Titel:
Keine Aufenthaltserlaubnis einer langfristig Aufenthaltsberechtigten mangels gesichertem Lebensunterhalt
Normenketten:
AufenthG § 2 Abs. 7, § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 19c, § 38a Abs. 1, § 39 Abs. 3
GG Art. 6
Leitsatz:
Für die Beurteilung, ob ein Ausländer den Lebensunterhalt gemäß den Vorgaben des § 5 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 2 Abs. 3 AufenthG bestreiten kann, hat eine Prognoseentscheidung unter Einbeziehung aller bekannten Umstände hinsichtlich der Frage zu erfolgen, ob der Lebensunterhalt voraussichtlich auf Dauer aus eigenen und „unschädlichen“ öffentlichen Mitteln bestritten werden kann. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufenthaltserlaubnis für langfristig Aufenthaltsberechtigte, Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung, Aufenthaltserlaubnis, langfristig Aufenthaltsberechtigte, Erlaubnis zum Daueraufenthalt EU, Italien, konkrete Beschäftigungsmöglichkeit, Sicherung des Lebensunterhalts, Marokko
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 01.06.2021 – 10 ZB 21.941
Fundstelle:
BeckRS 2020, 48664
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die am … geborene Klägerin ist marokkanische Staatsangehörige und reiste nach eigenen Angaben mit ihrer am … … 2013 in Italien geborenen Tochter erstmals am 12. Februar 2016 aus Italien kommend in das Bundesgebiet ein. Die Klägerin und ihre Tochter waren dabei im Besitz einer bis 27. Mai 2017 befristeten italienischen Aufenthaltserlaubnis.
2
In einer Stellungnahme von S. vom 23. Februar 2016 wurde ausgeführt, die Klägerin sei mit ihrem Mann aus Marokko nach Italien gekommen und habe dort einen Daueraufenthalt bekommen. Ihr Mann habe sie schwer misshandelt und sie habe dies auch zur Anzeige gebracht. Sie habe zunächst in einem Frauenhaus Unterschlupf bekommen. Allerdings habe ihr Ehemann herausgefunden, wo sie sich aufhalte, und sie wieder massiv bedroht, ebenso ihr Kind. In ihrer Not sei sie vor zwei Monaten nach Deutschland geflüchtet, um sich und ihr Kind in Sicherheit zu bringen.
3
Mit Schreiben vom … März 2016 beantragte der Klägerbevollmächtigte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 18 AufenthG (a.F.) zum Zweck der Beschäftigung als Köchin im Restaurant in München sowie für die Tochter der Klägerin gemäß § 32 AufenthG zum Zweck des Familiennachzugs. Der Antrag wurde mit Bescheid der Beklagten vom 7. Oktober 2016 bestandskräftig abgelehnt.
4
Der Klägerbevollmächtigte führte per E-Mail vom … September 2016 unter Vorlage eines Heiratszertifikates aus, dass die Klägerin am … … 2016 einen irakischen Staatsangehörigen in Dänemark geheiratet habe. Mit Bescheid der Beklagten vom 1. März 2017 wurde der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 22. September 2016 abgelehnt und der Klägerin unter Setzung einer Ausreisefrist bis 1. April 2017 die Abschiebung nach Italien angedroht. Der Bescheid ist bestandskräftig. Am 1. April 2017 meldet die Klägerin ihren Wohnsitz nach unbekannt ab.
5
Am … … 2018 wurde die Ehe der Klägerin geschieden.
6
Am 27. Dezember 2018 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung (Bl. 227 der BA). Sie halte sich seit 4. November 2018 wieder ununterbrochen in Deutschland auf. Sie legte eine Stellenbeschreibung der Firma B. … als Reinigungskraft und eine Permesso di Soggiorno „Soggiornante di lungo periodo UE“ vor. Der Klägerbevollmächtigte führte mit Schreiben vom … Dezember 2018 u.a. aus, die Klägerin habe seit 26. Juli 2018 eine unbefristete italienische Aufenthaltserlaubnis. Am 2. Januar 2019 teilte die Bundesagentur für Arbeit mit, dass die Zustimmung für eine Beschäftigung bei dieser Firma nicht erteilt werde. Die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG seien nicht erfüllt. Es stünden bevorrechtigte Bewerber zur Verfügung.
