Titel:
Hauptverhandlung, Eintragung, Angeklagte, Mitgliedstaat, Insolvenzverfahren, Schuldspruch, Angeklagter, Freiheitsstrafe, Angeklagten, Beihilfe, Gesellschaft, Staatsanwaltschaft, Tatgeschehen, Vergleich, besonders schwerer Fall, Anwendung des Zweifelssatzes, billigend in Kauf
Normenketten:
AO § 369 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 370 Abs. 1, Abs. 6, Abs. 7,
StGB § 257, § 25 Abs. 2, § 73 Abs. 1 und § 73c Satz 1
Leitsätze:
1. Der zur Verschleierung eines im europäischen Ausland begangenen „Bierschmuggels“ angemeldete und im Anschluss (bis auf die Entrichtung deutscher Biersteuer) allein „auf dem Papier“ vollzogene Betrieb eines inländischen Biersteuerlagers kann in dem von § 370 Abs. 6, Abs. 7 AO gesteckten Rahmen – bei nicht aufklärbarer Herkunft des regelwidrig aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommenen Bieres – als Beihilfe zur Hinterziehung ausländischer Biersteuer oder als Begünstigung einer solchen Tat strafbar sein.
2. Bleibt unklar, ob die ausländische „Vortat“ im Zeitpunkt der Tatbegehung im Inland bereits materiell beendet war, kommt eine wahldeutige Verurteilung des Lagerbetreibers wegen „Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder Begünstigung“ nicht in Betracht, wenn sich bei einzelfallorientierter Gegenüberstellung der beiden Strafrahmen ein Stufenverhältnis ergibt. Dann muss nach dem Zweifelssatz mit Blick auf die Obergrenze des jeweiligen Strafrahmens von der günstigeren Sachverhaltsalternative ausgegangen werden.
Schlagworte:
Hauptverhandlung, Eintragung, Angeklagte, Mitgliedstaat, Insolvenzverfahren, Schuldspruch, Angeklagter, Freiheitsstrafe, Angeklagten, Beihilfe, Gesellschaft, Staatsanwaltschaft, Tatgeschehen, Vergleich, besonders schwerer Fall, Anwendung des Zweifelssatzes, billigend in Kauf
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 29.10.2020 – 1 StR 264/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 49556
Tenor
I. Die Angeklagten Ha. und H. sind jeweils schuldig der Begünstigung.
II. Der Angeklagte Ha. wird deswegen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten verurteilt.
III. Der Angeklagte H. wird deswegen zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
IV. Die Vollstreckung der gegen den Angeklagten Ha. verhängten Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
V. Gegen den Angeklagten Ha. wird die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 1.531,63 € angeordnet.
VI. Gegen den Angeklagten H. wird die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 6.000,00 € angeordnet.
VII. Von den Kosten des Revisionsverfahrens und den ihnen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen tragen die Angeklagten Ha. und H. als Gesamtschuldner drei Viertel und die Staatskasse ein Viertel; die Revisionsgebühr wird insoweit um ein Viertel ermäßigt. Im Übrigen tragen die Angeklagten Ha. und H. die Kosten des Verfahrens; ausgenommen sind die der Einziehungsbeteiligten entstandenen notwendigen Auslagen, welche die Staatskasse trägt.
Entscheidungsgründe
1
Die Angeklagten Ha. und H. wurden durch Urteil der 12. (Wirtschafts-)Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28.02.2018 jeweils wegen „Beihilfe zu sechs Fällen der Steuerhinterziehung“ schuldig gesprochen und deswegen zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren (unter Strafaussetzung zur Bewährung) nebst einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 30 € (Ha.) bzw. zur Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten (H.) verurteilt (der im ersten Rechtszug mitangeklagte S. wurde wegen „unerlaubten Waffenbesitzes“ zur bedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt und im Übrigen freigesprochen). Zudem ordnete die 12. Strafkammer bei beiden Angeklagten die Einziehung von Wertersatz an (Ha.: 1.531,63 €; H.: 6.000 €); gegen die Einziehungsbeteiligte F. GmbH war eine entsprechende Anordnung in Höhe von 3.187.510 € ergangen.
2
Auf die Revisionen der Angeklagten Ha. und H. sowie der Einziehungsbeteiligten hob der Bundesgerichtshof das genannte Urteil, soweit es jene betraf, mit Beschluss vom 23.01.2019 (Az. 1 StR 450/18) mit den Feststellungen auf und verwies die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurück. Der Strafsenat beanstandete am Ersturteil im Wesentlichen, in dessen Gründen seien die näheren Einzelheiten, insbesondere die Tatzeit, der dort dem Schuldspruch wegen Beihilfe zugrunde gelegten Haupttaten (Hinterziehung französischer Biersteuer in sechs Fällen durch Verantwortliche der in Frankreich ansässigen A.) nicht hinreichend genau festgestellt. Aufgrund dieses Defizits könne (zusammengefasst) nicht beurteilt werden, ob die Haupttaten bereits materiell beendet gewesen seien, mit der Folge, dass gegebenenfalls (nämlich im Fall der Tatbeendigung) eine Verurteilung wegen Beihilfe aus Rechtsgründen ausscheide.
3
Demgegenüber ließ der Strafsenat die Erwägung des Erstgerichts ausdrücklich unbeanstandet, die fingierte Entnahme von Bier aus dem Verfahren der Steueraussetzung in Deutschland durch die Erstellung von fiktiven elektronischen Verwaltungsdokumenten mache nur Sinn, wenn die Beteiligten die Möglichkeit hätten, real existierendes Bier andernorts unversteuert aus dem Steueraussetzungsverfahren zu entnehmen und - aufgrund der in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltenden unterschiedlich hohen Biersteuersätze - gewinnbringend zu veräußern.
4
Ergebnisse der Hauptverhandlung im zweiten Rechtszug Auch im zweiten Rechtszug konnten zum zugrundeliegenden „Bierschmuggel“ (insbesondere in zeitlicher Hinsicht) keine Erkenntnisse gewonnen werden, die über die von der 12. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth getroffenen Feststellungen hinausgingen, zumal die Hinterziehung von - konkret - französischer Biersteuer durch Verantwortliche der A. in Abweichung vom Ersturteil nicht (mehr) hinreichend sicher als Haupt- bzw. Vortat verifizierbar war. Die Kammer sah sich daher gehalten, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jeweils nicht ausschließbar im Raum stehenden Sachverhaltsalternativen - (1) Biersteuerhinterziehung im EU-Ausland im „… Tatzeitraum“ noch nicht beendet (dann: Beihilfe zu der genannten Haupttat) oder (2) Auslandstat im genannten Zeitraum bereits beendet (dann: Begünstigung dieser Vortat) - einander vergleichend gegenüberzustellen. Aufgrund des sich daraus ergebenden Stufenverhältnisses (v.a. im Strafrahmen) ist die Kammer nach dem Zweifelssatz („in dubio pro reo“) zugunsten der Angeklagten von einer bereits eingetretenen Beendigung des Vortatgeschehens ausgegangen.
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Eine Einziehungsanordnung gegen die Einziehungsbeteiligte vermochte die Kammer - anders als das Erstgericht - aus Rechtsgründen nicht zu treffen.
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Feststellungen zur Person der Angeklagten
1. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse (…)
7
Der Angeklagte Ha. war seit dem Studium mit X., dem älteren Bruder des Mitangeklagten H., befreundet. Auf Bitten des X. gründete der Angeklagte Ha. Ende des Jahres 2012 die (vorliegend verfahrensgegenständliche) F. GmbH und stellte sich als Alleingeschäftsführer und -gesellschafter zur Verfügung, ohne jedoch neben dem Mitangeklagten H., der die GmbH von Anfang an als „seine Firma“ ansah und auch das Stammkapital binnen kurzer Zeit wieder entnommen hatte, selbst das operative Geschäft der Gesellschaft zu steuern (die zum Erwerb einer Güterkraftverkehrslizenz erforderliche IHK-Schulung absolvierte gleichwohl der Angeklagte Ha.). Der vom Mitangeklagten H. gelenkte Logistikbetrieb der GmbH kam im Februar 2014 mangels Auftragseingangs faktisch zum Erliegen (zum tatrelevanten Schicksal der GmbH ab 2015 siehe unter C.II.). Schließlich stellte der Angeklagte Ha. (nachdem vorübergehend, von Mitte 2016 bis März 2018, der Mitangeklagte H. die Stellung als Alleingeschäftsführer innegehabt hatte) bei dem Amtsgericht … den Antrag, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der F. GmbH zu eröffnen, was mit Beschluss vom 03.07.2019 (Az. …) geschah.
8
Aktuell ist der Angeklagte Ha. … angestellt und verdient monatlich … netto (…). Daneben verfügt er - bis auf im Rahmen des zugrunde liegenden Ermittlungsverfahrens beschlagnahmte Kapitalanlagen (…) zur Altersvorsorge im Wert von ca. … - über kein nennenswertes Vermögen. Sowohl wegen der bisherigen Kosten des Strafverfahrens (diese wurden vom Angeklagten Ha. durch Familiendarlehen in Höhe von ca. … finanziert) als auch aufgrund des Umstands, dass der französische Staat wegen des gegenständlichen Tatgeschehens Biersteuerforderungen gegen die F. GmbH in Höhe von ca. 12 Mio. € geltend macht, für die der Angeklagte seinerseits der Insolvenzmasse gegenüber wohl wird haften müssen (der Insolvenzverwalter habe die Forderung bereits anerkannt, lediglich der französische Haftungsbescheid sei noch nicht wirksam zugestellt worden), ist der Angeklagte Ha. (absehbar) erheblich verschuldet (…).
Der Angeklagte Ha. war bislang strafrechtlich nicht Erscheinung getreten.
1. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse (…)
Im Anschluss an die Gründung der F. GmbH im Jahr 2012, welche der Angeklagte H. von Anfang an als „seine Firma“ ansah und behandelte (der Mitangeklagte Ha. hatte sich aus Freundschaft zum älteren Bruder des Angeklagten, X., formal als Gesellschaftergeschäftsführer zur Verfügung gestellt; im Zeitraum Mitte 2016 bis 19.03.2018 hatte der Angeklagte vorübergehend die Stellung als Alleingeschäftsführer inne), war er bis Februar 2014 als Logistikunternehmer tätig (zum tatrelevanten Geschehen ab 2015 siehe unter C.II.).
(…) Wegen der bereits erwähnten Biersteuerforderung des französischen Fiskus ist an den Angeklagten H., anders als beim Angeklagten Ha., bislang niemand herangetreten.
Der Angeklagte H. ist bereits wie folgt strafrechtlich vorgeahndet:
Feststellungen zur Tat der Angeklagten
9
Hinterziehung von Biersteuer im EU-Ausland durch unbekannte Täter Im Zeitraum Ende 2015/Anfang 2016 wurden in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durch unbekannte Täter (im Folgenden: Vortäter) mindestens 30 Mio. Liter Bier aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommen, ohne die aufgrund dessen nach dem Recht des betroffenen Mitgliedstaats (um welchen Staat es sich konkret handelte, war nicht feststellbar) gebotene, inhaltlich richtige Verbrauchsteuererklärung abzugeben. Dem Tatplan der Vortäter entsprechend, wurde das Bier daraufhin entweder (ganz oder zum Teil) unmittelbar im Mitgliedstaat der Entnahme oder (ganz oder zum Teil) in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (außerhalb Deutschlands) zum dortigen Marktpreis, d.h. unter Ansatz der (im Vergleich zur deutschen Biersteuer höheren) ausländischen Biersteuer, gewinnbringend veräußert.
