Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 07.12.2020 – B 7 K 19.1055
Titel:

Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses - Existenzgefährdung eines landwirtschaftlichen Betriebs

Normenketten:
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 5
WHG § 14 Abs. 6, § 70 Abs. 1, § 105 Abs. 4
Leitsätze:
1. § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 VwVfG stellt mit der Verhütung oder Beseitigung von schweren Nachteilen für das Gemeinwohl besonders strenge Anforderungen an den Widerrufsgrund, ist jedoch ansonsten voraussetzungslos. Die Norm fordert insbesondere keine Veränderung der Sach- oder Rechtslage und lässt damit ohne Weiteres die Durchbrechung der Bestandskraft zu. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beeinträchtigung des Eigentums Einzelner durch einen Planfeststellungsbeschluss erfüllt grundsätzlich nicht die strengen Anforderungen des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 VwVfG. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
3. Soweit es um gewichtige Grundrechtsbeeinträchtigungen Einzelner geht, ist ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 VwVfG möglich, wenn das Leben oder die Gesundheit Einzelner ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt würden. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
4. Im Rahmen des § 14 Abs. 6 WHG darf nur berücksichtigt werden, was auch bei Kenntnis aller Umstände im wasserrechtlichen Verfahren hätte berücksichtigt werden dürfen; der Betroffene soll durch § 14 Abs. 6 WHG nicht bessergestellt werden. Nachteilige Wirkungen iSv § 14 Abs. 6 WHG müssen dabei im Entscheidungszeitpunkt zu erwarten, dh hinreichend wahrscheinlich sein. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses, nachträgliche Anordnung von Inhalts- und Nebenbestimmungen zu einem wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss, schwere Nachteile für das Gemeinwohl, gewichtige Grundrechtsbeeinträchtigungen, Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, Existenzfähigkeit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 29.07.2021 – 8 ZB 21.829
Fundstelle:
BeckRS 2020, 50159

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger zu 1 und 2 tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Das Landratsamt … hat mit Planfeststellungsbeschluss vom 20.10.2003 den Plan für die Baumaßnahme „Überleitung von Hochwassern der … in den …see ( …)“ festgestellt. Bereits mit Planfeststellungsbeschluss vom 27.04.1990 hatte die Stadt … den Plan für die Baumaßnahme „Bau eines Hochwasserrückhaltebeckens … ( …see) mit Verlegung der S. straße … und mit Verlegung der Bundesbahnstrecke …“ festgestellt. Beide Planfeststellungsbeschlüsse sind bestandskräftig.
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Zur Durchführung der Baumaßnahmen enteignete die Stadt … mit Beschluss vom 07.12.2010 verschiedene Grundstücksflächen bzw. Grundstücksteilflächen, die damals im Eigentum von Frau … standen und vom Kläger zu 2 bewirtschaftet wurden. Am 10.11.2014 erließ die Beklagte einen ergänzenden Enteignungsbeschluss zu dem Beschluss vom 07.12.2010. Das Klageverfahren gegen den Enteignungsbeschluss vom 07.12.2010 in der Fassung des Beschlusses vom 10.11.2014 ist rechtskräftig abgeschlossen (Az. B 7 K 16.466, U. v. 4.4.2019).
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Ebenso rechtskräftig abgeschlossen ist ein Klageverfahren gegen einen entsprechenden Besitzeinweisungsbeschluss der Stadt … vom 14.06.2011 in der Fassung eines ergänzenden Beschlusses vom 10.11.2014 (Az. B 7 K 16.465, U. v. 4.4.2019).
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Bereits mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 18.08.2011 beantragte die Klägerseite, den Planfeststellungsbeschluss vom 20.10.2003 gemäß Art. 49 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG zu widerrufen; die Anwendbarkeit der Widerrufsmöglichkeiten nach dieser Norm sei höchstrichterlich geklärt. Es wurde auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.05.1997 hingewiesen. Die Klägerseite sei in massiver Weise von dem Planfeststellungsbeschluss als Grundstückseigentümer bzw. Pächter landwirtschaftlicher Flächen betroffen. Der Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses sei zur Verhütung bzw. Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl geboten. Es sei höchstrichterlich geklärt, dass die Vorschrift nicht ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit bestehe, sondern in bestimmtem Umfang auch dem Individualschutz diene. Vorliegend ergäben sich schwere Nachteile für das Gemeinwohl durch die drohende Existenzvernichtung des landwirtschaftlichen Betriebes … als Folge des für die Verwirklichung der Maßnahme notwendigen und bereits beschlossenen Flächenentzugs. Schwerwiegende Grundrechtseingriffe führten zu schweren Nachteilen für das Gemeinwohl. Dies gelte insbesondere für die grundlegende Verfassungsbestimmung des Art. 1 GG. Danach sei die Würde des Menschen unantastbar. Diese Norm solle jedenfalls die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein sichern; dies umfasse auch den Schutz des materiellen Existenzminimums. Existenzvernichtungen durch staatliche Eingriffe verstießen somit gegen Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG und Eigentumseingriffe, die zu einer Existenzvernichtung führten, begründeten somit schwere Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne von Art. 49 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG. Vorliegend führe der Flächenentzug zu einer Existenzvernichtung und damit zur Zerstörung des landwirtschaftlichen Betriebes. Die Kläger hätten hierzu ein entsprechendes Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen … eingeholt. Dieses Gutachten vom 27.07.2011 bestätige zunächst, dass es sich bei Ausblendung der Maßnahme um einen in jeder Hinsicht dauerhaft lebensfähigen und entwicklungsfähigen landwirtschaftlichen Betrieb handele. Weiter werde in dem Gutachten belegt, dass durch den Landentzug für die Hochwasserschutzmaßnahmen eine Existenzgefährdung des landwirtschaftlichen Betriebes erfolge. Die Maßnahme … könne nicht isoliert, sondern nur zusammen mit der ebenfalls planfestgestellten Maßnahme …see gesehen werden. Mögen die Einzelteile dieser Maßnahme auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Plan festgestellt worden sein, so belegten die zwischenzeitlich vorliegenden Äußerungen der Fachbehörden, dass letztlich eine einheitliche Gesamtplanung gegeben sei, d.h. die … wäre ohne den …see nicht denkbar.
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Vorsorglich werde gemäß Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG wegen der dargelegten Existenzgefährdung eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses vom 20.10.2003 dahingehend beantragt, dass der Vorhabenträger verpflichtet werde, auf seine Kosten den landwirtschaftlichen Betrieb … auf eine neue Hofstelle umzusiedeln. Hingewiesen wurde abschließend auf die besondere Dringlichkeit der Angelegenheit, weil die Maßnahmen gegenwärtig in Realisierung seien.
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Mit Bescheid vom 10.11.2011 lehnte das Landratsamt … den Antrag vom 18.08.2011 auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses des Landratsamtes … vom 20.10.2003 ab (Nr. 1). Ferner wurde der Antrag auf Abänderung des Planfeststellungsbeschlusses des Landratsamtes … vom 20.10.2003 abgelehnt (Nr. 2). Die Gebühren für den Bescheid wurden auf insgesamt 400,00 EUR festgesetzt.
