Inhalt

LG München I, Teilurteil v. 28.07.2020 – 2 O 16039/18
Titel:

Leistungen, Schadensersatz, Behinderung, Schlussrechnung, Untersagung, Werklohn, Vergabeverfahren, Frist, Ersatzvornahme, Anlage, Eintragung, Feststellung, Wirksamkeit, Ausschreibung, erbrachte Leistungen, Aufhebung der Ausschreibung, Zahlung von Werklohn

Schlagworte:
Leistungen, Schadensersatz, Behinderung, Schlussrechnung, Untersagung, Werklohn, Vergabeverfahren, Frist, Ersatzvornahme, Anlage, Eintragung, Feststellung, Wirksamkeit, Ausschreibung, erbrachte Leistungen, Aufhebung der Ausschreibung, Zahlung von Werklohn
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 11.05.2021 – 9 U 4822/20 Bau
Fundstelle:
BeckRS 2020, 50340

Tenor

1. Die Widerklage wird abgewiesen.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt Zahlung von Werklohn und Schadensersatz aus einem gekündigten VOB-Vertrag über die Errichtung einer LWL-Kabelanlage, die Beklagte widerklagend Zwischenfeststellung der Wirksamkeit ihrer (außerordentlichen) Kündigung.
2
Die Beklagte plante im Jahr 2015, im Zuständigkeitsbereich der … das Glasfasernetz auszubauen. Es sollte dafür eine sog. LWL-Kabelschutzrohranlage mit drei Kabelschutzrohren d50 entlang der Bundesautobahn A3 Nürnberg-Passau von km 505,250 bis 582,800 errichtet werden. Die Planung und Bauleitung für das Vorhaben lag bei dem Ingenieurbüro … dort beim Mitarbeiter … Zuständiger Sachbearbeiter bei der …ar der Mitarbeiter ….
3
Die … schrieb die entsprechenden Leistungen im Jahr 2015 aus, hob das Vergabeverfahren im weiteren Verlauf aber wieder auf. Nachdem die Klägerin Bestbietende war, griff sie die Aufhebung der Ausschreibung an und erwirkte vor der … die Feststellung, dass sie durch die Aufhebungsentscheidung in ihren Rechten verletzt worden sei. Für die Einzelheiten wird auf die Entscheidung der … die Anlage K 29 verwiesen.
4
Im Jahr 2016 schrieb … die Leistungen daraufhin erneut aus. Grundlage waren die Leistungsbeschreibung LV 16-34-06 wie Anlage K 3 und die Baubeschreibung vom 21.6.2016 wie Anlage K 6. Es sollten die VOB/B sowie die Zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB) wie Anlage K 4 und die Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) wie Anlage K 5 gelten.
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In der Baubeschreibung heißt es u.a.:
Ziff. 2.9.1. Natur- und Landschaftsschutz (S. 9): „Die Baumaßnahme ist so durchzuführen, dass Eingriffe in den Naturhaushalt sowie in das Landschaftsbild auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden.“
Ziff. 3.3.3.1 der Baubeschreibung sieht zwei mögliche Pflugverfahren für die Erstellung der Leitungsgräben vor: selbstfahrender Pflug mit einem am Heck einer Raupe oder Schlepper angebrachten Vibrationsschwert und der selbstfahrende Pflug mit dem am Ausleger angebrachten Vibrationsschwert; zudem heißt es, dass „die Verlegung mit einem vom Zuggerät mittels Seil gezogenen Pflugs ohne Eigenantrieb und Vibrationsschwert wegen der erheblichen Flurschäden und der unpräzisen Steuerung zur Verlegung neben den bestehenden Fernmeldekabeln nicht zulässig“ ist.
6
Am 27.7.2016 gab die Klägerin ein Angebot zur Leistungserbringung wie Anlage K 2 ab. Die Angebotssumme auf Einheitspreisbasis belief sich auf 5.807.853,29 €.
7
Beigefügt war eine Auflistung der technischen Ausrüstung wie Anlage B 2. Darin heißt es u.a.:
8 Kabelpflüge Typ Föckersperger Windenpflug
2 Kabelpflüge Typ Föckersberger mit Raupenfahrzeug
8
Beigefügt war auch das Formblatt 2282.StB wie Anlage B 3. Darin heißt es u.a. beim Punkt „Angaben zum Bauverfahren“:
„überwiegend Verlegung mit Kabelpflug
- Baggerpflug, Raupenpflug
…“
9
Mit Auftragsschreiben … vom 9.9.2016 wie Anlage K 1, unterzeichnet durch den Leitenden Baudirektor … erhielt die Klägerin den Zuschlag.
10
Am 12.9.2016 fand ein Vergabe- bzw. Aufklärungsgespräch, bei der auf Klägerseite der Geschäftsführer der Klägerin … und der Mitarbeiter … sowie auf Beklagtenseite der Mitarbeiter der … und … teilnahmen.
11
Mit E-Mail vom 12.9.2016 übersandte die Klägerin … auf Nachfrage Lichtbilder des „Raupen-Rüttelpflugs“, der „bei dem o.g. Bauvorhaben zum Einsatz“ kommen würden. Für die Einzelheiten wird auf Anlage B1 verwiesen.
12
Mit Schreiben vom 22.9.2016 wie Anlage K 7 bestätigte die Klägerin den Auftrag.
13
Am 10.10.2016 führten die Parteien ein „Anlaufgespräch“ auf Einladung des Mitarbeiters der … (vgl. Anlage K 37).
14
Am 26.10.2016 begann die Klägerin mit den Pflugarbeiten.
15
