Titel:
Krankheit, Altersrente, Hinterbliebenenrente, Rente, Versorgungsehe, Rechtsweg, Anspruch, Ehe, Zeitpunkt, Benachteiligung, Zinsen, Streitwert, Vertrag, Klage, unangemessene Benachteiligung, gesetzliche Vermutung
Schlagworte:
Krankheit, Altersrente, Hinterbliebenenrente, Rente, Versorgungsehe, Rechtsweg, Anspruch, Ehe, Zeitpunkt, Benachteiligung, Zinsen, Streitwert, Vertrag, Klage, unangemessene Benachteiligung, gesetzliche Vermutung
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG München, Urteil vom 08.02.2021 – 4 Sa 871/20
BAG Erfurt, Urteil vom 02.12.2021 – 3 AZR 254/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 48360
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Der Streitwert wird auf € 17.262,00 festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über eine Hinterbliebenenrente.
2
Die Klägerin ist die Witwe des am 00.00.1943 geborenen Herrn B.. Herr B. war in der Zeit vom 01.01.1972 bis 30.11.2006 bei der Beklagten beziehungsweise deren Rechtsvorgängerin (D. AG) in Stadt M beschäftigt. Am 15.12.1992 wurde zwischen Herrn B. und der D. AG ein Pensionsvertrag geschlossen. Dieser Vertrag - der unstreitig Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB enthält - trat am 01.01.1993 in Kraft (vgl. Vertrag in Kopie als Anlage K 1).
3
Im Vertrag heißt es unter § 4 („Witwen-/Witwerrente“) Nr. 2:
„Ein Anspruch besteht nicht, wenn der Mitarbeiter die Ehe geschlossen hat
a) später als 5 Jahre vor Beginn der Altersrente oder
b) nach Einsetzen der Berufsunfähigkeitsrente oder
c) in den letzten 12 Monaten vor seinem Tode, es sei denn, er ist an den Folgen eines nach der Eheschließung erlittenen Unfalls oder an einer Krankheit gestorben, die erst nach der Eheschließung eingetreten ist.“
4
Herr B. erhielt auf der Grundlage des Pensionsvertrags eine Betriebsrente, zuletzt in Höhe von € 799,17. Die Klägerin und Herr B. heirateten am 05.01.2018. Am 01.05.2018 verstarb Herr B.. Die Leistung einer Witwenrente lehnte die Beklagte ab (vgl. die im Schriftsatz der Beklagten vom 28.02.2020 - S. 2, Bl. 64 d.A. - dargestellte Korrespondenz).
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Die Klägerin ist der Auffassung, ihrem Anspruch auf Hinterbliebenenrente stünde § 4 Nr. 2 des Pensionsvertrags nicht entgegen. § 4 Nr. 2 a) des Vertrags knüpfe nicht an ein betriebsrentenrechtliches Strukturprinzip an. Die mit der Regelung verbundene Benachteiligung wegen des Alters sei deshalb nicht angemessen i.S.v. § 10 S. 2 AGG. § 4 Ziff. 2 c) des Vertrags sei wegen eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Die Regelung weiche in unzulässiger Weise von § 46 Abs. 2a SGB VI ab.
6
Die Klägerin beantragt zuletzt,
- 1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständige Hinterbliebenenrente für die Monate Juni 2019 bis Dezember 2019 in Höhe von insgesamt 3.556,51 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin bis zum Zeitpunkt ihres Todes eine monatliche Hinterbliebenenrente in Höhe von 479,50 € brutto spätestens am Ende eines Kalendermonats, beginnend ab dem 01.01.2020, zu zahlen.
- 3.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständige Hinterbliebenenrente für die Monate Juni 2018 bis Mai 2019 in Höhe von insgesamt 5.754,02 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.
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Die Beklagte ist der Auffassung, ein Anspruch der Klägerin scheide mit Blick auf die wirksamen Regelungen in § 4 Nr. 2 des Pensionsvertrags aus.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
10
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
11
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist für die Klägerin als Hinterbliebene eröffnet gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 a) ArbGG.
12
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Arbeitsgericht München örtlich zuständig gem. § 48 Abs. 1a ArbGG, weil Herr B. als „Arbeitnehmer“ i.S.v. §§ 48 Abs. 1a, 2 Abs. 1 Nr. 4 a) ArbGG seine Arbeit zuletzt in München verrichtet hat.
