Titel:
Betriebsrat, Arbeitgeber, Abmahnung, Verletzung, Arbeitnehmer, Personalakte, Beschwerde, Antragsteller, Gewerkschaft, Ausschluss, Pflichtverletzung, Trennung, Arbeitsplatz, Auflage, personenbezogene Daten, grobe Pflichtverletzung
Schlagworte:
Betriebsrat, Arbeitgeber, Abmahnung, Verletzung, Arbeitnehmer, Personalakte, Beschwerde, Antragsteller, Gewerkschaft, Ausschluss, Pflichtverletzung, Trennung, Arbeitsplatz, Auflage, personenbezogene Daten, grobe Pflichtverletzung
Rechtsmittelinstanz:
LArbG Nürnberg, Beschluss vom 11.03.2021 – 1 TaBV 24/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 50750
Tenor
1. Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, die gegenüber dem Beteiligten zu 1) erteilte Abmahnung vom 25.07.2019 aus der Personalakte des Beteiligten zu 1) zu entfernen.
2. Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, die gegenüber dem Beteiligten zu 1) erteilte Ermahnung vom 12.08.2019 aus der Personalakte des Beteiligten zu 1) zu entfernen.
Tatbestand
1
Der Beteiligte zu 1 (Antragsteller) begehrt im Wege des Beschlussverfahrens die Entfernung einer Abmahnung sowie einer Ermahnung aus der Personalakte.
2
Der Antragsteller ist Mitglied des bei der Beteiligten zu 2 (Antragsgegnerin) gebildeten Betriebsrats. Der bei der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat besteht aus insgesamt 35 Mitgliedern verschiedener Listen. Der Antragsteller ist Mitglied der Liste „4you!“, die aus 6 Betriebsratsmitgliedern besteht.
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Am 24.06.2019 fand vormittags am Standort „D IV“ eine Betriebsversammlung statt, am Nachmittag desselben Tages eine Weitere am Standort „IT Campus“. Der Antragsteller hielt bei diesen Betriebsversammlungen in seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied eine Rede, in der unter Anderem mehrere aus Sicht des Antragsstellers unangemessen erteilte Abmahnungen, bzw. einer Ermahnung, gegenüber Mitarbeitern durch eine Führungskraft thematisiert worden sind. Aus Sicht der Antragsgegnerin entsprachen die Ausführungen des Antragstellers auf diesen Betriebsversammlungen nicht der Wahrheit. Die einzelnen Inhalte der Äußerungen des Antragstellers sind streitig.
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Insbesondere aufgrund dieser Vorfälle, sowie des Vorwurfs der Nötigung der Führungskräfte Frau G und Frau K erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller am 25.07.2019 eine Abmahnung (Anlage AS1), auf die inhaltlich Bezug genommen wird. Am 12.08.2019 erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Ermahnung (Anlage AS 2), auf die ebenfalls inhaltlich Bezug genommen wird. Hierbei wurde dem Antragsteller insbesondere vorgeworfen, dass der Antragsteller mehrfach Mitarbeiter an deren Arbeitsplatz kontaktiert und dabei personenbezogene Daten weitergegeben habe, ohne dass hierfür eine Rechtsgrundlage bestanden habe. Auch die Vorwürfe, die Gegenstand der Ermahnung waren, sind zwischen den Beteiligten streitig.
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Sowohl in der Abmahnung, als auch in der Ermahnung wurden ausdrücklich Pflichten aus dem Betriebsratsamt (Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit, § 2 Abs. 1 BetrVG) gerügt. Die Abmahnung vom 25.07.2019 schließt mit dem Satz:
„Wir sehen in Ihrem Vorgehen einen eklatanten Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit und weisen Sie daher darauf hin, dass wir im Wiederholungsfalle Ihren Ausschluss aus dem Betriebsrat gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG beantragen werden.“
6
Die Ermahnung vom 12.08.2019 enthält insbesondere Formulierungen:
Ihr nachfolgend geschildertes Verhalten veranlasst uns, Sie auf die Einhaltung Ihrer Pflichten als Mitglied des Betriebsrats aufmerksam zu machen.
Damit haben Sie gegen Ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen.
