Inhalt

VG München, Urteil v. 30.04.2020 – M 24 K 18.1825
Titel:

Besitzeinweisungsverfahren nach AEG, Kostenerhebung im Einstellungsbeschluss, Auslagen, Unrichtige Sachbehandlung

Normenketten:
AEG §§ 21, 22
AEG § 21 Abs. 3
BayEG Art. 42 Abs. 1
Kostengesetz Art. 10 Abs. 1 Nr. 1
Kostengesetz Art. 16 Abs. 5
Schlagworte:
Besitzeinweisungsverfahren nach AEG, Kostenerhebung im Einstellungsbeschluss, Auslagen, Unrichtige Sachbehandlung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 27.08.2021 – 22 ZB 20.1428
Fundstelle:
BeckRS 2020, 51157

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Der Einstellungsbeschluss der Landeshauptstadt München vom 9. März 2018 (Az.: E-AEG 1/17) wird in Ziff. 2 aufgehoben, soweit ein Auslagenbetrag von mehr als 476,00 EUR festgesetzt wurde.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klagepartei und die Beklagte jeweils zur Hälfte.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Streitgegenstand - vor Teilklagerücknahme - ist die im Einstellungsbeschluss vom 9. März 2018 zum vorzeitigen Besitzeinweisungsverfahren nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) festgesetzte Gebührenerhebung, soweit diese den Betrag von 500,00 EUR übersteigt, und die Auslagenerstattung, soweit diese den Betrag von 476,00 EUR übersteigt; hinsichtlich der festgesetzten Gebührenerhebung wurde die Klage zurückgenommen.
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Die Klägerinnen (im Folgenden Klagepartei) sind Träger des Eisenbahnvorhabens „Neubau einer 2. S-Bahn-Stammstrecke München, Planfeststellungsabschnitt (PFA) 1, München West, Bereich Laim bis Karlsplatz mit Haltepunkt Hauptbahnhof“.
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1. Das Eisenbahn-Bundesamt hat den Plan für das vorgenannte Vorhaben mit Planfeststellungsbeschluss vom 9. Juni 2015 festgestellt. Demgemäß war zur Durchführung des planfestgestellten Vorhabens die bauzeitliche Inanspruchnahme der FlNrn. 151/24, 151/39 und 158/76 Gemarkung … (vgl. Bl. 166 und Rückseite BA) erforderlich.
4
2. Mit Antrag vom 10. November 2017 (Eingang), nachgebessert durch wiederholenden, konkretisierenden Antrag der Bevollmächtigten der Klagepartei vom 29. November 2017 (Eingang), beantragten diese die vorzeitige Besitzeinweisung in eine Gesamtfläche von 811 m² aus Grundstücks(teil) flächen der Grundstücke FlNrn. 151/24 (hieraus 440 m²), 151/39 (hieraus 95 m²) und 158/76 (hieraus 276 m²) Gemarkung … ab dem 2. Januar 2018 zur Mitbenutzung als Bau straße für die Dauer der von dort anzufahrenden Bauarbeiten, wobei die Zeitdauer hierfür auf ca. 84 bis 96 Monate geschätzt wurde, zum planfestgestellten Vorhaben „Neubau einer 2. S-Bahn-Stammstrecke München, Planfeststellungsabschnitt (PFA) 1, München West, Bereich Laim bis K. Platz mit Haltepunkt Hauptbahnhof“ (Bl. 28-35, 75-96 der Behördenakte - BA). Das Verfahren über die vorzeitige Besitzeinweisung führte die Beklagte unter dem Aktenzeichen E-AEG 1/17.
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3. Die Beklagte übersandte mit Schreiben vom 22. November 2017 dem Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Bereich der Landeshauptstadt München (im Folgenden Gutachterausschuss) Antragsunterlagen (1 Ordner nebst Anlagen), 2 Übersichtslagepläne Baulogistik für die betreffenden Baukilometer, und ein Luftbild bezüglich der benötigten Grundstücks(teil) flächen unter Hinweis, dass die Beauftragung des Gutachterausschusses zum Ortstermin und zur schriftlichen Zustandsfeststellung gesondert erfolgen werde (Blatt 60 BA). Seitens der Verfahrensbeteiligten war eine Zustandsfeststellung der Grundstücksfläche, für die Besitzeinweisung beantragt worden war, nicht beantragt worden; nach Aktenlage war der Zustand dieser Grundstücksfläche zwischen den Beteiligten unstreitig - diese Grundstücksfläche war asphaltiert.
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Die Beklagte verlangte im Besitzeinweisungsverfahren von der Klagepartei die Vorlage von Grundbuchauszügen für alle antragsgegenständlichen Grundstücke. Die Beklagte forderte die Verfahrensbeteiligten zu einem Ortstermin am 8. Dezember 2017 auf und hat einen Termin der mündlichen Verhandlung am 3. Januar 2018 anberaumt (Bl. 101104 BA). Die Beklagte forderte die Klagepartei zur Vorlage weiterer Unterlagen zur Vorbereitung des Ortstermins und des Termins der mündlichen Verhandlung auf. Ein Teil der Unterlagen wurde im Ortstermin der Beklagten übergeben, der übrige Teil wurde schriftsätzlich nachgereicht.
