Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 02.06.2020 – RN 12 K 19.1684
Titel:

Schmerzensgeld, Beamter, Bescheid, Beamte, Dienstunfall, Dienstherr, Inhaltskontrolle, Widerspruchsbescheid, Widerspruch, Auslegung, Anspruch, Feststellung, Schmerzensgeldanspruch, Vollstreckungsbescheid, Kosten des Verfahrens, Sinn und Zweck, materielle Rechtskraft

Schlagworte:
Schmerzensgeld, Beamter, Bescheid, Beamte, Dienstunfall, Dienstherr, Inhaltskontrolle, Widerspruchsbescheid, Widerspruch, Auslegung, Anspruch, Feststellung, Schmerzensgeldanspruch, Vollstreckungsbescheid, Kosten des Verfahrens, Sinn und Zweck, materielle Rechtskraft
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 26.07.2021 – 3 B 20.1557
Fundstelle:
BeckRS 2020, 49728

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Übernahme der Erfüllung von Schmerzensgeldansprüchen durch den Beklagten.
2
Der am 30.11.19… geborene Kläger steht als Polizeihauptkommissar im Dienste des Beklagten.
3
Am 10.12.2016 kam es bei einem Einsatz des Klägers und eines weiteren Kollegen im Bezirksklinikum M. dazu, dass der Kläger bei der Durchsuchung des Herrn H. R. von diesem mit den Handschellen an den Armen gefasst wurde. Hr. R. drückte die Handschellen gegen die Hände des Klägers, ließ sie nicht mehr los und drehte die Hände immer weiter nach unten; er zog dabei dem Kläger Abschürfungen und Prellungen am rechten Mittelfinger, am Handrücken sowie am linken Mittelfinger und Handrücken zu. Mit Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom 12.01.2017 wurde der Vorfall vom 10.12.2016 als Dienstunfall mit den Dienstunfallfolgen Distorsion beider Handgelenke, Distorsion D III links und Schürfwunden über dem Grundgelenk von D IV links und am Zeigefinger rechts anerkannt.
4
Am 18.04.2017 erging ein an Herrn R. adressierter Vollstreckungsbescheid, zugestellt am 21.04.2017, über einen Gesamtbetrag von 2.046,17 €. Dieser Betrag beinhaltet u.a. die Hauptforderung von 1.700,00 €.
5
Der Kläger beantragte mit Formblattantrag vom 07.11.2017, eingegangen beim Landesamt für Finanzen am 10.11.2017, Erfüllungsübernahme bei Schmerzensgeldansprüchen nach Art. 97 BayBG. Der Kläger gab im Antrag weiter an, dass durch die Entscheidung des AG D. vom 21.09.2017 (2 Ds Js 3332/17) ein vorsätzliches Handeln des Schädigers festgestellt und am 03.08.2017 und 25.08.2017 - unter Hinweis auf beigefügte Vollstreckungsprotokolle - erfolglose Vollstreckungsversuche durchgeführt worden seien.
6
Mit Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom 22.08.2018 wurde die Erfüllungsübernahme für den Schmerzensgeldanspruch des Klägers abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass als Vollstreckungstitel nur rechtskräftige Endurteile oder gerichtliche Vergleiche in Betracht kämen. Vollstreckungstitel, die auf einem gerichtlichen Verfahren beruhten, in dem die Angemessenheit des Schmerzensgeldanspruchs als solche nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sei und damit auch keiner rechtlichen Kontrolle unterlegen habe, fielen nicht unter Art. 97 BayBG. Der Begriff der „rechtskräftigen Feststellung“ sei hierbei nicht nur formaljuristisch als rechtskräftiger Titel auszulegen, sondern so zu verstehen, dass er eine tatsächliche richterliche Kontrolle erfordere, in deren Rahmen die Rechtmäßigkeit von Anspruchsgrund und -höhe gerichtlich festgestellt worden sei. Eine materiell-rechtliche Prüfung des zugrundeliegenden Anspruchs finde vor dem Erlass eines Vollstreckungsbescheids nicht statt. Im Falle des Klägers fehle es zudem am Vorliegen einer unbilligen Härte als Tatbestandsmerkmal des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BayBG. Die Uneinbringbarkeit des Anspruchs sei zwingende Voraussetzung für die Erfüllungsübernahme. Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG verlange den Nachweis von erfolglosen Vollstreckungsversuchen. Die Einwände, dass der Schuldner unbekannten Aufenthalts sei und damit die Vollstreckung nicht durchgeführt werden könne, reiche nicht als Nachweis einer erfolglosen Vollstreckung i.S.d. Art. 97 BayBG. Bei unangemessenen Schmerzensgeldern sei die Erfüllungsübernahme nicht möglich. Eine Reduzierung auf ein angemessenes Maß erfolge seitens der Pensionsbehörde nicht. In der Gesamtschau müsse der geltend gemachte Betrag von 1.700,00 € als unangemessen eingestuft werden. Des Weiteren bestehe weder ein rechtskräftig festgestellter, uneinbringbarer Schmerzensgeldanspruch noch sei die erfolglose Vollstreckung entsprechend nachgewiesen worden.
7
Mit Schreiben vom 19.09.2018, eingegangen beim Beklagten am selben Tag, ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigte Widerspruch gegen den Bescheid erheben, der mit Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Finanzen vom 20.08.2019, der Bevollmächtigten des Klägers mit Postzustellungsurkunde zugestellt am 23.08.2019, zurückgewiesen wurde. Der zulässige Widerspruch sei nicht begründet, da es schon an einer rechtskräftigen Feststellung des Schmerzensgeldanspruches fehle. Ein bloßer Vollstreckungsbescheid erfülle die materiellen Voraussetzungen insoweit nicht.
8
Mit Schreiben vom 12.09.2019, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Kläger durch seine Bevollmächtigte vorliegende Klage einreichen lassen. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die Erfüllungsübernahme vorliegend notwendigerweise zur Vermeidung einer unbilligen Härte diene: Die Vollstreckung sei über einen Betrag von mindestens 500,00 € erfolglos geblieben und die Frist des Art. 97 Abs. 3 BayBG eingehalten. Ebenso seien Vollstreckungsversuche nachgewiesen worden, die erfolglos verlaufen seien. Die gesamten Zwangsvollstreckungsunterlagen seien mit Schriftsatz vom 12.03.2018 an das Landesamt für Finanzen vorgelegt worden. Weiter bestehe kein grobes Missverhältnis zwischen dem körperlichen Schaden und dem gerichtlich und rechtskräftig festgestelltem Schmerzensgeldbetrag. Ein Vollstreckungsbescheid stehe jedem anderen zivilrechtlichen Urteil als Titel gleich und diene im Wesentlichen der zeitlichen Abkürzung der Durchsetzung der Ansprüche. Wären Vollstreckungsbescheide von Art. 97 BayBG nicht erfasst, so wäre ein Beamter selbst bei einer von Anfang an ins Auge springenden Zahlungsunfähigkeit des Schädigers dazu angehalten, den zeit- und kostenaufwendigeren Klageweg einzuschlagen, wenn er sich einen Rückgriff auf Art. 97 BayBG offenhalten wolle. Dies stünde im Widerspruch zum Fürsorge- und Sonderopfergedanken der Norm.
9
Der Kläger beantragt,
I. Der Bescheid der Beklagten vom 22.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2019, Az.: 33531-91475563, zugestellt am 23.08.2019, wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
10
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
11
Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Ausführungen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, dass ein nur im Wege des gerichtlichen Mahnverfahrens erwirkter Titel - mangels richterlicher Inhaltskontrolle - nicht die Voraussetzungen eines „rechtskräftig festgestellten Anspruches“ erfülle. Jedenfalls fehle es vorliegend bei dem Betrag von 1.700,00 € an der Angemessenheit hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldanspruches.
12
Der Kläger lässt mit Schreiben vom 04.05.2020 seinen bisherigen Vortrag dahingehend ergänzen, dass es nach dem Sinn und Zweck des Art. 97 BayBG nicht sein dürfe, dass der Freistaat Bayern seiner Fürsorgepflicht nicht gerecht werde, nur weil ein rechtskräftiger Titel über das Mahnverfahren als Vollstreckungsbescheid erwirkt worden sei. Wenn selbst Vergleiche gem. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO einer rechtskräftigen Feststellung des Anspruchs gleichstünden, so müsse dies erst recht für den Vollstreckungsbescheid gelten, da eine richterliche Einflussnahme oftmals bei Vergleichen auch nicht gegeben sei (§ 278 Abs. 6 ZPO). Bei einem Anerkenntnisurteil werde in der Urteilsformel auch nur genau der anerkannte Klageanspruch ausgesprochen. Es bestehe Ähnlichkeit zum Vollstreckungsbescheid, wenn weder Widerspruch gegen den Mahnbescheid noch Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid erhoben und der Anspruch so praktisch anerkannt werde. Zum Zeitpunkt der Einleitung des Mahnverfahrens wisse der Geschädigte noch nicht, dass eine Vollstreckung gegen den Schädiger erfolglos sein könnte und er dann den Anspruch aus Art. 97 BayBG geltend machen müsse. Es sei für den Geschädigten eine unzumutbare Einschränkung, wenn er im Nachhinein feststellen müsse, dass ein Vollstreckungsbescheid nach zu enger Auslegung des Landesamtes für Finanzen keine Grundlage für den Anspruch nach Art. 97 BayBG sei.
13
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14
Die zulässige Klage ist unbegründet.
15
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erfüllungsübernahme nach Art. 97 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG). Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom 22.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesamtes für Finanzen vom 20.08.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
16
Hat der Beamte wegen eines tätlichen rechtswidrigen Angriffs, den er in Ausübung des Dienstes oder außerhalb des Dienstes wegen der Eigenschaft als Beamter erleidet, einen rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld gegen einen Dritten, kann der Dienstherr gemäß Art. 97 Abs. 1 BayBG auf Antrag die Erfüllung dieses Anspruchs bis zur Höhe des festgestellten Schmerzensgeldbetrags übernehmen, soweit dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte (Art. 97 Abs. 2 BayBG) notwendig ist. Nach Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG ist die Übernahme der Erfüllung innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach Rechtskraft des Urteils schriftlich unter Nachweis der Vollstreckungsversuche zu beantragen.
17
Die Voraussetzungen zur Erfüllungsübernahme bei Schmerzensgeldansprüchen sind nicht gegeben, da ein durch Vollstreckungsbescheid (§ 699 Zivilprozessordnung - ZPO) zivilrechtlich vollstreckbarer Anspruch auf Schmerzensgeld keinen „rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld“ im Sinne des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG darstellt.
18
Zu der vorliegend mit streitentscheidenden Rechtsfrage, ob ein durch Vollstreckungsbescheid zivilrechtlich vollstreckbarer Anspruch auf Schmerzensgeld einen „rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld“ im Sinne des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG darstellt oder nicht werden in der erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung verschiedene Ansichten vertreten.
19
Soweit vertreten wird, dass ein rechtskräftiger Vollstreckungsbescheid einen rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld im Sinne des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG darstelle, wird vorgebracht, dass Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG seinem Wortlaut nach nicht unterscheide, auf welche Weise die rechtskräftige Feststellung des Anspruchs zustande gekommen sei. Ein Vollstreckungsbescheid stehe nach zivilprozessualen Grundsätzen einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich (§§ 700 Abs. 1, 708 Nr. 2 ZPO). Mit Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist werde der ordnungsgemäß zugestellte Vollstreckungsbescheid daher formell und materiell rechtskräftig, so dass er auch einen rechtskräftigen festgestellten Anspruch im Sinne des Art. 97 BayBG begründen könne. Es sei nicht ersichtlich, dass Art. 97 BayBG auf Grund seiner Entstehungsgeschichte so auszulegen wäre, dass er auf die tatsächliche Durchführung einer gerichtlichen Kontrolle abziele. Auch der Sinn und Zweck der Vorschrift würden nicht gebieten, die Norm entgegen ihres Wortlauts auszulegen. Das Mahnverfahren und der anschließende Vollstreckungsbescheid dienten der prozessökonomischen Erwirkung eines Vollstreckungstitels über eine Geldforderung, wenn Einwendungen des Schädigers nicht zu erwarten seien und eine Nichtzahlung primär auf der Zahlungsunfähigkeit des Schädigers beruhe. In diesen Fällen den Geschädigten in den zeit- und kostenintensiveren Klageweg zu zwingen, wenn er sich einen Rückgriff auf Art. 97 BayBG offen halten wolle, stünde im Widerspruch zum Fürsorgegedanken des Art. 97 BayBG so (VG Würzburg, Urteil v. 19.09.2019 - W 1 K 18.1441; n.v.). In diese Stoßrichtung geht auch die Klagebegründung des Klägers.
20
Soweit vertreten wird, dass ein rechtskräftiger Vollstreckungsbescheid keinen rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld im Sinne des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG darstelle (VG Augsburg, Urteil v. 05.12.2019 - Au 2 K 18.1445, juris) wird argumentiert, dass sich das zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut der Norm ergebe, da diese (lediglich) einen rechtskräftig festgestellten Anspruch verlange. Nach Ablauf der Einspruchsfrist werde der Vollstreckungsbescheid bei Nichteinlegung des Einspruchs formell und materiell rechtskräftig und dass der Anspruch „festgestellt“ worden sein müsse, schließe den durch Vollstreckungsbescheid geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch nicht aus, da auch zivilrechtliche Leistungsurteile auf Schmerzensgeld - welche unstreitig von Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG erfasst sein dürften - den Schmerzensgeldanspruch nicht ausdrücklich in der Tenorierung feststellen, sondern zu einer Zahlung verurteilen würden.
21
In systematischer Hinsicht sei aber zu beachten, dass Art. 97 BayBG schon in seinem dritten Absatz (Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG) davon spreche, dass „Die Übernahme der Erfüllung [..] innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach Rechtskraft des Urteils [..] zu beantragen [ist]“ (Hervorhebung nicht im Original). Dies deute darauf hin, dass der primäre Anwendungsfall des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG grundsätzlich der durch gerichtliches Urteil festgestellte Schmerzensgeldanspruch sei, so dass anderweitig zivilrechtlich rechtskräftig festgestellte Ansprüche - wie solche aufgrund Vollstreckungsbescheid - für den Landesgesetzgeber nicht im Blickfeld gestanden hätten. Dass ein Vollstreckungsbescheid nach Zivilprozessrecht einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleichstehe, ändere daran nichts. Der Vollstreckungsbescheid werde zwar dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleichgestellt, es werde aber keine Fiktion im eigentlichen Sinne formuliert („gilt als“). Mit anderen Worten „ist“ der Vollstreckungsbescheid auch nach der Formulierung des Bundesgesetzgebers kein (Versäumnis-)Urteil.
22
Auch Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG stütze die Auslegung, dass der Landesgesetzgeber vor allem durch Urteil festgestellte Schmerzensgeldansprüche erfassen wollte. Diese Regelung stelle unter bestimmten Bedingungen einen Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der rechtskräftigen Feststellung i.S.v. Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG gleich. Zwar könnten Vergleiche - wie dies auch bei Vollstreckungsbescheiden der Fall sei - auch ohne wirkliche richterliche Inhaltskontrolle geschlossen werden, sie könnten aber nicht in (materielle) Rechtskraft erwachsen. Insofern enthalte Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG eine Abweichung zu dem in Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG enthaltenen Tatbestandsmerkmal des „rechtskräftig“ festgestellten Schmerzensgeldanspruchs. Die in Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG geregelte Erweiterung des Anwendungsbereichs von Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG gerade in Bezug auf die Rechtskraft des zugrunde liegenden Titels, ermögliche aber nicht den Rückschluss, dass von Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG auch im Generellen solche zivilrechtlichen Titel umfasst sein sollten, die zwar rechtskraftfähig seien, bei denen es aber an der richterlichen Inhaltskontrolle fehle. Mit anderen Worten lasse sich der Tatbestandserweiterung des Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG zu der Frage, ob von Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG alle rechtskraftfähigen Titel erfasst würden, oder nur solche, die einer richterlichen Inhaltskontrolle unterlegen hätten, kein durchgreifendes für die erste Alternative sprechendes Argument entnehmen.
23
Vielmehr werde durch den Verweis auf § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und den dort genannten Vergleich deutlich, dass auch in diesen Fällen stets die Mitwirkung eines Richters oder zumindest eines unparteiischen Schlichters (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 3 BaySchlG) erforderlich sei und damit eine nichtförmliche Einflussnahme des Richters bzw. des Schlichters zumindest möglich bleibe. Im Rahmen des Erlasses eines Vollstreckungsbescheids werde ein Richter aber grundsätzlich nicht tätig (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 RpflG).
24
Seinem Sinn und Zweck nach solle Art. 97 BayBG eine Ergänzung für solche Fälle sein, in denen die in Art. 45 ff. BayBeamtVG normierte Unfallfürsorge als ansonsten umfassender Ausgleich der durch einen Dienstunfall eingetretenen materiellen und immateriellen Schäden keine angemessene Abdeckung von besonderen Härten biete. Dies gelte insbesondere für den Schmerzensgeldanspruch, der einen immateriellen Schaden betreffe und auch im Zivilrecht eine Sonderstellung einnehme, da ihm vor allem eine Genugtuungsfunktion zukomme. Grundsätzlich solle es nach der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 17/2871, S. 48 f.) der Beamte selbst sein, welcher den Schmerzensgeldanspruch gegenüber dem Schädiger geltend mache. Dadurch komme der grundsätzliche „subsidiäre“ Charakter des Art. 97 BayBG zum Ausdruck, welcher den Dienstherrn nicht prinzipiell als ersten Adressaten für eine gegen einen Dritten gerichtete Schmerzensgeldforderung etablieren wolle. Art. 97 BayBG solle dem Beamten nur in Ausnahmefällen weiterhelfen, nicht jedoch den normativen Regelfall darstellen. Der insofern betonte Charakter als „Ausnahmetatbestand“ lasse nicht auf eine „weite“ Auslegung des Tatbestands schließen, sondern indiziere, dass der Landesgesetzgeber von einer engen Auslegung ausgegangen sei. Dies spreche dafür, die Norm vorwiegend auf den in Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG zum Ausdruck kommenden „Regelfall“ des durch Urteil festgestellten Anspruchs auf Schmerzensgeld anzuwenden.
25
Letztere Ansicht hält die Kammer aus den genannten Erwägungen für überzeugender und schließt sich daher der Rechtsansicht an, dass ein durch Vollstreckungsbescheid zivilrechtlich vollstreckbarer Anspruch auf Schmerzensgeld keinen „rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld“ im Sinne des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG darstellt. Aus dem Umstand vergleichbarer Regelungen - mit überwiegend unterschiedlichen Detailbestimmungen - auch in zahlreichen anderen Bundesländern (vgl. Buchard in BeckOK, Beamtenrecht Bayern - Stand 30.12.2019, Art. 97 Rn. 1) lässt sich für die bundesweit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens einmalige Regelung des Art. 97 BayBG keinerlei weitergehender Erkenntnisgewinn im Hinblick auf die zu entscheidende Rechtsfrage verzeichnen.
26
Auf die übrigen Voraussetzungen des Art. 97 BayBG, u.a. die Frage, ob eine „unbillige Härte“ i.S.d. Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG gegeben ist, indem der Kläger vorliegend ausreichende Nachweise über sachgemäß durchgeführte Vollstreckungsbemühungen vorgelegt hat, kommt es entscheidungserheblich nicht mehr an.
27
Nach alledem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.