7
Die Klägerin legte eine am 16. Januar 2019 unterzeichnete Stellenbeschreibung der Firma T... … GmbH als Köchin vor. Hierzu erteilte die Bundesagentur für Arbeit am 11. Februar 2019 ihre Zustimmung (Bl. 255 ff. der BA). Mit Schreiben vom … Februar 2019 teilte der Klägerbevollmächtigte mit, dass die Arbeitszeiten nicht mit den zeitlichen Möglichkeiten der Klägerin als alleinerziehender Mutter vereinbar seien, und nahm den Antrag auf Arbeitserlaubnis bezüglich der Firma T. … GmbH zurück.
8
Gleichzeitig beantragte er die Genehmigung der Beschäftigung bei der Firma T... … als Reinigungskraft unter Beifügung einer entsprechenden Stellenbeschreibung (Bl. 263 der BA). Am 14. März 2019 teilte die Bundesagentur für Arbeit mit, dass die Zustimmung für eine Beschäftigung bei dieser Firma nicht erteilt werde. Es stünden bevorrechtigte Bewerber zur Verfügung (Bl. 278 ff. der BA).
9
Am ... April 2019 legte die Klägerin eine Stellenbeschreibung der Firma g. … Gebäudedienste … GmbH als Reinigungskraft vor. Am 15. Mai 2019 teilte die Bundesagentur für Arbeit mit, dass die Zustimmung für eine Beschäftigung bei dieser Firma nicht erteilt werde. Es stünden bevorrechtigte Bewerber zur Verfügung (Bl. 300 ff. der BA).
10
Am ... August 2019 legte die Klägerin eine Stellenbeschreibung der Firma C. … GmbH als Reinigungskraft vor (Bl. 309 der BA). Am 27. August 2019 teilte die Bundesagentur für Arbeit mit, dass die Zustimmung für eine Beschäftigung bei dieser Firma nicht erteilt werde. Es stünden bevorrechtigte Bewerber zur Verfügung (Bl. 318 der BA).
11
Mit Schreiben vom 20. März 2020 wurde die Klägerin zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 27. Dezember 2018 angehört. Eine Äußerung erfolgte nicht.
12
Mit Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 2020 wurde der Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 27. Dezember 2018 abgelehnt (Nr. 1 des Bescheids) und die Klägerin verpflichtet, das Bundesgebiet bis zum … zu verlassen (Nr. 2 des Bescheids). Es wurde darauf hingewiesen, dass ein Einreise- und Aufenthaltsverbots für die Dauer von bis zu einem Jahr für die Bundesrepublik Deutschland sowie die Schengener Staaten angeordnet werden kann, sollte die Klägerin die Ausreisefrist schuldhaft und erheblich überschreiten (Nr. 3 des Bescheids). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Italien oder in einen anderen Staat angedroht, in den die Klägerin einreisen darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist (Nr. 4 des Bescheids).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein langfristig Aufenthaltsberech tigter könne sich zur Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit in einem zweiten Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten. In Fällen der Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung könnten die Mitgliedstaaten eine Arbeitsmarktprüfung durchführen und hinsichtlich der Anforderungen für die Besetzung einer freien Stelle bzw. hinsichtlich der Ausübung einer solchen Tätigkeit ihre nationalen Verfahren anwenden. Die von der Klägerin beabsichtigte Beschäftigung als Reinigungskraft bei der Firma B... … habe nicht gestattet werden können, da die Bundesagentur für Arbeit die hierfür erforderliche Zustimmung nicht erteilt habe. Bezüglich der beabsichtigten Beschäftigung als Köchin habe der Klägerbevollmächtigte mitgeteilt, dass die Klägerin als alleinerziehende Mutter aufgrund der Arbeitszeiten diese Stelle nicht antreten könne und werde. Die beabsichtigte Beschäftigung als Reinigungskraft bei der Firma T... …, g... … Gebäudedienst … GmbH und C... … GmbH habe nicht gestattet werden können, da die Bundesagentur für Arbeit jeweils mitgeteilt habe, dass bevorrechtigte Bewerber zur Verfügung stünden. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen fänden auf die Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1 AufenthG ebenfalls Anwendung. So müsse in der Regel der Lebensunterhalt gesichert sein. Der Lebensunterhalt sei gesichert, wenn der Ausländer ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten könne. Im Fall der Klägerin sei ein gesicherter Lebensunterhalt nicht gegeben. Zwar habe die Bundesagentur für Arbeit ihr die Zustimmung für die Stelle als Köchin erteilt. Die Arbeit habe sie jedoch nicht antreten können. Darüber hinaus sei ihr von Seiten der Arbeitsagentur mehrfach die Zustimmung zur Beschäftigungsaufnahme verweigert worden, da bevorrechtigte Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden. Aufgrund dieser Entscheidungen sei der Klägerin die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht gestattet. Aufgrund des bisherigen Sachverhalts werde nicht davon ausgegangen, dass die Klägerin in absehbarer Zeit einer zustimmungsfähigen Erwerbstätigkeit nachgehen werde. Sie besitze nach Aktenlage keine eigenen ausreichenden finanziellen Mittel. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sei daher abzulehnen gewesen. Eine anderweitige Erteilungsgrundlage sei nicht ersichtlich. Eine übermäßige Härte sei auch unter Berücksichtigung der persönlichen Situation mit der Beendigung des Aufenthalts nicht verbunden. Im Fall der Klägerin sei zudem anzumerken, dass sie aufgrund ihres Daueraufenthaltsrechts in Italien eine entsprechende Rückkehrmöglichkeit habe. Zudem habe sie dort bereits seit einigen Jahren gelebt und könne sich folglich dort wieder problemlos integrieren. Den gewichtigen öffentlichen Interessen stünden keine gleichgewichtigen persönlichen Interessen entgegen. Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis sei auch nicht unverhältnismäßig.
