den am 12.04.2017 um 16:00 Uhr eingetretenen Tod des Patienten zu erklären.
1845
(b) Wenn man - wie oben unter 3.x(2)(b) ii. (S. 253) erörtert - unterstelle, dass C mit seiner am Vormittag des 12.04.2017 gegenüber S getätigten Äußerung („Mein Kopf fliegt weg“) ein Schwindelgefühl oder Kopfschmerzen oder eine einsetzende bzw. zunehmende Bewusstseinsstörung zum Ausdruck habe bringen wollen, sei der Sachverständigen zufolge am ehesten die Verabreichung von Insulin am Morgen des 12.04.2017 geeignet, den weiteren Verlauf sowie den Todeseintritt gegen 16:00 Uhr zu erklären.
1846
Ohne diese Unterstellung sei aber auch die Verabreichung von Insulin zu einem späteren Zeitpunkt, etwa im Laufe des Vormittags oder am Mittag des 12.04.2017 plausibel. Hingegen sei die Annahme einer Insulingabe am Vorabend, dem 11.04.2017, im Hinblick auf den Zeitablauf aus toxikologischer Sicht nicht plausibel.
1847
Allerdings gelte auch aus toxikologischer Sicht, dass für das Vorliegen einer Hypoglykämie bei C- und damit auch für die Verabreichung von Insulin - keine hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkte vorlägen.
1848
(c) Die Ausführungen der toxikologischen Sachverständigen Dr. R, die von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausging, waren auch insoweit sachkundig, widerspruchsfrei und überzeugend.
1849
c. Überdies ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte, nachdem ihm am 24.01.2017 erstmals Insulin verschrieben worden war, jedem Patienten, bei dem er in der Folge tätig war, Insulin verabreicht hätte.
1850
Der Angeklagte war nach der erstmaligen Verordnung von Insulin in insgesamt 34 Privathaushalten beschäftigt, in denen er mindestens eine Nacht verbrachte und nicht schon am Tag seiner Ankunft wieder abreiste (vgl. oben B., S. 14 ff.). Nur bei 12 dieser 34 Einsatzstellen bejahte die Staatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht. Bei allen übrigen Einsatzstellen ergaben sich im Rahmen der umfangreichen und sorgfältig geführten kriminalpolizeilichen Ermittlungen keine Hinweise auf eine etwaige Verabreichung von Insulin durch den Angeklagten. Insbesondere zeigten sich bei den übrigen Patienten während des Aufenthalts des Angeklagten keine relevanten gesundheitlichen Auffälligkeiten. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter C.III.2.c. (S. 108) umfassend Bezug genommen.
1851
d. Nach alledem konnte sich das Schwurgericht nicht mit dem für eine Verurteilung erforderlichen Maß an Sicherheit davon überzeugen, dass die geständige Einlassung des Angeklagten zumindest im Kern der Wahrheit entspräche und der Angeklagte dem Patienten C zeitnah vor dessen Tod Insulin verabreicht hätte.
1852
Zwar erachtet die Strafkammer dies durchaus für möglich, jedoch fehlt es für diese Schlussfolgerung an hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkten. Vielmehr ist es nach der Überzeugung des Schwurgerichts ebenso möglich, dass der Angeklagte insoweit seine Einlassung - wie auch an einer anderen Stelle der Beschuldigtenvernehmung vom 30.10.2018 (vgl. hierzu oben C.III.1.g., S. 106) - lediglich an die tatsächlichen oder vermeintlichen Tatvorwürfe der Ermittlungsbehörden anpasste.
1853
Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass sich der Angeklagte in zwei anderen Punkten nachweislich zu Unrecht selbst belastete und insoweit ein überschießendes Geständnis ablegte (vgl. hierzu oben C.III.1.e., S. 98 ff.). Darüber hinaus bestätigte der Angeklagte in zwei Punkten Vorhalte und Vorwürfe des Vernehmungsbeamten, obwohl diese nicht den Tatsachen entsprachen (vgl. hierzu oben C.III.1.f., S. 102).
1854
In beiden Aspekten kommt nach der Überzeugung der Strafkammer zum einen das Bemühen des Angeklagten, den Vernehmungsbeamten als Repräsentanten der Ermittlungsbehörden für sich einzunehmen, und zum anderen eine gewisse Bequemlichkeit des Angeklagten zum Ausdruck (vgl. hierzu oben C.III.1.e(3), S. 102). Beides erachtet das Schwurgericht auch als mögliches Motiv für ein falsches Geständnis des Angeklagten im Fall C.
1855
Aufgrund der im Fall C nach einer umfassenden Gesamtwürdigung verbleibenden Zweifel der Strafkammer an der Schuld des Angeklagten war dieser nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
H. Freispruch im Fall F (Ziffer 5 der Anklageschrift)
(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 5 S. 2 und 3 StPO)
1856
Soweit dem Angeklagten der Tatvorwurf des Mordes (§ 211 StGB) zum Nachteil von F zur Last lag, war der Angeklagte nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
1857
Dem Angeklagten lag zur Last, F heimtückisch, aus Habgier und aus sonstigen niedrigen Beweggründen getötet zu haben, § 211 Abs. 1, Abs. 2 Var. 3, 4 und 5 StGB.
1858
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt am 06.07.2017 zwischen 06:00 Uhr und 07:15 Uhr soll der Angeklagte dem damals 77-jährigen Patienten F in dessen Anwesen in …, zweimal jeweils 40 „mg“ (Anmerkung: tatsächlich gemeint: 40 I.E.) Insulin in den Arm injiziert haben, um hierdurch einen akut behandlungsbedürftigen Zustand mit notwendigem Krankenhausaufenthalt des Geschädigten hervorzurufen und infolgedessen die Einsatzstelle sofort verlassen zu können, ohne dem Risiko der Geltendmachung einer Vertragsstrafe durch seinen Vertragspartner ausgesetzt zu sein.
1859
Bei der Verabreichung des Insulins an den Patienten habe der Angeklagte einen tödlichen Ausgang für möglich gehalten und diesen billigend in Kauf genommen.
1860
F sei zum Zeitpunkt der Insulinverabreichung „in einer Art Dämmerzustand“ im Bett gelegen und habe in seinem Haus nicht mit einem Angriff auf Leib oder Leben gerechnet, weshalb er sich dessen auch nicht effektiv habe erwehren können. Der Angeklagte, dem dieser Zustand des Geschädigten bewusst gewesen sei, habe diese Situation gezielt zur Tatbegehung ausgenutzt und dabei zudem seine eigenen Bedürfnisse und sein rücksichtsloses Gewinnstreben in krasser Eigensucht über das Lebensrecht des Patienten gestellt.
1861
F habe an Gicht und Osteoporose gelitten, jedoch - wie der Angeklagte gewusst habe - nicht an Diabetes. Dem Angeklagten, der seit 05.07.2017 auf vertraglicher Grundlage als 24-StundenBetreuungskraft für F tätig gewesen sei, habe diese Einsatzstelle nicht zugesagt, da er sich zum einen durch die Besuche, die der Patient und seine Ehefrau E mehrmals pro Tag erhalten hätten, in seiner Arbeit kontrolliert gefühlt habe. Zum anderen habe sich der Angeklagte in seiner eigenen Nachtruhe erheblich dadurch gestört gefühlt, dass er in der Nacht auf den 06.07.2017 mehrmals habe aufstehen müssen, um den Patienten zu versorgen.
1862
Der Vertrag des Angeklagten mit der Agentur „C-service GmbH“ vom 05.07.2017 habe für den Angeklagten eine Kündigungsfrist von zwei Wochen vorgesehen sowie eine Vertragsstrafe in Höhe von 850 Euro für den Fall der vertragswidrigen Beendigung des Vertrages.
1863
Am 06.07.2017 gegen 07:15 Uhr habe der Angeklagte „den Tod des [Patienten] fest[gestellt]“ und sowohl telefonisch B als auch die im Haus anwesende E hierüber informiert. Als E das Telefon verlangt habe, habe der Angeklagte ihr einen Anruf mit dem Hinweis verweigert, dass ihr Ehemann bereits tot sei. Da sie sich nicht anders zu helfen gewusst habe, habe sich E zu ihrer Nachbarin M begeben, welche um 07:17 Uhr den Notarzt alarmiert habe. Dieser sei sieben Minuten später vor Ort eingetroffen und habe Reanimationsmaßnahmen ergriffen.
1864
F sei am 06.07.2017 um 07:38 Uhr an den Folgen einer Unterzuckerung verstorben.
1865
Bei seiner Abreise habe der Angeklagte Ringe und Halsketten aus dem Haushalt F mitgenommen, um diese dauerhaft unberechtigt für sich zu behalten.
1866
Im Hauptverhandlungstermin am 22.09.2020 hat die Strafkammer mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft unter anderem den Tatvorwurf des Diebstahls zum Nachteil von F (Ziffer 5 der Anklageschrift) gemäß § 154a Abs. 2 StPO ausgeschieden und darauf hingewiesen, dass der ausgeschiedene Tatvorwurf sowohl bei der Beweiswürdigung als auch bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden kann.
1867
Am 24.04.2017 wurde der damals 77-jährige Patient F nach einem neuerlichen, längeren Krankenhausaufenthalt im Universitätsklinikum … nach Hause entlassen und war seither bettlägerig.
1868
F litt an koronarer Herzkrankheit, arterieller Hypertonie und paroxysmalem Vorhofflimmern. Darüber hinaus bestand eine gravierende Erkrankung an der Aortenklappe, weswegen diese eigentlich durch eine künstliche Herzklappe hätte ersetzt werden müssen. Allerdings konnte die entsprechende Operation wegen des schlechten Allgemeinzustands des Patienten nicht durchgeführt werden.
1869
Aufgrund eines in der Vergangenheit erlittenen Schlaganfalls musste F mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten behandelt werden, was mit einer erhöhten Blutungsneigung einherging. Infolgedessen hatte auch ein bei F vorhandenes chronisches Subduralhämatom einen progredienten Verlauf genommen.
1870
F litt ferner unter fortgeschrittener chronischer Niereninsuffizienz. In der Vergangenheit war es bei ihm zu akutem Nierenversagen gekommen. Überdies bestanden bei F Blutarmut sowie ein erhöhter Cholesterin- und Harnsäurespiegel im Blut.
1871
Das Wohlbefinden des Patienten war zudem durch einen schweren, langandauernden Harnwegsinfekt, eine Darmentzündung, Folgen einer sturzbedingten Deckplatten-Impressionsfraktur des ersten Lendenwirbelkörpers bei bestehender Osteoporose und ausgeprägter degenerativer Lendenwirbelkörperveränderung sowie durch Wundheilungsstörungen im rechten Knie nach der Operation eines Sehnenrisses beeinträchtigt. Eine Erkrankung an Diabetes mellitus bestand bei F hingegen nicht.
1872
In einer Patientenverfügung hatte F schriftlich niedergelegt, dass er lebensverlängernde Maßnahmen ablehnte. Diese Patientenverfügung wurde von seiner Hausärztin S anlässlich eines Hausbesuchs am 02.05.2017 gegengezeichnet.
1873
F, dessen Allgemeinzustand sich immer weiter verschlechterte, vermittelte seiner Hausärztin S in der Folgezeit immer wieder, dass er seinen Lebenswillen verloren hatte und sich insbesondere mit seinem Zustand der Bettlägerigkeit nicht abfand. Er weigerte sich deshalb auch, die ihm ärztlich verordneten Tabletten zu seiner medikamentösen Behandlung weiter einzunehmen, und spuckte diese regelmäßig wieder aus, wenn sie ihm trotzdem verabreicht wurden. Hinzukam, dass F auch immer wieder unter Schluckstörungen litt.
1874
Bei einem Hausbesuch am 29.05.2017 diagnostizierte S bei F zusätzlich zu einem schlechten Allgemeinzustand auch eine Mangelernährung. Um dieser zu begegnen, verordnete die Hausärztin ihrem Patienten die Flüssignahrung Fresubin®. F vereinbarte mit seiner Hausärztin, dass er nur noch eine palliative Behandlung wünsche. Er wurde zweimal täglich durch Mitarbeiter des ambulanten Pflegediensts der Diakonie pflegerisch versorgt. Seine Ehefrau E, mit der er zusammen in einer Wohnung im Anwesen … lebte, litt an Demenz und war aufgrund dieser Erkrankung nur noch äußerst eingeschränkt in der Lage, sich um ihren Ehemann zu kümmern.
1875
Am 08.06.2017 trat bei F eine Aspirationspneumonie auf. Er litt unter Fieber und Schüttelfrost und wies bei der Atmung grobblasige Rasselgeräusche auf. Die Hausärztin machte deutlich, dass die Einweisung in ein Krankenhaus medizinisch indiziert sei, was F jedoch ablehnte. Auch seine Angehörigen unterstützten seinen Wunsch, nicht mehr in ein Krankenhaus eingeliefert zu werden. S erläuterte daraufhin die sich hieraus ergebenden Konsequenzen, insbesondere, dass ohne Krankenhausaufenthalt eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustands des Patienten zu erwarten sei. F hielt jedoch an seinem Wunsch fest.
1876
Im Verlauf des Juni 2017 klang das Fieber bei F zunächst wieder ab, bevor am 28. und 29.06.2017 erneut Fieber und Schüttelfrost auftraten. Die Atemwege des Patienten waren stark verschleimt. Bei einer Laboruntersuchung des Blutes am 29.06.2017 zeigte sich neben erhöhten Entzündungswerten eine gefährliche Absenkung des Kaliumspiegels, welche mit einem beträchtlichen Risiko für Herzrhythmusstörungen einherging. Eine Kaliumsubstitution fand nicht statt, da F jegliche Einnahme von Medikamenten verweigerte und die Lippen fest zusammenpresste, wenn versucht wurde, ihm dennoch Medikamente zu verabreichen. Nur in seltenen Fällen gelang es B, einer der Töchter des Patienten, ihren Vater dazu zu bringen, wenigstens vereinzelt Tabletten zu schlucken.
1877
S erachtete die gesundheitliche Situation von F als kritisch und wies in einem Telefonat am 30.06.2017 B ausdrücklich darauf hin. Die Hausärztin erläuterte in diesem Gespräch, dass aus ihrer Sicht mit dem Todeseintritt bereits am unmittelbar bevorstehenden Wochenende - mithin in den nächsten zwei Tagen - zu rechnen sei, und bezifferte die Chancen, dass F dieses Wochenende überleben werde, mit „50:50“.
1878
Am 03.07.2017 erhielt die Hausärztin vom ambulanten Pflegedienst der Diakonie die Mitteilung, dass sich die von F ausgeschiedene Menge Urin deutlich verringert habe. Bei einem Hausbesuch am darauffolgenden Tag, dem 04.07.2017, stellte S fest, dass F zwar wieder fieberfrei, aber sehr schwach war und nur mit sehr leiser Stimme sprach. Bei einer erneuten Laboruntersuchung des Blutes am 04.07.2017 zeigte sich, dass der Kaliumspiegel weiterhin gefährlich erniedrigt war. S wies deshalb die Töchter des Patienten noch am selben Tag auf das hiervon ausgehende, sehr hohe Risiko für Herzrhythmusstörungen - und damit für einen plötzlichen Herzstillstand - hin.
1879
Ende Juni 2017 hatte B über die Vermittlungsagentur „C“ die Organisation einer 24-StundenBetreuung für ihren Vater in die Wege geleitet, woraufhin der Angeklagte als Betreuungskraft für F vermittelt wurde.
1880
Der Angeklagte traf am Nachmittag des 05.07.2017 im Haushalt des Patienten F und dessen Ehefrau in …, ein, wo er von B begrüßt und in seine Aufgaben eingewiesen wurde. E verhielt sich in Gegenwart ihrer Tochter in keiner Weise aggressiv gegenüber dem Angeklagten.
1881
Als gegen 17:00 Uhr S, ein Neffe von B, der ebenfalls im Anwesen … in einer eigenen Wohnung lebte, nach Hause kam, fuhr er mit dem Angeklagten zum Einkaufen, da der Angeklagte den entsprechenden Wunsch gegenüber B geäußert hatte. Den Rechnungsbetrag für die Einkäufe beglich B, die gegen 18:00 Uhr wieder nach Hause fuhr. Fortan war der Angeklagte mit F und dessen Ehefrau allein in der Wohnung.
1882
Als S am nächsten Morgen, dem 06.07.2017, gegen 06:00 Uhr auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz das Haus verließ, hörte er seinen Großvater F ruhig und regelmäßig schnarchen. S erkannte das Schnarchen eindeutig als von seinem Großvater stammend, da ihm dieses spezifische Geräusch wohlvertraut war. Er hatte es - mit Ausnahme der krankenhausbedingten Abwesenheit seines Großvaters - jeden Morgen gehört, seitdem er im Anwesen … wohnte.
1883
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt am 06.07.2017 zwischen 06:00 Uhr und 07:00 Uhr verstarb F an einer unbekannten Todesursache. Sein Leichnam wurde feuerbestattet. Eine Obduktion wurde nicht durchgeführt.
1884
Am 06.07.2017 kurz nach 07:00 Uhr bemerkte der Angeklagte, dass F nicht mehr atmete, und teilte dies sofort dessen Ehefrau mit. E wusste demenzbedingt nicht, was sie in dieser Situation tun solle, und war aufgrund ihrer Erkrankung insbesondere nicht mehr in der Lage, einen Notruf abzusetzen. E begab sich deshalb - wie stets seit ihrer Demenzerkrankung, wenn sie nicht mehr weiterwusste - zu ihrer Nachbarin M und bat diese, mit ihr zu kommen, da F nicht mehr atme.
1885
M setzte jedoch stattdessen sofort um 07:17 Uhr einen Notruf unter der Rufnummer 112 ab. Als sie vom Mitarbeiter der Rettungsleitstelle aufgefordert wurde, sich zu F zu begeben, um die Nachfragen zum aktuellen Zustand des Patienten durch eigene, unmittelbare Eindrücke vor Ort beantworten zu können, sah sich M hierzu nicht in der Lage, da sie vor Aufregung am ganzen Körper zitterte und nicht mehr gehen konnte.
1886
Da M erwähnte, dass jedoch eine …Betreuungskraft beim Patienten sei, wollte sich der Mitarbeiter der Rettungsleitstelle dort die benötigten Informationen holen. Daraufhin übergab M ihr Telefon an E mit der Aufforderung, das Telefon in ihre Wohnung mitzunehmen und dem Angeklagten zu übergeben.
1887
E machte sich daraufhin auf den Weg zum Angeklagten. Unterwegs zeigte sie sich demenzbedingt nicht in der Lage, den Mitarbeiter der Rettungsleitstelle adäquat über die bisherigen Ereignisse an diesem Morgen zu informieren. Nachdem E dem Angeklagten das Telefon übergeben hatte, teilte dieser dem Mitarbeiter der Rettungsleitstelle mit, dass F gestorben sei und nicht mehr atme.
1888
Überdies rief der Angeklagte B an und informierte sie über den Tod ihres Vaters. Über das Verhalten von E ihm gegenüber äußerte er sich gegenüber B weder in diesem Telefonat noch bei sonstiger Gelegenheit. Insbesondere beschwerte sich der Angeklagte weder mündlich noch per Kurznachricht bei B über das Verhalten von E.
1889
Die aufgrund des Notrufs um 07:20 Uhr alarmierten Rettungskräfte trafen um 07:24 Uhr vor Ort ein und stellten gleich zu Beginn bei F eine Asystolie im Elektrokardiogramm fest. Gleichwohl leiteten sie sofort Reanimationsmaßnahmen ein, welche von der um 07:21 Uhr alarmierten und um 07:31 Uhr vor Ort eingetroffenen Notärztin Dr. W erfolglos fortgeführt wurden.
1890
Da sich auch nach einer Reanimationsdauer von insgesamt rund 15 Minuten im Elektrokardiogramm unverändert eine Asystolie zeigte, stellte die Notärztin um 07:38 Uhr die Rettungsbemühungen ein und wählte diesen Zeitpunkt für die Angabe der Todeszeit. F wurde ohne Durchführung einer Obduktion feuerbestattet.
1891
Der Angeklagte reiste am 06.07.2017 gegen 17:00 Uhr im allseitigen Einvernehmen ab.
1892
1. Der Angeklagte gab Einlassungen zur Sache ab.
1893
a. In der Hauptverhandlung gab der Angeklagte lediglich, wie oben unter C.II.1. (S. 63) dargelegt, in seinem letzten Wort eine Erklärung ab. Auf die dortigen Ausführungen wird umfassend Bezug genommen.
1894
b. Im Ermittlungsverfahren äußerte sich der Angeklagte in der Beschuldigtenvernehmung am 30.10.2018 zum Tatvorwurf des Mordes zum Nachteil von F.
1895
Wie der Zeuge KHK P glaubhaft berichtete, habe der Angeklagte hierbei zusammengefasst folgende Angaben gemacht:
1896
(1) Seinen auch insoweit glaubhaften Angaben zufolge habe KHK P dem Angeklagten zunächst vorgehalten, dass sich dieser nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis vom 05. bis 06.07.2017 bei dem Patienten F in … aufgehalten habe. Daraufhin habe der Angeklagte seinen Aufenthalt dort bestätigt und erklärt, dass er gegen 15:00 Uhr / 16:00 Uhr vor Ort eingetroffen sei.
1897
(2) Zu seiner Ankunft habe der Angeklagte angegeben, dass die Tochter des Patienten geäußert habe, sie habe die Agenturunterlagen ihn betreffend nicht akzeptiert und wisse nicht, wer er sei. An seiner Stelle habe sie zwei andere Betreuungskräfte erwartet. Die Ehefrau des Patienten habe daraufhin ihre Tochter B angeschrien. Auch ihn, den Angeklagten, habe die Ehefrau des Patienten mit den Worten „Wer bist du denn? Hau ab, du …Sau!“ angeschrien.
1898
Wie KHK P weiter glaubhaft berichtete, habe er den Angeklagten darauf hingewiesen, dass dieser laut seinen Angaben nun schon wieder - wie woanders auch - als „…Sau“ beschimpft worden sei, und habe gefragt, warum der Angeklagte immer sofort von den vor Ort anwesenden Personen beschimpft werde. Hierauf habe der Angeklagte geantwortet, der Grund sei, dass „die Deutschen die … und die … die Deutschen“ nicht mögen würden, wie der Vernehmungsbeamte genau wisse. Hinzu komme laut dem Angeklagten, dass ältere Leute keine anderen Personen als ihre Familienangehörigen zu Hause akzeptierten, weshalb sie eine derartige Reaktion auf fremden Personen zeigten.
1899
Wie der Angeklagte weiter angegeben habe, habe B geäußert, dass er besonders auf die Ehefrau des Patienten aufpassen solle, da diese „allgegenwärtig“ und mit allem unzufrieden sei, was eine Betreuungskraft tue. Er sei die 24. Betreuungskraft im Haushalt des Patienten F.
1900
(3) Zum objektiven Tatvorwurf habe der Angeklagte angegeben, dass er dem Patienten zweimal je 40 „mg“ Insulin in den Arm verabreicht habe.
1901
Hinsichtlich der Tatzeit ergebe sich aus den Angaben des Angeklagten zu seinem Tatmotiv, dass diese „am nächsten Morgen“ gewesen sei (vgl. nachfolgend (4)).
1902
Aus den Angaben des Angeklagten zum Nachtatgeschehen lasse sich eine weitere Eingrenzung der Tatzeit dahingehend ableiten, dass diese laut dem Angeklagten gegen 09:00 Uhr oder später gewesen sei, da es seinen Angaben zufolge nach den InsulinInjektionen „eine ganze Stunde lang“ - etwa „zwischen 09:00 Uhr und 11:00 Uhr“ - im Haus ruhig gewesen sei (vgl. unten (6), S. 265).