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Rechtsgrundlage für den beantragten Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses sei Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayVwVfG. Die Norm sei auch auf wasserrechtliche Planfeststellungsbeschlüsse anwendbar (wurde näher begründet). Der Vorschrift komme auch subjektiv-rechtliche Wirkung zu Gunsten Dritter zu. Allerdings erweise sich Art. 49 BayVwVfG entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als ultima ratio. Der Widerruf nach dieser Norm sei nach seinem Wortlaut nur zulässig, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder auszugleichen. Mit dem Begriff „schwere Nachteile für das Gemeinwohl“ sei zwar nicht ausschließlich das Interesse der Allgemeinheit angesprochen, der Schutz umfasse zumindest auch individuelle Träger der grundrechtlich geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit. Trotzdem erfordere die generalklauselartige Weite der Vorschrift aus verfassungsrechtlichen Gründen eine enge Auslegung, schlichte allgemein denkbare Gefahrensituationen führten jedenfalls nicht zu ihrer Anwendung. Vielmehr könne Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayVwVfG nur dann in Anspruch genommen werden, wenn besondere, erhebliche, überragende Interessen den Widerruf erforderten. Es seien hohe Ansprüche zu stellen. Zu denken sei hier insbesondere an die Fälle des übergesetzlichen Notstandes, z.B. in ausgesprochenen Katastrophenfällen. Zu diesem Ergebnis komme letztendlich das Bundesverwaltungsgericht in dem von dem Kläger zitierten Urteil, wenn es den Widerruf der Betriebsgenehmigung eines Endlagers für radioaktive Abfälle für den Fall bejahe, „dass es beim Betrieb der Anlage zu Ereignissen kommen könne, die nicht mehr beherrschbare Gefahrensituationen im Sinne eines Unfalls auslösen würden.“
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Von einem solchen Fall könne hier aber nicht die Rede sein. Bei Anwendung der geschilderten Grundsätze sei für das Landratsamt … überhaupt nicht ersichtlich, wie die Inanspruchnahme eines Teils des Flurstücks aaa der Gemarkung B. eine konkrete Gefahr darstelle oder in eine solche umschlagen könne:
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Das Landratsamt … habe im Planfeststellungsbeschluss mit der Zulassung des Vorhabens (Art. 75 Abs. 1 BayVwVfG) bereits darüber entschieden, welche Flächen für das Vorhaben benötigt würden und dem bisherigen Eigentümer entzogen werden dürften. Dem sei eine Abwägung vorausgegangen, ob der Eigentumsentzug für die Betroffenen im Interesse der für die … sprechenden Belange in Kauf genommen werden solle. Nach dieser Abwägung sei das Landratsamt bereits damals zu dem Ergebnis gekommen, dass die teilweise Inanspruchnahme privater Grundstücke zu Gunsten des Hochwasserschutzes erforderlich sei und dass der durch die … zu erwartende Nutzen für die Hochwassersicherheit das Interesse an der Beibehaltung privater Grundstücke übersteige. Diese enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses allein könne somit nicht zu der zuvor beschriebenen Gefahrensituation führen, weil sie bereits bei der Abwägung berücksichtigt worden sei. Es könne letztlich offenbleiben, ob eine aus der enteignungsrechtlichen Vorwirkung resultierende Existenzgefährdung eines landwirt-schaftlichen Betriebes überhaupt vom Anwendungsbereich des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayVwVfG erfasst sei. Dagegen spreche jedenfalls, dass wegen der engen Auslegung dieser Vorschrift zumindest fiskalische Erwägungen und Vermögensinteressen Einzelner nicht ausreichten. Dem Gutachten des Herrn … könne diese Existenzgefährdung aber auch gar nicht entnommen werden, weil in dem Gutachten nur die Auswirkungen des Flächenentzugs durch verschiedene staatliche Baumaßnahmen erörtert würden, ohne dass gleichzeitig etwaige Entschädigungen, auf die der Betroffene nach Art. 8 Abs. 1 BayEG einen Anspruch habe, berücksichtig würden. Dieser Mangel des Gutachtens beeinflusse aber die Auslegung und die Anwendung von Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayVwVfG. Ein Widerruf in diesem Sinne dürfe - als ultima ratio - überhaupt erst dann in Erwägung gezogen werden, wenn der behaupteten Existenzgefährdung nicht auf andere Weise (beispielsweise im gesondert durchzuführenden Enteignungsverfahren) abgeholfen werden könne. In diesem Sinne enthalte aber weder der Antrag noch das zitierte Gutachten verwertbare Äußerungen. Ungeachtet der Frage, ob mit einer befürchteten Existenzgefährdung die Voraussetzungen für einen Widerruf der Planfeststellung nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayVwVfG überhaupt vorlägen, komme ein solcher Widerruf schon deshalb nicht in Betracht, weil er hier nicht als „letztes Mittel“ erforderlich sei, um die Existenzgefährdung zu verneinen.
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Somit lägen schon die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayVwVfG hier nicht vor. Doch selbst wenn sie vorlägen, stünde der beantragte Widerruf immer noch im pflichtgemäßem Ermessen des Landratsamtes … Bei der Ausübung dieses Ermessens wäre der erhebliche Baufortschritt seit November 2009 und somit das Ausmaß des in den Bestand des Planfeststellungsbeschlusses gesetzten Vertrauens mit den Widerrufsinteressen der Kläger abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung müsse dann berücksichtigt werden, dass Frau … durch die Rücknahme ihrer Klage am … eine erneute Sachprüfung des Planfeststellungsbeschlusses offenbar nicht gewollt habe. Das Landratsamt … würde also selbst bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayVwVfG den aus dem Bestand des Planfeststellungsbeschlusses resultierenden Vertrauensschutz höher gewichten als das Widerrufsinteresse und den Antrag ebenfalls ablehnen.
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Rechtsgrundlage für die beantragte Verpflichtung zur Betriebsumsiedlung sei § 14 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 70 Abs. 1 WHG, der als spezialgesetzliche Regelung dem Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG vorgehe. Demnach könne ein Betroffener verlangen, dass dem Ausbauunternehmer nachträglich Inhalts- oder Nebenbestimmungen auferlegt würden, wenn er nachteilige Auswirkungen bis zum Ablauf der Frist zur Geltendmachung von Einwendungen nicht habe voraussehen können. Nachteilige Wirkung im Sinne dieser Vorschrift sei dabei die Einwirkung auf das Recht eines Dritten, hier also auf das Eigentumsrecht der Kläger. Diese Rechtsbeeinträchtigung sei aber voraussehbar gewesen, weil Anlage 8 („Grunderwerb“) der festgestellten Planunterlagen ausdrücklich den Erwerb eines 16.214 qm großen Anteils des insgesamt 48.780 qm großen Flurstücks aaa der Gemarkung B. vorgesehen habe. Somit lägen die Voraussetzungen für eine nachträgliche Verpflichtung des Vorhabenträgers nach § 14 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 70 Abs. 1 WHG nicht vor.
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Am 07.12.2011 ließ die Klägerseite durch ihren Bevollmächtigten Klage erheben mit den Anträgen:
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10.11.2011 verpflichtet, den Planfeststellungsbeschluss vom 20.10.2003 für die „…“ zu widerrufen.
Hilfsweise:
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Träger des Vorhabens zum Planfeststellungsbeschluss vom 20.10.2003 aufzuerlegen, den landwirtschaftlichen Betrieb … mit Hofstelle derzeit auf Grundstück Fl.-Nr. bbb der Gemarkung B. auf Kosten des Vorhabenträgers auf eine neue Hofstelle umzusiedeln.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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Zur Ausgangssituation wurde Bezug genommen auf die Klagen beim Verwaltungsgericht Bayreuth Az. B 2 K 11.12 und B 2 K 11.477 (nachfolgend: B 7 K 16.465 und B 7 K 16.466). Dem landwirtschaftlichen Betrieb … sollten insgesamt rund 11,5 ha landwirtschaftliche Fläche entzogen werden, die sich durch die Lage unmittelbar angrenzend auf die Hofstelle (Fl.-Nr. bbb der Gemarkung B.) bzw. in der Nähe der Hofstelle auszeichneten. Beide Planungen seien dabei letztlich als eine einheitliche Gesamtplanung anzusehen.
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Insbesondere aus Anlass der für die … gedachten Inanspruchnahme einer Teilfläche der Fl.-Nr. aaa der Gemarkung B. sei bei den Klägern die Erkenntnis gewachsen, dass unter Berücksichtigung der aktuellen Verhältnisse, einschließlich der hierauf beruhenden Prognose der notwendigen betrieblichen Entwicklung, die Existenzfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebes … infrage gestellt werde. Die Fl.-Nr. aaa schließe unmittelbar nördlich an die Hofstelle des Betriebes an und werde deshalb für die notwendige weitere bauliche Entwicklung der Hofstelle dringend benötigt.
