Inhalt

LG Kempten, Endurteil v. 12.11.2020 – 33 O 649/20
Titel:

Erbeinsetzung einer dem Heimträger gehörenden Stiftung

Normenkette:
HeimG § 14 Abs.1
Leitsatz:
Wird eine Stiftung eines Pflegeheimträgers durch einen Heimbewohner zum testamentarischen Erben berufen, so ist diese Erbeinsetzung nicht nach § 14 Abs. 1 HeimG unwirksam, wenn der Stiftungszweck nicht nur die Förderung des Pflegeheims ist, sondern die Stiftung vielfältige andere soziale und karitative Zwecke fördert und der Pflegeheimträger keinen Einfluss auf die Mittelvergabe der Stiftung hat. (Rn. 21 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Testament, Pflegeheim, Stiftung, Erbeinsetzung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 06.04.2021 – 33 U 7071/20
OLG München, Beschluss vom 05.07.2021 – 33 U 7071/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 50112

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie selbst Erbin der am 18.03.2014 verstorbenen Erblasserin E geworden ist und nicht die Beklagte.
2
Die Erblasserin, Frau E geb. am und verstorben am 2014, hat durch notariell beurkundetes Testament des Notars, Kempten (Allgäu) vom 30.04.2010, URNr. als Alleinerbin nach ihrem Tod die Beklagte eingesetzt und als Ersatzerbin die evangelischlutherische Kirchengemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu Kempten, wobei der Sohn der Erblasserin als deren einziger lebender Abkömmling enterbt wurde. Bezüglich des Inhalts des Testaments im einzelnen wird auf dieses Bezug genommen.
3
Auf den Pflichtteilsanspruch des enterbten Sohnes hat die Beklagte bei einer Erbmasse in Höhe von 45.611,22 € einen Betrag von 22.805,61 € bezahlt .
4
Die Erblasserin war von 2005 bis 2014 im Alten- und Pflegeheim W Kempten untergebracht. Träger dieses Heimes ist das D .
5
Die Klagepartei trägt im Wesentlichen vor:
6
Die Klägerin sei als Tochter des verstorbenen Bruders der Erblasserin im Falle der gesetzlichen Erbfolge Alleinerbin nach Frau E .
7
Desweiteren sei die Beklagte eine Stiftung des Pflegeheimträgers D . Die Beklagte sei eine ganz erhebliche finanzielle Grundlage des Alten- und Pflegeheims W und fördere nach ihrer Außendarstellung und gemäß ihrer Satzung die Arbeit insbesondere der Altenpflege des D durch Sach- und Geldzuwendungen.
8
Herr S als damaliger Vorstand der Beklagten und zugleich in Personalunion Vorstand des D habe für die Erblasserin gegenüber dem Notar die Vorbereitung für die notarielle Beurkundung betrieben. Insbesondere habe er mit Schreiben vom 30.04.2010 mit beigefügter Vollmacht der Erblasserin dem Notar die beabsichtigte Erbeinsetzung der Beklagten bekannt gegeben. Die Erblasserin sei völlig geschäftsungewandt gewesen. Herr S habe die Beurkundung des streitgegenständlichen Testaments für die Erblasserin vorbereitet und abgesprochen.
9
Die Klagepartei ist daher der Auffassung, dass die Erbeinsetzung der Beklagten nach § 14 Heimgesetz rechtswidrig und nichtig sei.
10
Die Klagepartei beantragt daher:
1. Es wird festgestellt, dass nicht die Beklagte sondern die Klägerin Erbin nach der am 21.07.1921 geborenen und am 18.03.2014 verstorbenen Erblasserin,  E, geworden ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten über € 1.242,84 nebst Zinsen mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 12.04.2020 zu bezahlen.
11
Hilfsweise beantragt sie:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 22.805,61 nebst Zinsen mit 5%- Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.04.2014 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten über € 1.242,84 nebst Zinsen mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 12.04.2020 zu bezahlen.
12
Die Beklagtenpartei beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
13
Sie trägt im Wesentlichen vor:
14
