Titel:
Überwiegendes Ausweisungsinteresse bei schweren Eigentums- und Körperverletzungsdelikten
Normenketten:
AufenthG § 35, § 53, § 54 Abs. 1 Nr. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1
GG Art. 6 GG
EMRK Art. 8
Leitsätze:
1. Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte haben bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose hinsichtlich der Wiederholungsgefahr zu treffen, ohne dass sie an die Feststellungen der Strafgerichte rechtlich gebunden sind. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Schutz der Bevölkerung vor Körperverletzungsdelikten sowie vor Eigentums- und Vermögensdelikten stellt ein Grundinteresse der Gesellschaft dar. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
3. Da Art. 8 Abs. 2 EMRK eindeutig Ausnahmen von den in Art. 8 Abs. 1 EMRK zugesicherten Rechten vorsieht, kann aus Art. 8 Abs. 1 EMRK kein absolutes Recht auf Nichtausweisung abgeleitet werden. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung, Türkischer assoziationsberechtiger Staatsangehöriger, Eigentums- und Vermögensdelikte, Gewaltdelikte, türkischer Staatsangehöriger, Niederlassungserlaubnis, Ausweisungsinteresse, gefährliche Körperverletzung, gewerbsmäßiger Betrug, Freiheitsstrafe, Assoziationsabkommen EWG/Türkei, Wiederholungsgefahr, Bleibeinteresse
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 31.05.2021 – 10 ZB 21.58
Fundstelle:
BeckRS 2020, 48648
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der am … … … in … geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Am 17. Februar 1998 erhielt der Kläger erstmals eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die in der Folge verlängert wurde. Seit 22. Februar 2007 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 35 AufenthG.
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Im Alter von 23 Jahren hat der Kläger geheiratet; die Ehe, aus der keine Kinder hervorgegangen sind, wurde im Oktober 2016 geschieden. Der Kläger hat zwei jüngere Geschwister und lebt bei seinen Eltern. Die Mutter des Klägers ist bei der … angestellt, der Vater arbeitet als angestellter … Der Kläger hat eine Ausbildung zum …fachmann angetreten, die er jedoch nicht abgeschlossen hat. Bis zu seiner Inhaftierung lebte er kostenfrei bei seinen Eltern und war als angestellter …verkäufer tätig.
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Strafrechtlich ist der Kläger im Bundesgebiet wie folgt in Erscheinung getreten:
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1. Mit Beschluss des Amtsgerichts … vom … Juli 2003 wurde ein Verfahren we gen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 47 Abs. 2 JGG eingestellt.
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2. Amtsgericht … vom *. März 2004, Diebstahl, ein Freizeit Jugendarrest, richterliche Weisung.
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3. Amtsgericht … vom *. März 2005, Diebstahl in Tatmehrheit mit Urkundenfäl schung, 8 x 4 Stunden gemeinnützige Arbeit.
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4. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft … * vom *. August 2006 wurde in einem Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Aufenthalts ohne Pass gem. § 45 Abs. 1 JGG von der Verfolgung abgesehen.
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5. Amtsgericht … vom … März 2007, vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in 4 Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsvertrag, in einem Fall in Tateinheit mit Unterschlagung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, 4 Tage Jugendarrest, richterliche Weisung.
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6. Amtsgericht … vom … März 2008, gefährliche Körperverletzung, 1 Woche Ju gendarrest, richterliche Weisung, unter Einbeziehung des Urteils vom … März 2007.
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7. Amtsgericht … vom … Februar 2009, Diebstahl in besonders schwerem Fall in Tatmehrheit mit Sachbeschädigung, 7 Monaten Jugendstrafe zur Bewährung.
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Hintergrund war, dass der Kläger und weitere Mittäter am … Juli 2008 aufgrund eines gemeinsamen Tatplans mit einem Brecheisen einen Zigarettenautomaten von der Wand hebelten und ihn davontrugen. Dadurch entstand ein Sachschaden in Höhe von 1.500,- Euro.
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8. Amtsgericht … vom *. Februar 2010, Betrug in 2 Fällen, ein Freizeit Jugend arrest und richterliche Weisung.13
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9. Amtsgericht … vom … Januar 2011, 8 tatmehrheitliche Fälle des Betrugs in einem besonders schweren Fall, 12 Monate Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung.
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Hintergrund war, dass der Kläger vom … November 2009 bis *. Mai 2010 auf eBay und weiteren Internetplattformen Waren anbot und dabei bewusst wahrheitswidrig seine Leistungswilligkeit und Leistungsfähigkeit vorspiegelte. Die geschädigten Käufer leisteten den Kaufpreis, ohne dass der Kläger seine Leistung erbrachte. Mit Schreiben vom 25. Februar 2011 wurde der Kläger von der Beklagten ausländerrechtlich verwarnt.
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10. Amtsgericht … vom *. Februar 2011, vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit Urkundenfälschung in Tateinheit mit falscher Verdächtigung, 80 Tagessätze.
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11. Amtsgericht … vom … Juni 2011, 4 tatmehrheitliche Fälle des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit jeweils mit Gebrauchsanmaßung in Tatmehrheit mit falscher Verdächtigung, 7 Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung.
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Am … Januar 2012 wurde unter Einbeziehung der Entscheidungen vom … Januar 2011 und … Juni 2011 nachträglich eine Gesamtstrafe in Höhe von 1 Jahr und 6 Monaten Freiheitsstrafe gebildet. Die Strafaussetzung zur Bewährung wurde widerrufen. Der Strafrest wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde bis 6. Dezember 2018 verlängert.
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12. Amtsgericht … vom … Januar 2013, gewerbsmäßiger Betrug in 21 Fällen, 2 Jahre Freiheitsstrafe zur Bewährung.
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Hintergrund war, dass der Kläger im Zeitraum vom … Januar 2011 bis … Juli 2011 auf Internetplattformen unter Vortäuschung seiner Lieferwilligkeit und Lieferfähigkeit Waren anbot und verkaufte. Zugunsten des Klägers wurden sein Geständnis, sein Bemühen um Schadenswiedergutmachung und die schriftliche Entschuldigung bei den Geschädigten gewertet, zu Lasten des Klägers die erheblichen Schäden, die mehrfachen Vorstrafen, das Handeln in offener Bewährung und die hohe Rückfallgeschwindigkeit. Nur eine Woche vor der ersten abgeurteilten Tat wurde der Kläger am … Januar 2011 wegen Betrugstaten der gleichen Art zu 12 Monaten auf Bewährung verurteilt.
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13. Amtsgericht … vom *. Juli 2017, Beleidigung in 5 tateinheitlichen Fällen, 20 Tagessätze.
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14. Amtsgericht … vom *. Mai 2017, gewerbsmäßiger Betrug in 5 tatmehrheitli chen Fällen, 2 Jahre und 4 Monate Freiheitsstrafe. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin, die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt war, wurde vom Landgericht … * mit Urteil vom … März 2018 die Freiheitsstrafe auf 2 Jahre und 6 Monate festgesetzt.
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Hintergrund war wiederum, dass der Kläger über die Internetplattform ebay-Kleinanzeigen im Zeitraum vom … Juli 2015 bis *. Oktober 2016 unter Vortäuschung seiner Lieferwilligkeit und Lieferfähigkeit Waren in der Absicht anbot und verkaufte, sich aus wiederholter Tatbegehung eine fortgesetzte und nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen. Im Rahmen der Strafzumessung wurde vom Landgericht … * der vorgegebene Strafrahmen nicht reduziert. Zum einen sei ein überwiegender Teil nicht wiedergutgemacht worden. Auch habe nicht festgestellt werden können, dass die Wiedergutmachung des überwiegenden Teils durch den Kläger ernsthaft erstrebt sei. Der Kläger selbst habe keine Schadenswiedergutmachung geleistet. Die Eltern hätten durch Aufnahme von Schulden die Schäden aus diesem Verfahren teilweise beglichen. Der Kläger selbst habe keine Mehrarbeit oder Anstrengungen hierzu unternommen. Dass dem Kläger ein Darlehen von seinen Eltern gewährt worden sei und dieser das Geld zurückzuzahlen habe, sei nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen worden. Es scheine auch, dass der Kläger ohnehin unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verbindlichkeiten keine Rückzahlung an seine Eltern leisten könne. Auch seien Anhaltspunkte für ein spielsüchtiges Verhalten nicht gegeben. Zugunsten des Klägers wurde berücksichtigt, dass er geständig war und von dem Gesamtschaden von 13.433,- Euro immerhin 4.400,- Euro bezahlt sind. Negativ wurde die Vielzahl von Einträgen im Bundeszentralregister berücksichtigt. Der Kläger habe insgesamt 13 Einträge vor diesen Taten verursacht und in einer Vielzahl freiheitsentziehende Maßnahmen/Entscheidungen schon im Jugendalter erfahren. Diese hätten offensichtlich keine Verhaltensänderung bewirkt. Der Kläger habe auch mehrfach bereits Bewährungsstrafen erhalten. Auch diese Signale des Gerichts, nochmals Hoffnung in eine rechtstreue Einstellung zu geben, hätten ihn nicht von weiteren Straftaten abgehalten. Darüber hinaus habe der Kläger in mindestens fünf Fällen einschlägige Straftaten begangen. Zudem habe der Kläger bereits Hafterfahrung. Er sei von Juli 2013 bis September 2014 in Strafhaft gewesen. Trotz dieser Erfahrung habe er sich erneut zu weiteren Straftaten hinreißen lassen. Der Kläger sei auch Bewährungsversager. Zudem weise er eine nicht unerhebliche Rückfallgeschwindigkeit auf. Negativ wurde darüber hinaus berücksichtigt, dass der Kläger das Konto des Vaters, der ihn stets unterstützt habe, benutzt hat und damit den Vater unter Tatverdacht des Betrugs und letztlich der Geldwäsche gebracht hat.