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Grundsätzlich sei es zutreffend, dass in dem von den Klägern eingeholten betriebswirtschaftlichen Gutachten die im Enteignungsverfahren für das (Gesamt-)
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Vorhaben gestellten Ersatzflächen nicht berücksichtigt worden seien. Nach dem im Gutachten gewählten Ansatz habe dies auch gar nicht erfolgen können, denn als maßgeblicher Zeitpunkt sei grundsätzlich der 21.11.2000 dem Gutachten zugrunde gelegt worden (vgl. S. 3 GA). Gleichwohl ergebe sich aus dem Gutachten, dass die Existenzfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebes aufgehoben sei. Es wurde aus S. 48 des Gutachtens zitiert. Die gutachterliche Feststellung könne auch untermauert werden mit einer Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, …, in der dargelegt werde, dass die Hofstelle, Fl.-Nr. bbb, nicht ausreichend Platz für die notwendige Realisierung eines Stallbaus biete. Dabei sei weiter zu berücksichtigen, dass das derzeitige Stallgebäude im Jahre 1974 erbaut worden sei und deshalb absehbar erneuert werden müsse. Wie das AELF … ebenfalls darlege, seien für einen zukunftsorientierten Zieltierbestand 100 Kühe mit Nachzucht, insgesamt also ein Gesamttierbestand von ca. 195 GV anzusetzen. Um ein derartiges Vorhaben verwirklichen zu können, sei der Betrieb … zwingend auf die Nutzung der Hofanschluss- bzw. Hoferweiterungsfläche Fl.-Nr. aaa angewiesen. Bei Realisierung des Flächenentzuges müsse davon ausgegangen werden, dass auf mittlere Sicht die Milchproduktion eingestellt werden müsse. Dies habe kapitale Auswirkungen auf den landwirtschaftlichen Betrieb, der in der Vergangenheit mehr als ein Drittel der Erlöse aus der Milchproduktion erzielt habe. Weiter sei darauf hinzuweisen, dass auch Ersatzinvestitionen, etwa in eine Biogasanlage, nur in Betracht kämen, wenn hierfür das Grundstück Fl.-Nr. aaa genutzt werden könne. Das Gutachten betone völlig zutreffend die für jeden landwirtschaftlichen Betrieb unabdingbare Notwendigkeit, die für den Betrieb zentrale Hofstelle baulich weiterentwickeln zu können. Gerade für den auf Milchviehwirtschaft aufbauenden landwirtschaftlichen Betrieb … komme diesem Umstand entscheidende Bedeutung zu. Die für das Gesamtvorhaben in Anspruch genommene Teilfläche von ca. 1,63 ha aus Fl.-Nr. aaa, Gemarkung B., schließe unmittelbar an die Hofstelle an. Hierbei handele es sich um die für die Sicherung der Existenzfähigkeit des Betriebs an der gegebenen Hofstelle zentrale und unabdingbare Fläche, weil relevante Erweiterungen auf der Hofstelle selbst mit Blick auf die im Gutachten angesprochene benachbarte Wohnbebauung ausscheiden müssten. Mit dem Entzug dieser Fläche verliere der Betrieb seine Existenzfähigkeit. Hieran ändere auch die erfolgte Ersatzlandgestellung nichts. Denn das gestellte Ersatzland schließe nicht unmittelbar an die Hofstelle an, es weise also eine ganz andere - mindere - Qualität für den landwirtschaftlichen Betrieb auf. Über das gestellte Ersatzland sei der Betrieb insbesondere nicht in der Lage, die Hofstelle des landwirtschaftlichen Betriebes an aktuelle und künftige Marktbedingungen anzupassen.
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Die Ablehnungsgründe zum gestellten Hilfsantrag gingen fehl.
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Richtig sei zwar, dass für die Kläger von Beginn an der Entzug einer Teilfläche aus Fl.-Nr. aaa der Gemarkung B. absehbar gewesen sei. Der gestellte Antrag in der hier interessierenden Fassung des Hilfsantrages fordere aber nicht nachträgliche Anordnungen wegen des bloßen Flächenentzugs. Anknüpfungspunkt für den gestellten Antrag sei vielmehr die existenzbedrohende Wirkung dieses Flächenentzugs. Diese weitreichende Wirkung hätten die Kläger zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Geltendmachung von Einwendungen im Verfahren zum Planfeststellungsbeschluss vom 20.10.2003 - Auslegung der Unterlagen sei bis längstens 02.01.2001 erfolgt, so dass Einwendungen bis längstens 16.01.2001 hätten erhoben werden können - noch nicht erkennen können. Zum einen hätten die Kläger zum damaligen Zeitpunkt noch nicht erahnen können, welche Ersatzflächen ihnen angeboten würden. Zum anderen hätten sich innerhalb der letzten 10 Jahre auch die Anforderungen an die erforderliche Betriebsgröße nochmals nicht unerheblich verändert. Die Voraussetzungen für nachträgliche Anordnungen seien deshalb gegeben. Im Übrigen wurde auf die vorstehenden Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen.
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Im Zuge einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth am 08.12.2011 (Az. B 2 K 11.477 und B 2 K 11.12) wurde für das hiesige Verfahren, das ursprünglich unter dem Az. B 2 K 11.813 geführt wurde, das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Im Jahr 2013 verstarb Frau … und wurde von ihrem Ehemann und vier Kindern beerbt. Auf ein Anschreiben des Gerichts vom 12.08.2019 teilte der Bevollmächtigte mit, dass die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft streitig sei. Das Verfahren wurde daraufhin wiederaufgenommen und wird seither unter dem Az. B 7 K 19.1055 geführt.
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Am 13.12.2019 teilte der Bevollmächtigte mit, dass die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft weiterhin streitig sei und noch ein sog. Hofzuweisungsverfahren laufe mit dem Ziel, dass dem Kläger zu 2 der bisher von ihm gepachtete landwirtschaftliche Betrieb zu Eigentum zugewiesen werde. Auf einen Termin im dortigen gerichtlichen Verfahren vom … wurde hingewiesen. Soweit das Verwaltungsgericht Bayreuth auf die bisher vorliegenden Gerichtsentscheidungen Bezug nehme, sei ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass diesen Verfahren und dem vorliegenden Verfahren wesentlich andere Entscheidungszeitpunkte zugrunde lägen. Insbesondere soweit in den bisherigen Verfahren der Einwand der Existenzgefährdung mit dem ohnehin nicht recht überzeugenden Argument einer nicht ausreichenden Konkretisierung von Erweiterungsabsichten abgewiesen worden sei, könne diese Konkretisierung im vorliegenden Verfahren ohne Weiteres in ausreichender Weise vorgetragen werden. Zunächst müsse jedoch geklärt werden, wer Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes nach der Erbauseinandersetzung sei.
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Mit Schreiben des Gerichts vom 30.12.2019 wurde der Klägerseite zur Vorbereitung eines Termins zur mündlichen Verhandlung aufgegeben, innerhalb von sechs Wochen konkret diejenigen Tatsachen darzulegen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren sie sich beschwert fühle. Weiter wurde die Klägerseite aufgefordert, in der gleichen Frist Beweismittel zu bezeichnen, auf die sie die Klage stützen wolle. Sie wurde darauf hingewiesen, dass das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden kann, wenn ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung nicht genügend entschuldigt werde (§ 87b Abs. 3 VwGO).
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Am 24.01.2020 teilte Rechtsanwalt … mit, dass drei Kinder von … zwischenzeitlich auf der Basis eines in einem Zivilrechtsverfahren geschlossenen Vergleichs aus der Erbengemeinschaft nach … ausgeschieden seien. Das entsprechende Protokoll des Landgerichts … (Az. …) wurde nachgereicht.
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Aus dem Vergleich ist ersichtlich, dass vereinbart wurde, dass die entsprechenden Erbanteile auf den hiesigen Kläger zu 2 übergehen.
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Der Bevollmächtigte wies am 19.02.2020 darauf hin, dass das Hofzuweisungsverfahren unverändert beim Amtsgericht … anhängig sei mit dem Ziel der Übertragung des landwirtschaftlichen Betriebes auf den Kläger zu 2. Parteien jenes Verfahrens seien lediglich noch die Kläger zu 1 und 2, die sich insoweit über die Übertragung des Betriebs auf den Kläger zu 2 einig seien. Es werde also eine nichtstreitige Regelung erfolgen, in deren Umsetzung der Kläger zu 2 zum alleinigen Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes werden werde. Der Fortbestand und die Inhaberschaft des landwirtschaftlichen Betriebes seien damit geklärt.
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Der Hauptantrag auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses vom 20.10.2003 werde gestützt auf Art. 49 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG. Vorliegend werde der Anspruch auf die eigentumsrechtlichen Auswirkungen für den landwirtschaftlichen Betrieb als von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Gewerbebetrieb gestützt. Das Bundesverwaltungsgericht habe in einem Beschluss vom 27.05.2015 zwar ausgeführt, dass die Beeinträchtigung des Eigentums einzelner durch einen Planfeststellungsbeschluss „grundsätzlich“ nicht die strengen Anforderungen nach § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG erfülle. Dies habe das Bundesverwaltungsgericht damit begründet, dass für verlorenes oder beeinträchtigtes Eigentum die Möglichkeit der Ersatzbeschaffung bestehe. Die Kläger seien allerdings der Auffassung, dass eine Ausnahme von diesem Grundsatz im Falle der Existenzvernichtung eines landwirtschaftlichen Betriebes zu machen sei, denn hier bestehe - unter Berücksichtigung der Ersatzregelungen des jeweiligen Planfeststellungsbeschlusses - gerade nicht die Möglichkeit der Ersatzbeschaffung. Ein solcher Fall der Existenzvernichtung des landwirtschaftlichen Betriebes sei hier gegeben.
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Beim Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 20.10.2003 seien die Auswirkungen des Vorhabens auf den landwirtschaftlichen Betrieb ebenfalls im Rahmen der Abwägung zu prüfen gewesen. Maßgeblich sei insoweit allerdings für die zu treffende Abwägungsentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses gewesen.