14
Mit Schreiben vom … Juli 2020, bei der Beklagten am 29. Juli 2020 eingegangen, legte der Klägerbevollmächtigte eine Stellenbeschreibung des Restaurants S. … als Köchin vor (Bl. 376 ff. der BA). Die Klägerin habe seit 26. Juli 2018 eine unbeschränkte italienische Aufenthaltserlaubnis und ein Diplom als Cuisinier (Koch) vom Institut für Tourismus und Hotellerie … …Marokko.
15
Mit Schriftsatz vom … Juli 2020, bei Gericht am selben Tag eingegangen, hat der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,
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den Ablehnungsbescheid der Beklagten vollumfänglich aufzuheben und diese zu verpflichten, dem Antrag der Klägerin vom … Dezember 2018 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stattzugeben, und die Beklagte zu verurteilen, die gegenüber der Klägerin ausgesprochene Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebiets und die Fristsetzung zum Ausreisen aus dem Bundesgebiet ebenso aufzuheben wie die Androhung der Abschiebung nach Italien oder in einen anderen Staat, in den die Klägerin einreisen darf oder der zu ihrer Übernahme verpflichtet ist.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe in Italien die Rechtsstellung einer langfristig Aufenthaltsberechtigten. Sie wolle sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten. Die beabsichtigte Beschäftigung als Reinigungskraft bei der Firma B... … sei nicht genehmigt worden, da die Bundesagentur für Arbeit die hierfür erforderliche Zustimmung nicht erteilt habe, da bevorrechtigte Bewerber zur Verfügung stünden. Mit der gleichen Begründung seien die Anträge bezüglich der beabsichtigten Tätigkeiten bei der Firma T. …, g. … und C. … jeweils als Reinigungskraft abgelehnt worden. Da aber für die beabsichtigte Tätigkeit der Klägerin als Köchin bei der Firma T. … GmbH die erforderliche Zustimmung erteilt worden sei, hätte die Beklagte der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung dieser Beschäftigung erteilen müssen. Sie hätte aber auch berücksichtigen müssen, dass die Klägerin die geforderten Arbeitszeiten von 17-24 Uhr nicht habe bewältigen können. Die Beklagte hätte mithin der Klägerin mit einer Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis den Weg zur Ausübung einer Tätigkeit als Köchin ebnen müssen, da die Bundesagentur für Arbeit im Weg der Vorrangprüfung die Zustimmung erteilt hatte. Es sei auch davon auszugehen, dass die Klägerin in absehbarer Zeit einer zustimmungsfähigen Erwerbstätigkeit nachgehen werde. Die Klägerin habe am 26. Juli 2020 bei der Beklagten erneut die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt, die sie zur Ausübung einer Beschäftigung als Köchin in dem Restaurant S. … berechtigt. Dabei handele es sich um ein Restaurant mit marokkanischer Küche, für die die Klägerin als Köchin geeignet sei und für die es keine bevorrechtigten Bewerber gebe, so dass die Bundesagentur für Arbeit die Zustimmung erteilen müsste. Hierbei handele es sich um eine Tätigkeit, die der Klägerin als alleinerziehender Mutter bessere Arbeitszeiten ermögliche, nämlich von 11:00 bis 20:00 Uhr. Die Klägerin werde demnach in absehbarer Zeit auch ausreichende finanzielle Mittel zur Sicherung ihres Lebensunterhalts haben. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin über einen Abschluss des Instituts für Tourismus und Hotelwesen … vom … … … verfüge, aus dem sich ergebe, dass sie mit Erfolg die Prüfungen zum Erhalt des Diploms als Köchin bestanden habe. Wesentlich sei, dass für Fachkräfte im Grundsatz die Vorrangprüfung im Weg des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes abgeschafft werde. Nachdem die Klägerin infolge ihres Zertifikates als Fachkraft gesehen werden könne, bedürfe es keiner Vorrangprüfung durch die Arbeitsagentur. Die Beklagte habe darüber hinaus zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass bei der Klägerin keine übermäßige Härte mit der Beendigung des Aufenthalts verbunden sei. Insbesondere habe sie nicht