Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 11.12.2020 – AN 2 S 20.01382
Titel:

Austausch des Zweitkorrektors im prüfungsrechtlichen Überdenkungsverfahren

Normenketten:
VwGO § 44a, §§ 68 ff., § 80 Abs. 5, § 94
BayVwVfG Art. 35, Art. 48, Art. 49
GG Art. 12 Abs. 1
JAPO § 14
Leitsätze:
1. Grds. ist das Rechtsschutzbedürfnis iRv Anträgen nach § 80 Abs. 5 VwGO unproblematisch zu bejahen, da die Anordnung von Sofortvollzug für den Adressaten nachteilig ist. Dagegen fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, sofern ein gerichtliches Offenhalten der Hauptsache für die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht erforderlich ist. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, wobei das Rechtschutzinteresse im Zweifel zu bejahen ist. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
2. Als Ausgleich der lediglich eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle in Prüfungsverfahren besitzt der Prüfling bei berufsbezogenen Prüfungen aus Art. 12 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Überdenken der Bewertung seiner Prüfungsleistungen im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens. Damit wird zugleich in Ergänzung des gerichtlichen Rechtsschutzes eine Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit erfüllt. Bringt der Prüfling substantiierte Einwendungen gegen die der Prüfungsbewertung zugrunde liegenden Wertungen vor, ist die Prüfungsbehörde verpflichtet, diese Einwendungen den beteiligten Prüfern zuzuleiten. Diese haben sodann innerhalb des ihnen zustehenden prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums ihre zuvor abgegebene Bewertung zu überdenken. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Parallelität von verwaltungsinternem Kontrollverfahren und gerichtlichem Verfahren ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Das Klageverfahren ist nach § 94 VwGO auf entsprechenden Antrag des Prüflings auszusetzen, solange die Prüfungsbewertung in dem Verfahren nach § 14 JAPO überdacht wird. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei dem Überdenkungsverfahren nach § 14 JAPO handelt es sich um ein bloßes – wenn auch formalisiertes – Gegenvorstellungsrecht. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
5. Dieses Nachprüfungsverfahren wendet nicht den Eintritt der Bestandskraft des Prüfungsbescheids ab. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
6. Materiellrechtlich stellt sich das Nachprüfungsverfahren als Antrag dar, die ergangene Prüfungsentscheidung nach Art. 48 bzw. 49 Abs. 1 BayVwVfG aufzuheben. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
7. Aus dem Umstand, dass es sich bei dem Überdenkungsverfahren um ein – wenn auch formalisiertes – bloßes Gegenvorstellungsrecht handelt, ergibt sich im Ausgangspunkt, dass der Antragsgegner lediglich befugt ist, dieses Verfahren entsprechend formlos – etwa durch ein einfaches Mitteilungsschreiben – zu beenden, sollte es nicht zu einer Abänderung der früheren Prüfungsbewertung kommen. Eine Ermächtigungsgrundlage, über das Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens als solches durch Verwaltungsakt zu entscheiden, ist weder in § 14 JAPO normiert noch sonst ersichtlich. (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
8. Das Überdenkungsverfahren ist auch hinsichtlich etwaiger Verfahrensfehler justiziabel. (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)
9. Ausnahmsweise kann dann um gerichtlichen Rechtsschutz betreffend Überdenkungsverfahren nachgesucht werden, wenn sich die Prüfungsbehörde weigert, überhaupt ein solches Verfahren durchzuführen. (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsschutzbedürfnis;, Rechtsnatur des prüfungsrechtlichen Überdenkungsverfahrens;, keine Rechtsgrundlage für die Entscheidungsform des Verwaltungsakts bei Frage des Austausches eines Prüfers im Überdenkungsverfahren, Landesjustizprüfungsamt, Juristisches Staatsexamen, Überdenkungsverfahren, Zweitkorrektor, Wiederholungsversuch, schriftlicher Teil, Gesamtnote, Prüfungsarbeiten, Austausch, Prüfer, Verwaltungsakt, objektiver Empfängerhorizont, Prüferaustausch, Kontrollmöglichkeit, Bewertungsmaßstab, Beurteilungsspielraum, berufsbezogene Prüfung, verwaltungsinternes Kontrollverfahren, Handlungsform, Gegenvorstellung, Verfahrensfehler
Fundstelle:
BeckRS 2020, 47812

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 15. Juli 2020 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. Juni 2020 wird wiederhergestellt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.500,00 EUR.

Tatbestand

I.