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Für den nun geltend gemachten Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses sei maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt der Schluss der mündlichen Verhandlung. In dieser Zeit, und auch bereits bis zur Antragstellung beim Landratsamt … mit Schreiben vom 18.08.2011 hätten sich durchaus erhebliche und für die Existenzsicherung landwirtschaftlicher Betriebe nachhaltige Veränderungen ergeben. Dies gelte gerade für Milchviehbetriebe wie den streitgegenständlichen landwirtschaftlichen Betrieb. Der Kläger zu 2 habe Anfang 2012 eine betriebliche Beratung beim AELF … eingeholt und sich ein entsprechendes Hofkonzept erarbeiten lassen. Wesentlicher Bestandteil dieses Konzeptes sei, eine betriebliche Weiterentwicklung auf eine Zielgröße von ca. 100 Kühen umzusetzen, die von dem AELF … als „sinnvoll und notwendig“ eingeschätzt werde. Für eine langfristige Sicherung des landwirtschaftlichen Betriebes solle sogar eine Größe von 150 Kühen angestrebt werden. Das entsprechende Schreiben des AELF … vom 30.05.2012 wurde vorgelegt.
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Diese fachliche Bewertung in Bezug auf die Sicherung der Existenzfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebes gelte bis zum heutigen Zeitpunkt unverändert und erst recht.
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Hingewiesen wurde wiederum auf das Gutachten des Herrn … vom 04.12.2011. Darin sei ausdrücklich dargelegt, dass aufgrund vorhandener Erfahrungswerte bei Milchviehbetrieben von einer notwendigen höheren Tierzahl auszugehen sei. Dieses Gutachten belege auch, dass der landwirtschaftliche Betrieb im Jahr 2003 (Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses) hinsichtlich der Tierzahl sich noch im oberen Viertel der ökonomischen Auswertung bewegt habe. Dies habe sich ausweislich der Ausführungen im Gutachten zwischenzeitlich deutlich verändert und im Zuge eines notwendigen Stallneubaus sei deshalb erforderlich, die Milchviehhaltung zu erweitern.
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Das AELF … habe auf der Grundlage der für die Sicherung des Betriebes für notwendig befundenen Zielgröße ein Hofkonzept erarbeitet. Inklusive einer als sinnvoll angesehenen Ergänzung durch eine Biogasanlage sei hierfür ein Flächenbedarf von 2 ha ermittelt worden. Das genannte Hofkonzept vom 20.01.2012 wurde ebenfalls vorgelegt. Auch diese einzelnen Bausteine des Hofkonzeptes beanspruchten zum heutigen Tage unverändert Geltung und auch der Flächenbedarf bestehe im unveränderten Umfang. Der landwirtschaftliche Betrieb sei ausreichend leistungsfähig, um die für die Umsetzung dieses Hofkonzeptes notwendigen Investitionskosten zu erwirtschaften. Dies gelte erst recht unter Berücksichtigung der inzwischen geregelten Hofnachfolge und des damit verbundenen Wegfalls der bisher zu zahlenden monatlichen Pacht. Die Umsetzung des für die dauerhafte Sicherung der Existenzfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebes vorliegenden Hofkonzeptes sei heute aber nicht mehr möglich, da hierfür zwingend das Grundstück Fl.-Nr. aaa der Gemarkung B. benötigt würde, was dem landwirtschaftlichen Betrieb allerdings durch staatliche Enteignung in einem Umfang entzogen worden sei, dass eine Umsetzung nicht mehr möglich sei. Der Planfeststellungsbeschluss vom 20.10.2003 habe dem landwirtschaftlichen Betrieb damit die Möglichkeit genommen, die für die Sicherung der langfristigen Existenzfähigkeit des Betriebs notwendigen Investitionsmaßnahmen umzusetzen. Das Hofgrundstück Fl.-Nr. bbb der Gemarkung B. sei hierfür aufgrund seiner Größe und der anschließenden Wohnbebauung nicht geeignet. Der landwirtschaftliche Betrieb verfüge auch nicht in unmittelbarer Umgebung der Hofstelle über anderweitige Eigentumsflächen, auf denen eine Umsetzung des dargelegten Hofkonzeptes möglich wäre. Letztendlich zwinge die staatliche Enteignungsmaßnahme den Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes, künftig also den Kläger zu 2, den Betrieb insgesamt umzusiedeln mit nochmals weit höheren Investitionskosten, weil dann die baulichen Anlagen auf der aktuellen Hofstelle insgesamt nicht mehr sinnvoll für den landwirtschaftlichen Betrieb genutzt werden könnten. Abgesehen davon, dass völlig offen sei, ob hierfür ein geeignetes Grundstück zu finden sei, könnten die hierfür, also für die Komplettumsiedlung, anfallenden Investitionskosten vom landwirtschaftlichen Betrieb nicht erwirtschaftet werden. Die dauerhafte Existenzfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebes sei damit in Folge des Planfeststellungsbeschlusses vom 20.10.2003 nicht mehr gewährleistet.
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Der Hilfsantrag werde gestützt auf Art. 75 Abs. 2 Sätze 2 und 4 BayVwVfG. Sollte aufgrund der Beeinträchtigung der Existenzfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebes nach Auffassung des Gerichts ein Widerruf des verfahrensgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses nicht in Betracht kommen, so bedürfe es jedenfalls einer Änderung des Planfeststellungsbeschlusses in Bezug auf die Entschädigungsregelung zugunsten des landwirtschaftlichen Betriebes.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Es wurde darauf hingewiesen, dass … dem Hochwasserschutz der Stadt … und der Gemeinde … diene. Sie bestehe aus
- jeweils einem Damm-, Dosier- und Ausleitungsbauwerk in der Gemeinde …,
- einem 1.945 m langen unterirdischen Stollen in den Gemeinden … und … und
- einem rund 2.300 m langen offenen Gerinne vom Stollenauslauf zum …see in der Gemeinde … und in der Stadt …
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Die … sei zwischen 2009 und 2013 errichtet worden. Der Vorhabenträger habe den Plan zur … im Oktober 2000 beim Landratsamt … zur Durchführung eines Anhörungsverfahrens eingereicht. Dabei seien im Grunderwerbsverzeichnis (Abschnitt 8 des eingereichten Plans) die Grundstücke oder Grundstücksteile gekennzeichnet gewesen, die zur Planverwirklichung erworben werden sollten, so u.a. auch ein 16.214 qm großer Teil des insgesamt 48.780 qm großen Flurstücks aaa der Gemarkung B. für einen Abschnitt des offenen Gerinnes. Der eingereichte Plan habe nach vorheriger öffentlicher Bekanntmachung in der Stadt … sowie in den Gemeinden … und … für die Dauer eines Monats zur Einsicht ausgelegen. Während des gesamten Planfeststellungsverfahrens habe niemand geltend gemacht gehabt, durch das Vorhaben werde sein Betrieb oder seine Existenz gefährdet oder gar vernichtet. Der Plan sei schließlich mit Planfeststellungsbeschluss des Landratsamts … vom 20.10.2003 festgestellt worden. Daraufhin habe Frau … am 18.11.2003 Klage gegen diesen Planfeststellungsbeschluss erhoben (Az.: …), die sie mit Schreiben vom … wieder zurückgenommen habe.
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Das Landratsamt wies auf Seite 9 des Gutachtens von Herrn … hin, wo ausgeführt werde, zur Prüfung der Frage, ob die Existenzgefährdung fortbestehe, nachdem Ersatzflächen zur Verfügung gestellt würden, müsse ein eigenständiges Gutachten erstellt werden, nachdem bekannt sei, welche konkreten Ersatzgrundstücke zur Verfügung gestellt würden.
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Die Klage sei unbegründet, die Kläger würden die besonderen Rechtswirkungen eines unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschlusses verkennen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayVwVfG seien hier nicht erfüllt. Der Planfeststellungsbeschluss vom 20.10.2003 sei rechtmäßig. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt dessen Erlasses. Da bis zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses von keinem Betroffenen geltend gemacht worden sei, durch das Vorhaben werde sein Betrieb oder seine Existenz gefährdet oder gar vernichtet, habe sich die Planfeststellungsbehörde mit solchen Belangen im Rahmen der Abwägung nicht auseinandersetzen müssen. Insbesondere habe sie die Eigentümer zu Recht auf das nachfolgende Enteignungsverfahren verweisen dürfen.