beachtet, dass die Klägerin von ihrem ersten Ehemann mehrfach im Juli/August 2013 in schwangerem Zustand in Italien geschlagen worden sei, so dass sie ins Krankenhaus von B. … und von dort zu einem Frauenhaus gebracht worden sei, wo sie zwei Jahre verbracht habe. Weiter sei nicht berücksichtigt worden, dass ihr damaliger Ehemann sie nach einiger Zeit ausfindig gemacht und weiterhin schlecht behandelt und bedroht habe. Aus Angst vor ihrem Ehemann, der auch das Kind bedroht habe, sei sie Anfang Januar 2016 nach Deutschland geflohen, um sich und ihre Tochter in Sicherheit zu bringen und um sich mit einer Arbeitsstelle in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Für die Klägerin wäre es mithin eine übermäßige Härte, wenn sie nach Italien zurückkehren müsste und dort der Gefahr ausgesetzt wäre, dass sich ihr früherer Ehemann an ihr und ihrer Tochter rächen, sie weiter bedrohen oder schlagen würde. Zu Recht habe S. … darauf hingewiesen, dass die Klägerin bei einer Rückkehr nach Italien um ihr Leben fürchten müsste. Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis sei auch unverhältnismäßig. Dadurch, dass die Klägerin im Fall einer Rückkehr nach Italien der Gefahr einer Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit durch ihren ersten Ehemann ausgesetzt sei, bestünden in jedem Fall Folgen, die nicht im Verhältnis zur Beendigung des Aufenthalts in Deutschland stünden. Stattdessen gebe es weniger einschneidende Maßnahmen als die Versagung des Aufenthaltstitels. Die Beklagte hätte z.B. überprüfen müssen, ob es tatsächlich bei jeder Anfrage bevorrechtigte Bewerber für die konkrete Stelle gegeben habe oder ob es sich nur um eine schematische Antwort der Bundesagentur für Arbeit gehandelt habe, ohne zu prüfen bzw. festzustellen, dass die Klägerin ein Diplom als Köchin von einem renommierten Institut erhalten habe und eventuell wegen der Eigenschaft als Fachkraft eine Zustimmung der Arbeitsagentur nicht erforderlich sei. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits einmal die Zustimmung von der Bundesagentur für Arbeit für eine Tätigkeit als Köchin erhalten habe und dass sie diese nur wegen der nächtlichen Arbeitszeit als alleinerziehende Mutter nicht habe annehmen können. Die Beklagte habe zudem nicht berücksichtigt, dass die Ablehnung der Zustimmung durch die Arbeitsagentur ermessensfehlerhaft sei, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass genügend bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Für die Klägerin bestehe infolge der Gefahren, die von ihrem in Italien wohnenden Ehemann ausgehen, auch ein Anspruch auf Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 4 AufenthG , da dringende humanitäre und persönliche Gründe ihre vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erforderten. Weiterhin sei die Klägerin in ihren Grundrechten verletzt. Zum einen sei das Grundrecht auf Freizügigkeit in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union beeinträchtigt, zum anderen der Schutz der Familie, da die Klägerin mit ihrer Tochter in Deutschland zusammenleben wolle. Es sei der Klägerin und ihrer minderjährigen Tochter nicht zumutbar, die zwischen ihnen bestehende familiäre Lebensgemeinschaft außerhalb Deutschlands weiterzuführen. Sie besäßen ausschließlich die marokkanische Staatsangehörigkeit. Auch in Marokko laufe die Klägerin mit ihrer Tochter G.efah , vom Ehemann verfolgt und körperlich misshandelt zu werden. Sie sei vom früheren Ehemann mit dem Tode bedroht worden, so dass zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit eine Abschiebung nicht erfolgen dürfe. Hinzu komme, dass eine positive Integrationsprognose bestehe. Die Klägerin sei ausgebildete Köchin und habe bereits einen Arbeitsvertrag mit dem Restaurant S... … geschlossen. Bei einem Bruttoverdienst von 2.000 Euro werde sie auch den Sozialkassen nicht zur Last fallen. Sie könne mit dieser Arbeit den Lebensunterhalt für sich und ihr Kind sichern und ein neues Leben beginnen.
