Inhalt

ArbG Bayreuth, Endurteil v. 04.06.2020 – 4 Ca 584/19
Titel:

Eingruppierung, Entgeltgruppe, Zuschuss, Tarifvertragsparteien, Dienstbefreiung, Arbeitsleistung, Notfallbehandlung, Behandlungspflege, Anspruch, Abgrenzung, Klage, Teilnahme, Trennung, Personalabteilung, organisatorische Einheit, Stroke Unit

Schlagworte:
Eingruppierung, Entgeltgruppe, Zuschuss, Tarifvertragsparteien, Dienstbefreiung, Arbeitsleistung, Notfallbehandlung, Behandlungspflege, Anspruch, Abgrenzung, Klage, Teilnahme, Trennung, Personalabteilung, organisatorische Einheit, Stroke Unit
Rechtsmittelinstanz:
LArbG Nürnberg, Urteil vom 18.05.2021 – 7 Sa 269/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 49942

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf € 2.674,07 festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Eingruppierung des Klägers und um eine Zeitgutschrift aufgrund der Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme.
2
Der am ... 1972 geborene, verheiratete Kläger ist bei der Beklagten als pflegerische Leitung beschäftigt und war zunächst bis zum Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung in der Entgeltgruppe Kr 9b eingruppiert. Im Zuge des Inkrafttretens der neuen Entgeltordnung hatte der Kläger mit Antrag vom 03.04.2017 die Höhergruppierung in die Entgeltgruppe P13 beantragt, welche diesem rückwirkend zum 01.01.2017 gewährt wurde und weshalb unter dem 26.06.2017 ein entsprechender Änderungsvertrag geschlossen wurde.
3
Mit Schreiben vom 07.11.2017 beantragte der Kläger sodann eine weitere Höhergruppierung in die Entgeltgruppe P14 rückwirkend zum 01.01.2017, welchen die Beklagte mit Schreiben vom 13.11.2018, mit Schreiben vom 29.01.2019 und zuletzt mit Schriftsatz vom 25.03.2019 ablehnte.
4
Der Kläger ist bei der Beklagten als Leiter der Notbehandlung tätig. In dieser Funktion war er auch für die Aufnahmestation Präklinik und die sogenannte Chest-Pain-Unit (CPU) tätig.
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Der Kläger nahm in Eigeninitiative am 19.10.2019 und 20.10.2019 an einer Weiterbildungsveranstaltung in Fürth zum Thema „ESI Train“ teil.
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Hierfür beantragte der Kläger Genehmigung einer Fortbildungsreise mit Schreiben vom 04.06.2018.
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Diese genehmigte die Beklagte unter dem 08.06.2018 mit Dienstbefreiung nur für den 19.10.2018 und gewährte vereinbarungsgemäß einen Zuschuss in Höhe der halben Tagungskosten (225,00 €).
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Auf Hinweis des Klägers per E-Mail vom 27.09.2018, dass er auch den zweiten Tag als Arbeitstag gezählt haben möchte, erwiderte die Beklagte mit E-Mail vom 28.09.2018, dass Dienstbefreiung nur am 19.10.2108 gewährt werden würde.
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Sodann nahm der Kläger an der Fortbildung teil.
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Mit seiner am 25.07.2019 beim Arbeitsgericht Bayreuth eingegangenen Klage begehrt der Kläger nunmehr die Lohndifferenz zwischen der Entgeltgruppe P 13 Stufe 4 und P 14 Stufe 4 für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 30.11.2018 sowie Gutschrift von 7 Stunden auf dem Zeitkonto für den 20.10.2018.
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Er ist der Ansicht, dass hinsichtlich der Notbehandlung, Präklinik und CPU drei Eigenständige Bereiche vorlägen und er deshalb als Abteilungsleiter/Bereichsleiter der Entgeltgruppe P 14 zuzuordnen wäre.
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Ihm würden Unterlagen vorliegen, dass es unzutreffend sei, dass die Präklinik der Notaufnahme zugeordnet sei. Es sei hierfür Personal vorgehalten worden und der Kläger habe zwei getrennte Dienstpläne führen müssen.
13
Zudem sei im Jahr 2012 eine Ausweitung der Notaufnahme um eine Aufnahmestation mit 13 Betten vorgenommen worden.
14
Im Dienstplan habe der Kläger nicht nur die ihm offiziell übertragene Notbehandlung mit dem Kürzel F 1 berücksichtigt, sondern auch die Präklinik mit dem Kürzel FA 1. Damit waren unterschiedliche Mitarbeiter für zwei verschiedene Bereiche eingeteilt. Der besseren Übersicht wegen habe sich alles auf einem gemeinsamen Blatt befunden.
15
Dass Patienten der Präklinik vom Personal der Notfallbehandlung betreut wurden, sei dem Umstand geschuldet, dass es bislang der Personalabteilung nicht gelungen sei, den Personalmangel zu beheben.
16
Die formale Übertragung von Aufgaben sei entbehrlich, wenn bereits die Aufgaben tatsächlich übernommen werden und der Arbeitgeber dies so erwarte.