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Mit Schreiben vom 1. Dezember 2017 (Bl. 105 BA) hat die Beklagte den Gutachterausschuss beauftragt, kurzfristig am 3.(richtig wohl 8.) Dezember 2017 einen Ortstermin mit der Enteignungsbehörde durchzuführen und die schriftliche Zustandsfeststellung in 6-facher Ausfertigung der Enteignungsbehörde sowie das Ermittlungsergebnis den Beteiligten vor der mündlichen Verhandlung zuzusenden. In dieser Beauftragung des Gutachterausschusses mit der Zustandsfeststellung wurde diese -seitens der Enteignungsbehörde nicht spezifiziert oder im Umfang festgelegt. Das Anschreiben enthält lediglich im Betreff die Angabe „Antrag auf vorzeitige Besitzeinweisung nach dem AEG“. In der Behördenakte findet sich kein Vermerk oder Hinweis der Enteignungsbehörde zum Grund der Zustandsfeststellung der Besitzeinweisungsfläche für das streitgegenständliche Besitzeinweisungsverfahren.
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Zu dem am 8. Dezember 2017 durchgeführten Ortstermin hat die Beklagte drei Mitglieder des Gutachterausschusses zugezogen. Laut Handnotiz (Bl. 128 BA) dauerte der Ortstermin am 8. Dezember 2017 von 12.30h bis 13.30h. Ein Protokoll zum Ortstermin findet sich nicht in der Behördenakte. Im Nachgang zum Ortstermin forderte die Beklagte die Klagepartei auf, den Gegenstand des Besitzeinweisungsverfahrens in Bezug auf die konkret betroffenen Grundstücksteilflächen sowie ggf. hieran bestehender Nutzungsrechte Dritter (Mieter/Pächter) zu konkretisieren.
9
Der Gutachterausschuss übersandte der Enteignungsbehörde mit Begleitschreiben vom 15. Dezember 2017 laut Betreff die „Zustandsfeststellung gemäß § 116 Abs. 5 Baugesetzbuch“ und verwies auf die Nachreichung des Gebührenbescheids (Bl. 170 BA). Die Beklagte gab die Ausfertigungen der Zustandsfeststellung zur Vornahme inhaltlicher Korrekturen zurück mit der Bitte um Rückgabe nach Korrektur (Bl. 175 BA).
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Der für den 3. Januar 2018 anberaumte Termin der mündlichen Verhandlung wurde von der Beklagten am 20. Dezember 2017 auf den 18. Januar 2018 verlegt und weitere sieben Beteiligte geladen (Bl. 172-175 BA).
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4. Am 21. Dezember 2017 (Eingang bei der Beklagten vorab per Fax) erklärte die Klagepartei gegenüber der Beklagten den Antrag auf vorzeitige Besitzeinweisung für erledigt (Bl. 177f. BA). Die Klagepartei habe einen Bauerlaubnisvertrag über die antragsgegenständlichen Grundstücksflächen mit der Antragsgegenseite abgeschlossen. Der Bauerlaubnisvertrag wurde der Enteignungsbehörde übermittelt (Bl. 193-198 BA).
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Die Beklagte hat mit Schreiben vom 22. Dezember 2017 den für den 18. Januar 2018 anberaumten Termin der mündlichen Verhandlung abgeladen (Bl. 187 BA).
13
Der Gutachterausschuss hat mit Begleitschreiben vom 22. Dezember 2017 die korrigierte Zustandsfeststellung an die Enteignungsbehörde übersandt (Eingangsstempel Kommunalreferat vom 22.12.2017; Bl. 199 BA).
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Der Gutachterausschuss hat der Enteignungsbehörde der Beklagten am 1. Februar 2018 mit dem Betreff „Wertermittlung für Nähe R. str., Flurstück 151/24, /39, 158/76 Gemarkung …“ eine „Aufgliederung des Kostenbescheides“ zugesandt (Bl. 24 BA). Hierin wurde ausgeführt, für die am 15. Dezember 2017 ausgefertigte Zustandsfeststellung werden folgende Gebühren und Auslagen gemäß Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) (BGBl. v. 29.7.2013, Teil I, Nr. 42, s. 2681ff.) vom 1. August 2013 festgesetzt:
Zeitaufwand 22 Stunden à 90 EUR, 1.980,00 EUR
Auslagen für Postgebühren, Reisekosten,
Unterlagen, Grundbuchamt etc. 134,20 EUR
Gesamt 2.114,20 EUR
zzgl. 19% Umsatzsteuer 401,70 EUR
Endsumme 2.515,90 EUR.
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In einer Telefon-Handnotiz vom 4. April 2018 (Bl. 230 BA) über ein Telefonat mit dem Gutachterausschuss ist u.a. in verkürzter Darstellung festgehalten, dass die Besichtigung schon zwei Stunden gedauert habe und drei Gutachter teilgenommen hätten. Für die Erstellung des Gutachtens habe Frau Sch-F. acht Stunden benötigt. Zukünftig werde angegeben, dass drei Gutachter beteiligt sind.
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5. Mit Einstellungsbeschluss vom 7. März 2018 (Az.: E-AEG 1/17; Bl. 213 - 216 BA) stellte die Beklagte das Antragsverfahren auf vorzeitige Besitzeinweisung ein (Nr. 1) und verfügte, dass die Klagepartei die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren zu tragen hat. Es wurde eine Gebühr in Höhe von 2.500,00 € erhoben und der zu erstattende Auslagenbetrag auf 2.545,78 € festgesetzt (Nr. 2).