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Die Klage ist unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente besteht gemäß der wirksamen Regelung in § 4 Nr. 2 c) des Pensionsvertrags nicht.
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1. Unstreitig haben die Kläger und Herr B. ihre Ehe in den letzten 12 Monaten vor dessen Tode geschlossen.
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2. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass ihr verstorbener Ehemann an den Folgen eines nach der Eheschließung erlittenen Unfalls oder an einer erst nach der Eheschließung eingetretenen Krankheit verstorben wäre.
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3. Bei Mindestehedauerklauseln stellt sich die Frage ihrer Billigung durch das AGG grundsätzlich nicht. Denn § 1 AGG spricht den Tatbestand der Mindestehedauer weder direkt noch indirekt an. Es bedarf daher nicht des Rückgriffs auf den § 10 AGG, der gewisse Benachteiligungen wegen des Alters bei Alters- und Invaliditätsleistungen gestattet (Höfer, Betriebsrentenrecht, Bd. I, Kap. 7, Rn. 115, 25. EL Januar 2020).
17
4. Die Regelung in § 4 Nr. 2 c) des Pensionsvertrags begegnet auch als Allgemeine Geschäftsbedingung keinen durchgreifenden Bedenken.
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a) Es liegen unstreitig Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB) vor.
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b) Diese wurden auch wirksam einbezogen. Es handelt sich insbesondere nicht um eine überraschende Klausel i.S.v. § 305 c Abs. 1 BGB, sondern um eine weitverbreitete und übliche Regelung im Bereich der Hinterbliebenenrente (sog. Mindestehedauerklausel).
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c) Die Regelung ist hinreichend transparent i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, indem sie an die klar bestimmbaren Zeitpunkte der Eheschließung und des Versterbens anknüpft und hiervon zwei klar umrissene Ausnahmen zulässt.
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d) Eine weitergehende Inhaltkontrolle ist bei solchen Klauseln gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB zwar möglich. Eine unangemessene Benachteiligung liegt aber bei der hier geregelten Mindestehedauer von einem Jahr nicht vor (vgl. BAG 19.02.2019 - 3 AZR 150/18). Das Interesse der Beklagten, sog. Versorgungsehen von einer Anspruchsberechtigung auszuschließen, ist grundsätzlich anzuerkennen und legitim. Der gewählte Zeitraum von einem Jahr ist nicht zu beanstanden. So hat auch der Gesetzgeber in § 46 Abs. 2a SGB VI hat im Bereich der gesetzlichen Rente eine Ehedauer von einem Jahr für ausreichend erachtet, um Versorgungsehen auszuschließen und zudem - wie auch die vorliegende Regelung - die Möglichkeit eröffnet, die gesetzliche Vermutung, es handele sich um eine Versorgungsehe, im Einzelfall zu widerlegen. Die Vereinbarung einer Mindestehedauer von einem Jahr, gegebenenfalls mit der Möglichkeit auch in diesem Fall das Vorliegen einer Versorgungsehe zu widerlegen (wie im hiesigen Fall) ist deshalb auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig (BAG 19.02.2019 - 3 AZR 150/18; vgl. etwa auch Höfer, Betriebsrentenrecht, Bd. I, Kap. 7, Rn. 114, 25. EL Januar 2020). Eine Regelung, welche die Widerlegungsmöglichkeiten des § 46 Abs. 2a SGB VI (einer Regelung, die im Zeitpunkt des Pensionsvertragsschlusses noch nicht existierte) gleichsam „eins zu eins“ nachbildet, verlangt das Bundesarbeitsgericht demgegenüber nicht.
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5. Auf die Frage, ob der Anspruch der Klägerin (auch) gem. § 4 Nr. 2 a) des Pensionsvertrages ausgeschlossen ist, kommt es nach dem Obenstehenden nicht mehr an, da nach der vertraglichen Regelung offensichtlich die Erfüllung eines Ausschlusstatbestandes - alternativ - ausreicht (Verknüpfung der 3 Varianten jeweils durch das Wort „oder“).
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1. Die Kostenentscheidung folgt § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO.
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2. Der Streitwert wurde festgesetzt gem. § 61 Abs. 1 ArbGG.
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3. Die Klägerin kann gegen dieses Endurteil nach näherer Maßgabe der folgenden Belehrung Berufung einlegen.