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Es stehe auch nicht dagegen, dass es nicht möglich war, sowohl die Präklinik als auch die CPU räumlich und personell genauso umzusetzen, wie angedacht. Eine Umsetzung sei im Rahmen der räumlichen und personellen Möglichkeiten erfolgt.
18
Für die Zertifizierung einer CPU würden Minimalanforderung von mindestens vier Überwachungsplätzen mit entsprechendem Personal gelten, auch wenn eine räumliche Trennung von der Notaufnahme erfolgen muss. Die Zertifizierung setze voraus, dass es die CPU auch gibt.
19
Es entspreche nicht der Zertifizierung, die CPU nur als integrierten Bestandteil der Notbehandlung anzusehen.
20
Dies sei ein geschickter Schachzug zu dem Einsparen von Personalkosten.
21
Personal- und Raummangel, der die formale organisatorische Abgrenzung durch Zwangseingliederung verhindere, dürfe nicht dazu führen, diesen tatsächlich vorhandenen Bereich verschwinden zu lassen.
22
Letztlich würden mit dem Kläger vergleichbare Mitarbeiter ebenso die Vergütungsgruppe P14 erhalten.
23
Frau leite die Station 11/17 und sei zuständig für die Aufnahmestation in der Hohen Warte.
24
Herr leite die Anästhesie und sei zuständig für den gemeinsamen Pool der beiden Betriebsstätten.
25
Herr sei Leiter der St. U..
26
Die Beklagte verstoße damit gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
27
Im streitbefangenen Zeitraum habe der Kläger ca. 30 Vollzeitstellen verantwortet, bereits bei mehr als 12 Vollzeitstellen handele es sich um eine große Station.
28
Hinsichtlich der Weiterbildung trägt der Kläger vor, dass man lediglich vereinbart habe, sich die reinen Fortbildungskosten (Kursgebühr) zu teilen. Ein Ausschluss der Freistellung für beide Tage sei nicht vereinbart worden.
29
Die Fortbildung sei essentiell und als Fortbildung grundsätzlich gesetzlich vorgeschrieben.
30
Der Kläger beantragt
1. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 2.484,46 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt dem Zeitkonto des Klägers 7 Stunden gut zu schreiben.
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Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
32
Sie trägt vor, dass der Kläger lediglich Stationsleiter der Notaufnahme sei und die Aufnahmestation (Präklinik) ebenso wenig wie die CPU eigenständige Stationen im Sinne der tarifvertraglichen Bestimmungen sei. Diese Bereiche seien lediglich der Notaufnahme zugeordnet gewesen.
33
Bei der Weiterbildung handele es sich um keine vom Arbeitgeber veranlasste Qualifizierungsmaßnahme. Der Kläger habe Kenntnis gehabt unter welchen finanziellen und zeitlichen Anrechnungskomponenten ihm die Fortbildungsmöglichkeit genehmigt wurde, unter diesen Bedingungen hatte er die Veranstaltung aufgesucht.
34
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die streitgegenständlichen Schriftsätze und Protokolle zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
36
I. Die Klage ist zulässig.
37
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 3 a ArbGG gegeben.
38
Das Arbeitsgericht Bayreuth ist gemäß § 48 Abs. 1 a ArbGG, § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig.
39
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Lohndifferenzen zwischen den Entgeltgruppen P13 und P14 für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 30.11.2018.
40
Die Vergütung der Entgeltgruppen P9 bis P16 der Anlage 1 der Entgeltordnung hinsichtlich der leitenden Beschäftigten in der Pflege bauen hierarchisch aufeinander auf. Sie folgen dabei einer generalisierten Aufbaustruktur der Krankenhäuser und Kliniken. Seit 01.01.2017 folgt die Eingruppierung bestimmten Strukturmerkmalen. Gedanklicher Ausgangspunkt ist der hierarchische Aufbau der Organisationseinheiten der Häuser mit Richtgrößen hinsichtlich der unterstellten Fachkräfte und abstrakten Heraushebungsmerkmalen (LAG Nürnberg vom 21.02.2020, 7 Sa 156/19 unter Verweis auf Breier u.a., Entgeltordnung VKA, Eingruppierung in der Praxis, leitende Beschäftigte in der Pflege, D1.3.11.2, Randnummer 1 ff).
41
Insoweit legen die Tarifvertragsparteien dem Aufbau der Tätigkeitsmerkmale für Leitungskräfte in der Pflege folgende regelmäßige Organisationsstruktur zugrunde:
42
1. Die Gruppen- und Teamleitung stellt die unterste Leitungsebene dar. Einer Gruppen- bzw. einer Teamleitung sind in der Regel nicht mehr als 9 Beschäftigte unterstellt.
43
2. Die Station ist die kleinste organisatorische Einheit. Einer Stationsleitung sind in der Regel nicht mehr als 12 Beschäftigte unterstellt.
44
3. Ein Bereich bzw. eine Abteilung umfasst in der Regel mehrere Stationen. Einer Bereichs- bzw. Stationsleitung sind in der Regel nicht mehr als 48 Beschäftigte unterstellt.