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15. Amtsgericht … vom … September 2018, Betrug in 4 Fällen in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Tateinheit mit 2 tateinheitlichen Fällen der Bedrohung, Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten unter Einbeziehung des Urteils des Landgerichts … * vom … März 2018.
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Hintergrund war, dass der Kläger im Zeitraum vom *. Juni 2016 bis … Januar 2018 in 4 Fällen wiederum über die Internet-Plattform ebay-Kleinanzeigen Waren anbot und dabei vortäuschte, diese auch liefern zu wollen. Am … Juli 2017 kam es zwischen dem Kläger und seiner Freundin zu einer Auseinandersetzung über den Alkoholkonsum des Klägers. Daraufhin bewarf er das Kfz seiner Freundin mit faustgroßen Steinen. Als ein Nachbar seiner Freundin zu Hilfe eilte, schlug der Kläger diesen mit der Faust jeweils mindestens einmal ins Gesicht und gegen den Oberkörper. Als er daraufhin zu Boden fiel, setzte sich der Kläger auf den Geschädigten und begann, diesen mit beiden Händen am Hals zu würgen. Hierbei schrie er wiederholt, dass er ihn nun töten würde. Dem Geschädigten wurde schwarz vor Augen. Der Kläger ließ erst ab, als weitere Nachbarn herbeieilten und ihn vom Geschädigten wegrissen. Dabei schlug er dem Geschädigten nochmals mit der Faust auf den Mund. Danach bedrohte er auch die herbeigeeilten Helfer mit dem Tode. Hinsichtlich der Betrugsstraftaten wurde zugunsten des Klägers gewertet, dass er geständig und schuldeinsichtig war, sich in einer desolaten finanziellen Situation befand und einen Betrag von 464,10 Euro zurückbezahlte. Zulasten wurden die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und das Handeln innerhalb laufender Bewährungszeit berücksichtigt.
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16. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft … * vom *. Januar 2019 wurde in einem Verfahren wegen Betrugs gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen.
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17. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft … * vom … Februar 2019 wurde in ei nem Verfahren wegen Betrugs gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen.
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Mit Schreiben vom … Juli 2019 wurde der Kläger zu der beabsichtigten Ausweisung angehört.
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Mit Schreiben vom *. August 2019 teilte die damalige Klägerbevollmächtigte mit, bevor der Kläger pauschal an Eintragungen im BZR festgehalten werde, gelte es im Rahmen der Einzelfallbetrachtung zu erforschen, worin die Motive dieser Straftaten lägen. Im vorliegenden Fall sei ein psychiatrisches Gutachten eingeholt worden. Die Gutachterin sei zu der Einschätzung eines schädlichen Konsums von Alkohol gekommen. Darüber hinaus habe sie pathologisches Glücksspiel diagnostiziert. Dabei habe das Glücksspiel in Kasinobereichen im Vordergrund gestanden. Eine erste Phase sei wohl nach der Trennung von der Freundin im Jahr 2009/2010 entstanden. Im Jahr 2015 sei ein erster Höhepunkt eingetreten. Zur Finanzierung seiner Sucht habe er die streitgegenständlichen Straftaten begangen. Aufgrund des Gutachtens sei nunmehr eine therapeutische Behandlung angedacht. Es sei eine langfristige Therapie in einer Entziehungsanstalt vorgesehen. Der Kläger habe Therapiebereitschaft. Er wolle an seiner Suchtproblematik arbeiten und dies in einem stationären Setting durchführen. Im Anschluss plane er, einer geregelten Arbeit nachzugehen und eine Familie zu gründen. In der Türkei seien keine näheren Verwandten vorhanden. Die türkische Sprache sei auch nur rudimentär vorhanden. Seine familiären sozialen Bindungen bezögen sich ausschließlich auf Deutschland, insbesondere habe er ein sehr enges Verhältnis zu seiner Mutter, die leider vor einem halben Jahr schwer an Krebs erkrankt sei und aufgrund der Gesamtumstände und der Inhaftierung ihres Sohnes ohnehin sehr leide, was auch die Genesung in Frage stelle. Eine Abschiebung des Klägers hätte auch verheerende gesundheitliche Folgen. Abschließend werde darauf hingewiesen, dass der Kläger bereits eine Einbürgerungszusicherung im Jahr 2006 erhalten habe. Er habe auch vor, die türkische Staatsangehörigkeit abzulegen. Jedenfalls belege der Einbürgerungsversuch mehr als deutlich, dass sich der zentrale Lebensmittelpunkt ausschließlich in Deutschland befinde.
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Die JVA … teilte mit Schreiben vom 23. Juli 2019 mit, der Kläger befinde sich seit 14. Dezember 2018 in Strafhaft und sei seit 26. April 2019 in der sozialtherapeutisch orientierten Wohngruppe untergebracht. Der Kläger habe sich gut in die Wohngruppe integriert und arbeite in den Klein- und Großgruppengesprächen aktiv mit. Er rede offen über seine Probleme und zeige Bereitschaft, diese positiv zu verändern. Laut Stationsbeamten gebe es keine Beanstandungen. Der Kläger habe den internen Mittelschulunterricht besucht und vor wenigen Tagen als einer der Besten den Qualifizierenden Mittelschulabschluss mit einer Durchschnittsnote von 2,1 bestanden. Seit 8. Juli 2019 sei er im Betrieb I eingeteilt, wo er seine Arbeit fleißig verrichte. Von seinen Lehrern werde der Kläger als höflich, fleißig und engagiert beschrieben. Er sei sehr hilfsbereit und sozial. Disziplinarisch sei er nie in Erscheinung getreten. Auch mit Mitgefangenen habe es nie Probleme gegeben. Der Kläger sei bei der hiesigen Suchtberatung angebunden und besuche die Gruppe der Anonymen Alkoholiker. Er habe Besuch von seiner Familie, Verlobten, Freunden und von seiner Verteidigerin erhalten. Diese stünden zu ihm und unterstützten ihn in allen Angelegenheiten. Der Kläger strebe eine Therapie an und wolle dann seine Mittlere Reife machen.
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Mit Schreiben vom … August 2019 teilte die damalige Klägerbevollmächtigte weiter mit, der Kläger sei in Deutschland geboren und habe am 7. April 2004 eine Einbürgerungszusicherung bekommen. Er sei zwar mündlich der türkischen Sprache mächtig, könne sie aber nur rudimentär schreiben. Er sei in eine deutsche Schule gegangen und habe die türkische Schulbildung in keiner Weise genossen. Innerfamiliär werde überwiegend Deutsch gesprochen, so dass die türkische Sprache nur im Urlaub angewandt werde. Die Familie habe keinen Immobilienbesitz in der Türkei. Die Großeltern mütterlicherseits lebten auch in Deutschland. Zu diesen bestehe aber seit ca. 10 Jahren kein Kontakt mehr. Ebenfalls in Deutschland lebten die vier Geschwister der Mutter des Klägers, wobei drei in … ansässig seien und ein Geschwisterteil in … Väterlicherseits gebe es einen Bruder, der ebenfalls in … wohnhaft sei, genauso wie die Eltern und Großeltern väterlicherseits. Ursprünglich komme die Familie des Klägers aus Ostanatolien, allerdings sei der Großvater mütterlicherseits schon vor 60 Jahren nach Deutschland gekommen, die Mutter lebe bereits seit 40 Jahren hier. Beide Elternteile seien gesundheitlich äußerst angeschlagen. Die Mutter sei an Krebs erkrankt, der Vater habe bereits drei Herzinfarkte erlitten, leide unter erheblichem Bluthochdruck und befinde sich seit mittlerweile drei Monaten auch in psychotherapeutischer Behandlung. Es gebe keinerlei Bezug mehr zur Türkei. Der Kläger fühle sich als Deutscher. Eine Ausweisung wäre eine völlig unverhältnismäßige lebenseinschneidende Maßnahme.
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Der Kläger teilte mit Schreiben vom … November 2019 mit, dass er sehr aktiv an sich und seinen Delikten arbeite. Er habe während der Haft den Qualifizierenden Mittelschulabschluss erfolgreich mit einem guten Notendurchschnitt nachgeholt sowie aktiv und motiviert an den Gesprächen der sozialpädagogischen Wohngruppe teilgenommen. Bis zur Verlegung nach … sei er sogar Wohngruppengefangenensprecher gewesen. In der JVA … absolviere er derzeit den Grundlehrgang … bis zum 20. Dezember 2019. Sein nächstes Ziel sei eine Berufsausbildung. Eine mündliche Zusage, eine Ausbildung zum Medientechnologen zu beginnen, habe er vom Betriebsbeamten schon bekommen. Die Ausbildung würde am 1. Februar 2020 beginnen und 24 Monate dauern. Jedoch müsse für die Ausbildung aufgrund des Lockerungsstatus sein Aufenthaltsstatus geklärt sein. Diese Ausbildung sei für seine Zukunft nach der Entlassung sehr wichtig. Er werde demnächst auch seine Verlobte heiraten und wolle alles dafür tun, nach der Haft ein bürgerliches und straffreies Leben zu führen. Mit Schreiben vom … Februar 2020 teilte der Kläger weiter mit, dass er sich entschieden habe, ein Fernstudium über die SGG zu starten. Dabei würde er den Studiengang … wählen, gleichzeitig eine Ausbildung in der JVA. Jedoch müsse hierfür die ausländerrechtliche Situation geklärt werden.