1903
(4) Zu seinem Tatmotiv habe der Angeklagte angegeben, dass er dem Patienten das Insulin verabreicht habe, weil dieser ihn an beiden Tagen „die ganze Zeit“ von sich weggestoßen habe. Darüber hinaus sei die Ehefrau des Patienten sehr aggressiv ihm gegenüber gewesen.
1904
Als er „am nächsten Morgen“ versucht habe, den in seinem Bett liegenden Patienten zu waschen, sei er von dessen Ehefrau an den Schultern gepackt und gegen einen Schrank oder ein Regal gestoßen worden, in welchem sich Windeln und Cremes befunden hätten.
1905
Als er anschließend seinen Versuch, den Patienten zu waschen, fortgesetzt habe, habe Walter F das heiße Wasser aus der zum Waschen verwendeten Schüssel ihm „direkt auf die Füße geschüttet“. Allerdings sei es ihm, dem Angeklagten, gelungen, schnell genug wegzuspringen, so dass seine Füße nicht nass geworden seien. Danach sei er von der Ehefrau des Patienten mit den Worten „Pack zusammen! Hau ab! Wir wollen dich hier nicht haben.“ zur Abreise aufgefordert worden.
1906
Er, der Angeklagte, habe B per Kurznachricht darüber informiert, dass F ihn mit Wasser überschüttet habe. Daraufhin habe B mit ihrer Mutter gesprochen. Das Verhalten der Tochter und des Sohnes des Patienten F ihm gegenüber sei „sehr in Ordnung“ gewesen. Die Ehefrau des Patienten hingegen sei „schlichtweg sehr aggressiv“ gewesen.
1907
Auf die Nachfrage des Vernehmungsbeamten, warum der Angeklagte dem Patienten F Insulin verabreicht habe, wenn dessen Ehefrau aggressiv gewesen sei, habe der Angeklagte die Verabreichung des Insulins damit begründet, dass F Wasser auf ihn geschüttet habe und „die ganze Atmosphäre im Haus“ so gewesen sei, „als wäre eine Bombe explodiert“. „Sie“ hätten ihn, den Angeklagten, beleidigt, verletzt, angeschrien und beschimpft.
1908
(5) Im Hinblick auf die subjektive Tatseite im Übrigen habe der Angeklagte jegliche Tötungsabsicht bestritten. Er habe nur gewollt, dass der Patient einschlafe. F sei bettlägerig gewesen und nachts „etwas aktiver“, so dass er, der Angeklagte, „schon um 01:00 Uhr“ habe aufstehen und zum Patienten gehen müssen.
1909
(6) Zum Nachtatgeschehen habe der Angeklagte angegeben, dass er sich nach den Insulin-Injektionen in sein Zimmer begeben habe. „Eine ganze Stunde lang“ - etwa „zwischen 09:00 Uhr und 11:00 Uhr“ - sei es im Haus ruhig gewesen. Nach etwa einer Stunde habe er nach dem Patienten gesehen und bei diesem ein Zittern bemerkt. Er habe daraufhin die Ehefrau des Patienten aufgefordert, den Rettungsdienst zu verständigen, was diese getan habe. Nach ihrem Eintreffen hätten die Rettungskräfte etwa 10 bis 15 Minuten lang Reanimationsmaßnahmen beim Patienten durchgeführt. Dieser sei aber bereits tot gewesen.
1910
Am nächsten Tag sei er, der Angeklagte, nach Hause gefahren. Auf die Nachfrage des Vernehmungsbeamten, ob sich der Angeklagte sicher sei, dass er erst am nächsten Tag abgereist sei, habe der Angeklagte seinen Angaben dahingehend relativiert, dass er nicht mehr genau wisse, ob seine Abreise noch an dem selben Tag, an dem der Patient verstorben sei, erfolgt sei oder erst am nächsten Tag.
1911
(7) Im Hinblick auf den Tatvorwurf des Diebstahls habe der Angeklagte angegeben, dass er aus dem Zimmer der Ehefrau des Patienten Ringe und Halsketten entwendet habe.
1912
2. Aus den oben unter C.III.1. (S. 97 ff.) dargelegten Gründen hat das Schwurgericht insgesamt seine Feststellungen nur insoweit auf die Einlassungen des Angeklagten gestützt, als diese eine Bestätigung in anderen Beweismitteln finden und mit den übrigen Beweisergebnissen im Einklang stehen. Auf die dortigen Ausführungen wird umfassend Bezug genommen.
1913
Die Einlassungen des Angeklagten zur Tatzeit im Fall F lassen sich nicht mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen. Auch seine Angaben zum Verhalten der Ehefrau des Patienten in Gegenwart von deren Tochter B sowie zu seiner behaupteten Beschwerde über das Verhalten von Erika F sind durch die Ergebnisse der Beweisaufnahme widerlegt (vgl. hierzu unten 5.b., S. 270).
1914
3. Der oben unter II. (S. 260 ff.) festgestellte Sachverhalt beruht auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
1915
a. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Patienten F und dessen Entwicklung bis zum 04.07.2017, zu den ärztlichen Hausbesuchen, den verweigerten Tabletteneinnahmen, den Gesprächen der Hausärztin mit dem Patienten sowie mit dessen Angehörigen wie auch zu der palliativen Behandlung und der ärztlichen Prognose zum weiteren Krankheitsverlauf beruhen auf den entsprechenden, glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben der sachverständigen Zeugin S.
1916
b. Die Feststellungen zu der gesundheitlichen Verfassung von E basieren auf den überein stimmenden, glaubhaften Angaben der Zeuginnen S und M.
1917
c. Die Feststellungen zu der Organisation der 24-Stunden-Betreuung für F, zur Ankunft des Angeklagten, zum Besuch von B bei ihren Eltern am 05.07.2017 sowie zur Abreise des Angeklagten stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin B.
1918
Diese bekundete unter anderem glaubhaft, dass E bei der Ankunft des Angeklagten weder sie, die Zeugin B, noch den Angeklagten angeschrien habe. E habe sich in ihrer Gegenwart in keiner Weise aggressiv gegenüber dem Angeklagten verhalten.
1919
Den weiteren glaubhaften Angaben der Zeugin zufolge habe sich der Angeklagte ihr gegenüber zu keinem Zeitpunkt über das Verhalten ihrer Eltern ihm gegenüber geäußert und habe sich insbesondere weder mündlich noch per Kurznachricht bei ihr über das Verhalten ihrer Eltern beschwert.
1920
Wie die Zeugin ferner glaubhaft angab, habe sie dem Angeklagten gegenüber nicht geäußert, dass dieser die 24. Betreuungskraft im Haushalt ihres Vaters sei, zumal der Angeklagte tatsächlich die erste 24-Stunden-Betreuungskraft gewesen sei. F sei bis dahin lediglich von ambulanten Pflegekräften der Diakonie zweimal täglich pflegerisch versorgt und durch die Familie betreut worden.
1921
d. Die Feststellungen zum Einkauf von K mit dem Angeklagten am frühen Abend des 05.07.2017 sowie zu den Wahrnehmungen von K am 06.07.2017 gegen 06:00 Uhr gründen sich auf die entsprechenden, glaubhaften Angaben des Zeugen K.
1922
e. Die Feststellungen zum Notruf beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeuginnen M und KOKin R sowie auf der Inaugenscheinnahme der Audioaufzeichnung des Notrufs.
1923
f. Die Feststellungen zum Anruf des Angeklagten bei B am Morgen des 06.07.2020, worin der Angeklagte der Tochter des Patienten die Todesnachricht übermittelte, stützen sich auf die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin B. Diese bekundete ebenfalls glaubhaft, dass sie nicht mehr wisse, um wieviel Uhr sie diesen Anruf erhalten habe. Aufgrund eines nachträglichen Rekonstruktionsversuchs meine sie, dass es wohl gegen 07:15 Uhr oder 07:30 Uhr gewesen sei.
1924
g. Den Feststellungen zum Rettungsdienst- und Notarzteinsatz liegen die entsprechenden glaubhaften Angaben der Rettungskräfte S und K sowie die entsprechenden glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben der Notärztin Dr. W zugrunde.
1925
h. Dass F ohne Durchführung einer Obduktion feuerbestattet wurde, bekundete auch insoweit glaubhaft die Zeugin B.
1926
i. Die Feststellung, dass F an einer unbekannten Todesursache verstarb, stützt das Schwurgericht auf die Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Z und der toxikologischen Sachverständigen Dr. R, beide vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München.
1927
(1) Wie die rechtsmedizinische Sachverständige darlegte, sei davon auszugehen, dass F bereits bei Eintreffen der Rettungskräfte tot gewesen sei, da sich bereits zu Beginn im Elektrokardiogramm eine Asystolie gezeigt habe, an welcher sich auch im Zuge der danach durchgeführten Reanimationsmaßnahmen nichts geändert habe.
1928
Demnach sei plausibel, dass F bereits tot gewesen sei, als ihn der Angeklagte, wie er im Notrufgespräch gegenüber dem Mitarbeiter der Rettungsleitstelle bekundet habe, nicht mehr atmend aufgefunden habe.
1929
Da der Zeuge K am 06.07.2017 gegen 06:00 Uhr noch das ihm wohlvertraute Schnarchen seines Großvaters gehört habe, müsse F zu diesem Zeitpunkt noch gelebt haben. Im Hinblick darauf, dass E den Angaben der Zeugin M zufolge dieser um kurz nach 07:00 Uhr mitgeteilt habe, dass F nicht mehr atme, lasse sich der Zeitpunkt des Todeseintritts auf den Zeitraum zwischen 06:00 Uhr und 07:00 Uhr am 06.07.2017 eingrenzen.
1930
(2) Prof. Dr. Z führte ferner aus, dass die konkrete Todesursache, an welcher F verstorben sei, unbekannt sei, da keine Obduktion des letztlich feuerbestatteten Leichnams durchgeführt worden sei und auch keine über die Angaben der sachverständigen Zeugen S und Dr. W hinausgehenden Untersuchungsbefunde vorlägen. Insbesondere sei keine Blutuntersuchung zeitnah zum Todeszeitpunkt durchgeführt worden, deren Ergebnisse aus rechtsmedizinischer Sicht Rückschlüsse auf das todesursächliche Krankheitsgeschehen zulassen würden.
1931
(3) Laut Prof. Dr. Z lasse sich das Vorliegen einer möglicherweise todesursächlichen Hypoglykämie aus rechtsmedizinischer Sicht nicht belegen, da bei F zeitnah zum Todeseintritt am 06.07.2017 keine Bestimmung des Blutzuckerspiegels erfolgt sei. Aber auch ansonsten fehle es an jeglichen Anknüpfungspunkten, aus denen tragfähige Rückschlüsse auf das Vorliegen einer Hypoglykämie bei F gezogen werden könnten.
1932
Allerdings sei das Vorliegen einer - letztlich todesursächlichen - Hypoglykämie prinzipiell möglich, da auch keine Anknüpfungspunkte bestünden, auf deren Grundlage das Vorliegen einer Hypoglykämie ausgeschlossen werden könnte.
1933
(4) Wie die rechtsmedizinische Sachverständige weiter ausführte, sei es gut möglich, allerdings nicht belegbar, dass F an einem plötzlichen Herzstillstand verstorben sei. Das Risiko hierfür sei bei ihm jedenfalls äußerst hoch gewesen.
1934
(a) F sei schwer herzkrank gewesen. Er habe an koronarer Herzkrankheit, arterieller Hypertonie, paroxysmalem Vorhofflimmern und einer gravierenden Erkrankung an der Aortenklappe gelitten. Der Patient hätte eigentlich eine künstliche Herzklappe benötigt. Allerdings sei die entsprechende Operation wegen des schlechten Allgemeinzustands des Patienten nicht mehr durchführbar gewesen. Diese Befunde seien laut Prof. Dr. Z bereits mit einem sehr hohen Risiko für einen plötzlichen Herzstillstand verbunden gewesen.
1935
(b) Aus rechtsmedizinischer Sicht zutreffend habe die sachverständige Zeugin S dargelegt, dass die gefährlich erniedrigten Kaliumwerte bei F in den letzten zwei Wochen vor seinem Tod mit einem beträchtlichen Risiko für - oftmals tödliche - Herzrhythmusstörungen und damit für einen plötzlichen Herzstillstand einhergegangen seien.
1936
In diesem Zusammenhang wies Prof. Dr. Z darauf hin, dass F unabhängig von den gefährlich erniedrigten Kaliumwerten ohnehin schon an einer Form von Herzrhythmusstörungen, und zwar an paroxysmalem - mithin anfallartigem - Vorhofflimmern, gelitten habe (vgl. oben (a)).
1937
Demnach sei der rechtsmedizinischen Sachverständigen zufolge das bei F ohnehin schon sehr hohe Risiko für einen plötzlichen Herzstillstand (vgl. oben (a)) durch die gefährlich erniedrigten Kaliumwerte noch einmal massiv erhöht worden, weshalb das entsprechende Risiko zuletzt insgesamt äußerst hoch gewesen sei. Dies gelte umso mehr vor dem Hintergrund des schlechten Allgemeinzustands des Patienten.
1938
(5) Die Sachverständige Dr. R legte dar, dass mangels entsprechender Untersuchungsbefunde keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen vorlägen, welche aus toxikologischer Sicht einen tragfähigen Rückschluss auf die Todesursache zuließen.
1939
(6) Die von großer Sachkunde getragenen Ausführungen der sehr erfahrenen Sachverständigen Prof. Dr. Z und Dr. R waren überzeugend, widerspruchsfrei und gingen von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus.
1940
(7) In Anschluss an die Darlegungen der beiden Sachverständigen und mit den genannten Argumenten gelangte das Schwurgericht zu der Überzeugung, dass F an einer unbekannten Todesursache verstarb.
1941
4. Ein vollendetes Tötungsdelikt des Angeklagten war im Fall F schon deshalb nicht nachweisbar, da die Todesursache, an welcher F verstarb, unbekannt ist (vgl. oben 3.i., S. 267). Damit wäre jedenfalls die Kausalität einer etwaigen Insulingabe durch den Angeklagten für das Versterben des Patienten nicht belegt.
1942
5. Aber auch ein versuchtes Tötungsdelikt und / oder ein vollendetes Körperverletzungsdelikt des Angeklagten durch die Verabreichung von Insulin waren im Fall F nicht nachweisbar.
1943
Als Grundlage für eine entsprechende Verurteilung käme allein die geständige Einlassung des Angeklagten in der Beschuldigtenvernehmung vom 30.10.2018 (vgl. oben 1.b., S. 264) in Betracht.
1944
a. Jedoch hat das Schwurgericht aus den oben unter C.III.1. (S. 97 ff.) dargelegten Gründen insgesamt seine Feststellungen nur insoweit auf die Einlassungen des Angeklagten gestützt, als diese eine Bestätigung in anderen Beweismitteln finden und mit den übrigen Beweisergebnissen im Einklang stehen. Auf die dortigen Ausführungen wird umfassend Bezug genommen.
1945
Im Fall F gibt es außerhalb der Einlassung des Angeklagten keine Beweismittel, welche die Einlassung des Angeklagten bestätigen würden. Es gibt keine anderen Beweisergebnisse, welche den tragfähigen Rückschluss zuließen, dass dem Patienten F kurz vor seinem Tod Insulin verabreicht worden wäre.
1946
b. Darüber hinaus lässt sich die Einlassung des Angeklagten zur Tatzeit nicht mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen. Auch seine Angaben zum Verhalten der Ehefrau des Patienten in Gegenwart von deren Tochter B sowie zu seiner behaupteten Beschwerde über das Verhalten des Patienten F sind durch die Ergebnisse der Beweisaufnahme widerlegt.
1947
(1) Die Angaben des Angeklagten zur Tatzeit stehen in Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen.
1948
(a) Aus den Angaben des Angeklagten zu seinem Tatmotiv und zum Nachtatgeschehen ergibt sich, dass der Angeklagte eine Tatzeit „am nächsten Morgen“ - mithin am 06.07.2017 - gegen 09:00 Uhr oder später behauptete (vgl. hierzu oben 1.b(3), S. 264).
1949
(b) Tatsächlich verstarb F am Morgen des 06.07.2017 bereits zwischen 06:00 Uhr und 07:00 Uhr. Schon um 07:17 Uhr setzte M, die Nachbarin des Ehepaars Feiler, den Notruf ab (vgl. oben II., S. 260). Die Grundlagen für diese Feststellungen des Schwurgerichts wurden oben unter 3. (S. 266) zusammengefasst skizziert.
1950
(2) Die Behauptungen des Angeklagten zum Verhalten von E in Gegenwart ihrer Tochter, zur Äußerung, wonach der Angeklagte die 24. Betreuungskraft im Haushalt F sei, sowie zu seiner Beschwerde über das Verhalten des Patienten F sind durch die glaubhaften Angaben der Zeugin B widerlegt.
1951
(a) Der Angeklagte behauptete, bei seiner Ankunft habe die Ehefrau des Patienten ihre Tochter B angeschrien. Auch ihn, den Angeklagten, habe Erika F mit den Worten „Wer bist du denn? Hau ab, du …Sau!“ angeschrien. B habe ihm gegenüber unter anderem geäußert, dass er die 24. Betreuungskraft im Haushalt des Patienten F sei (vgl. oben 1.b(2), S. 264).
1952
„Am nächsten Morgen“ - dies wäre am Morgen des 06.07.2017 - habe er B per Kurznachricht darüber informiert, dass F ihn mit Wasser überschüttet habe (vgl. oben 1.b(4), S. 265).
1953
(b) Den glaubhaften Angaben der Zeugin B zufolge habe E bei der Ankunft des Angeklagten weder sie, die Zeugin, noch den Angeklagten angeschrien. E habe sich in Gegenwart der Zeugin in keiner Weise aggressiv gegenüber dem Angeklagten verhalten (vgl. oben 3.c., S. 266).
1954
Der Angeklagte habe sich gegenüber der Zeugin B zu keinem Zeitpunkt über das Verhalten ihrer Eltern ihm gegenüber geäußert und habe sich insbesondere weder mündlich noch per Kurznachricht über deren Verhalten bei ihr beschwert (vgl. oben 3.c., S. 266).
1955
Auch habe die Zeugin B ihren glaubhaften Angaben zufolge gegenüber dem Angeklagten nicht geäußert, dass dieser die 24. Betreuungskraft im Haushalt ihres Vaters sei, zumal der Angeklagte tatsächlich die erste 24-Stunden-Betreuungskraft gewesen sei (vgl. oben 3.c., S. 266).
1956
c. Überdies ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte, nachdem ihm am 24.01.2017 erstmals Insulin verschrieben worden war, jedem Patienten, bei dem er in der Folge tätig war, Insulin verabreicht hätte.
1957
Der Angeklagte war nach der erstmaligen Verordnung von Insulin in insgesamt 34 Privathaushalten beschäftigt, in denen er mindestens eine Nacht verbrachte und nicht schon am Tag seiner Ankunft wieder abreiste (vgl. oben B., S. 14 ff.). Nur bei 12 dieser 34 Einsatzstellen bejahte die Staatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht. Bei allen übrigen Einsatzstellen ergaben sich im Rahmen der umfangreichen und sorgfältig geführten kriminalpolizeilichen Ermittlungen keine Hinweise auf eine etwaige Verabreichung von Insulin durch den Angeklagten. Insbesondere zeigten sich bei den übrigen Patienten während des Aufenthalts des Angeklagten keine relevanten gesundheitlichen Auffälligkeiten. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter C.III.2.c. (S. 108) umfassend Bezug genommen.
1958
d. Nach alledem konnte sich das Schwurgericht nicht mit dem für eine Verurteilung erforderlichen Maß an Sicherheit davon überzeugen, dass die geständige Einlassung des Angeklagten zumindest im Kern der Wahrheit entspräche und der Angeklagte dem Patienten F zeitnah vor dessen Tod Insulin verabreicht hätte.
1959
Zwar erachtet die Strafkammer dies durchaus für möglich, jedoch fehlt es für diese Schlussfolgerung an hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkten. Vielmehr ist es nach der Überzeugung des Schwurgerichts ebenso möglich, dass der Angeklagte insoweit seine Einlassung - wie auch an einer anderen Stelle der Beschuldigtenvernehmung vom 30.10.2018 (vgl. hierzu oben C.III.1.g., S. 106) - lediglich an die tatsächlichen oder vermeintlichen Tatvorwürfe der Ermittlungsbehörden anpasste.
1960
Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass sich der Angeklagte in zwei anderen Punkten nachweislich zu Unrecht selbst belastete und insoweit ein überschießendes Geständnis ablegte (vgl. hierzu oben C.III.1.e., S. 98 ff.). Darüber hinaus bestätigte der Angeklagte in zwei Punkten Vorhalte und Vorwürfe des Vernehmungsbeamten, obwohl diese nicht den Tatsachen entsprachen (vgl. hierzu oben C.III.1.f., S. 102).
1961
In beiden Aspekten kommt nach der Überzeugung der Strafkammer zum einen das Bemühen des Angeklagten, den Vernehmungsbeamten als Repräsentanten der Ermittlungsbehörden für sich einzunehmen, und zum anderen eine gewisse Bequemlichkeit des Angeklagten zum Ausdruck (vgl. hierzu oben C.III.1.e(3), S. 102). Beides erachtet das Schwurgericht auch als mögliches Motiv für ein falsches Geständnis des Angeklagten im Fall Feiler.
1962
I. Aufgrund der im Fall F nach einer umfassenden Gesamtwürdigung verbleibenden Zweifel der Strafkammer an der Schuld des Angeklagten war dieser nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
Freispruch im Fall A (Ziffer 6 der Anklageschrift)
1963
Soweit dem Angeklagten der Tatvorwurf des Mordes (§ 211 StGB) zum Nachteil von A zur Last lag, war der Angeklagte nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
1964
Dem Angeklagten lag zur Last, A heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen getötet zu haben, § 211 Abs. 1, Abs. 2 Var. 4 und 5 StGB.
1965
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt am „25.07.2018“ (Anmerkung: Auf das offensichtliche Schreibversehen hinsichtlich des Datums, gemeint war der 25.07.2017, wurde hingewiesen.) zwischen 21:00 Uhr und 22:00 Uhr soll der Angeklagte der damals „87-jährigen“, schlafenden Patientin A in deren Haus in …, drei bis vier Mal jeweils 40 „mg“ (Anmerkung: tatsächlich gemeint: 40 I.E.) Insulin in den Arm injiziert haben, um hierdurch einen akut behandlungsbedürftigen Zustand mit notwendigem Krankenhausaufenthalt der Geschädigten hervorzurufen und infolgedessen die Einsatzstelle sofort verlassen zu können, ohne Gefahr zu laufen, bei seinem Vertragspartner als unzuverlässig und vertragsbrüchig zu gelten und damit seinem Ruf im Kreis der Vermittlungsagenturen zu schaden.
1966
Bei der Verabreichung des Insulins an die Patientin habe der Angeklagte einen tödlichen Ausgang für möglich gehalten und diesen billigend in Kauf genommen. Das Leben der Patientin sei dem Angeklagten gleichgültig gewesen.
1967
A habe zum Zeitpunkt der Insulinverabreichung geschlafen, nachdem sie sich vertrauensselig zu Bett begeben gehabt habe. Sie habe in ihrem Haus nicht mit einem Angriff auf ihr Leben gerechnet, weshalb sie sich dessen auch nicht effektiv habe erwehren können. Der Angeklagte habe dies bewusst zur Tatbegehung ausgenutzt, zumal ihm bewusst gewesen sei, dass A nur orale Medikamente zu sich genommen habe und sich deshalb in wachem Zustand vom Angeklagten nichts hätte spritzen lassen. Dabei habe der Angeklagte zudem seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche über das Lebensrecht der Patientin gestellt.