Da wir befürchten, dass Sie auch künftig versuchen werden, Ihre Interessen mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Konfliktmechanismen und ggf. auch mithilfe der Begehung von Datenschutzverstößen durchzusetzen, weisen wir Sie darauf hin, dass wir im Wiederholungsfalle weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen ergreifen werden.“
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Sowohl genannte Abmahnung als auch genannte Ermahnung nahm die Antragsgegnerin in die Personalakte des Antragstellers auf.
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Mit seinem Antrag im Beschlussverfahren vom 15.10.2019, eingegangen beim Arbeitsgericht Nürnberg am selben Tage per Telefax und der Antragsgegnerin zugestellt am 21.10.2019 wendet sich der Antragsteller zuletzt gegen genannte Abmahnung und Ermahnung und begehrt jeweils Entfernung aus der Personalakte.
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Der Antragsteller meint, dass es unzulässig sei, betriebsverfassungsrechtliche Amtsverstöße mit einer Abmahnung, bzw. Ermahnung zu belegen und in die Personalakte aufzunehmen. Die Personalakte diene ausschließlich der Sammlung von Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse des Mitarbeiters betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen. Demzufolge dürften nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Abmahnungen von Betriebsratsmitgliedern dann nicht in die Personalakte aufgenommen werden, wenn zwar individualrechtliche Sanktionen angedroht werden, aber die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten gar nicht gerügt wird, sondern ausschließlich die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten. Das Gleiche gelte, wenn der Arbeitgeber eine angebliche Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten rüge und die Sanktion des Ausschlussverfahrens aus dem Betriebsrat gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG androhe, dann aber die rein betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen in die ausschließlich das individuelle Arbeitsverhältnis betreffende Personalakte aufnehme. Schon aus diesem Grunde bestehe sowohl im Hinblick auf die Abmahnung, als auch im Hinblick auf die Ermahnung der Entfernungsanspruch aus der Personalakte.
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Im Übrigen seien sowohl Abmahnung als auch Ermahnung inhaltlich unrichtig und zu unbestimmt. Es seien falsche Tatsachen enthalten.
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Der Antragsteller beantragt zuletzt,
- 1.
-
Die Beteiligte zu 2) wird verurteilt, die gegenüber dem Beteiligten zu 1) erteilte Abmahnung vom 25.07.2019 aus der Personalakte des Beteiligten zu 1) zu entfernen.
- 2.
-
Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, die gegenüber dem Beteiligten zu 1) erteilte Ermahnung vom 12.08.2019 aus der Personalakte des Beteiligten zu 1) zu entfernen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
Die Anträge werden zurückgewiesen.
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Sie meint, dass sowohl Abmahnung als auch Ermahnung zu Recht in die Personalakte aufgenommen worden seien. Es sei zulässig, auch betriebsverfassungsrechtliche Amtspflichtverstöße abzumahnen und diese Abmahnungen in die Personalakte des Betriebsratsmitglieds aufzunehmen. Würde man dies anders sehen, müsste eine „Nebenakte“ für betriebsverfassungsrechtliche Verstöße geschaffen werden. Auch in diesem Fall würde die Arbeitgeberin jedoch über das Ob und den Inhalt der Abmahnung Kenntnis haben. Es läge eine künstliche Trennung und Formalisierung vor, würde man die Zulässigkeit der Aufnahme einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung in die Personalakte verneinen.
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Darüber hinaus sei sowohl Abmahnung als auch Ermahnung inhaltlich korrekt. Sämtliche Tatsachenbehauptungen träfen zu. Die Abmahnung sei auch inhaltlich ausreichend bestimmt. Der Antragsteller habe mit den in Abmahnung und Ermahnung geschilderten Handlungen eine betriebsverfassungsrechtliche Amtspflichtverletzung begangen, nämlich gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit, § 2 Abs. 1 BetrVG, verstoßen.
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Zum Übrigen Vortrag und den Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
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Die zulässigen Anträge sind begründet. Sowohl die Abmahnung vom 25.07.2019 als auch die Ermahnung vom 12.08.2019 sind aus der Personalakte des Antragstellers zu entfernen.
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Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß §§ 2 a Abs, 1 Nr. 1, 80 Abs. 1 ArbGG eröffnet. Das Arbeitsgericht Nürnberg ist örtlich zuständig, § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.