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Die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayVwVfG seien nicht erfüllt. Die Norm sei bereits in „normalen“ Verwaltungsverfahren aus verfassungsrechtlichen Gründen eng auszulegen. Die „erhöhte Bestandsgarantie eines unanfechtbaren Planfeststellungsbeschlusses“ (es wurde auf ein Urteil des VGH Mannheim vom 03.07.2014 hingewiesen - Az. 5 S 2429/12) gebiete es darüber hinaus, die Norm bei Planfeststellungsbeschlüssen besonders streng auszulegen und nur in extremen Ausnahmefällen anzuwenden. In Betracht kämen Gründe eines übergesetzlichen Notstandes, wie z.B. in Katastrophenfällen oder, wenn das Leben oder die Gesundheit Einzelner ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt würden. Eine solche Situation liege hier nicht vor. Die Beeinträchtigung des Eigentums Einzelner durch einen Planfeststellungsbeschluss erfülle die strengen Anforderungen des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayVwVfG dagegen grundsätzlich nicht. Sie sei mit den dargestellten Gemeinwohlbeeinträchtigungen nicht vergleichbar. Es wurde auf einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.05.2015 - Az. 3 B 5.15 - hingewiesen. Planfeststellungsbedürftige Vorhaben gingen nämlich oftmals mit einer Inanspruchnahme fremden Eigentums einher. Gäbe man den Betroffenen in all diesen Fällen mit der Behauptung der untragbaren Nachteile des bestandskräftig vorentschiedenden Zugriffs auf ihr Eigentum die Möglichkeit einer erneuten Verfahrenseröffnung, verlöre die Bestandskraft solcher Entscheidungen weitgehend ihre Bedeutung. Für verlorenes oder beeinträchtigtes Eigentum gebe es vielmehr die Möglichkeit der Ersatzbeschaffung. Dadurch unterscheide sich der Eingriff in das Eigentum maßgeblich von einem Eingriff in das Leben oder die Gesundheit. Die von der Klägerseite behauptete Existenzgefährdung stelle insofern keinen Sonderfall dar. Das Bayerische Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung enthalte nämlich - insbesondere mit seinen Vorschriften zur Entschädigung in Land - rechtliche Instrumentarien, die geeignet seien, die Betroffenheit der Kläger in sachgerechter Weise auszugleichen. Es sei also sichergestellt, dass selbst dann, wenn ein Landentzug die wirtschaftliche Existenz des landwirtschaftlichen Betriebes der Kläger gefährden würde, eine Bewältigung im Enteignungsentschädigungsverfahren erfolgen könne. Hingewiesen wurde auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.11.1997 - Az. 11 A 54.96.
38
Der Hilfsantrag beruhe auf § 105 Abs. 4, § 70 Abs. 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 14 Abs. 3, § 14 Abs. 6 Satz 1 WHG, der als spezialgesetzliche Regelung den Art. 75 Abs. 2 Sätze 2 und 4 BayVwVfG vorgehe. Eine nachträgliche Entschädigungsregelung (als Surrogat für tatsächlich nicht mögliche Schutzmaßnahmen) sei demnach nur zulässig, wenn für die Kläger bis Ablauf der Einwendungsfrist nicht voraussehbar gewesen sei, dass mit dem planfestgestellten Vorhaben auf ihr Recht nachteilig eingewirkt werde. Welches Recht das sein solle, würden die Kläger allerdings nicht vortragen. Von den absoluten Rechten des bürgerlichen Rechts, so wie sie in § 823 Abs. 1 BGB angesprochen seien, komme hier allenfalls das Eigentum oder das dem Eigentumsrecht zugeordnete Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in dem von der Rechtsprechung anerkanntem Umfang in Frage. Auf beide sei aber nicht unvoraussehbar eingewirkt worden. Eingriffe in das Eigentum seien im Grunderwerbsverzeichnis dargestellt worden und damit vorhersehbar gewesen. Auf die individuelle Bewertung komme es dabei nicht an. Auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sei nicht im Sinn der Vorschrift „eingewirkt“ worden, weil sich die … nicht planmäßig und unmittelbar gegen den landwirtschaftlichen Betrieb der Kläger gerichtet habe. Eine Verletzung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs liege nämlich nach der ständigen Rechtsprechung nur bei einem unmittelbaren Eingriff in dem Sinn vor, dass der Eingriff sich gegen den Betrieb als solchen richte, also betriebsbezogen sei. Von einem derart gezielten Eingriff könne hier aber keine Rede sein. Auf die Frage, ob überhaupt eine vorhabenbedingte Existenzgefährdung oder Existenzvernichtung eintreten könne, komme es demnach entscheidungserheblich gar nicht an.
39
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte samt Protokoll über die mündliche Verhandlung und die vorgelegten bzw. beigezogenen Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
41
Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte verpflichtet wird, den Planfeststellungsbeschluss vom 20.10.2003 zur „…“ zu widerrufen (vgl. Nr. 1). Sie können ferner nicht beanspruchen, dass der Beklagte verpflichtet wird, dem Träger des Vorhabens zum Planfeststellungsbeschluss vom 20.10.2003 aufzuerlegen, den landwirtschaftlichen Betrieb … auf Kosten des Vorhabenträgers auf eine neue Hofstelle umzusiedeln (vgl. Nr. 2). Der ablehnende Bescheid des Landratsamts … vom 10.11.2011 erweist sich vielmehr als rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 und Abs. 1 Satz 1 VwGO).
42
1. Der Hauptantrag ist unbegründet. Für den geltend gemachten Anspruch auf Widerruf des streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der alleine als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden Norm des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayVwVfG nicht vor. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
43
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht, der das erkennende Gericht folgt, stellt die wortgleiche bundesrechtliche Vorschrift des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG mit der Verhütung oder Beseitigung von schweren Nachteilen für das Gemeinwohl besonders strenge Anforderungen an den Widerrufsgrund, ist jedoch ansonsten voraussetzungslos. Sie fordert insbesondere keine Veränderung der Sach- oder Rechtslage und lässt damit ohne Weiteres die Durchbrechung der Bestandskraft zu. Angesichts dessen liegt es auf der Hand, dass mit schweren Nachteilen für das Gemeinwohl zwar nicht ausschließlich Allgemeininteressen, sondern auch individuelle Träger von Rechtsgütern geschützt sein können, deren verletztes Recht aber einen Rang aufweisen muss, der es zum Gemeinwohlbelang erhebt, und dessen Verletzung zudem so gravierend sein muss, dass sie auch und gerade im Interesse der Allgemeinheit nicht hingenommen werden oder aufrechterhalten bleiben kann.
44
Ausgehend davon erfüllt die Beeinträchtigung des Eigentums Einzelner durch einen Planfeststellungsbeschluss grundsätzlich nicht die strengen Anforderungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG. Anders als für das Leben und die Gesundheit individueller Rechtsträger, die vom Schutz der Norm erfasst sind, gibt es für verlorenes oder beeinträchtigtes Eigentum die Möglichkeit der Ersatzbeschaffung. Hinzu kommt, dass Planfeststellungsbeschlüsse mit enteignenden Vorwirkungen keineswegs Ausnahmeerscheinungen sind. Vielmehr liegt es in der Natur der Sache, dass planfeststellungsbedürftige Vorhaben oftmals mit der Inanspruchnahme fremden Eigentums einhergehen. Gäbe man den Betroffenen in all diesen Fällen mit der Behauptung der untragbaren Nachteile des bestandskräftig vorentschiedenen Zugriffs auf ihr Eigentum die Möglichkeit einer erneuten Verfahrenseröffnung, verlöre die Bestandskraft solcher Entscheidungen weitgehend ihre Bedeutung. Dies widerspräche der Zielrichtung der einschlägigen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes, die Planfeststellungsbeschlüssen wegen ihrer gestalterischen Wirkung eine erhöhte Bestandskraft verleihen und daher einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Planfeststellungsverfahrens ausschließen (vgl. § 72 Abs. 1 i.V.m. § 51 VwVfG). Der Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses kommt daher, wenn nachträgliche Schutzauflagen nach § 75 Abs. 2 VwVfG nicht ausreichen, um Gefahren für grundrechtlich geschützte Rechtsgüter abzuwehren, nur als ultima ratio in Betracht und jedenfalls grundsätzlich nicht schon dann, wenn Einzelne in ihren Eigentumsrechten betroffen sind (vgl. BVerwG, B.v. 27.5.2015 - 3 B 5.15 - juris m.w.N.).
45
Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts war ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 03.07.2014 vorausgegangenen. Darin wird u.a. betont, dass ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG nur in Betracht kommt, wenn solche gewichtigen Gemeinwohlgründe vorliegen, die es - vergleichbar dem Aufopferungsgedanken im Enteignungsrecht - rechtfertigen, dem Widerrufsbetroffenen eine bereits erteilte Begünstigung nachträglich wieder zu nehmen. Hingewiesen wurde auf Gründe eines übergesetzlichen Notstandes, wie z.B. in Katastrophenfällen.
46
Soweit es um gewichtige Grundrechtsbeeinträchtigungen Einzelner geht, ist ein Widerruf nach der genannten Norm möglich, wenn das Leben oder die Gesundheit Einzelner ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt würden. Denn das menschliche Leben stellt innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar und auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht. Deren Schutz ist nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG eine vorrangige Gemeinschaftsaufgabe.