1968
A habe an Herzrhythmusstörungen, Demenz, einem Magenulkus sowie an einem nichtinsulinpflichtigen Diabetes gelitten, was der Angeklagte gewusst habe. Die Medikamente für die Patientin seien jeweils als Tagesdosis von der Sozialstation bereitgestellt geworden.
1969
Der Angeklagte sei vertraglich ab 25.07.2017 als 24-Stunden-Betreuungskraft für A eingesetzt gewesen, jedoch bereits am Nachmittag des 24.07.2017 angereist. Am Tag seiner Ankunft sei er von seiner Vorgängerin W, die am 25.07.2017 abgereist sei, in seine Aufgaben eingewiesen und über die Erkrankungen sowie den Tagesablauf der Patientin informiert worden. Dem Angeklagten habe die Einsatzstelle bei A nicht zugesagt, da dort kein Internetanschluss vorhanden gewesen sei und der Angeklagte zudem bereits kurz nach seiner Ankunft erkannt habe, dass es in dem Haus keine stehlenswerten Wertgegenstände gegeben habe, nachdem diese von den Angehörigen der Patientin im Vorfeld vorsorglich entfernt worden seien.
1970
Der Vertrag des Angeklagten mit der … Agentur „W Service“ vom 18.07.2017 habe eine ordentliche Kündigungsfrist von einer Woche vorgesehen.
1971
Nach der Verabreichung des Insulins habe der Angeklagte das Haus der Patientin nach stehlenswerten Gegenständen durchsucht und bis auf eine kleine Uhr in einem Schrank im Zimmer der Patientin nichts gefunden. Anschließend habe sich der Angeklagte zu Bett begeben.
1972
A sei zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen dem 25.07.2017, 22:00 Uhr, und den frühen Morgenstunden des 26.07.2017 infolge der Verabreichung von Insulin durch den Angeklagten verstorben. Als der Angeklagte am Morgen des 26.07.2017 nach A gesehen habe, sei diese bereits tot gewesen.
1973
Am 26.07.2017 um 07:30 Uhr habe der Angeklagte den Sohn der Patientin, G, telefonisch über den Tod von A informiert. Der um 08:11 Uhr vor Ort eingetroffene Notarzt G habe nur noch den Tod der Patientin feststellen können. Bei seiner Abreise in der Nacht auf den 27.07.2017 habe der Angeklagte die Uhr der Patientin mitgenommen, um diese dauerhaft für sich zu behalten.
1974
Im Hauptverhandlungstermin am 22.09.2020 hat die Strafkammer mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft unter anderem den Tatvorwurf des Diebstahls zum Nachteil von A (Ziffer 6 der Anklageschrift) gemäß § 154a Abs. 2 StPO ausgeschieden und darauf hingewiesen, dass der ausgeschiedene Tatvorwurf sowohl bei der Beweiswürdigung als auch bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden kann.
1975
Vom 12. bis 19.05.2017 befand sich die 88-jährige Patientin A notfallmäßig wegen einer Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt aus einem „breitstieligen riesigen“ Magenpolypen stationär im Klinikum …. Die Blutung führte zu einem erheblichen Blutverlust mit hämorrhagischem Schock und einem Absinken des Hämoglobin-Werts bis auf 5,6 mg/dl, was die Transfusion von sechs Erythrozytenkonzentraten und vier Packungen Fresh Frozen Plasma erforderlich machte. Aufgrund eines im November 2016 erlittenen Schlaganfalls musste A mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten behandelt werden, was mit einer erhöhten Blutungsneigung einherging. Bei einer im Krankenhaus durchgeführten Gastroskopie zeigte sich, dass sich in unmittelbarer Nähe des blutenden Magenpolypen ein weiterer großer flacher Magenpolyp befand.
1976
A litt darüber hinaus an Demenz, Hypertonie, koronarer Herzkrankheit und Herzrhythmusstörungen in Form von Vorhofflimmern. Zudem wies A chronische Wunden und Geschwüre im Bereich beider Unterschenkel und Füße auf, wobei ein Geschwür am linken Unterschenkel besonders groß war.
1977
A., die vor dem Krankenhausaufenthalt in einer Einrichtung zur Kurzzeitpflege untergebracht war, wurde am 19.05.2017 nach Hause entlassen. In ihrem Haus in …, wurde sie fortan von einer weiblichen 24-Stunden-Betreuungskraft, welche die Tochter der Patientin, P, über die Vermittlungsagentur „Da24h“ organisiert hatte, betreut.
1978
Ende Mai 2017 traten bei A Durchfälle auf, zu deren symptomatischer Behandlung ihr von ihrem Hausarzt Dr. G am 29.05.2017 der Wirkstoff Loperamid verschrieben wurde. Überdies stürzte A mehrfach, was wegen ihrer Behandlung mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten zu multiplen Hämatomen am ganzen Körper - unter anderem zu einem sehr großen Hämatom mit Riss-Quetsch-Wunde am linken Oberschenkel - führte und mit einem erheblichen Blutverlust einherging.
1979
A musste sich deshalb vom 04. bis 17.06.2017 einem weiteren stationären Aufenthalt im Klinikum … unterziehen. Der durch die Hämatome erlittene Blutverlust führte zu einem Absinken des HämoglobinWerts bis auf 6,5 mg/dl, was erneut die Transfusion von Fremdblutprodukten - diesmal von zwei Erythrozytenkonzentraten und einer Packung Fresh Frozen Plasma - erforderlich machte.
1980
Zudem wurde bei A eine durch Bakterien vom Stamm „Clostridium difficile“ verursachte Darmentzündung diagnostiziert, welche bis 23.06.2017 durch die Gabe des Antibiotikums Metronidazol therapiert wurde. Hierunter kam es zu einer Normalisierung des Stuhlgangs.
1981
Nach ärztlicher Einschätzung hätten die beiden großen Magenpolypen, von denen der eine die Magenblutung im Mai 2017 verursacht hatte, eigentlich operativ entfernt werden müssen. Jedoch wurde eine Operation von den Angehörigen der Patientin gegenüber den behandelnden Krankenhausärzten unter Berufung auf den mutmaßlichen Willen der dementen, multimorbiden 88-jährigen Patientin, die dauerhaft einen deutlich reduzierten Allgemeinzustand aufwies, abgelehnt.
1982
Bei A bestand ferner eine Erkrankung an Diabetes mellitus, die allerdings zuletzt nicht mehr aktiv war. Die während der beiden stationären Krankenhausaufenthalte im Mai und Juni 2017 erhobenen Blutzuckerwerte lagen allesamt ebenso im Normbereich wie der Langzeit-Blutzuckerwert HbA1c mit einem Wert von 5,0%. Die Diabetes-Erkrankung war bei A spätestens im Januar 1994 diagnostiziert und ab dem Jahr 1996 bis Ende des Jahres 2012 mit Insulin behandelt worden. Danach wurden ihr lediglich orale Antidiabetika, überwiegend das Medikament Januvia®, verordnet.
1983
Bei einem Hausbesuch am 26.06.2017 gewann der Hausarzt der Patientin, Dr. G, den Eindruck, dass der chronisch deutlich reduzierte Allgemeinzustand der Patientin A in weiterem Abbau begriffen war. A, die in der Vergangenheit nie aggressiv oder beleidigend ihrem Hausarzt gegenüber aufgetreten war, verhielt sich auch bei diesem Hausbesuch ruhig und unauffällig.
1984
Auch die Pflegekräfte der Sozialstation …, die in der ersten Zeit zweimal täglich und zuletzt nur noch morgens die ambulante pflegerische Versorgung der Patientin einschließlich der Medikamentengabe durchführten, hatten A bis zuletzt nie aggressiv oder beleidigend erlebt.
1985
In der ersten Julihälfte 2017 kam es zu einer Auswechslung der 24-Stunden-Betreuungskraft und eine andere weibliche Betreuungskraft übernahm die häusliche Betreuung der Patientin. Im Laufe des Juli 2017 traten bei A erneut Durchfälle auf.
1986
Am 21.07.2017 wandte sich die Tochter der Patientin, P, telefonisch an den Hausarzt Dr. G mit der dringenden Bitte, die Durchfallerkrankung ihrer Mutter zu behandeln. Die Dringlichkeit ihrer Bitte unterstrich P mit der Äußerung, dass nunmehr bereits die zweite Präsenzkraft wegen der Durchfälle ihrer Mutter gekündigt habe. Hierauf verschrieb Dr. G erneut den in Kapselform erhältlichen Wirkstoff Loperamid zur symptomatischen Durchfallbehandlung und ordnete an, dass der Patientin zweimal täglich eine Kapsel hiervon verabreicht werden solle. Falls im Verlauf der medikamentösen Behandlung der Stuhlgang bei A ausbleibe, solle das Medikament abgesetzt werden. Im Falle des erneuten Auftretens von Durchfällen solle das Medikament erneut in der verordneten Dosierung verabreicht werden.
1987
Ebenfalls am 21.07.2017 arrangierten die beiden Kinder von A ein Treffen der gesamten Familie zum Kaffeetrinken bei ihrer Mutter. A nahm hieran im Rahmen ihrer Demenzerkrankung regen Anteil, strahlte Fröhlichkeit aus und erfreute sich insbesondere an ihren Enkelkindern.
1988
Als die zweite weibliche Betreuungskraft kurzfristig um ihre Ablösung gebeten hatte, wurde der Angeklagte über die Agentur „Da24h“ als 24-Stunden-Betreuungskraft für A vermittelt. Bei seiner Ankunft im Haushalt der Patientin A in …, am späten Nachmittag des 24.07.2017 traf der Angeklagte seine Vorgängerin an, die im Laufe des darauffolgenden Tages abreiste. Keine der beiden weiblichen 24- Stunden-Betreuungskräfte hatte sich jemals über das Verhalten von A bei deren Tochter P beschwert.
1989
Als die Pflegekraft S von der Sozialstation … am Morgen des 25.07.2017 die pflegerische Versorgung bei A durchführte, stellte sich ihr die gesundheitliche Verfassung der Patientin - deren reduziertem Allgemeinzustand entsprechend - unauffällig dar. Auch P, die am 25.07.2017 etwa im Zeitraum von 14:00 Uhr bis 14:45 Uhr ihre Mutter besuchte, bemerkte an A keine gesundheitlichen Auffälligkeiten und erlebte sie in einer ähnlichen Verfassung wie bei ihrem vorangegangenen Kontakt vier Tage zuvor.
1990
Während ihres Besuchs bei ihrer Mutter traf P auch erstmals auf den Angeklagten, der sich bei ihr darüber beschwerte, dass kein Fleisch im Kühlschrank vorhanden sei. Daraufhin stellte P dem Angeklagten einen gemeinsamen Einkauf am nächsten Tag in Aussicht. Weder bei diesem Kontakt noch zu einem anderen Zeitpunkt äußerte sich der Angeklagte gegenüber P über das Verhalten der Patientin A ihm gegenüber und brachte insbesondere auch keine diesbezügliche Beschwerde an. In Gegenwart ihrer Tochter verhielt sich A dem Angeklagten gegenüber völlig ruhig und unauffällig.
1991
Nachdem P am 25.07.2017 gegen 14:45 Uhr wieder gefahren war, war der Angeklagte mit A allein. Im Zeitraum zwischen dem 25.07.2017 nach 14:45 Uhr und dem 26.07.2017 vor 07:30 Uhr verstarb A an einer unbekannten Todesursache.
1992
Nachdem der Angeklagte den Tod von A bemerkt hatte, verständigte er am Morgen des 26.07.2017 gegen 07:30 Uhr telefonisch P vom Tod ihrer Mutter und versuchte auch, telefonisch den Sohn der Patientin, G, unter dessen Festnetzanschluss zu erreichen. Dort meldete sich dessen Ehefrau, die vom Angeklagten ebenfalls die Todesnachricht erhielt und G hierüber informierte.
1993
Darüber hinaus setzte der Angeklagte gegen 08:00 Uhr einen Notruf ab. Der hierauf um 08:08 Uhr alarmierte Notarzt G traf um 08:11 Uhr bei A ein und konnte nur noch deren Tod feststellen. Es lag bereits eine nicht mehr näher beschreibbare Totenstarre vor.
1994
Als P ebenfalls vor Ort eingetroffen war, teilte sie dem Notarzt auf dessen Befragung hin mit, dass ihre Mutter an einem Magenulkus (Magengeschwür), chronischen Wunden und Geschwüren an den Beinen, Diabetes, Demenz sowie Herzrhythmusstörungen gelitten habe und bettlägerig gewesen sei. Ferner vermittelte P dem Notarzt, dass der Tod ihrer Mutter im Hinblick auf deren Vorerkrankungen und Lebensalter für sie nicht überraschend gekommen sei.
1995
Wegen der urlaubsbedingten Abwesenheit des Hausarztes Dr. G übernahm der Notarzt G auch das Ausstellen der Todesbescheinigung. Darin führte er auf der Grundlage der von P erhaltenen Informationen, welche der Notarzt als plausibel und schlüssig erachtete, als vermutete unmittelbare Todesursache Herzversagen und Herzrhythmusstörungen als Folge von multiplen Vorerkrankungen bei einem Schwerstpflegefall an.
1996
Da er zudem am Leichnam von A keine Auffälligkeiten bemerkte, dokumentierte der Notarzt G das Vorliegen eines natürlichen Todes und führte als Begründung hierfür an, dass keine Hinweise auf Fremdeinwirkung vorlägen und der Tod altersbedingt zu erwarten gewesen sei. Angesichts dessen sah sich der Notarzt G auch nicht dazu veranlasst, weitere Maßnahmen wie etwa eine Blutuntersuchung in die Wege zu leiten. Der Notarzt G unterließ auch eine gründliche Untersuchung der Leiche einschließlich der Inspektion sämtlicher Körperöffnungen, da der Tod von A auf ihn angesichts des Lebensalters der Patientin, der erhaltenen Informationen zu ihren Vorerkrankungen sowie des Zustands und Erscheinungsbildes des Leichnams insgesamt völlig unauffällig wirkte.
1997
Im weiteren Verlauf äußerte der Angeklagte in Anwesenheit der beiden Kinder der Patientin, dass er möglichst bald abreisen wolle. Dies begründete der kinderlose Angeklagte mit der bewusst wahrheitswidrigen Behauptung, dass er ein krankes Kind in Berlin habe, um welches er sich kümmern müsse.
1998
In allseitigem Einverständnis reiste der Angeklagte in der Nacht auf den 27.07.2017 ab. Dabei ließ er in dem von ihm bewohnten Zimmer auf dem Boden unter dem Bett eine leere Patrone des ihm von seinem Arzt verschriebenen Insulin-Präparats „Gensulin M30 (30/70)“ sowie auf dem Kleiderschrank eine Insulin-Pen-Nadel mit Schutzhülle zurück.
1999
Der Leichnam von A wurde erdbestattet. Im Zuge der gegen den Angeklagten geführten Ermittlungen im hiesigen Verfahren wurde der Leichnam nach einer knapp achtmonatigen Liegezeit im Erdgrab am 14.03.2018 exhumiert und am selben Tag im Institut für Rechtsmedizin der Universität München obduziert. Die Todesursache konnte hierbei nicht festgestellt werden, wobei die Befunderhebung sowohl äußerlich als auch innerlich durch weit fortgeschrittene Fäulnisveränderungen erheblich erschwert war.
2000
Allerdings belegten die Obduktionsbefunde eine deutliche, zum Teil stark einengende Koronarsklerose. Die linke absteigende Herzkranzschlagader war ab der Gabelung in ein kalkstarres Rohr umgewandelt, welches auf einer Länge von etwa 1 cm keine darstellbare Lichtung aufwies. Das Blutgefäß war mithin durch Kalkablagerungen auf einer Länge von etwa 1 cm so stark verengt, dass sich ein ausreichender Gefäßdurchmesser für den Blutdurchfluss jedenfalls nicht mehr darstellen ließ. Auch die linke umschlingende Herzkranzschlagader war in ein langstreckiges, kalkstarres, enges Rohr umgewandelt, wobei sich im Bereich der Herzvorderwand ebenfalls keine Lichtung mehr darstellen ließ. Die rechte Herzkranzschlagader wies ebenfalls ausgeprägte wandständige Verkalkungen, jedoch ohne hochgradige Einengungen des Gefäßes, auf. Auch an der Aortenklappe zeigten sich Kalkeinlagerungen.
2001
Ferner war bei der Obduktion das Vorliegen einer hochgradigen Aortensklerose erkennbar. Die Brust- und Bauchschlagader wies ausgedehnte, flächenhafte, „eierschalenartige“ Kalkeinlagerungen sowie infolgedessen einen relativ geringen freien Gefäßdurchmesser auf.
2002
Darüber hinaus fand sich im Dickdarm „Teerstuhl“ als Zeichen einer Blutung im Magen-Darm-Trakt, welche vor dem Eintritt des Todes von selbst zum Stillstand gekommen war. Diese Blutung hatte jedoch bereits zu einem ganz erheblichen Blutverlust geführt, was sich an einer auffälligen Blässe der Leichenhaut sowie der inneren Organe, insbesondere der Nieren, zeigte. Auch ein großer Gallenstein ließ sich nachweisen.
2003
Ferner wurde bei der Obduktion an der Außenseite des rechten Oberarms, etwa 10 cm unterhalb der Schulterhöhe, eine schwarzrötlich erscheinende punktförmige Veränderung mit einer mutmaßlichen kleinen Blutkrustenbildung gefunden, welche von den Obduzenten als „durchaus nicht unwahrscheinliche Injektionsstelle“ beurteilt wurde. Bei einer feingeweblichen Zusatzuntersuchung dieser mutmaßlichen Injektionsstelle zeigte sich jedoch, dass diese frei von jeglicher Unterblutung war und es sich mithin lediglich um eine punktförmige Verfärbung der Haut und nicht um eine Injektionsstelle handelte.
2004
Im Rahmen der Suche nach etwaigen Injektionsstellen fielen bei der Obduktion darüber hinaus drei punktförmige schwärzliche Hautverfärbungen an der Vorderseite des rechten Oberschenkels auf mittlerer Höhe sowie eine punktförmige Veränderung an der Außenseite des linken Oberarms auf. Allerdings war an diesen vier Stellen schon bei der Betrachtung mit der Stereolupe erkennbar, dass es sich nicht um punktförmige Hautdurchtrennungen handelte, weshalb auf weitergehende feingewebliche Zusatzuntersuchungen verzichtet wurde.
2005
Bei der toxikologischen Untersuchung diverser Proben - Blut aus der Lungenvene, Fäulnisflüssigkeit aus der Brusthöhle, Gewebeproben im Bereich der punktförmigen Hautveränderungen am rechten und linken Oberarm wie auch am rechten Oberschenkel sowie Glaskörper-Extrakt beider Augen - wurden weder Insulin noch Insulinanaloga nachgewiesen.
2006
Durch die toxikologische Untersuchung von Mageninhalt, Blut aus der Lungenvene, einer Gewebeprobe der Leber sowie von Fäulnisflüssigkeit aus der Brusthöhle wurde nachgewiesen, dass Gisela A die ihr ärztlicherseits verordneten Wirkstoffe Citalopram, Melperon, Oxycodon, Metamizol, Allopurinol, Simvastatin, Pantoprazol und Loperamid aufgenommen hatte, wobei sich keine auffällig hohen Wirkstoffkonzentrationen fanden. Darüber hinaus ließ sich in einer sehr niedrigen Wirkstoffkonzentration die schlafanstoßend und beruhigend wirkende Substanz Quetiapin (Seroquel®) nachweisen, welche Gisela A von ihrem Hausarzt nicht verordnet worden war.
2007
1. Der Angeklagte gab Einlassungen zur Sache ab.
2008
a. In der Hauptverhandlung gab der Angeklagte lediglich, wie oben unter C.II.1. (S. 63) dargelegt, in seinem letzten Wort eine Erklärung ab. Auf die dortigen Ausführungen wird umfassend Bezug genommen.
2009
b. Im Ermittlungsverfahren äußerte sich der Angeklagte in der Beschuldigtenvernehmung am 30.10.2018 zum Tatvorwurf des Mordes zum Nachteil von A.
2010
Wie der Zeuge KHK P glaubhaft berichtete, habe der Angeklagte hierbei zusammengefasst folgende Angaben gemacht:
2011
(1) Seinen auch insoweit glaubhaften Angaben zufolge habe KHK P dem Angeklagten unter Vorlage von Lichtbildern der Patientin zunächst vorgehalten, dass sich der Angeklagte nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis vom 24. bis 27.07.2017 bei der Patientin A in … aufgehalten habe.
2012
(2) Zu seiner Ankunft im Haushalt der Patientin A habe der Angeklagte berichtet, dass er seine Vorgängerin angetroffen habe, welche seit weniger als zwei Wochen dort gewesen sei. Diese habe ihm erzählt, dass A ihr gegenüber sehr aggressiv gewesen sei und sie angespuckt, geschlagen und weggestoßen habe. Seine Vorgängerin habe zudem geäußert, dass sie mit Sicherheit nicht mehr zu der Patientin zurückkehren werde, da diese „ihr zu den Ohren [he]raushäng[e]“.
2013
Als er, der Angeklagte, die Patientin begrüßt habe, habe diese ihn sofort angeschrien. A habe geäußert, dass sie niemanden im Haus haben wolle, habe ihn aufgefordert, ihr Haus zu verlassen, und ihn gefragt, wer er sei. Daraufhin habe er sich vorgestellt.
2014
(3) Nach der Abreise seiner Vorgängerin habe A zweimal ein Glas nach ihm, dem Angeklagten, geworfen, ihn angeschrien und aufgefordert, ihre Angehörigen telefonisch herbeizurufen. Er sei dieser Aufforderung nachgekommen. Als die Angehörigen der Patientin gekommen seien, habe A ihn angeschrien und beleidigt. Daraufhin habe die Tochter der Patientin ihn aufgefordert, sich in seinen Wohnbereich zurückzuziehen. Nach ein bis zwei Stunden habe der Ehemann der Zeugin P ihm mitgeteilt, dass dessen Ehefrau und er die Patientin gebeten hätten, sich ihm gegenüber ruhig zu verhalten.
2015
(4) Nachdem die Angehörigen der Patientin wieder weggefahren seien, habe A ihn, den Angeklagten, am zweiten Abend seines dortigen Aufenthalts erneut angeschrien, ihn unter anderem mit den Worten „du … Sau“ beleidigt und eine Teetasse nach ihm geworfen. Anschließend habe er telefonisch die Zeugin P über den Vorfall informiert, woraufhin diese geäußert habe, dass sie nicht noch einmal kommen könne.
2016
(5) Zum objektiven Tatvorwurf habe der Angeklagte angegeben, dass er am zweiten Abend seines Aufenthalts im Haushalt A gegen 21:00 Uhr / 22:00 Uhr der Patientin drei- bis viermal je 40 „mg“ Insulin in den Arm verabreicht habe. Zu diesem Zeitpunkt sei die Patientin im Bett gelegen.
2017
(6) Zu seinem Tatmotiv habe der Angeklagte angegeben, dass er aufgrund der gesamten Situation „gestresst und genervt“ gewesen sei.
2018
(7) Im Hinblick auf die subjektive Tatseite im Übrigen habe der Angeklagte jegliche Tötungsabsicht bestritten. Er habe nur gewollt, dass A ruhiger werde und einschlafe, weil sie Tag und Nacht geschrien und ihn beleidigt habe.
2019
(8) Zum Nachtatgeschehen habe der Angeklagte angegeben, dass er sich nach den Insulin-Injektionen in seinem Zimmer schlafen gelegt habe. Als er wieder aufgewacht sei, habe er gegen 03:00 Uhr / 04:00 Uhr nach A gesehen und festgestellt, dass diese nicht mehr lebe. Daraufhin habe er telefonisch den Rettungsdienst und die Angehörigen verständigt, welche anschließend eingetroffen seien. Der ebenfalls eingetroffene Arzt habe keine Rettungsmaßnahmen eingeleitet, sondern lediglich festgestellt, dass die Patientin nicht mehr lebe.
