Inhalt

VG München, Urteil v. 18.12.2020 – M 16 K 18.3981
Titel:

Erfolglose Klage gegen eine Gewerbeuntersagung

Normenketten:
GewO § 35 Abs. 1
VwGO § 114 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein Gewerbetreibender ist unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung ergeben. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist der Gewerbetreibende nicht bereit, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse durch Abgabe der Vermögensauskunft im Vollstreckungsverfahren zu verschaffen, trägt dies bereits für sich genommen die Unzuverlässigkeitsprognose. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erweiterte Gewerbeuntersagung, Unzuverlässigkeit, Nichtabgabe der Vermögensauskunft, Gewerbeuntersagung, erweiterte Gewerbeuntersagung, Nichtabgabe, Vermögensauskunft, Vermögensverhältnisse
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 19.08.2021 – 22 ZB 21.371
Fundstelle:
BeckRS 2020, 50643

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung.
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Zum 18. August 2015 zeigte der Kläger bei der Beklagten die Ausübung des Gewerbes „Abgabe von Speisen und/oder alkoholfreien Getränken (erlaubnisfrei nach dem Gaststättengesetz); Einzelhandel mit Feinkost; Einzelhandel mit Lebensmittel; Einzelhandel mit Geschenkartikeln“ an.
3
Mit Schreiben vom 27. November 2017 regte das Finanzamt M. bei der Beklagten sinngemäß an, hinsichtlich des Klägers ein Gewerbeuntersagungsverfahren einzuleiten und teilte mit, dass beim Kläger Einkommen- und Umsatzsteuerrückstände in Höhe von 31.731,77 Euro bestünden. Zudem habe er die Umsatzsteuererklärungen für das Jahr 2015 und die Umsatzsteuervoranmeldungen ab Februar 2016 nicht abgegeben. Am 13. März 2018 erteilte das Finanzamt M. die Auskunft, dass sich die Steuerrückstände des Klägers auf 41.245,52 Euro belaufen würden. Am 29. Juni 2018 teilte das Finanzamt M. mit, dass sich die Steuerrückstände des Klägers durch freiwillige Zahlungen und Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen 2017 gemindert hätten und derzeit 6.683,21 Euro betragen würden. Eine Zahlungsvereinbarung bestehe nicht. Die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar bis Dezember 2016 habe der Kläger noch nicht abgegeben. Eine Abfrage im Vollstreckungsportal am 15. Februar 2018 durch die Beklagte ergab, dass hinsichtlich des Klägers vier Eintragungen wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft vorliegen. Zum 12. März 2018 und 25. Juni 2018 lagen hinsichtlich des Klägers drei Eintragungen im Vollstreckungsportal wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft vor.
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Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 13. März 2018 zu einer beabsichtigten erweiterten Gewerbeuntersagung an und gab zugleich der Industrie- und Handelskammer Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Industrie- und Handelskammer teilte der Beklagten mit Schreiben vom 10. April 2018 mit, der Kläger habe einen Beitragsrückstand in Höhe von 150,- Euro. Nach Auskunft der Industrie- und Handelskammer vom 25. Juni 2018 betrage der Beitragsrückstand 50,- Euro. Der Bevollmächtigte des Klägers nahm mit Schreiben vom 30. April 2018 Stellung und führte im Wesentlichen aus, die von Finanzamt gemeldeten Steuerrückstände würden auf Schätzungen beruhen und seien viel zu hoch. Der Kläger habe inzwischen die Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 2015, 2016 und 2017 sowie die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar bis Dezember 2016, Januar bis Dezember 2017 und Januar bis März 2018 abgegeben. Hieraus würden sich geringere Steuerzahlungsverpflichtungen ergeben. Aufgrund dessen gab die Beklagte dem Kläger Gelegenheit, bis zum 15. Juni 2018 schriftliche Nachweise über die Bezahlung der Rückstände beim Finanzamt M. und bei der Industrie- und Handelskammer sowie über die Löschung der Eintragungen im Vollstreckungsportal bzw. Bestätigungen über die Begleichung der den Einträgen zugrunde liegenden Forderungen vorzulegen. Mit Schreiben vom 18. Juni 2018 erklärte der Bevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten, der Kläger habe die Steuerschulden sowie die Rückstände bei der Industrie- und Handelskammer beglichen.
