Inhalt

FG Nürnberg, Urteil v. 05.11.2020 – 8 K 566/19
Titel:

Kein Wahlrecht zwischen Rechtsstreitigkeiten mit Finanzamt

Normenketten:
FGO § 42, § 68
AO § 351
Leitsatz:
Entgegen der Auffassung des Klägers kann der BFH-Rechtsprechung nicht entnommen werden, dass ein Kläger im Falle einer (angeblichen) Nichteinhaltung einer solchen Zusage ein Wahlrecht hat, entweder den ursprünglichen Prozess fortzusetzen oder stattdessen ein neues Rechtsbehelfsverfahren zu führen. Ein solches Wahlrecht kann nicht den Aussagen des BFH in den Urteilen in BFHE 151, 118, BStBl II 1988, 121 und in BFHE 193, 494, BStBl II 2001, 303 entnommen werden, wonach „der Kläger den Rechtsstreit mit dem Antrag fortsetzen kann, das Finanzamt zum Erlass des zugesagten Änderungsbescheids zu verpflichten“.  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verfahren, Fortführung, Streitstoff, Wahlrecht, Änderungsbescheid, Rechtsstreit
Rechtsmittelinstanz:
BFH München, Beschluss vom 12.05.2021 – IX B 73/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 48322

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 03.03.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.03.2019.
2
In den Verfahren 7 K 1750/13 und 7 K 475/14 haben sich die Beteiligten bezüglich des Grundstücks ABC 7 darauf geeinigt, dass die Verluste in 2006 vorläufig anerkannt werden; in 2007 und 2008 sollten die das Objekt ABC 7 betreffenden Verluste vorläufig nicht anerkannt werden.
3
Entsprechend der anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 20.01.2017 übereinstimmend erklärten Hauptsacheerledigung erließ das Finanzamt am 03.03.2017 unter Bezugnahme auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung entsprechende Änderungsbescheide gemäß § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.
4
Der Klägervertreter erhob gegen die Änderungsbescheide am 06.04.2017 Einspruch, den er trotz mehrfacher Aufforderung (28.06.2017, 14.12.2017,14.02.2018, 13.06.2018) durch den Beklagten in der Sache nicht begründete.
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Mit Entscheidung vom 21.03.2019 verwarf der Beklagte die Einsprüche als unzulässig.
6
Erklären die Beteiligten während eines Klageverfahrens den Rechtsstreit für in der Hauptsache als erledigt, weil sich das Finanzamt verpflichtet hat, Änderungsbescheide zu erlassen, so sei ein Einspruch gegen die entsprechenden Änderungsbescheide gemäß § 351 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 42 FGO unzulässig. Soweit Änderungsbescheide entsprechend der Zusage ergehen, seien diese unanfechtbar. Der Streit über die konkrete Umsetzung einer Zusage, welche dazu geführt hat, dass der ursprüngliche Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, könne nur im Wege der Fortführung des ursprünglichen Prozesses geführt werden. Im vorliegenden Sachverhalt seien die strittigen Steuerfestsetzungen bereits durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung von 20.01.2017 unanfechtbar geworden, die entsprechenden Änderungsbescheide vom 03.03.2017 damit nicht mehr mit einem Rechtsbehelf angreifbar.
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Am 25.04.2019 klagte der Kläger wegen Einkommensteuer 2006-2008. In der Begründung seiner Klage vom 20.08.2019 bezieht sich der Klägervertreter allein auf die Bescheide vom 26.03.2019 und die Einspruchsentscheidung vom 10.07.2019, mit denen die Steuerfestsetzung bezüglich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betreffend das Grundstück ABC 7 für endgültig erklärt wurden. Ziel der Klage war, die Steuerfestsetzung diesbezüglich weiterhin vorläufig zu halten.
8
Der Klägervertreter beantragte bisher sinngemäß
- den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 26.03.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.07.2019 ersatzlos aufzuheben, sodass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks ABC 7 wieder mit einem Betrag von 7.913 € und hinsichtlich der Einkünfteerzielungsabsicht nach § 165 Abs. 1 AO vorläufig festgesetzt werden,
- die Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 vom 26.03.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.07.2019 ersatzlos aufzuheben und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks ABC 7 wieder mit einem Betrag von jeweils 0 € und hinsichtlich der Einkünfteerzielungsabsicht nach § 165 Abs. 1 AO vorläufig festzusetzen.