2020
Die Chefin der Vermittlungsagentur sei von den Angehörigen über den Tod der Patientin informiert worden und habe daraufhin ihm, dem Angeklagten, telefonisch mitgeteilt, dass die Angehörigen der Patienten seine Abreise am nächsten Tag wünschten.
2021
Nachdem der Leichnam von A am Abend gegen 19:00 Uhr / 20:00 Uhr von einem Bestattungsunternehmen abgeholt worden sei, habe er, der Angeklagte, deren Angehörige auf die Aggressivität der Patientin ihm gegenüber angesprochen. Hierauf habe die Zeugin P mit einer abwinkenden Handbewegung geäußert, dass ihnen dies schon bekannt sei und er am nächsten Tag nach Hause fahren solle.
2022
(9) Im Hinblick auf den Tatvorwurf des Diebstahls habe der Angeklagte angegeben, dass er aus einem Schrank in dem Zimmer, in welchem sich das Bett der Patientin befunden habe, eine kleine, schwarze Armbanduhr ohne Armband entwendet habe. Ansonsten habe sich im Haus der Patientin A, welches er durchsucht habe, nichts Wertvolles befunden. Bei seinem späteren Versuch, die Uhr in einem Pfandleihhaus in … zu veräußern, sei ihm mitgeteilt worden, dass diese wertlos sei. Daraufhin habe er, der Angeklagte, die Uhr weggeworfen.
2023
2. Aus den oben unter C.III.1. (S. 97 ff.) dargelegten Gründen hat das Schwurgericht insgesamt seine Feststellungen nur insoweit auf die Einlassungen des Angeklagten gestützt, als diese eine Bestätigung in anderen Beweismitteln finden und mit den übrigen Beweisergebnissen im Einklang stehen. Auf die dortigen Ausführungen wird umfassend Bezug genommen.
2024
Die Einlassungen des Angeklagten zum Verhalten der Patientin A ihm gegenüber, zu den Ereignissen nach der Abreise seiner Vorgängerin, zu seinem Anruf bei der Zeugin P am zweiten Abend seines Aufenthalts sowie zum Nachtatgeschehen lassen sich nicht mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen (vgl. hierzu unten 5.b., S. 299).
2025
3. Der oben unter II. (S. 274 ff.) festgestellte Sachverhalt beruht auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
2026
a. Die Feststellungen zu den beiden stationären Krankenhausaufenthalten der Patientin A im Mai und Juni 2017 sowie zu den hierbei erhobenen Diagnosen zu ihrem Gesundheitszustand stützen sich auf die Angaben des Chefarztes des Klinikums …, Dr. K.
2027
Der sachverständige Zeuge Dr. K berichtete, dass sich die 88-jährige Patientin A zunächst vom 12. bis 19.05.2017 notfallmäßig wegen einer Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt aus einem „breitstieligen riesigen“ Magenpolypen stationär im Klinikum … befunden habe. Die Blutung habe zu einem erheblichen Blutverlust mit hämorrhagischem Schock und einem Absinken des Hämoglobin-Werts bis auf 5,6 mg/dl geführt, was die Transfusion von sechs Erythrozytenkonzentraten und vier Packungen Fresh Frozen Plasma erforderlich gemacht habe. Aufgrund eines im November 2016 erlittenen Schlaganfalls habe A mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten behandelt werden müssen, was mit einer erhöhten Blutungsneigung einhergegangen sei. Bei einer Gastroskopie habe sich gezeigt, dass sich in unmittelbarer Nähe des blutenden Magenpolypen ein weiterer großer flacher Magenpolyp befunden habe.
2028
Laut Dr. K habe A darüber hinaus an Demenz, Hypertonie, koronarer Herzkrankheit und Herzrhythmusstörungen in Form von Vorhofflimmern gelitten. Das Vorhofflimmern habe sich im Elektrokardiogramm gezeigt. A habe zudem chronische Wunden und Geschwüre im Bereich beider Unterschenkel und Füße aufgewiesen, wobei ein Geschwür am linken Unterschenkel besonders groß gewesen sei.
2029
Vom 04. bis 17.06.2017 habe sich A einem weiteren stationären Krankenhausaufenthalt unterziehen müssen, nachdem sie mehrfach gestürzt gewesen sei, was wegen ihrer Behandlung mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten zu multiplen Hämatomen am ganzen Körper - unter anderem zu einem sehr großen Hämatom mit Riss-Quetsch-Wunde am linken Oberschenkel - geführt habe und mit einem erheblichen Blutverlust einhergegangen sei. Der durch die Hämatome erlittene Blutverlust habe zu einem Absinken des HämoglobinWerts bis auf 6,5 mg/dl geführt, was erneut die Transfusion von Fremdblutprodukten - diesmal von zwei Erythrozytenkonzentraten und einer Packung Fresh Frozen Plasma - erforderlich gemacht habe.
2030
Dr. K bekundete weiter, dass bei A zudem eine durch Bakterien vom Stamm „Clostridium difficile“ verursachte Darmentzündung diagnostiziert worden sei, welche bis 23.06.2017 durch die Gabe des Antibiotikums Metronidazol therapiert worden sei. Hierunter sei es bereits während des bis 17.06.2017 andauernden Krankenhausaufenthalts der Patientin zu einer Normalisierung des Stuhlgangs gekommen.
2031
Der sachverständige Zeuge erläuterte, dass die beiden große Magenpolypen, von denen der eine die Magenblutung im Mai 2017 verursacht gehabt habe, nach ärztlicher Einschätzung eigentlich hätten operativ entfernt werden müssen. Jedoch sei eine Operation von den Angehörigen der Patientin gegenüber den behandelnden Krankenhausärzten unter Berufung auf den mutmaßlichen Willen der dementen, multimorbiden, 88-jährigen Patientin, die dauerhaft einen deutlich reduzierten Allgemeinzustand aufgewiesen habe, abgelehnt worden.
2032
Wie Dr. K ferner darlegte, sei aus früheren Behandlungsunterlagen bekannt gewesen, dass bei A auch eine Erkrankung an Diabetes mellitus bestanden habe. Diese Krankheit sei allerdings zuletzt nicht mehr aktiv gewesen. Die während der beiden stationären Krankenhausaufenthalte im Mai und Juni 2017 erhobenen Blutzuckerwerte hätten allesamt ebenso im Normbereich gelegen wie der Langzeit-Blutzuckerwert HbA1c mit einem Wert von 5,0%.
2033
Die Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. K waren nachvollziehbar und glaubhaft. Es bestand kein Anlass, den Wahrheitsgehalt seiner ruhig und sachlich gemachten Angaben in Zweifel zu ziehen.
2034
b. Die Feststellungen zu der dem ersten Krankenhausaufenthalt vorangegangenen Kurzzeitpflege und der anschließenden 24-Stunden-Betreuung der Patientin zu Hause durch eine weibliche Betreuungskraft beruhen auf den entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin P. Diese bekundete ebenfalls glaubhaft, dass sie die 24-Stunden-Betreuung für ihre Mutter über die Vermittlungsagentur „Da24h“ organisiert habe.
2035
Im Einklang mit den oben unter a. (S. 281) dargelegten Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. K gab die Zeugin P darüber hinaus glaubhaft an, dass ein Sturz ihrer Mutter zu einem sehr großen Hämatom mit Riss-Quetsch-Wunde am linken Oberschenkel geführt und eine neuerliche Einlieferung ins Krankenhaus erforderlich gemacht habe.
2036
c. Die Feststellungen zu der bei A bestehenden Erkrankung an Diabetes mellitus und deren medikamentöser Behandlung stützen sich auf die Angaben des Hausarztes der Patientin, Dr. G.
2037
Dieser bekundete in Übereinstimmung mit dem sachverständigen Zeugen Dr. K, dass bei A eine Erkrankung an Diabetes mellitus bestanden habe, die allerdings zuletzt nicht mehr aktiv gewesen sei. Die in letzter Zeit erhobenen Blutzuckerwerte einschließlich des LangzeitBlutzuckerwerts HbA1c hätten allesamt im Normbereich gelegen. Die Diabetes-Erkrankung sei bei A spätestens im Januar 1994 diagnostiziert und ab dem Jahr 1996 bis Ende des Jahres 2012 mit Insulin behandelt worden. Danach habe A lediglich orale Antidiabetika, überwiegend das Medikament Januvia®, erhalten, da die Gabe von Insulin nicht mehr erforderlich gewesen sei.
2038
Die ruhig und sachlich gemachten Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. K waren nachvollziehbar und glaubhaft. Für Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben bestand kein Anlass.
2039
d. Die Feststellung, dass Ende Mai 2017 bei A Durchfälle auftraten, zu deren symptomatischer Behandlung ihr von ihrem Hausarzt Dr. G am 29.05.2017 der Wirkstoff Loperamid verschrieben wurde, beruht auf den auch insoweit nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. G.
2040
e. Die Feststellungen zum ärztlichen Hausbesuch am 26.06.2017 sowie zu dem generellen Auftreten von A gegenüber ihrem Hausarzt basieren auf den auch insoweit nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. G.
2041
Demnach habe er, Dr. G, am 26.06.2017 den Eindruck gewonnen, dass der chronisch deutlich reduzierte Allgemeinzustand der Patientin in weiterem Abbau begriffen gewesen sei. A habe sich bei diesem Hausbesuch ruhig und unauffällig verhalten. Auch vorher sei sie nie aggressiv oder beleidigend ihm gegenüber aufgetreten.
2042
f. Die Feststellungen zur ambulanten pflegerischen Versorgung der Patientin durch die Pflegekräfte der Sozialstation … und dazu, dass die Pflegekräfte A bis zuletzt nie aggressiv oder beleidigend erlebt hatten, stützen sich auf die entsprechenden, insoweit übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeuginnen R und S. Beide seien ihren Angaben zufolge als ambulante Pflegekräfte bei der Sozialstation … beschäftigt und hätten über einen langen Zeitraum die pflegerische Versorgung bei A durchgeführt. Sie bekundeten ferner übereinstimmend, dass sie auch aus dem Kollegenkreis nie Beschwerden über das Verhalten der Patientin A gehört hätten.
2043
g. Den Feststellungen zur Auswechslung der 24-Stunden-Betreuungskraft in der ersten Julihälfte 2017 liegen die entsprechenden, auch insoweit glaubhaften Angaben der Zeugin P zugrunde.
2044
h. Die Feststellungen zu den bei A im Laufe des Juli 2017 aufgetretenen Durchfällen und zu deren Behandlung beruhen auf den auch insoweit nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. G.
2045
Dieser berichtete, dass sich die Zeugin P am 21.07.2017 telefonisch an ihn gewandt habe mit der dringenden Bitte, die Durchfallerkrankung ihrer Mutter zu behandeln. Die Dringlichkeit ihrer Bitte habe die Zeugin P mit dem Zusatz unterstrichen, dass nunmehr bereits die zweite Präsenzkraft wegen der Durchfälle ihrer Mutter gekündigt habe.
2046
Wie der sachverständige Zeuge weiter darlegte, habe er hierauf erneut den in Kapselform erhältlichen Wirkstoff Loperamid zur symptomatischen Durchfallbehandlung verschrieben und angeordnet, dass der Patientin zweimal täglich eine Kapsel hiervon verabreicht werden solle. Weiter habe Dr. G seinen Angaben zufolge angeordnet, dass das Medikament abgesetzt werden solle, falls im Verlauf der medikamentösen Behandlung der Stuhlgang bei Gisela A ausbleibe. Im Falle des erneuten Auftretens von Durchfällen habe das Medikament erneut in der verordneten Dosierung verabreicht werden sollen.
2047
i. Den Feststellungen zum Zustand der Geschädigten beim Familientreffen am 21.07.2017 liegen die entsprechenden, übereinstimmenden und glaubhaften Angaben der Zeugen P und G zugrunde.
2048
j. Die Feststellungen zur Vermittlung des Angeklagten und zu dessen Ankunft gründen sich auf die Angaben der Zeugin P.
2049
Diese berichtete, dass die zweite weibliche Betreuungskraft kurzfristig um ihre Ablösung gebeten habe. Daraufhin sei der Zeugin von der Agentur „Da24h“ der Angeklagte als 24- Stunden-Betreuungskraft für A vermittelt worden. Als der Angeklagte am späten Nachmittag des 24.07.2017 im Haushalt der Patientin angekommen sei, sei dessen Vorgängerin noch vor Ort gewesen. Wie die Zeugin P ferner angab, habe sie selbst den Angeklagten erst am frühen Nachmittag des nächsten Tages kennengelernt, als sie ihre Mutter anlässlich der Abreise der Vorgängerin des Angeklagten besucht habe.
2050
Die ruhig und sachlich gemachten Angaben der Zeugin P waren glaubhaft. Es bestand kein Anlass für Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben.
2051
k. Die Feststellungen zum Besuch der Zeugin P bei A am 25.07.2017 etwa im Zeitraum von 14:00 Uhr bis 14:45 Uhr beruhen ebenfalls auf den Angaben der Zeugin P. Wie die Zeugin auch insoweit glaubhaft berichtete, habe sie bei diesem Besuch keine gesundheitlichen Auffälligkeiten an ihrer Mutter bemerkt und sie in einer ähnlichen Verfassung wie bei ihrem vorangegangenen Kontakt vier Tage zuvor erlebt.
2052
Als sie, die Zeugin, während dieses Besuchs erstmals auf den Angeklagten getroffen sei, habe dieser sich bei ihr darüber beschwert, dass kein Fleisch im Kühlschrank vorhanden sei. Laut ihren Angaben habe P dem Angeklagten daraufhin einen gemeinsamen Einkauf am nächsten Tag in Aussicht gestellt.
2053
l. Die Feststellung, dass sich der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Zeugin P über das Verhalten der Patientin A ihm gegenüber äußerte und insbesondere auch keine diesbezügliche Beschwerde anbrachte, stützt die Strafkammer auf die entsprechenden, auch insoweit glaubhaften Angaben der Zeugin P. Demnach habe auch sie, die Zeugin P, nie gegenüber dem Angeklagten geäußert, dass ihr die Aggressivität ihrer Mutter schon bekannt sei.
2054
Laut der Zeugin P habe sich in ihrer Gegenwart A dem Angeklagten gegenüber völlig ruhig und unauffällig verhalten. Wie die Zeugin weiter glaubhaft berichtete, habe sich auch keine der beiden weiblichen 24-Stunden-Betreuungskräfte jemals bei ihr über das Verhalten von A beschwert.
2055
Auch der Zeuge G bekundete glaubhaft, dass der Angeklagte sich ihm gegenüber nie über das Verhalten von A geäußert und ihn insbesondere nie auf deren angebliche Aggressivität angesprochen oder sich hierüber beschwert habe.
2056
m. Die Feststellungen zum Eindruck der Pflegekraft S vom Gesundheitszustand der Patientin A am Morgen des 25.07.2017 beruhen auf den entsprechenden, glaubhaften Angaben der Zeugin S. Diese berichtete, dass sie als Mitarbeiterin der Sozialstation … am 25.07.2017 die Morgenpflege bei A durchgeführt habe. Hierbei habe sich der Zeugin die gesundheitliche Verfassung der Patientin - deren reduziertem Allgemeinzustand entsprechend - unauffällig dargestellt.
2057
n. Die Feststellung, dass der Angeklagte mit A ab etwa 14:45 Uhr am 25.07.2017 allein war, beruht auf einer Gesamtwürdigung der nachfolgenden Beweismittel.
2058
(1) Die Zeugin P bekundete auch insoweit glaubhaft, dass sie am 25.07.2017 gegen 14:45 Uhr das Haus ihrer Mutter verlassen habe und erst nach der vom Angeklagten am nächsten Morgen telefonisch übermittelten Todesnachricht dorthin zurückgekehrt sei. Darüber hinaus boten die Angaben der Zeugin P keine Anhaltspunkte dafür, dass sich nach Kenntnis der Zeugin andere Personen im Zeitraum zwischen dem 25.07.2017 gegen 14:45 Uhr und dem 26.07.2017 gegen 08:00 Uhr bei ihrer Mutter und dem Angeklagten aufgehalten hätten.
2059
(2) Der Zeuge G gab glaubhaft an, dass er den Angeklagten erstmals am Morgen des 26.07.2017 gesehen habe, nachdem er über seine Ehefrau von der vom Angeklagten übermittelten Nachricht vom Tod seiner Mutter Kenntnis erlangt habe. Dies sei zugleich der erste Besuch des Zeugen G im Haus seiner Mutter seit der Ankunft des Angeklagten gewesen.
2060
(3) Den übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeuginnen R und S zufolge hätten die Mitarbeiter der Sozialstation … die Patientin A in der letzten Zeit vor deren Tod nur noch einmal täglich morgens pflegerisch versorgt. Nachdem die Zeugin S die Morgenpflege am 25.07.2017 durchgeführt habe (vgl. oben m., S. 285), sei der nächste Einsatz seitens eines Mitarbeiters der Sozialstation … durch die Zeugin R am nächsten Morgen, dem 26.07.2017, erfolgt.
2061
Wie die Zeugin R auch insoweit glaubhaft angab, habe sie bei ihrem Eintreffen vor Ort am 26.07.2017 von den Angehörigen der Patientin A erfahren, dass A verstorben sei. Dies steht im Einklang mit den Angaben der Zeugin P, wonach sie die Zeugin R über den Tod ihrer Mutter informiert habe, als die Pflegekraft am Morgen des 26.07.2017 im Anwesen ihrer Mutter zur Durchführung der Morgenpflege eingetroffen sei.
2062
(4) Wie der Kriminalbeamte KHK G glaubhaft berichtete, hätten die polizeilichen Ermittlungen keinen Hinweis darauf erbracht, dass sich im Zeitraum nach der Abfahrt der Zeugin P am 25.07.2017 gegen 14:45 Uhr bis zum Eintreffen des Notarztes am 26.07.2017 gegen 08:11 Uhr eine dritte Person bei der Patientin A und dem Angeklagten im Anwesen … aufgehalten hätte.
2063
o. Die Feststellungen zur telefonischen Verständigung der beiden Kinder der Patientin A durch den Angeklagten am Morgen des 26.07.2017 gegen 07:30 Uhr stützt das Schwurgericht auf die Angaben der Zeugen P und G.
2064
(1) Die Zeugin P bekundete auch insoweit glaubhaft, dass sie am Morgen des 26.07.2017 gegen 07:30 Uhr einen Anruf vom Angeklagten erhalten habe, in welchem dieser ihr mitgeteilt habe, dass ihre Mutter tot sei. Ihren Angaben zufolge habe sich die Zeugin P daraufhin zum Haus ihrer Mutter begeben. Bei ihrer Ankunft seien bereits Rettungssanitäter und der Notarzt vor Ort gewesen.
2065
(2) Den auch insoweit glaubhaften Angaben des Zeugen G zufolge habe ihn seine Ehefrau am Morgen des 26.07.2017 an seinem Arbeitsplatz telefonisch darüber informiert, dass sie zu Hause gegen 07:30 Uhr einen Anruf vom Angeklagten erhalten habe, in welchem dieser ihr mitgeteilt habe, dass A tot sei.
2066
Wie der Zeuge G weiter glaubhaft berichtete, sei er daraufhin von seiner Ehefrau an seinem Arbeitsplatz abgeholt worden und habe sich gemeinsam mit ihr zum Haus seiner Mutter begeben. Bei seinem Eintreffen vor Ort seien der Notarzt und die Rettungssanitäter nicht mehr da gewesen.
2067
p. Die Feststellungen zum Notruf des Angeklagten und zum anschließenden Notarzteinsatz beruhen auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
2068
(1) Die Zeugen P und G bekundeten übereinstimmend und glaubhaft, dass weder sie noch ihre jeweiligen Ehegatten einen Notruf abgesetzt oder die Absetzung eines Notrufs durch einen Dritten veranlasst hätten.
2069
(2) Der (sachverständige) Zeuge G berichtete glaubhaft, dass er am 26.07.2017 um 08:08 Uhr als Notarzt alarmiert worden sei und einen Einsatz zum Anwesen in …, erhalten habe. Hieraus schließt die Strafkammer, dass der Notruf des Angeklagten am 26.07.2017 gegen 08:00 Uhr erfolgte.
2070
(3) Der Zeuge KHK G gab glaubhaft an, dass im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen keine Erkenntnisse zu dem der Alarmierung des Notarztes G zugrundeliegenden Notruf gewonnen worden seien.
2071
(4) Nach einer Gesamtwürdigung der unter (1) bis (3) dargelegten Beweisergebnisse und vor dem Hintergrund, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass am 26.07.2017 vor 08:08 Uhr sonst noch jemand Kenntnis vom Tod der Patientin A hatte und möglicherweise einen Notruf absetzte, gelangte die Strafkammer zu der Schlussfolgerung, dass es der Angeklagte gewesen sein muss, der nach der telefonischen Verständigung der beiden Kinder der Patientin A auch noch einen Notruf absetzte.
2072
Dies steht auch im Einklang mit der Einlassung des Angeklagten, der angab, telefonisch den Rettungsdienst und die Angehörigen verständigt zu haben (vgl. oben 1.b(8), S. 280). Allerdings lassen sich die diesbezüglichen Angaben des Angeklagten in zeitlicher Hinsicht nicht mit den übrigen Beweismitteln in Einklang bringen (vgl. hierzu unten 5.b(4)(a), S. 299).
2073
(5) Der sachverständige Zeuge G gab an, dass er um 08:11 Uhr bei A eingetroffen sei und nur noch deren Tod habe feststellen können. Es habe bereits Totenstarre vorgelegen. G bekundete glaubhaft, dass er allerdings keinerlei Erinnerung mehr an Details hinsichtlich der Totenstarre habe und diese nicht mehr näher beschreiben könne. Er wisse insbesondere nicht mehr, an welchem Gelenk oder welchen Gelenken sich die Totenstarre gezeigt habe, wie stark diese ausgeprägt gewesen sei oder ob sie sich habe brechen lassen.
2074
Wie der sachverständige Zeuge weiter darlegte, sei kurz nach seiner Ankunft die Tochter der Patientin vor Ort eingetroffen. Diese habe auf seine Frage nach etwaigen Vorerkrankungen ihrer Mutter mitgeteilt, dass A an einem Magenulkus (Magengeschwür), chronischen Wunden und Geschwüren an den Beinen, Diabetes, Demenz sowie Herzrhythmusstörungen gelitten habe und bettlägerig gewesen sei. Ferner habe ihm P vermittelt, dass der Tod ihrer Mutter im Hinblick auf deren Vorerkrankungen und Lebensalter für sie nicht überraschend gekommen sei.
2075
Seinen Angaben zufolge G wegen der urlaubsbedingten Abwesenheit des Hausarztes Dr. G auch das Ausstellen der Todesbescheinigung übernommen. Darin habe er auf der Grundlage der von P erhaltenen Informationen, welche er als plausibel und schlüssig erachtet habe, als vermutete unmittelbare Todesursache Herzversagen und Herzrhythmusstörungen als Folge von multiplen Vorerkrankungen bei einem Schwerstpflegefall angeführt.
2076
Wie der sachverständige Zeuge ferner ausführte, habe er zudem am Leichnam von A keine Auffälligkeiten bemerkt. Deshalb habe er das Vorliegen eines natürlichen Todes dokumentiert und als Begründung hierfür angeführt, dass keine Hinweise auf Fremdeinwirkung vorlägen und der Tod altersbedingt zu erwarten gewesen sei. Angesichts dessen habe sich G seinen Angaben zufolge auch nicht dazu veranlasst gesehen, weitere Maßnahmen wie etwa eine Blutuntersuchung in die Wege zu leiten.