45
Dabei müssen die Beschäftigten fachlich unterstellt sein, d.h. der Leitungskraft obliegt die Fachaufsicht.
46
Die kleinste organisatorische Einheit ist die Station.
47
Sie ist eine räumlich abgegrenzte Einheit. Dort werden durch die Stationsleitung die sachlichen und personellen Mittel abgeschlossen organisiert und koordiniert, um die anfallenden pflegerischen Aufgaben in der Grund- und Behandlungspflege in der gebotenen Qualität durchführen zu können. In diesem Zusammenhang obliegt der Stationsleitung insbesondere die fachliche und disziplinarische Führung der dort beschäftigen Pflegekräfte, die Dienstplanerstellung, die Aufstellung des Urlaubsplans, gebotene stationsspezifische Fortbildung, Mitarbeitergespräche etc..
48
Größe und Aufgaben der einzelnen Stationen bestimmt der Arbeitgeber durch seine Organisationsgewalt. An dieser Organisationsentscheidung und seiner Umsetzung orientiert sich die Eingruppierung (LAG Nürnberg vom 21.02.2020, 7 Sa 156/19).
49
Mit der Definition „kleinste organisatorische Einheit“ haben die Tarifparteien damit lediglich auf die organisatorische Struktur eines Krankenhauses abgestellt.
50
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist bereits dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen, dass es sich bei der Präklinik und der CPU um eigenständige Stationen handelt. Sie sind vielmehr unselbstständige Teile der Notbehandlung welche eine einheitliche (große) Station darstellt.
51
Der Kläger hat keine Indizien vorgetragen, die dafür sprechen, dass es sich bei der Präklinik bzw. der CPU um eine selbständige organisatorische Einheit handelt. Hierzu hätte der Kläger herausarbeiten müssen, dass z.B. jeder Bereich eigenes Personal mit eigenen Dienstplänen und eigenen Urlaubsplänen erhält, ein eigenen Materialmanagement hat, räumlich abgrenzbar ist, etc.
52
Der Kläger hat jedoch im Gegenteil vorgetragen, dass dies jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum so nicht der Fall war, sondern unterschiedliche Mitarbeiter für die Bereiche Notaufnahme und Präklinik eingeteilt waren. Das Personal sei „aus dem Pool der Notaufnahme“ genommen worden.
53
Dass dies dem Umstand geschuldet gewesen sein soll, dass es „bislang der Personalabteilung nicht gelungen sei einen Personalmangel zu beheben“ tut dabei nichts zur Sache. Die Eingruppierung orientiert sich gerade auch an der Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und seiner Umsetzung (siehe LAG Nürnberg a.a.O.).
54
Gleiches gilt für die CPU.
55
Diesbezüglich ist bereits schon keine räumliche Trennung erkennbar. Zudem hat der Kläger in seiner Erwiderung ausgeführt, dass es bei diesem Bereich um einen „zwangseingegliederten“ Bereich handelt.
56
Inwiefern die Zertifizierung für eine selbständige Station sprechen muss ergibt sich für die Kammer ebenso nicht.
57
Letztlich ist auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz erkennbar.
58
Die pauschalen Ausführungen hinsichtlich der Mitarbeiter, und lassen eine Ungleichbehandlung nicht erkennen.
59
Insoweit ist in keinster Weise nachvollziehbar, inwieweit es sich bei den dort genannten Bereichen um unselbständige Arbeitsbereiche wie die des Klägers handelt und die dortigen Mitarbeiter trotzdem in der Entgeltgruppe P 14 eingruppiert sind.
60
III. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gutschrift von 7 Stunden auf seinem Zeitkonto für den 20.10.2018.
61
Die Teilnahme an der Weiterbildung erfolgte in Eigeninitiative. Es handelt sich nicht um eine verpflichtende Weiterbildung. Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger seine Arbeit ohne diese Weiterbildung nicht ausüben könnte, sodass diese unabdingbar und notwendig war. Wo diese gesetzlich vorgeschrieben sei verschweigt der Kläger ebenso.
62
Somit hat der Kläger jedoch mit der Teilnahme an der Fortbildung keine Arbeitsleistung erbracht.
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Damit gilt der Grundsatz kein Lohn ohne Arbeit.
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Deshalb ist auch der Sachvortrag, man habe sich nicht auf eine Freistellung nur für einen Tag geeinigt, unerheblich.
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Unabhängig davon, dass man den ausgetauschten Anträgen, Schreiben und E-Mails eine solche klar entnehmen kann, würde eine Nichteinigung lediglich dazu führen, dass dem Kläger überhaupt keine Freistellung zu gewähren wäre.
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Damit war die Klage vollumfänglich abzuweisen.
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IV. Gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen
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V. Der Streitwert des Zahlungsantrages war gem. § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 3 ff. ZPO auf den Betrag der zur Entscheidung des Gerichts gestellten Hauptforderung festgesetzt worden.
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Den Streitwert hinsichtlich der Gutschrift auf dem Zeitkonto hat das Gericht mit dem entsprechenden Wert der Vergütung für diese 7 Stunden in Höhe von 189,61 € bewertet.