47
Soweit es aber um eine Beeinträchtigung des Eigentums Einzelner infolge eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses geht, liegen jedoch jedenfalls grundsätzlich keine schweren Nachteile für das Gemeinwohl vor. Denn eine solche Beeinträchtigung ist mit den oben dargestellten Gemeinwohlbeeinträchtigungen nicht vergleichbar. Für Eingriffe in das Eigentum steht den Betroffenen eine Entschädigung zu, mit der ggf. neues Eigentum erworben werden kann. Durch diese Möglichkeit der Ersatzbeschaffung unterscheidet sich der Eingriff in das Eigentum maßgeblich von einem Eingriff in das Leben oder die Gesundheit. Diese „erhöhte Bestandsgarantie“ für einen Planfeststellungsbeschluss gebietet es, bei unveränderter Sach- und Rechtslage nur in extremen Ausnahmefällen den Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zuzulassen. Die Rechtskraft muss grundsätzlich erst dann weichen, wenn ein Festhalten an ihr zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führen würde (VGH BW, U.v. 3.7.2014 - 5 S 2429/12 - juris).
48
Auch nach dem Schrifttum ist § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG eng auszulegen, denn der Widerrufsgrund normiert eine Art „Notstandsrecht“ und es wird verwiesen auf die Gründe eines übergesetzlichen Notstands (vgl. BeckOK VwVfG/Abel VwVfG § 49 Rn. 64 ff.; NK-VwVfG/ Suerbaum VwVfG § 49 Rn. 109 ff.).
49
Das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits in einer früheren Entscheidung betont, dass bei der Inanspruchnahme von Flächen durch einen Planfeststellungsbeschluss das Bayerische Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung - insbesondere auch mit seinen Vorschriften zur Entschädigung in Land (Art. 14 BayEG) und zur Erstreckung der Enteignung auf Restflächen und auf dinglich belastete Flächen (Art. 6 BayEG) - ein rechtliches Instrumentarium enthält, das geeignet ist, die jeweilige Betroffenheit in sachgerechter Weise auszugleichen. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass mit dem gesetzlichen Instrumentarium sichergestellt ist, dass der im Zuge einer Planfeststellung ausgelöste Konflikt zumindest im nachfolgenden Enteignungsentschädigungsverfahren bewältigt wird, selbst wenn die Bedrohung eines landwirtschaftlichen Betriebes in Rede steht (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.1997 - 11 A 54/96 - juris).
50
Nach diesen Maßstäben liegen in der vorliegenden Sache keine schweren Nachteile für das Gemeinwohl vor, die den Anwendungsbereich des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayVwVfG überhaupt erst eröffnen würden. Abzustellen ist in der hiesigen Konstellation einer Verpflichtungsklage auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Die Klägerseite hat für die in Anspruch genommenen Flächen in weitem Umfang Entschädigung in Land erhalten (vgl. VG Bayreuth, U.v. 4.4.2019 - B 7 K 16.466). Noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist das beim zuständigen Landgericht anhängige Entschädigungsfestsetzungsverfahren (vgl. S. 3 des Protokolls), doch ist dieses geeignet, die Betroffenheit der Klägerseite in sachgerechter Weise auszugleichen. Es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass die hier gegebene Situation mit einem Katastrophenfall oder den ihm gleichzusetzenden Gefährdungen von Leben oder Gesundheit vergleichbar wäre.
51
Soweit die Klägerseite geltend gemacht hat, mit dem streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss seien nicht nur Eigentums- und/oder Pachtflächen entzogen worden, sondern es liege vor allem mit Blick auf die betroffene potentielle Hoferweiterungsfläche Fl.-Nr. aaa der Gemarkung B. zugleich ein (unzulässiger) Eingriff in den von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Gewerbebetrieb vor, da eine Erweiterung bzw. Entwicklung des landwirtschaftlichen Betriebes in diese Richtung nicht mehr möglich sei, kann dem nicht gefolgt werden. Der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ist von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG nur insoweit umfasst, als es um den konkreten Bestand an Rechten und Gütern geht. Bloße Chancen und tatsächliche Gegebenheiten sind zwar für das Unternehmen von erheblicher Bedeutung; sie werden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eigentumsrechtlich jedoch nicht dem geschützten Bestand des einzelnen Unternehmens zugeordnet (vgl. BVerfG, B.v. 31.10.1984 - 1 BvR 35/82 u.a.; U.v. 10.6.2009 - 1 BvR 706/08 u.a.; B.v. 30.6.2020 - 1 BvR 1679/17 u.a. - juris). Vorliegend haben sich die Absichten der Klägerseite, den landwirtschaftlichen Betrieb zu erweitern und zu diesem Zweck insbesondere auf dem genannten hofnahen Flurstück Nr. aaa der Gemarkung B. einen Stallneubau mit Raum für eine größere Anzahl an Milchkühen zu errichten, in keiner Weise hinreichend verfestigt, insbesondere lag keine entsprechende Baugenehmigung oder ein Vorbescheid vor. Die Klägerseite hat sich zwar behördlicherseits beraten lassen und es wurde vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … (AELF …*) ein unverbindliches „Hofkonzept“ von Januar 2012 zusammengestellt, doch fehlte es stets daran, dass die Klägerseite Anstalten unternommen hat, dieses Konzept in absehbarer Zeit zu verwirklichen (vgl. VG Bayreuth, U.v. 20.10.2015 - B 1 K 15.475 und nachfolgend BayVGH, B.v. 16.10.2017 - 8 ZB 16.154 - juris). Soweit geltend gemacht wurde, dass ein entsprechender Vorbescheidsantrag bereits in einem frühen Stadium keine Aussicht auf Erfolg (mehr) gehabt hätte, nachdem sich die behördlichen Planungen z.B. dadurch konkretisiert hätten, dass zugehörige Planunterlagen öffentlich ausgelegt worden waren, wirkt sich dies nicht zu Lasten der hiesigen Beklagtenseite aus. Denn einen rechtlichen Schutz genießen die früheren bloßen Chancen, Möglichkeiten und gedanklichen Vorstellungen der Klägerseite zu einer etwaigen Betriebserweiterung gerade nicht. Dies gilt selbst dann, wenn sich im Zeitablauf ergeben haben sollte, dass eine Betriebserweiterung sinnvoll erschiene, um den landwirtschaftlichen Betrieb im Wesentlichen unverändert, jedoch in einem größeren Maßstab, auf längere Sicht fortführen zu können, von den Möglichkeiten einer sonstigen Weiterentwicklung im Sinne einer Aufgabe alter Betriebszweige und Verstärkung bisheriger oder Etablierung neuer Betriebsfelder einmal abgesehen - vgl. hierzu die zwischenzeitliche Aufgabe der Schweinehaltung durch den Kläger zu 2 (S. 3 des Protokolls).
52
Unter diesen Umständen bedurfte es der hilfsweise beantragten Beweiserhebung nicht.
53
Soweit aus der Sicht der Klägerseite geklärt werden soll, dass die fachliche Bewertung des AELF … vom 30.05.2012 in Bezug auf die Sicherung der Existenzfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebs bis heute unverändert und erst recht fortgelte, kann zugunsten der Kläger unterstellt werden, dass die Bewertung des AELF … aus dem Jahr 2012 zu der für sinnvoll und notwendig gehaltenen betrieblichen Weiterentwicklung auf eine Zielgröße von ca. 100 bzw. 150 Kühen fortgilt. Soweit der Beweisantrag die fachliche Bewertung des AELF … vom 30.05.2012 verknüpft mit dem Terminus der „Sicherung der Existenzfähigkeit“ ist festzustellen, dass die Behörde diese Formulierung nicht verwendet hat, sondern von „sinnvoll und notwendig“ spricht und für die langfristige Perspektive die Worte „Sicherung“ und ermöglichen „sollen“ verwendet. Ob und inwieweit längerfristig eine anderweitige Schwerpunktsetzung des landwirtschaftlichen Betriebs … bzw. Umorientierung weg vom dem Standbein der Milchviehhaltung denkbar und umsetzbar wäre, ist nicht Gegenstand des Schreibens des AELF vom 30.05.2012. Jedenfalls zeigt sich aus der bereits thematisierten Aufgabe der Schweinehaltung recht deutlich, dass Anpassungen an veränderte Bedingungen, u.a. an die Marktlage und etwaige Subventionen, unabhängig davon erfolgen, ob dem klägerischen Betrieb die Möglichkeit zur Verfügung steht und er diese auch ergreift, die Milchviehhaltung zu erweitern. Das Hofkonzept aus 2012 geht ersichtlich davon aus, dass wesentliches Standbein des landwirtschaftlichen Betriebs die Haltung von Kühen ist.