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Um die aus der unregelmäßigen Entnahme des Bieres resultierenden Lagerfehlbestände abzudecken, ließen die Vortäter das Bier zum Schein im EDVgestützten Verfahren für die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung in der Europäischen Union (sog. „Excise Movement and Control System“; im Folgenden: EMCS) von der bzw. über die Firma A. in Frankreich (…) an das Biersteuerlager der F. GmbH in … (…) und zum Schein von dort aus in den steuerrechtlich freien Verkehr gelangen. Zur Einrichtung und zum Unterhalt des Steuerlagers, welches zum Zwecke der Verschleierung des tatsächlichen Verbleibs des Bieres im Namen der F. GmbH angemeldet worden war, setzten die Vortäter im Zeitraum vom 15.02.2016 bis 21.06.2016 Bargeldmittel unbekannter Herkunft in Höhe von insgesamt 3.344.510 € ein, mit denen unter anderem die in Deutschland vermeintlich angefallene Biersteuer bezahlt wurde.
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Bei ihrem Vorgehen machten sich die Vortäter den Umstand zunutze, dass die Biersteuer in Deutschland niedriger war als in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wie insbesondere in Frankreich oder (damals) Großbritannien.
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Hilfeleistung der Angeklagten zur Sicherung der Vorteile der Tat Auf Veranlassung der Vortäter, mit denen der Angeklagte H. zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Laufe des Jahres 2015 in Kontakt gekommen war, wies der Angeklagte H. den Angeklagten Ha. in dessen Eigenschaft als (Allein-)Geschäftsführer der F. GmbH an, bei dem Hauptzollamt … (im Folgenden: Hauptzollamt) für die Gesellschaft ein Steuerlager für Bier anzumelden. Die Erlaubnis zum Betrieb des Steuerlagers wurde am 11.08.2015 erteilt. Außerdem mietete der Angeklagte Ha. in Absprache mit dem Angeklagten H. im Namen der (von ihm, Ha., und dem Zeugen Y. als Getränkehandel betriebenen) … GbR eine Lagerhalle nebst Büroräumen und Stellplätzen in der …straße … in … an (Gesamtmiete: 6.878,20 € brutto/Monat), deren Fläche von ca. 1.100 qm er (wiederum im Namen der GbR) zum überwiegenden Teil (ca. 700 qm) an die F. GmbH für deren Steuerlager zum Mietpreis von insgesamt 5.950 €/Monat untervermietete. In das Steuerlager wurden ca. 20 Paletten Bier (auf ca. 20 qm Lagerfläche) aufgenommen, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum, wie beide Angeklagte erkannten, bereits im Jahr 2013 abgelaufen war. Dieser Lagerbestand wurde in der Folgezeit nicht mehr verändert.
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Bei dem fingierten Betrieb des Steuerlagers gingen die Angeklagten Ha. und H. wie folgt arbeitsteilig vor:
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Der Angeklagte Ha. gab die ihm im Zuge der Anmeldung des Steuerlagers vom Hauptzollamt … übermittelten Zugangsdaten (Passwort und „Elster“-Zertifikat) zum EMCS an den Angeklagten H. weiter, welcher diese seinerseits, wovon auch der Angeklagte Ha. ausging, den Vortätern zugänglich machte. Im Anschluss wurde durch die Vortäter über den Zeitraum vom 25.01.2016 bis 24.06.2016 verteilt im EMCS die Eröffnung von insgesamt 1.436 elektronischen Verwaltungsdokumenten (im Folgenden: eVD) für vermeintlich von der A. an die F. GmbH unter Steueraussetzung einzeln (per Lkw) durchgeführte Biertransporte betreffend die unter C.I. genannten ca. 30 Mio. Liter Bier bewirkt. Die Schließung dieser eVDs (in Form einer Eingangsmeldung an das Hauptzollamt) veranlassten gleichfalls die Vortäter, obwohl der Eingang von unter Steueraussetzung befördertem Bier im Steuerlager, was auch den beiden Angeklagten bewusst war, im EMCS durch den Empfänger gemeldet werden muss. Allerdings nahm insbesondere der Angeklagte Ha. keine eigenen Eingaben in das EMCS vor (was der Angeklagte H. wusste), sondern teilte dem Angeklagten H. lediglich einzelne, von diesem nachgefragte Daten durch Einsichtnahme in das System mit (H. war selbst nicht in der Lage, die benötigten Informationen abzurufen). Die genannten, von den Vortätern in das EMCS eingegebenen Bierlieferungen an das Steuerlager der F. GmbH in … wurden tatsächlich nicht durchgeführt, was beide Angeklagte spätestens ab Anfang Februar 2016 wussten.
15
Gleichwohl erstellte der Angeklagte Ha. in Absprache mit dem Angeklagten H. auf Basis der Eintragungen in den eVDs beginnend ab dem 28.01.2016 Rechnungen (der F. GmbH) an die A. über die bei Entnahme des vermeintlich gelieferten Bieres aus dem Steuerlager in … anfallende deutsche Biersteuer. Außerdem berechnete er der A. (im Namen der F. GmbH) entsprechend der zwischen den Vortätern und dem Angeklagten H. getroffenen Abrede pro angeblich im Steuerlager abgefertigtem Lkw eine „Logistikpauschale“ in Höhe von 400 € für das nicht stattgefundene Ab- bzw. Umladen oder Zwischenlagern des Bieres. Passend zu diesen Rechnungen, die der Angeklagte Ha. dem Angeklagten H. übergab, erstellte der Angeklagte Ha. darüber hinaus „Abholscheine“ (Lieferscheine der A. für das nicht eingegangene Bier erhielt er ausschließlich per E-Mail) zum Beleg der angeblichen Entnahme des Bieres aus dem Verfahren der Steueraussetzung, in denen die Referenzcodes der betreffenden eVDs (gesammelt) angegeben waren. Auch diese an eine in … (Großbritannien) ansässige W. Limited (im Folgenden: W. Ltd.) adressierten Dokumente übergab der Angeklagte Ha. dem Angeklagten H., welcher sie jeweils kurze Zeit später mit Datumsangabe und Unterschrift eines unbekannt gebliebenen Urhebers sowie einem Stempelaufdruck der W. Ltd. versehen an den Angeklagten Ha. zur Komplettierung der über die fingierten Bierlieferungen geführten Bücher zurückreichte.
16
Der Angeklagte H. erhielt die genannten, für den Betrieb des vermeintlichen Biersteuerlagers in … notwendigen bzw. vereinbarten Geldbeträge in bar von den Vortätern und zahlte die ihm übergebenen Barmittel, wie auch der Angeklagte Ha. wusste, auf das Konto der F. GmbH bei der Sparkasse … ein. Erst dadurch wurde der Angeklagten Ha. in die Lage versetzt, im Online-Banking Zahlungen insbesondere für die Miete der Lagerhalle, für Sicherheiten des Hauptzollamts (im Zeitraum ab 25.01.2016: 30.000 €) sowie für die sich aus den von ihm (Ha.) am 08.02.2016, 07.03.2016 und 07.04.2016 für Januar bis einschließlich März 2016 (anhand der Daten in den eVDs) erstellten und abgegebenen Biersteuererklärungen ergebende deutsche Biersteuer (1.257.790,16 €) an die jeweiligen Empfänger zu veranlassen. Um den Überblick über die in Deutschland zu entrichtende Biersteuer sowie sonstige im Zusammenhang mit dem Scheinbetrieb des Steuerlagers stehenden Zahlungen einschließlich des der F. GmbH zustehenden „Gewinns“ (Logistikpauschale) zu behalten, fragte der das Geschehen auf Seiten der F. GmbH maßgeblich steuernde Angeklagte H. bei dem Angeklagten Ha. wiederholt die entsprechenden Daten ab und fertigte hierüber schriftliche Aufzeichnungen in einem Taschenkalender.
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Bei ihrem Tun erkannten die Angeklagten Ha. und H. jeweils spätestens ab Anfang Februar 2016 die Möglichkeit, dass der Betrieb des Steuerlagers in … allein dazu dienen sollte, die von den Vortätern in einem anderen Staat der Europäischen Union begangene Hinterziehung ausländischer (im Vergleich zu Deutschland höherer) Biersteuer zu verschleiern. Dies nahmen beide Angeklagte billigend in Kauf, wobei sie wussten, dass sie die Vortäter durch den von ihnen gemeinsam bewerkstelligten Scheinbetrieb des Steuerlagers dabei unterstützten, sich die aus der Hinterziehung von Biersteuer im EU-Ausland resultierende Steuerersparnis zu sichern. Den Angeklagten kam es dabei aufgrund eigener wirtschaftlicher Interessen jeweils auch darauf an, die Wiederherstellung des (verbrauchsteuerrechtlich) gesetzmäßigen Zustands zu verhindern bzw. wenigstens zu erschweren.
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Der Sachverhalt steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der umfassenden (Ha.) bzw. teilweisen (H.) Einlassungen der Angeklagten und der durchgeführten Beweisaufnahme.
I. Biographische Feststellungen (…)
II. Feststellungen zum Tatgeschehen
1. Einlassungen der Angeklagten
(1) Zum äußeren Tatgeschehen
Der Angeklagte Ha. hat die objektive Seite des Geschehens, so wie sie unter C.II. festgestellt ist, in seiner einleitenden Einlassung selbst in vollem Umfang eingeräumt, soweit ihm dies aufgrund eigener Wahrnehmungen möglich war. Dies gilt sowohl in Bezug auf sein eigenes Handeln als auch in Bezug auf die Rolle des Angeklagten H.
(2) Zur subjektiven Tatseite (…)
Der Angeklagte H. hat sich in der Hauptverhandlung nur zum Teil zur Sache eingelassen.
Die Feststellungen zum Tatgeschehen in … beruhen im Wesentlichen auf der geständigen Einlassung des Angeklagten Ha., welcher die Geschehensabläufe innerhalb der F. GmbH bzw. rund um den Scheinbetrieb des Biersteuerlagers so, wie festgestellt, beschrieben hat. Die Kammer hatte an der Glaubhaftigkeit dieser, den Angeklagten Ha. in erheblicher Weise selbst belastenden Angaben keinen Zweifel; sie erachtete den Angeklagten Ha. insoweit auch als uneingeschränkt glaubwürdig. Seine Angaben wurden zudem durch die nachbenannten weiteren Beweismittel bestätigt und ergänzt.
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(1) Einrichtung des Biersteuerlagers in …
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(2) Missbrauch des EMCS durch die Vortäter (…)
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(f) Die Feststellung, dass keine der anklagegegenständlichen Bierlieferungen durchgeführt wurde (es sich also allesamt um Schein- bzw. virtuelle Vorgänge handelte) beruht auch auf den entsprechenden Angaben der Zeugen D. und Y. Der Zeuge D. schilderte nach Überzeugung der Kammer nachvollziehbar (und angesichts der diesbzgl. geständigen Einlassung des Angeklagten Ha. von der Verteidigung im zweiten Rechtsgang nicht mehr in Frage gestellt), dass im Rahmen der von ihm und dem (verstorbenen) Beamten O. durchgeführten Observation der Lagerhalle in der …straße in … keine Bieranlieferungen festgestellt werden konnten, obwohl laut den im EMCS hinterlegten Daten eine vierstellige Zahl von Lkws das Gelände hätten anfahren müssen. Auch der Zeuge Y. gab, wie bereits oben im Zusammenhang mit der „Testlieferung“ von abgelaufenem Bier geschildert, bestätigend an, keine Bierlieferungen an die F. GmbH mitbekommen zu haben, obschon er sich im Tatzeitraum an drei bis vier Tagen die Woche für ca. vier bis sechs Stunden auf dem Gelände der Lagerhalle aufgehalten habe.