Die Beklagte habe keinerlei rechtliche Handhabe in Bezug auf das Vermögen des W und des d . Die Stiftung sei in ihrer Mittelverwendung frei und nicht in irgendeiner Weise gezwungen, das W zu unterstützen. Die Beklagte habe weder wirtschaftlich noch rechtlich die Möglichkeit, über Finanzen oder Eigentum des W der D zu entscheiden und habe dies auch tatsächlich nie getan. Die Beklagte als Stiftung schaffe auch nicht faktisch die wirtschaftliche Basis und Grundlage des W . Die Stiftung fördere generell die vielfältigen diakonischen Zwecke, beispielsweise auch seelsorgerische Hilfen, Kindergärten, Tagespflegen usw.. Das W sei daher nur einer der vielen diakonischen Belange, die die Stiftung fördern könne, aber hierzu nicht verpflichtet sei. Auch bestehe keine strukturelle Verbundenheit zwischen der evangelischen Kirchengemeinde Kempten, der D und der Stiftung . Eine solche ergebe sich nicht aus teilweiser Personenidentität in den Organen.
15
Es sei nicht richtig, dass Herr S bewusst darauf hingearbeitet und auf die Erblasserin eingewirkt habe, damit diese ihren Sohn enterbt und an seiner Stelle die Beklagte als Alleinerbin einsetzt. Richtig sei lediglich, dass Herr S sich an den Notar im Auftrag von Frau E gewandt habe, um für sie einen Termin zu vereinbaren, da die Erblasserin ihm gegenüber geäußert habe, dass sie testieren wolle und zu diesem Zeitpunkt aufgrund ihrer Erblindung nicht mehr schreiben habe können, sodass sie ihn gebeten habe, den Kontakt zu einem Notar zu vermitteln. Herr habe die Erblasserin im W dann aufgesucht und mit ihr allein ein längeres Gespräch von ca. eineinhalb Stunden geführt. Einen Vorentwurf für ein Testament habe es nicht gegeben. Herr S sei auch bei dem Gespräch nicht zugegen gewesen.
16
Sie ist daher der Auffassung, dass die Erbeinsetzung der Beklagten nicht nach § 14 HeimG nichtig sei. Auch liege kein Umgehungstatbestand vor.
17
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen. Desweiteren wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
19
Das Landgericht Kempten (Allgäu) ist nach § 1 ZPO i.V.m. §§ 23 Nr. 1, 71 I ZPO sachlich und nach §§ 12,17 örtlich zur Entscheidung zuständig.
II. 
20
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass sie selbst Erbin der am 18.03.2014 verstorbenen Erblasserin E geworden ist und nicht die Beklagte.
21
Die Beklagte wurde mit Testament vom 30.04.2010 im Wege der gewillkürten Erbfolge wirksam als Alleinerbin eingesetzt. Das Testament ist nicht aufgrund Verstoßes gegen § 14 HeimG nichtig.
22
Die Beklagte ist weder Träger noch Beschäftigte im Sinne des § 14 HeimG. Träger des ist das D Auch eine analoge Anwendung von § 14 HeimG aufgrund mittelbarer Zuwendung kommt nicht in Betracht. Hierfür müsste sich die Zuwendung des Erblassers an einen vom Verbot erfassten Adressaten darstellen (BayObLG, Beschluss vom 04.06.2003 - 1Z BR 17/03 = BayOblGZ 2003, 136). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
23
Zwar ist satzungsmäßiger Zweck der Stiftung nach § 1 der Satzung der Beklagten „die Förderung aller diakonischen Belange des D Das D hat jedoch vielfältige Zwecke. So ist in dessen Satzung unter § 2 Nr. 1 die Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke genannt. Unter § 2 Nr. 2 wird dies konkretisiert auf die Ausübung von Jugendhilfe, stationäre, teilstationäre und ambulante Kranken- und Altenpflege, Hilfen nach dem SGB XII, in der Familienpflege, auf dem Gebiet der Betreuung u.a. durch Übernahme von Pflegschaften, die Beratung und Unterstützung von diakonischen Einrichtungen und Weiterem. Daher kann in einer Zuwendung an die Stiftung , welche die gesamten vielfältigen Belange des D fördert, nicht eine Zuwendung an das W gesehen werden.
24
Auch die Erblasserin hat der Beklagten keine Vorgaben für die Verwendung des Vermögens zugunsten des W gemacht. Nach dem Wortlaut des Testaments ist lediglich die Ersatzerbeinsetzung unter eine Auflage gestellt, nicht aber die Erbeinsetzung der Beklagten.
25
2. Damit besteht auch kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.
III. 
26
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
 Verkündet am 12.11.2020