54
Aus denselben Gründen kann unterstellt werden, dass die einzelnen Bausteine des Hofkonzeptes von Januar 2012 mit dem entsprechenden Flächenbedarf fortbestehen. In gleicher Weise kann davon ausgegangen werden, dass der landwirtschaftliche Betrieb in Bezug auf die Umsetzung des Hofkonzepts aus 2012 ausreichend leistungsfähig ist bzw. wäre.
55
Es liegt ferner auf der Hand und bedarf daher keiner Beweiserhebung, dass für die Umsetzung dieses konkreten Hofkonzepts zwingend das Grundstück Fl.-Nr. aaa der Gemarkung B. benötigt würde und dass bei aktueller Sach- und Rechtslage das Konzept nicht mehr so umgesetzt werden kann, wie es das AELF … unverbindlich aufgezeichnet hat. Denn das in Bezug genommene Hofkonzept basiert wesentlich darauf, dass auch solche Teile des Grundstücks Fl.-Nr. aaa der Gemarkung B. mit Teilen der ausgelagerten landwirtschaftlichen Betriebsstelle bebaut werden, die für Baumaßnahmen der öffentlichen Hand in Anspruch genommen wurden (vgl. Anlage K 3 und K 5 zum Schriftsatz der Klägerseite vom 19.02.2020). Es sei aber an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass das Hofkonzept aus 2012 zu keinem Zeitpunkt eine hinreichende Konkretisierung bzw. Verfestigung dadurch erfahren hat, dass die Klägerseite substantielle Schritte in Richtung einer Realisierung eingeleitet hätte, oder sei es auch bereits im Vorfeld der Erstellung dieses Konzepts zu einem Zeitpunkt, in dem ein etwaiger Vorbescheidsantrag beispielsweise durchaus noch erfolgversprechend erschienen wäre.
56
Soweit aus der Sicht der Kläger durch Beweiserhebung geklärt werden soll, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 20.10.2003 dem landwirtschaftlichen Betrieb … die Möglichkeit genommen habe, die für die Sicherung der langfristigen Existenzfähigkeit des Betriebs notwendigen Investitionsmaßnahmen umzusetzen, erweist sich der Beweisantrag als unsubstantiiert. Bereits bei der Behandlung des vorherigen Beweisantrags wurde unterstellt, dass das Hofkonzept von Januar 2012 nicht mehr wie dargestellt verwirklicht werden kann. Soweit der Beweisantrag nun von einer „langfristigen“ Existenzfähigkeit spricht, ist dies unsubstantiiert. Es bleibt im Beweisantrag offen, welche zeitliche Reichweite der Beweisantrag im Auge hat. Es erscheint auch sonst offen und nicht (sicher) vorhersehbar, ob und inwieweit sich die Verhältnisse und Rahmenbedingungen, u.a. auch die bereits angeführten Fördermöglichkeiten sowie Um- und Fortentwicklungsmöglichkeiten jenseits einer Erhöhung der Anzahl der Kühe in der Zukunft gestalten werden. Als unsubstantiiert erweist sich der Beweisantrag damit auch, soweit er auf „notwendige Investitionsmaßnahmen“ rekurriert. Die Frage, was zu welchem Zeitpunkt unter welchen Rahmenbedingungen konkret „notwendig“ ist, kann aktuell nicht pauschal vorab geklärt werden. Auf die Veränderlichkeit von Rahmenbedingungen, vor allem in der weiteren Zukunft, kann nur erneut hingewiesen werden.
57
Soweit postuliert wird, das Hofgrundstück Fl.-Nr. bbb der Gemarkung B. sei in Bezug auf die Umsetzung von für notwendig befundenen Investitionsmaßnahmen aufgrund seiner Größe und der anschließenden Wohnbebauung nicht geeignet, erweist sich auch dieser Teil des Beweisantrags als unsubstantiiert. Wie ausgeführt, fehlt es bereits den wesentlichen Elementen des ersten Teils des entsprechenden Beweisantrags („langfristige Existenzfähigkeit“ und „notwendige Investitionsmaßnahmen“) an einer hinreichenden Substantiierung. Damit geht einher, dass auch dieser zweite Teil des Beweisantrags unsubstantiiert ist. Es ist offen, welche konkreten Bauvorhaben zu welchem Zeitpunkt in der Zukunft unter welchen Rahmenbedingungen, auch rechtlicher Art, naheliegend erscheinen werden und/oder von der Klägerseite beabsichtigt sein werden, die dann aber auf dem Hofgrundstück nicht adäquat situiert bzw. ausgeführt werden können. Unsubstantiiert ist der Beweisantrag in diesem Kontext auch, soweit er formuliert, dass das Hofgrundstück nicht „geeignet“ sei. Es bleibt offen, ob mit der aufgeworfenen Frage der Eignung alleine die Thematik der rechtlichen und/oder tatsächlichen Unmöglichkeit angesprochen wird, oder ob der Beweisantrag auch solche Konstellationen im Blick hat, in denen eine Realisierung möglich ist, aber mit z.B. höheren Kosten und ggf. Risiken verbunden wäre, so dass sich aus Rentabilitätsaspekten oder sonstigen Gründen die Frage der „Eignung“ stellen mag.
58
Die Klägerseite hat weiter unter Beweis gestellt, dass der landwirtschaftliche Betrieb in unmittelbarer Umgebung der Hofstelle nicht über anderweitige Eigentumsflächen verfüge, auf denen eine Umsetzung des dargelegten Hofkonzepts möglich wäre. Es kann als wahr unterstellt werden, dass der landwirtschaftliche Betrieb in unmittelbarer Umgebung über keine Eigentumsflächen verfügt, auf denen das Konzept von Januar 2012 so wie dort skizziert umgesetzt werden könnte. Das Gericht versteht die Formulierung „unmittelbarer Umgebung“ dabei so, dass nur solche Flächen gemeint sind, die an die Hofstelle unmittelbar angrenzen und/oder nicht weiter entfernt gelegen sind als das Grundstück Fl.-Nr. aaa der Gemarkung B. Weiter haben die Kläger unter Beweisangebot ausführen lassen, dass die Enteignungsmaßnahme den Betriebsinhaber „letztendlich“ zwinge, den Betrieb insgesamt umzusiedeln mit nochmals weit höheren Investitionskosten, weil dann die baulichen Anlagen auf der aktuellen Hofstelle nicht mehr sinnvoll für den landwirtschaftlichen Betrieb genutzt werden könnten. Offen sei, ob ein geeignetes Grundstück zu finden sei. Im Übrigen seien Investitionskosten für die Komplettumsiedlung vom landwirtschaftlichen Betrieb nicht zu erwirtschaften. In dieser Form ist der Beweisantrag unsubstantiiert, er geht von der unzutreffenden Prämisse aus, dass quasi ein Zwang zur Umsiedlung gegeben sei. Wie bereits ausgeführt wurde, besteht über die zeitliche Schiene und die zukünftigen Umstände und Rahmenbedingungen keine hinreichende Gewissheit, die eine sachgerechte Beweiserhebung möglich machen würde. Dass im Fall der Komplettumsiedlung höhere Investitionskosten anfallen als bei einer nur teilweisen Verlagerung, kann freilich als wahr unterstellt werden. Unsubstantiiert ist aber wiederum die These, dass die baulichen Anlagen nicht mehr sinnvoll für den landwirtschaftlichen Betrieb genutzt werden könnten. Es hängt von den Einzelheiten eines ggf. in der Zukunft verwirklichten Konzeptes der Umsiedlung ab, inwieweit einzelne bauliche Anlagen auf der aktuellen Hofstelle gleichwohl noch für betriebliche Zwecke verwendet werden können. Damit geht einher, dass der Beweisantrag keine hinreichende Substanz bietet für die Annahme und Beweiserhebung, dass eine Komplettumsiedelung in dem Sinne nötig sein werde, dass keinerlei Elemente der bisherigen Hofstelle mehr würden Verwendung finden können. Als wahr kann unterstellt werden, dass derzeit völlig offen ist, ob sich ein geeignetes Grundstück für eine Komplettumsiedlung überhaupt finden lässt. Unsubstantiiert ist aber wiederum der weitere Teil des Beweisantrags, dass die anfallenden Investitionskosten vom landwirtschaftlichen Betrieb nicht erwirtschaftet werden könnten. Es hängt vielmehr von aktuell nicht prognostizierbaren Umständen ab, u.a. auch von der Marktlage, welche Investitionen in welche betrieblichen Felder rentabel erscheinen und vom landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerseite erwirtschaftet werden können.