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Der Antragsteller ist als Mitglied des Betriebsrats antragsbefugt, § 81 ArbGG. Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist ein Beteiligter antragsbefugt iSv § 81 Absatz 1 ArbGG, wenn er eigene Rechte geltend macht. Ebenso wie die Prozessführungsbefugnis im Urteilsverfahren dient die Antragsbefugnis im Beschlussverfahren dazu, Popularklagen auszuschließen. Im Beschlussverfahren ist die Antragsbefugnis gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner kollektivrechtlichen Rechtsposition betroffen sein kann. Das ist regelmäßig der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht und dies nicht von vornherein als aussichtslos erscheint (BAG, Beschluss vom 09.09.2015 - 7 ABR 69/13). Da vorliegend sowohl die streitgegenständliche Abmahnung, als auch die streitgegenständliche Ermahnung ausdrücklich und ausschließlich auf vermeintliche betriebsverfassungsrechtliche Amtspflichtverstöße des Antragstellers gestützt werden, kann der Antragsteller hierdurch in seiner kollektivrechtlichen Rechtsposition als Betriebsrat betroffen sein. Die Antragsbefugnis ist gegeben. Die Verfahrensart des Beschlussverfahrens (§§ 80 Abs. 1 ArbGG) ist demzufolge vorliegend zulässig (vgl. BAG 09.09.2015 - 7 ABR 69/13, Rn. 29 ff).
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Die Anträge sind auch begründet. Die Antragsgegnerin war nicht berechtigt, die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung vom 25.07.2019 sowie Ermahnung vom 12.08.2019 in die Personalakte des Antragstellers aufzunehmen. Dabei kann dahinstehen, ob die in der Abmahnung und in der Ermahnung erhobenen Vorwürfe tatsächlich zutreffen. Da Gegenstand sowohl der Abmahnung, als auch der Ermahnung ausschließlich betriebsverfassungsrechtliche Verstöße des Antragsstellers sind, die aus seinem Betriebsratsamt resultieren, kommt eine Aufnahme in die Personalakte nach Ansicht der Kammer nicht in Betracht, weshalb die Anträge begründet sind.
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1. Die Abmahnung vom 25.07.2019 ist aus der Personalakte des Antragstellers zu entfernen. Der Anspruch folgt aus der analogen Anwendung der §§ 242, 1004 Abs. 1 BGB. In der streitgegenständlichen Abmahnung werden ausschließlich betriebsverfassungsrechtliche Verstöße gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit, § 2 Abs. 1 BetrVG, gerügt und ein Amtsenthebungsverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG angedroht. Arbeitsvertragliche Verstöße des Antragsstellers werden nicht behauptet. Auswirkungen auf das Individualarbeitsverhältnis wie etwa eine Kündigung werden nicht angedroht. Mithin handelt es sich um eine ausschließlich betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung.
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a) Es ist - soweit ersichtlich - noch nicht höchstrichterlich entschieden, ob eine rein betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung zulässig ist, die allein betriebsverfassungsrechtliche Verstöße zum Inhalt hat und alleine betriebsverfassungsrechtliche Konsequenzen androht, etwa die Einleitung eines Verfahrens auf Ausschluss aus dem Betriebsrat gem. § 23 Abs. 1 BetrVG. Die wohl herrschende Meinung in der Literatur lehnt die Zulässigkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung ab (vgl. etwa Schaub/Koch Arbeitsrecht von A-Z, 24. Auflage 2020, Abmahnung Ziffer I; Richardi/Thüsing, BetrVG, 16. Auflage, § 23 BetrVG Rn. 10; Moll/Eisenbeis, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 4. Auflage, § 18 Rn. 62; Fitting, § 23 BetrVG Rn. 17a). Zur Begründung wird angeführt, dass § 23 Abs. 1 BetrVG eine solche Abmahnung nicht vorsehe. Der Wille des Gesetzgebers, Sanktionen nur für grobe Pflichtverletzungen vorzusehen, entspreche dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit, das weniger gewichtiges Fehlverhalten ohne Folgen lasse. Wenn aber eine grobe Pflichtverletzung vorliege, dann müsse es möglich sein, einen Ausschluss aus dem Betriebsrat unabhängig von der Beanstandung vorangegangenen Fehlverhaltens zu erreichen. Zudem sei es systemwidrig, dem Arbeitgeber die Möglichkeit (oder gar Pflicht) einer Abmahnung zu geben, nicht aber den ebenfalls nach § 23 BetrVG antragsbefugten Arbeitnehmern, Gewerkschaften und dem Betriebsrat (§ 23 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Das Gesetz behandele alle Antragsberechtigten gleich. Das gleiche Fehlverhalten dürfe daher nicht zu unterschiedlichen Folgen führen, je nachdem, wer rügt (vgl. Richardi/Thüsing BetrVg, § 23 Rn. 10; im Ergebnis ähnlich Fitting, § 23 Rn. 17 a). Nach anderer Ansicht (Oetker in GK-BetrVG, Band 1, § 23 Rn. 41) soll eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung bei ausschließlicher Verletzung einer Amtspflicht solange zulässig sein, als sich die mit dieser verbundene Androhung nur auf die Einleitung eines Ausschlussverfahrens nach § 23 BetrVG erstreckt.