18
Mit Bescheid vom 28. Juli 2020 wurde der Klägerin eine Frist zur Ausreise bis 31. August 2020 gesetzt, nachdem aufgrund der Corona-Pandemie die Ausreise nach Italien wieder möglich sei.
19
Mit Schreiben vom ... August 2020 teilte die Beklagte dem Klägerbevollmächtigten mit, der Antrag gemäß § 18 AufenthG sei durch die Fachkraft bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung zu stellen. Hierfür müsse sie die Zeugnisse bei der Zeugnisanerkennungsstelle (hier: bfz München) vorab anerkennen lassen. Nachdem der Anerkennungsbescheid dem Arbeitgeber zugegangen sei, könne der Arbeitgeber das beschleunigte Fachkräfteeinwanderungsverfahren nach Leistung der Gebühr in Höhe von 400 Euro einleiten. Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 19c Abs. 3 AufenthG könne ausnahmsweise von der Einholung eines Visums abgesehen werden. Hierfür müsste jedoch das vorgelegte Zeugnis anerkannt sein, die Bundesagentur für Arbeit dem Antrag zustimmen und der Lebensunterhalt der Klägerin gesichert sein. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Bundesagentur für Arbeit werde um Erteilung der Zustimmung gemäß § 38a AufenthG ersucht.
20
Am 11. August 2020 teilte die Bundesagentur für Arbeit mit, dass die Zustimmung für eine Beschäftigung beim Restaurant S. … als Köchin nicht erteilt werde. Es stünden bevorrechtigte Bewerber zur Verfügung.
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Mit Schriftsatz vom 11. September 2020 hat die Beklagte beantragt,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die vom Klägerbevollmächtigten dargestellte aktuelle Bedrohungslage durch den Ex-Ehemann, von dem sich die Klägerin im Jahr 2013 getrennt habe und im Jahr 2015 geschieden worden sei, sei in keiner Weise belegt. Es sei auch nicht bekannt, ob er noch in Italien lebe oder in sein Heimatland zurückgekehrt sei. Zudem stelle sich die Frage, ob die dargestellte Bedrohung bei einer Rückkehr nach Italien akut werden könnte, da zum einen der Aufenthalt auch an einem anderen Ort in Italien genommen werden könne als in dem, in dem sich der Ex-Ehemann ggf. aufhalte, und zum anderen nicht geklärt sei, ob ggf. vorhandene Feindseligkeiten des Ex-Ehemanns tatsächlich an der Grenze zu Deutschland Halt gemacht hätten. Es sei kaum vorstellbar, dass der Aufenthalt der Klägerin und ihrer Tochter in Deutschland dem Ex-Ehemann und Vater in den letzten Jahren verborgen geblieben wäre, wenn tatsächlich ein starkes Verfolgungsinteresse vorgelegen hätte. Zudem hätten sich die Klägerin und ihre Tochter zumindest nach der Trennung vom zweiten Ehemann zwischen dem 18. Juni 2018 und dem 4. November 2018 wieder in Italien aufgehalten, um dort eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für Italien zu erlangen. Die vorgelegte Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin beim Restaurant S...... sei seitens der Bundesagentur für Arbeit abgelehnt worden. Hinsichtlich der Darstellung einer qualifizierten Ausbildung der Klägerin fehle es an dem Nachweis einer Anerkennung der Ausbildung der Klägerin im Ausland.
24
In der mündlichen Verhandlung erklärte der Klägerbevollmächtigte, die Klägerin bestreite ihren Lebensunterhalt derzeit aus Zuwendungen von Bekannten und Freunden.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. Oktober 2020 entschieden werden, obwohl die Beigeladene nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
27
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 2020 in Gestalt des Bescheids vom 28. Juli 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1 AufenthG. Danach wird einem Ausländer, der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn er sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten will. Langfristig Aufenthaltsberechtigter ist dabei nach § 2 Abs. 7 AufenthG ein Ausländer, dem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung nach Art. 2 Buchst. b RL 2003/109/EG verliehen und nicht entzogen wurde, und damit jeder Drittstaatsangehörige, der die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten im Sinne der Art. 4 bis 7 RL 2003/109/EG besitzt.