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In diesem Zusammenhang hat die Kammer auch die vom Angeklagten Ha. wiedergegebene anfängliche Behauptung des Angeklagten H. (ihm, Ha., gegenüber) in ihre Überzeugungsbildung miteinbezogen, das Umladen der betreffenden 1.436 Lkws solle bei Rastplätzen erfolgen. Sie hat dieser („internen“) Ausrede indes keinen Glauben geschenkt. Gegen deren Richtigkeit spricht nach sicherer Überzeugung der Kammer nicht nur die schiere Anzahl der Lkws (nach den im Selbstleseverfahren eingeführten Abholscheinen durchweg mehrere, z.B. allein am 29.01.2016 insgesamt 14 Stück) einschließlich des nicht unerheblichen Aufwands des Umladens bei einem (zumal öffentlich zugänglichen) Rastplatz, selbst wenn dies „nur“ durch eine Auswechslung der Zugmaschine erfolgt sein sollte. Hinzu tritt nämlich, dass das Umladen stets auch die (auf den Abholscheinen ausdrücklich bestätigte) Kontrolle der Ware durch den weiteren Empfänger (hier angeblich: W. Ltd.) auf Vollständigkeit und einwandfreien Zustand mitumfasste, welche (wiederum) laut Abholscheinen stets durch eine einzelne Person für sämtliche Lkws durchgeführt worden sein soll. Darauf in der Hauptverhandlung durch die Kammer angesprochen, gab der Angeklagte Ha. zu erkennen, dieser Version aus den genannten Gründen bereits selbst keinen Glauben geschenkt zu haben; der Angeklagte H. äußerte sich zu den vermeintlichen Umladeaktionen auf dem Rastplatz überhaupt nicht, obschon bei wahrheitsgemäßen Angaben gegenüber dem Angeklagten Ha. zu erwarten gewesen wäre, dass er dies - wie bei anderen (ihm) wichtig erscheinenden Umständen auch - durch eine eigene (Teil-)Einlassung näher erläutert.
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Entsprechendes gilt für die nach Angaben des Angeklagten Ha. ebenfalls vom Angeklagten H. gebrachte (weitere) „Erklärung“, die Lkws hätten das Bier ohne Einlagerung „weitergeliefert“ (sog. „Streckengeschäft“). Auch darin hat die Kammer mit sicherer Überzeugung eine bloße („interne“) Schutzbehauptung des Angeklagten H. erkannt. Ungeachtet dessen, dass der Angeklagte H. auch diese von der Kammer mit dem Angeklagten Ha. in der Hauptverhandlung kritisch besprochene Version (trotz Teileinlassungen zu anderen Themen) nicht weiter beschrieben hat, war es für die Kammer vor dem Hintergrund der großen Mengen verschiedener ausländischer Biere bereits nicht nachvollziehbar, dass das Bier ausnahmslos direkt an etwaige Endkunden der W. Ltd. im Großraum … oder der Region … weitergeliefert worden sein soll, ohne dass diese (die Kunden) als Großabnehmer, wie auch sonst üblicherweise gehandhabt (so der Zeuge Z.), selbst ein Steuerlager eingerichtet hätten. Insbesondere erschloss sich der Kammer aber nicht, warum „die Franzosen“ (Telefonat v. 28.04.2016, s. sogleich unter (3)) anstelle der W. Ltd. als Abnehmerin der Ware für die angefallenen Aufwendungen (insbesondere: deutsche Biersteuer, Logistikpauschale, wie ausgewiesen in den Rechnungen) finanziell hätten aufkommen (oder auch nur in Vorleistung gehen) sollen. Hinzu kommt, dass auch die Zahlung einer Logistikpauschale für tatsächlich nicht getätigte Umladungen und/oder Einlagerungen wirtschaftlich widersinnig erscheint. In dieses Gesamtbild (vom Vorliegen einer weiteren „Ausrede“ des H.) fügte sich ein, dass der Angeklagte Ha. auf Nachfrage angab, ihm selbst sei als in … tätig gewesener Getränkehändler nicht bekannt gewesen, dass eine W. Ltd. in der Region als Bier-Großhändlerin aufgetreten sei.
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Soweit der Angeklagte H. in der Hauptverhandlung angegeben hat, dass er „kein Bier gesehen“ habe bzw. dass die Lkws nur „virtuell“ gewesen seien, hat die Kammer dies zwar nicht übersehen, ihre Beweiswürdigung allerdings auch nicht darauf gestützt, weil dabei stets offenblieb, ob mit diesen spontan und (wie im Fall des Angeklagten H. die Regel) „pointiert“ vorgetragenen Äußerungen - entgegen den Unschuldsbekundungen des Angeklagten im Übrigen - tatsächlich ein Teilgeständnis verbunden sein sollte, oder ob es sich dabei nur um Schilderungen aus der Retrospektive handelte.
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(3) Falsche „Papierspur“ auf Seiten der F. GmbH (…)
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(4) Finanzierung des Scheinbetriebs durch die Vortäter (…)
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(d) Die Feststellung, dass der Angeklagte H. schriftliche Aufzeichnungen über den Scheinbetrieb des Biersteuerlagers geführt hat, stützt sich vor allem auf die im Selbstleseverfahren eingeführten und zusätzlich in Augenschein genommenen Auszüge aus dem von ihm geführten Taschenkalender sowie auf einzelne, ebenfalls verlesene Protokolle über zwischen den beiden Angeklagten geführte Telefonate und zwischen ihnen ausgetauschten SMS-Nachrichten. Der Darstellung des Angeklagten H., dass die in Rede stehenden Aufzeichnungen nicht das Biersteuerlager, sondern ein Kartenspiel beträfen, konnte angesichts des schier erdrückenden Gewichts der Indizien kein Glauben geschenkt werden. Nach sicherer Überzeugung der Kammer handelt es sich bei den Eintragungen um detaillierte „Abrechnungen“ über diverse Einzelheiten des die F. GmbH betreffenden Tatgeschehens, die sich in zeitlicher Abfolge auf die einzelnen Kalenderwochen des Tatzeitraums beziehen.
30
Zu den Grundlagen der diesbezüglichen Überzeugungsbildung im Einzelnen:
31
Die in Rede stehenden Eintragungen, die der Angeklagte H. - wie von ihm in der Hauptverhandlung bestätigt - in seinem Taschenkalender vorgenommen hat, sind in ihrem Grundmuster gleichbleibend aufgebaut (Abweichungen ergeben sich dadurch, dass in einzelnen Fällen einzelne Zahlen nicht notiert sind und der Griff zu „Abkürzungen“ von Fall zu Fall unterschiedlich stark ausgefallen ist). Die prägenden, jeweils in den meisten der Eintragungen zu findenden Merkmale sind: im „Kopf“ der Eintragung (1.) das Datum (nur die erste Eintragung steht auf dem mutmaßlich „passenden“ Kalenderblatt vom 01.02.2016; die weiteren Eintragungen folgen, jeweils mit einem konkreten Datum überschrieben, auf den unmittelbar nachfolgenden - „unpassenden“ - Doppelseiten des Kalenders), (2.) eine zweistellige Zahl mit dem Zusatz „Kat“ (oder: „Katal“), (3.) eine (zumeist) sechsstellige Zahl mit dem Zusatz „PAV“ (oder schlicht: „P“) und (4.) eine fünfstellige Zahl mit dem Zusatz „Nav“ (oder: „Navas“); darunter befindet sich stets eine durch eine durchgezogene horizontale Linie zweigeteilte Auflistung von drei- bis fünfstelligen Zahlen mit Buchstaben-(oder Wort-)Zusätzen, in deren oberer Hälfte jeweils die Zahlen vorangestellt sind, während in der unteren Hälfte die - sich in den meisten Eintragungen an dieser Stelle wiederholenden - Kürzel „L“ (oder: „Lom“), „R“ (oder: „Ras“) sowie „M“, „Mus“ (in Abgrenzung von „M“) und „F - D“ den Zahlen vorangestellt sind.
32
Durch einen Vergleich der jeweiligen „Quasi-Überschrift“ der Kalendereintragungen - Datum und „Kat(al)“-Zahl - auf der einen Seite mit den einzelnen „Schließungsdaten“ im EMCS (hinsichtlich der einzelnen eVDs) auf der anderen Seite ist die Kammer zu der sicheren Überzeugung gelangt, dass sich für den Zeitraum bis Mitte Mai 2016 jede einzelne Eintragung auf die Anzahl der in der jeweils vergangenen bzw. vorvergangenen Kalenderwoche (beginnend mit Montag und endend mit Sonntag) bei der F. GmbH vermeintlich „abgefertigten“ eVDs (und dementsprechend: Lkws) bezieht:
Kalender# woche
|
von Montag
|
bis Sonntag
|
geschlossene
„ eVDs
|
im Kalender ein# getragenes Datum
|
„Kat(al)“
|
5
|
01.02.2016
|
07.02.2016
|
30
|
passende Seite
|
„30“
|
6
|
08.02.2016
|
14.02.2016
|
23
|
„12.02.16“
|
„23“
|
7
|
15.02.2016
|
21.02.2016
|
44
|
„22.02.16“
|
„45“
|
8
|
22.02.2016
|
28.02.2016
|
38
|
„04.03.16“
|
„38“
|
9
|
29.02.2016
|
06.03.2016
|
68
|
„14.03.16“
|
„68“
|
10
|
07.03.2016
|
13.03.2016
|
60
|
„20.03.16“
|
…
|
11
|
14.03.2016
|
20.03.2016
|
65
|
„27.03.16“
|
…
|
12
|
21.03.2016
|
27.03.2016
|
70
|
„03.04.16“
|
„70“
|
13
|
28.03.2016
|
03.04.2016
|
60
|
„10.04.16“
|
„60“
|
14
|
04.04.2016
|
10.04.2016
|
70
|
„17.04.16“
|
„70“
|
15
|
11.04.2016
|
17.04.2016
|
90
|
„24.04.16“
|
„90“
|
16
|
18.04.2016
|
24.04.2016
|
78
|
„04.05.16“
|
„80“
|
17
|
25.04.2016
|
01.05.2016
|
84
|
„12.05.16“
|
„84“
|
18
|
02.05.2016
|
08.05.2016
|
80
|
„17.05.16“
|
„80“
|
19
|
09.05.2016
|
15.05.2016
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59
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„21.05.16“
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„59“
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Der Umstand, dass in zwei Fällen (Kalenderwochen 7 und 16) die „Kat(al)“-Zahl im Kalender die Anzahl der „eVD-Schließungen“ um den Wert 1 bzw. 2 übersteigt, erklärt sich zwanglos dadurch, dass in einigen wenigen Fällen - so der Zeuge D. -, bei denen ganz ausnahmsweise nicht alle relevanten Daten zu einem einzelnen eVD lückenlos zusammengetragen werden konnten, die entsprechende Lkw-Lieferung „ausgeklammert“ und in den Aufstellungen, die Grundlage der Ermittlungsberichte und der Anklageschrift sind, zugunsten der Tatbeteiligten nicht berücksichtigt wurde. Die datumsmäßig „vorgezogene“ Eintragung zur Kalenderwoche 6, die erst am 14.02.2016 endete, steht damit in Einklang, dass in jener Woche die letzte „elektronische Abfertigung“ am 12.02.2016 erfolgte. Was die zeitlich letzten Eintragungen im Kalender betrifft, ist - was die Kammer gesehen hat - ungeachtet der Parallelen in den Größenordnungen eine vergleichbar exakte Zuordnung der notierten „Kat(al)“-Zahlen vom 01.06.2016 („80“), 04.06.2016 („84“), 11.06.2016 („85“) und 19.06.2016 („92“) zu den Kalenderwochen 20 bis 25 (mit 73, 85, 83, 80, 82 und 69 erledigten eVDs) nicht möglich.