Am 4.11.2016 erkundigte sich der Mitarbeiter der … nach der Einsatzbereitschaft des Raupenpflugs. Dieser sei nach seinem Kenntnisstand nicht einsatzbereit. Er bitte darum, Sorge zu tragen, dass dies bald wieder der Fall sei, alternativ über die Anmietung eines derartigen Raupenpflugs nachgedacht werden möge. Es sei wichtig, dass die Leistungen gemäß dem Vertrag, dem LV und der Baubeschreibung ausgeführt würden. Die Klägerin erklärte in ihrer Antwort vom selben Tag, dass der Raupeneinsatz zu jeder Zeit einsatzbereit sei und gewesen sei, bei „gemeinsamen Baubegehungen mit dem zuständigen, bauüberwachenden Ingenieur wurde für den jetzt zu bearbeitenden Streckenabschnitt die vorteilhaftere, geländeschonendere Variante Windenpflug einvernehmlich festgelegt… Um einen positiven und konstruktiven Bauablauf weiterhin zu gewährleisten, werden wir selbstverständlich auch zukünftig gemeinsam mit der Bauleitung das den Örtlichkeiten entsprechend geeignetste Gerät der 3 möglichen Varianten auswählen und einsetzen“. Der Mitarbeiter der … kommentierte dies mit einer weiteren E-Mail vom selben Tag: „danke für die positive Nachricht zum Wochenende, in das ich mich jetzt verabschiede“. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K 8 verwiesen. Der bei der Korrespondenz in Kopie gesetzte Bauleiter … widersprach der Klägerin mit einer weiteren E-Mail vom selben Tag. Es sei nur gesagt worden, dass gepflügt würde. „Genauere Angaben gab es nicht. Das Wort Windenpflug ist auch niemals gefallen. Dass sie einen solchen einsetzen wollen und würden, war mir schon klar. Der Aussage, dass er auch noch die vorteilhaftere Variante sei, könnte ich nicht zustimmen, denn dann wäre meine Ausschreibung grundsätzlich falsch … Und dass das gewählte Verfahren geländeschonend sei, wurde auch nicht diskutiert …“ Für die Einzelheiten wird auf die Anlage B5 verwiesen.
16
Am 7.12.2016 stellte die Klägerin ihre 1. Abschlagsrechnung über 538.400 €, welche von der Beklagten beglichen wurde.
17
Mit Schreiben vom 16.12.2016 wie Anlage K9 rügte die … durch … einen vertragswidrigen Geräteeinsatz, von welchem sie Anfang November 2016 erfahren habe. Die Klägerin verwende Windenfahrzeuge mit seilgezogenem Pflug.
18
Mit Schreiben vom 3.2.2017 antwortete die Klägerin und verwies auf das Vergabegespräch. „Bei diesem Gespräch wurde seitens … darauf hingewiesen, dass entsprechend den örtlichen Gegebenheiten das geeignetste Gerät der möglichen Pflugvarianten (Zuggerät mit seilgezogenem Pflug, Raupenpflug, Baggeranbaupflug) zum Einsatz gebracht wird. Ziel ist es, Flur-/Umwelt- und Naturschäden zu vermeiden. In diesem Zusammenhang wurde festgelegt, dass die Wahl des Bauverfahrens und der Einsatz der Baugeräte Sache des Auftragnehmers sind.“ Auch beim Anlaufgespräch am 10.10.2016 sei dies eindeutig kommuniziert worden. Für die Einzelheiten wird auf die im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vom 21.1.2020 als Anlage eingereichte und gerichtlich als Anlage K6a geführte Anlage verwiesen.
19
Mit Schreiben vom 22.2.2017 erwiderte die … durch …, dass sie die Abmahnung aufrechterhalte. Der „vorübergehend von der … gestattete Einsatz des seilbezogenen Pfluges ohne Eigenantrieb resultierte nur daraus, dass Ihr Raupenpflug offenbar defekt war und Bauzeitverzögerungen vermieden werden sollten“. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K38 verwiesen.
20
Mit E-Mail vom 14.3.2017 untersagte der Mitarbeiter der … der Klägerin „letztmalig“ den Einsatz vertragswidriger Gerätschaften, womit er den Einsatz eines seilgezogenen Pflugs meinte. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage B 6 verwiesen.
21
Mit E-Mail vom 3.4.2017 wie Anlage K 34 stellte der Mitarbeiter der … eine positive Bewertung der Arbeiten der Klägerin in Betracht.
22
Mit Schreiben vom 27.4.2017 wie Anlage K 10 zeigte die Klägerin Behinderung wegen Untersagung des Einsatzes des Windenpflugs an. Die Behinderungsanzeige wies die … durch … mit Schreiben vom 3.5.2017 wie Anlage K 11 zurück.
23
Kompromissfindungsversuche zwischen den Parteien im Hinblick auf die Möglichkeit der Nutzung eines Windenpflugs wie Anlage K 12-K 15 scheiterten.
24
Mit Schreiben vom 6.6.2017 setzte die … durch … Frist zur Verwendung vertragsgemäßer Werkzeuge bis 12.6.2017. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K 16 verwiesen.
25
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 12.6.2017 wie Anlage K 17 leitete die Klägerin ein Verfahren nach § 18 Abs. 2 VOB/B (Anrufung der vorgesetzten Stelle) ein.
26
Mit Schreiben vom 22.6.2017 wie Anlage B8 mahnte die … durch die unzureichende Besetzung der Baustelle ab.
27
Am 28.6.2017 stellte die Klägerin ihre 2. Abschlagsrechnung über 1.400.988,54 €, welche die Beklagte aber nicht beglich. Für die Einzelheiten wird auf die Prüfung der Rechnung wie Anlage K 26 verwiesen, bei welcher die … zu einem negativen Auszahlungsbetrag gelangte.
28