1
Der Antragsteller greift die Entscheidung des Landesjustizprüfungsamts an, im Rahmen des prüfungsrechtlichen Überdenkungsverfahrens den Zweitkorrektor einer seiner Klausuren des Ersten Juristischen Staatsexamens auszutauschen.
2
Der Antragsteller legte im Wiederholungsversuch im Termin … den schriftlichen Teil der Ersten Juristische Staatsprüfung ab. Mit bestandskräftigem Bescheid des Antragsgegners vom 26. Juni 2019 teilte dieser dem Antragsteller mit, er habe die Erste Juristische Staatsprüfung wiederholt nicht bestanden. Die Gesamtnote der schriftlichen Prüfung sei: 3,75 - mangelhaft. Seine schriftlichen Prüfungsarbeiten seien wie folgt bewertet worden:.
Aufgabe 1: … Punkte.
Aufgabe 2: … Punkte.
Aufgabe 3: … Punkte.
Aufgabe 4: 4,0 Punkte.
Aufgabe 5: … Punkte.
Aufgabe 6: … Punkte.
3
Der Antragsteller wurde nicht zur mündlichen Prüfung des Ersten Juristische Staatsexamens zugelassen. Eine Besserbewertung einer einzigen der angefertigten Klausuren um 0,5 Punkte würde zur Zulassung des Antragstellers zur mündlichen Prüfung führen.
4
Mit Schreiben vom 17. Juli 2019, eingegangen bei dem Antragsgegner am 18. Juli 2019, führte der Antragsteller unter dem Betreff „Nachprüfungsverfahren“ aus, er erhebe Einwendungen gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistungen. Mit Schreiben vom 29. Juli 2019, 15., 20., 24. und 26. August 2019 führte er seine Einwendungen betreffend die Prüfungsaufgaben 1, 2, 3, 4 und 6 näher aus.
5
Im Oktober 2019 übersandte der Antragsgegner den Prüfern - soweit der Antragsteller ihre Bewertungen angegriffen hatte - die jeweils betroffenen Klausuren in Kopie, darunter auch dem … Dieser hatte als Zweitkorrektor die Prüfungsarbeit des Antragstellers zu Aufgabe 4 korrigiert. Die betroffenen Prüfungsarbeiten wurden jeweils zusammen mit einer anonymisierten Ablichtung der antragstellerseits erhobenen Rügen übersandt. Die Prüfer wurden gebeten, ihre jeweiligen Klausurbewertungen zu überprüfen.
6
Mit Schreiben vom 8. November 2019, eingegangen bei dem Antragsgegner am 11. November 2019, teilte der Prüfer … dem Antragsgegner sinngemäß im Wesentlichen mit, Mitte August 2019 habe ihn Rechtsanwalt … aus … in seinem Dienstzimmer aufgesucht. Mit diesem habe er bei dem „…“ des Oberlandesgerichts … häufig zu tun gehabt. Herr Rechtsanwalt … habe ihn auf die Korrektur einer Examensklausur seines Sohns angesprochen, die er als Zweitkorrektor korrigiert habe. Seinem Sohn fehle ein halber Punkt, um als Wiederholer zur mündlichen Prüfung zugelassen zu werden. Er - der Prüfer - habe die fragliche Arbeit einen Punkt schlechter als der Erstprüfer bewertet. Herr Rechtsanwalt … habe um eine wohlwollende Nachprüfung gebeten, da eine Arbeit ja objektiv kaum nachvollziehbar mit 4 oder aber auch mit 5 Punkten bewertet werden könne. Anfang Oktober habe sich Herr Rechtsanwalt … in einem kurzen Telefonat bei ihm erkundigt, ob die Klausur seines Sohns schon bei ihm eingegangen sei. Er habe geantwortet, er kenne die Namen der Prüflinge nicht, es liege aber keine Überprüfung einer Klausur vor, die mit 5 bzw. 4 Punkten bewertet worden sei. Aufgrund der Notengebung gehe er davon aus, dass ihm nunmehr die fragliche Klausur zugeleitet worden sei.