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b) Die Kammer ist vorliegend der Auffassung, dass es unabhängig von der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung jedenfalls unzulässig ist, eine solche Rüge in die Personalakte des Arbeitnehmers aufzunehmen, weshalb der Antrag Ziffer 1 vorliegend begründet ist.
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Die Kammer ist zwar der Auffassung, dass sämtliche Anspruchsberechtigten nach § 23 Abs. 1 BetrVG etwaiges betriebsverfassungsrechtliches Fehlverhalten eines Mitglieds des Betriebsrats oder des Gremiums als Ganzes förmlich oder formfrei rügen können. Es ist nicht erkennbar, weshalb ein Arbeitgeber, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder auch der Betriebsrat als Gremium gegenüber einem einzelnen pflichtwidrig handelnden Mitglied solche Pflichtverstöße nicht rügen dürfen sollte. Ob hieraus auch das Recht resultiert, förmlich „abzumahnen“ und ob dieses Recht nur dem Arbeitgeber zustünde, kann letztlich offenbleiben. Denn jedenfalls erscheint es als unzulässig, eine solche Abmahnung in die Personalakte des Antragstellers aufzunehmen. Die Kammer schließt sich insoweit der Begründung im Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30.04.2019 - 4 BV 251/18 an.
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Personalakten - auch von Betriebsratsmitgliedern - sind eine Sammlung von Urkunden und Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen (BAG 04.12.2013 - 7 ABR 7/12, Rn. 39).
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Abmahnungen von Betriebsratsmitgliedern dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dann nicht in die Personalakte aufgenommen werden, wenn zwar individualrechtliche Sanktionen (insbesondere Kündigungen) angedroht werden, aber die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten gar nicht gerügt wird, sondern ausschließlich die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Amtspflichten (BAG 09.09.2015 - 7 ABR 69/13 - Rn. 40 f). Denn dann werden individualrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Pflichtenprogramme unzulässig vermischt.
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Nicht anderes gilt, wenn die Arbeitgeberin zwar insoweit konsequent handelt als sie die (vermeintliche) Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Amtspflichten gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG mit der Androhung betriebsverfassungsrechtlicher Sanktionen gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG verknüpft, dann aber - inkonsequent - die rein betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen in die ausschließlich die individuellen Arbeitsverhältnisse betreffenden Personalakten aufnimmt. Auch hierin liegt eine unzulässige Vermengung von individualrechtlichen und betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten (Schleusener NZA 2001, 640, 643). Die Aufnahme einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung in die Personalakte scheidet mithin schon deswegen aus, weil nicht das Arbeitsverhältnis des jeweiligen Arbeitnehmers betroffen ist, sondern allein das kollektivrechtliche Verhältnis zwischen Betriebsrat bzw. einzelnem Betriebsratsmitglied und Arbeitgeber (Schleusener a.a.O.; vgl. auch Grobys/Panzer-Heemeier, Stichwort Kommentar Arbeitsrecht, Personalakte Rn.15).
