Titel:
Bescheid, Arbeitsunfall, Unfallversicherung, Behinderung, Versicherungsschutz, Widerspruchsbescheid, Versicherungsfall, Gerichtsbescheid, Widerspruch, Bindungswirkung, GdB, Ablehnung, Anerkennung, Feststellung, behinderte Menschen, betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, gesetzlichen Unfallversicherung
Schlagworte:
Bescheid, Arbeitsunfall, Unfallversicherung, Behinderung, Versicherungsschutz, Widerspruchsbescheid, Versicherungsfall, Gerichtsbescheid, Widerspruch, Bindungswirkung, GdB, Ablehnung, Anerkennung, Feststellung, behinderte Menschen, betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, gesetzlichen Unfallversicherung
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 11.05.2021 – L 17 U 331/20
BSG Kassel, Beschluss vom 09.09.2021 – B 2 U 143/21 B
Fundstelle:
BeckRS 2020, 51286
Tenor
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 17. März 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2017 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob in Anwendung des § 44 SGB X die bestandskräftige Ablehnung des Eintritts eines Arbeitsunfalls am 04.07.2009 aufzuheben und ein solcher anzuerkennen ist.
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Der 1980 geborene Kläger war am Unfalltag, dem 04.07.2009, als Beschäftigter der Werkstätte für behinderte Menschen in der L. in B. tätig. Er war Mitglied der Fußballmannschaft der Werkstatt und spielte auf der Position des Torwartes. Die Fußballmannschaft der L. in B. besteht seit 2001 und wurde im Rahmen der arbeitsbegleitenden Maßnahmen nach der Werkstättenverordnung eingerichtet. Die Teilnehmer trainieren ein- bis zweimal wöchentlich während der normalen Arbeitszeit, unter Anleitung von Personalmitarbeitern. Da der Fußballsport in vielen Werkstätten angeboten wird, werden diesbezüglich bis auf Bundesebene Meisterschaften ausgetragen. Am 04.07.2009 fand ein landesweites Ausscheidungsturnier auf dem Sportplatz des SC B. statt, zu dem der Landesverband der L., der C. Behindertensportverband sowie die Mitarbeitervertreter sowohl organisatorisch als auch finanziell unterstützend beitrugen. An dieser Veranstaltung nahmen 18 Mannschaften der Bayerischen Werkstätten für Behinderte teil. Sie wurde organisiert durch die Unternehmensleitung und den Landesverband der L.. Vonseiten der B. Werkstätten nahmen 26 Personen und 2 Mitarbeiter teil. Während dieser Veranstaltung prallte der Kläger im Rahmen eines Zweikampfs um den Ball mit einem gegnerischen Spieler zusammen und verletzte sich die rechte Schulter. Ausweislich des D-Arztberichtes des Prof. Dr. S. vom 04.07.2009 kam es in diesem Zusammenhang zu einer Schulterluxation rechts. Diese wurde in Kurznarkose noch am 04.07.2009 reponiert und am 24.07.2009 fand schließlich eine Schulterarthroskopie mit Labrum-Ligament-Komplex-Refixation statt. Im Verwaltungsverfahren zur Feststellung eines Arbeitsunfalls zog zum damaligen Zeitpunkt die Beklagte Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers bei, weiterhin umfangreiche Auskünfte der Werkstätte für behinderte Menschen der L. in B. zu den organisatorischen Umständen des gegenständlichen Ausscheidungsturniers. Mit Bescheid vom 25.08.2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 04.07.2009 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung wird angeführt, der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt keinen versicherten Betriebssport ausgeübt, da es sich um ein Fußballturnier mit Wettkampfcharakter auf Landesebene mit dem Ziel der Qualifizierung der Teilnehmer für ein Bundesturnier gehandelt habe. Darüber hinaus liege auch nicht eine sogenannte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vor, da diese lediglich auf die Teilnahme aktiver Fußballer und Helfer beschränkt war. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
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Mit Schreiben vom 27.12.2016 beantragte der Vater des Klägers für diesen gemäß § 44 SGB X die Rücknahme des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides und sinngemäß die Feststellung, dass das Unfallereignis vom 04.07.2009 ein Arbeitsunfall war. Da dieser Antrag bis März 2017 nicht begründet wurde, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.03.2017 die Überprüfung des Bescheides vom 25.08.2009 ab. Es werde an der Bindungswirkung des Bescheides festgehalten. Die Beklagte könne sich ohne Sachprüfung auf die Bindungswirkung der früheren Entscheidung berufen, wenn keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht worden seien. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, sowohl der ursprüngliche Ablehnungsbescheid vom 25.08.2009 als auch der Bescheid vom 17.03.2017 seien ohne Anhörung gemäß § 24 SGB X ergangen und daher zurückzunehmen. Zusätzlich verstießen sie gegen Menschengrundrechte, die Würde des Menschen und den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Gemeinschaftsveranstaltung am 04.07.2009 erfülle die Voraussetzung für eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2017 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zum einen könne sich die Beklagte weiterhin auf die Bindungswirkung des Ablehnungsbescheides vom 25.08.2009 berufen, da seitens des Klägers keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht wurden, welche bei der ursprünglichen Entscheidung noch nicht berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus sei jedoch auch das Recht nicht unrichtig angewandt worden, sodass die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X nicht vorlägen. Insbesondere liege keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vor, da bei ca. 450 Betriebsangehörigen der Werkstätte für behinderte Menschen der L. in B. lediglich 35 Personen der Einrichtung am landesweiten Fußballturnier teilgenommen hätten und darüber hinaus es sich hier nicht um eine Veranstaltung des Betriebssports gehandelt habe, sondern um eine Veranstaltung mit Wettkampfcharakter, sodass letztendlich aus diesen Gründen die Anerkennung des Ereignisses des Versicherungsfall ausscheide.
