Inhalt

OLG Nürnberg, Endbeschluss v. 08.12.2020 – 11 UF 579/19
Titel:

Wirksamkeit eines im Güterrechtsverfahren geschlossenen Vergleichs

Leitsätze:
1. Mit dem Antrag auf „Berichtigung des Vergleichs“ wird erneut die Prüfung der materiellrechtlichen Wirksamkeit des Vergleichs begehrt. Der Streitgegenstand des vorliegenden Antrags, der durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt wird, auf den sich das Rechtsschutzbegehren bezieht, ist deshalb mit demjenigen des vorangegangenen Antrags identisch. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem neuen Antrag steht deshalb die Rechtskraft der Entscheidung des Senats vom 28.7.2020 entgegen. Durch diese Entscheidung ist die streiterledigende Wirkung des Vorverfahrens rechtskräftig festgestellt worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH verbietet die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung – als negative Verfahrensvoraussetzung – eine neue Verhandlung über denselben Streitgegenstand. Unzulässig ist deshalb ein erneuter Antrag, dessen Streitgegenstand mit dem eines rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits identisch ist. Eine erneute Prüfung der streiterledigenden Wirkung des Vergleichs findet deshalb nicht mehr statt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vollstreckungstitel, Vergleich, Scheidungsantrag, Kostenentscheidung, Ermessen, Herausgabe, Festsetzung, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Streitgegenstand
Vorinstanz:
AG Erlangen vom 09.04.2019 – 2 F 1162/17
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 23.06.2021 – XII ZB 588/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 50098