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Mit Bescheid vom 4. Juli 2018, ausweislich der Postzustellungsurkunde zugestellt am 10. Juli 2018, untersagte die Beklagte dem Kläger die Ausübung des Gewerbes „Abgabe von Speisen und/oder alkoholfreien Getränken (erlaubnisfrei nach dem Gaststättengesetz); Einzelhandel mit Feinkost; Einzelhandel mit Lebensmittel; Einzelhandel mit Geschenkartikeln“ als selbständigem Gewerbetreibendem im stehenden Gewerbe (Nummer 1). Zudem wurde dem Kläger die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit im stehenden Gewerbe untersagt (Nummer 2). Dem Kläger wurde aufgegeben, seine Tätigkeit spätestens zehn Tage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung einzustellen (Nummer 3), andernfalls wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Nummer 4). Die Kosten des Verwaltungsverfahrens in Höhe von 454,98 Euro wurden dem Kläger auferlegt (Nummern 5 und 6).
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Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, der Kläger besitze nicht die zur selbständigen Ausübung seines Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit. Sein bisheriges Verhalten biete keine Gewähr für eine künftige ordnungsgemäße Ausübung seiner Gewerbetätigkeiten. Seine Unzuverlässigkeit ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass er seinen Zahlungs- und Erklärungspflichten nicht ordnungsgemäß nachkomme. Der Kläger befinde sich, wie sich aus den Eintragungen im Vollstreckungsportal ergebe, in ungeordneten Vermögensverhältnissen. Die Eintragungen wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft würden zeigen, dass der Kläger zur Erfüllung der ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflichten, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, freiwillig nicht bereit und daher nicht nur leistungsunfähig, sondern auch leistungsunwillig sei. Der Zustand der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit halte unvermindert an. Anzeichen für eine Besserung seien nicht erkennbar, das kurzfristige Wohlverhalten seit Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens genüge nicht für die Annahme einer positiven Prognose. Das Schutzinteresse der Allgemeinheit bedinge die Gewerbeuntersagung. Durch die Nichtabführung fälliger Steuerschulden schädige der Kläger das Vermögen des Steuerfiskus und verschaffe sich einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil. Die Allgemeinheit sei davor zu schützen, dass ihr die benötigten Geldmittel vorenthalten würden und es zu weiteren Vermögensschädigungen Dritter komme. Die Gewerbeuntersagung sei verhältnismäßig. Nach pflichtgemäßem Ermessen werde die Gewerbeuntersagung erweitert, da der Kläger gewerbeübergreifend unzuverlässig sei und ein Ausweichen auf anderweitige Gewerbetätigkeiten zu erwarten sei. Die Ausdehnung der Gewerbeuntersagung sei sachgerecht und geboten. Das Interesse des Gewerbetreibenden an der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten habe hinter dem Interesse der Allgemeinheit an der Abwendung weiterer Schäden zurückzutreten. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs erfolge nach Art. 29, 34 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz. Das weniger einschneidende Zwangsgeld verspreche im Hinblick auf die finanzielle Situation des Klägers keinen Erfolg.
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Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom … August 2018, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 4. Juli 2018 aufzuheben.
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Zur Klagebegründung führt der Bevollmächtigte des Klägers im Wesentlichen aus, der Kläger habe am 30. April 2018 die Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 2015, 2016 und 2017 sowie die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar bis Dezember 2016, Januar bis Dezember 2017 und Januar bis März 2018 eingereicht und der Beklagten die entsprechenden Übertragungsprotokolle zukommen lassen. Am 15. Juni 2018 habe der Kläger 2.873,31 Euro an das Finanzamt sowie 150,- Euro an die Industrie- und Handelskammer überwiesen und dies der Beklagten am 18. Juni 2018 unter Vorlage von Überweisungsbelegen mitgeteilt. Am Tag des Bescheidserlasses habe der Kläger lediglich Steuerschulden aufgrund von Säumnis- und Verspätungszuschlägen in Höhe von 2.882,46 Euro gehabt. Dieser Betrag sei nicht so hoch, dass er eine Gewerbeuntersagung rechtfertige. Zudem sei die Erweiterung der Gewerbeuntersagung ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig. Des Weiteren sei die Frist zur Einstellung der Tätigkeit unbegründet und zu kurz bemessen.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt die Beklagte mit Schreiben vom 6. November 2018 im Wesentlichen aus, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Unzuverlässigkeit sei der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Nachträgliche Änderungen von Verbindlichkeiten würden außer Betracht bleiben. Der Kläger habe trotz wiederholter Aufforderungen des Finanzamts hartnäckig und über längere Zeit seine Steuererklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen nicht abgegeben. Dass der Kläger nunmehr nachträglich die längst fälligen Steuererklärungen eingereicht habe, ändere nichts an der Tatsache, dass er seine steuerliche Pflicht beharrlich verletzt habe. Des Weiteren sei der Kläger mit drei Einträgen im Vollstreckungsportal geführt, was ein weiterer Beleg für seine Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsunwilligkeit sei.