7
Mit Schreiben vom 11. November 2019, eingegangen bei dem Antragsgegner am 13. November 2019, teilte der Prüfer … sinngemäß im Wesentlichen mit, er habe die Prüfungsaufgabe 4 nochmals vollständig bewertet. Anhand des Lösungsschemas ergebe sich, dass der Verfasser wesentliche Probleme der Klausur nicht gesehen habe, sodass eine bessere Bewertung als mit der Note „ausreichend“ nicht in Betracht komme. Er komme allerdings zu dem Ergebnis, dass eine Anhebung der Bewertung auf von 4 auf 5 Punkte gerechtfertigt sei. Zum einen sei die Prüfung der Notwehr mit Ausnahme der Gebotenheit recht ordentlich, zum zweiten sei der prozessuale Teil erfreulich. Vor allem habe er in der Bewertung als Zweitkorrektor nicht berücksichtigt, dass die Prüfung des Versuchs einschließlich des Rücktritts zwar wegen der Vollendung des Diebstahls nicht gefragt, aber dennoch sehr ordentlich gewesen sei. Es habe sich gezeigt, dass der Verfasser den Aufbau eines Versuchs und die Voraussetzungen des Rücktritts beherrsche. Da er dies bislang auch mangels Erwähnung in der Lösungsskizze überhaupt nicht berücksichtigt habe, sei eine Anhebung um einen Punkt auf fünf Punkte geboten.
8
Alle übrigen Prüfer im Rahmen des Überdenkungsverfahrens änderten ihre bisherigen Bewertungen der Leistungen des Antragstellers nicht ab.
9
Mit Schreiben vom 15. November 2019 teilte der Prüfer … dem Antragsgegner insbesondere sinngemäß mit, am selben Tag gegen 15:25 Uhr habe ihn in seinem Dienstzimmer der Vater eines Prüflings unaufgefordert aufgesucht und auf dessen Prüfungsarbeit angesprochen. Der Besucher habe erklärt, sein Sohn führe ein Remonstrationsverfahren hinsichtlich einer Klausur durch, die er - der Prüfer - mit 5 Punkten bewertet, während Prof. Dr. … die Arbeit mit 6 Punkten benotet habe. … teilte mit, dass es sich nach seinen Recherchen bei der fraglichen Prüfungsarbeit um Aufgabe 2 der Ersten Juristischen Staatsprüfung handele.
10
Daraufhin teilte der Antragsgegner den übrigen Prüfern des Nachprüfungsverfahrens mit E-Mail vom 11. Dezember 2019 mit, zwei Prüfer hätten dem Landesjustizprüfungsamt mitgeteilt, bei ihnen sei jeweils der Vater eines Prüflings - ein Rechtsanwalt aus … - vorstellig geworden und habe versucht, durch Informationen über die Prüfungssituation seines Sohns auf die Prüfer und damit auf den Ausgang des Nachprüfungsverfahrens Einfluss zu nehmen. Es werde um Mitteilung gebeten, ob sich bei ihnen Ähnliches zugetragen habe.
11
Hierauf teilte der Prüfer … mit E-Mail vom 11. Dezember 2019 sinngemäß im Wesentlichen mit, nicht der angesprochene Rechtsanwalt selbst habe zu ihm Kontakt aufgenommen. Vielmehr habe ihn ein Arbeitskollege gebeten, seine Korrektur um einen Punkt anzuheben. Der Arbeitskollege sei, soweit er sich erinnern könne, ein Freund oder Bekannter des Rechtsanwalts.
12
Der Prüfer … teilte mit E-Mail vom 12. Dezember 2019 mit, vor einigen Monaten sei bei ihm ein Rechtsanwalt erschienen, dessen Name ihm nicht mehr bekannt sei. Dieser habe sich erkundigt, ob er eine Nachprüfung einer Klausur seines Sohns habe. Er habe ihm daraufhin erklärt, dass er bislang keine Klausuren zur Nachprüfung erhalten habe. Einige Wochen später habe der Rechtsanwalt nochmals angerufen, doch da habe er immer noch kein Nachprüfungsverfahren unter der Nr. … gehabt, was er dem Rechtsanwalt erläutert habe. Als dann das fragliche Verfahren gekommen sei, habe sich der Rechtsanwalt nicht mehr gemeldet. Es sei zutreffend, dass der Rechtsanwalt ihm in dem ersten Gespräch erzählt habe, sein Sohn sei schon einmal durchgefallen. Er habe dem Rechtsanwalt erklärt, dies interessiere ihn nicht. In der Folge ergab die Nachfrage des Antragsgegners bei dem Prüfer …, dass sich der Vater des Antragstellers gegenüber dem Prüfer … darüber hinaus mit Namen und als Rechtsanwalt vorgestellt, den Prüfer … in seinem Dienstzimmer aufgesucht und dort berichtet hatte, sein Sohn habe das Erste Juristische Staatsexamen bereits zum zweiten Mal nicht bestanden. Sein Sohn beabsichtige, die Nachprüfung sämtlicher Klausuren zu veranlassen. Sein Sohn leide unter gesundheitlichen, insbesondere psychischen Problemen, welche … … Hierbei habe der Vater des Antragstellers angefangen, zu weinen.