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Über diese schon für sich genommen überdeutlichen Parallelen hinaus haben sich auch im Telefon- bzw. SMS-Verkehr zwischen den beiden Angeklagten weitere Indizien dafür gefunden, dass der Angeklagte H. in seinem Kalender laufend über die wöchentlich fiktiv abgefertigten „Bier-Lkws“ Buch führte. In den schon erwähnten Telefonaten vom 01.04.2016 bat er den Angeklagten Ha., in das „System“ hineinzugehen, dort „für letzte Woche“ die „Zahl“ herauszusuchen und ihm diesbezüglich eine SMS zu schicken, worauf der Angeklagte Ha. ihm am Abend per SMS eine (blanke) „70“ meldete; diese „70“ findet sich als zeitnaher Eintrag (vom 03.04.2016) im Kalender wieder (siehe oben). In einem Telefonat vom 24.04.2016 forderte H. den Angeklagten Ha. auf, die Zahl der Vorwoche noch einmal zu überprüfen, weil es eine Unstimmigkeit gebe, ob nun der Wert 87 (laut Mitteilung des Ha.) oder der Wert 90 (so die Auffassung des H.) zutreffend sei; hierzu antwortete der Angeklagte Ha. am gleichen Tage per SMS: „Ja kamen Samstag noch 3 an. Sind damit 90“. Tatsächlich wurden am 16.04.2016 (einem Samstag) 3 eVDs im EMCS geschlossen; gleich noch am 24.04.2016 (so lautet jedenfalls der Eintrag) notierte H. den Wert „90“ als „Kat“ in seinem Kalender (siehe oben). In einer ebenso am 24.04.2016 verschickten SMS, die schon Erwähnung gefunden hat, meldete Ha. dem Angeklagten H.: „Diese Woche 80“ (die Kalenderwoche 16 endete an jenem 24.04.2016); H. trug unter dem 04.05.2016 den Wert „80“ als „Kat“ in den Kalender ein (siehe oben). Am 10.05.2016 schrieb Ha. an H. per SMS: „Sorry fürs warten. 80“; dieser Wert findet sich im Kalender als „Kat“ in einer auf den 17.05.2016 datierten Eintragung (siehe oben). In einem ebenfalls schon thematisierten SMS-Wechsel vom 15./16.05.2016 meldete Ha. auf die Nachfrage des H. zur „sistem Zahl“ für die Woche „9.05.16-15.05.16“ die (blanke) Zahl „59“ zurück, die daraufhin unter dem 21.05.2016 auch als „Kat“-Zahl Eingang in den Kalender des Angeklagten H. gefunden hat (siehe oben).
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Die (zumeist) sechsstelligen Zahlen, die überwiegend mit dem Zusatz „PAV“ (oder: „P“) versehen sind, sieht die Kammer als Geldbeträge an, die mit der für die in der Bezugswoche geschlossenen eVDs - wie notiert als „Kat(al)“ - geschuldeten deutschen Biersteuer in Verbindung stehen. Die Kammer hat den Angeklagten H. gefragt (ohne direkt eine Verbindung zu der in den Eintragungen auftauchenden Buchstabenkombination „PAV“ herzustellen), wie die Begriffe „deutsch“ und „Bier“ in seine aserbaidschanische Muttersprache zu übersetzen seien, woraufhin er die Begriffe „alman“ (für „deutsch“) und „pivə“ (für „Bier“) nannte. Auf die Frage nach der aserbaidschanischen Übersetzung des Begriffs „Steuer“ gab er zunächst einen bestimmten (von der Kammer nicht festgehaltenen Begriff) an; auf den Vorhalt, ob die Übersetzung nicht vielleicht, wie die Kammer online bei „Google Translate“ recherchiert habe, „vergi“ laute, entgegnete H., dass der aserbaidschanische Begriff „vergi“ nach seinem Verständnis zur Bezeichnung dafür verwendet werde, dass jemand einem anderen etwas „schulde“, insbesondere eine „Abgabe“. Vor diesem Hintergrund liegt es im gegebenen Kontext aus Sicht der Kammer nahe, dass die vom Angeklagten H. verwendete Buchstabenkombination „PAV“ eine Abkürzung der Begriffe „pivə“, „alman“ und „vergi“ ist und somit, bei Zusammenfügen der Übersetzungen, für „deutsche Bierabgabe“ steht.
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Hinzu kommt, dass die hier interessierenden Zahlen (oder besser: Beträge) jedenfalls von der jeweiligen Größenordnung her mit den Beträgen deutlich in Korrelation stehen, die von der F. GmbH für die in den betroffenen Kalenderwochen vermeintlich „entnommenen“ Biermengen gemäß den überschlägigen Berechnungen der Zollfahndung zu entrichten waren. Diese Berechnungen wurden mithilfe von - im Selbstleseverfahren eingeführten - Excel-Tabellen vorgenommen, die im Ermittlungsverfahren auf der Grundlage der aus den einschlägigen eVDs extrahierten Daten (über die mengen- und sortenmäßige Zusammensetzung der einzelnen fiktiven Lieferungen) erstellt wurden und deren Aufbau und Rechenschritte der Zeuge D. in der Hauptverhandlung nachvollziehbar erläuterte: So steht - um einige Beispiele herauszugreifen - der überschlägig ermittelten inländischen Steuerschuld von 58.052 € für die in der Kalenderwoche 6 erledigten eVDs (Fallakte 9: 19.575 €; Fallakte 10: 17.966 €; Fallakte 11: 12.786 €; Fallakte 12: 7.725 €) die vom Angeklagten H. unter dem 12.02.2016 notierte Zahl „77.400“ gegenüber, dem sich für die Kalenderwoche 12 ergebenden Betrag von 176.974 € (Fallakte 36: 33.235 €; Fallakte 37: 40.886 €; Fallakte 38: 32.629 €; Fallakte 39: 18.635 €; Fallakte 40: 51.589 €) die von H. zum 03.04.2016 vermerkte Zahl „193.105“, dem für die Kalenderwoche 15 maßgeblichen Betrag von 232.192 € (Fallakte 50: 62.934 €; Fallakte 51: 80.131 €; Fallakte 52: 81.806 €; Fallakte 53: 7.321 €) die von H. unter dem 24.04.2016 notierte Zahl „248.000“ und dem sich für die Kalenderwoche 18 ergebenden Betrag von 195.889 € (Fallakte 60: 61.359 €; Fallakte 61: 63.207 €; Fallakte 62: 71.323 €) die von H. unter dem 17.05.2016 vermerkte Zahl „206.695“.
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Auch bei den fünfstelligen Zahlen, die jeweils mit dem Zusatz „Nav(as)“ gekennzeichnet sind, handelt es sich nach Auffassung der Kammer um Geldbeträge, und zwar in diesem Fall um solche, die - im weitesten Sinne - mit der Abgeltung von „Spesen“ und der „Entlohnung“ von Beteiligten in Verbindung stehen. Es fällt auf, dass die Zahlen fast durchgehend genau das 800-fache des jeweiligen „Kat(al)“-Wertes darstellen: Klammert man die Kalenderwochen 9 und 10 aus, für die ein „Kat(al)“-Vermerk fehlt (siehe oben), dann trifft dies für 14 von 17 Eintragungen zu (Ausnahmen: Eintragung auf dem Kalenderblatt vom 01.02.2016 sowie Eintragungen vom 04.05.2016 und 11.06.2016; dort übersteigt die betreffende Zahl jeweils das 800-fache). Sogar die unvollständige Eintragung für die Kalenderwoche 10 bestätigt diesen Befund immerhin indirekt, denn bei Division der notierten „52.000“ durch 800 erhält man den Wert 65, welcher der Anzahl der in jener Woche geschlossenen eVDs entspricht.
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Die aufgezeigte Relation der Beträge deutet darauf hin, dass der Angeklagte H. über die Verwendung eines von Hintermännern des Geschehens zur Verfügung gestellten (oder zumindest zugesagten) Betrags von 800 € pro „Bier-Lkw“ Buch geführt hat: Was die erwähnten zweigeteilten Auflistungen angeht, spricht vieles dafür, dass es sich bei den Zahlen (oder besser: Beträgen) „über dem Strich“ um Ausgaben zu handeln, die H. „vorab“ in Abzug gebracht hat; einzelne verständliche Notizen legen dies nahe („Halle“, „Konto“, „Straf“, „Anvalt“), hinsichtlich der übrigen Begriffe lässt sich dies nur im Kontext annehmen („Rizel“, „Zakis“, „Ali“, „Yol“, „Aksik“ u.a.). Rein rechnerisch zeigt sich, dass stets ein „Restbetrag“ in gleichbleibender Weise „unter dem Strich“ verteilt wurde, nämlich dergestalt, dass eine bestimmte Summe auf „F - D“ und jeweils (überwiegend exakt berechnet) ein Viertel dieser Summe auf weitere (mit Kürzeln bezeichnete) „Positionen“ entfiel (Beispiele: Unter dem 14.03.2016 sind „27200“ für „F - D“ und je „6800“ für „L“, „R“, „M“ und „Mus“ eingetragen; unter dem 27.03.2016 sind „22500“ für „F - D“ und je „5625“ für „R“, „L“, „Mus“ und „M“ notiert; zum 24.04.2016 finden sich „30.900“ für „F - D“ und je „7.725“ für „Mus“, „Lom“, „Ras“ und „M“; unter dem 12.05.2016 sind „25300“ für „F - D“ und je „6325“ für „R“, „M“, „Mus“ und „L“ vermerkt; unter dem 01.06.2016 sind „20700“ für „F - D“ und je „5175“ für „Mus“, „Lom“, „R“ und „M“ notiert). Die Überlegung, dass es hier um eine Buchführung über feste „Anteile“ verschiedener Personen an dem „Restbetrag“ geht, der sich nach Abzug gewisser Ausgaben vom „Nav(as)“-Betrag ergibt, wird noch dadurch verstärkt, dass der Angeklagte H. bei der ersten Eintragung (auf dem Kalenderblatt vom 01.02.2016) die Positionen „unter dem Strich“ mit einem großen Prozentzeichen („%“) überschrieben hat. Das Kürzel „F - D“, das diejenige Position kennzeichnet, auf die bei den Eintragungen stets die Hälfte der abschließend prozentual verteilten (als Geldsumme zu verstehenden) „Zahl“ entfiel, deutet in höchst auffälliger Weise auf die Vornamen der beiden Angeklagten H. (…) und Ha. (…) hin.
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Die Einlassung des Angeklagten H., wonach er in seinem Kalender bloß Aufzeichnungen zu einem russischen Kartenspiel vorgenommen habe, ist eine offensichtliche Schutzbehauptung. Die vorstehenden, von der Kammer (nach internen „Entschlüsselungsanläufen“) in die Hauptverhandlung eingebrachten Überlegungen waren insoweit „neu“, als - ungeachtet der von Beginn an bestehenden Verdachtsmomente - zuvor weder der Zollfahndung noch der Staatsanwaltschaft noch der 12. Strafkammer (im ersten Durchlauf) eine plausible Erklärung der Eintragungen im Kalender gelungen war. Dies hatte zur Folge, dass man den Angeklagten H. im ersten gerichtlichen Durchgang und in den Urteilsgründen in diesem Punkt im Ergebnis „in Ruhe gelassen“ hatte. Vor diesem Hintergrund berief er sich in der neuen Hauptverhandlung schon anlässlich der Vernehmung des ersten Zeugen (D.) wieder darauf, dass der Kalender lediglich „spielerische“ Eintragungen enthalte, die in keinerlei Zusammenhang zu den Anklagevorwürfen stünden. Später hat er dies dahingehend zu erläutern versucht, dass er sich regelmäßig mit Bekannten getroffen habe, um mit ihnen ein bestimmtes - kompliziertes - russisches Kartenspiel zu spielen, bei dem man über Wochen hinweg eine Vielzahl von einzelnen Partien austrage und dabei hohe Punktwerte fortführe, weshalb jemand - und dies sei eben er gewesen - alles Wesentliche festhalten müsse. Bei den von ihm mit dem Kürzel „Kat(al)“ vermerkten Zahlen handele es sich ganz einfach um die Anzahl der pro Spieleabend ausgetragenen Partien; die anderen - fünf- und sechsstelligen - Zahlen seien schlicht die aufsummierten Punktwerte; zusätzlich habe er die Verteilung dieser Punktwerte auf die einzelnen Mitspieler aufgeschrieben, deren Namen er jeweils abgekürzt habe.