Mit Schreiben vom 5.7.2017 rügte die … durch … verschiedene Mängel, u.a. dass keine Verdichtungsgeräte eingesetzt worden seien und die fehlende Durchgängigkeit des Kabelschutzrohres im Bereich der Stadt … und dessen fehlende Kalibrierung und Druckprüfung.
29
Sie rügte auch erneut den unzureichenden Einsatz von Arbeitskräften. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage B9 verwiesen.
30
Mit Schreiben vom 7.7.2017 wies die Klägerin die Mängel zurück. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K 41 = K 55 verwiesen.
31
Am 12.7.2017 stellte die Klägerin ihre Arbeiten ein.
32
Mit Schreiben vom 20.7.2017 forderte die … durch … die ordnungsgemäße unverzügliche Wiederaufnahme der Arbeiten. Sie kündigte Auftragsentziehung und kostenpflichtige Ersatzvornahme an. Für die Einzelheiten wird auf Anlage B 11 = B 29 verwiesen.
33
Mit Schreiben vom 3.8.2017 erklärte die … durch die Leitende Regierungsdirektorin … die außerordentliche Kündigung des Vertrags. Sie forderte einen Termin für die gemeinsame Leistungsfeststellung und dann Schlussrechnungsstellung. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K 19 verwiesen.
34
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 4.8.2017 wies die Klägerin die Kündigung zurück. „Namens und in Vollmacht unserer Mandantin rügen wir die fehlende Vollmacht. Des Weiteren fordern wir Sie, für den Fall einer vorliegenden Vollmacht auf, binnen einer Frist bis zum 11.8.2017 auf, der Kündigung Abstand zu nehmen. Wir fordern Sie weiter auf, binnen einer Frist bis zum 11.8.2017 die Abnahme der Leistungen zu erklären und unserer Mandantin die Gelegenheit zu geben, die Mengen und Massen ordnungsgemäß gemeinsam aufzunehmen. In der Sache gehen wir davon aus, dass es sich um eine freie Kündigung handelt, da keine Kündigungsgründe vorliegen. Wir verweisen auf die mündlichen Absprachen. Aufgrund dessen handelt es sich um eine freie Kündigung…“ Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K 20 verwiesen.
35
Mit Schreiben vom 7.8.2017 erklärte die … durch die Leitende Regierungsdirektorin … dass es sich entgegen der Auffassung der Klägerin um eine Kündigung nach § 8 Abs. 3 VOB/B und nicht § 8 Abs. 1 VOB/B handele. „Der guten Ordnung halber dürfen wir Sie darauf hinweisen, dass die Unterzeichnerin keiner Vollmacht für hier gegenständliche Vertragsabwicklung bedarf. Auf den im Internet eingestellten Organisationsplan wird verwiesen.“ Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K 21 verwiesen.
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Im Internet einsehbar war zu dieser Zeit ein Organisationsplan wie Anlage K 22
37
Mit Bescheid vom 9.8.2017 erging der ablehnende Bescheid der Obersten Baubehörde im Verfahren nach § 18 VOB/B wie Anlage B7, gegen den die Klägerin Rechtsmittel einlegte.
38
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.8.2017 erklärte die Klägerin ihrerseits die außerordentliche Kündigung, weil die Beklagte an ihrer rechtswidrigen Kündigung festhalte. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K23 verwiesen.
39
Am 11./12.9.2017 erfolgte eine gemeinsame Leistungsfeststellung. Es wurde ein Protokoll zu nachbesserungsbedürftigen Punkten wie Anlage K52 erstellt.
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Am 4.10.2017 meldete die Klägerin die bei der gemeinsamen Leistungsfeststellung beanstandeten Punkte wie Anlage K53 frei.
41
Die … meldete der Klägerin in der Folge weitere Mängel. Mit Schreiben vom 5.3.2018 meldete die Klägerin wiederum unter Vorlage von Bautagesberichten, Fotodokumentation und Kalibrier- und Druckprüfungsprotokollen die weiteren Mängel schriftlich frei und forderte förmliche Abnahme der Leistungen binnen 12 Tagen wie Anlage K 54.
42
Im März 2018 übersandte die Klägerin ihre Schlussrechnung mit Datum vom 6.2.2018 über eine Brutto-Schlussrechnungssumme von 3.290.658,17 € wie Anlage K25. Abzüglich der unstreitigen Zahlung auf die 1. Abschlagsrechnung ergab sich ein Zahlbetrag von 2.752.258,17 €.
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Mit Schreiben vom 28.3.2018 rügte die … die fehlende Prüffähigkeit und forderte eine korrigierte Rechnung.
„Folgende Teile der eingereichten Schlussrechnung sind nicht prüfbar:
Alle Positionen zu der Stadt Wörth an der Donau erfolgten Mitverlegung (km 515,690 bis km 522, 384)
Alle Positionen der Schlussrechnung, die im Widerspruch zu den Angaben in den Ausführungsplänen stehen“
44
Für die Einzelheiten wird auf die Anlage B12 verwiesen.
45
Die Klägerin übersandte dann auf nochmalige ausdrückliche Aufforderung vom 26.6.2017 eine weitere Schlussrechnung mit Datum vom 8.3.2018. Diese weist eine Schlussrechnungssumme von 4.845.942,38 € aus, abzüglich der Zahlung auf die 1. Abschlagsrechnung in Höhe von 538.400 € einen Zahlbetrag von 4.307.542,38 €. Der Schlussrechnungsbetrag setzt sich zusammen aus:

Erbrachte Leistungen

2.217.330,94 € netto

(Davon Nachträge (Abschnitt 50) 138.827,90 € netto)

Mehraufwendungen wegen Planungsänderungen (Abschnitt 70)

166.538,24 € netto

Schadensersatzforderung wegen Auftragsentzug (Abschnitt 80)

22.516,38 € netto

Vergütung für nicht erbrachte Leistungen wg. Kündigung

1.982.343,56 € netto

Umsatzsteuer

457.213,26 €

Schlussrechnungssumme Brutto

4.845.942,38 €

- 538.400,00 €

Zahlbetrag

4.307.542,38 €

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Für die Einzelheiten dieser Schlussrechnung wird auf die Anlage K43 verwiesen, für die Anlagen zur Schlussrechnung auf die Anlage K43a.
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Mit ihrer Klageschrift vom 25.10.2018 hat die Klägerin zuerst einen Vergütungsanspruch in Höhe von 4.307.542,38 € geltend gemacht. Dabei hat sie zuerst - wie sie angibt, irrtümlich - die Schlussrechnung K25 vorgelegt. Jetzt stützt sich die Klägerin aber auf die Anlage K43.
48
Mit Schriftsatz vom 5.11.2019, der Beklagten am 11.11.2019 zugestellt, hat sie ihr Zahlungsbegehren auf 4.468.162 € erhöht (Bl. 93 d.A.). Sie fordert nunmehr auch Begleichung von Miet- und Lagerkosten für nicht verbaute Materialien in Höhe von 162.619,90 €. Zudem hat sie mit einem weiteren Antrag nun auch noch die Freistellung von Entsorgungskosten für verschiedene Materialien geltend gemacht.
49
Mit Schriftsatz vom 22.11.2019 (Bl. 105 d.A.) hat sie ihr Zahlungsbegehren wegen eines Rechenfehlers um 2.000 € auf 4.470.162 € erweitert. Mit Schriftsatz vom 28.11.2019 (Bl. 110 d.A.) hat sie ihre Anträge zusammenfassend formuliert und dabei einen Zahlungsbetrag von 4.470.162,82 € ermittelt. In der mündlichen Verhandlung vom 21.1.2020 (Bl. 126 d.A.) hat sie ihren Zahlungsantrag wegen eines Rechenfehlers nochmals im Centbereich geändert.
50
Die Klagepartei beantragt zuletzt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.470.162,28 € nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.307.542,38 € ab dem 10.5.2018 und aus 160.619,90 ab Rechtshängigkeit (11.11.2019) zu zahlen.
Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin von den Entsorgungskosten von 70 Trommeln Kabalschutzrohre PE 50 × 4,6 mm, DIN 16874 mit … Kennung sowie 50 Trommeln Glasfaserkabel 24- und 72-Fasern nach … Kennung, lagernd auf dem Betriebsgelände in …, freizustellen.
51
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
52
Die Beklagte rügt die Prüffähigkeit der Schlussrechnung. Ihren Einwand hält sie auch gegenüber der Schlussrechnung wie Anlage K43 aufrecht. Dabei handele es sich nicht um eine neue Schlussrechnung.
53
Sie habe die Leistungen der Klägerin zudem auch nicht abgenommen. Die gemeinsame Leistungsfeststellung ersetze nicht die vertraglich nach den ZVB vorgesehene förmliche Abnahme. Wegen der Mängel habe auch keine Abnahmefähigkeit bestanden.
54
Die Beklagte anerkennt in der Sache eine Schlussrechnungssumme von 1.307.722,25 € netto bzw. 1.556.189,48 € brutto (Bl. 189 d.A.). Der dann nach Berücksichtigung der unstreitigen Abschlagszahlung verbleibenden Forderung der Klägerin von 1.017.789,48 € brutto hält sie eigene Ansprüche entgegen, weshalb sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin überzahlt sei.
55
Zur Kürzung der Schlussrechnungssumme führt sie aus: Soweit die Leistungen der Klägerin überhaupt nachprüfbar seien, sei festzustellen, dass die Klägerin nicht im abgerechneten Leistungsumfang Leistungen erbracht habe. Für die Kürzungen der Beklagten im Einzelnen wird auf S. 36 ff des Schriftsatzes der Beklagten vom 16.3.2020 (Bl. 173-187 d.A.) verwiesen. Die Nachträge (Position 50.00 ff) und die als Zusatzvereinbarung abgerechneten Leistungen (Pos. 70) seien schon nicht beauftragt worden. Der Klägerin stehe auch kein Schadensersatz und kein Anspruch auf nicht erbrachte Leistungen zu. Die Voraussetzungen dafür lägen nicht vor. Ihre außerordentliche Kündigung sei wirksam. Die Leitende … sei bevollmächtigt gewesen, die Kündigung auszusprechen. Die Beklagte verweist auf Nr. 2.7 (2) der Dienstanweisung wie Anlage B 13.
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Eine Vollmachtsvorlage sei nicht erforderlich gewesen. Der Klägerin habe kein Zurückweisungsrecht zugestanden. Mit der Stellung der Regierungsdirektorin … aIs Leiterin der Rechtsabteilung gehe regelmäßig eine stillschweigende Bevollmächtigung einher. Das Verhalten der Klägerin sei zudem auch treuwidrig, weil sie zuvor über Monate mit der Rechtsabteilung der Beklagten korrespondiert habe, ohne eine Vollmacht formal zu rügen. Die Kündigung sei auch als außerordentliche wirksam. Diese sei aus mehreren Gründen gerechtfertigt. Der Einsatz des Windenpflugs sei vertragswidrig gewesen, die Leistungen der Klägerin seien erheblich mangelbehaftet gewesen und die Klägerin habe die Baustelle auch nur mit einer unzureichenden Zahl von Arbeitskräften besetzt.