9
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen und wiederholt sein Vorbringen in der Einspruchsentscheidung.
10
Das Finanzamt meint, im vorliegenden Verfahren gehe es nicht um die Frage der Vorläufigkeit bzw. um die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht, sondern Gegenstand der Klage sei allein die Zulässigkeit der Einsprüche gegen die Bescheide vom 03.03.2017.
11
Ergänzend wird auf die dem Gericht vorliegenden und die beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet, da die Einsprüche gegen die angefochtenen Bescheide vom Finanzamt zu Recht als unzulässig verworfen worden sind.
13
1. Vorliegende Klage vom 25.04.2019 richtet sich „gegen Einkommenssteuerbescheide 2006-2008“.
14
In der Klagebegründung vom 20.08.2019, die einheitlich in einem Schreiben auch für das Verfahren 7 K 1075/19 (jetzt 8 K 1075/19) eingereicht wurde, wendet sich der Kläger gegen die Bescheide vom 26.03.2019 und die Einspruchsentscheidung vom 10.07.2019.
15
Da die Klage bereits am 25.04.2019 erhoben worden ist, zu diesem Zeitpunkt aber gegen die Bescheide vom 26.03.2019 noch gar keine Einsprüche eingelegt waren - diese wurden am 29.04.2019 erhoben -, kann mit vorliegender Klage nur die Anfechtung der Bescheide vom 03.03.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.03.2019 gemeint sein.
16
Die Bescheide vom 26.03.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.07.2019 sind Gegenstand des Verfahrens 8 K 1075/19.
17
2. Der Beklagte hat die Einsprüche zu Recht als unzulässig verworfen.
18
Es entspricht der gefestigten BFH-Rechtsprechung, dass der Streit über die korrekte Umsetzung einer Zusage, welche dazu geführt hat, dass der ursprüngliche Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, nur im Wege der Fortführung des ursprünglichen Prozesses geklärt werden kann. Eine solche Fortsetzung des ursprünglichen Prozesses ist nicht nur dann geboten, wenn in Frage steht, ob die ursprünglich abgegebenen Erledigungserklärungen unwirksam sind oder angefochten bzw. widerrufen werden können (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 29. November 1987 X R 1/80, BFHE 151, 118, BStBl II 1988, 121, unter 1. der Urteilsgründe, und BFH-Beschluss vom 4. April 1990 IV B 126/88, BFH/NV 1991, 550).
19
Der ursprüngliche Prozess ist auch dann fortzusetzen, wenn wie im Streitfall darüber zu entscheiden ist, ob die von der Finanzbehörde in diesem Prozess abgegebene Änderungszusage korrekt umgesetzt worden ist (BFH-Urteil in BFHE 151, 118, BStBl II 1988, 121, und BFH-Urteil in BFHE 193, 494, BStBl II 2001, 303). Entgegen der Auffassung des Klägers kann der BFH-Rechtsprechung nicht entnommen werden, dass ein Kläger im Falle einer (angeblichen) Nichteinhaltung einer solchen Zusage ein Wahlrecht hat, entweder den ursprünglichen Prozess fortzusetzen oder stattdessen ein neues Rechtsbehelfsverfahren zu führen. Ein solches Wahlrecht kann nicht den Aussagen des BFH in den Urteilen in BFHE 151, 118, BStBl II 1988, 121 und in BFHE 193, 494, BStBl II 2001, 303 entnommen werden, wonach „der Kläger den Rechtsstreit mit dem Antrag fortsetzen kann, das Finanzamt zum Erlass des zugesagten Änderungsbescheids zu verpflichten“. Hiergegen spricht der vom BFH für seine Rechtsprechung angeführte Gesichtspunkt der analogen Anwendung des Rechtsgedankens des § 68 FGO, der in der seit dem Jahr 2001 geltenden Fassung die Anwendung der Vorschrift nicht mehr von einem Antrag abhängig macht. Gegen ein solches Wahlrecht spricht auch der vom BFH in dem im Urteil in BFHE 193, 494, BStBl II 2001, 303 gegebene Hinweis, wonach es prozesswirtschaftlich ist, einen Streit betreffend die Umsetzung einer Zusage im bisherigen Verfahren austragen zu lassen, da der Streitstoff dem Gericht und den Beteiligten bekannt ist und ihnen damit Kosten und Aufwand eines neuen Rechtsstreits erspart bleiben (zum Ganzen BFH-Beschluss vom 14.12.2011 X B 42/11, BFH-NV 2012, 439 m.w.N.; BFH-Beschluss vom 23. Juli 2020 V R 37/18, Rn. 29, juris).
20
Ein Antrag auf Fortführung des Verfahrens 7 K 475/14 wurde nicht gestellt.
21
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.