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Mit Beschluss vom 2. August 2019 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
12
Das Gericht hat am 20. September 2019 zur Sache mündlich verhandelt. Die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.
13
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2019 legte die Beklagte eine Rückstandsaufstellung des Finanzamts M. vom 5. Juli 2018 sowie ein Schreiben des Finanzamts M. vom 24. September 2019 vor. Danach habe sich der Steuerrückstand des Klägers zum 5. Juli 2018 auf 12.450,83 Euro belaufen. Die Jahressteuererklärungen 2015 bis 2017 seien am 30. April 2018 eingereicht worden, nachdem die Bescheide für 2015 und 2016 geschätzt worden seien. Die Umsatzsteuervoranmeldungen für Februar bis Dezember 2016 seien geschätzt worden. Die Voranmeldungen für das Jahr 2017 sowie für Januar bis März 2018 seien nach Schätzung eingereicht worden.
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Der Bevollmächtigte des Klägers legte mit Schreiben vom … November 2019 ein Schreiben des Finanzamts M. vom 16. Oktober 2019 vor. Danach seien die Umsatzsteuervoranmeldungen für Februar bis Dezember 2016 dem Finanzamt am 30. April 2018 übermittelt worden. Da zuvor bereits die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2016 beim Finanzamt eingegangen sei, hätten die Voranmeldungen für Februar bis Dezember 2016 systembedingt nicht mehr verbucht werden können. Der Bevollmächtigte des Klägers führt weiter aus, die Rückstandsaufstellung des Finanzamts M. vom 5. Juli 2018 berücksichtige systembedingt nicht den Umstand, dass sich die überwiegenden aufgeführten Rückstände bereits durch Einreichung der richtigen, niedrigeren Steuererklärungen von selbst aufgelöst hätten. Die in der Rückstandsaufstellung noch aufgeführten Steuerschulden hätten sich allein durch die Einreichung der richtigen Steuererklärungen am 30. April 2018 um fast 5.950,83 Euro reduziert. Die restlichen 6.500,- Euro habe der Kläger noch im Juni 2018 an den Vollzieher des Finanzamts M. bezahlt. Dies sei nur noch nicht verbucht gewesen und deshalb noch nicht in der Rückstandsaufstellung ausgewiesen worden. Nachdem der Kläger am 30. April 2018 alle Steuererklärungen ans Finanzamt übermittelt und Ende Juni 2018 alle Steuerschulden bezahlt habe, fehle der Beklagten der Rechtsgrund für eine so schwerwiegende Maßnahme wie die erweiterte Gewerbeuntersagung. Zumindest hätte sie eine mildere Maßnahme wählen müssen.
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Die Beklagte führt mit Schreiben vom 3. Dezember 2019 im Wesentlichen aus, der Kläger habe seine steuerlichen Pflichten zur Abgabe seiner fälligen Erklärungen seit 2012 durchgängig verletzt, so dass das Finanzamt die entsprechenden Besteuerungsgrundlagen im Schätzweg habe ermitteln müssen. Durch die beharrliche Nichtabgabe der längst fälligen Erklärungen seien Verspätungszinsen und durch die Nichtzahlung der geschätzten Steuerschulden Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten angefallen. Die nachträgliche Einreichung der längst fälligen Steuererklärungen ändere nichts an der Tatsache, dass der Kläger seine steuerliche Pflicht beharrlich über Jahre hinweg durchgängig verletzt habe. Zudem ergebe sich die Unzuverlässigkeit des Klägers nicht nur aus seinen steuerlichen Pflichtverletzungen, sondern auch aus den durchgängig gegen ihn ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen, den Einträgen im Vollstreckungsportal, den zugelassenen Insolvenzverfahren sowie dem Beitragsrückstand gegenüber der Industrie- und Handelskammer.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 20. September 2019 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht kann aufgrund des Einverständnisses der Prozessparteien gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne weitere mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
18
Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der Klagefrist von einem Monat gemäß § 74 Abs. 1 VwGO erhoben. Die Klage ist aber nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Rechtsgrundlage für die Untersagung des vom Kläger ausgeübten Gewerbes ist § 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO). Danach ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
20
a) Die Beklagte ist zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers ausgegangen.
21
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung ergeben (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff).
22
Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Nachträgliche Veränderungen der Sachlage, wie eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben außer Betracht (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff).