57
Zu ihren Ansprüchen trägt sie vor: Die Fertigstellung des Bauvorhabens werde nun teurer. Durch das vertragswidrige Verhalten der Klägerin, das zur Beendigung des Vertragsverhältnisses geführt habe, würden der Beklagten Mehrkosten für die Herstellung im mehrstelligen Millionenbereich entstehen.
58
Den von ihr bearbeiteten Bereich km 505,250 - km 533,750 habe die Klägerin nur unvollständig ausgeführt (Bl. 139). Die hier bereits durchgeführten Restfertigstellungsarbeiten durch die … hätten Mehrkosten von 498.849,53 € netto bzw. 593.630,95 € brutto verursacht. Die ergebe sich, wenn man die von dieser Firma für die Leistungen abgerechneten Preise aus deren Schlussrechnung wie Anlage B18 mit den Preisen, welche mit der Klägerin vereinbart worden seien, vergleiche. Die Klägerin hat insoweit mit Schriftsatz vom 16.3.2020 eine Gegenüberstellung erstellt (Bl. 147-158).
59
Im Bereich der übrigen Strecke (d.h. bis km 582,800) habe die Klägerin bis auf kleine Ausnahmen (Bl. 139) keine Leistungen mehr erbracht. Die Fertigstellung des Bereichs bis km 562,763 sei beauftragt. Das Auftragsvolumen für die Beauftragung der … belaufe sich zur Zeit (März 2020) auf 4.693.196,10 € brutto. Die Beklagte verweist auf die Anlage B 14 (Bl. 140). Die Fertigstellung des Bereichs km 580 - km 582,800 sei ebenfalls an die LB Elektro beauftragt, das Auftragsvolumen belaufe sich auf 660.526,73 € brutto wie Anlage B 15 (Bl. 140). Für die Fertigstellung des Bereichs km 562,763 bis km 580 gehe sie von weiteren Kosten in Höhe von 1.521.812,89 € brutto aus (Bl. 140).
60
Außerdem seien ihr Mängelbeseitigungskosten entstanden. Die Beseitigung der Mängel im Bereich km 505,250 - km 533 durch die Fa. Wundsam habe Kosten in Höhe von 112.254,42 € verursacht. Die Beklagte verweist auf ihre Aufstellung im Schriftsatz vom 16.3.2020 (Bl. 164-171) und die Anlage B25 (Aufmaßblätter und Regieberichte). Es gehe im Wesentlichen um folgende Mängel, die sie bereits mit Schreiben vom 5.7.2017 wie Anlage B9 gerügt habe.
61
1. Die Klägerin habe keine Verdichtungsgeräte eingesetzt und auch nicht auf Aufforderung nachgearbeitet, so dass spätere Setzungen zu befürchten gewesen seien. Deshalb habe man die Schachtbaugruben bis zu einer Tiefe von 0,6 m freigelegt und das Material gegen Frostschutzkies ausgetauscht.
62
2. Das Kabelschutzrohr/die Umpflasterung für die Stadt … sei nicht durchgängig gewesen bzw. nicht kalibriert und druckgeprüft (Bl. 162). Das habe man nachholen müssen.
63
3. Bei Druckprüfung und Kalibrierung von weiteren Bereichen hätten sich verschiedene Rohrmängel und -schäden gezeigt (vgl. die Übersicht Bl. 162). Man habe eine zusätzliche Baugrube anlegen müssen (km 514) und einen Suchschlitz ausführen müssen (km 517). Die Beseitigung dieser Mängel habe nicht mehr gerügt werden können, weil sie sich erst im Zuge der weiteren Arbeiten gezeigt hätten.
64
Die angefallenen Kosten seien erforderlich, ortsüblich und angemessen gewesen. Die Beklagte hält die Klägerin danach insgesamt für deutlich überzahlt.
65
Mit Schriftsatz vom 18.5.2020 hat die Beklagte zudem Widerklage erhoben (Bl. 240 ff, 246 d.A.). Sie begehrt die Zwischenfeststellung, dass ihre Kündigung vom 3.8.2017 als außerordentliche Kündigung, hilfsweise als ordentliche Kündigung wirksam sei.
66
Sie beantragt insoweit:
Es wird festgestellt, dass das Schreiben der … vom 3.8.2017 (Anlage K 19) das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis als außerordentliche Kündigung im Sinne von § 8 Abs. 3 VOB/B, hilfsweise als ordertliche Kündigung im Sinne von § 8 Abs. 1 VOB/B wirksam beendet hat.
67
Die Klägerin beantragt insoweit:
Die Widerklage wird abgewiesen.
68
Zur Kündigung der Beklagten vom 7.8.2017 trägt die Klägerin vor: Die Kündigung sei schon, unabhängig davon, dass eine Vollmacht der Unterzeichnerin nicht bestanden habe, mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde nach § 174 BGB unwirksam. Sollte die Kündigung wirksam sein, müsste sie jedenfalls als ordentliche zu verstehen sein, deswegen sei ihre eigene außerordentliche Kündigung berechtigt. Es habe für die Beklagte kein Kündigungsrecht bestanden. Insbesondere sei der Einsatz des Seilpflugs nicht zu beanstanden. Man habe sich beim Vergabegespräch geeinigt, dass das je nach Situation geeignetste Pflugverfahren herangezogen werde, wobei der seilgezogene Pflug entgegen der Baubeschreibung nicht ausgeschlossen sein sollte. Im Übrigen verstoße der Einsatz auch gar nicht gegen die Vertragsgrundlagen. Tatsächlich sei der Seilpflug am geländeschonendsten und umweltverträglichsten. Im Übrigen sei bei den Gegebenheiten vorliegend an vielen Stellen ohnehin nur ein Seilpflug möglich gewesen. Wenn die Baubeschreibung tatsächlich der Verwendung entgegenstehe, dann sei sie unwirksam.
69
Für den weiteren Vortrag der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