2077
G räumte offen und ohne Zögern ein, vor dem Ausfüllen der Todesbescheinigung keine ordnungsgemäße Leichenschau mit gründlicher Untersuchung der Leiche einschließlich der Inspektion sämtlicher Körperöffnungen durchgeführt zu haben. Sein diesbezügliches Unterlassen begründete der sachverständige Zeuge plausibel damit, dass der Tod von A auf ihn insgesamt völlig unauffällig gewirkt habe angesichts des Lebensalters der Patientin, der erhaltenen Informationen zu ihren Vorerkrankungen sowie des Zustands und Erscheinungsbildes des Leichnams.
2078
Die Angaben des sachverständigen Zeugen G waren nachvollziehbar und glaubhaft. Es bestand kein Anlass, den Wahrheitsgehalt seiner ruhig und sachlich gemachten Angaben in Zweifel zu ziehen, zumal er offen und ohne Zögern einräumte, vor dem Ausfüllen der Todesbescheinigung keine ordnungsgemäße Leichenschau mit entsprechender gründlicher Untersuchung durchgeführt zu haben. Seine hierfür vorgebrachte Begründung war plausibel.
2079
q. Die Feststellungen im Zusammenhang mit der Abreise des Angeklagten basieren auf den folgenden Beweismitteln:
2080
(1) Wie die Zeugen P und G übereinstimmend und glaubhaft berichteten, habe der Angeklagte am 26.07.2017 in ihrer Anwesenheit geäußert, dass er möglichst bald abreisen wolle, da er ein krankes Kind in Berlin habe, um welches er sich kümmern müsse.
2081
(2) Dass die Behauptung des Angeklagten, er habe ein krankes Kind in Berlin, um welches er sich kümmern müsse, wahrheitswidrig war und der Angeklagte tatsächlich kinderlos ist, stützt die Strafkammer auf die oben unter C.I.1. (S. 59) genannten Beweismittel. Überdies räumte der Angeklagte in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 30.10.2018 ein, wiederholt im Hinblick auf den Krankenhausaufenthalt eines angeblichen Kindes gelogen und sich einen solchen als Grund für seine plötzliche Abreise von einer Einsatzstelle ausgedacht zu haben, weil er bei den Angehörigen der Patienten nicht den Eindruck habe erwecken wollen, dass er aus eigenem Antrieb plötzlich die Betreuungsstelle habe verlassen wollen (vgl. oben C.II.2.d(5)(b), S. 88).
2082
(3) Dass der Angeklagte in der Nacht auf den 27.07.2017 in allseitigem Einverständnis abreiste, bekundete auch insoweit glaubhaft die Zeugin P.
2083
r. Die Feststellung, dass der Angeklagte bei seiner Abreise in dem von ihm bewohnten Zimmer auf dem Boden unter dem Bett eine leere Patrone des Insulin-Präparats „Gensulin M30 (30/70)“ sowie auf dem Kleiderschrank eine Insulin-Pen-Nadel mit Schutzhülle zurückließ, beruht auf folgenden Beweismitteln und Erwägungen:
2084
(1) Eine leere Patrone des Insulin-Präparats „Gensulin M30 (30/70)“ sowie eine InsulinPen-Nadel mit Schutzhülle wurden in dem vom Angeklagten bewohnten Zimmer aufgefunden. An den Gegenständen konnte weder DNA-Material des Angeklagten noch DNA-Material der Patientin A nachgewiesen werden.
2085
(a) Wie der Spurensicherungsbeamte KHK H glaubhaft berichtete, sei das Haus der verstorbenen Patientin A in …, am 20.03.2018 nach möglichen Beweismitteln abgesucht worden. Hierbei seien in dem vom Angeklagten bewohnten Zimmer im Dachgeschoss mehrere, aus damaliger Sicht möglicherweise tatrelevante Gegenstände aufgefunden, sichergestellt und mit Asservatennummern versehen worden.
2086
Abgesehen von zwei Wattepads (vgl. hierzu unten 5.c(2), S. 301) habe man auf dem Boden unter dem Bett eine leere Glaspatrone mit der Aufschrift „Gensulin M30 (30/70)“ aufgefunden und als Asservat 1 benannt. Auf dem Kleiderschrank habe sich eine Insulin-Pen-Nadel mit Schutzhülle befunden, welche als Asservat 7 bezeichnet worden sei.
2087
Diese Asservate seien dem Institut für Rechtsmedizin der Universität München zur Durchführung von DNA-Spurenuntersuchungen übermittelt worden.
2088
(b) Der Zeuge KOK B bekundete glaubhaft, dass ein dem Angeklagten entnommener Mundschleimhautabstrich mit der Bezeichnung ….y anonymisiert worden sei. Die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. Z gab glaubhaft an, dass die Obduktion des Leichnams von A im Institut für Rechtsmedizin der Universität München am 14.03.2018 unter der Nummer 2018-GS-00645 durchgeführt und dem Leichnam hierbei eine Knochenmarkprobe mit der Bezeichnung 2018-SEK-00645 entnommen worden sei.
2089
(c) Die DNA-Sachverständige Dr. M vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München legte dar, dass für die DNA-Spurenuntersuchung von den Asservaten 1 (Patrone „Gensulin M30 (30/70)“) und 7 (Insulin-Pen-Nadel mit Schutzhülle) jeweils ein Abrieb gefertigt und - analog zur Asservatenbezeichnung - als Spur 1 bzw. Spur 7_1 benannt worden sei. Ferner sei die Kanüle des Asservats 7 (Insulin-PenNadel mit Schutzhülle) abgebrochen, komplett der Untersuchung zugeführt und als Spur 7_2 bezeichnet worden.
2090
Der Sachverständigen zufolge sei die DNA-Menge der Spur 7_2 (abgebrochene Kanüle der Insulin-Pen-Nadel) nicht ausreichend gewesen, um ein DNAIdentifizierungsmuster zu erstellen.
2091
Für die Spuren 1 (Patrone „Gensulin M30 (30/70)“) und 7_1 (Insulin-Pen-Nadel mit Schutzhülle) seien sowohl bei einer Typisierung der in Deutschland standardmäßig untersuchten 16 autosomalen DNA-Systeme und des Amelogenin-Systems als auch bei einer Typisierung von 22 ychromosomalen DNA-Systemen jeweils keine konkreten DNA-Merkmale, sondern lediglich multiple Bandenmuster erhalten worden.
2092
(2) Auch wenn an der Insulin-Patrone und der Insulin-Pen-Nadel kein DNA-Material des Angeklagten nachgewiesen werden konnte, ist das Schwurgericht überzeugt, dass es sich bei der Insulin-Patrone und der Insulin-Pen-Nadel um Gegenstände des Angeklagten handelte, welche dieser in dem von ihm bewohnten Zimmer zurückließ.
2093
(a) Dass die Insulin-Patrone vom Angeklagten zurückgelassen wurde, schließt die Strafkammer aus dem Umstand, dass es sich um eine Patrone des Insulinpräparats „Gensulin M30 (30/70)“ handelt.
2094
Dieses Insulin-Präparat war dem Angeklagten von seinem behandelnden Arzt in …, K, zur Behandlung seiner Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 2 verschrieben worden (vgl. hierzu oben B., S. 14 ff.). Patronen dieses Insulin-Präparats wurden auch im Gepäck des Angeklagten anlässlich seiner Festnahme (vgl. oben B.VIII. am Ende, S. 50 ff.), im Kühlschrank der vom Angeklagten mit seinen Eltern bewohnten Wohnung in … (vgl. oben B.VIII. am Ende, S. 50 ff.) sowie im Haushalt des Geschädigten M(vgl. oben B.III. am Ende, S. 29 ff.) aufgefunden.
2095
(b) Die denktheoretische Möglichkeit, dass auch der Patientin A während ihrer Behandlung mit Insulin im Zeitraum 1996 bis 2012 (vgl. hierzu oben c., S. 283) das Medikament „Gensulin M30 (30/70)“ verschrieben worden sein könnte und die aufgefundene leere Insulin-Patrone somit noch aus dieser Zeit stammen könnte, schließt das Schwurgericht aus angesichts des Umstandes, dass es sich bei „Gensulin M30 (30/70)“ um ein … Präparat des … Herstellers und pharmazeutischen Unternehmers IBA BIOTON handelt.
2096
Letzteres ergibt sich zum einen aus der in deutscher Übersetzung verlesenen Packungsbeilage des Medikaments und zum anderen aus den damit übereinstimmenden Ausführungen der toxikologischen Sachverständigen Dr. R. Demnach sei dieses …Insulinpräparat in Deutschland nicht zugelassen und werde in Deutschland auch nicht vertrieben.
2097
(c) Im Hinblick darauf, dass die aufgefundene Insulin-Patrone nach der Überzeugung der Strafkammer vom Angeklagten zurückgelassen wurde (vgl. oben (a) und (b)), liegt es aus Sicht der Kammer nahe, dass auch die aufgefundene Insulin-PenNadel vom Angeklagten stammt.
2098
s. Die Feststellungen zur Exhumierung des erdbestatteten Leichnams von A am 14.03.2018 im Zuge der gegen den Angeklagten geführten Ermittlungen im hiesigen Verfahren basieren auf den entsprechenden übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugen KHK G und KHG H. Diese gaben ferner übereinstimmend und glaubhaft an, dass der Leichnam im Anschluss an die Exhumierung zum Institut für Rechtsmedizin der Universität München verbracht worden sei, wo am selben Tag die Obduktion des Leichnams habe erfolgen sollen.
2099
t. Die Feststellung, dass A an einer unbekannten Todesursache verstarb, stützt das Schwurgericht auf die Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Z sowie der beiden toxikologischen Sachverständigen Dr. R und Prof. Dr. T.
2100
(1) Die Sachverständige Prof. Dr. Z vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München berichtete, dass sie zusammen mit drei Kollegen am 14.03.2018 den nach einer knapp achtmonatigen Liegezeit im Erdgrab exhumierten Leichnam von A obduziert habe. Hierbei habe die Todesursache nicht geklärt werden können. Allerdings habe die Obduktion belastbare Befunde für potenzielle Todesursachen erbracht, obwohl die Befunderhebung sowohl äußerlich als auch innerlich durch weit fortgeschrittene Fäulnisveränderungen erheblich erschwert gewesen sei.
2101
(a) Wie Prof. Dr. Z darlegte, habe bei A eine deutliche, zum Teil stark einengende Koronarsklerose sowie eine hochgradige Aortensklerose vorgelegen.
2102
i. Das Vorliegen einer Koronarsklerose ergebe sich demnach aus den folgenden Befunden:
2103
Die linke absteigende Herzkranzschlagader sei ab der Gabelung in ein kalkstarres Rohr umgewandelt gewesen, welches auf einer Länge von etwa 1 cm keine darstellbare Lichtung aufgewiesen habe. Letzteres bedeute laut Prof. Dr. Z, dass das Blutgefäß durch Kalkablagerungen auf einer Länge von etwa 1 cm so stark verengt gewesen sei, dass sich ein ausreichender Gefäßdurchmesser für den Blutdurchfluss jedenfalls nicht mehr habe darstellen lassen.
2104
Auch die linke umschlingende Herzkranzschlagader sei in ein langstreckiges, kalkstarres, enges Rohr umgewandelt gewesen, wobei sich im Bereich der Herzvorderwand ebenfalls keine Lichtung mehr habe darstellen lassen.
2105
Die rechte Herzkranzschlagader habe ebenfalls ausgeprägte wandständige Verkalkungen, jedoch ohne hochgradige Einengungen des Gefäßes, aufgewiesen.
2106
Auch an der Aortenklappe hätten sich Kalkeinlagerungen gezeigt.
2107
ii. Die hochgradige Aortensklerose habe sich der rechtsmedizinischen Sachverständigen zufolge darin gezeigt, dass die Brust- und Bauchschlagader ausgedehnte, flächenhafte, „eierschalenartige“ Kalkeinlagerungen sowie infolgedessen einen relativ geringen freien Gefäßdurchmesser aufgewiesen habe.
2108
(b) Prof. Dr. Z betonte, dass die massiven Kalkbefunde - insbesondere die Umwandlung von Herzkranzgefäßen in kalkstarre Rohre, welche zudem teilweise keine darstellbare Lichtung mehr aufgewiesen hätten - angesichts der knapp achtmonatigen Liegezeit des Leichnams im Erdgrab äußerst bemerkenswert seien, da Kalk durch Fäulnisprozesse aufgelöst werde.
2109
Die Sachverständige wies darauf hin, dass sich am Leichnam von A - passend zu der knapp achtmonatigen Liegezeit im Erdgrab - zahlreiche, bereits weit fortgeschrittene Fäulnisveränderungen gezeigt hätten (vgl. oben (1), S. 291), wodurch belegt sei, dass erwartungsgemäß bereits in einem ganz erheblichen Umfang Fäulnisprozesse stattgefunden hätten.
2110
Dies lasse den Rückschluss zu, dass die bei der Obduktion vorgefundenen massiven Kalkbefunde insbesondere an den Herzkranzgefäßen zum Todeszeitpunkt noch wesentlich stärker ausgeprägt gewesen sein müssten. Aus dem Umstand, dass die in kalkstarre Rohre umgewandelten Herzkranzgefäße zum Obduktionszeitpunkt teilweise keine darstellbare Lichtung mehr aufgewiesen hätten, lasse sich ableiten, dass in der letzten Zeit vor dem Tod von A die Durchblutung ihrer Herzkranzgefäße ganz erheblich beeinträchtigt gewesen sein müsse, was mit einem sehr hohen Herzinfarktrisiko einhergegangen sei.
2111
Prof. Dr. Z erläuterte, dass sich ein frisch erlittener Herzinfarkt, auch wenn er todesursächlich gewesen sei, bei einer Obduktion nicht nachweisen lasse. Deshalb lasse sich im Fall von A ein Herzinfarkt als Todesursache durch die Obduktion weder belegen noch ausschließen. Anhand der Obduktionsergebnisse lasse sich lediglich mit Sicherheit sagen, dass für A vor ihrem Tod allein schon aufgrund der Befunde an den Herzkranzgefäßen ein sehr hohes Risiko für einen Herzinfarkt bestanden habe. Dieses sei durch weitere Umstände sogar noch einmal signifikant erhöht worden (vgl. hierzu unten (f), S. 293).
2112
(c) Wie die rechtsmedizinische Sachverständige weiter ausführte, habe sich bei der Obduktion im Dickdarm „Teerstuhl“ als Zeichen einer Blutung im Magen-DarmTrakt gezeigt. Zwar könne man aus der Verteilung des „Teerstuhls“ im Dickdarm schließen, dass die Blutung vor dem Todeseintritt von selbst zum Stillstand gekommen sein müsse. Jedoch habe diese Blutung zuvor bereits zu einem ganz erheblichen Blutverlust geführt gehabt, was sich an einer auffälligen Blässe der Leichenhaut sowie der inneren Organe, insbesondere der Nieren, gezeigt habe.
2113
(d) Laut Prof. Dr. Z habe sich bei der Obduktion darüber hinaus ein großer Gallenstein nachweisen lassen.
2114
(e) Die Ergebnisse der anlässlich der Obduktion durchgeführten Blutuntersuchungen ließen aus rechtsmedizinischer Sicht keine Rückschlüsse auf das todesursächliche Krankheitsgeschehen zu. Insbesondere könne nach knapp achtmonatiger Liegezeit im Erdgrab keine Aussage zum Blutzuckerspiegel im Zeitpunkt des Todes getroffen werden, da insoweit bereits umfangreiche Abbauprozesse stattgefunden hätten.
2115
(f) Wie die rechtsmedizinische Sachverständige erläuterte, sei das sehr hohe Herzinfarktrisiko, welches bei A schon gefäßbedingt aufgrund der deutlichen, zum Teil stark einengenden Koronarsklerose bestanden habe (vgl. oben (b), S. 292), durch die folgenden Umstände sogar noch einmal signifikant erhöht worden:
2116
i. Die Blutarmut aufgrund des erheblichen Blutverlusts durch die Magen-DarmBlutung (vgl. oben (c), S. 293) sei zwangsläufig mit einem niedrigen Blutdruck einhergegangen. Niedriger Blutdruck erhöhe generell das - bei A wegen der massiven Kalkablagerungen ohnehin sehr hohe (vgl. oben (b), S. 292) - Risiko für die Verstopfung eines Herzkranzgefäßes und damit für einen Herzinfarkt deutlich.
2117
ii. Darüber hinaus seien auch Herzrhythmusstörungen in Form von Vorhofflimmern, wie sie bei A laut dem sachverständigen Zeugen Dr. K bestanden hätten (vgl. oben a., S. 281), ein erheblicher Risikofaktor für das Auftreten eines Herzinfarkts und hätten demnach das Herzinfarktrisiko bei A noch einmal zusätzlich erhöht.
2118
Davon abgesehen seien Herzrhythmusstörungen generell auch noch mit dem Risiko eines plötzlichen Herzstillstandes verbunden.
2119
Ferner sei laut Prof. Dr. Z zu berücksichtigen, dass die bei A ohnehin vorliegenden Herzrhythmusstörungen möglicherweise infolge der im Laufe des Juli 2017 aufgetretenen Durchfälle und des damit einhergehenden Flüssigkeitsverlusts noch einmal verstärkt worden sein könnten. Wie Prof. Dr. Z erläuterte, komme es zu einer Dehydrierung des Patienten, wenn der bei Durchfällen entstehende Flüssigkeitsverlust nicht adäquat ausgeglichen werde. Die Dehydrierung führe häufig zu Entgleisungen des Elektrolythaushalts. Am relevantesten seien insoweit Entgleisungen des Kalium- und des Natriumhaushalts, da diese jeweils zu - oftmals tödlichen - Herzrhythmusstörungen führen könnten.
2120
(2) Die rechtsmedizinische Sachverständige legte überdies dar, dass trotz intensiver und gezielter Suche bei der Obduktion und weiterführenden Untersuchungen des Leichnams von A keine Befunde hätten erhoben werden können, mit denen sich die Verabreichung von Injektionen belegen ließe.
2121
(a) Laut Prof. Dr. Z sei bei der Obduktion an der Außenseite des rechten Oberarms, etwa 10 cm unterhalb der Schulterhöhe, eine schwarzrötlich erscheinende punktförmige Veränderung mit einer mutmaßlichen kleinen Blutkrustenbildung gefunden worden, welche von den Obduzenten als „durchaus nicht unwahrscheinliche Injektionsstelle“ beurteilt worden sei. Bei einer feingeweblichen Zusatzuntersuchung dieser mutmaßlichen Injektionsstelle habe sich jedoch gezeigt, dass diese frei von jeglicher Unterblutung gewesen sei und es sich mithin lediglich um eine punktförmige Verfärbung der Haut und nicht um eine Injektionsstelle gehandelt habe.
2122
(b) Darüber hinaus seien bei der Obduktion im Rahmen der Suche nach etwaigen Injektionsstellen drei punktförmige schwärzliche Hautverfärbungen an der Vorderseite des rechten Oberschenkels auf mittlerer Höhe sowie eine punktförmige Veränderung an der Außenseite des linken Oberarms aufgefallen. Allerdings sei an diesen vier Stellen schon bei der Betrachtung mit der Stereolupe deutlich erkennbar gewesen, dass es sich nicht um punktförmige Hautdurchtrennungen gehandelt habe, weshalb auf weitergehende feingewebliche Zusatzuntersuchungen verzichtet worden sei.
2123
(3) Wie die rechtsmedizinische Sachverständige ausführte, lasse sich das Vorliegen einer möglicherweise todesursächlichen Hypoglykämie aus rechtsmedizinischer Sicht nicht belegen, da bei A am 25./26.07.2017 keine Bestimmung des Blutzuckerspiegels erfolgt sei. Aber auch ansonsten fehle es an einer hinreichenden Tatsachengrundlage, aus der tragfähige Rückschlüsse auf das Vorliegen einer Hypoglykämie bei A gezogen werden könnten.
2124
Demnach sei es somit zwar prinzipiell möglich, dass bei A am 25./26.07.2017 eine - letztlich todesursächliche - Hypoglykämie vorgelegen habe, da laut Prof. Dr. Z auch keine Anknüpfungspunkte bestünden, auf deren Grundlage eine solche ausgeschlossen werden könnte. Umgekehrt gebe es jedoch auch keine tatsächlichen Anknüpfungspunkte, aus denen sich das Vorliegen einer Hypoglykämie aus rechtsmedizinischer Sicht positiv schlussfolgern ließe.
2125
(4) Wie die rechtsmedizinische Sachverständige weiter ausführte, sei es sehr gut möglich, allerdings durch die durchgeführte Obduktion nicht belegbar, dass A letztlich - wie vom Notarzt G in der Todesbescheinigung dokumentiert (vgl. oben p(5), S. 287) - an Herzversagen gestorben sei. Die Obduktion habe jedenfalls den Nachweis erbracht, dass bei A ein äußerst hohes Risiko für einen Herzinfarkt bestanden habe.
2126
Das Herzinfarktrisiko sei schon aufgrund der massiven Kalkablagerungen in den Herzkranzgefäßen, welche stellenweise den Blutdurchfluss zumindest äußerst erschwert hätten, sehr hoch gewesen (vgl. oben (1)(b), S. 292). Durch den niedrigen Blutdruck aufgrund des ganz erheblichen Blutverlusts infolge der Blutung im Magen-Darm-Trakt sowie durch die ohnehin bestehenden Herzrhythmusstörungen in Form von Vorhofflimmern habe sich das Herzinfarktrisiko noch einmal deutlich erhöht. Möglicherweise habe auch eine durchfallbedingte Entgleisung des Elektrolythaushalts zu einer weiteren Verstärkung der Herzrhythmusstörungen geführt (vgl. oben (1)(f), S. 293).
2127
(5) Die toxikologische Sachverständige Dr. R vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München legte dar, dass es aus toxikologischer Sicht keine Anhaltspunkte für die Todesursache im Fall von A gebe. Insbesondere lasse sich das Vorliegen einer - möglicherweise todesursächlichen - Hypoglykämie ebenso wenig belegen wie die Verabreichung von Insulin.
2128
(a) Dr. R zufolge sei durch die toxikologische Untersuchung von Mageninhalt, Blut aus der Lungenvene, einer Gewebeprobe der Leber sowie von Fäulnisflüssigkeit aus der Brusthöhle nachgewiesen worden, dass A die ihr ärztlicherseits verordneten Wirkstoffe Citalopram, Melperon, Oxycodon, Metamizol, Allopurinol, Simvastatin, Pantoprazol und Loperamid aufgenommen habe, wobei sich keine auffällig hohen Wirkstoffkonzentrationen gefunden hätten.
2129
Darüber hinaus habe sich in einer sehr niedrigen Wirkstoffkonzentration die schlafanstoßend und beruhigend wirkende Substanz Quetiapin (Seroquel®) nachweisen lassen, welche A von ihrem Hausarzt nicht verordnet worden sei. Die Höhe der Wirkstoffkonzentration im Zeitpunkt des Todes lasse sich zwar nachträglich nicht mehr näher eingrenzen. Aber auch unter Berücksichtigung eines während der achtmonatigen Liegezeit des Leichnams im Erdgrab erfolgten Wirkstoffabbaus gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Wirkstoff Quetiapin für den Tod von A in irgendeiner Weise ursächlich gewesen wäre.
2130
(b) Der sachverständige Zeuge Dr. G, der Hausarzt der Patientin A, bekundete glaubhaft, dass er A nie den Wirkstoff Quetiapin verordnet habe, während die anderen genannten Substanzen im Medikationsplan der Patientin enthalten gewesen seien.