13
Mit Bescheid vom 12. Juni 2020, dem Antragsteller zugestellt am 16. Juni 2020, teilte der Antragsgegner dem Antragsteller nach vorausgegangener Anhörung und unter Rechtsmittelbelehrungmit, der Prüfungsausschuss für die Erste Juristische Staatsprüfung habe beschlossen:
„Das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Ersten Juristischen Staatsprüfung … des Prüfungsteilnehmers … … erfolgte im Hinblick auf die Zweitkorrektor der Aufgabe 4 verfahrensfehlerhaft und ist infolgedessen insoweit durch erneutes Überdenken der Bewertung der Aufgabe 4 durch einen neuen Zweitprüfer zu wiederholen, vgl. §§ 12 Abs. 1, 14 i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 4 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO).“
14
Der Sofortvollzug dieses Beschlusses wurde angeordnet.
15
Zur Begründung führte der Antragsgegner sinngemäß im Wesentlichen aus, aufgrund der Kontaktaufnahme des Vaters des Antragstellers zu dem Prüfer … leide das Nachprüfungsverfahren im Hinblick auf die erneute Bewertung von Aufgabe 4 an einem Verfahrensfehler. Das Nachprüfungsverfahren sei ebenso wie die ursprüngliche Bewertung der Prüfungsarbeiten anonym durchzuführen. Die persönliche Situation des Prüflings dürfe für das Überdenken der Bewertung keine Rolle spielen. Der Vater des Antragstellers habe jedoch den Zweitprüfer aufgesucht und diesen zum einen darüber informiert, bei der Prüfung des Antragstellers handele es sich um einen Wiederholungsversuch. Zum anderen habe er den Zweitprüfer über gesundheitliche, insbesondere psychische Probleme des Antragstellers unterrichtet und dabei sogar angefangen, zu weinen. Hierdurch sei der prüfungsrechtliche Grundsatz der Anonymität verletzt. Dem Prüfer würden auf diesem Weg Informationen über die persönliche Situation des Prüflings weitergegeben, die weit über das hinausgingen, womit ein Prüfer im Überdenkungsverfahren stets zu rechnen habe. Dabei sei auch die Beharrlichkeit der Kontaktaufnahme durch den Vater des Antragstellers zu berücksichtigen, welcher den Prüfer … sogar zweimal - persönlich vor Ort und telefonisch - auf das Nachprüfungsverfahren angesprochen habe. Hierdurch werde das Gewicht der Prüferbeeinflussung nochmals verstärkt. Die Anonymität des Nachprüfungsverfahrens im Hinblick auf Aufgabe 4 sei hierdurch insgesamt nicht mehr gewährleistet. In diesem Zusammenhang sei nicht von Belang, dass das Vorbringen des Antragstellers nicht widerlegt werden könne, die Kontaktaufnahme weder gewollt noch hiervon gewusst zu haben.
16
Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass der Verfahrensfehler auf das Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens hinsichtlich Aufgabe 4 Einfluss gehabt habe. Erfolge während des laufenden Prüfungsverfahrens eine Kontaktaufnahme mit dem Prüfer, so setze die Frage, ob der Verfahrensfehler die Chancengleichheit verletzt habe, nicht den Nachweis der Kausalität voraus. Vielmehr genüge es, dass die Ursächlichkeit der Kontaktaufnahme nicht ausgeschlossen werden könne. Dies sei hier der Fall. Der Zweitprüfer … habe nach der zweimaligen Kontaktaufnahme durch den Vater des Antragstellers seine Bewertung mit lediglich knapper Begründung um einen Punkt angehoben. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass hierfür zumindest unbewusst das von dem Vater des Antragstellers aufgedrängte Wissen um die persönliche Situation des Antragstellers mitursächlich gewesen sei. Ob sich der Prüfer selbst beeinflusst gefühlt habe, sei dagegen nicht entscheidend. Soweit eine Kontaktaufnahme des Vaters des Antragstellers auch zu weiteren Prüfern erfolgt sei, die ihre Bewertungen aber nicht angehoben hätten, sei eine Kausalität des Verfahrensfehlers auf das Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens offensichtlich ausgeschlossen.
17
Der Verfahrensfehler sei dadurch zu beheben, dass das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Bewertung von Aufgabe 4 durch einen neuen Prüfer wiederholt werde. Sofern die Neubewertung durch den bisherigen Prüfer tatsächlich oder rechtlich nicht möglich sei, habe diese durch einen neuen Prüfer zu erfolgen. So liege der Fall hier, da eine verfahrensfehlerfreie, den Grundsatz der Anonymität wahrende Wiederholung durch den ursprünglichen Zweitprüfer nach erfolgter Kontaktaufnahme nicht mehr erfolgen könne.