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Mit Bescheid vom 18. Februar 2020 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Nr. 1 des Bescheids) und ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet, das unter der Bedingung der Straffreiheit auf 7 Jahre, anderenfalls auf 9 Jahre befristet wurde (Nr. 2 des Bescheids). Die Abschiebung aus der Haft in die Türkei wurde angekündigt. Für den Fall der vorherigen Haftentlassung wurde dem Kläger eine Ausreisefrist von vier Wochen nach Entlassung gesetzt. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat angedroht, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist (Nr. 3 des Bescheids).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde, werde ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergebe, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiege. Da die Eltern des Klägers zum Zeitpunkt seiner Geburt und die darauffolgenden Jahre durchgehend in einem festen Arbeitsverhältnis gestanden und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt hätten, habe der Kläger einen Anspruch nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Diese Personen dürften gemäß § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn ihr persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre und die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich sei. Im Fall des Klägers lägen solche Gründe vor. Er sei schon seit seinem 16. Lebensjahr strafrechtlich in Erscheinung getreten und habe sich in seiner Delinquenz kontinuierlich gesteigert, bis er nunmehr zu derart vielen und hohen Jugend- bzw. Freiheitsstrafen verurteilt worden sei, dass er sich nach aktuellem Stand noch bis Juni 2025 in Haft befinden werde. Dabei habe sich schon in seiner Jugend gezeigt, dass bei ihm die Hemmschwelle, sich auf Kosten anderer zu bereichern, ausgesprochen niedrig sei. So sei er schon 2003 bis 2005 mehrfach wegen Diebstahls, aber auch wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. In den Jahren 2007 und 2008 sei er dann erstmals auch wegen Gewaltdelikten zu Jugendarresten verurteilt worden. Er habe sich von jedweder Konfrontation mit der Justiz unbeeindruckt gezeigt. Dementsprechend sei am 19. Februar 2009 die erste Jugendstrafe in Höhe von sieben Monaten wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in Tatmehrheit mit Sachbeschädigung gefolgt. Auch die Aussicht auf eine Inhaftierung habe ihn aber nicht abgeschreckt. Ab dem Jahr 2010 habe er vermehrt Betrugsdelikte, die u.a. auch der letzten Verurteilung zugrunde gelegen hätten, begangen und sei zunächst zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Monaten zur Bewährung verurteilt worden. Weder die Verurteilungen noch die ausländerrechtliche Verwarnung hätten irgendeinen Einfluss auf sein Handeln gehabt. Immer wieder habe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verhandelt werden müssen. Auch die Betrugsdelikte habe er nicht eingestellt, sondern sehr viel eher noch professionalisiert. Am … Januar 2013 sei er schließlich wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 21 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Trotz erheblicher Bedenken sei die Freiheitsstrafe nochmals zur Bewährung ausgesetzt worden. Wie die Verurteilung vom *. Mai 2017 bzw. … März 2018 eindrucksvoll belege, habe der Kläger keineswegs aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Er habe sich vielmehr als vollkommen unbelehrbar erwiesen. Nach seiner Haftentlassung am 5. September 2014 habe er begonnen, seinen Lebensunterhalt durch die Begehung von Straftaten zu finanzieren, wobei er auf das schon altbewährte Vorgehen zurückgegriffen habe. Er habe in der Absicht gehandelt, sich aus wiederholter Tatbegehung eine fortgesetzte und nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen. Der Kläger habe Straftaten begangen, die das Gericht zum Anlass genommen habe, eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten zu verhängen. Eine strafgerichtliche Verurteilung zu einer so hohen Freiheitsstrafe sei auch hinreichender Gradmesser des im Rahmen des Verwaltungsrechts bestehenden Bedürfnisses vorbeugender Schutzmaßnahmen. Ein besonders schwerwiegender, die Ausweisung rechtfertigender Grund liege regelmäßig dann vor, wenn die Anwesenheit des Betroffenen trotz des besonderen Status nicht länger hingenommen werden könne. Im Fall des Klägers sei zu sehen, dass er nun auf eine bald schon 16 Jahre dauernde strafrechtliche Karriere zurückblicken könne, in der er in keiner Weise aus seinen Fehlern gelernt habe. Seit vielen Jahren begehe er nun schon Betrugsstraftaten nach der immer gleichen Vorgehensweise, wohlwissend, welche Konsequenzen dies nach sich ziehe. Offensichtlich habe er sich inzwischen schon damit abgefunden, dass diese Straftaten die einzige Möglichkeit seien, seinen teuren Lebensstandard vorübergehend zu finanzieren. Mit Sicherheit nicht zufällig habe das Landgericht … * in seinem Urteil betont, dass er sehr exklusiv und teuer gekleidet zur Hauptverhandlung erschienen sei. Offensichtlich sei schon dem Strafgericht aufgefallen, dass er einen auffällig luxuriösen Lebenswandel führe. Dass er zur kurzfristigen Umsetzung eigener Wünsche generell bereit sei, geltendes Recht zu überschreiten, belege auch die Vielzahl der Fälle des Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Seine Liebe zu Autos habe eindeutig einen höheren Stellenwert für ihn als die Einhaltung der Rechtsordnung. Der Kläger sei auch bereits ausländerrechtlich verwarnt worden. Trotz aller Warnschüsse habe er es nicht geschafft, einen anderen Weg einzuschlagen. Erschwerend komme hinzu, dass er auch nicht davor zurückschrecke, ihm nahestehende Menschen mit seinem Handeln in Schwierigkeiten zu bringen. So habe er keine Hemmungen gehabt, seine Betrugsgeschäfte über das Konto seiner Eltern abzuwickeln. Der Einwand der vormals Bevollmächtigten, die Straffälligkeit sei auf die Alkoholabhängigkeit oder Spielsucht des Klägers zurückzuführen, sei als Schutzbehauptung zu werten. Es werde nicht verkannt, dass er bei dem zuletzt abgeurteilten Körperverletzungsdelikt alkoholisiert gewesen sei. Insgesamt scheine aber keine hinreichende Kausalität zwischen dem Konsum von Alkohol oder einer Spielsucht und der Straffälligkeit gegeben zu sein. Schließlich sei auch in keinem der Urteile eine Unterbringung nach § 64 StGB thematisiert worden. Ein entsprechendes Gutachten sei niemals vorgelegt worden. Auch der Kläger selbst erwähne in seiner Stellungnahme Alkoholismus oder Spielsucht nicht. Tatsächlich handele es sich bei der Kriminalität des Klägers vermutlich um ein tief verfestigtes Verhaltensmuster, das durch den Konsum von Alkohol allenfalls noch verstärkt werde. Dass sich der Kläger in der JVA nun regelkonform verhalte, stelle keinen die Wiederholungsgefahr ausschließenden Umstand dar. Er habe sich schon einmal für längere Zeit in Haft befunden und sich auch damals augenscheinlich gut geführt. Nichtsdestotrotz habe ihn die Haft offensichtlich nicht so nachhaltig beeindruckt, dass er sein Leben geändert hätte. Die Beklagte gehe nicht davon aus, dass dies nach der jetzigen Haftentlassung der Fall sein werde. Auch die Schadenswiedergutmachung sage nichts über die Reue des Klägers aus. Er sei schon in der Vergangenheit stets bemüht gewesen, die von ihm verursachten finanziellen Schäden zu begleichen, nur um dann teilweise wenig später dieselben Fehler zu wiederholen. Durch sein Verhalten habe er insbesondere die Schutzgüter des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit und des Vermögens verletzt. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Interessen könne auch bei einer Beeinträchtigung des Vermögens vorliegen, wenn von dem Ausländer Straftaten drohten, die zu beträchtlichen Schäden für eine Vielzahl von Personen führen können. Dies dürfte angesichts der Vielzahl der Straftaten und der aus den Straftaten resultierenden Schadenshöhen im Fall des Klägers durchaus zu bejahen sein. Die genannten Schutzgüter nähmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Werteordnung einen hohen Rang ein und lösten staatliche Schutzpflichten aus. Insgesamt berühre das vom Kläger ausgehende Gefahrenpotential ein Grundinteresse der Gesellschaft. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die vom Kläger verübten Straftaten im Bereich der Schwerkriminalität anzusiedeln seien und eine erhöhte Wiederholungsgefahr bestehe. Sein persönliches Verhalten stelle gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Das Ausweisungsinteresse wiege besonders schwer, da der Kläger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden sei. Das Bleibeinteresse wiege ebenfalls besonders schwer, da der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besitze und sich seit mehr als fünf Jahren im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die persönlichen Interessen würden insbesondere von Art. 8 EMRK, Art. 6 GG und Art. 7 GrCh geschützt. Die Ausweisung entspreche Art. 8 Abs. 2 EMRK, da sie gesetzlich vorgesehen sei, ein in dieser Bestimmung aufgeführtes legitimes Ziel (Verteidigung der öffentlichen Ordnung und Verhinderung von Straftaten) verfolge und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sei, um dieses Ziel zu erreichen. Der Kläger sei in … geboren und hier aufgewachsen. Er lebe seit bald 32 Jahren im Bundesgebiet und habe hier die entscheidenden und prägenden Jahre seiner Jugend verbracht, so dass ihm der Status des faktischen Inländers zuerkannt werde. Allerdings stütze sich seine Integration vor allem auf seinen langen Aufenthalt. So habe er zwar einen Hauptschulabschluss erreicht, eine Ausbildung habe er aber aufgrund seines fehlenden Durchhaltevermögens nicht abschließen können. Er habe bereits mehrfach bewiesen, dass er das schnelle Geld durch Straftaten einem legalen Verdienst vorziehe. Seine