70
A) Die Widerklage ist im Hauptantrag zulässig, aber unbegründet. Der Hilfsantrag ist schon unzulässig. Die Widerklage war deshalb durch Teilurteil abzuweisen.
71
I. Der Widerklage-Hauptantrag ist zulässig.
72
Insbesondere liegen die besonderen Voraussetzungen für eine Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO vor. Die Beklagte begehrt in einem anhängigen Verfahren Feststellung eines Rechtsverhältnisses, von dessen Bestehen bzw. Nicht-Bestehen die Entscheidung des übrigen Rechtsstreits (teilweise) abhängig ist.
73
Die Beklagte begehrt mit ihrem Antrag die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 ZPO. Unter Rechtsverhältnis ist eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder einer Person zu einer Sache zu verstehen. Darunter sind auch einzelne auf einem umfassenderen Rechtsverhältnis beruhende Ansprüche oder Rechte zu verstehen, nicht dagegen einzelne Vorfragen. Auch ein Kündigungsgrund kann das Rechtsverhältnis darstellen, wenn die Kündigung selbst bereits zu bestimmten Rechtsfolgen führt. Dies ist bei § 8 Abs. 3 VOB/B und § 8 Abs. 1 VOB/B der Fall (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2013 - VII ZR 223/11 = NJW 2013, 1744). Die Widerklage bezieht sich also im Hauptantrag auf ein Rechtsverhältnis.
74
Auch die weiteren Voraussetzungen von § 256 Abs. 2 ZPO sind erfüllt. Insbesondere besteht Vorgreiflichkeit. Die begehrte Feststellung muss sich dafür nach der obergerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich auf einen Gegenstand beziehen, der über den der Rechtskraft fähigen Gegenstand des Rechtsstreits hinausgeht. Es ist allerdings ausreichend, wenn Vorgreiflichkeit für mehrere selbstständige Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis besteht, mögen die klageweise geltend gemachten Ansprüche auch in ihrer Gesamtheit die Ansprüche erschöpfen, die sich aus dem Rechtsverhältnis überhaupt ergeben können. Das gilt für selbständige Ansprüche im Rahmen einer Klage, aber auch für selbständige Ansprüche aus Klage und Widerklage (vgl. BGH, a.a.O.) Insoweit muss Vorgreiflichkeit hier bejaht werden. Es kommt nämlich nicht nur für die klageseits geltend gemachten Vergütungsansprüche, insbesondere wegen nicht-erbrachter Leistungen, auf die Frage der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der Beklagten an, sondern auch für die ihr von behaupteten und als überschießend geltend gemachten Gegenansprüche wegen Mehrkosten der Fertigstellung.
75
Dass die Kammer bei Entscheidung über die Zwischenfeststellungswiderklage nicht zwingend über das Bestehen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes entscheiden muss, ist unerheblich. Die Zulässigkeit der (Zwischenfeststellungs-)Klage kann nicht vom gerichtlich gewählten Begründungsweg abhängig sein (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2007 - VII ZR 27/06 = NJW-RR 2008, 262). Im Übrigen erfolgt durch eine Entscheidung über die Zwischenfeststellungsklage zudem in jedem Fall eine Klärung über die an den Kündigungsgrund geknüpfte Rechtsfolge.
76
II. Der Widerklage-Hauptantrag ist unbegründet.
77
Die Kündigung vom 3.7.2018 hat das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht wirksam beendet. Auf das Bestehen eines Kündigungsgrundes kommt es dabei nicht an. Die Kündigung konnte hier weder als außerordentliche Kündigung, noch als ordentliche Kündigung Wirkung entfalten. Sie ist schon aus formalen Gründen nach § 174 S. 1 BGB unwirksam.
78
Nach § 174 S. 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten unwirksam, wenn der Bevollmächtigte keine Vollmacht vorlegt und der Erklärungsempfänger das Rechtsgeschäft deswegen unverzüglich zurückweist. Auch eine Genehmigungsmöglichkeit besteht danach nicht mehr (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 78. Aufl. § 174 Rn. 6).
79
Auf das tatsächliche Bestehen einer Vollmacht des Erklärenden kommt es dabei ebensowenig an wie auf die Rechtsnatur der Vollmacht. Dass es sich um eine Erklärung handeln muss, die nach den Umständen für einen Dritten abgegeben wird, ist selbstverständlich, hat aber für die Anwendung von § 174 BGB unmittelbar keine Bedeutung. Dass dies offensichtlich der Fall war, wie die Beklagte anführt, spielt hier deshalb bei der Prüfung von § 174 BGB keine Rolle.
80
1. Das Schreiben vom 4.8.2017 ist als Zurückweisung im Sinne von § 174 S. 1 BGB anzusehen.
81
Erforderlich dafür ist ein Verhalten, aus dem sich ergibt, dass die empfangene Erklärung wegen des fehlenden urkundlichen Nachweises der Bevollmächtigung zurückgewiesen wird. Die Zurückweisung (nur) aus anderen Gründen genügt nicht. Das Vorbringen weiterer Einwände schadet dagegen nicht (vgl. Paland-Ellenberger, BGB, a.a.O. § 174 Rn. 4, § 109 Rn. 5). Nicht erforderlich ist auch, dass die Nicht-Vorlage einer Vollmachtsurkunde ausdrücklich gerügt wird oder ausdrücklich eine Zurückweisung erklärt wird. Die Zurückweisung kann sich insbesondere auch daraus ergeben, dass die Vertretungsmacht als solche in Frage gestellt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2012 - V ZB 5/12)
