Titel:
Umweltinformationen, Akteneinsicht, Überwachung der Zur-Ruhe-Bettungspflicht einer Abtreibungsklinik
Normenketten:
BestG Art. 6 Abs. 1
BayUIG Art. 2
BayUIG Art. 3
BayUIG Art. 4
BayDSG Art. 39
LHSt München § 1 IFS.
Schlagworte:
Umweltinformationen, Akteneinsicht, Überwachung der Zur-Ruhe-Bettungspflicht einer Abtreibungsklinik
Fundstelle:
BeckRS 2020, 49646
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt Einsicht in die bei der Beklagten geführte Akte zur Überwachung der Zur-Ruhe-Bettungspflicht der Abtreibungsklinik S …, München.
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Der Kläger hatte bereits mit Schreiben vom 12. Juli 2018, gestützt auf die Informationsfreiheitssatzung der Beklagten, eine lückenlose Kopie der vollständigen Akte über die Überwachung der Zur-Ruhe-Bettungspflichten der o.g. Klinik beantragt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 27. Juli 2018 mit der Begründung abgelehnt, die Überwachung liege im übertragenen Wirkungskreis, wogegen Ansprüche nach der Informationsfreiheitssatzung der Beklagten nur Informationen im eigenen Wirkungskreis umfassten.
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Mit Schreiben vom 14. August 2018 beantragte der Kläger erneut bei der Beklagten eine lückenlose Kopie der vollständigen Akte zur Überwachung der Zur-Ruhe-Bettungspflichten der o.g. Klinik und berief sich nunmehr auf das BayUIG.
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Mit Bescheid vom 21. August 2018 lehnte die Beklagte den Antrag nach Art. 4 BayUIG ab. Zur Begründung führte sie aus, die beantragte Auskunft über die Überwachung und Aufsichtspflicht der Beklagten sei keine umweltrelevante Information und verwies auf das Schreiben der Beklagten vom 16. August 2018, mit welchem ein Antrag des Klägers auf Akteneinsicht in die Konzessionsakte der o.g. Klinik abgelehnt worden war. Im Übrigen wurde auf die Begründungen im bisherigen Schriftwechsel zwischen den Beteiligten verwiesen, in dem u.a. auch dargelegt worden sei, dass die Klinik Leibesfrüchte nach Schwangerschaftsabbrüchen nach Wiesbaden zur histologischen Untersuchung sende und anschließend den Zur-Ruhe-Bettungspflichten vor Ort nachkomme. Für die Überwachung dieser Pflichten seien die Behörden vor Ort in Wiesbaden zuständig.
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Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 17. September 2018, beim erkennenden Gericht eingegangen am 18. September 2018, Klage erheben und beantragen,
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den Bescheid der Beklagten vom 21. August 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe nach Art. 3 BayUIG Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, über die die Beklagte verfüge. Die Klinik verwende bei den Abtreibungen u.a. die chemische Substanz Mifepriston / Mifegyne (Abtreibungspille RU 486). Bei einer unsachgemäßen Entsorgung von Arzneimitteln gelangten nicht unerhebliche Mengen von Schadstoffen ins Trinkwasser und belasteten Pflanzen und die Tierwelt erheblich. Auch seien negative Auswirkungen auf den Menschen nachgewiesen. Insoweit handele es sich bei der Entsorgung der sterblichen Überreste der mit Chemikalien abgetriebenen Kinder um eine umweltrelevante Information im Sinne des BayUIG. Zudem liege ein Ermessensfehlgebrauch vor.
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Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2018 legte die Beklagte die Behördenakten vor und beantragte,
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Zur Erwiderung wies sie zunächst erneut darauf hin, dass bei ihr keine Akten zu umweltrechtlich relevanten Informationen im Zusammenhang mit den sterblichen Überresten abgetriebener Kinder vorhanden seien. Darüber hinaus führte sie im Wesentlichen aus, ein Anspruch nach Art. 3 BayUIG sei nicht gegeben, weil die Überwachung und Aufsichtspflicht der Beklagten keine umweltrelevante Information i.S.v. Art. 2 Abs. 2 BayUIG sei und die Akte über die Überwachung mangels dahingehenden substantiierten Vortrags keine „Tätigkeit“ i.S.d. Art. 2 Abs. 2 BayUIG sei. Im Übrigen werde mit der Einhaltung der bestattungs- und friedhofsrechtlichen Vorschriften den umweltrelevanten Aspekten der Bestattung Rechnung getragen. Überdies könne Mifepriston bereits auf Grund seiner Wirkungsweise keine Umweltbelastung hervorrufen. Schließlich sei der Antrag nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG wegen offensichtlicher Missbräuchlichkeit abzulehnen, da es dem Kläger im Wesentlichen nur darum gehe, gegen die Abtreibungsklinik vorzugehen, und nicht um die Förderung des Umweltschutzes.
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Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2018 trug der Klägerbevollmächtige ergänzend vor, auch nach dem Beklagtenvortrag sei nicht ausgeschlossen, dass Schadstoffe bei der Entsorgung der sterblichen Überreste ins Erdreich und ins Trinkwasser gelangen würden. Es obliege der Beklagten, dies zu widerlegen. Zudem sei die streitige Frage, ob der Entsorgungsverpflichtung ordnungsgemäß nachgekommen werde, Grund für die vorliegende Klage.
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Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2019 berief sich die Beklagte zusätzlich auf den beigefügten Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2018 im Verfahren des Klägers zur Akteneinsicht in die Konzessionsakte der o.g. Klinik. Darin sei der Antrag u.a. mit dem Argument abgelehnt worden, dass der Beklagten die gewünschten Informationen nicht vorlägen.
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Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2020 trug die Beklagte zur Klarstellung ergänzend vor, sie prüfe im Rahmen der Zur-Ruhe-Bettungspflichten der o.g. Klinik nach Art. 6 des bayerischen Bestattungsgesetzes (BestG) keine umweltrechtlichen Voraussetzungen, daher würden auch die dazu geführten Akten zur Überwachung dieser Pflicht keinerlei Umweltdaten oder Umweltinformationen i.S.d. BayUIG beinhalten. Die kurze Verwaltungsakte zur Überwachung der o.g. Klinik umfasse lediglich den Schriftwechsel zwischen der Beklagten und der Klinik mit entsprechenden Hinweisen auf die Bestattungspflicht sowie den Austausch mit der Klinik und weiteren Beteiligten zur Frage der Erforderlichkeit der histologischen Untersuchung der sterblichen Überreste der Embryonen bzw. Feten und dem anschließenden Verfahren nach dem hessischen Bestattungsgesetz. An der Sachlage habe sich seit 2006 nichts geändert, es bestehe keine Veranlassung zur Vermutung, dass die Klinik ihren Verpflichtungen nach Art. 6 BestG nicht nachkomme.
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Am 24. Januar 2020 fand die mündliche Verhandlung statt, an der der Kläger persönlich sowie eine Vertreterin der Beklagten teilnahmen. Der Kläger stellte den Antrag aus der Klageschrift vom 17. September 2018, die Beklagte aus dem Schriftsatz vom 19. Oktober 2018.
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Parallel verfolgte der Kläger vor dem erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen M 32 K 19.86 einen Informationsanspruch, ebenfalls gestützt auf das BayUIG, auf Einsicht in die lückenlose Kopie der vollständigen Akte zur Konzessionierung der o.g. Klinik. Diese Klage nahm der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2020 zurück.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Verpflichtungsklage auf Einsicht in die Akte zur Überwachung der Zur-Ruhe-Bettungspflicht der o.g. Klinik ist zulässig, aber unbegründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Dem Kläger steht der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu.
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1. Der Kläger hat keinen Auskunftsanspruch nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG.
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Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG gewährt jeder Person nach Maßgabe des BayUIG einen Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle i.S.d. Art. 2 Abs. 1 BayUIG verfügt, ohne dafür ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Der Begriff der Umweltinformationen ist dabei in Art. 2 Abs. 2 BayUIG legaldefiniert. Umweltinformationen sind danach, unabhängig von der Art der Speicherung, u.a.
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1. den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen,
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2. Faktoren, wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinn der Nr. 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken,
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3. Maßnahmen oder Tätigkeiten, die
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a) sich auf die Umweltbestandteile im Sinn der Nr. 1 oder auf Faktoren im Sinn der Nr. 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder
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b) den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinn der Nr. 1 bezwecken;
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zu den Maßnahmen gehören auch beschlossene politische Konzepte, Rechtsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme,
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4. Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts; …
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Ob Daten, die sich mit der Freisetzung des im Rahmen einer Abtreibung verwendeten Wirkstoffes Mifepriston bzw. des Mittels Mifegyne befassen, Umweltinformationen i.S.d. Art. 2 Abs. 2 BayUIG darstellen, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, da es vorliegend bereits an der Voraussetzung des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG, nämlich dass die informationspflichtige Stelle über diese Informationen auch verfügen muss, fehlt. Denn nach dem glaubhaften Vortrag der Beklagten, zuletzt schriftsätzlich mit Schreiben vom 13. Januar 2020 sowie in der mündlichen Verhandlung, prüft diese im Rahmen der Zur-Ruhe-Bettungspflichten der o.g. Klinik nach Art. 6 BestG keine umweltrechtlichen Voraussetzungen, weswegen auch die dazu geführten Akten zur Überwachung dieser Pflicht keinerlei Umweltdaten oder Umweltinformationen i.S.d. BayUIG beinhalten. Die wenige Seiten umfassende Verwaltungsakte zur Überwachung der Klinik enthält lediglich den Schriftwechsel zwischen der Beklagten und der Klinik mit entsprechenden Hinweisen auf die Bestattungspflicht sowie den Austausch mit der Klinik und weiteren Beteiligten zur Frage der Erforderlichkeit der histologischen Untersuchung der sterblichen Überreste der Embryonen bzw. Feten und dem anschließenden Verfahren nach dem hessischen Bestattungsgesetz. Diese abstrakt beschriebenen Inhalte stellen keine Umweltinformationen i.S.d. Art. 2 Abs. 2 BayUIG dar. Weitere Informationen, etwa zur chemischen Belastung der sterblichen Überreste der Leibesfrüchte bzw. zur Auswirkung auf Boden oder Trinkwasser enthält die Akte nach dem glaubhaften Vortrag der Beklagten hingegen nicht. Dies erscheint für das erkennende Gericht auch nachvollziehbar, da es bezüglich der abgetriebenen Embryonen und Feten bzw. der verwendeten Abtreibungsmittel keine entsprechend einzuhaltenden Grenzwerte hinsichtlich einer möglichen Umweltbelastung gibt, die von der Beklagten zu überwachen wären. Der Vortrag der Beklagten wurde von der Klagepartei darüber hinaus auch nicht substantiiert bestritten.
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Daher braucht nicht entschieden zu werden, ob zusätzlich der Ablehnungsgrund der offensichtlich missbräuchlichen Antragstellung gem. Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG gegeben ist.
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2. Auch aus dem allgemeinen Auskunftsanspruch nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG lässt sich kein Anspruch für den Kläger herleiten.
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Dieser Anspruch scheitert bereits daran, dass der Kläger für sein Informationsbegehren nicht das erforderliche berechtigte Interesse glaubhaft dargelegt hat. Das persönliche Engagement des Klägers gegen Abtreibungen im Allgemeinen und gegen die betroffene Klinik im Besonderen stellt kein rechtliches relevantes berechtigtes Interesse in diesem Sinne dar.
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3. Ein Anspruch ergibt sich ebenso wenig auf Grundlage der Informationsfreiheitssatzung (IFS) der Beklagten. Zwar gewährt die IFS in § 1 Abs. 1 Satz 1 jeder natürlichen und juristischen Person freien Zugang zu den bei der Stadtverwaltung einschließlich der Eigenbetriebe vorhandenen amtlichen Informationen. Nach § 1 Abs. 2 IFS umfasst der Anspruch jedoch ausschließlich Informationen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises, Art. 83 Abs. 1 BV, Art. 7 GO. Die Überwachungspflicht der Beklagten hinsichtlich der Einhaltung der Zur-Ruhe-Bettungspflicht durch die o.g. Klinik stellt hingegen eine Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises dar, Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 BestG, Art. 8 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 Satz 1 GO, so dass ein Anspruch bereits aus diesem Grund ausscheidet.
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4. Schließlich hat der Kläger keinen Anspruch aus Art. 29 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, da er kein Beteiligter im Überwachungsverfahren ist.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO und mit dem Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO abzuweisen.