berufliche Situation in der Türkei sei nicht schlechter einzuschätzen als im Bundesgebiet. Er werde in Anbetracht seiner Einstellung sowohl in der Türkei als auch in Deutschland Schwierigkeiten haben, einen festen Arbeitsplatz zu finden. Vor seiner Inhaftierung habe er bei seinen Eltern gelebt. Einen eigenen Haushalt habe er nicht. Er habe nur deshalb keine Sozialhilfe bezogen, weil er von der Unterstützung seiner Eltern gelebt habe. Es sei durchaus zu sehen, dass der Kläger sein Leben bisher in Deutschland verbracht habe und seine Bindungen in die Türkei vergleichsweise gering sein dürften. Trotzdem habe er sich hier nicht so integrieren können, als dass ihm eine Ausreise in das Land seiner Staatsangehörigkeit nicht zuzumuten wäre. Die Lebensverhältnisse in der Türkei unterschieden sich heute, insbesondere in den sehr westlich geprägten Großstädten, nicht wesentlich von denen im Bundesgebiet. Es bestünden keine Zweifel, dass der Kläger der türkischen Sprache immerhin rudimentär mächtig sei. Seine Eltern stammten beide aus der Türkei. Es sei anzunehmen, dass er sich mit seinen Eltern auch zuhause in seiner Muttersprache unterhalte. Auch die Gebräuche und Lebensgewohnheiten dürften ihm aus Urlaubsreisen zumindest rudimentär bekannt sein. Selbst unter Würdigung des langen Aufenthalts und der bestehenden familiären Bindungen gegenüber einer womöglich ungesicherten Situation im Heimatland träfen ihn die Folgen der Ausweisung zwar schwer, aber nicht unverhältnismäßig. Ihm sei aufgrund der von ihm ausgehenden massiven Gefahr zuzumuten, sich in der Türkei zurechtzufinden. Bei einer Rückkehr in sein altes Umfeld sei zu befürchten, dass er sein Leben alsbald nach seiner Entlassung so fortsetzen werde, wie er es vor der Unterbringung getan habe und dann auch wieder rückfällig werde. Er scheine nicht über ein tragfähiges und stabiles soziales Umfeld zu verfügen, das ihn nachhaltig von der Begehung von Straftaten abhalten könne. Das Schutzgebot des Art. 6 GG gebiete, dass das öffentliche Interesse an der Entfernung des Ausländers nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit dem besonderen Interesse an der Erhaltung von Ehe und Familie abzuwägen sei. Je gewichtiger dieses öffentliche Interesse sei, umso eher dürften dem Ausländer und seiner Familie auch schwerwiegende Folgen zugemutet werden. Der Kläger habe keine eigene Kernfamilie gegründet. Ein Verlöbnis werde nicht von der Ausstrahlungswirkung des Art. 6 GG erfasst. Auch sei die Beziehung zu der Verlobten in der Vergangenheit konfliktbehaftet gewesen. Als volljähriger Mann sei der Kläger nicht mehr auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen. Dem Umstand, dass seine Eltern beide schwer erkrankt seien und eine Abschiebung schwere gesundheitliche Folgen - jedenfalls für seine Mutter - hätte, sei entgegenzuhalten, dass seine Mutter auch aktuell und bis mindestens 2025 nur eingeschränkt Kontakt zu ihm haben könne und angesichts der Urteilsfeststellungen eher davon auszugehen sei, dass der Kläger in der Vergangenheit zusätzliche Arbeit als eine Entlastung für seine Eltern dargestellt habe. Es sei ihm auch vom Ausland aus möglich, mit seiner Familie telefonisch oder brieflich Kontakt zu halten. Eine zeitweise Trennung könne und müsse ihm zugemutet werden. Letztlich hätten es auch seine Eltern bisher nicht geschafft, ihn zu einem straffreien Leben zu bewegen. Aufgrund der drohenden Wiederholungsgefahr müssten die privaten Belange zurückstehen. Dies entspreche bei schweren Straftaten auch der Tendenz des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Darüber hinaus sei den Bindungen und dem langjährigen Aufenthalt mit der Befristung der Ausweisungswirkung auf sieben Jahre Rechnung getragen worden. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, Betretenserlaubnisse zu beantragen. Sofern geltend gemacht worden sei, dass der Kläger in der Vergangenheit schon einmal kurz vor der Einbürgerung gestanden und vorgehabt habe, die türkische Staatsangehörigkeit abzulegen, sei dem entgegenzuhalten, dass ihm schon am 14. Juni 2007 mitgeteilt worden sei, dass sein Einbürgerungsantrag aufgrund seiner fehlenden Mitwirkung als zurückgenommen gelte. Echte Bemühungen hinsichtlich einer Einbürgerung habe er letztlich nicht unternommen. Die Abwägung ergebe, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts überwiege. Dieses Ergebnis sei auch verhältnismäßig. Die Ausweisung sei gesetzlich vorgesehen und verfolge einen legitimen Zweck (Verteidigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie Verhinderung von Straftaten, insbesondere Gewaltdelikte). Die Ausweisung sei die geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, um diesen Zweck durchzusetzen. Durch ein anderes milderes Mittel sei dieser Zweck nicht zu erreichen. Wegen des Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter (vor allem körperliche Unversehrtheit, öffentliche Sicherheit und Ordnung, Vermögen) und der festgestellten hohen Wiederholungsgefahr werde auch im Hinblick auf die familiären und persönlichen Bindungen im Bundesgebiet (Verlobte, Eltern) ein Zeitraum von sieben Jahren für erforderlich gehalten, um dem hohen Gefahrenpotential Rechnung tragen zu können. Bedingung sei, dass keine neuen Ausweisungsgründe verwirklicht werden. Sollte die Bedingung nicht erfüllt werden, werde das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf neun Jahre ab Ausreise befristet. Unter erneuter Berücksichtigung der öffentlichen und privaten Interessen, insbesondere des besonders schweren Anlassdeliktes und der Bindungen im Bundesgebiet, erscheine eine Verlängerung der Grundfrist um zwei Jahre geeignet, erforderlich und angemessen.
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Mit Schreiben vom … Februar 2020 teilte die Mutter des Klägers mit, sie sei seit über zehn Jahren ehrenamtliche Betreuerin im … Hilfswerk für Straffälligenhilfe in JVAs in und hauptberuflich in der Verwaltung bei der tätig. 2019 sei ein schweres Jahr für sie und ihre Familie gewesen mit Schicksalsschlägen wie ihrer Krebserkrankung und der plötzlichen Verhaftung des Klägers sowie der nun drohenden Abschiebung. Der Kläger sei in einem wohlbehüteten, familiären und liebevollen Haushalt aufgewachsen, wo immer viel Wert auf gute Bildung und ein soziales Leben gelegt worden sei. Der Kläger sei immer ein zuvorkommender, hilfsbereiter, bei seiner Familie und Freunden beliebter junger Mann gewesen. Im Laufe seiner Jugend habe er durch falsche Freunde und Alkoholkonsum Fehler begangen. Er sei sich seiner Schuld bewusst und nun bestrebt, seine Fehler wiedergutzumachen. Da seine Delikte hauptsächlich auf Betrug beruhten, habe er mittlerweile 90% seiner Schulden wieder zurückgezahlt. Er sei immer ein guter Schüler gewesen mit Vorbildfunktion als Klassensprecher sowie Jugendteamleiter seiner …mannschaft. Seine Berufsausbildung als …fachmann habe er leider nicht abgeschlossen; dennoch sei er konsequent dabei, seine berufliche Bildung und persönliche Weiterentwicklung fortzusetzen. Aus diesem Grund habe er in der Justizvollzugsanstalt seinen „Quali“ nachgeholt, einen Grundlehrgang in „…technik“ erfolgreich beendet, verschiedene psychologische Verhaltenstherapien abgeschlossen, sei zum Wohngruppen- und Gefangenensprecher gewählt worden, habe eine Ausbildung zum … des Bayerischen …verbandes abgeschlossen und wolle schließlich seine Berufsausbildung nachholen und abschließen. Seine positive Entwicklung während der Haftzeit bestätige er tagtäglich. Sie hätten als komplette Familie 2005 eine Zusicherung der deutschen Staatsbürgerschaft erhalten; doch nur sie habe die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Die Schwester des Klägers sei eine engagierte junge Frau, die ihr Studium zur … in … erfolgreich absolviert habe und bei der Regierung von Oberbayern in der … tätig sei. Der Bruder des Klägers strebe einen schulischen Abschluss an und sei frisch Vater geworden. Beide Geschwister litten sehr unter der Angst, dass ihr geliebter Bruder eventuell abgeschoben werden könnte. Sie mache sich große Sorgen um die Psyche ihrer Kinder. Ebenso sei sie um ihren Ehemann besorgt, der unter einer starken Herz-Kreislauf-Erkrankung leide. Sein Zustand verschlechtere sich Tag für Tag. Momentan befinde er sich in psychotherapeutischer Behandlung. Kurz vor der Verhaftung des Klägers im Dezember 2018 habe sie die Diagnose Brustkrebs erhalten. Seit Januar 2019 sei sie in Chemotherapie und psychischer Behandlung. Der Kläger leide unter starken Schuldgefühlen, seinen Eltern bei der Erkrankung nicht beistehen zu können. Die Tatsache, dass der Kläger abgeschoben werden könnte, versetze sie alle in tiefste Angst. Sie seien seit vier Generationen in Deutschland und hätten keinerlei Bezug in die Türkei, da auch die Großeltern seit mehreren Jahren in Deutschland lebten. Sie selbst sei mit fünf Jahren nach Deutschland gekommen. Sie hätten weder Familie noch eine Bleibe oder jeglichen Kontakt in der Türkei. Ihre Kinder hätten in Deutschland ihre Familie, ihre Freunde und ihr Zuhause. Es wäre für den Kläger unmöglich, in die Türkei zu ziehen, da er keinen Bezug zu diesem Land habe. Des Weiteren seien die politischen Ansichten der Türkei keineswegs mit ihren gleichzusetzen. Da sie Vorstand des politisch-engagierten türkischen Vereins „… …“ sei, sei es weder für sie noch für ihre Kinder vorstellbar, ein friedliches und sicheres Leben in der Türkei führen zu können. Dieser Verein stelle sich gegen die Unterdrückung der Frauenrechte, der Journalisten und der Freiheit des Glaubens, kurz er sei gegen die Politik der jetzigen Regierung. Sie möchten als Familie zusammenbleiben und in Deutschland leben, wo sie auch begraben werden wolle. Sie sei der festen Überzeugung, dass auch der Kläger eine Chance verdient habe und sie erfolgreich meistern werde.