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Insoweit ist hier von einer Zurückweisung auszugehen. Die Klägerin hat die „fehlende Vollmacht“ der Kündigungserklärenden gerügt. Im Hinblick auf das Fehlen einer Vollmachtsurkunde muss dies bei Berücksichtigung der Parteiinteressen so verstanden werden, dass jedenfalls auch beanstandet wird, dass kein Nachweis einer Vollmacht durch Vorlage einer Vollmachtsurkunde vorliegt. Vollmacht meint hier offensichtlich (jedenfalls auch) Vollmachtsurkunde. Die Beklagte hat die Erklärung der Klägerin erkennbar auch in diesem Sinne verstanden. In ihrer Erwiderung auf die Zurückweisung geht sie nicht auf eine Vollmachtserteilung ein, sondern auf den Nachweis der Vollmacht in Form des Organisationsplans.
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Dass die Klägerin hilfsweise von einer freien Kündigung ausgegangen ist und immer noch ausgeht, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Primär hat die Klägerin die Kündigungserklärung zurückgewiesen.
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2. Die Zurückweisung ist als unverzüglich anzusehen. Die Reaktion auf die schriftliche Kündigung vom 3.8.2017 erfolgte bereits am 4.8.2017 und damit ohne schuldhaftes Zögern im Sinne von § 121 BGB.
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3. § 174 S. 1 BGB ist vorliegend auch anwendbar. Es liegt kein Fall einer gesetzlichen oder organschaftlichen Vertretungsmacht vor, für welche § 174 S. 1 BGB nicht gilt. Die Unterzeichnerin der Kündigung ist unstreitig kein organschaftlicher Vertreter. Staatliche Verwaltungsregelungen, wie sie die Beklagte hier ins Feld führt, begründen auch keine gesetzliche Vertretungsmacht, so dass § 174 BGB insoweit grundsätzlich anwendbar bleibt (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 78. Aufl. § 174 Rn. 4).
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Die vorliegende Situation kann auch nicht mit einer organschaftlichen Vertretungsmacht verglichen werden. Dass die Unterzeichnerin im Organigramm der … die Anlage K22 aufgeführt wird und dieses im Internet abrufbar ist, genügt nicht. Die Herausnahme der organschaftlichen Vertretung aus dem Anwendungsbereich findet seine sachliche Grundlage darin, dass die von § 174 BGB vorausgesetzte Unsicherheit über die Berechtigung zur Vornahme der Handlung nicht besteht, weil die organschaftliche Vertretung mit einer Eintragung in einem öffentlichen Register verbunden ist (insoweit bejaht der BGH, Urteil vom 9.11.2001 - LwZR 4/01, die Anwendung von § 174 BGB beim vertretungsberechtigten Gesellschafter der GbR). Bei einer Darstellung über den Aufbau eines Unternehmens oder einer Behörde wie einem Organigramm besteht eine solche Sicherheit aber nicht. Abgesehen davon enthält das Organigramm wie Anlage K22 auch gerade keine Angaben zu den Vertretungsbefugnissen der aufgeführten Personen.
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4. Auch § 174 S. 2 BGB ist nach Auffassung der Kammer nicht einschlägig.
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Nach § 174 S. 2 BGB ist eine Zurückweisung nach S. 1 ausgeschlossen, wenn der Empfänger von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt worden ist. Eine solche Benachrichtigung ist hier unstreitig nicht erfolgt.
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Allerdings wird es in der Rechtsprechung und Literatur teilweise für ausreichend erachtet - und darauf beruft sich die Beklagte -, wenn der als Vertreter Auftretende eine Position bekleidet oder eine Tätigkeit ausübt, die in der Regel mit der Vollmacht für das einseitige Rechtsgeschäft verbunden ist, und der Geschäftsgegner davon Kenntnis hat (vgl. BAG, Urteil vom 20.9.2006 - 6 AZR 82/06; … BGB, 78. Aufl. § 174 Rn. 7). Dieser Fall soll dem § 174 S. 2 BGB gleichgesetzt werden.
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Die Kammer schließt sich dieser Auffassung dem Grunde nach an. Allerdings muss nach hiesigem Dafürhalten sichergestellt sein, dass eine solche Ausnahme im Einklang mit dem Zweck des § 174 S. 1 BGB steht, dass der Empfänger einer einseitigen Willenserklärung gerade nicht nachforschen müssen soll, welche Stellung der Erklärende hat und ob damit das Recht zur Kündigung verbunden zu sein pflegt (so auch BAG a.a.O.). Es genügt daher nicht, dass der Vertreter eine Position innehat, die üblicherweise zu Erklärungen wie der vorgenommenen befugt. Zu fordern ist auch, dass der Erklärungsempfänger ohne Weiteres Klarheit über die Position des Vertreters hat und auch diesbezüglich keine Nachforschungen anstellen muss (unklar insoweit … a.a.O.). Der Gesetzgeber stellt grundsätzlich auf das Inkenntnissetzen durch den Vertretenen und damit ein Tätigwerden des Vertretenen ab. Im Zweifel soll eine bestehende Unsicherheit durch ihn beseitigt werden, weil ihm dies unschwe - durch die einfache Vorlage einer Vollmachtsurkunde - möglich ist.