59
Insgesamt vermochte das Gericht nicht festzustellen, dass beeinträchtigte Rechte der Klägerseite durch den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss einen derart hohen Rang aufweisen würden, der sie zum Gemeinwohlbelang erheben und deren Verletzung in der konkreten Situation sich als so gravierend darstellen würde, dass sie auch und gerade im Interesse der Allgemeinheit nicht hingenommen oder aufrechterhalten bleiben könnte (vgl. zum Maßstab BVerwG, U.v. 28.4.2016 - 4 A 2.15 - juris). Ein derartiges Ausmaß erreicht die Belastung der Kläger durch den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss nicht. Dies gilt auch in einer Zusammenschau mit dem Parallelverfahren Az. B 7 K 19.1056 und den Belastungen der Klägerseite durch den dort maßgeblichen Planfeststellungsbeschluss. Vorrang genießt in der vorliegenden Sache der Aspekt der Rechtssicherheit, womit sich im Ergebnis die erhöhte Bestandsgarantie des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses durchsetzt.
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2. Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte verpflichtet wird, dem Träger des Vorhabens zum Planfeststellungsbeschluss vom 20.10.2003 aufzuerlegen, den landwirtschaftlichen Betrieb … auf Kosten des Vorhabenträgers auf eine neue Hofstelle umzusiedeln.
61
Einschlägige Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerseite ist § 105 Abs. 4 i.V.m. § 70 Abs. 1 und § 14 Abs. 6 WHG. Danach kann der Betroffene für den Fall, dass er nach § 14 Abs. 3 oder 4 WHG nachteilige Wirkungen bis zum Ablauf der Frist zur Geltendmachung von Einwendungen nicht voraussehen konnte, verlangen, dass dem Träger des Vorhabens zu dem entsprechenden Planfeststellungsbeschluss nachträglich Inhalts- und Nebenbestimmungen auferlegt werden. Soweit die Klägerseite den geltend gemachten Anspruch auf Art. 75 Abs. 2 Sätze 2 und 4 BayVwVfG stützen möchte, übersieht sie, dass diese Norm durch die speziellere wasserrechtliche Norm verdrängt wird. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 70 Abs. 1 Halbsatz 2 WHG, der nur „im Übrigen“ auf §§ 72 bis 78 VwVfG verweist und damit gerade insoweit nicht, als speziellere fachgesetzliche Regelungen existieren (vgl. SZDK/Schenk WHG § 70 Rn. 15). Unabhängig von diesem Befund ist in der vorliegenden Sache nicht erkennbar, dass sich bei Anwendung des Art. 75 Abs. 2 Sätze 2 und 4 BayVwVfG ein für die Klägerseite günstigeres Ergebnis ergeben könnte.
62
In § 105 Abs. 4 i.V.m. § 70 Abs. 1 und § 14 Abs. 6 WHG ist die Konstellation geregelt, dass der Betroffene im Planfeststellungsverfahren keine Einwendungen erhoben hat, weil er die vom Gewässerausbau ausgehenden nachteiligen Wirkungen zum damaligen Zeitpunkt nicht voraussehen konnte. Der Begriff der „nachteiligen Wirkung“ unterscheidet sich dabei nicht von dem bei § 14 Abs. 3 und 4 WHG zugrunde gelegten Begriffsverständnis. Die Voraussehbarkeit bestimmt sich danach, ob der Betroffenen während des Planfeststellungsverfahrens genügend Anhaltspunkte für den möglichen Eintritt nachteiliger Folgen hatte. Es sind insoweit die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen maßgeblich, wobei grundsätzlich wegen der oftmals komplexen Auswirkungen nicht allzu hohe Anforderungen gestellt werden dürfen. Im Übrigen ist jedoch bei der Anwendung des § 14 Abs. 6 WHG als Ausnahmevorschrift eine restriktive Auslegung geboten (vgl. Landmann/Rohmer UmweltR/Pape WHG § 14 Rn. 99 ff.; Czychowski/Reinhardt WHG § 14 Rn. 107).
63
Im Rahmen des § 14 Abs. 6 WHG darf nur berücksichtigt werden, was auch bei Kenntnis aller Umstände im wasserrechtlichen Verfahren hätte berücksichtigt werden dürfen; der Betroffene soll demgegenüber durch § 14 Abs. 6 WHG nicht bessergestellt werden. Nachteilige Wirkungen im Sinne von § 14 Abs. 6 WHG müssen dabei im Entscheidungszeitpunkt zu erwarten, d.h. hinreichend wahrscheinlich sein. Dies sind sie dann, wenn sie nach allgemeiner Lebenserfahrung und anerkannten fachlichen Regeln wahrscheinlich und ihrer Natur nach annähernd voraussehbar sind. Dabei ist nicht etwa der vollständige Nachweis von Art und Umfang einer nachteiligen Einwirkung erforderlich; es genügt, wenn nach dem Maßstab der anerkannten Regeln von Wissenschaft und Technik überwiegende Gründe dafür sprechen, dass dem Beteiligten Nachteile zugefügt werden. Erforderlich ist, dass die mit dem planfestgestellten Vorhaben verbundenen nachteiligen Wirkungen im Entscheidungszeitpunkt zu erwarten, mithin hinreichend waren und adäquat kausal auf den Gewässerausbau zurückgehen. Die Norm ist auch dann nicht anwendbar, wenn sich das planfestgestellte Vorhaben nachteilig auf Nutzungen auswirkt, die der Betroffene erst nach der Planfeststellung in Angriff genommen hat (vgl. VG Augsburg, U.v. 5.11.2012 - Au 7 K 11.951 - juris; Guckelberger in Ziekow, Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014, § 17 Rn. 99; BeckOK UmweltR/Guckelberger WHG § 14 Rn. 34; Czychowski/Reinhardt WHG § 14 Rn. 112).
64
Nach diesen Maßstäben ist der Hilfsantrag nicht begründet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm liegen nicht vor. Die Klägerseite hat sich maßgeblich darauf berufen, dass der Flächenentzug nunmehr - da sich die Anforderungen an die Größe von Milchviehbetrieben zwischenzeitlich erheblich verändert hätten - in existenzbedrohender Weise auf den landwirtschaftlichen Betrieb … auswirke, was jedoch in dem Zeitraum, in dem Einwendungen zu erheben gewesen wären, noch nicht habe vorausgesehen werden können. Es geht folglich um die Wirkungen bzw. längerfristigen Folgen von einer an und für sich bekannten Rechtsbeeinträchtigung, denn der Klägerseite bzw. ihrer Rechtsvorgängerin war aufgrund der Auslegung der Planunterlagen bewusst, welche Eigentums- bzw. Pachtflächen konkret durch das streitgegenständliche Vorhaben in Anspruch genommen werden würden. Wäre jedoch bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vom 20.10.2003 bekannt gewesen, dass zukünftig eine größer dimensionierte Milchviehhaltung von der Fachwelt für notwendig erachtet wird, um bei sonst im Wesentlichen unveränderter Betriebsstruktur auf längere Sicht existenzfähig zu sein, so wäre es rechtlich gleichwohl nicht geboten gewesen, bereits damals eine entsprechende Auflage zugunsten der Klägerseite in den Planfeststellungsbeschluss aufzunehmen. Auch in dieser Hinsicht hätte sich vielmehr zu Lasten der Klägerseite ausgewirkt, dass diese hinreichend konkretisierte Erweiterungsabsichten nicht plausibel hätte aufzeigen können, indem beispielsweise einigermaßen konkretisierte Planungen dargeboten worden wären, so etwa durch einen entsprechenden Vorbescheidsantrag. Auf die oben gemachten Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Es kann auch kein Automatismus dahingehend unterstellt werden, dass gleichsam jeder landwirtschaftliche Betrieb eine allgemein für sinnvoll oder notwendig erachtete Vergrößerung des Milchviehbestandes tatsächlich durchführt. Auf die sich laufend verändernden Rahmenbedingungen, insbesondere mit Blick auf die Marktlage, einschließlich der sich ggf. bietenden Möglichkeiten, andere Betriebsfelder zu stärken oder neu zu etablieren und die individuellen Besonderheiten jedes einzelnen Betriebs, auch in Ansehung der Frage, inwieweit eine Fortführung durch die darauffolgende Generation beabsichtigt ist oder z.B. vorhandene Eigentumsflächen schlicht verpachtet werden sollen, wird hier nur exemplarisch hingewiesen. Die vorliegende Konstellation kann in rechtlicher Hinsicht nicht anders behandelt werden als die einen Anspruch nach § 14 Abs. 6 WHG ausschließende Situation, in der der Betroffene Nutzungen erst nach dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses in Angriff genommen hat, denn entsprechende umfangreiche Erweiterungsabsichten in Bezug auf den Milchviehbestand waren weder vorgetragen noch der Behörde sonst bekannt gewesen. Wegen der geltend gemachten - zu verneinenden - Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss wird abschließend auf die vorherigen Ausführungen Bezug genommen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.