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Mit Schriftsatz vom … März 2020, bei Gericht am selben Tag eingegangen, hat der Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 18. Februar 2020 aufzuheben, hilfsweise das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu verkürzen.
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Mit Schriftsatz vom 25 März 2020 hat die Beklagte beantragt,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klage gegen den Auswei sungsbescheid sei bezüglich des Verpflichtungsantrags unzulässig, im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Der Kläger sei besonders schwerwiegend straffällig geworden. Zuletzt sei eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt worden. Insgesamt seien - insbesondere wegen Eigentums-, aber auch wiederholt wegen Gewaltdelikten - Freiheits- und Jugendstrafen in einer Gesamthöhe von etwa 7,6 Jahren und Geldstrafen in einer Gesamthöhe von 100 Tagessätzen verhängt worden. Der Kläger habe mindestens drei, wohl aber vier besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen (§ 54 Abs. 1 Nrn. 1, 1a lit. b und wohl lit. d erste und zweite Alternative) verwirklicht. Das Mindestmaß sei die einmonatige Freiheitsstrafe nach § 38 Abs. 2 StGB. Im vorliegenden Fall (§ 236 Abs. 3 StGB) betrage die Mindeststrafe sechs Monate. Für eine serienmäßige Begehung spreche der zeitliche Zusammenhang der Straftaten, die rechtskräftige Verurteilung wegen gewerbsmäßigem Betrug und die Verhängung einer Gesamtstrafe. Der Kläger sei seit 2003 kontinuierlich sanktioniert worden. Hinzu kämen mindestens zwei Einstellungen. Es bestehe trotz des positiven Vollzugsverhaltens eine konkrete Wiederholungsgefahr (gewichte Delinquenz, Vielzahl von Verurteilungen, Einschlägigkeit der Eigentumsdelikte, Bewährungsversagen, Straffälligkeit trotz Hafterfahrung, Rückfalltempo, ausländerrechtliche Verwarnung, negative strafrechtliche Prognose, Verschuldung, fehlende Berufsausbildung, Alkoholsucht, Spielsucht (?)). Die Bleibeinteressen des Klägers seien gewichtig, aber angesichts der massiven Schwere der Delinquenz und der erheblichen Wiederholungsgefahr gleichwohl nachrangig. Der Kläger habe eine Niederlassungserlaubnis besessen, sei im Bundesgebiet geboren, habe in der Haft einen Qualifizierenden Mittelschulabschluss erreicht und ein positives Vollzugsverhalten gezeigt. Im Vergleich hierzu nachrangig seien die Bindung an Eltern und Geschwister. Die Tatbestände des § 55 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AufenthG seien erfüllt. Ob § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG greife, sei offengelassen. Die Ausführungen des Amtsgerichts … in den Urteilen vom *. Mai 2017 und … September 2018 (Qualifizierender Hauptschulabschluss, Ausbildungsabschluss, keine Alkoholprobleme, Hochschulabschluss) würfen die Frage auf, inwieweit die Angaben des Klägers verlässlich seien.
40
Der Kläger führte mit Schreiben vom … Juni 2020 aus, er habe sich in der Haft nichts zu Schulden kommen lassen und intensiv an seinen Defiziten gearbeitet. Er habe die Entscheidung getroffen, ein straffreies, bürgerliches und bodenständiges Leben zu führen. Das habe er in den letzten 19 Monaten in Haft gezeigt und wolle es auch weiterhin in Freiheit beweisen. Er habe seinen qualifizierenden Schulabschluss nachgeholt, knapp sechs Monate in der sozialtherapeutischen Wohngruppe gelebt, an der Schuldnerberatung teilgenommen, den …lehrgang absolviert, den Grundlehrgang … abgeschlossen und habe am Straßenverkehrsunterricht, an der sozialpädagogischen Behandlungsgruppe sowie dem KIM-Programm teilgenommen. Er warte auf die Genehmigung der JVA, um ein Fernstudium zum … zu beginnen. Er sei seit über zwei Jahren verlobt und habe vor, seine Partnerin zu heiraten und eine eigene Kernfamilie zu gründen. Er wolle eine stationäre Glücksspieltherapie antreten und erfolgreich abschließen. Er stehe mit zwei Einrichtungen in Kontakt. Entsprechende Nachweise waren beigefügt.
41
Mit Schriftsatz vom … Juli 2020 führte der Klägerbevollmächtigte klagebegründend im Wesentlichen aus, beim Kläger bestehe keine Wiederholungsgefahr mehr. Derzeit sei er in Haft. Er habe die Gründe für seine Straffälligkeit mittlerweile erkannt und sei dabei, diese anzugehen. Er gehe seine Schuldenproblematik aktiv an und werde sie erfolgreich in den Griff kriegen. Er habe auch seine Glücksspielsucht als Problem erkannt und habe das Ziel einer stationären Therapie fest im Blick. Es bestehe keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger in Zukunft Straftaten begehen werde. Sobald er erfolgreich seine Therapie abgeschlossen habe, seien von ihm keine Straftaten mehr zu erwarten. Der Kläger habe unstreitig einen Anspruch nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Diese Sonderregelung modifiziere den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, indem sie die Ausweisung nur aus spezialpräventiven Gründen zulasse. Diesem Maßstab werde der Bescheid nicht gerecht. Die Beklagte habe ungenügend berücksichtigt, dass der Kläger in Deutschland aufgewachsen sei, Deutsch seine Muttersprache sei und er in Deutschland sozialisiert worden sei. Der Kläger sei faktischer Inländer. Seine Verfehlungen seien falschen Lebensentscheidungen und Problemen zuzurechnen, aber keine Frage der Integration. Soweit die Beklagte feststelle, dass die Lebensverhältnisse in der Türkei im Wesentlichen wie in Deutschland wären, verkenne sie die Abkehr der Türkei vom Westen und eine zunehmende Islamisierung unter Erdogan. Diese Entwicklung stelle auch den Kläger vor erhebliche Schwierigkeiten im Fall einer Abschiebung. Seine Mutter sei im Vorstand des Vereins der demokratischen Gedanken Atatürks. In den Augen des Erdogan-Regimes wären sie und ihre Familie Oppositionelle. In der Türkei fänden Massenverhaftungen von Oppositionellen aller Strömungen statt. Es sei zu sehen, dass es sich bei den Straftaten des Klägers überwiegend um Eigentumsdelikte handele und dass die einzelnen Schadenssummen relativ niedrig seien. Dass sich die Strafen am Ende deutlich erhöht hätten, liege nicht in einer höheren Schadensintensität, sondern daran, dass der Kläger den Absprung nicht geschafft habe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass in der Rechtsprechung des EGMR auch deutlich höhere Strafen bei nachhaltiger Integration als unverhältnismäßig bewertet worden seien, insbesondere dann, wenn es sich um eine Vielzahl von kleineren Eigentumsdelikten handele. Die Ausweisung würde einen gravierenden Eingriff in Art. 8 EMRK und Art. 2 Abs. 1 GG darstellen. Es würden nicht nur bisherige familiäre und gesellschaftliche/persönlichkeitsprägende Bindungen abgeschnitten, sondern auch dem Kläger faktisch seine Zukunft verbaut. Daran ändere auch die eigene Schuld an den Straftaten nichts, da ein Fehlverhalten einer verhältnismäßigen Reaktion bedürfe. Diese müsse alterstypische Fehlentwicklungen bedenken und abwägend berücksichtigen. Wenn das staatliche Handeln nicht nur in einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe bestehe, sondern auch in der Trennung von seiner Familie und dem Bruch der bisherigen biografischen Existenz, sei das nicht mehr verhältnismäßig.