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Jedenfalls deshalb muss vorliegend eine Anwendung von § 174 S. 2 BGB ausscheiden. Die Klägerin kannte die Stellung der Unterzeichnerin der Kündigung bei der Abgabe der Erklärung der Kündigung nicht. Sie ergab sich auch nicht aus der Kündigungserklärung selbst. Ausgewiesen war die Unterzeicherin dort nur als „Ltd. Regierungsdirektorin“. Es war dabei auch die erste Erklärung der Unterzeichnerin in der laufenden Vertragsbeziehung der Parteien. Insbesondere war die Klägerin deshalb auch nicht durch die Unterzeichnung des Auftragsschreibens als in Kenntnis gesetzt anzusehen. Weder war dieses von der gleichen Person unterzeichnet, noch führen die unterzeichnenden Personen auch nur die gleiche Dienstbezeichnung. Der Auftrag war von dem „Ltd. … unterzeichnet.
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Insoweit kann letztlich offen bleiben, ob die von der Beklagten vertretene Auffassung, man könne aus der Stellung der Unterzeichnerin der Kündigungserklärung als Leiterin der Abteilung Recht/Grunderwerb, wie sie sich aus dem Organigramm ergibt, ableiten, dass sie üblicherweise zur Kündigung bezüglich (wohl) sämtlicher Auftragsverhältnisse der … berechtigt sei, zutreffend ist. Die Kammer neigt aber auch insoweit dazu, der Beklagten nicht zu folgen. Es zeigt sich zwar in der Darstellung durchaus eine ranghohe Position der Unterzeichnerin der Kündigung. Welche Aufgaben der Unterzeichnerin der Kündigung im Einzelnen übertragen sind, ergibt sich aber gerade nicht aus dem Organigramm. Insbesondere ist völlig unklar, wie die Kompetenzen zwischen den verschiedenen Abteilungen verteilt sind. Das Organigramm musste für die Klägerin bei genauerer Betrachtung sogar eher Zweifel aufwerfen. Der Leitende Baudirekt …, der das Auftragsschreiben unterzeichnet hat (unterzeichnen musste?), hat offensichtlich eine höhere Stellung als die Unterzeichnerin der Kündigung, da er zugleich Vertreter des Präsidenten der … ist. Auch insoweit bestand im Grunde also genau die Unklarheit, auf welche sich der Erklärungsempfänger nach der Wertung des § 174 BGB nicht einlassen muss.
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5. Das Verhalten der Klägerin kann auch nicht als treuwidrig angesehen werden. Dass die Klägerin vor der Kündigung über Monate mit Mitarbeitern der … kommuniziert hat, ohne deren Bevollmächtigung zu hinterfragen und eine Vollmachtsurkunde anzufordern, lässt die Zurückweisung auch nicht im Ansatz als treuwidriges Verhalten erscheinen. Es waren andere Mitarbeiter und es ging um andere Inhalte.
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III. Der Widerklage-Hilfsantrag ist bereits unzulässig.
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Die Frage der Beendigung eines Vertrags durch eine (ordentliche) Kündigung betrifft zwar ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 32, Auflage, § 256 ZPO, Rn. 4).
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Es bestehen allerdings Bedenken, ob die Vorgreiflichkeit gewahrt ist.
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Jedenfalls hat die Beklagte aber kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass das Vertragsverhältnis zwischen ihnen beendet ist und (falls keine außerordentliche Kündigung der Beklagten vorliegt) abzurechnen ist, wie wenn durch die Beklagte ordentlich gekündigt wurde. Durch eine Entscheidung über den Hilfsantrag wird insoweit keine weitergehende Klärung des Streits herbeigeführt.
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IV. Über die Widerklage war durch Teilurteil nach § 301 ZPO zu entscheiden.
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Die Widerklage war entscheidungsreif, der Rechtsstreit im Übrigen bedarf dagegen einer (umfangreichen) Beweisaufnahme.
100
Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht nicht. Die Widerklage ist als Zwischenfeststellungswiderklage teilurteilsfähig (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2005 - IX ZR 162/04 = NJW 2006, 915). Durch die Zwischenfeststellung wird das abgeurteilte Rechtsverhältnis für den Streit zwischen den Parteien insgesamt geklärt.
101
B) Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten. Dementsprechend war auch eine Entscheidung über eine vorläufige Vollstreckbarkeit nicht veranlasst.