23
Auf die Ursachen für entstandene Zahlungsrückstände und die Nichterfüllung von Erklärungspflichten kommt es nicht an, da sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nach objektiven Kriterien bestimmt. Daher ist es grundsätzlich unerheblich, ob den Gewerbetreibenden hinsichtlich der Umstände, derentwegen ihm eine negative Prognose hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit seines künftigen gewerblichen Verhaltens ausgestellt werden muss, ein Verschuldensvorwurf trifft oder ihm „mildernde Umstände“ zur Seite stehen (BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff; BayVGH, B.v. 8.5.2015 - 22 C 15.760 - juris).
24
Vielmehr muss im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Diese - durch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung begründete - Erwartung ist der eigentliche Grund, den wirtschaftlich leistungsunfähigen Gewerbetreibenden als unzuverlässig zu bewerten (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 146/80 - juris).
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Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 146/80 - juris). Ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept setzt grundsätzlich voraus, dass mit den Gläubigern eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen und ein Tilgungsplan auch effektiv eingehalten wird (BayVGH, B.v. 8.7.2013 - 22 C 13.1163 - juris).
26
Nach diesen Maßstäben rechtfertigt sich die negative Prognose hinsichtlich der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers aus den im Zeitpunkt des Bescheidserlasses vorliegenden Tatsachen. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger im Zeitpunkt des Bescheidserlasses noch erhebliche Steuerrückstände beim Finanzamt hatte oder ob sich diese - wie der Klägerbevollmächtigte vorträgt - durch Einreichung der Steuererklärungen reduziert und durch Zahlung des Restbetrags noch vor Bescheidserlasses erledigt haben. Unbestritten ist, dass der Kläger ausweislich der Eintragungen im Vollstreckungsportal im Zeitpunkt des Bescheidserlasses in drei Fällen die Vermögensauskunft nicht abgegeben hat. Nachweise über die Löschung der Eintragungen im Vollstreckungsportal bzw. Bestätigungen über die Begleichung der den Einträgen zugrunde liegenden Forderungen wurden nicht vorgelegt. Hieraus wird deutlich, dass der Kläger die zur Erfüllung der ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflicht, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, freiwillig nicht bereit und daher nicht nur leistungsunfähig, sondern auch leistungsunwillig ist (BayVGH, B.v. 28.8.2013 - 22 ZB 13.1419 - juris). Dies trägt bereits für sich genommen die Unzuverlässigkeitsprognose.
27
b) Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung des Gewerbes bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen zu untersagen. Ein Ermessensspielraum steht der zuständigen Behörde insoweit grundsätzlich nicht zu. In Anbetracht der zahlreichen Eintragungen im Vollstreckungsportal wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft war die Untersagung der Gewerbeausübung auch zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich.
28
c) Die Gewerbeuntersagung ist nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen kann (BVerwG, B.v. 19.1.1994 - 1 B 5/94 - juris). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
29
2. Rechtsgrundlage für die Erweiterung der Gewerbeuntersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit ist § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO. Danach kann die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist.
30
a) Die Beklagte hat aus überzeugenden Gründen eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit des Klägers angenommen.
31
Eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Gewerbetreibende Verpflichtungen verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur einen Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben. Dies ist beispielsweise bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen der Fall (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff).
32
Indem der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses ausweislich der Eintragungen im Vollstreckungsportal mehrfach die Vermögensauskunft nicht abgegeben hat, hat er Pflichten verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten.
33
b) Die Erstreckung der Gewerbeuntersagung auf andere gewerbliche Tätigkeiten ist auch erforderlich.
34
Erforderlich ist die Erstreckung der Gewerbeuntersagung, wenn zu erwarten ist, dass der Gewerbetreibende auf entsprechende andere gewerbliche Tätigkeiten ausweichen wird. Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er regelmäßig seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff). Solche besonderen Umstände sind im vorliegenden Fall weder vorgetragen noch ersichtlich.
35
c) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, § 114 Abs. 1 VwGO.
36
Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO steht im Ermessen der Behörde. Ist ein Gewerbetreibender in Bezug auf andere - nicht ausgeübte - gewerbliche Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll (BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff). Eine Ermessenserwägung dieser Art lässt sich der angefochtenen Untersagungsverfügung entnehmen.
37
d) Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung ist nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Ausschluss eines gewerbeübergreifend unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 12 Grundgesetz in Einklang steht. Sind die Voraussetzungen auch der erweiterten Gewerbeuntersagung erfüllt, kann die Untersagung grundsätzlich nicht hinsichtlich der Folgen unverhältnismäßig sein (BVerwG, B.v. 12.1.1993 - 1 B 1/93 - juris). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
38
3. Hinsichtlich der Bemessung der Frist zur Einstellung der Gewerbeausübung und hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.