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Gegen diese Entscheidung der Beklagten erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Vater Klage zum Sozialgericht Bayreuth, eingegangen am 12.07.2017. Das Klageverfahren wurde zunächst in der 11. Kammer des Sozialgerichts Bayreuth geführt, die Zuständigkeit ging im Juni 2019 auf die 12. Kammer des Sozialgerichts Bayreuth über.
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Zur Ermittlung des Sachverhalts zog das Gericht zunächst die Beklagtenakte bei. Zur Begründung führt der Kläger an, er sei aufgrund einer geistigen Behinderung mit GdB 80 seit 04.09.2000 Mitarbeiter der Werkstatt für behinderte Menschen der L. in B. und deshalb gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII unfallversichert. Sinngemäß wird weiter angeführt, die Auskünfte der Geschäftsführung der Werkstätte für behinderte Menschen zu den Umständen des Unfalls könne nicht als wirksame Grundlage für die ablehnende Entscheidung herangezogen werden.
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Mit richterlichem Hinweis vom 08.07.2019 wies das Gericht auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Klage unter Verweis auf die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgericht vom 06.03.2019, L 2 U 148/17, hin. In der Folge wurde dem Kläger auf entsprechenden Antrag hin mehrfach durch Fristverlängerung die Möglichkeit eingeräumt, umfassender und ausführlicher Stellung zum Klagebegehren zu nehmen. Mit Schreiben vom 30.06.2020 wurde er schließlich zur beabsichtigen Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid angehört. Mit Schreiben vom 30.08.2020 beantragte der Kläger erneut eine „kurze“ Frist für die Vorlage von Nachweisen. Bis zum aktuellen Zeitpunkt erfolgte diesbezüglich kein weiterer Vortrag.
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Der Kläger beantragt sinngemäß:
1. Der Bescheid des Beklagten vom 17.03.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2017 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, in Aufhebung des Bescheides vom 25.08.2009 das Unfallereignis des Klägers vom 04.07.2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Beklagtenakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht konnte vorliegend gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten wurden zur beabsichtigten Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid angehört.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Beklagte hat mit dem angegriffenen Bescheid vom 17.03.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2017 zu Recht die Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 25.08.2009 abgelehnt. Diese Bescheide sind in Bezug auf die hier streitgegenständliche Frage, ob das Unfallereignis vom 04.07.2009 ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ist, rechtmäßig.
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Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens auf Rücknahme des Bescheides vom 25.08.2009 ist § 44 SGB X. Nach Abs. 1 Satz 1 der Reglung ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Zur Überzeugung des Gerichts sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht erfüllt, da mit diesem Bescheid zu Recht die Anerkennung des Unfalls vom 04.07.2009 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt wurde und damit das Recht richtig angewandt wurde. Weiter sind für das Gericht auch keine Anhaltspunkte erkennbar, dass zu diesem Zeitpunkt von einem falschen Sachverhalt ausgegangen wurde.
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Das gegenständliche Fußballturnier der Werkstätte für behinderte Menschen, bei dem sich der Kläger als Torwart im Rahmen eines Zweikampfes verletzt hat, kann weder unter dem Gesichtspunkt „arbeitsbegleitende Maßnahme“, noch als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung und auch nicht als eine Verrichtung im Sinne des Betriebssports gesehen werden und war damit keine versicherte Tätigkeit.
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Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII.