18
Die Anordnung des Sofortvollzugs sei durch das besondere öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheids geboten. Andernfalls würde ein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung entfalten, sodass das Prüfungsverfahren zunächst ohne Berücksichtigung des Beschlusses fortgesetzt werden müsse. Das öffentliche Interesse erfordere jedoch, dass nur dann die Bestätigung einer juristischen Qualifikation erfolge, wenn der Prüfungsteilnehmer diese zu Recht und auf Dauer innehabe. Demgegenüber habe das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs zurückzutreten.
19
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 15. Juli 2020, eingegangen bei Gericht am 16. Juli 2020, Klage erhoben und beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage wiederherzustellen.
20
Er trägt sinngemäß im Wesentlichen vor, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des ergangenen Bescheids. Dieser leide unter formellen und materiellen Fehlern. In formeller Hinsicht bestreite er, dass der angegriffene Beschluss seitens des zuständigen Prüfungsausschusses mit dem dafür vorgesehenen Abstimmungsergebnis innerhalb der nach § 12 Abs. 3 JAPO vorgesehenen Frist ergangen sei.
21
Zudem fehle es an einer Ermächtigungsnorm. Nach dem Wortlaut von § 12 Abs. 1 JAPO könne die Wiederholung eines Teils der Prüfung angeordnet werden, nicht aber die Wiederholung der Bewertung von Prüfungsarbeiten durch einen Dritten. Zudem sehe die Rechtsfolge der genannten Vorschrift lediglich vor, dass Prüfungsteilnehmer einzelne Teile der Staatsprüfung zu wiederholen hätten, nicht dagegen, dass gemäß des ergangenen Beschlusses „das Nachprüfungsverfahren durch erneutes Überdenken der Bewertung der Aufgabe 4 durch einen neuen Zweitprüfer zu wiederholen“ sei.
22
Eine Anordnung, dass ein dritter, bisher am Prüfungsverfahren nicht beteiligter Prüfer die Nachkorrektur vornehmen solle, sei nach den für das Remonstrationsverfahren speziell vorgegebenen Verfahrensvorschriften nicht vorgesehen und widerspreche den Grundsätzen dieses Verfahrens. In dem Überdenkungsverfahren sei die Bewertung der Prüfungsarbeiten auf Grundlage der Einwendungen des Prüflings von dem Korrektor zu überdenken, der zuvor schon die Arbeiten bewertet habe. Ein neuer Prüfer würde den Grundsatz der Chancengleichheit sowohl hinsichtlich des konkreten Prüflings als auch hinsichtlich aller Prüflinge verletzen, da dieser Prüfer unmöglich den gleichen Prüfungsmaßstab anlegen könne, wie dies der ursprüngliche Prüfer getan habe. Denn der neue Prüfer, der die Prüfungsarbeiten anderer Prüflinge weder kenne noch bewertet habe, könne die Neubewertung nicht in einen Gesamtzusammenhang bringen. Ein neuer Prüfer könne nicht eingesetzt werden, wenn ihm der Vergleichsmaßstab fehle, der Voraussetzung für ein tragfähiges Bewertungssystem sei. Da bei der Neubewertung die durchschnittlichen Anforderungen für den Prüfungserfolg im Wesentlichen konstant bleiben müssten, komme es für die prüfungsspezifischen Wertungen wesentlich auf die persönlichen Erfahrungen und Einschätzung des konkreten Prüfers an, sodass grundsätzlich der ursprüngliche Prüfer mit der Neubewertung zu befassen sei. Soweit Dritte mit der Nachprüfung beauftragt würden, ähnele dies dem Klageverfahren, in dem Dritte - die Richter - den prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraum aber nicht überprüfen könnten.
23
Der Prüfungsausschuss habe nach § 12 Abs. 3 JAPO auch deswegen keine Anordnung mehr treffen können, weil im Zeitpunkt der Beschlussfassung jedenfalls sechs Monate nach Abschluss der Prüfung verstrichen gewesen seien. Mit Abschluss der Prüfung im Sinne von § 12 Abs. 3 JAPO sei der Abschluss desjenigen Teils des Prüfungsverfahrens gemeint, welcher mit Mängeln behaftet gewesen sei. Nach der Behauptung des Antragsgegners könne es sich dabei nur um das Nachprüfungsverfahren handeln, das mit dem Eingang der letzten Stellungnahme der betroffenen Prüfer zum Ergebnis ihres Überdenkens beendet gewesen sei. Bei dem Prüfungsamt seien bis Mitte Dezember 2019 alle Stellungnahmen eingegangen. Gemäß § 12 Abs. 1, Abs. 3 JAPO sei also mit Ablauf des 15. Mai 2020 die streitgegenständliche Anordnung des Prüfungsausschusses ausgeschlossen gewesen.
