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LG Landshut, Endurteil v. 01.07.2020 – 91 O 2179/19
Titel:

Kaufvertrag, Eintragung, Kaufpreis, Rechtsanwaltskosten, Gemeinde, Frist, Grundbuch, Bebauung, Streitwert, Urkunde, Zinsen, Sicherheitsleistung, Vereinbarung, Befristung, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Kosten des Rechtsstreits, berechtigtes Interesse

Schlagworte:
Kaufvertrag, Eintragung, Kaufpreis, Rechtsanwaltskosten, Gemeinde, Frist, Grundbuch, Bebauung, Streitwert, Urkunde, Zinsen, Sicherheitsleistung, Vereinbarung, Befristung, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Kosten des Rechtsstreits, berechtigtes Interesse
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Endurteil vom 16.06.2021 – 20 U 4632/20
BGH Karlsruhe, Urteil vom 16.12.2022 – V ZR 144/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 48048

Tenor

1.
1. Der Beklagte wird verurteilt, das Grundstück FlNr.: - -, an den Kläger aufzulassen und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen.  
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.474,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 16.08.19 zu bezahlen.  
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.  
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,00 € vorläufig vollstreckbar.  
5. Der Streitwert wird auf 30.407,55 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger macht vorliegend einen Rückübereignungsanspruch aus einem notariellen Kaufvertrag geltend.
2
Der Beklagte hat mit notariellem Kaufvertrag vom - das Grundstück FlNr. - an den Beklagten verkauft. Der Kaufpreis betrug bei vermessenen - In § 11 der notariellen Urkunde ist eine Bebauungsverpflichtung beinhaltet. Danach verpflichtet sich der Käufer auf dem Grundstück innerhalb von acht Jahren, vom - an gerechnet, als Bauherr ein bezugsfertiges Wohngebäude entsprechend den Feststellungen im rechtskräftigen Bebauungsplan zu erstellen.
3
In Ziffer XII. der notariellen Urkunde ist Folgendes geregelt:
„Für den Fall, dass entgegen den Verpflichtungen gemäß Abschnitt XI. auf dem Vertragsgrundstück nicht fristgerecht ein Wohngebäude errichtet wird oder das Vertragsgrundstück ohne Zustimmung des Verkäufers in unbebautem Zustand weiter veräußerst wird, ist der Verkäufer auf Verlangen verpflichtet, das Vertragsgrundstück dem Verkäufer zum Eigentum kosten- und lastenfrei zu übertragen.
Bei der Übertragung hat der Verkäufer dem Käufer für das Vertragsgrundstück lediglich den heutigen Kaufpreis und die sonstigen gemäß dieser Urkunde bezahlten Beträge, sowie nachweisbare Kosten für die zwischenzeitlich erfolgten Erschließungsmaßnahmen zu erstatten, nicht jedoch die Kosten und Steuern für den Grunderwerb. Zinsen sind vom Verkäufer nicht zu entrichten.“
4
Auf die als Anlage K 1 vorgelegte notarielle Urkunde vom - wird Bezug genommen.
5
Der Beklagte hat innerhalb der in der notariellen Urkunde festgelegten Frist das Vertragsgrundstück nicht entsprechend bebaut. Nachdem der Beklagte auch nach Ablauf der Frist keinerlei Anstalten gemacht hat, das Vertragsgrundstück entsprechend der Vereinbarung in der notariellen Urkunde mit einem Wohngebäude zu bebauen, hat der Kläger mit Schreiben vom 14.11.2014 die Ausübung des Rückübertragungsrechts gemäß Ziffer XII. der notariellen Urkunde vom - dem Beklagten gegenüber angemeldet.
6
Auf das als Anlage K 2 vorgelegte Schreiben vom 14.11.2014 wird Bezug genommen.
7
Im Vorlauf hatte der Kläger, trotz Ablauf der Frist zur Bebauung zum 21 .01.2002, den Beklagten mit den Schreiben vom 15.05.2013 und vom 27.05.2014 lediglich dazu aufgefordert, das betreffende Grundstück zu pflegen, wodurch er auf die ebenfalls im notariellen Kaufvertrag unter Ziffer XVII. geregelte Pflicht zur Pflege des Grundstücks verwiesen hat, ohne jedoch auf die fehlende Erfüllung der vertraglichen Bebauungsverpflichtung der Ziffer Xl. durch den Beklagten hinzuweisen, auf die Anlagen B 3 und B 4 wird Bezug genommen.
8
Die anwaltlichen Vertreter des Klägers haben mit Schreiben vom 09.10.2018 - Anlage K 4 - nochmals zur Rückübertragung aufgefordert.
9
Der Kläger beantragt,
1.
Der Beklagte wird verurteilt, das Grundstück FlNr.: - -, an den Kläger aufzulassen und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen.