42
Im Bericht der JVA … vom 9. Juni 2020 wird ausgeführt, die Führung des Klägers sei bislang beanstandungsfrei verlaufen. Er habe in der JVA … den qualifizierenden Mittelschulabschluss erlangt, in der JVA … den Grundlehrgang … belegt und sei seit 8. Januar 2020 in der Druckerei beschäftigt. Er lege dort Lernfähigkeit an den Tag, arbeite genau und gründlich, gegenüber den Betriebsbeamten verhalte er sich beherrscht und höflich. Vom 13. Januar bis 16. März habe er erfolgreich an einer sozialpädagogischen Behandlungsgruppe teilgenommen und habe dort sein Delikt individuell aufarbeiten können. Die Maßnahme habe wegen der Coronasituation vorzeitig beendet werden müssen. Vom 21. April bis 15. Mai 2020 habe er sich an fünf Sitzungen einer Intervention zur Motivationsförderung beteiligt, die der Auseinandersetzung mit den Straftaten und der Aktivierung einer Veränderungsmotivation diene. Der Kläger habe sich um eine Aufnahme in die sozialtherapeutische Abteilung für Gewaltstraftäter beworben. Diese sei jedoch aufgrund der Länge der verbleibenden Haftzeit verfrüht. Die Maßnahme werde für notwendig erachtet, um die impulsiv-aggressive Delinquenz des Klägers zu behandeln. Hilfsweise sei die Teilnahme an einem AntiGewalt-Training angezeigt. Beim Kläger bestehe eine Alkohol- und Spielsuchtproblematik. Er habe einmal das Beratungsangebot der externen Drogenberatung in Anspruch genommen. An der externen Alkoholberatung (auch zuständig für Spielsucht) habe er nicht teilnehmen können, da diese Stelle derzeit nicht besetzt sei. Er strebe eine Alkohol- und Spielsuchttherapie an und stehe derzeit mit zwei Therapieeinrichtungen in Kontakt. Der Kläger verfüge über stabile soziale Beziehungen. Er habe regelmäßig Besuch von seinen Eltern und seiner Verlobten erhalten. Für die Gewährung von Vollzugslockerungen sei der Kläger derzeit nicht geeignet.
43
In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger, während der ersten Haft habe er sich keine Gedanken über seine Straftaten gemacht. In der zweiten Haft habe er aber eine Sich-Selbst-Kennenlernphase durchgemacht und sich mit seinen Taten auseinandergesetzt. Er sei seit Januar 2019 bei der Schuldnerberatungsstelle und habe derzeit 165.000 Euro Schulden. Im Fall eines Insolvenzverfahrens würden seine finanziellen Angelegenheiten geregelt. Er wisse dann besser, welches Geld er verbrauchen könne und welches er zahlen müsse. Seine Eltern seien Anfang 1960 nach Deutschland gekommen und man habe in der Familie viel Deutsch gesprochen. In der Haft habe er seine Lebenseinstellung geändert. Durch die Erkrankung seiner Mutter an Krebs und des Vaters an Herzproblemen sei ihm bewusst geworden, was er verlieren könne. Er sei verlobt. Ihm sei nie in den Sinn gekommen, dass er abgeschoben werden könne, weil er ja in … geboren und dies seine Heimat sei. Das Fernstudium sei ihm wegen der ungeklärten ausländerrechtlichen Situation abgelehnt worden. Wegen des Glücksspiels nehme er an Gruppen- und Einzelgesprächen teil. Er habe die Kostenübernahme für eine Therapie beantragt. Der Beklagtenvertreter hat die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids auf fünf bzw. sieben Jahre reduziert.
44
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
45
Das Gericht legt den Antrag des Klägers dahingehend aus, dass er im Hauptantrag die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 18. Februar 2020 begehrt.
46
Die so verstandene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
47
Der Bescheid vom 18. Februar 2020 in der Gestalt, die er in der mündlichen Verhandlung gefunden hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
48
1. Die in Nr. 1 des Bescheids der Beklagten vom 18. Februar 2020 verfügte Auswei sung ist rechtmäßig.
49
Maßgeblicher Zeitpunkt zur rechtlichen Überprüfung der Ausweisung sowie der weiteren durch die Beklagte getroffenen Entscheidungen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. nur BVerwG, U.v. 30.7.2013 - 1 C 9.12 - juris Rn. 8; U.v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 12).
50
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Ein Ausländer, dem - wie dem Kläger - nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
51
a) Vom Kläger geht eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose hinsichtlich der Wiederholungsgefahr zu treffen, ohne dass sie an die Feststellungen der Strafgerichte rechtlich gebunden sind (vgl. zum Erfordernis etwa BVerwG, U.v. 26.2.2002 - 1 C 21/00 - juris Rn. 22). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Tat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Für die Feststellung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 18). Der Rang des bedrohten Rechtsguts bestimmt dabei die mögliche Schadenshöhe, wobei jedoch keine zu geringen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden dürfen (BVerwG, U.v. 10.7.2012, a.a.O.).
52
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe geht vom Kläger eine erhebliche Wiederholungsgefahr aus. Sein persönliches Verhalten stellt gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Die der Ausweisungsentscheidung und der Verurteilung des Amtsgerichts … vom *. Mai 2017 und … September 2018 zu Grunde liegenden Straftaten (insbesondere gewerbsmäßiger Betrug, Betrug, gefährliche Körperverletzung und Bedrohung) sind schwerwiegend, zumal vor dem Hintergrund der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen. Der Schutz der Bevölkerung vor Körperverletzungsdelikten sowie vor Eigentums- und Vermögensdelikten stellt ein Grundinteresse der Gesellschaft dar. Die betroffenen Schutzgüter der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums/Vermögens nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen sehr hohen Rang ein und lösen staatliche Schutzpflichten aus. Insbesondere die mehrfache Begehung von Körperverletzungsdelikten begründet eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft an der körperlichen Integrität ihrer Mitglieder (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 15). Gleiches gilt insbesondere bei mehrfacher, geradezu serienmäßiger Begehung von Eigentums- und Vermögensdelikten zur Verschaffung einer nicht unwesentlichen Einnahmequelle.
53
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass vom Kläger die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten, insbesondere im Bereich der Eigentums- und Vermögensdelikte, aber auch im Bereich der Körperverletzungsdelikte, ausgeht. Das Verhalten des Klägers in der Vergangenheit, aus dem hinsichtlich der Wiederholungsgefahr Rückschlüsse zu ziehen sind, legt eine hohe Rückfallgefahr nahe: So hat der Kläger von Jugend an seit dem Jahr 2003 eine Vielzahl von Straftaten, insbesondere im Bereich der Eigentums-, Vermögens-, Verkehrs-, aber auch der Körperverletzungsdelikte mit stetig steigender Delinquenz begangen. Er wurde bereits 13 Mal strafrechtlich verurteilt, zuletzt zu einer Freiheitstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wegen Betrugs in vier Fällen in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Bedrohung unter Einbeziehung des vorangegangenen Urteils wegen gewerbsmäßigen Betrugs in fünf tatmehrheitlichen Fällen. Wegen exakt derselben Betrugsmasche, nämlich des Angebots von Waren auf Internetplattformen unter Vortäuschung der Lieferwilligkeit und Lieferfähigkeit wurde der Kläger bereits mit Urteilen des Amtsgerichts … vom … Januar 2011 und … Januar 2013 zu Freiheitsstrafen in Höhe von 12 Monaten bzw. zwei Jahren jeweils zur Bewährung verurteilt, ohne dass ihn dies veranlasst hätte, derartige Betrugsdelikte aufzugeben. Vielmehr hat er nur eine Woche nach der Verurteilung vom … Januar 2011 mit der Begehung der der Verurteilung vom … Januar 2013 zugrundeliegenden Taten begonnen und seine Betrugsmasche weiter professionalisiert. Insgesamt wurde der Kläger neben verschiedenen Arresten zu Freiheitsstrafen in Höhe von sieben Jahren und acht Monaten sowie zu Geldstrafen in Höhe von 100 Tagessätzen verurteilt. Dabei wurde er bereits viermal zu Freiheitsstrafen verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, ohne dass ihn dies von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten hätte. Vielmehr ist der Kläger sogar wiederholt während offener Bewährung erneut straffällig geworden und somit als mehrfacher Bewährungsversager einzustufen. Dass der Kläger bedenkenlos der Befriedigung seiner Bedürfnisse Vorrang vor der Achtung der Rechtsordnung einräumt, zeigen nicht zuletzt die zahlreichen Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Auch Arrest- und eine mehr als einjährige Hafterfahrung konnte den Kläger nicht zu rechtstreuem Verhalten bewegen, ebenso wenig eine ausländerrechtliche Verwarnung. Zudem hat der Kläger Schulden in Höhe von 165.000,- Euro, so dass die Gefahr besteht, dass der Kläger auch in Zukunft versuchen wird, seine finanziellen Probleme durch Eigentums- und Betrugsstraftaten zu lösen. Dass sich der Kläger im beschützten Umfeld des Strafvollzugs bislang beanstandungsfrei führt und die Angebote der JVA erfolgreich wahrnimmt, lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Auch hat sich der Kläger bereits in der Vergangenheit geständig gezeigt und den Versuch der Schadenswiedergutmachung unternommen, nur um kurz darauf dieselbe Betrugsmasche erneut anzuwenden. Eine ernsthafte Abkehr von seinem bisherigen kriminellen Tun kann seinem angepassten Verhalten daher nicht gesehen werden. Überdies besteht nach Auskunft der JVA … und des Klägerbevollmächtigten beim Kläger eine Alkohol- und Spielsuchtproblematik. In Fällen, in denen Straftaten aufgrund einer bestehenden Suchtproblematik begangen worden sind, geht die Rechtsprechung regelmäßig davon aus, dass die konkrete Wiederholungsgefahr erst entfällt, sobald der Kläger eine Therapie erfolgreich abgeschlossen und darüber hinaus die damit verbundene Erwartung künftigen straffreien Verhaltens auch nach dem Therapieende glaubhaft gemacht hat (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2014 - 10 ZB 13.71 - juris Rn. 6 m.w.N.). Zwar hat der Kläger die Absicht, eine Alkohol- und Spielsuchttherapie zu absolvieren. Faktisch hat er diese bislang aber noch nicht einmal begonnen, geschweige denn abgeschlossen. Auch die von der JVA … als erforderlich erachtete sozialtherapeutische Behandlung seiner impulsiv-aggressiven Delinquenz bzw. die Teilnahme an einem Anti-Gewalt-Training ist zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bislang nicht erfolgt. Nach alledem besteht eine erhebliche Gefahr, dass der Kläger insbesondere im Bereich der Eigentums-, Vermögens- und Körperverletzungsdelikte erneut straffällig wird.