24
In materieller Hinsicht sei weder ersichtlich noch nachvollziehbar, dass die in dem Bescheid angegebenen Gründe zur Verletzung des Grundsatzes der Anonymität geführt hätten und damit das Nachprüfungsverfahren bezüglich der Zweitbewertung von Aufgabe 4 an einem Verfahrensfehler leide. Wenn sein Vater dem Prüfer … mitgeteilt habe, es handele sich um einen Wiederholungsversuch und er dem Prüfer seine gesundheitlichen, insbesondere psychischen Probleme berichtet und dabei geweint habe, so habe er damit allenfalls Sachverhalte und Umstände über seine persönliche Situation weitergegeben, nicht jedoch Sachverhalte über ihn als Verfasser der zum Überdenken eingereichten Prüfungsarbeiten. Eine Zuordnung seiner Person zu einer Prüfungsarbeit sei nicht möglich. Außerdem habe der Prüfer … mehrere Prüfungsarbeiten - nach dessen Erinnerung mindestens zwei - zum Überdenken erhalten.
25
Darüber hinaus verstoße nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allein die persönliche Kontaktaufnahme des Prüflings mit dem Prüfer im verwaltungsinternen Kontrollverfahren nicht gegen die Ordnung des Prüfungsverfahrens. Darin werde kein Täuschungsversuch gesehen. Dies müsse erst Recht im vorliegenden Fall gelten, in dem nicht er, sondern sein Vater Kontakt zu den Prüfern aufgenommen habe. Hiervon habe er keine Ahnung gehabt. Auch wenn der Prüfling im Zusammenhang mit der Kontaktaufnahme persönliche Umstände, beispielsweise gesundheitliche Einschränkungen, familiäre Probleme oder Hinweise auf die Bedeutung der Note für das Gesamtergebnis einfließen lasse, solle dies nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Regel von einem verantwortungsbewussten Prüfer, der zu einer selbstständigen, eigenverantwortlichen, nur seinem Wissen und Gewissen verpflichteten Bewertung fähig und bereit sei, richtig einzuordnen und daher am Ende unschädlich sein. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts führe demnach die Mitteilung seiner persönlichen Situation - zumal durch seinen Vater - nicht zu einem Mangel des Prüfungsverfahrens.
26
Darüber hinaus liege das in dem angegriffenen Bescheid behauptete, überwiegende öffentliche Interesse nicht vor. Denn für die unvertretbar lang andauernde Entscheidungsfindung des Landesjustizprüfungsamts seien weder Gründe ersichtlich noch angegeben, die die Anordnung des Sofortvollzugs als geboten erscheinen ließen. Die Länge der Entscheidungsfindung sei nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Ihm scheine der Grund darin zu liegen, ihm einen positiven Bescheid vorzuenthalten, um das in dem Bescheid angeführte Verhalten seines Vaters zu sanktionieren. Die in dem Bescheid angesprochene Chancengleichheit sei damit ihm gegenüber nicht gewahrt. Das behauptete Verhalten seines Vaters könne ihm nicht zugerechnet werden und auch nicht zu einer Wiederholung des Prüfungsverfahrens führen. Auch wenn die persönliche Situation des Prüflings im Überdenkungsverfahren keinen Einfluss auf die nochmalige Überprüfung der Arbeit durch den ehemals mit der Bewertung befassten Prüfer haben dürfe - was hier auch nicht der Fall gewesen sei -, so sei die persönliche Situation eines Prüflings gerade im Verfahren zur Frage der Ordnungsgemäßheit des Überdenkungsverfahrens von erheblicher Bedeutung und ein wichtiger, zu beachtender Grund.
27
Aufgrund der zeitlichen Verzögerung müsse er auf nicht absehbare Zeit bereits erarbeitetes Prüfungswesen vorhalten. Um dem „Vergessen“ entgegenzuwirken, sei er gezwungen, in regelmäßigen Abständen das Prüfungswissen aufzufrischen und die Wiederholung der Prüfungsvorbereitung erneut und mehrfach vorzunehmen, wodurch seine Bemühungen um ein anderweitiges berufliches Fortkommen erheblich beeinträchtigt seien. Seine gesundheitlichen Beschwerden hätten sich verstärkt und seine persönliche Lebenssituation habe einen Bruch erfahren. Ihm sei es versagt, die Referendarausbildung aufzunehmen. Sein Ausbildungsstatus sei ungewiss, was Bewerbungen erheblich erschwere, wie ihm auch schon konkret entgegengehalten worden sei. Da im Prüfungsverhältnis auch Fürsorgepflichten zu beachten seien - was im Überdenkungsverfahren zu keinem Zeitpunkt beachtet worden sei -, sei es nicht hinnehmbar, wenn eine Entscheidung durch das Prüfungsamt über so lange Zeit verzögert werde.