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Auch auf schrittweisen Vorhalt seiner Eintragungen, des zeitlich begleitenden Telefon- und SMS-Verkehrs mit dem Angeklagten Ha., der Erkenntnisse zu der jeweiligen Anzahl der kalenderwöchentlich geschlossenen eVDs sowie aller oben wiedergegebenen Überlegungen der Kammer zu den Zusammenhängen ist der Angeklagte H. bei seiner Einlassung geblieben. Die monatelange Koinzidenz der Anzahl der pro Woche bei der F. GmbH vermeintlich vorgefahrenen Lkws mit der (vermeintlichen) Anzahl der gespielten Partien eines Kartenspiels hat er als reinen Zufall abgetan. Dass es sich bei dem Zusatz „PAV“ um eine Abkürzung (einer aserbaidschanischen Umschreibung für die deutsche Biersteuer) handeln solle, hat er mit der (bloßen) Begründung zurückgewiesen, dass er zwischen den Buchstaben ja keine Punkte gesetzt habe, wie es bei einer Abkürzung doch zu erwarten gewesen wäre. Eine irgendwie geartete eigene Erläuterung des Zusatzes „PAV“ hat der Angeklagte H. indes nicht angeboten. Die Buchstabenkombination „F - D“ habe, so H. weiter, nichts mit dem Angeklagten Ha. zu tun; mit dem „F“ habe er zwar tatsächlich sich selbst gemeint, das „D“ stehe dagegen für einen „Dennis“ oder einen „Dimitri“ (was er im Nachhinein nicht genau erinnere) und rühre daher, dass man sich bei dem in Rede stehenden russischen Kartenspiel unter bestimmten Umständen die Punkte zusammen mit einem „Partner“ gutschreiben lassen könne.
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Für die Kammer steht in der Gesamtbetrachtung außer Frage, dass der Angeklagte H. in seinem Kalender als „Buchhalter“ der Ereignisse die Zahlen und Daten der fiktiven Bierlieferungen zusammengetragen, die diesbezüglich von der F. GmbH zu entrichtenden (von den Hintermännern des Geschehens vorzuschießenden oder zu erstattenden) Steuern notiert, die von den Hintermännern ihm und weiteren Beteiligten darüber hinaus „geschuldeten“ Geldsummen (für bestimmte Ausgaben und für die „Entlohnung“) festgehalten sowie die Pro-Kopf-Verteilung der Einzelbeträge nach festen Quoten niedergeschrieben hat.
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b) Das Tatgeschehen im EU-Ausland
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Die Feststellungen zur Hinterziehung von Biersteuer im EU-Ausland durch unbekannte Täter beruhen im Wesentlichen auf den Angaben des Zeugen D. und der Zeugin Sch Davon ausgehend hat die Kammer in der Gesamtschau mit den äußeren Umständen des Tatgeschehens in … auf das zugrunde liegende Auslandsgeschehen rückgeschlossen.
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(1) Unveränderte Beweissituation im zweiten Rechtszug Der Zeuge D. bekundete, dass seit seiner Vernehmung durch die 12. Strafkammer keine weiteren bzw. „neuen“ Erkenntnisse zum „Bierschmuggel“ in Frankreich (insbesondere durch Verantwortliche der A.) oder in sonstigen EU-Mitgliedstaaten erlangt werden konnten. Solche Erkenntnisse lägen weder auf Seiten des (deutschen) Zolls vor, noch seien entsprechende Mitteilungen von französischer Seite oder von anderen Mitgliedstaaten (über Verbindungsbeamte oder im Rechtshilfeweg) eingegangen.
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Die Kammer musste sich daher (auch) im zweiten Rechtszug darauf beschränken, über die bereits vorhandene Erkenntnislage Beweis zu erheben. Sie ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich das Vortatgeschehen nach wie vor (insbesondere in zeitlicher Hinsicht) nicht in allen Einzelheiten aufklären lässt (dazu unter D.II.2.b (2)).
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Gleichwohl ist die Kammer, wie schon das in seiner diesbezüglichen Schlussfolgerung unbeanstandet gebliebene Erstgericht, in der Gesamtschau der Feststellungen zum Scheinbetrieb des Biersteuerlagers in … zu der sicheren Überzeugung gelangt, dass dessen (aufwendige) Finanzierung nur Sinn macht, wenn die Vortäter die Möglichkeit haben, real existierendes Bier andernorts unversteuert aus dem Verfahren der Steueraussetzung zu entnehmen und - aufgrund der in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterschiedlich hohen Biersteuer-Sätze - gewinnbringend zu veräußern (dazu unter D.II.2.b (3)).
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(2) Beweislage zum Auslandsgeschehen (a) Der Zeuge D. bekundete (…)
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Wo das gegenständliche Bier tatsächlich hergekommen und wohin es geliefert worden sei, hätten weder die Ermittlungen der französischen Behörden noch diejenigen des (deutschen) Zolls ergeben. Ein diesbezüglich an die britischen Behörden gestelltes Rechtshilfeersuchen sei bis zuletzt unbeantwortet geblieben.
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(b) Die Zeugin Sch bekundete (…)
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(3) Schlussfolgerungen aus dem „Bierschmuggel“-Phänomen (a) Der Zeuge D. hat zu den kriminalistischen Erfahrungen auf Seiten des Zolls im Zusammenhang mit dem Scheinbetrieb von Steuerlagern für Bier bekundet, zu dem damit regelmäßig in Verbindung stehenden „Schmuggel“ gebe es seit Jahren europaweite Erkenntnisse. Auch im Bundesgebiet habe es Fälle dieser Art gegeben, in Bayern etwa im Raum Hof und Würzburg. Das Kriminalitätsphänomen zeichne sich im Wesentlichen dadurch aus, dass Bier innerhalb eines EU-Mitgliedstaats (z.B. Frankreich) faktisch aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommen und „schwarz“ in einen Mitgliedstaat mit höherer Biersteuer (z.B. Großbritannien) geschmuggelt werde. Um diesen Vorgang abzudecken, insbesondere die aufgrund der Entnahme aus dem Steueraussetzungsverfahren entstehende Biersteuer zu „sparen“, werde fingiert, das Bier sei in einen anderen Mitgliedstaat mit niedrigerer Biersteuer (z.B. Deutschland) geliefert und dort in den steuerrechtlich freien Verkehr gebracht worden. Deutschland biete sich als vermeintlicher Zielort des Bieres, an dem die Steuer - zur Wahrung des Anscheins der Legalität - tatsächlich entrichtet werde, deshalb an, weil dort im europaweiten Vergleich die fast niedrigsten Verbrauchsteuersätze gälten.
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Bezogen auf den vorliegenden Fall habe man seitens des Zolls daher zu Beginn der Ermittlungen die These aufgestellt, das gegenständliche Bier sei entweder in Frankreich in den steuerrechtlich freien Verkehr übernommen oder nach Großbritannien verbracht worden. Beide Alternativen seien „lukrativ“, denn in Frankreich sei der Biersteuersatz in etwa dreimal so hoch wie in Deutschland, in Großbritannien sogar in etwa zehnmal so hoch. Durch die Scheinlieferung des Bieres nach Deutschland habe aus Tätersicht die Differenz zwischen der gezahlten deutschen Biersteuer und der höheren ausländischen Biersteuer „eingespart“ werden können.
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(b) Die Kammer hat vor diesem Hintergrund - in der Gesamtschau sämtlicher das Fallgeschehen ausmachender Umstände sowie unter der (vorliegend nicht widerlegten) Grundannahme wirtschaftlichen bzw. gewinnorientierten Verhaltens im (gerade auch „kriminellen“) Geschäftsverkehr bzw. beim, wie hier, Einsatz hoher (Bar-)Geldbeträge - nachstehende Schlussfolgerungen gezogen:
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(aa) Das gegenständliche Bier hat in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit höherer Biersteuer als in Deutschland real existiert, befand sich im Verfahren der Steueraussetzung und nahm einen von den im EMCS gemachten Eingaben abweichenden Lieferweg.
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Nach sicherer Überzeugung (auch) der Kammer lässt sich der im festgestellten Umfang fingierte Betrieb eines Steuerlagers für Bier in … nur so kriminalistisch wie auch wirtschaftlich „sinnvoll“ erklären.
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Der hiergegen von der Verteidigung vorgebrachte Einwand, der Scheinbetrieb des Biersteuerlagers könne ebenso gut zum „Abdecken“ anderer krimineller Vorgänge, wie z.B. des Einschleusens von Ausländern durch den Eurotunnel nach Großbritannien (auf der Ladefläche von vermeintlichen Bier-Lkws), gedient haben, ist nach Überzeugung der Kammer hier nicht durchgreifend. Zum einen erschließt sich nicht, inwiefern eine (unterstellte) Schleusertätigkeit nach Großbritannien durch ein fingiertes Steuerlager für Bier in … erleichtert bzw. (besser) verschleiert hätte werden können. Zum anderen wäre Bier als europaweit verbrauchsteuerpflichtiges und daher im grenzüberschreitenden Warenverkehr durch die Mitgliedstaaten engmaschig überwachtes Wirtschaftsgut aus Tätersicht keine geeignete Tarnladung. Wegen der daraus resultierenden erhöhten Entdeckungsgefahren werden in „Schmuggelfällen“ jeder Art (auch beim „Menschenschmuggel“) nach der forensischen Erfahrung der Kammer gerade keine verbrauchsteuerpflichtigen Güter als „offizielle“ Ladung ausgewählt.
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(bb) Das Bier wurde entweder (zum Teil) im Entnahmestaat oder (zum Teil) in einem anderen EU-Mitgliedstaat mit höherer Biersteuer als im Entnahmestaat gewinnbringend veräußert.
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Die Kammer hat sich aus den vorgenannten Gründen des Weiteren - insbesondere mit Blick auf die von den Vortätern für den Scheinbetrieb des Steuerlagers in … aufgewendeten erheblichen finanziellen Mittel - sicher davon überzeugt, dass das gegenständliche Phänomen des „Bierschmuggels“ auch die Veräußerung des Bieres mitumfasste. Der sich daraus für die Vortäter ergebende wirtschaftliche Vorteil überstieg die zum Scheinbetrieb des Biersteuerlagers in … aufgewendeten Gelder.
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Der Einwand der Verteidigung, es könne und dürfe nicht die Wirtschaftlichkeit der Unternehmung der Hintermänner den (unterstellten) Ausgangspunkt der Überlegungen bilden, verfängt nicht. Die Verteidiger konnten für ihre Überlegungen, dass es Gründe für eine bewusste Inkaufnahme von wirtschaftlichen Verlusten (durch Entrichtung der „eigentlich“ nicht geschuldeten deutschen Biersteuer) geben könne, keine plausible Geschehensvariante anführen. Eine solche vermochte und vermag auch die Kammer sich nicht auszudenken. Insbesondere ist die insoweit von der Verteidigung einzig ausdrücklich angestellte Überlegung nicht tragfähig, aus dem Gesamtgeschehen resultierende Verluste (z.B. bei einer Lieferung des Bieres nach Rumänien, wo ebenfalls nur eine geringe Verbrauchsteuer auf Bier erhoben werde) könnten von den Vortätern zur Erreichung anderer, nicht ökonomischer Ziele bewusst in Kauf genommen worden sein; beispielsweise könne, wie beim Rauschgiftschmuggel, die Verschleierung der Beteiligten und von Strukturen im Vordergrund gestanden haben. Solches ergibt nach Überzeugung der Kammer keinen Sinn. Denn der (auch grenzüberschreitende) Vertrieb von Bier ist, anders als etwa derjenige von Rauschgift, legal. Hier gibt es im Ausgangspunkt - also für sich genommen - nichts zu verschleiern, außer im (gewinnorientierten) Hinterziehungs- bzw. „Schmuggelfall“.
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(cc) Die unregelmäßige Entnahme des Bieres aus dem Steueraussetzungsverfahren erfolgte zeitlich vor, spätestens aber zeitgleich mit der fingierten Lieferung nach Deutschland.