2131
(c) In Übereinstimmung mit der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Z legte die Sachverständige Dr. R dar, dass die anlässlich der Obduktion durchgeführten Blutuntersuchungen auch aus toxikologischer Sicht keine Rückschlüsse auf das todesursächliche Krankheitsgeschehen zuließen. Insbesondere könne nach knapp achtmonatiger Liegezeit im Erdgrab auch aus toxikologischer Sicht aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Abbauprozesse keine Aussage zum Blutzuckerspiegel im Zeitpunkt des Todes getroffen werden.
2132
(d) Wie Dr. R ferner ausführte, seien dem Leichnam von A diverse Proben entnommen worden, um diese toxikologisch gezielt auf Insulin und Insulinanaloga zu untersuchen.
2133
Bei den mit der Tox-Nummer 2615/18 versehenen Proben habe es sich im Einzelnen um Blut aus der Lungenvene, Fäulnisflüssigkeit aus der Brusthöhle, Gewebeproben im Bereich der punktförmigen Hautveränderungen am rechten und linken Oberarm wie auch am rechten Oberschenkel sowie um Glaskörper-Extrakt beider Augen gehandelt. Diese Proben seien zur Durchführung der entsprechenden Untersuchungen an den führenden Experten auf diesem Gebiet, Prof. Dr. T von der Deutschen Sporthochschule Köln, übersandt worden.
2134
(e) Der toxikologische Sachverständige Prof. Dr. T berichtete zu seiner Expertise, dass er in seiner Eigenschaft als forensischer Chemiker seit dem Jahr 2006 mit der Insulinanalytik befasst sei und seither eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten zum Abbau von Insulin in Geweben veröffentlicht habe. Zudem sei er bislang in rund 180 Fällen mit dem Nachweis von Insulin befasst gewesen.
2135
Weiter legte Prof. Dr. T dar, dass er die vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München erhaltenen Proben mit der Tox-Nummer 2615/18 (vgl. oben (d)) mittels Nano-Flüssigkeitschromatografie mit hochauflösender Tandem Massenspektrometrie (nanoLC-MS/MS) untersucht habe. Hierbei hätten sich weder Insulin noch Insulinanaloga nachweisen lassen.
2136
(f) Die beiden toxikologischen Sachverständigen Prof. Dr. T und Dr. R erläuterten übereinstimmend, dass die negativen Untersuchungsergebnisse im vorliegenden Fall zwar nicht geeignet seien, eine Verabreichung von Insulin an A auszuschließen. Während der achtmonatigen Liegezeit des Leichnams im Erdgrab könne es im Rahmen der hierbei eingetretenen Fäulnisprozesse (vgl. hierzu oben (1), S. 291) durchaus zu einem vollständigen Abbau von ursprünglich vorhandenem Insulin gekommen sein. Umgekehrt gebe es aber keine tatsächlichen Anknüpfungspunkte, aus denen sich die Verabreichung von Insulin aus toxikologischer Sicht positiv schlussfolgern ließe.
2137
(6) Die von großer Sachkunde getragenen Ausführungen der sehr erfahrenen Sachverständigen Prof. Dr. Z, Dr. R und Prof. Dr. T waren überzeugend, widerspruchsfrei und gingen von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus.
2138
(7) In Anschluss an die Darlegungen der drei Sachverständigen und mit den genannten Argumenten gelangte das Schwurgericht zu der Überzeugung, dass A an einer unbekannten Todesursache verstarb.
2139
u. Die Feststellungen zum Zeitraum des Todeseintritts zwischen dem 25.07.2017 gegen 16:00 Uhr und dem 26.07.2017 gegen 07:30 Uhr beruhen auf den auch insoweit widerspruchsfreien und schlüssigen Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Z.
2140
(1) Demnach sei - abgesehen von dem Umstand, dass der Angeklagte am 26.07.2017 gegen 07:30 Uhr die Kinder der Patientin A telefonisch über den Tod ihrer Mutter informiert habe (vgl. hierzu oben o., S. 286) - lediglich der Umstand, dass nach den Angaben des Notarztes Gbei seinem Eintreffen am 26.07.2017 um 08:11 Uhr Totenstarre vorgelegen habe (vgl. hierzu oben p(5), S. 287), aus rechtsmedizinischer Sicht prinzipiell geeignet, um Rückschlüsse auf den Todeszeitpunkt zu ziehen. Allerdings sei dies vorliegend nur äußerst eingeschränkt möglich, da der sachverständige Zeuge G die Totenstarre nicht mehr näher habe beschreiben können.
2141
(a) Wie Prof. Dr. Z erläuterte, sei der Eintritt von Totenstarre temperaturabhängig. Bei einer Raumtemperatur von 21°C setze die Totenstarre durchschnittlich etwa 3 Stunden nach dem Todeseintritt ein. Die Sachverständige betonte jedoch, dass es sich hierbei um einen Durchschnittswert handle. Sie selbst habe zum Beispiel auch schon erlebt, dass bereits nach 20 bis 30 Minuten eine beginnende Totenstarre am Kiefergelenk zu beobachten gewesen sei. Voll ausgeprägt sei die Totenstarre durchschnittlich etwa 8 Stunden nach dem Todeseintritt und bestehe insgesamt über einen Zeitraum von mehreren Tagen.
2142
(b) Da sich die Totenstarre bei A vorliegend nicht präzisieren lasse, könne hieraus keine positive Aussage zur Eingrenzung des Todeszeitpunkts abgeleitet werden. Es sei lediglich die pauschale Aussage, dass sich die bestehende Totenstarre am 26.07.2017 um 08:11 Uhr mit dem Todeszeitraum vereinbaren lasse, der sich aus anderen Anknüpfungstatsachen ergebe.
2143
Die Geschädigte sei zuletzt von der Zeugin P am 25.07.2017 gegen 14:45 Uhr lebend gesehen worden (vgl. oben n(1), S. 285). Am 26.07.2017 gegen 07:30 Uhr habe der Angeklagte die Kinder der Geschädigten A telefonisch über deren Tod informiert (vgl. oben o., S. 286).
2144
Aus rechtsmedizinischer Sicht sei ein Todeseintritt am 25.07.2017 nach 14:45 Uhr ebenso möglich wie ein Todeseintritt erst am 26.07.2017 kurz vor 07:30 Uhr. Letzteres gelte Prof. Dr. Z zufolge auf der Grundlage ihrer persönlichen Erfahrungen zum Einsetzen der Totenstarre (vgl. oben (a)).
2145
Der sich hieraus ergebende Zeitraum des Todeseintritts zwischen dem 25.07.2017 nach 14:45 Uhr und dem 26.07.2017 vor 07:30 Uhr lasse sich aus rechtsmedizinischer Sicht nicht weiter eingrenzen.
2146
(2) Auf der Grundlage der Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen und mit den genannten Argumenten gelangte die Strafkammer zu der Überzeugung, dass A im Zeitraum zwischen dem 25.07.2017 nach 14:45 Uhr und dem 26.07.2017 vor 07:30 Uhr verstarb.
2147
4. Ein vollendetes Tötungsdelikt des Angeklagten war im Fall A schon deshalb nicht nachweisbar, da die Todesursache, an welcher A verstarb, unbekannt ist (vgl. oben 3.t., S. 291). Damit wäre jedenfalls die Kausalität einer etwaigen Insulingabe durch den Angeklagten für das Versterben der Patientin nicht belegt.
2148
5. Aber auch ein versuchtes Tötungsdelikt und / oder ein vollendetes Körperverletzungsdelikt des Angeklagten durch die Verabreichung von Insulin waren im Fall A nicht nachweisbar.
2149
Als Grundlage für eine entsprechende Verurteilung käme allein die geständige Einlassung des Angeklagten in der Beschuldigtenvernehmung vom 30.10.2018 (vgl. oben 1.b., S. 279) in Betracht.
2150
a. Jedoch hat das Schwurgericht aus den oben unter C.III.1. (S. 97 ff.) dargelegten Gründen insgesamt seine Feststellungen nur insoweit auf die Einlassungen des Angeklagten gestützt, als diese eine Bestätigung in anderen Beweismitteln finden und mit den übrigen Beweisergebnissen im Einklang stehen. Auf die dortigen Ausführungen wird umfassend Bezug genommen.
2151
Im Fall A gibt es außerhalb der Einlassung des Angeklagten keine Beweismittel, welche die Einlassung des Angeklagten bestätigen würden. Es gibt keine anderen Beweisergebnisse, welche den tragfähigen Rückschluss zuließen, dass der Patientin A kurz vor ihrem Tod Insulin verabreicht worden wäre.
2152
b. Darüber hinaus lassen sich die Einlassungen des Angeklagten zum Verhalten der Patientin A ihm gegenüber, zu den Ereignissen nach der Abreise seiner Vorgängerin, zu seinem Anruf bei der Zeugin P am zweiten Abend seines Aufenthalts sowie zum Nachtatgeschehen nicht mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen.
2153
(1) Die Behauptungen des Angeklagten, wonach A ein aggressives Verhalten ihm gegenüber gezeigt habe, indem sie ihn angeschrien und beleidigt sowie Gegenstände nach ihm geworfen habe (vgl. oben 1.b(2), S. 279, 1.b(3), S. 280 und 1.b(4), S. 280), steht im Widerspruch zu den Zeugenaussagen hinsichtlich der Persönlichkeit der Patientin A.
2154
Demnach verhielt sich A gegenüber ihrem Hausarzt Dr. G (vgl. oben 3.e., S. 283) und gegenüber den ambulanten Pflegekräften von der Sozialstation … (vgl. oben 3.f., S. 283) nie aggressiv oder beleidigend. Auch keine der beiden Vorgängerinnen des Angeklagten hatte sich jemals bei P über das Verhalten der Patientin A beschwert (vgl. oben 3.l., S. 285).
2155
(2) Die Einlassung des Angeklagten zu den Ereignissen nach der Abreise seiner Vorgängerin, wonach A ihn in Gegenwart ihrer Tochter angeschrien und beleidigt habe (vgl. oben 1.b(3), S. 280) ist durch die glaubhaften Angaben der Zeugin P widerlegt. Demnach habe sich A in Gegenwart der Zeugin P völlig ruhig und unauffällig dem Angeklagten gegenüber verhalten (vgl. oben 3.l., S. 285).
2156
(3) Auch die Behauptung des Angeklagten, dass er sich am zweiten Abend seines Aufenthalts telefonisch bei der Zeugin P über das Verhalten der Patientin A beschwert habe, indem er ihr mitgeteilt habe, dass A ihn unter anderem mit den Worten „du … Sau“ beleidigt und eine Teetasse nach ihm geworfen habe (vgl. oben 1.b(4), S. 280), ist durch die glaubhaften Angaben der Zeugin P widerlegt.
2157
Demnach habe sich der Angeklagte ihr gegenüber nie über das Verhalten der Patientin A ihm gegenüber geäußert und insbesondere auch keine Beschwerde bezüglich des Verhaltens der Patientin A ihm gegenüber angebracht (vgl. oben 3.l., S. 285).
2158
(4) Die Angaben des Angeklagten zum Nachtatgeschehen stehen ebenfalls zum Teil im Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen.
2159
(a) Soweit der Angeklagte behauptete, dass er gegen 03:00 Uhr / 04:00 Uhr den Tod von A bemerkt und daraufhin telefonisch den Rettungsdienst und die Angehörigen verständigt habe, welche anschließend eingetroffen seien (vgl. oben 1.b(8), S. 280), lässt sich dies in zeitlicher Hinsicht mit den Ergebnissen der Beweisaufnahme nicht in Einklang bringen.
2160
Den glaubhaften Angaben der Zeugen P und G zufolge seien sie am Morgen des 26.07.2017 gegen 07:30 Uhr telefonisch vom Angeklagten über den Tod ihrer Mutter informiert worden. (vgl. oben 3.o., S. 286). Der Notruf des Angeklagten erfolgte am 26.07.2017 gegen 08:00 Uhr (vgl. oben 3.p(2), S. 287).
2161
Demnach liegen zwischen den vom Angeklagten behaupteten und den tatsächlichen Uhrzeiten rund vier Stunden. Insbesondere aber erfolgte die Verständigung von Angehörigen und Rettungsdienst nicht, wie vom Angeklagten behauptet, in der Nacht, sondern erst am Morgen des 26.07.2017.
2162
(b) Soweit der Angeklagte behauptete, dass er am Abend des 26.07.2017 - nach der Abholung des Leichnams von A durch ein Bestattungsunternehmen -die Angehörigen der Patientin A auf die Aggressivität der Patientin ihm gegenüber angesprochen habe, worauf die Zeugin P mit einer abwinkenden Handbewegung geäußert habe, dass ihnen dies schon bekannt sei (vgl. oben 1.b(8), S. 280), ist dies durch die oben unter 3.l. (S. 285) dargelegten glaubhaften Angaben der Zeugen P und G widerlegt.
2163
(5) Soweit die Einlassung des Angeklagten im Hinblick auf ein angebliches aggressives Verhalten der Patientin A ihm gegenüber im Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen steht (vgl. oben (1) und (2)), hat das Schwurgericht nicht verkannt, dass der Angeklagte auch in Fällen, in denen ein Tatnachweis geführt werden konnte, ein aggressives Verhalten der Patienten behauptete. Dies stellte nach der Überzeugung der Strafkammer eine Schutzbehauptung dar, mit der er versuchte, seine Verärgerung über die Geschädigten gegenüber den Ermittlungsbehörden nachvollziehbar und verständlich erscheinen zu lassen (vgl. oben C.III.1.c., S. 98).
2164
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hat das Schwurgericht bedacht, dass der insoweit bestehende Widerspruch zwischen der Einlassung des Angeklagten und den übrigen Beweisergebnissen allein nicht geeignet ist, die geständige Einlassung des Angeklagten hinsichtlich seiner Täterschaft infrage zu stellen. Denn es liegt oftmals im Interesse gerade eines Täters, sich durch Schutzbehauptungen bezüglich eines angeblich aggressiven Verhaltens des Opfers zu entlasten, wie dies auch der Angeklagte - wie oben dargelegt - in anderen Fällen getan hat.
2165
Umgekehrt ist dieser Umstand allein jedoch auch nicht geeignet, hieraus einen tragfähigen Rückschluss auf die Richtigkeit der geständigen Einlassung des Angeklagten und damit auf dessen Täterschaft zu ziehen.
2166
c. Der Umstand, dass der Angeklagte bei seiner Abreise in dem von ihm bewohnten Zimmer auf dem Boden unter dem Bett eine leere Patrone des Insulin-Präparats „Gensulin M30 (30/70)“ sowie auf dem Kleiderschrank eine Insulin-Pen-Nadel mit Schutzhülle zurückließ (vgl. oben 3.r., S. 289), ist nach der Überzeugung des Schwurgerichts für sich genommen keine ausreichende Bestätigung der Einlassung des Angeklagten zum objektiven Tatvorwurf, wonach er am zweiten Abend seines Aufenthalts im Haushalt A gegen 21:00 Uhr / 22:00 Uhr der Patientin drei- bis viermal je 40 „mg“ Insulin in den Arm verabreicht habe (vgl. oben 1.b(5), S. 280).
2167
(1) Zur Überzeugung der Strafkammer steht lediglich fest, dass der Angeklagte die leere Patrone und die Insulin-Pen-Nadel zurückließ. Es liegt auch nahe, dass der Angeklagte diese zuvor während seines Aufenthalts verwendet hatte.
2168
Durchaus möglich ist zwar, dass der Angeklagte mit diesen Gegenständen der Patientin A Insulin verabreichte. Einen positiven Beleg hierfür gibt es jedoch nicht, zumal sich an den Asservaten kein DNA-Material der Patientin A nachweisen ließ (vgl. oben 3.r(1)(c), S. 290).
2169
Gut möglich ist jedoch ebenfalls, dass sich der Angeklagte während seines Aufenthalts bei A selbst das Insulin aus der aufgefundenen Patrone spritzte, wie es von seinem behandelnden Arzt angeordnet war und vom Angeklagten zumindest teilweise, wenn auch insgesamt nicht in einer ausreichenden, von seinem Körper für die Einstellung eines normwertigen Blutzuckerspiegels benötigten Menge, umgesetzt wurde (vgl. oben C.I.2.b., S. 60). Dem steht auch nicht entgegen, dass kein DNA-Material des Angeklagten an den Asservaten nachweisbar war.
2170
Dass sich der Angeklagte tatsächlich Insulin spritzte, ergibt sich nicht zuletzt aus den Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Z, wonach die bei der körperlichen Untersuchung des Angeklagten erhobenen Befunde gut zu der Verabreichung subkutaner Injektionen - etwa von Insulin - passten und somit zwanglos mit den Angaben des Angeklagten in Einklang stünden, dass sich dieser am Vortag dreimal Insulin gespritzt habe (vgl. oben C.I.2.c(1), S. 60). Auch aus den Ergebnissen der Blutuntersuchung des Angeklagten ergibt sich nichts anderes (vgl. oben C.I.2.c(2), S. 61).
2171
(2) Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in dem vom Angeklagten bewohnten Zimmer im Haus der Patientin A ferner zwei Wattepads aufgefunden wurden, kam die Strafkammer zu keiner anderen Würdigung.
2172
(a) Wie der Spurensicherungsbeamte KHK H glaubhaft berichtete, sei bei der am 20.03.2018 im Haus der verstorbenen Patientin A in …, durchgeführten Absuche nach möglichen Beweismitteln in dem vom Angeklagten bewohnten Zimmer im Dachgeschoss auf dem Boden unter dem Bett - neben der leere Glaspatrone mit der Aufschrift „Gensulin M30 (30/70)“ (vgl. hierzu oben 3.r(1)(a), S. 289) - ein Wattepad aufgefunden worden, welches als Asservat 2 bezeichnet worden sei. Ein weiteres Wattepad habe sich in einem Mülleimer hinter der Zimmertür befunden und sei als Asservat 9.3 erfasst worden.
2173
Auch diese Asservate seien dem Institut für Rechtsmedizin der Universität München zur Durchführung von DNA-Spurenuntersuchungen übermittelt worden.
2174
(b) Wie oben unter 3.r(1)(b), S. 289, dargelegt, ergibt sich aus den Angaben des Zeuge KOK B und der Sachverständigen Prof. Dr. Z, dass die Anonymisierung ….y dem Angeklagten und die Anonymisierung 2018-SEK-00645 der Patientin A zuzuordnen ist.
2175
(c) Die DNA-Sachverständige Dr. M vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München legte dar, dass die Asservate 2 (Wattepad vom Boden unter dem Bett) und 9.3 (Wattepad aus dem Mülleimer) zunächst jeweils in Ethanol gewaschen worden seien. Anschließend seien die Waschungen zentrifugiert und die Sedimente jeweils - analog bezeichnet als Spur 2 bzw. Spur 9.3 - der Untersuchung zugeführt worden.
2176
i. Bei einer Typisierung der in Deutschland standardmäßig untersuchten 16 autosomalen DNA-Systeme und des Amelogenin-Systems seien für das biologische Material der Spur 9.3 keine konkreten DNA-Merkmale, sondern lediglich multiple Bandenmuster erhalten worden.
2177
Für das biologische Material der Spur 2 (Wattepad vom Boden unter dem Bett) habe sich eine DNA-Merkmalmischung ergeben, welche sich auf mindestens drei Verursacher zurückführen lasse und als Hauptkomponente die DNA-Merkmale einer weiblichen Person aufweise.
2178
Auftragsgemäß sei ein Abgleich mit zwei DNA-Vergleichsmustern - dem Mundschleimhautabstrich DAD17-519710 sowie der Knochenmarkprobe 2018-SEK-00645 - erfolgt. Hierbei habe sich gezeigt, dass die Hauptkomponente der Spur 2 mit keinem der beiden DNA-Vergleichsmuster übereinstimme.
2179
Auch im Übrigen hätten sich keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass an der Spur 2 biologisches Material der beiden mit den Bezeichnungen ….y 2018-SEK-00645 anonymisierten Personen - mithin des Angeklagten und der Patientin A - vorhanden wäre.
2180
ii. Darüber hinaus sei für das biologische Material der Spur 9.3 eine Typisierung in 22 ychromosomalen DNA-Systemen durchgeführt worden.
2181
[1] Dr. M erläuterte, dass Y-Chromosomen nur bei Männern vorkämen, weshalb sich ychromosomale DNA-Systeme gut eigneten, um geringste Mengen biologischen Materials einer männlichen Person in einem großen Überschuss von biologischem Material weiblicher Personen nachzuweisen. Während bei der Untersuchung autosomaler DNA-Systeme DNA-Merkmalmuster nur bis zu einem Mischungsverhältnis von 1 zu 20 sicher erkannt werden könnten, ließen sich mit ychromosomalen DNASystemen auch Mischungen mit einem geringeren Anteil männlicher DNA darstellen. Die DNA-Sachverständige wies darauf hin, dass in direkter männlicher Linie miteinander verwandte Männer - wie etwa ein Vater und seine Söhne oder auch Brüder - dieselben ychromosomalen DNAMerkmalmuster aufwiesen.
2182
[2] Laut Dr. M habe sich für das biologische Material der Spur 9.3 (Wattepad aus dem Mülleimer) in 15 der untersuchten 22 ychromosomalen DNASysteme eine DNA-Merkmalmischung ergeben, welche sich auf mindestens zwei (männliche) Verursacher zurückführen lasse.
2183
Unter Einbeziehung von Zusatzbanden im System DYS385 lasse sich die Vergleichsperson ….y - mithin der Angeklagte - als Mitverursacher der Spur nicht völlig ausschließen. Allerdings sei eine adäquate biostatistische Beurteilung wegen der sehr geringen Menge an männlicher DNA sowie der schlechten Reproduzierbarkeit der DNA-Merkmale nicht sinnvoll durchführbar.
2184
Damit sei es der DNA-Sachverständigen zufolge nicht möglich, eine belastbare Aussage dahingehend zu treffen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Angeklagte (oder ein anderer mit ihm in direkter männlicher Linie verwandter Mann) diese Spur - neben einer anderen männlichen Person - mitverursacht habe.
2185
(d) Angesichts dieser Spurenlage an den beiden Wattepads lassen sich aus deren Auffindung in dem vom Angeklagten bewohnten Zimmer nach Auffassung der Strafkammer keine tragfähigen Schlüsse für die Frage ziehen, ob der Angeklagte der Patientin A Insulin verabreichte.
2186
d. Soweit sich bei der toxikologischen Untersuchung die der Patientin A von ihrem Hausarzt nicht verordnete, schlafanstoßend und beruhigend wirkende Substanz Quetiapin (Seroquel®) in einer sehr niedrigen Wirkstoffkonzentration nachweisen ließ (vgl. oben 3.t(5)(a), S. 295), spricht zwar einiges für eine Verabreichung dieser Substanz durch den Angeklagten.
2187
Doch selbst wenn man eine solche - nicht angeklagte - Medikamentengabe durch den Angeklagten unterstellen würde, ließe sich hieraus nicht der Rückschluss ziehen, dass der Angeklagte der Patientin A zwangsläufig auch Insulin verabreicht hätte. Insoweit kann gerade nicht von einem gefestigten Modus Operandi des Angeklagten ausgegangen werden. Von den acht Fällen, in denen sich eine Verabreichung von Insulin durch den Angeklagten nachweisen ließ (vgl. oben B., S. 14 ff.), verabreichte er nur in zwei Fällen auch eine zentraldämpfende Substanz (vgl. oben Fall M: B.III., S. 29 ff., und Fall N: B.VII., S. 45 ff.).
2188
e. Überdies ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte, nachdem ihm am 24.01.2017 erstmals Insulin verschrieben worden war, jedem Patienten, bei dem er in der Folge tätig war, Insulin verabreicht hätte.