54
b) Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage i.S.d. § 53 Abs. 1 AufenthG zu treffende Abwägung ergibt, dass das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt.
55
§ 53 AufenthG gestaltet die Ausweisung als Ergebnis einer umfassenden, ergebnisoffenen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus. Sofern das öffentliche Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt, ist die Ausweisung rechtmäßig. In die Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG sind die in §§ 54, 55 AufenthG vorgesehenen Ausweisungs- und Bleibeinteressen mit der im Gesetz vorgenommenen grundsätzlichen Gewichtung einzubeziehen. Neben den dort explizit aufgeführten Interessen sind aber noch weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Bleibe- oder Ausweisungsinteressen denkbar. Die Katalogisierung in den §§ 54, 55 AufenthG schließt die Berücksichtigung weiterer Umstände nicht aus (BT-Drs. 18/4097, S. 49). Nach § 53 Abs. 2 AufenthG sind bei der Abwägung nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Die Aufzählung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien ist aber nicht abschließend (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Es sind für die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung maßgeblich auch die Kriterien des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte heranzuziehen (vgl. nur EGMR, U.v. 18.10.2006 - Üner, Nr. 46410/99 - juris; EGMR, U.v. 2.8.2001 - Boultif, Nr. 54273/00 - InfAuslR 2001, 476-481). Hiernach sind vor allem die Art und die Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten, die Dauer des Aufenthaltes in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll, die seit der Begehung der Straftat verstrichene Zeit und das seitherige Verhalten des Ausländers, die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen, die familiäre Situation des Ausländers, ob zu der Familie Kinder gehören und welches Alter diese haben, sowie die Ernsthaftigkeit der Schwierigkeiten, welche die Familienangehörigen voraussichtlich in dem Staat ausgesetzt wären, in den der Ausländer ausgewiesen werden soll, die Belange und das Wohl der Kinder und die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielland zu berücksichtigen (VG Oldenburg, U.v. 11.1.2016 - 11 A 892/15 - juris Rn. 24).
56
Im Fall des Klägers besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Denn er wurde mit Urteil des Amtsgerichts … vom … September 2018 zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
57
Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegenüber, da der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.
58
Bei der nach § 53 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Abwägung zwischen Ausweisungs- und Bleibeinteresse überwiegt bei Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien sowie aller sonstigen Umstände im Fall des Klägers das öffentliche Interesse an der Ausreise sein Bleibeinteresse. Die Ausweisung ist angesichts der Gesamtumstände und unter Berücksichtigung der Anforderungen der Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht unverhältnismäßig.
59
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Die Behörde darf nach Art. 8 Abs. 2 EMRK in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Da Art. 8 Abs. 2 EMRK eindeutig Ausnahmen von den in Art. 8 Abs. 1 EMRK zugesicherten Rechten vorsieht, kann aus Art. 8 Abs. 1 EMRK kein absolutes Recht auf Nichtausweisung abgeleitet werden (Bauer in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, Vor §§ 53-56 Rn. 96 ff.). Vielmehr bedarf es einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung, in die sämtliche Aspekte des Einzelfalls einzustellen sind.
60
Nach der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG hat der Staat die Pflicht, die Familie zu schützen und zu fördern. Jedoch ergibt sich auch hieraus kein unmittelbarer Anspruch auf Aufenthalt (vgl. nur BVerfG, B.v. 9.1.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris Rn. 14). Vielmehr verpflichtet Art. 6 Abs. 1 und 2 GG die Ausländerbehörde wie auch die Gerichte, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des Klägers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen bei der Entscheidung zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris - Rn. 16; BVerfG, B.v. 9.1.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris Rn. 14). Insofern beanspruchen die oben zu Art. 8 EMRK genannten Kriterien auch Geltung für die Beantwortung der Frage, ob der vorliegende Eingriff verhältnismäßig im Sinne von Art. 6 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG ist.
61
Die Ausweisung von Ausländern, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist, kann den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzen (BVerwG, U.v. 29.9.1998 - 1 C 8/96 - juris Rn. 30). Obwohl der Kläger in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, hier die Schule besucht, und in der JVA den qualifizierenden Mittelschulabschluss erreicht hat, er seine wesentliche Prägung und Entwicklung in Deutschland erfahren hat und zahlreiche Verwandten hier leben, erscheint eine Verweisung auf ein Leben in der Türkei nicht unzumutbar. Der Kläger ist nicht derart irreversibel in die deutschen Lebensverhältnisse eingefügt, dass ihm ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit unzumutbar wäre. Trotz seiner fast ausschließlichen Sozialisation im Bundesgebiet ist es angesichts der begangenen Vielzahl an schwerwiegenden Straftaten im Bereich der Eigentums-, Vermögens- und Gewaltdelikte und der von ihm auch weiterhin ausgehenden erheblichen Wiederholungsgefahr für den Kläger zumutbar, in das Land seiner Staatsangehörigkeit zu übersiedeln. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Integration des Klägers im Bundesgebiet ist zu berücksichtigen, dass er über keine gesicherte berufliche Position verfügt. Der Kläger hat keine Berufsausbildung abgeschlossen. Er ist in Deutschland nicht beruflich integriert, sondern war nur in unregelmäßig erwerbstätig. Nach dem Versicherungsverlauf der Deutschen Rentenversicherung hat der Kläger vom 1. Januar 2005 bis 14. August 2008 mit Ausnahme ca. eines halben Jahres Arbeitslosengeld II bezogen, hat danach gut 1 ½ Jahre seine nicht abgeschlossene Ausbildung absolviert, war in den Jahren 2010 und 2011 lediglich einige Monate geringfügig beschäftigt und ist nach einer weiteren halbjährigen Ausbildungszeit vom 22. April bis 30. Juni 2013, vom 20. Oktober 2014 bis 10. April 2015, vom 1. April bis 11. Dezember 2017 sowie vom 3. April 2018 bis zu seiner aktuellen Inhaftierung mit jeweils größeren Unterbrechungen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Der Kläger beherrscht die Sprache seines Heimatlands jedenfalls insoweit, dass er etwaige Defizite, v.a. im schriftlichen Bereich, mit zumutbarer Anstrengung ohne Weiteres ausgleichen kann, so dass dem Aufbau einer Existenz in der Türkei daher auch keine unüberbrückbare sprachliche Barriere entgegensteht. Auch Sitten und Gebräuche seines Heimatlandes sind ihm aus Besuchsaufenthalten in der Türkei bekannt und wurden ihm sicherlich auch von seinen Eltern vermittelt. Er kann die ggf. noch vorhandenen kulturellen Hürden daher mit einiger - zumutbarer - Anstrengung überwinden und sich in sein Heimatland integrieren. Daher wird sich der Kläger in seinem Heimatland, insbesondere - angesichts seiner guten deutschen Sprachkenntnisse - in den Tourismusgebieten, eine neue Existenz aufbauen und für sich selbst sorgen können. Zwar ist vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK und des Art. 6 GG zu berücksichtigen, dass die Familienangehörigen des Klägers überwiegend in Deutschland leben und er guten Kontakt zu diesen pflegt. Allerdings handelt es sich dabei nicht um die Kernfamilie des Klägers. Der Kläger ist ein 32-jähriger junger Mann und damit nicht mehr auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen. Den Kontakt zu seinen im Bundesgebiet lebenden Verwandten, insbesondere zu seinen Eltern und Geschwistern, kann der Kläger auch von der Türkei aus über Telekommunikationsmittel und Besuchsaufenthalte aufrechterhalten, auch wenn dies mit Schwierigkeiten verbunden sein mag. Zudem besteht auch die Möglichkeit der Erteilung von Betretenserlaubnissen (§ 11 Abs. 8 AufenthG). Dass die Eltern des Klägers auf dessen Unterstützung angewiesen wären, ist auch unter Berücksichtigung der Erkrankungen der Eltern nicht ersichtlich, zumal der sich in Haft befindliche Kläger auch derzeit keine Unterstützung leisten kann. Soweit die Eltern des Klägers tatsächlich der Unterstützung bedürfen, ist es angesichts der erheblichen Straffälligkeit des Klägers dessen in Deutschland lebenden Verwandten zuzumuten, diese ohne Inanspruchnahme des Klägers zu organisieren. Der Beziehung zu seiner Verlobten kann keine wesentliche Bedeutung beigemessen werden, nachdem insoweit nicht ersichtlich ist, dass bereits die vollständigen Unterlagen beim Standesamt vorgelegt wurden, was gegen die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung und den besonderen Schutz nach Art. 6 Abs. 1 GG spricht (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 28.11.2016 - 10 CE 16.2266 - juris Rn. 10 f.). Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre das Gewicht dieser Ehe relativiert, weil die Ehe erst im Wissen um die Straftaten und die bereits erfolgte Ausweisung, somit im Wissen um eine unsichere Aufenthaltsperspektive, geschlossen würde (BayVGH, B.v. 5.11.2018 - 10 ZB 18.1710 - juris Rn. 18; B.v. 9.5.2019 - 10 ZB 19.317 - juris). Dem Umstand, dass der Kläger in der Vergangenheit die Möglichkeit gehabt hätte, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben, kann keine Bedeutung beigemessen werden, da er hiervon keinen Gebrauch gemacht hat und seither schwerwiegend strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.