2.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.474,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
10
Der Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
11
Er meint, der vom Kläger geltend gemachte Rückübertragungsanspruch besteht wegen Verstoßes gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung durch den Kläger sowohl nach § 307 Abs. 1 BGB als auch nach § 11 Abs. 2 BauGB nicht.
12
Der vom Kläger geltend gemachte Rückübertragungsanspruch sei nach dem Rechtsgedanken des § 242 BGB (Treu und Glauben) verwirkt.
13
Der Klageantrag sei unschlüssig.
14
Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15
Die zulässige Klage ist begründet.
16
Der mit dem Klageantrag 1 geltend gemachte Anspruch ergibt sich aus Ziffer XII. der notariellen Urkunde vom -.
17
Ein Verstoß gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung durch den Kläger nach § 307 Abs. 1 BGB oder nach § 11 Abs. 2 BauGB liegt nicht vor.
18
Das Gebot der angemessenen Vertragsgestaltung verlangt, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorganges die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der Gemeinde erbrachten oder zu erbringenden Leistung steht und dass die vertragliche Übernahme von Pflichten auch ansonsten zu keiner unzumutbaren Belastung des Vertragspartners der Gemeinde führt.
19
Diesem Gebot wird die vertragliche Vereinbarung gerecht. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse, dafür Sorge zu tragen, dass der vereinbarten Bauverpflichtung auch nachgekommen wird. Die Bauverpflichtung dient dazu, in einem bestimmten Zeitraum Wohnraum in der Gemeinde zu schaffen und Bodenspekulationen zu verhindern.
20
Bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen ist zu berücksichtigen, dass eine Rückübertragungspflicht des Beklagten nur für den Fall vereinbart ist, dass dieser sich vertragswidrig verhält. Eine Verpflichtung des Klägers, rechtswidriges Verhalten des Beklagten zu prämieren, ergibt sich aus dem Gebot angemessener Vertragsgestaltung nicht.
21
Dass die Rückübertragung des Vertragsgrundstücks zu dem damaligen Kaufpreis zu erfolgen hat und Zinsen und eine eventuelle Wertsteigerung unberücksichtigt bleiben, entspricht der gesetzlichen Regelung des Wiederkaufrechts.
22
Durch die nach § 462 S. 2 bestehende Vertragsfreiheit wird auch die Möglichkeit eröffnet, ein unbefristetes Wiederkaufsrecht zu vereinbaren, vgl. BeckOGK/Daum, BGB § 462 Rn. 12 mit eingehender Begründung.
23
Die gesetzliche Befristung des Wiederkaufsrechts bedeutet nicht, dass bei einer von einem bestimmten Ereignis oder einem gewissen Verhalten des Käufers abhängigen Rechtsausübung die Rückübereignung sofort verlangt werden müsste. Vielmehr steht es dem Berechtigten ohne Bindung an die Fristen des § 462 S. 1 bis zur Grenze der unzulässigen Rechtsausübung frei, zu warten, vgl. MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, BGB § 462 Rn.
24
2. Verwirkt ist der Rückforderungsanspruch nicht. Es fehlt hierzu am erforderlichen Umstandsmoment. Zum Zeitablauf müssen für eine Verwirkung darüber hinaus Umstände hinzutreten, aufgrund derer die Geltendmachung des Anspruchs oder des sonstigen Rechts treuwidrig ist. Eine Untätigkeit oder ein Zeitablauf allein genügen nicht, vgl. BeckOGK/Kähler, BGB § 242 Rn. 1637. Für das Umstandsmoment sind Dispositionen des Schuldners erforderlich, die er bei einer Geltendmachung des Rechts unterlassen hätte, oder der Verzicht auf Dispositionen, die er anderenfalls vorgenommen hätte. Zu derartigen Dispositionen ist nichts vorgetragen. Die Schreiben vom 15.05.2013 und vom 27.05.2014 führten nicht zu einer Verwirkung. Diese Schreiben hätten dem Beklagten eher Anlass geboten, beim Kläger nachzufragen, ob er die Leistung noch erbringen muss. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass an der Schaffung von Wohnraum ein öffentliches Interesse besteht. Ein öffentliches Interesse kann dem Verwirkungseinwand entgegenstehen, vgl. BGH, Urteil vom 23.06.1994 - I ZR 15/92, NJW 1994, 2820.
25
Für die Vollstreckung des Urteils gelten die §§ 894, 895 ZPO. An einer „Schlüssigkeit“ des Klageantrags fehlt es deshalb nicht.
26
Die vorgerichtlichen Anwaltskosten wurden unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzugs zugesprochen.
27
Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91 und 709 ZPO.