2189
Der Angeklagte war nach der erstmaligen Verordnung von Insulin in insgesamt 34 Privathaushalten beschäftigt, in denen er mindestens eine Nacht verbrachte und nicht schon am Tag seiner Ankunft wieder abreiste (vgl. oben B., S. 14 ff.). Nur bei 12 dieser 34 Einsatzstellen bejahte die Staatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht. Bei allen übrigen Einsatzstellen ergaben sich im Rahmen der umfangreichen und sorgfältig geführten kriminalpolizeilichen Ermittlungen keine Hinweise auf eine etwaige Verabreichung von Insulin durch den Angeklagten. Insbesondere zeigten sich bei den übrigen Patienten während des Aufenthalts des Angeklagten keine relevanten gesundheitlichen Auffälligkeiten. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter C.III.2.c. (S. 108) umfassend Bezug genommen.
2190
f. Nach alledem konnte sich das Schwurgericht nicht mit dem für eine Verurteilung erforderlichen Maß an Sicherheit davon überzeugen, dass die geständige Einlassung des Angeklagten zumindest im Kern der Wahrheit entspräche und der Angeklagte der Patientin A zeitnah vor deren Tod Insulin verabreicht hätte.
2191
Zwar erachtet die Strafkammer dies durchaus für möglich, jedoch fehlt es für diese Schlussfolgerung an hinreichend tragfähigen tatsächlichen Anknüpfungspunkten. Vielmehr ist es nach der Überzeugung des Schwurgerichts ebenso möglich, dass der Angeklagte insoweit seine Einlassung - wie auch an einer anderen Stelle der Beschuldigtenvernehmung vom 30.10.2018 (vgl. hierzu oben C.III.1.g., S. 106) - lediglich an die tatsächlichen oder vermeintlichen Tatvorwürfe der Ermittlungsbehörden anpasste.
2192
Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass sich der Angeklagte in zwei anderen Punkten nachweislich zu Unrecht selbst belastete und insoweit ein überschießendes Geständnis ablegte (vgl. hierzu oben C.III.1.e., S. 98 ff.). Darüber hinaus bestätigte der Angeklagte in zwei Punkten Vorhalte und Vorwürfe des Vernehmungsbeamten, obwohl diese nicht den Tatsachen entsprachen (vgl. hierzu oben C.III.1.f., S. 102).
2193
In beiden Aspekten kommt nach der Überzeugung der Strafkammer zum einen das Bemühen des Angeklagten, den Vernehmungsbeamten als Repräsentanten der Ermittlungsbehörden für sich einzunehmen, und zum anderen eine gewisse Bequemlichkeit des Angeklagten zum Ausdruck (vgl. hierzu oben C.III.1.e(3), S. 102). Beides erachtet das Schwurgericht auch als mögliches Motiv für ein falsches Geständnis des Angeklagten im Fall A.
2194
Nach der Überzeugung der Strafkammer ist ein Tatnachweis auch nach einer Gesamtwürdigung unter besonderer Berücksichtigung der oben unter c. (S. 300) und d. (S. 303) dargelegten Indizien nicht zu führen, da diesen Indizien in der Zusammenschau sämtlicher Beweisanzeichen und Beweismittel sowie unter Würdigung des soeben Dargelegten ein zu geringes Gewicht zukommt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erachtet das Schwurgericht einen alternativen Geschehensablauf, in welchem der Angeklagte der Patientin A kein Insulin verabreichte, gleichermaßen für möglich.
2195
Aufgrund der im Fall A nach einer umfassenden Gesamtwürdigung verbleibenden Zweifel der Strafkammer an der Schuld des Angeklagten war dieser nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
J. Freispruch im Fall O (Ziffer 7 der Anklageschrift)
(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 5 S. 2 und 3 StPO)
2196
Soweit dem Angeklagten der Tatvorwurf des Mordes (§ 211 StGB) zum Nachteil von O zur Last lag, war der Angeklagte nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
2197
Dem Angeklagten lag zur Last, O heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen getötet zu haben, § 211 Abs. 1, Abs. 2 Var. 4 und 5 StGB.
2198
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt am 30.07.2017 zwischen 19:30 Uhr und 20:30 Uhr soll der Angeklagte dem damals 66-jährigen O in dessen Wohnung in …, drei bis vier Mal jeweils 40 „mg“ (Anmerkung: tatsächlich gemeint: 40 I.E.) Insulin in den Oberarm injiziert haben, um hierdurch einen akut behandlungsbedürftigen Zustand mit notwendigem Krankenhausaufenthalt des Geschädigten hervorzurufen und infolgedessen die Einsatzstelle sofort verlassen zu können, ohne Gefahr zu laufen, bei seinem Vertragspartner als unzuverlässig und vertragsbrüchig zu gelten und damit seinem Ruf im Kreis der Vermittlungsagenturen zu schaden.
2199
Bei der Verabreichung des Insulins an den Patienten habe der Angeklagte einen tödlichen Ausgang für möglich gehalten und diesen billigend in Kauf genommen.
2200
O sei zum Zeitpunkt der Insulinverabreichung „in einer Art Dämmerzustand“ mit geschlossenen Augen im Bett gelegen und habe in seiner Wohnung nicht mit einem Angriff auf Leib oder Leben gerechnet, weshalb er sich dessen auch nicht effektiv habe erwehren können. Der Angeklagte, dem dieser Zustand des Geschädigten bewusst gewesen sei, habe diese Situation gezielt zur Tatbegehung ausgenutzt. Er habe dabei die Verabreichung der Insulin-Injektionen gezielt mit seinem Körper verdeckt, um von der Lebensgefährtin des Patienten, G, hierbei nicht beobachtet zu werden und auf diese Weise ein mögliches Eingreifen von ihr zu verhindern. Dementsprechend habe G die Verabreichung des Insulins durch den Angeklagten auch nicht beobachtet.
2201
Der Angeklagte sei erst seit dem 30.07.2017 auf vertraglicher Grundlage als 24-StundenBetreuungskraft für den seit Jahren an Morbus Parkinson erkrankten O und dessen Lebensgefährtin G tätig gewesen. Beide seien zur Fortbewegung auf den Rollstuhl angewiesen gewesen, hätten jedoch - wie der Angeklagte gewusst habe - nicht an Diabetes gelitten.
2202
Dem Angeklagten habe diese Einsatzstelle nicht zugesagt, da er sich von dem ambulanten Pflegedienst „S e.V.“, dessen Mitarbeiterin ihn nach seiner Ankunft in seine Aufgaben eingewiesen habe, keine Vorschriften habe machen lassen wollen. Zudem habe sich der Angeklagte durch G sowie durch die im selben Haus lebende C in seiner Arbeit kontrolliert und beobachtet gefühlt. Ferner habe der Angeklagte befürchtet, dass er angesichts von zwei auf den Rollstuhl angewiesenen Patienten überdurchschnittlich viel werde arbeiten müssen, ohne die Gelegenheit zu erhalten, sich ungestört zu bereichern. Darüber hinaus sei der Angeklagte über die von G am Fernseher eingestellte Lautstärke verärgert und der Ansicht gewesen, die Situation nicht mehr aushalten zu können.
2203
Der Vertrag des Angeklagten mit der … Agentur „AP W“ vom 18.07.2017 habe eine ordentliche Kündigungsfrist von zwei Wochen vorgesehen.
2204
O sei am 30.07.2017 um 21:48 Uhr an den Folgen einer Unterzuckerung verstorben.
2205
Nach dem Tod des Patienten habe der Angeklagte dessen Angehörige gefragt, ob er das Mobiltelefon und die Wertsachen des Patienten erhalten könne, da O diese ja nun nicht mehr benötige. Wegen dieser Frage und des generell unhöflichen, desinteressierten, unmotivierten und dreisten Verhaltens des Angeklagten sei diesem am 01.08.2017 gekündigt worden. Bei seiner Abreise am selben Tag habe er 10 bis 20 Euro Kleingeld, zwei Ringe und zwei Uhren mitgenommen, um diese dauerhaft unberechtigt für sich zu behalten.
2206
Im Hauptverhandlungstermin am 22.09.2020 hat die Strafkammer mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft unter anderem den Tatvorwurf des Diebstahls zum Nachteil von O (Ziffer 7 der Anklageschrift) gemäß § 154a Abs. 2 StPO ausgeschieden und darauf hingewiesen, dass der ausgeschiedene Tatvorwurf sowohl bei der Beweiswürdigung als auch bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden kann.
2207
Im ersten Halbjahr 2017 verschlechterte sich der Gesundheitszustand des damals 66-jährigen Patienten O in relativ kurzer Zeit ganz erheblich. O litt an Morbus Parkinson und lebte mit seiner Lebensgefährtin G in einer Wohnung im Anwesen …. G war an Multipler Sklerose sowie einer schweren Depression erkrankt und zur Fortbewegung auf den Rollstuhl angewiesen. Krankheitsbedingt hatte sie sich völlig in sich zurückgezogen, verbrachte die meiste Zeit im Bett und nahm an ihrer Umgebung keinen Anteil mehr. Allerdings kam es immer wieder vor, dass sie ihre Ablehnung von Pflegemaßnahmen oder Hilfsangeboten ihrer Angehörigen laut schreiend zum Ausdruck brachte.
2208
O und G wurden zweimal täglich von Pflegekräften des ambulanten Pflegedienstes „S e.V.“ pflegerisch versorgt. Darüber hinaus kümmerte sich die Schwägerin von G, C, um die beiden. Sie wohnte im selben Haus und war stets auf bloßen Zuruf für O und seine Partnerin erreichbar.
2209
O war im Umgang stets ruhig, ausgeglichen und freundlich. Er verhielt sich nie auch nur ansatzweise aggressiv gegenüber Pflegekräften, Ärzten oder seinen Angehörigen. In den ersten Monaten des Jahres 2017 war O noch mit einem Rollator in seiner Wohnung mobil. Im März 2017 stürzte er wiederholt und war teilweise nicht mehr in der Lage, wieder aufzustehen. Seine Sprache wurde zunehmend verwaschen und es traten Schluckbeschwerden auf, welche dazu führten, dass sich O beim Essen gelegentlich verschluckte.
2210
Im Mai 2017 war O bereits generell erheblich verlangsamt, weit weniger mobil und aufgrund seiner verwaschenen Sprache nur noch schwer zu verstehen. Im Juni 2017 war er schließlich zur Fortbewegung vollständig auf einen Rollstuhl angewiesen und hatte schon große Mühe, überhaupt noch sein Bett zu verlassen. Darüber hinaus hatten seine Schwierigkeiten beim Sprechen und seine Schluckbeschwerden weiter zugenommen. Eine Erkrankung an Diabetes mellitus bestand bei O hingegen nicht.
2211
Die Hausärztin von O, Dr. K, führte mit diesem bei einem Hausbesuch am 29.06.2017 ein Gespräch über das weitere Vorgehen angesichts des schlechten Allgemeinzustands des Patienten, dem wegen seiner starken Schluckbeschwerden inzwischen die Flüssignahrung Fresubin® verordnet wurde.
2212
Hierbei vermittelte O seiner Hausärztin das Bewusstsein, dass er in absehbarer Zeit an seiner Erkrankung versterben werde. Er äußerte ausdrücklich, dass er nicht mehr in ein Krankenhaus eingeliefert werden, sondern zu Hause sterben wolle. Eine künstliche Ernährung mittels einer durch die Bauchdecke gelegten PEG-Sonde (Perkutane endoskopische Gastrostomie) lehnte O ausdrücklich ab. Er erklärte, dass er zwar im Falle eines Infekts mit Antibiotika behandelt werden wolle, jedoch sein Wunsch, zu Hause zu sterben und nicht mehr in ein Krankenhaus eingeliefert zu werden, auch insoweit gelte.
2213
Bei einem weiteren Hausbesuch am 11.07.2017 stellte Dr. K fest, dass sich der Zustand des Patienten weiter verschlechtert hatte. Geistig war O zwar noch völlig klar, jedoch bettlägerig und kaum noch in der Lage zu sprechen. In Anwesenheit seiner Hausärztin und nach deren ausführlicher Erläuterung unterschrieb O eine Patientenverfügung, welche seine beim Hausbesuch vom 29.06.2017 geäußerten Wünsche beinhaltete. Ferner erteilte er dem ebenfalls anwesenden Neffen seiner Lebensgefährtin, T, eine Vorsorgevollmacht.
2214
Auch bei diesem Hausbesuch vermittelte O seiner Hausärztin, dass er sich über seine schlechte gesundheitliche Prognose und die Bedeutung der von ihm unterschriebenen Schriftstücke im Klaren sei. Dr. K wies O auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Palliativdienstes hin, da sie wegen der massiven Schluckbeschwerden des Patienten und dessen Ablehnung der künstlichen Ernährung mittels PEG-Sonde mit dessen baldigem Tod in den nächsten Wochen rechnete. Die Ärztin ging davon aus, dass der Tod entweder aufgrund von Mangelernährung eintreten oder es vorher zu einem Verschlucken kommen werde, welches entweder unmittelbar zum Erstickungstod führen oder einen - letztlich tödlichen - Bronchialinfekt mit Lungenentzündung (Aspirationspneumonie) nach sich ziehen werde.
2215
Bereits am nächsten Tag, dem 12.07.2017, informierte T die Praxis der Hausärztin Dr. K, dass er O mit hohem Fieber und schweißgebadet vorgefunden habe. Da die Ärztin nicht im Dienst war, übernahm ihr Vertreter Dr. R den Hausbesuch beim Patienten. Hierbei stellte der Arzt fest, dass O Fieber hatte, sehr schwach war, auf Ansprache verzögert die Augen öffnete und Rasselgeräusche als Zeichen einer Bronchitis aufwies. In Gegenwart des Arztes verschluckte sich O mehrfach und war kaum noch in der Lage, etwas zu trinken. Dem Patientenwillen entsprechend verzichtete Dr. R auf die eigentlich angezeigte Einlieferung des Patienten in ein Krankenhaus und dokumentierte in der Patientenakte, dass O „präfinal“ wirke, mithin nach dem Eindruck des Arztes bald versterben werde.
2216
Am Folgetag, dem 13.07.2017, führte erneut Dr. K einen Hausbesuch bei O durch, nachdem T ihr mitgeteilt hatte, dass O weiterhin Fieber habe, fast überhaupt keine Flüssigkeit mehr zu sich nehmen könne und in der vorangegangenen Nacht aus dem Bett gekippt sei. Dr. K stellte grobblasige Rasselgeräusche beim Patienten fest und ging davon aus, dass O bald an den Folgen eines Bronchialinfekts mit Lungenentzündung (Aspirationspneumonie) versterben werde, wie sie es als eine von drei Varianten hinsichtlich des weiteren Verlauf als am wahrscheinlichsten erachtet hatte. Die Ärztin rechnete damit, dass der Tod des Patienten möglicherweise bereits während ihres Urlaubs vom 17. bis 28.07.2017 eintreten werde, und informierte auch T darüber, dass mit dem Ableben des Patienten in Kürze zu rechnen sei.
2217
G, der Bruder von T, besuchte O täglich morgens und abends. Ihm fiel auf, dass O, der in den Wochen zuvor regelmäßig große Mengen Sekret abgehustet hatte, hierzu inzwischen aber nicht mehr in der Lage war und in der zweiten Julihälfte immer häufiger unter erheblicher Atemnot litt. Deshalb rechnete auch er mit einem baldigen Ableben des Patienten. Bei seinem Besuch am Morgen des 30.07.2017 gewann G den Eindruck, dass sich die Atemnot bei O noch einmal wesentlich verstärkt hatte, weshalb er davon ausging, dass der Tod des Patienten nunmehr unmittelbar bevorstehe.
2218
Seit Ende Juni 2017 hatten sich T und G darum bemüht, über die Vermittlungsagentur „S“ eine 24- Stunden-Betreuung für O und seine Lebensgefährtin zu organisieren. Daraufhin wurde ihnen der Angeklagte als 24-Stunden-Betreuungskraft vermittelt.
2219
Der Angeklagte traf am 30.07.2017 gegen Mittag an der Anschrift von T in … ein, da ihm zuvor irrtümlich diese Anschrift als Einsatzort genannt worden war. T fuhr anschließend mit dem Angeklagten zur Wohnung des Patienten O in …, wo sie am frühen Nachmittag eintrafen.
2220
Ab etwa 15:00 Uhr war auch E, eine Mitarbeiterin des ambulanten Pflegedienstes „S e.V.“ vor Ort, und wies den Angeklagten in die Gegebenheiten vor Ort ein. Hierbei gab sich der Angeklagte uninteressiert und äußerte, dass er schon wisse, was zu tun sei, da er schon längere Zeit als 24-StundenBetreuungskraft tätig sei. Bis etwa 17:00 Uhr führte Anette Eckardt die komplette pflegerische Versorgung bei O und G durch und verließ dann das Haus, bevor sie gegen 18:30 Uhr noch einmal zurückkehrte, um bei O eine weitere Abendpflege durchzuführen, und gegen 19:30 Uhr erneut das Haus verließ.
2221
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 20:00 Uhr und 20:58 Uhr rief der Angeklagte nach C und forderte sie auf, schnell zu kommen, da O sterbe. C begab sich daraufhin sofort zu O und verständigte durch Betätigung von dessen Hausnotrufknopf die Notrufzentrale der Johanniter.
2222
Der aufgrund des Notrufs am 30.07.2017 um 20:58 Uhr alarmierte Notarzt K traf etwa zehn Minuten später vor Ort ein und fand O bewusstlos vor. Der Zustand des Patienten entsprach einem GCSScore von 3. Die Sauerstoffsättigung betrug nur noch 86 Prozent. Eine Blutzuckermessung erbrachte einen Wert von 50 mg/dl. Der Notarzt verabreichte dem Patienten daraufhin 8 g Glucose intravenös, was zwar zu einem Anstieg des Blutzuckerwerts auf 134 mg/dl, jedoch zu keiner Verbesserung der Bewusstseinslage des Patienten führte.
2223
Hierdurch sah sich der Notarzt in seiner anfänglichen Einschätzung bestätigt, dass der Blutzuckerwert von 50 mg/dl, ab dem definitionsgemäß eine Hypoglykämie vorliegt, als Ursache für die Bewusstlosigkeit des Patienten ausschied. K ging vielmehr davon aus, dass die Bewusstlosigkeit des Patienten durch dessen Atemnot verursacht war, zumal deutlich hörbare Rasselgeräusche über der Lunge vorlagen. Zur Linderung der Atemnot verabreichte der Notarzt dem Patienten zweimal je 5 mg Morphin sowie zur Kreislaufstabilisierung zwei Hübe Nitroglycerin.
2224
Nachdem sich der Zustand des Patienten hierauf nur anfänglich zu bessern schien, kurz darauf jedoch weiter verschlechterte, nahm der Notarzt telefonisch Kontakt mit dem Vorsorgebevollmächtigten T auf, um abzuklären, ob lebensverlängernde Maßnahmen ergriffen und der Patient in ein Krankenhaus eingeliefert werden solle. K erläuterte hierbei, dass O im Sterben liege und ohne lebensverlängernde Maßnahmen mit dem Todeseintritt innerhalb der nächsten halben Stunde zu rechnen sei. T brachte dem Notarzt die von O erstellte Patientenverfügung zur Kenntnis und lehnte - entsprechend dem ausdrücklichen Wunsch des Patienten - lebensverlängernde Maßnahmen sowie eine Einlieferung ins Krankenhaus ab.
2225
Am 30.07.2017 um 21:48 Uhr verstarb O an einer unbekannten Todesursache. Sein Leichnam wurde feuerbestattet. Eine Obduktion wurde nicht durchgeführt.
2226
Der Notarzt K stellte den Todeseintritt anhand einer Asystolie im Elektrokardiogramm fest und füllte daraufhin eine Todesbescheinigung aus. Darin führte er auf der Grundlage der von den Angehörigen des Patienten erhaltenen Informationen sowie seiner eigenen Wahrnehmungen als unmittelbare Todesursache ein Lungenödem infolge von Herzinsuffizienz bedingt durch Arteriosklerose bei der Grunderkrankung Morbus Parkinson an.
2227
Am nächsten Tag, den 31.07.2017, um 13:30 Uhr führte die Hausärztin Dr. K am Leichnam von O bei bestehender Totenstarre die Leichenschau durch und stellte ebenfalls eine Todesbescheinigung aus. Darin dokumentierte die Ärztin das Vorliegen eines natürlichen Todes mit dem Zusatz „erwartet verstorben bei schwerstem Parkinson“. Als unmittelbar todesursächlich benannte die Ärztin eine seit Tagen bestehende Pneumonie als Folge einer seit Monaten bestehenden Dysphagie (Schluckstörung) bei einer seit Jahren bestehenden Erkrankung an Morbus Parkinson.
2228
G zeigte krankheitsbedingt keinerlei Reaktion auf den Tod ihres Lebensgefährten und äußerte sich ihren Angehörigen gegenüber hierzu in keiner Weise. Am Morgen des 31.07.2017 richtete der Angeklagte an T die Frage, ob er die Brieftasche und das Smartphone des verstorbenen Patienten O habe könne, weil dieser die Dinge ja nun nicht mehr benötige. T, der über das Ansinnen des Angeklagten entsetzt war, lehnte dies ab.
2229
Da der Angeklagte generell einen sehr schlechten Eindruck bei der Familie G hinterlassen hatte und aus deren Sicht völlig ungeeignet war, für G als 24-Stunden-Betreuungskraft tätig zu sein, kündigte T den Vertrag mit der Vermittlungsagentur „S“ und veranlasste die Abreise des Angeklagten. Diese erfolgte am 01.08.2017, nachdem der Angeklagte zuvor noch in der Wohnung des verstorbenen Patienten in den Blumentopf einer Zimmerpflanze uriniert hatte.
2230
1. Der Angeklagte gab Einlassungen zur Sache ab.
2231
a. In der Hauptverhandlung gab der Angeklagte lediglich, wie oben unter C.II.1. (S. 63) dargelegt, in seinem letzten Wort eine Erklärung ab. Auf die dortigen Ausführungen wird umfassend Bezug genommen.
2232
b. Im Ermittlungsverfahren äußerte sich der Angeklagte in der Beschuldigtenvernehmung am 30.10.2018 zum Tatvorwurf des Mordes zum Nachteil von O.
2233
Wie der Zeuge KHK P glaubhaft berichtete, habe der Angeklagte hierbei zusammengefasst folgende Angaben gemacht:
2234
(1) Seinen auch insoweit glaubhaften Angaben zufolge habe KHK P dem Angeklagten zunächst vorgehalten, dass dieser nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis vom 30.07. bis 01.08.2017 bei dem Patienten O und dessen Lebensgefährtin G in … eingesetzt gewesen sei. Hierzu habe der Vernehmungsbesamte dem Angeklagten ergänzend Lichtbilder vorgelegt, welche den Patienten O sowie den Angeklagten zusammen mit der Zeugin C, der Schwägerin von G, gezeigt hätten. Der Angeklagte habe seinen Einsatz beim Patienten O bestätigt und hinzugefügt, dass ihm vorab eine andere Anschrift als diejenige der Einsatzstelle mitgeteilt worden sei, an welcher er angekommen sei. Von dort habe ihn ein Sohn der Zeugin C zur Einsatzstelle gebracht.
2235
C, die im selben Haus wie der Patient O und seine Lebensgefährtin gewohnt habe, habe ihm, dem Angeklagten, mitgeteilt, dass sie sich schon seit einigen Jahren um diese kümmere und nunmehr „herzlich genug von ihnen“ habe. Sie habe ihn gebeten, auf ihre Schwägerin besonders aufzupassen, da diese an einer psychischen Krankheit leide. O und G seien beide zur Fortbewegung auf den Rollstuhl angewiesen gewesen.