Tenor

1. Der Antrag vom 10.09.2020 wird verworfen.
2. Der Antragsgegner hat die weiteren Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Verfahrenswert für den Antrag unter Ziffer 1 wird auf 165.000 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines vor dem Senat im vorliegenden Güterrechtsverfahren geschlossenen Vergleichs.
2
Die am … geschlossene Ehe der Beteiligten wurde auf den am … zugestellten Scheidungsantrag mit seitdem … rechtskräftigen Endbeschluss geschieden. Aus der Ehe sind (aus Sicht des Antragsgegners nur rechtlich) drei Kinder hervorgegangen, ein Sohn und zwei Töchter, die beiden Töchter sind …, geboren am …, und …, geboren am … Vor dem Senat haben die Beteiligten am 06.08.2019 folgenden Vergleich geschlossen:
I. Der Antragsgegner verpflichtet sich, an die Antragstellerin zur Abgeltung ihres Zugewinnausgleichanspruchs einen Betrag in Höhe von 165.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.06.2017 zu bezahlen.
II. Sobald der Antragsgegner seine in Ziffer I. eingegangene Verpflichtung erfüllt hat, gibt ihm die Antragstellerin die in ihrem Besitz befindlichen Vollstreckungstitel, den Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts Erlangen vom 30.05.2018 und den Schlussbeschluss desselben Gerichts vom 09.04.2019, heraus. Die Herausgabe erfolgt Zug um Zug gegen Erstattung der bereits angefallenen Vollstreckungskosten. Die Antragstellerin verpflichtet sich auch dazu, nach Erfüllung der vorgenannten Zahlungspflichten, die Löschung der von ihr zu Lasten von Immobilien des Antragsgegners eingetragenen Zwangssicherungshypotheken auf Kosten des Antragsgegners zu bewilligen.
III. Geschäftsgrundlage dieser Vereinbarung ist, dass der Antragsgegner der leibliche Vater der Kinder …, geb. … und …, geb. … ist.
IV. Über die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen soll das Gericht nach billigem Ermessen entscheiden.
3
Der Vergleich ist ausweislich des Protokolls den Beteiligten vorgelesen und von diesen genehmigt worden.
4
Der Senat hat mit Beschluss vom 16.08.2019 folgende Kostenentscheidung erlassen:
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird Ziffer 3 des Schlussbeschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Erlangen vom 09.04.2019 abgeändert. Die Kosten seiner Säumnis im ersten Rechtszug hat der Antragsgegner zu tragen. Im Übrigen haben die Kosten des ersten Rechtszugs die Antragstellerin zu 2/9 und der Antragsgegner zu 7/9 zu tragen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
5
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 27.04.2020 hat der Antragsgegner einen „Antrag auf Termin“ wegen Unwirksamkeit des Vergleichs vom 06.08.2019 gestellt. Der Vergleich sei nichtig, hilfsweise werde er namens und Auftrags seines Mandanten angefochten. Zur Begründung hat er unter anderem vorgetragen, er sei zum Vergleich gedrängt worden, ohne über die Kosten aufgeklärt zu werden. Er sei getäuscht worden, weil er nicht gewusst habe, dass auf ihn derartig hohe Kosten zukämen. Ihm sei zudem von der Richterbank mit einem empfindlichen Übel gedroht worden, indem ihm gesagt worden sei, dass er entweder den Vergleich zu machen habe oder er letztendlich ein schlechteres Urteil bekommen, „denn der Weg zum BGH würde ihm versperrt werden.“ Er habe über die Konsequenzen des Vergleichs keinen klaren Gedanken mehr fassen können. Er sei im Zeitpunkt des Vergleichs nicht geschäftsfähig gewesen. Er habe sich durch das Gericht dermaßen unter Druck gesetzt gefühlt, dass er nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen sei. Allen Beteiligten und dem Gericht hätte auffallen müssen, dass der Vergleich zum finanziellen Ruin führe. Es liege eine krasse Überforderung im Sinne des § 138 BGB vor. Der Vergleich führe zu einer existenzgefährdenden Zahlungsverpflichtung und sei daher sittenwidrig. Weiterhin werde der Vergleich angefochten im Hinblick auf die Behauptung, dass die beiden Kinder ehelich wären.
6
Der Antragsgegner hat zuletzt den Erlass eines Zwischenbeschlusses folgenden Inhalts beantragt, Der Vergleich vom 06.08.2019 hat den Prozess nicht beendet. Die Antragstellerin hat beantragt, festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 06.08.2019 erledigt ist.
7
Der Senat hat mit Endbeschluss vom 28.07.2020 festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 06.08.2019 beendet ist. Mache ein Beteiligter geltend, ein Prozessvergleich sei unwirksam, sei das ursprüngliche Verfahren (insbesondere unabhängig davon, ob Unwirksamkeit aus prozessualen oder aus materiellrechtlichen Gründen geltend gemacht wird; BGH NJW 1983, 996) fortzusetzen und die Frage der Wirksamkeit des Vergleichs vorab zu klären. Der Vergleich sei unter keinem der vom Antragsgegner angegebenen Gesichtspunkte nichtig. Der Antragsgegner könne den Vergleich auch nicht mit der Begründung anfechten, nicht der leibliche Vater der Kinder … und … zu sein.
8
Der Antragsteller trägt nunmehr (erneut) vor, er sei durch den Vergleich vom 06.08.2019 benachteiligt. Er sei zu dem Vergleich gedrängt bzw. genötigt und über die Kosten nicht aufgeklärt worden. Die juristischen Ausführungen des Senats hätten ihn überrumpelt. Durch den Vergleich werde er in seiner Existenz gefährdet, dieser sei deshalb sittenwidrig. Zudem hätte bei ihm zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses eine erhebliche Willensschwäche vorgelegen.
9
Mit Schriftsatz seiner (neuen) Bevollmächtigten vom 10.09.2020 beantragt er,
einen neuen Verhandlungstermin für die Berichtigung des Vergleichs vom 06.08.2019 zu bestimmen.
10
Zudem beantragt er die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung.
11
Die Antragstellerin beantragt,
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
12
Über die Wirksamkeit und die streiterledigende Wirkung des geschlossenen Vergleichs sei bereits abschließend entschieden worden.
13
Der Senat hat auf die Unzulässigkeit des Antrags hingewiesen.
II.
14
Der Antrag ist als unzulässig zu verwerfen.
15
Mit dem Antrag auf „Berichtigung des Vergleichs“ begehrt der Antragsgegner erneut, wie sich aus der Begründung ergibt, die Prüfung der materiellrechtlichen Wirksamkeit des Vergleichs. Der Streitgegenstand des vorliegenden Antrags, der durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt wird, auf den sich das Rechtsschutzbegehren bezieht, ist deshalb mit demjenigen des vorangegangenen Antrags identisch.
16
Dem neuen Antrag steht deshalb die Rechtskraft der Entscheidung des Senats vom 28.07.2020 entgegen. Durch diese Entscheidung ist die streiterledigende Wirkung des Vorverfahrens rechtskräftig festgestellt worden (BGH NJW 1981, 159 juris Rn. 18). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH verbietet die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung - als negative Verfahrensvoraussetzung - eine neue Verhandlung über denselben Streitgegenstand (ne bis in idem; BGH NJW 1989, 1711 m.w. Nachw.). Unzulässig ist deshalb ein erneuter Antrag, dessen Streitgegenstand mit dem eines rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits identisch ist (BGH NJW 2004, 1252). Eine erneute Prüfung der streiterledigenden Wirkung des Vergleichs findet deshalb nicht mehr statt.
III.
17
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der weiteren Kosten des Beschwerderechtszugs beruht auf § 113 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 97 Abs. 2 ZPO.
IV.
18
Die Festsetzung des Verfahrenswerts für den Beschwerderechtszug beruht auf § 35 FamGKG.