28
Der Antragsteller beantragt wörtlich,
die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage gegen den Bescheid des Landesjustizprüfungsamtes vom 12.06.2020, Az … wieder herzustellen.
29
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
30
Er trägt über die Begründung des angegriffenen Bescheids hinaus sinngemäß im Wesentlichen vor, die Anordnung des Sofortvollzugs sei formell rechtmäßig. Da der streitgegenständliche Bescheid offensichtlich rechtmäßig sei, überwiege das Interesse an dessen Vollziehung das Suspensivinteresse des Antragstellers.
31
Der durch die Kontaktaufnahme mit dem Prüfer … entstandene Verfahrensfehler sei durch teilweise Wiederholung des Nachprüfungsverfahrens hinsichtlich Aufgabe 4 mit einem neuen Prüfer zu beheben. Das Regelungsziel von § 12 JAPO gelte gleichermaßen für das Prüfungsverfahren im engeren Sinne, also für das Verfahren der Ablegung der Prüfungsleistung, wie auch für das Bewertungsverfahren als weiteren Bestandteil des Verfahrens bis zur endgültigen Entscheidung über das Prüfungsergebnis.
32
In formeller Hinsicht habe der zuständige Prüfungsausschuss die angegriffene Entscheidung getroffen. Dessen Besetzung entspreche § 7 Abs. 1 JAPO. Die Bestellung der beteiligten Mitglieder des Prüfungsausschusses sei ordnungsgemäß erfolgt.
33
In materieller Hinsicht sei auszuführen, dass auch das Nachprüfungsverfahren anonym durchgeführt werde. Hierzu erhielten die beteiligten Prüfer neben einer Abschrift der Prüfungsarbeit einen anonymisierten Abdruck der erhobenen Rügen. Weder werde der Name des Antragstellers genannt noch werde den Prüfern mitgeteilt, ob sich das Nachprüfungsverfahren auch noch auf weitere Prüfungsaufgaben beziehe. Erst recht würden Prüfer nicht erfahren, ob der Teilnehmer lediglich eine Verbesserung seiner Note anstrebe oder durchgefallen sei und damit um eine Zulassung zur mündlichen Prüfung kämpfe. Denn die persönliche Situation des Prüflings dürfe aus Gründen der Chancengleichheit für das Überdenken der Bewertung keine Rolle spielen. Dieser prüfungsrechtliche Grundsatz der Anonymität sei durch das Verhalten des Vaters des Antragstellers verletzt. Dem Prüfer … seien Informationen über die persönliche Situation des Antragstellers weitergegeben worden, die weit über das hinausgegangen seien, womit Prüfer im Überdenkungsverfahren stets zu rechnen hätten. Durch den Vater des Antragstellers habe der Prüfer erfahren, dass der Antragsteller wiederholt durchgefallen sei und somit ein langes Studium ohne qualifizierten Abschluss beenden müsse, sodass er weder in den Vorbereitungsdienst eintreten noch sonst auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen könne. Zudem habe der Vater des Antragstellers dadurch, dass er sich selbst als Rechtsanwalt ausgegeben habe, auch unausgesprochenen den Eindruck erweckt, das Bestehen des Juristischen Staatsexamens könne auch für ihn selbst von Bedeutung sein, um eine Mitarbeit des Antragstellers in seiner Kanzlei zu ermöglichen. Die Anonymität des Nachprüfungsverfahrens im Hinblick auf die Zweitbewertung von Aufgabe 4 sei hierdurch insgesamt nicht mehr gewährleistet. Unerheblich sei auch, ob der Vater des Antragstellers die Prüfungsnummer mitgeteilt habe. Der Prüfer … habe im Prüfungstermin … lediglich zwei Arbeiten zur Nachprüfung erhalten. Nicht entscheidend sei, ob der Prüfer aufgrund der mitgeteilten Informationen einen konkreten Bezug zu der Arbeit des Antragstellers habe herstellen können oder ob jedenfalls davon auszugehen sei, dass sich die Kontaktaufnahme auf beide dem Prüfer vorliegende Klausuren habe auswirken können.