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Zwar hat die Klägerin in Italien und damit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung einer langfristig Aufenthaltsberechtigten inne, da sie dort im Besitz der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU ist. Auch möchte sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten.
31
Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 38a Abs. 1 AufenthG scheitert jedoch an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Danach setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Nach § 2 Abs. 3 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer tatsächlich öffentliche Mittel in Anspruch nimmt, sondern allein darauf, dass ihm eigene oder fremde finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, die die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausschließen (vgl. BVerwG, U.v. 26.8.2008 - 1 C 32.07 - juris). Für die Beurteilung, ob ein Ausländer den Lebensunterhalt gemäß den Vorgaben des § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG bestreiten kann, hat eine Prognoseentscheidung unter Einbeziehung aller bekannten Umstände hinsichtlich der Frage zu erfolgen, ob der Lebensunterhalt voraussichtlich auf Dauer aus eigenen und „unschädlichen“ öffentlichen Mitteln bestritten werden kann (VG Bremen, B.v. 20.5.2015 - 2 V 2189/14 - juris).
32
Im vorliegenden Fall kann eine positive Prognose zur dauerhaften Sicherung des Lebensunterhalts nicht gestellt werden. Die Klägerin verfügt über kein Vermögen, mit dem sie dauerhaft ihren Lebensunterhalt sichern könnte. Vielmehr lebt sie nach Angaben ihres Bevollmächtigten derzeit von der Unterstützung von Freunden und Bekannten.
33
Die Klägerin kann ihren Lebensunterhalt aber auch nicht durch eine Beschäftigung dauerhaft sichern. Zwar hat die Klägerin mehrere Beschäftigungsangebote als Reinigungskraft bzw. Köchin vorgelegt. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1 AufenthG berechtigt gem. § 38a Abs. 3 Satz 1 AufenthG jedoch nur dann zur Ausübung einer Beschäftigung, wenn die Bundesagentur für Arbeit der Beschäftigung nach § 39 Abs. 3 AufenthG zugestimmt hat; die Zustimmung wird mit Vorrangprüfung erteilt.
34
Zwar hat die Bundesagentur für Arbeit am 11. Februar 2019 der Beschäftigung als Köchin bei der Firma T. … GmbH zugestimmt. Die Klägerin hat diesen Antrag jedoch mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 22. Februar 2019 zurückgenommen, da sie diese Stelle wegen der vorgesehenen abendlichen Arbeitszeiten, die sich nicht mit der Betreuung ihrer Tochter vereinbaren ließen, nicht antreten könne. Allein aus der Tatsache, dass die Bundesagentur für Arbeit bereits einmal einer Beschäftigung als Köchin zugestimmt hat, lässt sich entgegen der Auffassung der Klagepartei keine positive Prognose zur dauerhaften Sicherung des Lebensunterhalts mit der Begründung ableiten, dass die Klägerin im Berufsfeld der Köchin schon eine anderweitige Beschäftigung finden wird. Hierbei handelt es sich lediglich um eine völlig ungewisse und vage Erwerbserwartung. Ohne eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit, die die Klägerin anzunehmen bereit und in der Lage ist und zu dem die Bundesagentur für Arbeit die Zustimmung erteilt hat, kann eine positive Prognose zur dauerhaften Sicherung des Lebensunterhalts nicht gestellt werden.
35
Im Rahmen von vier weiteren Zustimmungsanfragen, davon dreimal als Reinigungskraft und einmal als Köchin, hat die Bundesagentur für Arbeit ihre Zustimmung mit der Begründung nicht erteilt, dass für die jeweilige Beschäftigung bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stehen (§ 39 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG).