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Vor diesem Hintergrund, unter Berücksichtigung der Vielzahl und Schwere der vom Kläger begangenen Taten und der von ihm ausgehenden Wiederholungsgefahr fällt die nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG zu treffende Gesamtabwägung zu Lasten des Klägers aus. Das Ausweisungsinteresse überwiegt das Bleibeinteresse. Die Ausweisung steht auch mit Art. 8 EMRK im Einklang, da sie gesetzlich vorgesehen ist (§ 53 Abs. 1 AufenthG) und einen in dieser Bestimmung aufgeführten legitimen Zweck, nämlich die Verteidigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und die Verhinderung von Straftaten, verfolgt. Die Ausweisung ist die geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, um den beabsichtigten Zweck durchzusetzen. Durch ein anderes, milderes Mittel kann der mit ihr verfolgte Zweck vorliegend nicht erreicht werden, zumal der Kläger in der Vergangenheit durch zahlreiche Bewährungsstrafen und eine ausländerrechtliche Verwarnung bereits mehrfach die Chance hatte, zu einem rechtstreuen Verhalten zurückzukehren. Im Ergebnis ist die Ausweisung des Klägers daher verhältnismäßig und rechtmäßig und zur Wahrung des mit ihr verfolgten Interesses unerlässlich.
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2. Die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots beruht auf § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in Nr. 2 des angegriffenen Bescheids in der durch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung geänderten Fassung auf fünf Jahre im Falle nachgewiesener Straffreiheit, anderenfalls auf sieben Jahre ist rechtmäßig.
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Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG von Amts wegen zu befristen. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist über die Länge der Frist nach Ermessen zu entscheiden. Sie darf gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 AufenthG fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Frist soll in diesem Fall zehn Jahre nicht überschreiten. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen; es bedarf einer prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. In einem zweiten Schritt ist die so ermittelte Frist an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, zu überprüfen und gegebenenfalls zu verkürzen; dieses normative Korrektiv bietet den Ausländerbehörden und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2015 - 10 B 13.715 - juris Rn. 56). Diese vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze (BVerwG, U.v. 14.5.2013 - 1 C 13.12- juris Rn. 32; U.v. 13.12.2012 - 1 C 14/12 - InfAuslR 2013, 141 Rn. 13 ff.; U.v. 14.5.2013 - 1 C 13/12 - NVwZ-RR 2013, 778 Rn. 32 f.) gelten auch im Rahmen der geänderten Fassung des § 11 AufenthG fort (BayVGH, B.v. 13.5.2016 - 10 ZB 15.492 - juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 15.1854 - Rn. 50).
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Gemessen an diesen Vorgaben ist eine Befristung auf fünf Jahre bei nachgewiesener Straffreiheit, anderenfalls auf sieben Jahre, nicht zu beanstanden. Ermessensfehler im Sinne von § 114 VwGO sind nicht ersichtlich. Die in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannte Höchstfrist ist vorliegend bedeutungslos, weil der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen wurde. Die behördliche Entscheidung hält sich in dem von § 11 Abs. 5 AufenthG festgelegten Rahmen. Die Beklagte hat zutreffend das Gewicht des Ausweisungsgrundes und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck sowie die familiären und persönlichen Bindungen des Klägers berücksichtigt. Angesichts des Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter und der hohen Wiederholungsgefahr wäre - ohne Berücksichtigung der familiären und persönlichen Bindungen des Klägers an das Bundesgebiet - auch eine höher bemessene Frist zur Erreichung des Zwecks der Aufenthaltsbeendigung gerechtfertigt. Da sich die Frist aber an den verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 6 GG und Art. 8 EMRK messen lassen muss, ist unter Berücksichtigung der familiären und persönlichen Bindungen des Klägers eine Frist von fünf Jahren unter o.g. Bedingungen, anderenfalls von sieben Jahren, nicht zu beanstanden. Gegebenenfalls bestehende besondere Härten können durch die Ausnahmegenehmigung nach § 11 Abs. 8 AufenthG gemildert werden.
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3. Die Abschiebung unmittelbar aus der Haft ergibt sich aus § 58 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4 AufenthG. In diesem Fall bedarf es keiner Fristsetzung nach § 59 Abs. 1 AufenthG. Die Abschiebungsandrohung und die dem Kläger zur freiwilligen Ausreise gesetzte Frist für den Fall, dass er vor Durchführung der Abschiebung aus der Haft entlassen wird, ergeben sich aus §§ 58 Abs. 1 und 59 Abs. 1 AufenthG und sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
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Auch war die Türkei in der Abschiebungsandrohung nicht gem. § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG als Staat zu bezeichnen, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf. Die Beklagte hat zwar grundsätzlich vor Erlass der Abschiebungsandrohung unter Beteiligung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt; § 72 Abs. 2 AufenthG) zu prüfen, ob zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG vorliegen. Nach Stellung eines Asylantrags obliegt jedoch gem. § 24 Abs. 2 AsylG auch die Entscheidung, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt, allein dem Bundesamt.
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Der Kläger hat vorliegend sinngemäß geltend gemacht, dass ihm in der Türkei wegen des Engagements seiner Mutter als Vorstand des politisch-engagierten türkischen Vereins „… …“ Verfolgung und eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben bzw. eine grausame und unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK drohe. Er macht damit eine Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG bzw. eine erhebliche Gefahr i.S.d. § 4 AsylG geltend.
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Zwar hat der Kläger keinen förmlichen Asylantrag gem. § 14 AsylG gestellt. Eine Pflicht zur Stellung eines förmlichen Asylantrags besteht auch nicht. Maßgeblich ist hier jedoch der weite Antragsbegriff des § 13 Abs. 1 AsylG (Funke-Kaiser in Fritz/Vormeier, GK-AufenthG, Stand: April 2020, § 60a AufenthG Rn. 127). Ein Ausländer, der behauptet, ihm drohten aus politischen Gründen Menschenrechtsverletzungen bzw. ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 AsylG, aber trotz dieses formlosen Nachsuchens um Asyl (§ 13 Abs. 1 AsylG) keinen förmlichen Asylantrag gem. § 14 AsylG stellt, begibt sich damit gleichwohl in die Prüfungszuständigkeit des Bundesamts und kann nicht geltend machen, er begehre lediglich isoliert einen in die Zuständigkeit der Ausländerbehörde fallenden Abschiebungsschutz gem. § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG (Treiber in Fritz/Vormeier, GK-AsylG, Stand: Mai 2020, § 13 AsylG Rn. 56). Stellt er keinen förmlichen Asylantrag, bleiben die Verfolgungsgründe ungeprüft, und zwar auch insoweit als zugleich möglicherweise Abschiebungsverbote i.S.d. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG erfüllt sein könnten (Funke-Kaiser in Fritz/ Vormeier, GK-AufenthG, Stand: April 2020, § 60a AufenthG Rn. 248). Aus der eindeutigen Kompetenzzuordnung an das Bundesamt für die Prüfung auch nur potentiell asylrelevanter Verfolgungsgründe und in diesem Zusammenhang auch von Abschiebungsverboten sowie der Bindungswirkung des § 6 AsylG folgt eindeutig, dass für die Entscheidung, ob Ausländern Abschiebungsschutz wegen asyl- bzw. flüchtlingsrelevanter Maßnahmen bei Rückkehr zu gewähren ist, allein das Bundesamt sachlich zuständig ist, auch wenn diese Maßnahmen zugleich die Qualität eines Eingriffs i.S.d. § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG haben. Der Ausländer hat es nicht in der Hand, bei Vortrag eines Lebenssachverhalts, der politische Verfolgung oder eine Maßnahme i.S.d. § 4 AsylG darstellen kann, durch die Unterlassung bzw. die Weigerung, einen förmlichen Asylantrag zu stellen, über die Zuständigkeit des Bundesamts zu disponieren (Funke-Kaiser in Fritz/Vormeier, GK-AsylG, Stand: Mai 2020, § 6 AsylG Rn. 14.1). Es besteht insofern kein Wahlrecht des Ausländers zwischen asylrechtlichem oder ausländerrechtlichem Schutz vor Verfolgung im Heimatland. § 13 Abs. 1 AsylG ist vielmehr zur Konzentration und Beschleunigung des Verfahrens sowie auch zum Ausschluss von Verfahrensverzögerungen durch nachgeschaltete Asylanträge geschaffen worden. Danach ist derjenige Schutzsuchende, der sich materiell auf Asylgründe beruft, zwingend auf das - alle Schutzersuchen und Schutzformen erfassende (vgl. BVerwG, U.v. 18.1.1994 - 9 C 48.92 - juris) - Asylverfahren zu verweisen und hiermit ausschließlich das besonders sachkundige Bundesamt zu befassen. Die ausschließliche Zuständigkeit des Bundesamtes kann sich mithin nicht nur aus der Stellung eines formellen Antrages ergeben, sondern auch aus der Geltendmachung eines materiellen Asylbegehrens. Maßgeblich für die Abgrenzung der Zuständigkeiten bei der Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote ist somit, ob der Ausländer - wie hier - die Feststellung aufgrund behaupteter Verfolgungsgefahren (Zuständigkeit des Bundesamtes) oder aus verfolgungsunabhängigen, rein humanitären Gründen (Zuständigkeit der Ausländerbehörde) begehrt (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 29.3.2011 - 8 LB 121/08 - juris; BVerwG, U.v. 9.6.2009 - 1 C 11.08 - juris; BVerwG, B.v. 3.3.2006 - 1 B 126.05 - juris; OVG Saarland, B.v. 20.3.2008 - 2 A 33/08 - juris). Die vom Kläger vorgebrachten zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote waren daher durch die Beklagte nicht zu prüfen. Es obliegt dem Kläger, diese ggf. in einem Asylverfahren geltend zu machen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).