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Die Gegenansicht, die einen Entfernungsanspruch gerade deshalb verneinen will, weil aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung mangels Androhung individualrechtlicher Sanktionen keine ungerechtfertigten beruflichen Nachteile resultieren könnten (ArbG Bielefeld 1995 - 4 BV 49/95, NZA-RR 1996, 445), verkennt zum einen das Wesen einer Personalakte als Sammlung ausschließlich von Unterlagen mit einem Bezug zum konkreten Arbeitsverhältnis (Grobys/Panzer-Heemeier a.a.O. Rn. 13). Zum anderen birgt die Aufnahme einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung in die Personalakte die erkennbare Gefahr, dass die (vermeintliche) Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten das berufliche Fortkommen des Betriebsratsmitglieds als Arbeitnehmer beeinträchtigt. Bei jedem Blick in die Personalakte würde unabhängig vom Anlass ggf. auch die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung ins Auge springen. Es wäre nicht auszuschließen, dass diese bei etwaigen allein das Arbeitsverhältnis betreffenden Entscheidungen zumindest unterschwellig mitberücksichtigt würden. Dies würde jedoch gegen das Benachteiligungsverbot in § 78 Satz 2 BetrVG verstoßen (vgl. Schleusener a.a.O.). Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, dass für die Aufnahme in die Personalakte spreche, dass ansonsten eine „Nebenakte“ für betriebsverfassungsrechtliche Verstöße geschaffen werden müsse, was eine künstliche Trennung und Formalisierung darstelle, folgt dem die Kammer deshalb nicht. Betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheiten sind gesondert zu erfassen und datenschutzrechtlich zu behandeln. Bei individualrechtlichen Angelegenheiten dürfen sie weder zu einer Begünstigung noch zu einer Benachteiligung führen (§ 78 S. 2 BetrVG). Sie betreffen lediglich das Betriebsratsamt. Mithin scheidet die Aufnahme einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung in die Personalakte ganz unabhängig von ihrer kollektivrechtlichen Rechtmäßigkeit von vornherein aus.
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Darüber hinaus ist das Führen einer Personalakte lediglich dem Arbeitgeber erlaubt. Den anderen Antragsberechtigten nach § 23 Abs. 1 BetrVG steht dieses Mittel nicht zur Verfügung. Daher erscheint es systemwidrig, dem Arbeitgeber die Möglichkeit (oder gar Pflicht) einer Abmahnung mit Aufnahme in die individuelle Personalakte zu geben, nicht aber den ebenfalls nach § 23 BetrVG antragsbefugten Arbeitnehmern, Gewerkschaften und dem Betriebsrat.
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Der Antrag Ziffer 1 der Antragsschrift ist daher schon aus diesen Gesichtspunkten heraus begründet. Ob die behaupteten Vorwürfe tatsächlich zutreffen kann daher dahinstehen.
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2. Auch der Antrag Ziffer 2 der Antragsschrift, Entfernung der Ermahnung vom 12.08.2019, ist begründet (§§ 242, 1004 BGB analog). Die Ermahnung ist aus der Personalakte zu entfernen. In dieser Ermahnung werden ebenfalls ausschließlich betriebsverfassungsrechtliche Pflichtverletzungen geltend gemacht. Dies folgt bereits aus dem ersten Satz der Ermahnung. Auch auf Seite 2 der Ermahnung wird ausdrücklich ausgeführt: „Damit haben Sie gegen Ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen.“
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Da es sich um eine rein betriebsverfassungsrechtliche Ermahnung handelt, gelten vorstehende Erwägungen zur Abmahnung auch für diese. Es werden durch Aufnahme in die Personalakte unzulässig individualrechtliche und kollektivrechtliche Pflichtenkreise vermengt.
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Darüber hinaus ist der Antrag auch deshalb begründet, weil bei der Ermahnung - im Gegensatz zur streitgegenständlichen Abmahnung - auf Seite 3 im letzten Satz im Wiederholungsfalle ausdrücklich arbeitsrechtliche Maßnahmen angedroht werden. Aus Sicht eines objektiven Empfängers sind darunter zumindest auch individualrechtliche Maßnahmen wie Abmahnung oder Kündigung zu verstehen. Es ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch unzulässig, betriebsverfassungsrechtliche Amtsverstöße mit individualrechtlichen Konsequenzen zu belegen (vgl. etwa BAG 09.09.2015 - 7 ABR 69/13, m.w.N.). Genau dies ist hier jedoch der Fall. Es werden ausdrücklich und ausschließlich vermeintliche Verstöße des Antragstellers aus seinem Amt als Betriebsrat gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) gerügt, die sodann mit „arbeitsrechtlichen Maßnahmen“ belegt werden sollen. Die Ermahnung ist aus der Personalakte zu entfernen.