36
Entgegen der Auffassung der Klagepartei liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die Bundesagentur für Arbeit Zustimmungsanfragen der Klägerin schematisch ohne eingehende sachliche Prüfung ablehnt. Die Klägerin hat im Jahr 2019 innerhalb eines halben Jahres drei Anträge jeweils in Bezug auf eine Beschäftigung als Reinigungskraft bei drei unterschiedlichen Firmen gestellt. Dass diese jeweils abgelehnt wurden, liegt nicht an einer mangelnden Sachprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit, sondern daran, dass die Klägerin - lediglich bei unterschiedlichen Arbeitgebern - stets eine (unqualifizierte) Beschäftigung als Reinigungskraft ausüben wollte, für die es nachvollziehbar bevorrechtigte Bewerber gibt. Anhaltspunkte dafür, dass sich in diesem Arbeitsmarktsegment in dem kurzen Zeitraum zwischen Februar 2019 und August 2019 grundlegend etwas geändert hätte, sind nicht ersichtlich, so dass die jeweils erfolgte Ablehnung nicht schematisch, sondern folgerichtig ist. Dass die Bundesagentur für Arbeit sehr wohl auch im Fall der Klägerin jeden Antrag sachlich geprüft hat, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass der Beschäftigung der Klägerin als Köchin bei der T. … GmbH am 11. Februar 2019 zugestimmt wurde. Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit vom 11. August 2020, die Zustimmung zu einer Beschäftigung der Klägerin als Köchin beim Restaurant S... … nunmehr wegen bevorrechtigter Bewerber zu verweigern, wird auch nicht mit dem Verweis auf die im Februar 2019 erfolgte Zustimmung zu einer Beschäftigung als Köchin bei der T. … GmbH in Frage gestellt. Vielmehr ist es angesichts der zwischenzeitlich ausgebrochenen Corona-Pandemie, die durch Lockdown-Maßnahmen gerade den Gastronomiebereich schwer getroffen und zu einem spürbaren Anstieg der Arbeitslosen in diesem Bereich geführt hat (vgl. z.B. www...de/wirtschaftverantwortung/ueber-4000-berlinerkoechehabenbereitsihrenjobverlorenli.104291), ohne Weiteres nachvollziehbar, dass in diesem Bereich mittlerweile gegenüber der Klägerin bevorrechtigte Arbeitnehmer vorhanden sind.
37
Es ist nicht zu erwarten, dass sich der Arbeitsmarkt in den von der Klägerin angestrebten Beschäftigungssegmenten in naher Zukunft entscheidend ändern wird. Andere konkrete Beschäftigungsangebote konnte die Klägerin nicht vorweisen.
38
Nachdem die Klägerin somit über keine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit verfügt, kann eine positive Prognose zur dauerhaften Sicherung des Lebensunterhalts nicht gestellt werden.
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Gründe, die es rechtfertigen könnten, von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG im vorliegenden Fall ausnahmsweise abzusehen, sind nicht ersichtlich. Hierzu müssten entweder besondere, atypische Umstände vorliegen, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, oder die Erteilung des Aufenthaltstitels muss aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten sein, z.B. weil die Herstellung der Familieneinheit im Herkunftsland nicht möglich ist (BVerwG, U.v. 30.4.2009 - 1 C 3/08 - juris). Besondere, atypische Umstände sind wegen der vorgetragenen Bedrohung der Klägerin durch ihren Ex-Ehemann nicht gegeben. Abgesehen davon, dass unklar ist, wo sich der Ex-Ehemann derzeit aufhält, ist nicht ersichtlich, wie es diesem gelingen sollte, die Klägerin in Italien, einem Land mit über 60 Millionen Einwohnern, in dem sie sich an jedem beliebigen Ort niederlassen kann, aufzuspüren. Gleiches gilt für Marokko als Herkunftsland der Klägerin mit über 36 Millionen Einwohnern. Auch Art. 6 GG gebietet nicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Tochter der Klägerin verfügt in Deutschland über kein gesichertes Aufenthaltsrecht. Die familiäre Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrer Tochter kann auch außerhalb des Bundesgebiets, nämlich in Italien oder in Marokko, gelebt werden. Der Schutz des Privatlebens der Klägerin im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK gebietet die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis ebenfalls nicht. Eine schützenswerte Verwurzelung der Klägerin in Deutschland besteht nicht, weder in persönlicher noch in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Klägerin ist in Marokko geboren und aufgewachsen und hat vor ihrer erstmaligen Einreise nach Deutschland jahrelang und zwischenzeitlich wieder in Italien gelebt, so dass ihr eine Integration sowohl in Marokko als auch in Italien, wo sie ein Daueraufenthaltsrecht besitzt, ohne Weiteres möglich sein wird.