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In der Begründung des Einstellungsbeschlusses wird ausgeführt, die Gebührenentscheidung beruhe auf Art. 1, 2, 6ff. Kostengesetz (KG). Nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KG sei bei Antragsrücknahme oder Erledigung auf andere Weise vor Beendigung der Amtshandlung eine Gebühr von einem Zehntel bis zu drei Viertel der für die beantragte Amtshandlung festzusetzenden Gebühr je nach dem Fortgang der Sachbehandlung und die Auslagen zu erheben. Die Gebühr habe im Gebührenrahmen von 5 bis 25.000 EUR zu liegen (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 KG). Bei der Ermittlung der Gebührenhöhe sei der mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand aller beteiligten Behörden und Stellen und die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten zu berücksichtigen (Art. 6 Abs. 2 Satz 1KG).
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Es stehe weder der objektive Wert der Fläche noch der objektive Wert der Nutzungsentschädigung fest. Die Beteiligten hätten in ihrer Bauerlaubnisvereinbarung eine Mindestentschädigung von 1.050 EUR für die zeitweise Inanspruchnahme der Flächen vereinbart. Die Angelegenheit habe für die Klagepartei aufgrund des enormen Kostenrisikos, das mit einer Verzögerung des Baus der gesamten 2. S-Bahn-Stammstrecke verbunden gewesen wäre, weitaus höhere Bedeutung. Daneben sei der Verwaltungsaufwand aller beteiligten Behörden nicht unerheblich gewesen. Der von der Klagepartei zunächst eingereichte Antrag habe wegen Nichteinhaltung grundlegender Formerfordernisse zurückgewiesen werden müssen. Unterlagen seien in der Enteignungsbehörde gesichtet und detailliert von der Klagepartei nachgefordert worden. Ein Ortstermin sei anberaumt und durchgeführt worden. Der Termin für die mündliche Verhandlung sei angesetzt, verschoben und dann abgesagt worden. Weiterhin habe sich am Ortstermin das Erfordernis weiterer Pläne und die Notwendigkeit der Ladung weiterer Beteiligter ergeben mit der Folge der Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung.
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Die für das Besitzeinweisungsverfahren zugrunde zu legende Gebühr nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 KG belaufe sich damit auf 7.500 EUR. Aufgrund der vorzeitigen Erledigung werde nicht die volle Gebühr, sondern eine Gebühr von einem Drittel, also 2.500 EUR erhoben (Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KG). Insoweit finde Berücksichtigung, dass sowohl die Durchführung der mündlichen Verhandlung wie auch eine abschließende Entscheidung durch die Enteignungsbehörde entfiel.
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Die Entscheidung über die Auslagen ergebe sich aus Art. 10 Abs. 1 Ziffern 1 und 2 KG. Die zu erstattenden Auslagen für das Gutachten des Gutachterausschusses betrügen 2515,90 EUR. Die zu erstattenden Auslagen für 12 Zustellungsurkunden betrügen 29,88 EUR. Auf die Begründung des Einstellungsbeschlusses wird im Übrigen verwiesen. Der Einstellungsbeschluss wurde den Bevollmächtigten der Klagepartei am 14. März 2018 zugestellt.
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6. Die Bevollmächtigten der Klagepartei monierten mit email vom 28. März 2018 die festgesetzte Gebührenhöhe und die festgesetzte Auslagenhöhe (Bl. 232-233 BA).
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Der Gutachterausschuss nahm gegenüber der Enteignungsbehörde in der email vom 9. Mai 2018 Stellung. Nach § 6 Abs. 2 Gutachterausschussverordnung (Verordnung über Gutachterausschüsse, die Kaufpreissammlungen und die Bodenrichtwerte nach dem Baugesetzbuch - BayGaV) werde der Gutachterausschuss auch bei Zustandsfeststellungen grundsätzlich in der Besetzung von drei Gutachtern tätig. Für den Ortstermin seien deutlich mehr als zwei Stunden benötigt worden. In Summe bei drei Gutachtern sei mit Zeiten für An- und Abfahrt ein Aufwand von neun Stunden entstanden. Der weitere Zeitaufwand wurde nach Tätigkeiten aufgeschlüsselt. Zusammen mit den Stunden für den Ortstermin ergäben sich die in Rechnung gestellten 22 Stunden (Bl. 251 BA).
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7. Die Klagepartei ließ durch ihre Bevollmächtigten mit Eingang am 16. April 2018 Klage zum Verwaltungsgericht München erheben und beantragen,
Der Einstellungsbescheid der Landeshauptstadt München vom 9. März 2018 (Az.: E-AEG 1/17) wird in Ziff. 2 aufgehoben, soweit ein Gebührenbetrag von 500,00 EUR überschritten und ein Auslagenbetrag von 476,00 EUR überschritten wird.
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In der mündlichen Verhandlung beschränkte die Bevollmächtigte der Klagepartei den Klageantrag darauf:
Der Einstellungsbeschluss der Landeshauptstadt München vom 9. März 2018 (Az.: E-AEG 1/17) wird in Ziff. 2 aufgehoben, soweit ein Auslagenbetrag von 476,00 EUR überschritten wird.
Im Übrigen wurde die Klage zurückgenommen.
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Zur Begründung der Klage wurde ausgeführt, entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung:des Einstellungsbeschlusses sei das Verwaltungsgericht München für die vorliegende Klage zuständig. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nach Art. 6 AGVwGO i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 3, § 48 Abs. 1 Nr. 7 VwGO [Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung von Strecken … von öffentlichen Eisenbahnen], die auch Besitzeinweisungen im Nachgang zu einer Planfeststellung öffentlicher Eisenbahnen erfasse, greife nicht bei bloßen Einstellungsbeschlüssen. Die Kostengrundentscheidung des Einstellungsbeschlusses werde nicht angegriffen. Die Klagepartei wende sich ausschließlich gegen die getroffene Entscheidung über die Höhe der Kosten.
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Die Erhebung der Gebühren richte sich nach Art. 6 Kostengesetz (KG) vom 20. Februar 1998 (GVBl. S. 43) i.d.F. durch Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl. S. 286) i.V.m. dem Kostenverzeichnis zum Kostengesetz (KVz) vom 12.10.2001 (GVBl. S. 766) i.d.F. vom 16. August 2016 (GVBl. S. 274). Da das KVz für die vorliegende Besitzeinweisung nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) keinen Gebührentatbestand enthalte, sei unter Beachtung von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 KG der Gebührenrahmen der vergleichbar zu bewertenden Amtshandlung „Vorzeitige Besitzeinweisung nach § 97 BBergG“, Tarif-Nr. 5.I.0, Tarifstelle 5.13 KVz, heranzuziehen und nicht die hierzu nachrangige Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 S. 3 KG, von der die Beklagte ausgehe, als Rechtsgrundlage der Gebührenerhebung heranzuziehen. Die bergrechtliche Grundabtretung stelle rechtlich, unabhängig von ihrer Bezeichnung durch den Gesetzgeber eine Enteignung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG dar (BVerfG, U.v. 17.12.2013 - 1 BvR 3139/08 - juris Rn. 159ff.; BVerwG, U.v. 20.11.2008 - 7 C 10.08 - juris Rn. 15; B.v. 20.10.2008 - 7 B 21.08 - juris Rn. 23f.) Der Gebührenrahmen dieser vorgenannten Tarifstelle sei 60 EUR bis 5.000 EUR. Zu berücksichtigen sei, dass vorzeitige Besitzeinweisungen in bergrechtlichen Sachen einen deutlich größeren Umfang als eisenbahnrechtliche hätten, weil bergrechtlichen Rahmen-, Haupt- und Sonderbetriebsplänen - im Gegensatz zur eisenbahnrechtlichen Planfeststellung gemäß § 22 Abs. 2 AEG - keine enteignungsrechtliche Vorwirkung zukomme. Aber auch für den Fall, dass Art. 6 Abs. 1 S. 3 KG die zutreffende Rechtsgrundlage sei, sei die Ermessensentscheidung der Beklagten (vgl. Art. 6 Abs. 2 S. 1 KG; BayVGH, B.v. 6.7.2005 - 14 ZB 05.862 - juris Rn. 11) ermessensfehlerhaft. Die tragenden Erwägungen der Beklagten, enormes Kostenrisiko und Verzögerung des Baus der gesamten 2. S-Bahn-Stammstrecke, in Bezug auf die Bedeutung der Angelegenheit für die Klagepartei seien ohne Weiteres über den vorliegenden Einzelfall auf alle eisenbahnrechtlichen Besitzeinweisungen übertragbar. Mithin, unter Verweis auf § 21 Abs. 1 S. 1 AEG zu den grundlegenden Erfordernissen eines vorzeitigen Besitzeinweisungsverfahrens - Dringlichkeit der alsbaldigen Durchführung aus öffentlichen Interesse und der bauzeitlichen Flächeninanspruchnahme -, ergäbe sich dann für jedes eisenbahnrechtliche vorzeitige Besitzeinweisungsverfahren eine hohe Bedeutung. Damit gerate der Umfang der Flächeninanspruchnahme und der u.U. geringe Verkehrswert der Flächen aus dem Blick bei der Gebührenbemessung. Die beanspruchten Grundstücksflächen seien im Wesentlichen unbebaute Flurstücksteilflächen von geringem Verkehrswert; dies sei bei der Gebührenbemessung zu berücksichtigen. Des Weiteren habe die Beklagte die Vorläufigkeit (vgl. Art. 39 Abs. 5 S. 2 BayEG) der antragsgegenständlichen Besitzeinweisung keine Berücksichtigung gefunden. Es sei deshalb üblich und angemessen, im Regelfall 20% des Verkehrswerts als Streitwert in gerichtlichen Verfahren anzusetzen. Dies werde auch für das vorangehende Verwaltungsverfahren praktiziert, denn auf diese Weise werde der vorläufige Charakter der vorzeitigen Besitzeinweisung in Abgrenzung zum nachfolgenden Enteignungsverfahren und /oder Entschädigungsverfahren gewürdigt. Dieser Gesichtspunkt sei ermessensfehlerhaft bei der Kostenentscheidung nicht eingestellt worden. Demgemäß halte die Klagepartei einen Gebührenbetrag von 500 EUR für ermessensfehlerfrei festsetzbar.
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Die Beklagte habe ihre Entscheidung über Auslagen bereits auf eine unzutreffende Ermächtigungsgrundlage gestützt. Jedenfalls sei die Höhe der Auslagen unzutreffend.
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Die Festsetzung der Zahlung von Auslagen beruhe auf Art. 10 KG. Es sei für die Klagepartei nicht nachvollziehbar, ob die Auslagen „für Gutachten des Gutachterausschusses“ unter Berücksichtigung des Besitzeinweisungsantrags und des im Einstellungsbeschluss dargelegten Sachverhalts rechtsfehlerfrei i.S.d. Art. 10 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 5 KG i.V.m. § 15 BayGaV (v. 5.4.2005, GVBl. S. 88, i.d.F. der Änderung vom 30.9.2014, GVBl. S. 411) sei. Auch die Berufung der Beklagten auf § 21 Abs. 3 AEG und die Heranziehung der Vorschriften des JVEG und der ZuSEVO vermag die festgesetzte Auslagenhöhe nicht zu begründen. Der auf Beweissicherung zugeschnittene § 21 Abs. 3 AEG sei vorliegend nicht anwendbar, da zwischen den Parteien der Grundstückszustand nicht streitig sei. Auf tatsächliche Fragen hinsichtlich des Gegenstands der beantragten Besitzeinweisung, die sich bei der Bestimmung des Grenzverlaufs der beanspruchten Grundstücksteilflächen stellen, sei § 21 Abs. 3 AEG nicht anwendbar. Im Übrigen sei der Gegenstand der beantragten Besitzeinweisung hinreichend bestimmt gewesen, weil er sich auf die festgestellten Pläne (u.a. des Grunderwerbsverzeichnisses und die Grunderwerbspläne) bezogen habe und diese dem Antrag als Anlagen beigefügt waren. Diese seien hinreichend detailliert und parzellenscharf bei einem Maßstab von 1:1000 (entsprechend Ziff. 2.5.6 des Leitfadens-Antragsunterlagen 08/2015 des Eisenbahn-Bundesamts) sowie farblich hervorgehoben und folglich als Grundlage eines der Planfeststellung nachfolgenden Verfahrens zur Herstellung der Flächenverfügbarkeit und Bestandteil dieser Entscheidungen ausreichend. Nach den Praxiserfahrungen werde ein Maßstab des Grunderwerbsplans von 1:1000 generell als ausreichend erachtet (BVerwG, B.v. 19.12.1989 - 4 B 224.89 - juris Rn. 19f.; OVG NRW, B.v. 16.9.2010 - 11 B 1179/10 - juris Rn. 15f; Molodovsky/Bernstorff, Enteignungsrecht in Bayern, 10/2014, Art. 31 BayEG, Rn. 4.2.2.2); damit verbundene Feinabstimmungen vor Ort seien hinzunehmen. Es sei gerade Sache des Planfeststellungsverfahrens und nicht der nachfolgenden Verfahren zur Herstellung der Flächenverfügbarkeit zu klären, welche Auswirkungen das Vorhaben habe und ob diese Auswirkungen hinreichend bestimmt in den Plänen dargestellt seien. Wenn die Beklagte sonach Mitglieder des Gutachterausschusses für tatsächliche Fragen einsetze, deren Klärung es in einem Besitzeinweisungsverfahren nicht (mehr) bedürfe, gehe die Beklagte mit solchen Kosten heim. Für deren Festsetzung mangele es an einer Rechtsgrundlage. § 1 Abs. 1 S. 1 ZuSEVO beinhalte keine dynamische Verweisung und verweise somit nicht auf das JVEG; vielmehr sei das ZuSEG gemäß Art. 6 Abs. 2 KostRModG am 1. Juli 2004 außer Kraft getreten. Eine wortlautabweichende Verweisung auf das JVEG verbiete der Vorbehalt des Gesetzes. (Art. 20 Abs. 3 GG). Die Verwaltung sei gehindert, mittels Analogie Gebührentatbestände zu schaffen. Es verbleibe demnach bei der Anwendung des § 15 BayGaV, wonach die Zustandsfeststellung durch den Gutachterausschuss nicht, jedenfalls nicht in der festgesetzten Höhe, verauslagt werden könne. Rechtlich unterstellt, das JVEG käme zur Anwendung, sei das angesetzte Stundenhonorar von 90 EUR/Stunde unzutreffend hoch. Ein Honorar in Höhe von 90 EUR/Stunde falle in der Honorargruppe 6 an (§ 9 Abs. 1 S. 1 JVEG). In diese Honorargruppe falle bspw. die Bewertung von Immobilien (Nr. 7 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG). Eine eigene Honorargruppe für Zustandsfeststellungen enthalte Anlage 1 nicht. Folglich müsse die Leistung unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zugeordnet werden (§ 9 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 JVEG). Der Gutachterausschuss sei wohl bei der Stundensatzangabe von einer Begutachtung ausgegangen. Für die Feststellung des Grundstückszustands biete Nr. 4.2 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG eine Orientierung, also eine Zuordnung zur Honorargruppe 2. Jedenfalls sei die Auslagenhöhe unverhältnismäßig. Es sei schon nicht nachvollziehbar, weshalb es erforderlich sei, drei und nicht ein Mitglied des Gutachterausschusses zur Ermittlung des Grundstückszustands nach § 21 Abs. 3 AEG hinzuzuziehen. Es hätte nahe gelegen, nicht in der Besetzung von drei Gutachtern, sondern abweichend hierzu gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 BayGaV, wonach in geeigneten Fällen eine andere Anzahl von Gutachtern hinzuzuziehen sei, mit einer geringeren Gutachteranzahl, zumal sich die Zustandsfeststellung nur auf drei unmittelbar nebeneinanderliegende Grundstücks(teil) flächen mit insgesamt kleinräumigem Flächenumfang von 811m² bezogen habe. Unklar sei auch, wozu weitere Grundbuchauszüge eingeholt wurden. Das Schreiben des Gutachterausschusses vom 1. Februar 2018 spreche dafür, dass dieser der Sache nach über die im Einzelfall gebotene bloße Ermittlung des Grundstückszustands hinaus eine Art Verkehrswertgutachten erstellt habe. Anders lasse sich nicht erklären, dass über die beim Ortstermin für ca. zwei Stunden stattgefundenen Ermittlungsmaßnahmen hinaus für Vor- und Nachbereitungen ein Zeitaufwand von 22 Stunden angefallen sei, das Schreiben vom 1. Februar 2018 als „Wertermittlung“ überschrieben und das Wort „Gutachten“ durch „Zustandsfeststellung“ ausgetauscht worden sei. Die Klagepartei halte eine Auslagenhöhe von 360 EUR (4 Stunden à 90 EUR) für den angefallenen Zeitaufwand und im Übrigen von 40 EUR für Auslagen zzgl. jeweils 19% MwSt (= 476 EUR) für vertretbar.
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Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
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In der Klageerwiderung wird ausgeführt, ebenso wie die Klagepartei gehe die Beklagte von der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts München aus. Bei isolierter Anfechtung der Kostenentscheidung fehle es an dem unmittelbaren Bezug zur beschleunigungsbedürftigen Planung und Herstellung der Anlage, so dass es bei der Regelzuständigkeit des Verwaltungsgerichts bleibe (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Bier/Panzer, VwGO § 48 Rn. 7; BVerwG - NVwZ-RR 1996, 610; HessVGH - NVwZ 1988, 75). Die von der Beklagten getroffene Kostenentscheidung sei rechtmäßig. Insoweit seien die Enteignungsgesetze der Länder anzuwenden. Zwar enthalte § 21 AEG keinen direkten Verweis, aber § 22 AEG schließe die eisenbahnrechtlichen Fachplanungsvorschriften ab. (Schütz in Hermes/Sellner, AEG-KOm. 214, § 22 Rn. 20). In räumlichsachlicher Hinsicht hätten §§ 22 und 21 AEG denselben Anwendungsbereich. § 22 Abs. 4 AEG verweise damit auch für den Anwendungsbereich des § 21 AEG auf das Enteignungsrecht der Länder. Rechtsgrundlage der getroffenen Kostenentscheidung sei das Bayerische Kostengesetz. Die gemäß §§ 21, 22 AEG i.V.m. Art. 42 Abs. 1 BayEG anfallenden Amtshandlungen seien kostenpflichtig. Für die Bestimmung der Kostenhöhe sei Art.6 Abs. 1 S. 3 KG maßgeblich, denn nach §§ 21, 22 AEG i.V.m. Art. 42 Abs. 1 BayEG werden Kosten nach dem Kostengesetz erhoben, soweit keine der besonderen Kostenregelungen nach Art. 42 Abs. 2 bis 5 BayEG zu beachten seien.
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Für die Gebührenentscheidung sei weder Art. 6 Abs. 1 S. 1 KG anwendbar noch nach Art. 6 Abs. 1 S. 2 KG das Kostenverzeichnis zur Bestimmung der Gebührenhöhe vorliegend heranzuziehen. Die Amtshandlung „Vorzeitige Besitzeinweisung nach § 97 BBergG“, Tarif-Nr. 5.I.0, Tarifstelle 5.13 KVz sei mit der antragsgegenständlichen Amtshandlung nicht vergleichbar. Gegenstand der vorzeitigen Besitzeinweisung nach § 97 BBergG“ sei keine Enteignung von Grundstücken oder Grundstücksteilen, sondern Grundabtretungen, die in §§ 77 - 83 BbergG speziell geregelt seien. Die Grundabtretung sei keine Enteignung, sondern ein eigenes Rechtsinstitut. Überdies habe der Gesetzgeber keinen Gebührenrahmen für vorzeitige Besitzeinweisungen möglicher Enteignungsgrundstücke vorgeben wollen, denn er hat die naheliegende Möglichkeit, dies für Verfahren nach dem BayEG zu tun, nicht ergriffen. Die Höhe der Verfahrensgebühr sei für Enteignungsverfahren im Kostenverzeichnis nicht geregelt. Der in Art. 6 Abs. 1 S. 3 KG festgelegte Gebührenrahmen sei maßgeblich. Innerhalb des Gebührenrahmens sei gemäß Art. 6 Abs. 2 BayKG der mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand aller beteiligten Behörden und Stellen und die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten zu berücksichtigen. Für die Ermittlung der Bedeutung biete der Verkehrswert, soweit er bekannt sei, einen Anhaltspunkt; vorliegend sei eine Orientierung daran nicht möglich gewesen, da weder der objektive Wert der Fläche noch der objektive Wert der Nutzungsentschädigung im Zeitpunkt der Entscheidung festgestanden habe. Hingegen sei auch nach Bekunden der Klagepartei im Antrag auf Besitzeinweisung das mit der Verzögerung des Baus der 2. S-Bahn-Stammstrecke verbundene Kostenrisiko (Risiko begründeter Behinderungsanzeigen der ausführenden Baufirmen, Verzögerung der Realisierung des Vorhabens, baubedingte Mehrkosten) als sehr hoch dargestellt worden. Das Besitzeinweisungsverfahren betreffe eine benötigte Zufahrts-/ Bau straße für das Projekt „2. S-Bahn-Stammstrecke“, einem Projekt mit regional hoher Bedeutung und regional wie überregional hohe Aufmerksamkeit. Der Verwaltungsaufwand bei der Enteignungsbehörde im Zusammenhang mit dem Verfahren E-AEG 1/17 sei enorm gewesen. Insoweit sei auf die ungenügende Qualität des Antrags trotz des zur Verfügung gestellten Anforderungskatalogs „Hinweise zur Antragstellung im Besitzeinweisungsverfahren gemäß § 21 AEG vom 17.3.2017“. Es sei die Pressestelle, das Kommunalreferat und das Oberbürgermeisterbüro einbezogen und über den Verlauf des Verfahrens informiert worden. Es sei ein Ortstermin durchgeführt und der Termin der mündlichen Verhandlung anberaumt, vertagt und abgeladen worden. Weitere Planunterlagen seien nachgefordert worden und im Ortstermin habe keine abschließende Klärung zur konkreten Besitzeinweisungsfläche (beantragte Baustraßenbreite differierte zur vorhandenen schmaleren Straße) getroffen werden können. Weitere Betroffene seien zu beteiligen gewesen.
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Die geforderten Auslagen seien in dieser Höhe in rechtmäßiger Weise entstanden. Nach § 21 Abs. 3 AEG habe die Enteignungsbehörde im Verfahren der vorzeitigen Besitzeinweisung den Grundstückszustand bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung nach ihrem Ermessen in einer Niederschrift festzustellen oder durch einen Sachverständigen ermitteln zu lassen. Für die Feststellung des Zustands durch den Gutachterausschuss sei eine Entschädigung nach Maßgabe des JVEG zu erheben. Grundlage sei insoweit § 2 Abs. 1 S. 2 der Verordnung über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen in Verwaltungssachen (ZuSEVO). Nach § 2 Abs. 1 S. 1 ZuSEVO bemesse sich die Entschädigung bei einer sachverständigen Tätigkeit einer Behörde nach den für sie geltenden kostenrechtlichen Vorschriften. Die Gutachterausschussverordnung (BayGaV) weise zwar die Feststellung des Zustands eines von einer Besitzeinweisung betroffenen Grundstücks als fakultative Aufgabe zu (§ 1 Abs. 2 S. 2 BayGaV), enthalte aber zugleich keine kostenrechtliche Regelung für andere Tätigkeiten als die Erstellung von Wertgutachten. Es finde daher § 1 Abs. 2 S. 2 ZuSEVO Anwendung. Die darin enthaltene dynamische Verweisung auf das nicht mehr in Kraft befindliche ZuSEG beziehe sich auf das an dessen Stelle getretene JVEG. Die Kostenabrechnung für eine Zustandsfeststellung durch den Gutachterausschuss erfolge damit grundsätzlich nach dem JVEG.
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Die Tätigkeit des Gutachterausschusses wurde sei rechtmäßigerweise in dem tatsächlich angefallenen Umfang abgerechnet und mit Aufgliederung des Kostenbescheides vom 1. Februar 2018 in Rechnung gestellt worden. Einer Hinzuziehung von nur einem Gutachter des Gutachterausschusses zur Feststellung des Grundstückszustands im vorliegenden Zusammenhang stehe § 6 Abs. 2 BayGaV entgegen. Hiernach seien grundsätzlich Zustandsfeststellungen in der Besetzung mit drei Gutachtern durchzuführen. Die Hinzuziehung von drei Mitgliedern des Gutachterausschusses sei damit geboten gewesen. Bereits die Durchführung des Ortstermins incl. An- und Abfahrten habe bei drei Gutachtern in Summe einen Aufwand von 9 Stunden ergeben. Der weitere Zeitwand habe sich für die Organisation, Terminsabsprachen, Vorbereitung und Versand von Unterlagen, Ausarbeitung der Zustandsfeststellung mit Fotodokumentation, gemeinsame Kontrolle des Entwurfs und Beschlussfassung, Endfertigung der Zustandsfeststellung mit allen Anlagen / Plänen /Fotos (6-fach) ergeben. Der Zeitaufwand von 22 Stunden sei in nachvollziehbarer Weise entstanden. Es sei der tatsächliche Zeitaufwand abgerechnet worden.
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Mit Einverständnis der Beteiligten wurde der Rechtsstreit mit Beschluss vom 15. April 2020 auf den Einzelrichter übertragen Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Klage zurückgenommen wurde, war das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 VwGO. Die Klage, soweit sie aufrechterhalten wurde, ist zulässig und begründet.
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1. Die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, dass das Verwaltungsgericht München für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits sachlich zuständig ist.
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Eine sachliche Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gemäß Art. 6 AGVwGO i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 3, § 48 Abs. 1 Nr. 7 VwGO [Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung von Strecken … von öffentlichen Eisenbahnen], die auch Besitzeinweisungen im Nachgang zu einer Planfeststellung öffentlicher Eisenbahnen erfasst, greift nicht bei bloßen Einstellungsbeschlüssen wie dem vorliegend streitgegenständlichen. Bei isolierter Anfechtung der Kostenentscheidung fehlt es an dem unmittelbaren Bezug zur beschleunigungsbedürftigen Planung und Herstellung der Anlage, so dass es bei der Regelzuständigkeit des Verwaltungsgerichts bleibt (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Bier/Panzer, VwGO § 48 Rn. 7; BVerwG - NVwZ-RR 1996, 610; HessVGH - NVwZ 1988, 75). Mit Einverständnis der Beteiligten wurde die Entscheidung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter übertragen (§ 6 VwGO).
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2. Rechtsgrundlage für die Einhebung des Kostenaufwands bei vorzeitigen Besitzeinweisungsverfahren nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) ist §§ 21, 22 Abs. 4 (entspr.) AEG i.V.m. Art. 42 Abs. 1 Bayerisches Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung (BayEG) i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 Kostengesetz (KG).
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Soweit im Kostenverzeichnis nicht Ausnahmen vorgesehen sind, werden die Sachverständigen zustehenden Entschädigungen als Auslagen der an der Amtshandlung beteiligten Behörden und Stellen erhoben (Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 KG). Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung durch die Behörde nicht entstanden wären, werden nicht erhoben (Art. 16 Abs. 5 KG). Amtshandlungen sind Tätigkeiten, die die Behörde in Ausübung hoheitlicher Gewalt vornimmt; die Kosten der Amtshandlung umfassen Gebühren und Auslagen (Art. 1 Abs. 1 KG).
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Die von der Klagepartei beantragte Amtshandlung war die vorzeitige Besitzeinweisung nach dem AEG in eine Gesamtfläche von 811 m² aus Grundstücks(teil) flächen der Grundstücke FlNrn. 151/24 (hieraus 440 m²), 151/39 (hieraus 95 m²) und 158/76 (hieraus 276 m²) Gemarkung … ab dem 2. Januar 2018 als bauzeitliche Inanspruchnahme zur Mitbenutzung als B. straße zur Durchführung des vom Eisenbahn-Bundesamt mit Planfeststellungsbeschluss vom 9. Juni 2015 planfestgestellten Vorhabens „Neubau einer 2. S-Bahn-Stammstrecke München, Planfeststellungsabschnitt (PFA) 1, München West, Bereich Laim bis K. platz mit Haltepunkt Hauptbahnhof“.
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Die materiellrechtlichen Anforderungen der vorzeitigen Besitzeinweisung sind abschließend in § 21 Abs. 1 S. 1 und S. 2 AEG benannt; dies hat der Gesetzgeber eigens in § 21 Abs. 1 S. 3 AEG hervorgehoben (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2004 - 22 AS 04.40028 - juris Rn. 18). Es ist insoweit zu beachten, dass das durchzuführende Besitzeinweisungsverfahren als Amtshandlung von der Amtshandlung der Durchführung des Enteignungsentschädigungsverfahrens - jedenfalls im Hinblick auf die Zuordnung der Kosten - getrennt zu betrachten ist. Die in § 21 Abs. 3 S. 1 AEG vorgesehene Beweissicherung unter der tatbestandlichen Voraussetzung „Soweit der Zustand des Grundstücks von Bedeutung ist, …“ betrifft bereits nicht die Feststellung der materiellrechtlichen Anforderungen der vorzeitigen Besitzeinweisung nach § 21 Abs. 1 AEG, sondern - soweit der Zustand des Grundstücks tatsächlich von Bedeutung sein könnte - gegebenenfalls das Enteignungsentschädigungsverfahren (vgl. VGHBW, U.v. 19.1.2017 - 5 S 301/15 - juris insb. Rn. 34). Insoweit ist zu sehen, dass der Zustand des Grundstücks nur das Tatsächliche in der Natur erfasst, nicht jedoch rechtliche Aspekte und Rechtsbeziehungen zum Grundstück oder dessen Abgrenzungen, die in der Natur nicht sichtbar sind, denn nur der Zustand ist der Beweissicherung zugänglich.
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Es liegt im vorliegenden Fall kein Anhaltspunkt dafür vor, inwieweit der Zustand des Grundstücks für die Entscheidung über die beantragte Besitzeinweisung von Bedeutung gewesen wäre. Weder die Beklagte hat in der Behördenakte hierzu etwas vermerkt, noch haben die Verfahrensbeteiligten die Vornahme einer Beweissicherung beantragt, wenngleich - im Gegensatz zur Beweissicherung in Besitzeinweisungsverfahren nach § 116 Abs. 5 BauGB - eine Antragstellung nach § 21 Abs. 3 AEG nicht Voraussetzung ist. Eine solche Antragstellung ergäbe jedoch einen Anhaltspunkt für die Enteignungsbehörde zu prüfen, ob der Zustand des Grundstücks nach Maßgabe der Anforderungen in § 21 Abs. 1 AEG für die Besitzeinweisung von Bedeutung sein könnte. Vorliegend ist der Zustand des Grundstücks im Übrigen zwischen den Beteiligten der Besitzeinweisung, die den Bauerlaubnisvertrag abgeschlossen haben und damit das Besitzeinweisungsverfahren, aber nicht zugleich das Enteignungsentschädigungsverfahren vertraglich beendeten, da dessen Beantragung den Grundstückseigentümern vorbehalten blieb (vgl. § 3 Abs. 3, § 8 der Bauerlaubnisvereinbarung vom 19./20. Dezember 2017, Bl. 193ff. BA), unstreitig gewesen.
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Bei richtiger Sachbehandlung durch die Beklagte wären die streitgegenständlichen Auslagen im Besitzeinweisungsverfahren nicht als Auslagen entstanden und können damit nicht als Kosten dieses Verfahrens erhoben werden, denn die oben genannte tatbestandliche Voraussetzung nach § 21 Abs. 3 AEG ist nicht erfüllt. Ob das Vorgehen der Beklagten im Verfahren die übrigen Anforderungen des § 21 Abs. 3 AEG erfüllt, insbesondere, ob die Beklagte dabei nach freiem Ermessen entscheiden kann, ob die Enteignungsbehörde selbst oder ein von ihr damit zu beauftragender Sachverständiger eine nach § 21 Abs. 3 AEG erforderliche Zustandsfeststellung durchzuführen hat, und ob die von der Beklagten festgesetzten Auslagen nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 KG eine einem Sachverständigen zustehende Entschädigung darstellen, bedarf keiner Entscheidung.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 2, 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf §§ 167 VwGO, 708ff. ZPO.