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Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (sog. Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheits(erst) schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(erst) schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. statt vieler BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Alle rechtserheblichen Tatsachen bedürfen des vollen Beweises mit Ausnahme derjenigen, die einen Ursachenzusammenhang (Unfallkausalität, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) ergeben; für diese genügt angesichts der hier typischen Beweisschwierigkeiten die hinreichende Wahrscheinlichkeit (zum Ganzen etwa BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R = juris, Rdnr. 16 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.01.2012 - L 3 U 329/09 = juris, Rdnr. 19 ff.; Bayerisches LSG, Urteil vom 14.12.2011 - L 2 U 504/10 = juris, Rdnr. 41 ff.). Vollbeweis in jenem Sinne bedeutet, dass die entsprechenden Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen (statt vieler Bayerisches LSG, a.a.O., Rdnr. 41).
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Dies ist der Fall, wenn ihr Vorliegen in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass sämtliche Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.08.2010 - L 3 U 138/07 = juris, Rdnr. 31; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.03.2011 - L 15 U 263/03 = juris, Rdnr. 33).
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt das Gericht zur folgenden Überzeugung.
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Der Kläger war aufgrund der von ihm ausgeübten Tätigkeit in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII kraft Gesetzes versichert. Es fehlt aber an dem erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen dem konkreten unfallbringenden Verhalten und dem generell versicherten Tätigkeitsbereich. Dieser innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (std. Rspr. des BSG, vgl. BSG SozR 3-2400 § 8 Nr. 1 mwN). Zwar war grundsätzlich die Teilnahme an Trainingsmaßnahmen der Fußballmannschaft der WfbM als arbeitsbegleitende Maßnahme Teil der versicherten Tätigkeit des Klägers. Die Teilnahme an arbeitsbegleitenden Maßnahmen dient einerseits der Erhaltung und Verbesserung der im Berufsbildungsbereich erworbenen Leistungsfähigkeit und andererseits der Weiterentwicklung der Persönlichkeit. In § 219 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX und § 5 Abs. 3 WVO werden diese Ziele ebenfalls genannt. Die WfbM muss über die zur pädagogischen, sozialen und medizinischen Betreuung der behinderten Menschen notwendigen begleitenden Dienste verfügen (Luik in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 58 SGB IX Rn. 46). Die Teilnahme an wöchentlichen Trainingsmaßnahmen kann unter dem Gesichtspunkt der Persönlichkeitsentwicklung sicherlich als Teil einer solchen arbeitsbegleitenden Maßnahme angesehen werden, das hier fraglich Unfallereignis geschah aber gerade nicht während dieser Trainingseinheiten, sondern während eines großen landesweiten Ausscheidungsturniers. Die Teilnahme an einem solchen Turnier mit Wettkampfcharakter überschreitet zur Überzeugung des Gerichts die Grenze zwischen versicherter und unversicherter Tätigkeit.
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Auch ein Versicherungsschutz unter Berücksichtigung der Grundsätze für eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung scheidet hier aus. Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen können auf richterrechtlicher Grundlage in den unfallversicherungsrechtlichen Versicherungsschutz einbezogen sein. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall, dass der Unternehmer alle Betriebsangehörigen (bzw. bei einer Veranstaltung für eine organisatorisch abgegrenzte Abteilung oder Einheit des Betriebs alle Angehörigen dieser Abteilung oder Einheit) einladen oder einladen lassen und den Wunsch deutlich machen muss, dass sich möglichst alle Eingeladenen zur Teilnahme entschließen. Die Teilnahme muss daher vorab erkennbar grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens oder der betroffenen Abteilung offenstehen und objektiv möglich sein. Es reicht nicht aus, dass nur den Beschäftigten einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme angeboten wird oder zugänglich ist (ständige Rechtsprechung, vergleiche BSG, Urteil vom 15.11.2016 - Az. B 2 U 12/15 R - Rdnr. 20). Nach der Planung der Zusammenkunft darf nicht von vornherein ersichtlich sein, dass ein nennenswerter Teil der Belegschaft wegen der konkreten Art der Veranstaltung an dieser nicht teilnehmen kann oder will, zum Beispiel wegen der besonderen sportlichen Anforderungen oder wegen fehlender Fertigkeiten beim Betreiben einer Sportart. Bespielhaft ist hier die Einladung zu einer Teilnahme an einem Skiwochenende oder eben zu einem Fußballturnier anzuführen, da hier nur der fußballbegeisterte Teil der Belegschaft angesprochen wird (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. Oktober 2017 - L 2 U 308/16 -, Rn. 24 - 25, juris; Keller, in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 05/15, § 8 SGB VII Rdnr. 105 mit weiteren Nachweisen aus der obergerichtlichen Rechtsprechung). In Betrieben, bei denen wegen der Größe der Belegschaft aus organisatorischtechnischen Gründen eine gemeinsame Betriebsveranstaltung nicht möglich ist und deshalb eine entsprechende Veranstaltung innerhalb einer einzelnen Abteilung oder anderen betrieblichen Einheit stattfindet, genügt es, dass die Teilnahme allen Beschäftigten der Abteilung bzw. sonstigen Einheit offensteht (BSG, Urteil vom 26.10.2004, Az. B 2 U 16/04 R).