2236
Während sich O weder aggressiv noch beleidigend ihm gegenüber verhalten habe, sei G von Anfang an gegen ihn eingestellt gewesen, habe ihn angeschrien und beschimpft. Deshalb sei er „total gestresst und aufgeregt“ gewesen, weil er nicht gewusst habe, was G gegen ihn habe.
2237
(2) Zum objektiven Tatvorwurf habe der Angeklagte zunächst angegeben, dass er am zweiten Tag seines Aufenthalts im Haushalt O / G gegen 16:00 Uhr oder 17:00 Uhr dem Patienten O „vielleicht an die drei- bis viermal“ Insulin - in den Oberarm, wie er glaube - verabreicht habe.
2238
Im Widerspruch dazu habe der Angeklagte laut KHK P an einer späteren Stelle der Vernehmung von einem Tatzeitraum zwischen 15:00 Uhr und 16:30 Uhr gesprochen. Dies sei auf die Frage des Vernehmungsbeamten erfolgt, ob O bei der Verabreichung des Insulins durch den Angeklagten geschlafen habe. Hierauf habe der Angeklagte behauptet, dass O lediglich mit geschlossenen Augen dagelegen sei, aber nicht geschlafen habe, da es zwischen 15:00 Uhr und 16:30 Uhr gewesen sei.
2239
Wie KHK P auch insoweit glaubhaft berichtete, habe er dem Angeklagten daraufhin den Widerspruch in dessen Zeitangaben vorgehalten. Hierauf habe der Angeklagte lediglich geäußert, dass er O und dessen Lebensgefährtin zwischen 15:00 Uhr und 16:30 Uhr zu Bett gebracht habe.
2240
G habe die Verabreichung des Insulins durch den Angeklagten dessen Angaben zufolge nicht mitbekommen, da er so zum Patienten gestanden sei, dass G es nicht habe sehen können. O habe auf die Injektionen keine Reaktion gezeigt.
2241
(3) Zu seinem Tatmotiv habe der Angeklagte zunächst angegeben, dass er dem Patienten O Insulin verabreicht habe, weil G zweimal ein Besteckmesser nach ihm, dem Angeklagten, geworfen habe.
2242
Seinen glaubhaften Angaben zufolge habe KHK P hierauf nachgefragt, warum der Angeklagte dem Patienten O Insulin verabreicht habe, wenn es ihm doch um das Verhalten von dessen Lebensgefährtin gegangen sei. Daraufhin habe der Angeklagte seine Einlassung zu seinem Tatmotiv geändert und - im Widerspruch zu seinen zu Beginn seiner Einlassung zum Fall O gemachten Angaben, wonach sich O ihm gegenüber weder aggressiv noch beleidigend verhalten habe (vgl. oben (1), S. 311) - nunmehr erstmals ein aggressives Verhalten des Patienten O behauptet.
2243
Demnach sei der Grund für die Insulingabe gewesen, dass O ihn „die ganze Zeit“ mit der Hand von sich weggestoßen habe, wenn er zum Patienten hingegangen sei. Hierdurch habe O am zweiten Tag seines Aufenthalts das von ihm zwischen 12:00 Uhr und 13:00 Uhr für den Patienten und dessen Lebensgefährtin zubereitete Mittagessen zu Boden geworfen.
2244
Dass der Teller zu Boden gefallen sei, sei für ihn, den Angeklagten, derart „stressig“ gewesen, dass er dies nicht habe aushalten können. Als daraufhin C hinzugekommen sei und gefragt habe, weshalb der Teller auf dem Boden liege, habe er, der Angeklagte, ihr erklärt, dass O den Teller zu Boden geworfen und G ihn wiederholt beschimpft und angeschrien habe. Aufgrund der gesamten Situation sei er „gestresst und aufgeregt“ gewesen.
2245
Anschließend habe sich C wortlos zurückgezogen. Nachdem O und G ihr Mittagessen aufgegessen hätten, habe er, der Angeklagte, die beiden jeweils aus ihrem Rollstuhl in ihr Bett transferiert. Als er den Patienten O in sein Bett gelegt habe, habe dieser ihn mit der linken Hand am Hals gepackt und zugedrückt. Unterdessen habe G ihrem Lebensgefährten zugerufen „Erwürge ihn!“. Er, der Angeklagte, habe die Hand des Patienten von seinem Hals entfernt und das Zimmer verlassen. Er sei nicht mehr in der Lage gewesen, die Gesamtsituation auszuhalten.
2246
(4) Zur subjektiven Tatseite im Übrigen habe der Angeklagte jegliche Tötungsabsicht bestritten. Er habe den Patienten O nur zum Schlafen bringen wollen. Er habe tagsüber und nachts „praktisch nicht schlafen“ können, weil er ständig habe hin und her laufen müssen.
2247
(5) Zum Nachtatgeschehen habe der Angeklagte angegeben, dass er nach den InsulinInjektionen in der Küche aufgeräumt und sich dann nach oben in sein Zimmer begeben habe. Nach etwa zwei Stunden habe er nach dem Patienten O gesehen, ihn leicht an der Schulter gerüttelt und festgestellt, dass dieser nicht mehr geatmet und sich nicht mehr bewegt habe. Daraufhin habe er sofort die Zeugin C informiert, welche den Rettungsdienst verständigt habe. Die eingetroffenen Rettungskräfte hätten vor Ort erfolglos Rettungsmaßnahmen ergriffen.
2248
Die Zeugin C habe ihn, den Angeklagten, noch am selben Tag, an welchem der Patient verstorben sei, aufgefordert, sofort das Haus zu verlassen. Dieser Aufforderung sei er noch am selben Tag zwischen 19:00 Uhr und 20:00 Uhr nachgekommen.
2249
(6) Im Hinblick auf den Tatvorwurf des Diebstahls habe der Angeklagte angegeben, dass er aus einem Aschenbecher in der Küche, in welchem Münzgeld aufbewahrt gewesen sei, 10 bis 20 Euro Bargeld entwendet habe, weil ihm die Angehörigen des Patienten kein Geld für die Fahrkarte gegeben hätten. Ferner habe er aus dem Zimmer, in welchem das Bett des Patienten gestanden sei, zwei Ringe sowie zwei Armbanduhren, jeweils ohne Armband, entwendet. Die beiden Ringe habe er später in einem von ihm häufiger aufgesuchten Pfandleihhaus in seiner Heimatstadt veräußert. Auf den Vorhalt des Vernehmungsbeamten, dass der Angeklagte nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis die Angehörigen gefragt habe, ob er Wertgegenstände des Verstorbenen mitnehmen dürfe, habe der Angeklagte angegeben, hieran keine Erinnerung zu haben.
2250
2. Aus den oben unter C.III.1. (S. 97 ff.) dargelegten Gründen hat das Schwurgericht insgesamt seine Feststellungen nur insoweit auf die Einlassungen des Angeklagten gestützt, als diese eine Bestätigung in anderen Beweismitteln finden und mit den übrigen Beweisergebnissen im Einklang stehen. Auf die dortigen Ausführungen wird umfassend Bezug genommen.
2251
Die Einlassungen des Angeklagten zur Tatzeit im Fall O lassen sich nicht ansatzweise mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen und sind zudem, ebenso wie die Einlassung des Angeklagten zu seinem Tatmotiv, widersprüchlich. Auch die Einlassung des Angeklagten zu seiner Abreise steht im Widerspruch zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme (vgl. hierzu unten 5.b., S. 317).
2252
3. Der oben unter II. (S. 307 ff.) festgestellte Sachverhalt beruht auf den nachfolgend dargelegten Beweismitteln und Erwägungen.
2253
a. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Patienten O und dessen Entwicklung, zu den ärztlichen Hausbesuchen im Juni und Juli 2017, der ärztlichen Einschätzung hinsichtlich des weiteren Krankheitsverlaufs sowie ferner zur Leichenschau am 31.07.2017 einschließlich der Angaben in der Todesbescheinigung beruhen auf den entsprechenden, glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben der sachverständigen Zeugin Dr. K, der Hausärztin des Patienten.
2254
b. Die Feststellungen zu dem Gesundheitszustand und der Persönlichkeit von G, zur Persönlichkeit des Patienten O, zur Organisation der 24-Stunden-Betreuung, zur Ankunft des Angeklagten am 30.07.2017, zum Telefonat zwischen dem Notarzt K und T am Abend des 30.07.2017, zu dem vom Angeklagten am Morgen des 31.07.2017 geäußerten Ansinnen hinsichtlich der Brieftasche und des Smartphones des verstorbenen Patienten sowie zur Veranlassung der Abreise des Angeklagten stützen sich auf die entsprechenden, glaubhaften Angaben des Zeugen T.
2255
c. Die Feststellungen zu den Wahrnehmungen des Zeugen G und seiner darauf basierenden Einschätzung sowie zum Verhalten des Angeklagten vor seiner Abreise gründen sich auf die entsprechenden, glaubhaften Angaben des Zeugen G.
2256
d. Die Feststellungen zur ambulanten pflegerischen Versorgung des Patienten durch Pflegekräfte des ambulanten Pflegedienstes „S e.V.“, insbesondere auch am 30.07.2017, sowie zur Einweisung des Angeklagten basieren auf den entsprechenden, glaubhaften Angaben der Zeugin E.
2257
e. Den Feststellungen im Zusammenhang mit dem Notruf liegen die entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin C zugrunde.
2258
f. Die Feststellungen zu dem Notarzteinsatz, dem Todeszeitpunkt und der vom Notarzt ausgestellten Todesbescheinigung beruhen auf den entsprechenden, glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des sachverständigen Zeugen K.
2259
g. Dass O ohne Durchführung einer Obduktion feuerbestattet wurde, bekundete auch insoweit glaubhaft der Zeuge T.
2260
h. Die Feststellung, dass O an einer unbekannten Todesursache verstarb, stützt das Schwurgericht auf die Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Z und der toxikologischen Sachverständigen Dr. R, beide vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München.
2261
(1) Die rechtsmedizinische Sachverständige legte dar, dass die konkrete Todesursache, an welcher O verstorben sei, unbekannt sei, da keine Obduktion des letztlich feuerbestatteten Leichnams durchgeführt worden sei und auch keine über die Angaben der sachverständigen Zeugen Dr. K und K hinausgehenden Untersuchungsbefunde vorlägen.
2262
(2) Laut Prof. Dr. Z könne allerdings auf der Grundlage der Angaben des sachverständigen Zeugen K gesagt werden, dass O nicht an den Folgen einer Hypoglykämie verstorben sei.
2263
(a) Zwar handle es sich bei dem vom Notarzt gemessenen Blutzuckerwert von 50 mg/dl um den Grenzwert, ab welchem definitionsgemäß eine Hypoglykämie vorliege. Allerdings träten bei Blutzuckerwerten im Bereich von 50 mg/dl keine Bewusstseinsstörungen und erst recht keine Bewusstlosigkeit, wie sie bei Helmut O mit einem GCS-Score von 3 vorgelegen habe, auf. Typische Symptome bei Blutzuckerwerten in diesem Bereich seien vielmehr Heißhunger, Schweißausbrüche und Herzklopfen.
2264
Erst ab Werten von etwa 40 mg/dl komme es zu einer Glucose-Unterversorgung des Gehirns, welche mit Symptomen wie Verwirrtheit, Koordinationsstörungen, Krampfanfällen sowie Bewusstseinsstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit einhergehe und schließlich zum Tod führen könne. Darüber hinaus sei ab derartigen Blutzuckerwerten auch ein hypoglykämischer Schock mit zentraler Atem- und Kreislaufstörung möglich.
2265
(b) Dass der hypoglykämische Blutzuckerwert von 50 mg/dl als Ursache für die Bewusstlosigkeit des Patienten O ausscheide, sei - wie der sachverständige Zeuge K aus rechtsmedizinischer Sicht zutreffend ausgeführt habe - dadurch belegt, dass der Anstieg des Blutzuckerwerts auf 134 mg/dl nach der intravenösen Verabreichung von 8 g Glucose nicht zu einer Verbesserung der Bewusstseinslage des Patienten geführt habe.
2266
Laut Prof. Dr. Z gehe ein derartiger Anstieg des Blutzuckerwerts in Fällen, in denen eine Bewusstlosigkeit durch eine Hypoglykämie hervorgerufen werde, stets mit einer signifikanten Verbesserung des Bewusstseinszustands einher.
2267
(c) Der rechtsmedizinischen Sachverständigen zufolge lasse sich der bei O gemessene Blutzuckerwert von 50 mg/dl zwanglos durch geringe Nahrungszufuhr und / oder den bereits stattfindenden Sterbeprozess erklären. Hierbei sei oftmals ein Absinken des Blutzuckerwerts auf Werte in diesem Bereich zu beobachten, ohne dass externe Einflussfaktoren hinzukämen. Jedenfalls könne man aus einem Blutzuckerwert von 50 mg/dl nicht auf die vorangegangene Verabreichung von Insulin schließen.
2268
(3) Wie Prof. Dr. Z weiter ausführte, sei es gut möglich, aber mangels Obduktion nicht belegbar, dass die Einschätzung der Hausärztin Dr. K zur Todesursache - eine Pneumonie infolge einer Dysphagie (Schluckstörung) bei einer Erkrankung an Morbus Parkinson - zutreffend sei. Jedenfalls sei diese Annahme schlüssig und zwanglos mit den von den (sachverständigen) Zeugen genannten Anknüpfungstatsachen in Einklang zu bringen.
2269
(4) Die Sachverständige Dr. R legte dar, dass mangels entsprechender Untersuchungsbefunde aus toxikologischer Sicht keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen vorlägen, welche einen tragfähigen Rückschluss auf die Todesursache zuließen.
2270
(5) Die von großer Sachkunde getragenen Ausführungen der sehr erfahrenen Sachverständigen Prof. Dr. Z und Dr. R waren überzeugend, widerspruchsfrei und gingen von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus.
2271
(6) In Anschluss an die Darlegungen der beiden Sachverständigen und mit den genannten Argumenten gelangte das Schwurgericht zu der Überzeugung, dass O an einer unbekannten Todesursache verstarb.
2272
4. Ein vollendetes Tötungsdelikt des Angeklagten war im Fall O schon deshalb nicht nachweisbar, da O jedenfalls nicht an den Folgen einer Hypoglykämie verstarb, auch wenn die konkrete Todesursache mangels Obduktion letztlich unbekannt ist (vgl. oben 3.h., S. 315). Damit wäre jedenfalls eine etwaige Insulingabe durch den Angeklagten für das Versterben des Patienten nicht kausal gewesen.
2273
5. Aber auch ein versuchtes Tötungsdelikt und / oder ein vollendetes Körperverletzungsdelikt des Angeklagten durch die Verabreichung von Insulin waren im Fall O nicht nachweisbar.
2274
Als Grundlage für eine entsprechende Verurteilung käme allein die geständige Einlassung des Angeklagten in der Beschuldigtenvernehmung vom 30.10.2018 (vgl. oben 1.b., S. 311) in Betracht.
2275
a. Jedoch hat das Schwurgericht aus den oben unter C.III.1. (S. 97 ff.) dargelegten Gründen insgesamt seine Feststellungen nur insoweit auf die Einlassungen des Angeklagten gestützt, als diese eine Bestätigung in anderen Beweismitteln finden und mit den übrigen Beweisergebnissen im Einklang stehen. Auf die dortigen Ausführungen wird umfassend Bezug genommen.
2276
Im Fall O gibt es außerhalb der Einlassung des Angeklagten keine Beweismittel, welche die Einlassung des Angeklagten bestätigen würden. Es gibt keine anderen Beweisergebnisse, welche den tragfähigen Rückschluss zuließen, dass dem Patienten O kurz vor seinem Tod Insulin verabreicht worden wäre. Der bei O gemessene Blutzuckerwert von 50 mg/dl ist kein hinreichendes Indiz für die vorangegangene Verabreichung von Insulin, da sich dieser Wert zwanglos auch ohne die Gabe von Insulin erklären lässt (vgl. hierzu oben 3.h(2)(c), S. 316).
2277
b. Darüber hinaus lassen sich die Einlassungen des Angeklagten zur Tatzeit nicht ansatzweise mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen und sind zudem, ebenso wie die Einlassung des Angeklagten zu seinem Tatmotiv, widersprüchlich. Auch die Einlassung des Angeklagten zu seiner Abreise steht im Widerspruch zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme.
2278
(1) Die Angaben des Angeklagten zur Tatzeit sind in sich widersprüchlich und stehen in krassem Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen.
2279
(a) Der Angeklagte behauptete, er habe O am zweiten Tag seines Aufenthalts im Haushalt O / G - dies wäre am 31.07.2017 - „vielleicht an die drei- bis viermal“ Insulin - in den Oberarm, wie er glaube - verabreicht.
2280
Hinsichtlich der Uhrzeit gab der Angeklagte zunächst an, dass es gegen 16:00 Uhr oder 17:00 Uhr gewesen sei, während er an einer späteren Stelle der Vernehmung von einem Tatzeitraum zwischen 15:00 Uhr und 16:30 Uhr sprach. Auf Vorhalt dieses Widerspruchs behauptete der Angeklagte lediglich, dass er O und dessen Lebensgefährtin zwischen 15:00 Uhr und 16:30 Uhr zu Bett gebracht habe (vgl. oben 1.b(2), S. 312).
2281
Nach etwa zwei Stunden - dies wäre, je nach oben zugrunde gelegter Zeitangabe, etwa zwischen 17:00 Uhr und 19:00 Uhr - habe er nach dem Patienten O gesehen, ihn leicht an der Schulter gerüttelt und festgestellt, dass dieser nicht mehr geatmet und sich nicht mehr bewegt habe. Daraufhin habe er, der Angeklagte, sofort die Zeugin C informiert, welche den Rettungsdienst verständigt habe (vgl. oben 1.b(5), S. 313).
2282
(b) Tatsächlich verstarb O nicht am 31.07.2017, sondern bereits am 30.07.2017, dem Tag der Ankunft des Angeklagten im Haushalt O / G (vgl. oben II., S. 307).
2283
Darüber hinaus führte die Pflegekraft E vom ambulanten Pflegedienst „S e.V.“ von etwa 15:00 Uhr bis gegen 17:00 Uhr die komplette pflegerische Versorgung bei O und G durch und wies in diesem Zeitraum zudem den Angeklagten in die Gegebenheiten vor Ort ein. Von etwa 18:30 Uhr bis gegen 19:30 Uhr führte E eine weitere Abendpflege bei O durch. C wurde vom Angeklagten zwischen 20:00 Uhr und 20:58 Uhr über die schlechte Verfassung von O informiert (vgl. oben II., S. 307).
2284
Die Grundlagen für diese Feststellungen des Schwurgerichts wurden oben unter 3. (S. 314) zusammengefasst skizziert.
2285
(2) Die Einlassung des Angeklagten zu seinem Tatmotiv ist durch Widersprüche gekennzeichnet.
2286
(a) Während der Angeklagte für sein Tatmotiv zunächst ein aggressives Verhalten von G anführte, änderte er seine diesbezügliche Einlassung auf eine Nachfrage des Vernehmungsbeamten hin ab und benannte im Widerspruch dazu nunmehr ein aggressives Verhalten des Patienten O als sein Tatmotiv (vgl. oben 1.b(3), S. 312).
2287
(b) Mit seiner abgeänderten Einlassung, in der er erstmals ein aggressives Verhalten des Patienten O behauptete, setzte sich der Angeklagte zugleich in Widerspruch zu seinen eigenen, zu Beginn seiner Einlassung zum Fall O gemachten Angaben, wonach sich O ihm gegenüber weder aggressiv noch beleidigend verhalten habe (vgl. oben 1.b(1), S. 311).
2288
(c) Zudem steht diese Behauptung des Angeklagten auch im Widerspruch zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme, wonach O von seiner Persönlichkeit her stets ruhig und umgänglich war und sich nie auch nur ansatzweise aggressiv gegenüber Pflegekräften, Ärzten und seinen Angehörigen verhielt (vgl. oben II., S. 307). Diese Feststellungen basieren auf den glaubhaften Angaben des Zeugen T (vgl. oben 3.b., S. 314).
2289
(3) Auch die Einlassung des Angeklagten zu seiner Abreise steht im Widerspruch zu den übrigen Beweisergebnissen.
2290
(a) Der Angeklagte behauptete, er habe auf Aufforderung von C noch am selben Tag, an welchem der Patient verstorben sei - dies wäre am 30.07.2017 - zwischen 19:00 Uhr und 20:00 Uhr das Haus zu verlassen.
2291
(b) Tatsächlich reiste der Angeklagte erst am 01.08.2017 - und damit zwei Tage nach dem Tod von O am 30.07.2017 um 21:48 Uhr - ab (vgl. oben II., S. 307). Die Grundlagen für diese Feststellung des Schwurgerichts wurden oben unter 3. (S. 314) zusammengefasst skizziert.
2292
c. Überdies ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte, nachdem ihm am 24.01.2017 erstmals Insulin verschrieben worden war, jedem Patienten, bei dem er in der Folge tätig war, Insulin verabreicht hätte.
2293
Der Angeklagte war nach der erstmaligen Verordnung von Insulin in insgesamt 34 Privathaushalten beschäftigt, in denen er mindestens eine Nacht verbrachte und nicht schon am Tag seiner Ankunft wieder abreiste (vgl. oben B., S. 14 ff.). Nur bei 12 dieser 34 Einsatzstellen bejahte die Staatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht. Bei allen übrigen Einsatzstellen ergaben sich im Rahmen der umfangreichen und sorgfältig geführten kriminalpolizeilichen Ermittlungen keine Hinweise auf eine etwaige Verabreichung von Insulin durch den Angeklagten. Insbesondere zeigten sich bei den übrigen Patienten während des Aufenthalts des Angeklagten keine relevanten gesundheitlichen Auffälligkeiten. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter C.III.2.c. (S. 108) umfassend Bezug genommen.
2294
d. Nach alledem konnte sich das Schwurgericht nicht mit dem für eine Verurteilung erforderlichen Maß an Sicherheit davon überzeugen, dass die geständige Einlassung des Angeklagten zumindest im Kern der Wahrheit entspräche und der Angeklagte dem Patienten O zeitnah vor dessen Tod Insulin verabreicht hätte.
2295
Zwar erachtet die Strafkammer dies durchaus für möglich, jedoch fehlt es für diese Schlussfolgerung an hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkten. Vielmehr ist es nach der Überzeugung des Schwurgerichts ebenso möglich, dass der Angeklagte insoweit seine Einlassung - wie auch an einer anderen Stelle der Beschuldigtenvernehmung vom 30.10.2018 (vgl. hierzu oben C.III.1.g., S. 106) - lediglich an die tatsächlichen oder vermeintlichen Tatvorwürfe der Ermittlungsbehörden anpasste.
2296
Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass sich der Angeklagte in zwei anderen Punkten nachweislich zu Unrecht selbst belastete und insoweit ein überschießendes Geständnis ablegte (vgl. hierzu oben C.III.1.e., S. 98 ff.). Darüber hinaus bestätigte der Angeklagte in zwei Punkten Vorhalte und Vorwürfe des Vernehmungsbeamten, obwohl diese nicht den Tatsachen entsprachen (vgl. hierzu oben C.III.1.f., S. 102).
2297
In beiden Aspekten kommt nach der Überzeugung der Strafkammer zum einen das Bemühen des Angeklagten, den Vernehmungsbeamten als Repräsentanten der Ermittlungsbehörden für sich einzunehmen, und zum anderen eine gewisse Bequemlichkeit des Angeklagten zum Ausdruck (vgl. hierzu oben C.III.1.e(3), S. 102). Beides erachtet das Schwurgericht auch als mögliches Motiv für ein falsches Geständnis des Angeklagten im Fall O.
2298
Aufgrund der im Fall O nach einer umfassenden Gesamtwürdigung verbleibenden Zweifel der Strafkammer an der Schuld des Angeklagten war dieser nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
2299
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1, 467 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO.