Titel:
Feststellungsinteresse bei Vorrücken auf Probe in die nächste Jahrgangsstufe – hier verneint
Normenketten:
GG Art. 19 Abs. 4
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
BayGSO § 31 Abs. 1 S. 1, § 37 Abs. 1
BayEUG Art. 53 Abs. 3 S. 2, Abs. 6
Leitsätze:
1. Ein berechtigtes Interesse iSd § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Nichtversetzung in die nächsthöhere Klasse besteht, wenn sich die Entscheidung der Schule auf die weitere schulische oder berufliche Laufbahn des Schülers nachteilig auswirken kann (ebenso BVerwG BeckRS 2006, 26948). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Feststellungsinteresse ist zu verneinen, wenn ein über den Makel der Nichtversetzung hinausgehender "selbstständiger" Makel nicht erkennbar ist; ein Feststellungsinteresse könnte bei einem Fall bezüglich des Vorrückens auf Probe höchstens dann gegeben sein, wenn die Sperrwirkung des Art. 53 Abs. 3 S. 2 BayEUG noch im Raume stünde (Unzulässigkeit der Wiederholung, wenn nach Wiederholung einer Jahrgangsstufe auch die nächstfolgende wiederholt werden müsste), was jedoch nicht der Fall ist, wenn der Schüler mittlerweile eine Jahrgangsstufe erfolgreich bestanden hat. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorrücken auf Probe, Erledigung durch Zeitablauf, Fortsetzungsfeststellungsklage, Jahrgangsstufe, Gymnasium, Sperrwirkung, Fortsetzungsfeststellungsinteresse, berufliche Laufbahn des Schülers
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 03.08.2021 – 7 ZB 20.2545
Fundstelle:
BeckRS 2020, 49634
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtwidrigkeit der Entscheidung des O. Gymnasiums in N. bei Fr. (im Folgenden: Gymnasium), dem Kläger am Ende des Schuljahres 2016/2017 das Vorrücken auf Probe von der 6. in die 7. Jahrgangsstufe nicht gestattet zu haben.
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Der Kläger besuchte im Schuljahr 2016/2017 die 6. Jahrgangsstufe des Gymnasiums. Im Jahreszeugnis vom 28. Juli 2017 erzielte er in den Fächern Mathematik und Englisch jeweils die Note 5. Seine übrigen Noten waren: Deutsch 3, Latein 4, Ethik 4, Natur und Technik 4, Geschichte 2, Kunst 3, Musik 6, Sport 3. Er erhielt vom Gymnasium keine Vorrückenserlaubnis in die 7. Jahrgangsstufe. Das Zeugnis enthielt u.a. den Hinweis, dass der Kläger sich aktiver und zielstrebiger am Unterricht beteiligen und die Beständigkeit und Sorgfalt seiner Arbeitsweise noch verbessern müsse. Sein Verhalten habe wiederholt Anlass zu Ermahnungen gegeben.
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Die Klassenkonferenz hatte am 18. Juli 2017 einstimmig ein Vorrücken auf Probe nicht empfohlen. Begründet wurde dies damit, dass das Gesamtbild aller erzielten Leistungen des Antragstellers bei einem Vorrücken auf Probe nicht erwarten lasse, dass er das Ziel der siebten Jahrgangsstufe erreichen könne. Zusätzlich zeige der Kläger in einigen Fächern (v.a. Englisch) eine Arbeitsverweigerung, weshalb auch die Arbeitshaltung nicht für ein Vorrücken auf Probe spräche. Es bestünden daneben große Lücken aus den Vorjahren, die nicht geschlossen worden seien, eine mangelnde Beteiligung am Unterricht, mangelnde Grundkenntnisse, schwankender Einsatz, fehlendes Durchhaltevermögen, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und wenig Bereitschaft, sich mit schwierigen Aufgaben auseinanderzusetzen. Daher empfahl die Klassenkonferenz einstimmig den Übertritt auf die Realschule.
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Den Antrag des Klägers vom 27. Juli 2017 auf Vorrücken auf Probe, lehnte die Schule mit E-Mail vom 31. Juli 2017 aufgrund der Entscheidung der Lehrerkonferenz vom 24. Juli 2017, die der Empfehlung der Klassenkonferenz vom 18. Juli 2017 folgte, ab.
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Der von den Erziehungsberechtigten des Klägers eingelegte Widerspruch vom 17. September 2017 gegen die ablehnende Entscheidung zum Vorrücken auf Probe, wurde vom Gymnasium mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2017 zurückgewiesen. Die Klassenkonferenz der ehemaligen Klasse des Klägers vom 22. September 2017 und die anhand deren Empfehlung entscheidende Lehrerkonferenz vom 26. September 2017 seien einstimmig der Auffassung gewesen, dass auch nach erneuter Abwägung an der ablehnenden Entscheidung des Vorrückens auf Probe festgehalten werde.
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Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 30. Oktober 2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte gleichzeitig im Wege der einstweiligen Anordnung, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger - vorläufig - bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache - das Vorrücken auf Probe in die 7. Jahrgangsstufe im Schuljahr 2017/2018 zu gestatten.
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Der Eilantrag (M 3 E 17.5149) wurde mit Beschluss vom 27. November 2017 abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers verwarf der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. Februar 2018 (7 CE 17.2534) bereits als unzulässig, da das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nach Ablauf der Probezeit am 15. Dezember 2017 entfallen sei.
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Der Kläger erzielte bei Wiederholung der 6. Jahrgangsstufe im Schuljahr 2017/2018 in den Fächern Englisch und Mathematik jeweils die Note 3. Er wurde zwischenzeitlich erfolgreich in die 7. Jahrgangsstufe versetzt (Bl. 80 GA), hat die Schule gewechselt und die in der neuen Schule besuchte 7. Jahrgangsstufe erfolgreich abgeschlossen.
9
Der Kläger hielt an seiner Klage vom 30. Oktober 2017 fest und beantragt,
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festzustellen, dass die Entscheidung des Beklagten hinsichtlich der Nichtgewährung des Vorrückens auf Probe für den Kläger im Schuljahr 2016/2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2017 rechtswidrig war und der Kläger einen Anspruch auf Vorrücken auf Probe in die 7. Jahrgangsstufe im Schuljahr 2017/2018 hatte.
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Der Bevollmächtigte des Klägers trägt unter anderem vor, der Kläger habe auch nach Erledigung der ursprünglich mit Anfechtungsklage angegriffenen Entscheidung ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Für den Fall der Nichtversetzung eines Schülers habe das Bundesverwaltungsgericht bereits ausgesprochen, dass eine solche Maßnahme nicht nur die Schulausbildung verzögere und regelmäßig verlängere, sondern unter Umständen darüber hinaus den Betroffenen in seiner Ausbildung und zukünftigen beruflichen Entwicklung benachteiligen könne. Es habe daraus im Hinblick auf einen effektiven Rechtsschutz hergeleitet, dass ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Nichtversetzung schon dann anzunehmen sei, wenn im Einzelfall nachteilige Auswirkungen auf die weitere schulische oder berufliche Laufbahn des Schülers nicht ausgeschlossen werden könnten; der das Feststellungsinteresse begründende Nachteil müsse weder unmittelbar bevorstehen noch sich bereits konkret abzeichnen (Urteile des BVerwG vom 14. Juli 1978 - 7 C 11.76 und vom 6. Dezember 1983 - 7 C 39.83). Dies gelte entsprechend auch im vorliegenden Fall des Klägers, da nicht abzusehen sei, dass sich die Nichtversetzung auf die Lebens- und Berufschancen in der Zukunft nicht negativ auswirke. Hinsichtlich der Nichtversetzung in die nächsthöhere Klasse habe das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass ein Feststellungsinteresse auch bei „Erledigung“ infolge des Bestehens der wiederholten Klasse anzunehmen sei. Dieser Rechtsprechung habe sich das Bundesverwaltungsgericht in der Folge auch weiter angeschlossen und ausdrücklich hervorgehoben, dass der das Feststellungsinteresse begründende Nachteil weder unmittelbar bevorstehen noch sich bereits konkret abzeichnen müsse (BVerwG, B.v. 24.10.2006 - 6 B 61/06 -, Rn.3-5). Die von Seiten des Gerichtes angedachte Einschränkung darauf, dass ein Feststellungsinteresse dann noch gegeben sei, wenn die Probezeit die Möglichkeit zum Rücktritt mit der Folge des § 37 Abs. 1 GSO eröffnet hätte und damit auch im Fall, dass eine Jahrgangsstufe im weiteren Fortgang nicht bestanden worden wäre, noch nicht zur Sperrwirkung des Art. 53 Abs. 3 Satz 2 BayEUG geführt habe, schränke den Ansatz des Bundesverwaltungsgerichtes zu sehr ein. Das Bundesverwaltungsgericht habe explizit auch auf weit in der Zukunft, nach Abschluss der Schule liegende mögliche Nachteile außerschulischer Art abgestellt und diese zur Begründung des Feststellungsinteresses ausreichen lassen. Ein sachlicher Unterschied zwischen der rechtswidrigen „bloßen“ Nichtversetzung und der Nichtversetzung aufgrund rechtswidriger Verweigerung des Vorrückens auf Probe sei ebenfalls nicht ersichtlich. In der Sache führe beides dazu, dass der Kläger ein Schuljahr wiederholen und ein zusätzliches Schuljahr in der Schule verbringen müsse, als „Sitzenbleiber“ gelte und dieser Makel im späteren Leben zu Nachteilen führen könne. Überdies hätte der Kläger auch bei nicht bestandener Probezeit nach Art. 53 Abs. 6 Satz 2 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) gemäß § 31 Abs. 3 Satz 3 bayerische Gymnasialschulordnung (GSO) jedenfalls nicht als Wiederholungsschüler gegolten, so dass ihn auch bei Nichtbestehen der Probezeit der Nachteil, als „Sitzenbleiber“ gebrandmarkt zu sein, nicht getroffen hätte. Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass das Feststellungsinteresse auch aus dem Rehabilitationsinteresse des Klägers herzuleiten sei. Der Makel der Nichtversetzung, der durch das rechtswidrig verweigerte Vorrücken auf Probe auf dem Kläger laste, sei durch Schulzeugnisse und andere schulische Unterlagen dokumentiert und später im Lebenslauf des Klägers offenkundig. Das Feststellungsinteresse liege darüber hinaus auch in der fehlerhaften und diskriminierenden aktenkundigen Einschätzung begründet, der Kläger sei für das Gymnasium nicht geeignet. Dies gelte auch für die absurden Bewertungen des Schülers in den nachträglich erstellten und rückdatierten Bewertungsbögen, die sich weiterhin in der Schülerakte befänden. Derzeit (am 22. Februar 2020) besuche der Kläger erfolgreich die 8. Jahrgangsstufe am Gymnasium und werde auch ungefährdet das Klassenziel und die Versetzung erreichen. Höchstvorsorglich werde weiter vorgetragen, dass der Kläger grundsätzlich auch die Absicht habe, Amtshaftungsansprüche geltend zu machen.
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Der Beklagte hat am 9. November 2017 seine Vertretung durch die Prozessvertretung der Regierung von Oberbayern angezeigt, legte die Behördenakten vor und nahm mit Schriftsatz vom 4. März 2020 zum Feststellungsinteresse der Klage Stellung. Da die Nichtversetzung des Klägers auf dessen unstreitig nicht ausreichenden Leistungen beruhe, sei die belastende Wirkung des Bescheids durch Erledigung entfallen. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei nicht gegeben. Der Kläger wäre auch ohne den streitgegenständlichen Bescheid nicht versetzt worden, so dass keine diskriminierende Wirkung von dem Bescheid ausgehe. Die von der Gegenseite herangezogene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betreffe die Nichtversetzung in die nächsthöhere Jahrgangsstufe, nicht jedoch das Vorrücken auf Probe. Im Unterschied zur Nichtversetzung ist der Schüler bzw. die Schülerin beim Vorrücken auf Probe wegen der Noten grundsätzlich durchgefallen und erhalte ggf. eine weitere Option durch die Schule. Dass der Beklagte ein Vorrücken auf Probe nicht gewährt habe, habe keine konkrete, selbstständige Auswirkung auf das Fortkommen des Klägers.
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In der mündlichen Verhandlung zur Sache am 3. Dezember 2019 erklärten sich der Bevollmächtigte des Klägers und die Vertreterin des Beklagten mit einem Übergang ins schriftliche Verfahren einverstanden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, auch im Verfahren M 3 E 17.5149, auf die vorgelegten Behördenakten und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen
Entscheidungsgründe
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Das Gericht kann mit Einverständnis der Prozessparteien ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO. Beide Parteien erklärten sich in der mündlichen Verhandlung am 3. Dezember 2019 mit dem Übergang ins schriftliche Verfahren einverstanden. Es wurden Schriftsatzfristen gewährt. Beide Parteien äußerten sich zu der Problematik der Zulässigkeit nochmals mit Schriftsätzen. Die Wirksamkeit des Verzichtes auf weitere mündliche Verhandlung wurde nicht in Zweifel gezogen. Der nicht anfechtbare und grundsätzlich unwiderrufliche Verzicht auf mündliche Verhandlung (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Rn. 7) konnte auch nicht durch das Schreiben des gesetzlichen Vertreters des Klägers vom 18. September 2020 wirksam widerrufen werden.
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Die Klage hat keinen Erfolg, da sie bereits unzulässig ist.
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Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht - wenn sich der Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt hat - auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
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Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Fortsetzungsfeststellungsklage sind zum Einen die tatsächliche Erledigung des ursprünglichen Klagebegehrens - dieses liegt im bereits erfolgten Vorrücken des Klägers in die 7. Jahrgangsstufe und dem Ablauf des Schuljahres 2016/2017 - und zum Anderen das berechtigte Interesse an der Feststellung, dass die Entscheidung des Beklagten hinsichtlich der Nichtgewährung des Vorrückens auf Probe für den Kläger im Schuljahr 2016/2017 rechtswidrig gewesen war.
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Das Verwaltungsgericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet, ein gegenstandslos gewordenes Klagebegehren auf seine ursprüngliche Berechtigung hin zu überprüfen. Der Kläger kann nur beim Vorliegen eines besonderen Interesses eine Sachentscheidung trotz Eintritts der Erledigung erzwingen. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG schließt nicht die Verpflichtung des Gerichts zu einer Sachentscheidung ein, wenn der Bürger den beantragten Rechtsschutz nicht (mehr) benötigt. Maßgeblich ist stets, ob die Inanspruchnahme des Gerichts dem Kläger noch etwas „nützt“, also zur Verbesserung seiner Position geeignet ist. Für das Feststellungsinteresse genügt jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (vgl. insgesamt: Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 108). Ein derartiges Interesse ist auf Seiten des Klägers nicht erkennbar (vgl. VG München, U.v. 22.11.2010 - M 3 K 08.5008 - juris; VGH München, B.v. 5.1.2010 - 7 CE 09.2899 - juris).
20
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass ein berechtigtes Interesse i.S. des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Nichtversetzung in die nächsthöhere Klasse dann besteht, wenn sich die Entscheidung der Schule auf die weitere schulische oder berufliche Laufbahn des Schülers nachteilig auswirken kann. Ein solcher Nachteil muss weder unmittelbar bevorstehen noch sich konkret abzeichnen (BVerwG, B.v. 24.10.2006 - 6 B 61/06 - juris; BVerwG, U.v. 14.7.1978 - VII C 22.76 - juris, BVerwG, U.v. 6.12.1983 - 7 C 39/83 - juris). Die Nichtversetzung habe nicht nur eine Verzögerung der Schulausbildung und regelmäßig deren Verlängerung zur Folge, sie könne auch den Erwerb von Berechtigungen gefährden und die Berufsmöglichkeiten beeinträchtigen (BVerwG, U.v. 14.7.1978 - VII C 22.76 - juris, Rn. 11). Es könne auch die Gefahr bestehen bei erneuter Nichtversetzung, dass die Schulausbildung abgebrochen werden müsse (BVerwG, U.v. 6.12.1983 - 7 C 39/83 - juris). Denn selbst nach bestandener Reifeprüfung sei es nicht schlechthin ohne Aussagewert, ob der Betreffende sie nach „glatt“ durchlaufener Schulzeit oder erst nach Wiederholung einer Klassenstufe abgelegt habe. Sollte sich der/die Schüler/in unmittelbar um einen Ausbildungsplatz bewerben, sei für diesen Fall angesichts der starken Konkurrenz auf dem Ausbildungsmarkt nicht von vornherein auszuschließen, dass ein Arbeitgeber sich nach der gesamten Schullaufbahn erkundigen und dabei einer Nichtversetzung ein mehr oder weniger großes Gewicht beimessen könnte (BVerwG, U.v. 6.12.1983 - 7 C 39/83 - juris, Rn. 5 (zu einer Nichtversetzung)).
21
Nach Ansicht des Gerichtes ist der vorliegende Fall einer Verweigerung des Vorrückens auf Probe nicht vergleichbar mit dem Fall einer Entscheidung des generellen Vorrückens in die nächste Jahrgangsstufe. Beim Kläger stand unbestritten fest, dass aufgrund seiner Noten im Jahrgangszeugnis des Schuljahres 2016/2017 in der 6. Jahrgangsstufe ein Vorrücken in die nächsthöhere Jahrgangsstufe nicht bewilligt werden konnte. Der in den Bundesverwaltungsgerichtsentscheidungen (s.o.) damit zugrundegelegte Nachteil/Makel der Nichtversetzung war damit eingetreten. Gegen diese Entscheidung hat der Kläger keine Rechtsbehelfe eingelegt.
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Durch den Antrag auf Zulassung des Vorrückens auf Probe wollte der Kläger die Chance eröffnet bekommen, die Probezeit zu bestehen, um daraufhin weiterhin die 7. Jahrgangsstufe besuchen zu können. Allerdings kann er zum jetzigen Zeitpunkt die Probezeit durch Zeitablauf tatsächlich nicht mehr ableisten. Dies hätte für ihn auch keinen Sinn mehr, da er die 7. Jahrgangsstufe mittlerweile erfolgreich bestanden hat. Die tatsächliche Möglichkeit des Antretens und Absolvierens der Probezeit ist vorbei. Sie kann im Nachhinein nicht nachgeholt werden. Während bei einem Rechtsstreit über die Versetzung bzw. Nichtversetzung des Schülers in die nächste Jahrgangsstufe auch in der Fortsetzungsfeststellungsklage direkt die Aussage erfolgen kann, dass der Kläger einen Anspruch auf Vorrücken hätte, also rechtlich gesehen kein „Wiederholer“ ist, kann eine positive Feststellungsklage hinsichtlich der Entscheidung des Vorrückens auf Probe bestenfalls die Aussage treffen, dass dem Kläger die Chance der Probezeit hätte eröffnet werden müssen. Damit ist mit dieser Entscheidung direkt kein Gewinn in der Richtung gegeben, dass der Kläger kein „Wiederholer“ sei. Voraussetzung hierfür wäre das Antreten und Bestehen der Probezeit. Während eine Feststellungsklage bezüglich des Nichtbestehens einer Jahrgangsstufe direkt die Frage eines zu Unrecht oder zu Recht erfolgten „Sitzenbleibens“ klärt, kann dies eine Entscheidung über die Zulassung eines Vorrückens auf Probe nicht leisten. Es bedarf hierzu mehrerer hypothetischer Schritte, die - und zwar jeweils mit dem für den Kläger günstigen Ergebnis - hinzugedacht werden müssen. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt in den oben zitierten Entscheidungen an, dass der Kläger durch die Nichtversetzung in seiner Ausbildung und zukünftigen beruflichen Entwicklung benachteiligt werden kann. An dieser Nichtversetzung würde sich durch die hier beantragte Feststellung gerade nichts ändern. Soweit von Klägerseite zur Begründung des Feststellungsinteresses argumentiert wird, der Kläger hätte gemäß Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG auch bei nicht bestandener Probezeit gemäß § 31 Abs. 3 Satz 3 GSO nicht als Wiederholungsschüler gegolten, ist dem entgegenzuhalten, dass § 31 Abs. 3 S. 3 GSO nur eine Fiktion zur Folge hat, jedoch nicht die Rechtmäßigkeit der - dann tatsächlich stattfindenden - Wiederholung der Jahrgangsstufe in Frage stellt; ob § 31 Abs. 3 Satz 3 GSO hier überhaupt anwendbar ist (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 3 GSO letzter Halbsatz) oder nur in Fällen des Vorrückens auf Probe nach Art. 53 Abs. 6 S. 2 BayEUG, kann daher offen bleiben. Das erkennende Gericht kann in einer Entscheidung, dass der Kläger bei eindeutig nicht bestandenem Ziel der Jahrgangsstufe die Chance zum Vorrücken auf Probe nicht erhalten hat, keinen „selbstständigen“, über den Makel der Nichtversetzung hinausgehenden Makel, erkennen, der zu einem Feststellungsinteresse führt. Ein Feststellungsinteresse könnte bei einem Fall bezüglich des Vorrückens auf Probe höchstens dann gegeben sein, wenn die Sperrwirkung des Art. 53 Abs. 3 Satz 2 BayEUG noch im Raume stände, wenn also die Probezeit die Möglichkeit zum Rücktritt mit der Folge des § 37 Abs. 1 GSO eröffnet hätte und damit auch im Fall, dass eine Jahrgangsstufe im weiteren Fortgang nicht bestanden worden wäre, die Wiederholung der Jahrgangsstufe noch nicht zur Sperrwirkung des Art. 53 Abs. 3 Satz 2 BayEUG führen würde. Der Kläger hat jedoch mittlerweile nach Aussage der Klagepartei die 7. Klasse erfolgreich bestanden. Auch das Geltendmachen der Klagepartei, dass einzelne negative Stellungnahmen über den Kläger (z.B. die Bewertungsbögen) in der Akte des Klägers verbleiben würden, kann nicht zu einem Feststellungsinteresse für die vorliegende Klage führen. Es kann nicht gesehen werden, dass die Feststellung über die Rechtmäßigkeit des Vorrückens auf Probe zu einer Löschung von Daten aus den Schülerakten führt. Ein Anspruch auf Löschung von Feststellungen und Beurteilungen aus den Schülerakten ist nicht Gegenstand der vorliegenden Feststellungsklage. Es besteht daher kein Rehabilitierungsinteresse, da die Entscheidung der Schule außer ihrer - erledigten - belastenden Wirkung keinerlei diskriminierenden oder ehrenrührigen Inhalt hatte.
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Auch eine Wiederholungsgefahr ist nicht anzunehmen, da der Kläger nicht mehr das Oskar-Maria-Graf-Gymnasiums in Neufahrn bei Freising besucht und mittlerweile auch die 7. Jahrgangsstufe (wohl auch die 8. Jahrgangsstufe) erfolgreich abgeschlossen hat.
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Zwar legt die Klagepartei im Schriftsatz vom 17. März 2020, nachdem der Beklagte im Schriftsatz vom 4. März 2020 erwähnt hat, dass keine Absicht des Klägers zur Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen vorgetragen wurde, dar, dass grundsätzlich die Absicht bestehe, Amtshaftungsansprüche geltend zu machen. Dies wird zum einen jedoch schon nicht substantiiert ausgeführt und wird auch zeitlich erstmals nach sehr fortgeschrittenem Verfahrensstand geäußert. Im Übrigen kann das Gericht keinen Schaden erkennen, der durch einen Amtshaftungsanspruch eingeklagt werden könnte, einen solchen hat auch der Kläger nicht ansatzweise konkretisiert.
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Das Gericht bleibt daher weiterhin bei seiner Rechtsprechung, dass es kein schutzwürdiges Interesse auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung, das Vorrücken auf Probe abzulehnen, gibt (vgl. VG München, U.v. 22.11.2010 - M 3 K 08.5008 - jurist; ähnlich VG München, U.v. 27.10.2008 - M 3 K 08.1521 - juris, zum fehlenden Interesse auf Feststellung der Entscheidung über das Nichtbestehen der Probezeit)
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da nicht ersichtlich ist, dass der Beklagten vollstreckbare Aufwendungen entstanden wären.