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Das gegenständliche Turnier am 04.07.2009 ist rein objektiv betrachtet eine rein sportliche Veranstaltung mit Wettkampfcharakter gewesen, die von vornherein so geplant war, das aufgrund ihrer Eigenart ein nennenswerter Teil der Belegschaft der Werkstätte für behinderte Menschen in B. nicht teilnehmen kann und wird. Dies zeigte sich auch daran, dass bei einer Belegschaft von ca. 450 Mitarbeitern lediglich ca. 30 Teilnehmer mitwirkten. Für die teilnehmenden Mannschaften ging es bei diesem Turnier darum, sich für das bundesweite Fußballturnier zu qualifizieren. Dieses Fußballturnier war zwar durchaus von der Unternehmensleitung der Werkstätte für behinderte Menschen organisiert, finanziert und auch begleitet, dieses war jedoch von vornherein beschränkt auf einen bestimmten Teilnehmerkreis in Form von aktiven Fußballern und den jeweiligen Helfern. Es handelte sich damit um eine rein sportliche Veranstaltung, die von vornherein so geplant war, dass aufgrund ihrer Eigenart ein nennenswerter Teil der Belegschaft nicht teilnehmen wird.
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Durch diesen beschränkten Teilnehmerkreis konnte deshalb auch die notwendige Zielsetzung einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung, nämlich die Verbundenheit aller Betriebsangehörigen untereinander zu fördern und zu pflegen (vgl. Bundessozialgericht a. a. O. oder Bundessozialgericht vom 22.09.2009, B 2 U 4/08 R, zitiert nach juris) nicht erreicht werden.
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Die Veranstaltung stand auch nicht unter den Gesichtspunkten der Aktivitäten des Betriebssports unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Sportliche Betätigungen, die einen Ausgleich für die meist einseitig beanspruchende Betriebsarbeit bezwecken, dienen nicht nur den persönlichen Interessen der Beschäftigten, sondern wesentlich auch denen des Unternehmens, da sie die Gesundheit der Beschäftigten und die Wiederherstellung ihrer Arbeitskraft fördern. Allerdings dient der Betriebssport wesentlich auch eigene Interessen des Beschäftigten, nämlich der Gesunderhaltung und körperlichen Leistungstüchtigkeit an sich. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 13.12.2005, B 2 U 29/04 R) erfolgt die erforderliche Abgrenzung des versicherten Betriebssport von anderen sportlichen Aktivitäten nach folgenden Kriterien: Der Sport muss Ausgleichs- und nicht Wettkampcharakter haben, er muss regelmäßig stattfinden, der Teilnehmerkreis muss im Wesentlichen auf Angehörige des Unternehmens bzw. der Unternehmen, die sich zu einer Betriebssportgemeinschaft zusammengeschlossen haben, beschränkt sein, Übungszeit und Übungsdauer müssen in einem den Ausgleichszweck entsprechenden zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen und die Übungen müssen im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattfinden. Das hier vorliegende Fußballturnier am 04.07.2009 kann zur Überzeugung des Gerichts nicht dem versicherten Betriebssport zugerechnet werden, da es ein außerhalb der regelmäßigen Übungszeiten stattfindendes sportliches Ereignis mit landesweiter Bedeutung war und auch Mannschaften verschiedenster anderer Werkstätten für behinderte Menschen teilgenommen haben. Das Kernargument, das im vorliegenden Fall jedoch gegen die Annahme einer Betriebssportveranstaltung spricht ist, dass das gegenständliche Turnier unbestritten Wettkampfcharakter hatte und damit dem Ausgleichszweck des Betriebssports fernlag.
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Zusammenfassend konnte sich das Gericht nicht davon überzeugen, dass die Beklagte bei Erlass des Bescheides vom 25.08.2009 von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist bzw. das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung falsch angewandt hat. Die Anerkennung des Ereignisses vom 04.07.2009 als Arbeitsunfall scheidet aus, da die unfallbringende Verrichtung nicht im Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit des Klägers stand.
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Die Klage ist damit abzuweisen.
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Die Kostenfolge Beruht auf § 193 SGG.