Inhalt

VG München, Gerichtsbescheid v. 29.07.2020 – M 6 K 19.2242
Titel:

Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags besteht auch bei Programmkritik fort

Normenkette:
RBStV § 2 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Fragen hins. der Rechtmäßigkeit, insbes. der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags sowie dessen Vereinbarkeit mit dem Europarecht sind höchstrichterlich geklärt. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Zustimmung bzw. Übereinstimmung mit dem Programminhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist für die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags nicht erforderlich. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag (Wohnungsbeitrag), Verfassungsmäßigkeit des RBStV, Programmkritik, Rundfunkbeitrag, Wohnungsbeitrag, Verfassungsmäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 49017

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen im privaten Bereich für seine Wohnung.
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Mit Bescheiden vom … September 2018 und … März 2019 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger für den Zeitraum Januar 2018 bis September 2018 rückständige Rundfunkbeiträge sowie jeweils einen Säumniszuschlag in Höhe von insgesamt 173,50 EUR fest. Die gegen diese Bescheide gerichteten Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2019 zurück.
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Mit beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am … Mai 2019 eingegangenen Schriftsatz erhob der Kläger Klage und beantragt zunächst sinngemäß, den Widerspruchsbescheid aufzuheben. Mit klägerischen Schriftsatz vom … Mai 2019 wurde ein weiterer Festsetzungsbescheid vom … Mai 2019 aufgeführt, in welchem der Beklagte rückständige Rundfunkbeiträge für den Zeitraum Oktober 2018 bis Februar 2019 sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von insgesamt 95,50 EUR festsetzte. Der Kläger beantragte zuletzt,
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„die Festsetzungsbescheide für ungültig zu erklären“.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Bescheide seien rechtswidrig, da er niemals einen Vertrag mit dem Beitragsservice abgeschlossen habe. Die Billigung der Praxis von „automatisch zu Stande gekommenen“ Verträgen durch das Bundesverfassungsgericht sei „himmelschreiendes Unrecht“ und rechtsphilosophisch nicht zu rechtfertigen.
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Der Beklagte beantragte unter Vorlage der Akten,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klage sei bereits unzulässig, soweit sie sich ausschließlich gegen den Widerspruchsbescheid vom 15. April 2019 richte. Des Weiteren ergebe sich die Beitragspflicht aus § 2 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV). Dieser sei ein Gesetz im formalen Sinne im Rang eines Landesgesetzes. Es handle sich mithin nicht um einen Vertrag im Sinne des Zivilrechts, sodass die Grundsätze aus dem Zivilrecht nicht anzuwenden sein.
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In weiteren Schriftsätzen äußert der Kläger umfangreiche Kritik an der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Diese sei tendenziös und werde dem neutralen Informationsauftrag und dem in der bayerischen Verfassung niedergelegten „Anforderungsprofil“ in keiner Weise gerecht. Insbesondere über die Oppositionspartei AfD werde nicht angemessen berichtet. Deshalb müsse der Rundfunkbeitrag als „Zwangsabgabe“ aufgehoben werden.
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Durch Beschluss vom 28. Juli 2020 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen (§ 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-). Die Beteiligten wurden zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten in diesem Verfahren sowie im Verfahren M 6 S 19.2243 ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
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Das Gericht legt den klägerischen Antrag gemäß § 88 VwGO sachdienlich dahingehend aus, dass der Kläger die Aufhebung der drei Festsetzungsbescheide sowie des Widerspruchsbescheides begehrt. Nach § 91 Abs. 1 VwGO wurde auch der Bescheid vom … Mai 2019 Gegenstand des Verfahrens.
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Die so zulässige Klage ist nicht begründet und hat daher keinen Erfolg.
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Die streitgegenständlichen Festsetzungsbescheide des Beklagten vom … September 2018 und … März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2019 sowie der Festsetzungsbescheid vom … Mai 2019 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Die Bescheide sind formell rechtmäßig.
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Insbesondere ist der Beklagte als Landesrundfunkanstalt die im Sinne des § 10 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 RBStV für den Erlass der Festsetzungsbescheide verantwortliche und zuständige Stelle.
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2. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden auch materiell rechtmäßig Rundfunkbeiträge für eine Wohnung sowie Säumniszuschläge festgesetzt. Entgegen der Annahme des Klägers bedarf es keiner vertraglichen Grundlage für die Verpflichtung zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen.
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Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist seit 1. Januar 2013 der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag. Als Inhaber einer Wohnung hat der Kläger für den hier maßgeblichen Zeitraum Rundfunkbeiträge zu zahlen. Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber ein Rundfunkbeitrag in Höhe von 17,50 EUR pro Monat zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt, § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist, § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Kläger wird als Inhaber seiner Wohnung zum Rundfunkbeitrag herangezogen. Im Übrigen sind die Fragen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit, insbesondere der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags sowie dessen Vereinbarkeit mit Europarecht inzwischen höchstrichterlich geklärt (BVerwG, U.v. 18.3.2016 - 6 C 6/15; BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a.; BGH, B.v. 26.7.2018 - I ZB 78/17; EuGH, U.v. 13.12.2018 - C. 492/17, zitiert jeweils nach juris). Dies betrifft auch und gerade die Ausgestaltung als Beitrag (vgl. BVerfG, U.v.18.7.2018 - 1 BvR 1675/16, juris Rn. 59 ff.). Das Gericht sieht keine Veranlassung hiervon abzuweichen. Es sieht insbesondere in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kein „himmelschreiendes Unrecht“.
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Die gegen die Verpflichtung zur Zahlung des Rundfunkbeitrags seitens des Klägers erhobenen weiteren Einwände sind nicht durchgreifend.
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Zwar haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, darauf weist der Kläger zurecht hin, bei der Berichterstattung die anerkannten journalistischen Grundsätze, die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung zu berücksichtigen. Geschähe dies in Bezug auf die Berichterstattung zu einem bestimmten Thema nicht, so würde das den Kläger gleichwohl nicht zur Verweigerung der Zahlung von Rundfunkbeiträgen berechtigen. Vielmehr stünden ihm andere Wege offen, um Abhilfe einzufordern, allen voran die Möglichkeit der Gegendarstellung und Programmbeschwerde nach dem Bayerischen Rundfunkgesetz (Vgl. auch BayVGH, B.v. 30.3.2017 - 7 ZB 17.60 - juris Rn. 8). Eine Zustimmung bzw. Übereinstimmung mit dem Programminhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist jedenfalls für die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags gerade nicht erforderlich (vgl. BayVGH, U.v. 19.6.2015 - 7 BV 14.1707, juris Rn. 35).
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Auch die Festsetzung von Säumniszuschlägen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge - Rundfunkbeitragssatzung - vom 5. Dezember 2016, in Kraft getreten am 1. Januar 2017 (StAnz Nr. 51-52/2016) i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV). Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt. Mit jedem Bescheid kann nur ein Säumniszuschlag festgesetzt werden (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Rundfunkbeitragssatzung).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff ZPO.