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Die Kammer hat auch die Möglichkeit gesehen und in ihre Überzeugungsbildung miteinbezogen, dass die Entnahme des Bieres aus dem Steueraussetzungsverfahren (theoretisch) erst nach den fingierten Belieferungen an die F. GmbH erfolgt sein könnte. Sie hat diese Variante indes im Rahmen einer Gesamtwürdigung sämtlicher Tatumstände im vorliegenden Fall verworfen, weil ein solches Vorgehen aus Tätersicht sehr (und zudem unnötig) riskant gewesen wäre. Denn wäre bei einer Kontrolle (wie z.B. bei der A. in Frankreich geschehen) ein zu hoher Lagerbestand aufgedeckt worden, hätte hierfür im Ergebnis „doppelt“ Biersteuer gezahlt werden müssen (einmal in Deutschland im Zuge des Scheinbetriebs des Steuerlagers in … und ein weiteres Mal bei der Überführung des am tatsächlichen Lagerort aufgedeckten Mehrbestands in den steuerrechtlich freien Verkehr). Außerdem hätte das Risiko bestanden, neben dieser finanziellen „Doppelbelastung“ sofort in den Fokus der Steuer- und Ermittlungsbehörden zu geraten.
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3. Subjektive Tatseite
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Den Feststellungen zum (bedingten) Vortat-Vorsatz der Angeklagten Ha. und H. liegt eine Gesamtwürdigung sämtlicher Tatumstände, insbesondere betreffend die sich ab Februar 2016 summierenden „Unstimmigkeiten“ beim Betrieb des Biersteuerlagers in …, zugrunde. Davon ausgehend hat die Kammer den (spätesten) Zeitpunkt des Vorliegens des Vortat-Vorsatzes unter Anwendung des Zweifelssatzes bei beiden Angeklagten (d.h. zugunsten des H.) einheitlich bestimmt. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass sich der (geständige) Angeklagte Ha. auf Vorhalt der nachbenannten Umstände angesichts des Zeitablaufs lediglich nicht mehr in der Lage sah, einen ganz konkreten Zeitpunkt anzugeben, ab dem er mit der Möglichkeit des in Rede stehenden kriminellen Tuns der „Auftraggeber“ gerechnet, dennoch weitergemacht und sich dabei mit einem solchen „Hintergrund“ seines eigenen Tuns - wie er sagte: aus Rücksicht auf seine Verbindungen zur Familie H., aus Gründen der vorrangigen Beanspruchung durch seine anderweitige Berufstätigkeit, aus Sorge um eine eigene Haftungsverstrickung (als Geschäftsführer) bei Auftreten von „Problemen“ und nicht zuletzt aus finanziellen Interessen - billigend abgefunden habe. Mit Blick auf den Angeklagten H. spricht zwar einiges dafür, dass er über seine Kontaktpersonen in den „Hintergrund“ des Geschehens eingeweiht war. Dennoch nimmt die Kammer in Ermangelung einer ausreichend belastbaren Beweislage an, dass auch er - wie der Angeklagte Ha. - das Vortatgeschehen nur als möglich erkannt und den entsprechenden „Hintergrund“ seines eigenen Tuns billigend in Kauf genommen hat. Im Übrigen hat die Kammer auch beim Angeklagten H. - ungeachtet der naheliegenden Überlegung, dass er ausreichenden Anlass hatte, jedenfalls früher als der Angeklagte Ha. seine Schlüsse in Richtung krimineller Aktivitäten seiner „Auftraggeber“ zu ziehen - den maßgeblichen Zeitpunkt für die „bedingte Bösgläubigkeit“ wie beim Angeklagten Ha. mit Anfang Februar 2016 angesetzt.
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(1) Bei den genannten „Unstimmigkeiten“ handelt es sich insbesondere um folgende, beiden Angeklagten bekannte Aspekte des Tatgeschehens:
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(aa) Der Anmeldung des Steuerlagers wurde, wie der Angeklagte Ha. geschildert hat, ein nur lückenhaft ausgefüllter Verbrauchsteuer-Fragebogen beigegeben. Eine Beantwortung der zahlreichen nicht oder nicht erschöpfend beantworteten Fragen zum (beabsichtigten) Betrieb des Biersteuerlagers erfolgte durch den Angeklagten H., der in Kontakt mit den „Auftraggebern“ stand, nicht.
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(bb) Das Lagersteuerbuch, in dem der tatsächliche Bestand des Biersteuerlagers hätte laufend dokumentiert werden müssen, wurde von beiden Angeklagten trotz der gegebenen „Formalitäten-Dichte“ des Steueraussetzungsverfahrens wissentlich nicht ausgefüllt. In dem Buch wurde, wie vom Angeklagten Ha. auf Vorhalt bestätigt, keine einzige Eintragung vorgenommen.
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(cc) Beiden Angeklagten (hinsichtlich des Angeklagten H. hat die Kammer auch insofern den Zweifelssatz zur Anwendung gebracht) war spätestens ab Anfang Februar 2016 bewusst, dass die laut EMCS von der französischen A. an die F. GmbH durchgeführten Bierlieferungen tatsächlich nicht erfolgten. Die diesbezügliche Überzeugungsbildung der Kammer fußt in zeitlicher Hinsicht insbesondere darauf, dass laut EMCS allein innerhalb der ersten Woche des Anklagezeitraums, d.h. in der Zeit vom 28.01.2016 bis 04.02.2016, bereits 43 Bier-Lkws im Steuerlager hätten ankommen und (in welcher Form auch immer) logistisch bearbeitet werden müssen, davon zudem fünf an einem (einzelnen) Sonntag, nämlich am 03.02.2016. Gleichwohl wurde, wie insbesondere der Angeklagte Ha. angegeben hat, keiner dieser Lkws tatsächlich abgefertigt; vielmehr blieb der Lagerbestand - abgesehen von der bereits zuvor eingebrachten „Testlieferung“ (Zeuge Y.) - durchweg unverändert. Auch die vom Angeklagten H. in diesem Zusammenhang anfänglich gegebene Erklärung, das Umladen sei bei einem Rastplatz erfolgt, ist angesichts der schieren Menge der Lkws und des damit verbundenen Aufwands offenkundig nicht nachvollziehbar und indiziert daher zusätzlich in seiner Person das Vorliegen einer entsprechenden Kenntnis davon, dass die in das EMCS eingegebenen Bierlieferungen in Wirklichkeit nicht stattfinden (und auch nicht sollten).
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(dd) Die anklagegegenständlichen eVDs wurden von unbekannten (ersichtlich eigene Interessen verfolgenden) Dritten geschlossen und damit der - tatsächlich nicht erfolgte - Eingang des Bieres im Steuerlager gegenüber dem Hauptzollamt wahrheitswidrig bestätigt.
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(ee) Der Inhalt der (von Ha. in Absprache mit H. ausgestellten, an H. übergebenen und von diesem unterschrieben und gestempelt zurückgebrachten) Abholscheine war sowohl in Bezug auf den Abholort (Steuerlager der F. GmbH) als auch mit Blick auf den Abholgegenstand (Ladung der betreffenden Lkws laut EMCS) offensichtlich unzutreffend. Zudem wurde jeweils durch nur eine einzelne Person die einwandfreie Prüfung und Übernahme der Ware mehrerer Lkws bestätigt.
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(ff) Im Namen der F. GmbH konnte ungeachtet des Umstands, dass keine logistische Dienstleistung erbracht wurde, pro geschlossenem eVD (bzw. pro Lkw) eine „Logistikpauschale“ in Höhe von 400 € gegenüber der in Frankreich ansässigen A. abgerechnet werden. Im Ergebnis handelte es sich dabei offenkundig um die Entlohnung für das „bloße“ Ausstellen von (in erster Linie aus Sicht der A.) verbrauchsteuerrechtlich relevanten, indes inhaltlich unzutreffenden Papieren (z.B. allein laut den Rechnungen vom 29.01.2016 betreffend 14 Lkws und vom 30.01.2016 betreffend 10 Lkws in der Summe 9.600 €).
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(gg) Sowohl die in Deutschland (vermeintlich) angefallene Biersteuer als auch die Logistikpauschale wurden demgemäß auch von „den Franzosen“ bezahlt, obschon das Bier (auf dem Papier) von „den Engländern“ in Gestalt der W. Ltd. abgeholt wurde.
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(hh) Auf dem Konto der F. GmbH gingen (ausschließlich) Bargeldbeträge ein (im Januar 2016 bereits 285.450 €), die vom Angeklagten H. von den „Auftraggebern“ in Empfang genommen wurden, was H. (erneut) mit einer nicht nachvollziehbaren „Ausrede“ (schlechte Erfahrungen mit früheren Gläubigern) begründet hatte. Denn im Falle des Schließens der jeweiligen eVDs durch unbekannte Dritte im Namen der F. GmbH war diese unabhängig von der Art der Zuwendung der finanziellen Mittel für den Betrieb des Biersteuerlagers (in bar oder - wie im Geschäftsverkehr schon aus Gründen der internen wie externen Nachvollziehbarkeit und Beweisbarkeit üblich, zumal bei derart „großen“ Summen - per Überweisung) bereits in der steuerlichen Haftung für das (vermeintlich) dorthin gelieferte Bier.
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(2) Speziell beim Angeklagten H. tritt noch bestätigend hinzu, dass dieser in seinem Taschenkalender ab Anfang Februar 2016 die „inkriminierte Buchführung“ des fingierten Biersteuerlagers begann.
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(3) Die Kammer ist nach alledem zu der sicheren Überzeugung gelangt, dass bei beiden Angeklagten spätestens ab Anfang Februar 2016 der festgestellte (mindestens bedingte) Vortat-Vorsatz gegeben war.
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b) Begünstigungsvorsatz/-absicht
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Nach dem dargestellten Beweisergebnis steht fest, dass sich die Angeklagten Ha. und H. darüber im Klaren waren, dass sie das Steuerlager nur zum Schein betrieben. Besonders deutlich kommt dies beispielsweise auch in der (verlesenen) SMS-Korrespondenz der Angeklagten vom 01./02.06.2016 zum Ausdruck, welche die Bereinigung einer (erneuten) Überschreitung der Frist für das Schließen von eröffneten eVDs durch die Vortäter zum Gegenstand hat (Ha.: „Haben wieder zwei mal Fristüberschreitung im System.“; H.: „Wie???“; Ha.: „Man kann da gleich eine Erklärung im System eingeben. Ist sicher besser als wieder auf einen Brief zu warten.“; H.: „Tu des bitte. Aber was?“; H.: „LKW Stau????“; Ha.: „Müssen wir morgen mal mit Auftraggeber besprechen.“; H.: „Ok. Letzte Woche 85. und 30-31 wie file“; Ha.: „Glaube 47, ist schon aus. Schauen wir morgen zusammen an.“; H.: „Ok“).
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Auch war beiden Angeklagten nach sicherer Überzeugung der Kammer bewusst, dass der „Gewinn“ der Vortäter aus den im Ausland begangenen Biersteuervergehen höher war als der für den Scheinbetrieb des … Biersteuerlagers aufgewendete Bargeldbetrag und dass sie die Vortäter durch ihr Tun bei der Verschleierung der Auslandstat (samt ihrer „Früchte“) unterstützten. Hierauf kam es den Angeklagten Ha. und H. nach sicherer Überzeugung der Kammer auch an, weil sie nur auf diese Weise ihre eigenen mit dem Scheinbetrieb des Biersteuerlagers verbundenen wirtschaftlichen Interessen (insbesondere: Logistikpauschale; Erstattung der Untermiete für die Lagerhalle) erreichen konnten.
80
Aufgrund des festgestellten Sachverhalts haben sich die Angeklagten Ha. und H. - bei der auch insoweit gebotenen Anwendung des Zweifelssatzes (dazu unter E.III.) - eines (einheitlichen) Vergehens der gemeinschaftlichen Begünstigung von unbekannten Tätern einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begangenen Steuerhinterziehung schuldig gemacht (§ 369 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 370 Abs. 1, Abs. 6, Abs. 7 AO, § 257 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB).