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b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung gem. § 18a AufenthG zur Ausübung einer Beschäftigung als Köchin. Danach kann zwar einer Fachkraft mit Berufsausbildung eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung erteilt werden, zu der ihre erworbene Qualifikation sie befähigt. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung setzt jedoch nach § 18 Abs. 2 AufenthG u.a. voraus, dass die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat (Nr. 2) und die Gleichwertigkeit der Qualifikation festgestellt wurde (Nr. 4). Im vorliegenden Fall liegt weder eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit vor (s.o.) noch eine Feststellung der Gleichwertigkeit der Qualifikation als Maitre d´Hotel (Cusinier) des Instituts für Tourismus und Hotellerie … mit einer Berufsausbildung zur Köchin durch die zuständige Zeugnisanerkennungsstelle.
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c) Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäfti gung ergibt sich auch nicht aus § 19c AufenthG.
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Nach § 19c Abs. 1 AufenthG kann einem Ausländer unabhängig von der Qualifikation als Fachkraft eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn die Beschäftigungsverordnung (BeschV) oder eine zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt, dass der Ausländer zur Ausübung dieser Beschäftigung zugelassen werden kann. Weder für eine Tätigkeit als Köchin noch als Reinigungskraft besteht eine derartige Regelung. Auch § 26 Abs. 2 BeschV ist auf die Klägerin als marokkanische Staatsangehörige nicht anwendbar.
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Selbst wenn die Klägerin über ausgeprägte berufspraktische Kenntnisse als Köchin oder Reinigungskraft verfügen sollte, scheidet die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 2 AufenthG mangels einer Regelung in der Beschäftigungsverordnung, die bestimmt, dass Ausländer zur Ausübung dieser Beschäftigung zugelassen werden können, aus. § 6 BeschV ist allein auf Tätigkeiten in der Informationsund Kommunikationstechnologie zugeschnitten.
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Schließlich besteht auch kein öffentliches Interesse i.S.d. § 19c Abs. 3 AufenthG an der Beschäftigung der Klägerin als Köchin oder Reinigungskraft. Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung in begründeten Einzelfällen, wenn an der Beschäftigung ein öffentliches, insbesondere ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Beschäftigungsverordnung nicht möglich ist. Diese eigenständige Zulassungsnorm darf nicht dazu genutzt werden, den allgemeinen Anwerbestopp zu umgehen. Sie ist vielmehr strikt auf besondere Einzelfälle zugeschnitten, die nicht (allein) durch individuelle Härten oder besondere subjektive Bedürfnisse eines Ausländers oder eines Unternehmens gekennzeichnet sind. Der Bedarf darf nicht allgemeiner Natur sein, sondern nur in einer singulären Konstellation auftreten und anderweitig nicht gedeckt werden können. Der Bedarf muss vereinzelt, nicht flächendeckend in einer Branche, einem Beruf oder einer ganzen Wirtschaftsregion auftreten (vgl. zum Ganzen: Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 19c AufenthG Rn. 13 ff.).
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht kein öffentliches Interesse an der Beschäftigung der Klägerin als Köchin oder Reinigungskraft, zumal bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Das rein privatwirtschaftliche Einstellungsinteresse des Arbeitgebers allein begründet kein öffentliches Interesse (OVG NRW, B.v. 17.11.2006 - 18 B 613/06 - juris).
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d) Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kann auch nicht aus § 25 Abs. 4 AufenthG hergeleitet werden. Danach kann einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer für einen vorübergehenden Aufenthaltszweck eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Als dringende humanitäre oder persönliche Gründe kommen nur inlandsbezogene Gründe in Frage, nicht erheblich sind zielstaatsbezogene Gründe, insbesondere das Vorliegen von Abschiebungshindernissen oder Gefahren für den Ausländer, die im Falle seiner Rückkehr im Heimatstaat auftreten können (Zimmerer in BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand: 1.1.2021, § 25 AufenthG Rn. 47). Die einzig geltend gemachte Bedrohung durch ihren Ex-Ehemann stellt somit keinen dringenden humanitären oder persönlichen Grund dar. Erhebliche öffentliche Interessen am weiteren Aufenthalt der Klägerin im Bundesgebiet sind ebenfalls nicht ersichtlich.
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e) Die Abschiebungsandrohung und die der Klägerin zur freiwilligen Ausreise gesetzte Frist entsprechen § 59 AufenthG. Insbesondere ist die Frist zur freiwilligen Ausreise gem. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausreichend bemessen.
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f) Nr. 3 des Bescheids stellt keinen Verwaltungsakt dar, sondern lediglich einen Hin weis auf § 11 Abs. 6 AufenthG.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.