81
Indem die Angeklagten, arbeitsteilig handelnd, zum Schein den Betrieb eines Biersteuerlagers (der F. GmbH) ins Werk setzten, obwohl sie die Möglichkeit erkannten und (im Rechtssinne) billigten, dass von den Vortätern im EU-Ausland eine (gem. § 370 Abs. 6 u. Abs. 7 AO der deutschen Strafgewalt unterliegende) Verkürzung ausländischer Biersteuer begangen wurde, sicherten sie diesen absichtlich - um, was ausreichend ist (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 257 Rn. 10), auch eigene wirtschaftliche Ziele erreichen zu können - die unmittelbar aus deren (auf diese Weise verschleierten) Hinterziehungstat resultierenden Vorteile. Diese bestanden darin, dass die Vortäter über unregelmäßig aus dem Steueraussetzungsverfahren entnommenes, wirtschaftlich „nur“ zum deutschen Steuertarif versteuertes Bier verfügten, welches - im Sinne einer dauerhaft in ihrem Vermögen vorhandenen Steuerersparnis (Differenz zwischen hoher ausländischer Biersteuer und vergleichsweise niedrigen Kosten für den Scheinbetrieb des Biersteuerlagers in Deutschland) - in der Folge im Bestimmungsland unter Aufschlag der vermeintlich (aus Sicht der dortigen Abnehmer) entrichteten dortigen Biersteuer abgesetzt werden konnte, ohne ein Eingreifen der (ausländischen) Finanzbehörden befürchten zu müssen (s. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 11.04.2013 - 2 StR 406/12, NStZ 2013, 583, unter 3.).
82
I. Steuererklärungspflicht im EU-Ausland
83
Hinsichtlich der Hinterziehung von Biersteuer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union war nicht feststellbar, wo diese begangen wurde bzw. nach welchem (ausländischen) innerstaatlichen Recht sich die aus der unregelmäßigen Entnahme des Bieres aus dem Verfahren der Steueraussetzung resultierende Steuererklärungspflicht im Sinne von § 370 Abs. 1 Nrn. 1, 2 AO konkret richtete (vgl. Art. 7 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie 2008/118/EG; im Folgenden: VerbrStSystRL). Die VerbrStSystRL ist indes in allen (im Tatzeitraum noch) 28 EU-Mitgliedstaaten umgesetzt worden. Die sich aus Art. 9 VerbrStSystRL ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erhebung harmonisierter Verbrauchsteuern, wozu gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. b VerbrStSystRL i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Alkoholsteuer-Struktur-RL 92/83/EWG und Art. 2 Alkoholsteuersatz-RL 92/83/EWG auch die Biersteuer gehört, setzt eine entsprechende Erklärungspflicht im Fall der (unregelmäßigen) Entnahme aus der Steueraussetzungsverfahren voraus. Für das Bestehen einer solchen, von den Vortätern im Mitgliedstaat ihres Tätigwerdens bewusst verletzten Pflicht zur Abgabe einer (wahrheitsgemäßen) Steuererklärung sprechen zudem - eine „Kontrollüberlegung“ der Kammer - die Verschleierung des tatsächlichen Verbleibs des Bieres durch „Einschaltung“ der F. GmbH sowie die Phänomenologie des gegenständlichen, europaweit zu beobachtenden „Bierschmuggels“ (Zeuge D.).
84
Wie die betreffende Steuererklärungspflicht nach dem einschlägigen ausländischen Recht im Einzelnen ausgestaltet war, bedurfte angesichts der gebotenen Anwendung des Zweifelssatzes zur Frage der Vortatbeendigung (E.II.2.) keiner weiteren Aufklärung (z.B. durch Gegenüberstellung der Rechtslage in allen Mitgliedstaaten mit einer im Vergleich zu Deutschland höheren Biersteuer). Dies betrifft insbesondere die jeweiligen Erklärungsfristen, denn die Kammer war gehalten, zu Gunsten der Angeklagten zu unterstellen, dass die Hinterziehungstat(en) der Vortäter im Zeitpunkt der Tat der Angeklagten bereits materiell beendet war(en). Nicht vertieft zu werden brauchte außerdem, ob die Vortäter eine (oder mehrere) inhaltlich unrichtige Biersteuererklärung(en) abgegeben oder die Abgabe einer solchen (inhaltlich zutreffenden) Erklärung pflichtwidrig unterlassen hatten, da in § 370 Abs. 1 Nrn. 1 u. 2 AO beide Alternativen unter Strafe gestellt sind.
85
II. Anwendung des Zweifelssatzes
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1. Anzahl der Vortaten
87
Die Kammer ist, da keine näheren Feststellungen zur der/den Tat(en) der unbekannten Täter getroffen werden konnten, davon ausgegangen, dass sich jene in mindestens einem Fall eines Vergehens der Hinterziehung von Biersteuer im EU-Ausland schuldig gemacht haben (§ 370 Abs. 1, Abs. 6 u. Abs. 7 AO). Irgendwelche weiteren Feststellungen, die tragfähige Rückschlüsse auf die Anzahl der von Vortätern in einem anderem Mitgliedstaat der Europäischen Union begangenen Hinterziehungstaten zugelassen hätten, konnten weder getroffen werden, noch konnten solche Indiztatsachen, für deren Vorliegen die Hauptverhandlung keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht hat, nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ unterstellt werden. Denn bei dem Zweifelssatz handelt es sich nicht um eine Beweis-, sondern um eine Entscheidungsregel (st. Rspr., z.B. BGH, Urt. v. 21.10.2008 - 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, unter II.2.; Fischer, a.a.O., § 1 Rn. 34; jew. m.w.N.). Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend, auch zur sprachlichen Vereinfachung der Darstellung, nur von einer einzigen Haupt- bzw. Vortat gesprochen.
88
2. Materielle Beendigung der Vortat
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Da sich aufgrund der Beweisaufnahme auch im zweiten Rechtszug in zeitlicher Hinsicht nicht hat näher eingrenzen lassen, ob die Hinterziehungstat der Vortäter im Zeitpunkt des Tatgeschehens in … bereits materiell beendet war, hat die Kammer beide für sich gesehen jeweils nicht ausschließbaren Sachverhaltsalternativen einander vergleichend gegenübergestellt.
90
a) 1. Alternative: Beihilfe zur Hinterziehung von Biersteuer im EU-Ausland Unterstellt, diese im EU-Ausland begangene Hinterziehung von Biersteuer wäre noch nicht beendet gewesen, hätten sich die Angeklagten Ha. und H. aufgrund des festgestellten Sachverhalts jeweils der (einheitlichen; siehe nachfolgend unter 3.) Beihilfe zu dieser Tat schuldig gemacht (§ 370 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 6, Abs. 7 AO, § 27 Abs. 1 StGB; insoweit genügte bereits die Hilfe bei einer die Tat vorbereitenden Handlung, vgl. Fischer, a.a.O., § 27 Rn. 5). Dabei wäre zunächst zu berücksichtigen gewesen, dass die Beihilfetat beider Angeklagter für sich gesehen als besonders schwerer Fall im Sinne von § 370 Abs. 3 AO - mit einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe ab 6 Monate bis zu 10 Jahre - hätte qualifiziert werden müssen (zu diesem Maßstab zuletzt BGH, Urt. v. 23.10.2018 - 1 StR 454/17, BGHSt 63, 282, unter II.1.; Jäger in: Klein, AO, 14. Aufl., § 370 Rn. 277b; jew. m.w.N.). Die Tat beider Angeklagter hätte zum einen, aufgrund der Höhe des verschleierten (ausländischen) Gesamtsteuerschadens von mindestens 3 Mio. €, das Regelbeispiel in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO erfüllt. Ungeachtet dessen hätte sich die Tat - zum anderen - bei der im Rahmen einer Gesamtwürdigung vorgenommenen Abwägung aller Zumessungstatsachen (auch unter Berücksichtigung des hohen Gewichts der Haupttat) nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle so weit abgehoben, dass eine Anwendung des Ausnahmestrafrahmens jeweils angezeigt gewesen wäre. Maßgeblich für die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO) wären nach Wertung durch die Kammer insbesondere die Einbettung des Tatgeschehens in die Aktivitäten einer international operierenden Tätergruppe gewesen, die im großen Stil und mit großer krimineller Energie ein illegales „Bierschmuggel“-System mit dem genannten (sehr hohen) ausländischen Gesamtsteuerschaden betreibt (vgl. BGH, Beschluss vom 22.09.2008 - 1 StR 323/08, wistra 2009, 156, unter II.3.).
91
Der damit gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 StGB gegebene (Ausgangs-)Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Satz 1 AO wäre nach Maßgabe von § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB gemäß § 49 Abs. 1 StGB auf einen solchen von Freiheitsstrafe bis zu 7 Jahre und 6 Monate abzumildern gewesen.
92
Außerdem wäre gemäß § 28 Abs. 1 StGB eine weitere Strafrahmenverschiebung (§ 49 Abs. 1 StGB) auf - im Endergebnis - Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahre und 7 Monate vorzunehmen gewesen, weil nach den getroffenen Feststellungen nicht auszuschließen ist, dass der Vortat ein Unterlassungsfall (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) zugrunde liegt, die Angeklagten Ha. und H. nach dem insoweit maßgeblichen ausländischen Recht selbst aber keine eigene Steuererklärungspflichten hatten (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2018 - 1 StR 454/17, BGHSt 63, 282, unter II.2.).
93
b) 2. Alternative: Begünstigung der genannten Biersteuerhinterziehung Unterstellte man demgegenüber, die im EU-Ausland begangene Vortat sei im Zeitpunkt der Tat der Angeklagten bereits materiell beendet gewesen, käme allein das Anschlussdelikt der (Steuerstraftat-)Begünstigung (§ 369 Abs. 1 Nr. 4 AO, § 257 StGB) mit einem - im Vergleich zur Beihilfe-Alternative - milderen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren in Betracht.
95
Die in einer solchen Konstellation (verschiedene, nicht weiter aufklärbare Sachverhaltsalternativen) gebotene, einer wahldeutigen Verurteilung wegen „Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder Begünstigung“ vorzuziehende Anwendung des Zweifelssatzes ergibt, dass von der für beide Angeklagte mit Blick auf die Obergrenze der jeweiligen Strafrahmen „günstigeren“ Sachverhaltsalternative ausgegangen werden muss (vgl. Fischer, a.a.O., § 1 Rn. 35 m.w.N.). Aus der in § 257 Abs. 3 Satz 1 StGB enthaltenen Subsidiaritätsklausel ergibt sich nichts Abweichendes (vgl. Cramer in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl., § 257 Rn. 31 Fn. 155 m.w.N.; Ebner, HFR 2019, 813, 816).
96
3. Beteiligungsform und Konkurrenzen
97
Die Kammer hat die auf Basis des (konkludent vereinbarten) gemeinsamen Tatplans geleisteten Tatbeiträge der Angeklagten Ha. und H. im Wege einer wertenden Gesamtschau jeweils als mittäterschaftliches Handeln im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB qualifiziert. Aufgrund des bei beiden Angeklagten ausgeprägten hohen Grades an eigenem Interesse am Gelingen der Begünstigungstat, des Umfangs ihrer Tatbeteiligung als objektive Tatherrschaft (beide Angeklagte konnten das Tatgeschehen in ihren jeweils ineinander greifenden Aufgabenbereichen nach „Belieben“ hemmen oder fördern) und dem von ihnen aufgewendeten Willen zur Tatherrschaft erwies sich keiner der Tatbeiträge als „bloße“ Beihilfehandlung zu einer vom jeweils anderen Angeklagten (als Alleintäter) begangenen Begünstigung.
98
Die von den Angeklagten begangene Tat stellte sich aufgrund des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs der festgestellten Tatbeiträge nach natürlicher Lebensauffassung als einheitliches Geschehen und damit als eine einheitliche Begünstigungstat dar.
99
Den im Senatsbeschluss vom 23.01.2019 - 1 StR 450/18 (unter V.) gegebenen Hinweis auf eine mögliche Strafbarkeit der Angeklagten wegen Geldwäsche im Zusammenhang mit den Bargeldabholungen bzw. Einzahlungen und Überweisungen konnte die Kammer aus tatsächlichen Gründen nicht weiter verfolgen, weil weder durch die deutschen oder französischen Ermittlungsbehörden (so der Zeuge D.) noch durch die Kammer hinreichend konkrete Feststellungen zur exakten Herkunft der gegenständlichen Gelder getroffen werden konnten (z.B. aus der Veräußerung des gegenständlichen Bieres). Danach war nicht sicher ausschließbar, dass die Gelder aus weiteren (unbekannten, möglicherweise nicht dem Vortatenkatalog des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB unterfallenden) Quellen der Vortäter stammten.
101
I. Strafrahmenbestimmung
102
Die Kammer hat für die Strafzumessung bei beiden Angeklagten den genannten Strafrahmen der Begünstigung aus § 257 Abs. 1 StGB herangezogen.
103
II. Strafzumessung im engeren Sinne
104
Innerhalb dieses Strafrahmens hat sich die Kammer jeweils insbesondere von folgenden Strafzumessungserwägungen leiten lassen:
106
Zugunsten des Angeklagten Ha. hat die Kammer im Rahmen einer Gesamtwürdigung vor allem dessen geständige Einlassung (in Bezug auf den subjektiven Tatbestand hat sie bei der Strafzumessung keine Abstriche gemacht, weil der Angeklagte sämtliche objektiven Gesichtspunkte eingeräumt hat, aufgrund derer sein Tatvorsatz, insbesondere auch in zeitlicher Hinsicht, erkannt werden konnte), die von ihm gezeigte uneingeschränkte Schuldeinsicht und Reue, sein straffreies Vorleben, seinen sehr eingeschränkten Gesundheitszustand, die aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer der F. GmbH zu erwartende Inhaftungnahme für vom französischen Fiskus geltend gemachte Steueransprüche sowie die Gesamtverfahrensdauer (nebst erlittener … Untersuchungshaft) berücksichtigt.
107
Demgegenüber waren zu Lasten des Angeklagten Ha. insbesondere die Höhe des durch die Tat begünstigten Vorteils der unbekannten Täter sowie der sachliche und zeitliche Umfang der von ihm geleisteten Tatbeiträge in Ansatz zu bringen. Was die Höhe des den Hintermännern gesicherten Vorteils angeht, hat die Kammer in Rechnung gestellt, dass die der Höhe nach unbekannte Ersparnis bezüglich der ausländischen Steuer (in Bezug auf die bei „Auffliegen“ des Geschehens eine komplette Nachforderung drohen würde) mindestens dem Betrag entsprochen haben muss, den die Hintermänner sich den Scheinbetrieb des Biersteuerlagers haben kosten lassen; dieser Betrag kann mit der Summe von 3.344.510 € angesetzt werden, die im Zeitraum ab Februar 2016 auf das Konto der F. GmbH in bar eingezahlt wurde. Die Kammer hat in diesem Zusammenhang nicht verkannt, der „echte Reingewinn“ der Hintermänner nur in der wiederholt thematisierten - als solche wegen der verbleibenden Unklarheiten nicht konkret feststellbaren - Differenz zwischen dem Aufwand für die Beschaffung des Bieres und den Unterhalt des fiktiven Lagers auf der einen Seite und dem im Ausland erzielten Erlös für das Bier auf der anderen Seite gelegen hat und - denkbar - auch deutlich geringer ausgefallen sein kann.
108
Ausgehend von diesen Erwägungen hat die Kammer eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.
109
Die Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden (…).
111
Zugunsten des Angeklagten H. hat die Kammer vor allem die Dauer des Verfahrens einschließlich der erlittenen Untersuchungshaft (…) in die durchzuführende Gesamtwürdigung eingestellt.
112
Zu seinen Lasten musste, wie beim Angeklagten Ha., insbesondere die Höhe des durch die Tat begünstigten Vorteils der unbekannten Täter (mindestens 3.344.510 €, s.o.) gewertet werden.
113
Hinzu traten bei dem Angeklagten H. im Wesentlichen sein strafrechtliches Vorleben (die Kammer hat insoweit freilich nicht verkannt, dass es sich dabei um „Kleinkriminalität“ handelte) sowie das - im Vergleich zum Angeklagten Ha. - deutlich höhere Gewicht des von ihm (H.) mittäterschaftlich geleisteten Tatbeitrags. Der Angeklagte H. war im gegenständlichen „Bierschmuggel“-System auf Seiten der F. GmbH derjenige, der den „Auftrag“ der unbekannten Täter annahm (und damit den Angeklagten Ha. erst in das Tatgeschehen involvierte), mit diesen während der Tatbegehung Kontakt hielt, über die fingierten Warenbewegungen bzw. die finanziellen Seiten des inkriminierten Geschehens Buch führte und (auf dieser Basis) die zur tatsächlichen Aufrechterhaltung des Scheinbetriebs des Biersteuerlagers unbedingt erforderlichen hohen Bargeldbeträge von den Vortätern entgegennahm. Anders als die Tatbeiträge des Angeklagten Ha., der als „ausführendes Organ“ nötigenfalls (z.B. nach einem „Aussteigen“ aus der F. GmbH) durch eine andere Person hätte ersetzt werden können, waren gerade die von erheblicher krimineller Energie geprägten Tatbeiträge des Angeklagten H. für das Gelingen der Begünstigungstat, insbesondere in Gestalt der Entrichtung der deutschen Biersteuer, essentiell.
114
Ausgehend von diesen Erwägungen hat die Kammer in Bezug auf den Angeklagten H. eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet. Sie hält diese Strafe für erforderlich, aber auch ausreichend, um auf den Angeklagten H. einzuwirken und seiner Persönlichkeit gerecht zu werden.
115
Dem Urteil liegt keine Verständigung im Sinne von § 257c StPO zugrunde.
I. Gegen die Angeklagten Ha. und H.
116
Die gegen die Angeklagten Ha. und H. getroffenen Einziehungsanordnungen beruhen jeweils auf § 73 Abs. 1 und § 73c Satz 1 StGB. Aus der im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten Umsatzauflistung zum Konto der F. GmbH bei der Sparkasse … geht hervor, dass von diesem Konto an den Angeklagten Ha. am 31.05.2016 ein Betrag in Höhe von 1.531,63 € mit dem Verwendungszweck „Gehalt“ und an den Angeklagten H. am 04.04.2016, 29.04.2016 und 31.05.2016 Beträge in Höhe von je 2.000 € mit (jeweils) dem Verwendungszweck „Lohn“ abverfügt wurden. Vor dem Hintergrund dessen, dass das Bankkonto ausweislich der Umsatzauflistung im Tatzeitraum allein durch Einzahlungen von „inkriminiertem“, da nach Überzeugung der Kammer von den Vortätern (aus einer unbekannten Vermögensmasse) stammendem, Bargeld gespeist wurde, handelt es sich bei den genannten Zuwendungen ausweislich der genannten Verwendungszwecke um „für“ die rechtswidrige Tat (Begünstigung) erlangte Vermögenswerte (Tatlohn), deren Wert dem jeweils angegebenen Überweisungsbetrag entspricht. An der Anordnung einer diese Geldbeträge übersteigenden Einziehung von Wertersatz war die Kammer - ungeachtet der sich aus der Umsatzauflistung ergebenden Anhaltspunkte für weitere den Angeklagten „durch“ bzw. „für“ die gegenständliche Straftat zugeflossene Vermögenswerte - aufgrund des Verbots der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) gehindert.
117
II. Gegen die Einziehungsbeteiligte
118
Eine Einziehungsanordnung gegen die F. GmbH konnte aus Rechtsgründen nicht ergehen. Zwar hat die Gesellschaft aufgrund der Bargeldeinzahlungen auf ihrem Konto bei der Sparkasse … seit der Einrichtung der Biersteuerlagers Vermögenswerte in Höhe von insgesamt ca. 3,6 Mio. € erlangt. Dabei handelte es sich jedoch nicht um Gelder, die - im Sinne von § 73 Abs. 1, § 73b Abs. 1 Satz 1 StGB - „durch“ die Tat erlangt wurden (Tatbeute). Vielmehr dienten die Bargeldübergaben (nebst nachfolgenden Einzahlungen) zur nicht von den zitierten Einziehungsvorschriften erfassten „bloßen“ Durchführung der Tat (dazu z.B. Eser/Schuster in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 73 Rn. 16 m.w.N.), insbesondere in Gestalt der Deckung der laufenden Kosten für den Scheinbetrieb des Biersteuerlagers (Miete für die Lagerhalle, deutsche Biersteuer, Sicherheitsleistungen an Hauptzollamt etc.).
119
Entsprechendes gilt für die von den Bargeldeinzahlungen (zum Teil) mitumfasste sog. Logistikpauschale in Höhe von 400 € pro eVD bzw. Lkw. Zwar wäre es grundsätzlich denkbar, diesen Vermögenszufluss auf Seiten der F. GmbH als ein „für“ die gegenständliche Tat erlangtes Etwas (Tatlohn) zu qualifizieren. Die (den Fall der Einziehung bei Drittbegünstigten abschließend regelnde) Vorschrift des § 73b StGB erfasst ausweislich ihres Wortlauts indes weder im sog. Vertretungsfall (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) noch im sog. Verschiebungsfall (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) Vermögensgegenstände, die „für“ die Tat erlangt worden sind. Etwas Abweichendes ergibt sich insoweit weder aus der Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 418/16, S. 59 f.) noch aus der Literatur (z.B. Köhler, NStZ 2017, 497, 501/502; Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665 ff.).
120
Auch ein aus den (gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 AO rechtgrundlosen) Biersteuer-Zahlungen herrührender (also „durch“ die Tat erlangter und damit grundsätzlich abschöpfungsgeeigneter) Steuererstattungsanspruch gegen den deutschen Fiskus (Art. 11 Abs. 1 VerbrStSystRL; § 37 Abs. 2 Satz 1 AO) steht der Einziehungsbeteiligten nicht zu. Zwar wären für einen solchen Anspruch die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB einschließlich des Kondiktionsausschlussgrundes gem. § 814 BGB bei Kenntnis der Nichtschuld) weder unmittelbar noch analog anwendbar (vgl. zuletzt FG Bremen, Gerichtsbescheid v. 27.02.2017 - 3 K 17/16 (1), juris, unter V.). Vorliegend greift jedoch die vom Europäischen Gerichtshof im Recht der harmonisierten Verbrauchsteuern entwickelte Rechtsprechung zum unionsrechtlichen Missbrauchsverbot ein, wonach bei - wie hier - betrügerischem oder sonst missbräuchlichem Verhalten der Beteiligten u.a. das Recht auf Steuererstattung zu versagen ist (Nachw. bei BGH, Beschluss vom 20.08.2019 - 1 StR 184/19, juris, unter II.2.a).
121
Eine Einziehung der in bar eingezahlten Gelder als Tatmittel (§§ 74 ff. StGB) scheidet gemäß § 74 Abs. 3 StGB ebenfalls aus (ein Fall des § 74a StGB ist nicht gegeben, insbesondere ist § 375 Abs. 2 AO nicht einschlägig).
122
Kostenentscheidung Für das Revisionsverfahren hat die Kammer wegen des von den Angeklagten Ha. und H. erzielten Teilerfolgs gemäß § 473 Abs. 4 Satz 1 StPO jeweils ein Viertel der Verfahrenskosten und der ihnen entstandenen Auslagen der Staatskasse auferlegt und die Revisionsgebühr entsprechend ermäßigt.
123
Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung in Bezug auf die Angeklagten Ha. und H. auf § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO; in Bezug auf die Einziehungsbeteiligte stützt sie sich auf § 472b Abs. 3 StPO (vgl. Gieg in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl., § 472b Rn. 2; Maier in: Münchener Kommentar zur StPO, 3. Aufl., § 472b Rn. 16 m.w.N.).