34
Zwar werde in Rechtsprechung und Literatur mit Blick auf den Vorwurf des Unterschleifs zum Teil ausgeführt, dass ein verantwortungsbewusster Prüfer im Fall einer persönlichen Kontaktaufnahme durch den Prüfling auf diesem Weg erhaltene Informationen über persönliche Umstände oder Hinweise auf die Bedeutung der Note richtig einordne, so dass die Kontaktaufnahme am Ende unschädlich sei. Jedoch gelte dies jedenfalls nicht absolut, sondern hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Hier seien die Beeinflussungshandlungen des Vaters des Antragstellers so erheblich und beharrlich gewesen, dass nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass diese auf einen Prüfer ohne Einfluss geblieben seien, sondern dass diese - jedenfalls unbewusst - für die Entscheidung über das Prüfungsergebnis mitursächlich gewesen sein könnten.
35
§ 12 Abs. 1 JAPO bestimme, dass bei Mängeln im Prüfungsverfahren die Staatsprüfung insgesamt oder in Teilen von bestimmten oder von allen Prüfungsteilnehmern zu wiederholen sei. Dies gelte jedoch nur für den Fall, dass das Verfahren der Prüfungsablegung selbst mit einem Mangel behaftet sei. Soweit der Verfahrensfehler erst in einem späteren Abschnitt des Prüfungsverfahrens unterlaufe, nämlich bei der Bewertung, könne dieser im Sinne der Verhältnismäßigkeit nur dadurch behoben werden, dass allein der entsprechende Bewertungsvorgang wiederholt werde. Die Neubewertung habe in der vorliegenden Konstellation nicht durch den ursprünglichen Zweitprüfer … zu erfolgen, sondern durch einen neu zu bestimmenden Prüfer. Dies verletze auch nicht den Grundsatz der Chancengleichheit. Insbesondere werde in derartigen Fällen, etwa im Fall der Verurteilung durch das Verwaltungsgericht zur Neubewertung durch einen neuen Prüfer, regelmäßig einer der weiteren Prüfer eingesetzt, die in demselben Prüfungstermin dieselbe Aufgabe korrigiert hätten. So sei gewährleistet, dass ein vergleichbarer Bewertungsmaßstab angesetzt werde. Der Neuprüfer verfüge schließlich bei der Neubewertung über denselben Beurteilungsspielraum, der dem ursprünglichen Prüfer zugekommen sei, sodass sich das Verfahren auch wesentlich von der gerichtlichen Kontrolle unterscheide, die nur im Fall von Bewertungsfehlern Erfolg haben könne.
36
Der Bescheid verstoße auch nicht gegen § 12 Abs. 3 JAPO. Danach dürfe der Prüfungsausschuss sechs Monate nach Abschluss der Prüfung von Amts wegen keine Anordnungen mehr nach § 12 Abs. 1 JAPO treffen. Hier sei die Prüferbeeinflussung erst im Nachprüfungsverfahren erfolgt, sodass erst dieses mit Mängeln behaftet gewesen sei. Es komme also entscheidend auf den Abschluss des Nachprüfungsverfahrens an. Dieses sei jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Das Nachprüfungsverfahren ende regelmäßig mit der Bekanntgabe des Erfolgs oder Misserfolgs dieses Verfahrens. Vorliegend sei das Verfahren noch nicht beendet, weil ein Teil des Nachprüfungsverfahrens wiederholt werden müsse. Außerdem finde die Frist aus § 12 Abs. 3 JAPO nach ihrem Regelungsziel im konkreten Fall von vornherein keine Anwendung. Der Ausschlussfrist liege u.a. der Gedanke des Vertrauensschutzes zugrunde. Der Antragsteller sei aber bereits mit Schreiben vom 27. Januar 2020 zu dem Vorfall und der beabsichtigten teilweisen Wiederholung des Nachprüfungsverfahrens angehört worden. Ab diesem Zeitpunkt habe er damit rechnen müssen, dass entsprechende Anordnungen von dem Prüfungsausschuss getroffen würden. Hinzu komme, dass lediglich die Bewertung erneut vorgenommen werde. Der Antragsteller müsse also nicht über einen ungewissen Zeitraum hinweg Wissen für eine zu wiederholende Prüfung vorhalten, mit der er wegen Zeitablaufs nicht mehr gerechnet habe.
37
Mit Schriftsatz vom 18. September 2020 führt der Antragsteller über seinen bisherigen Vortrag hinaus sinngemäß im Wesentlichen aus, vorliegend stünden im Rahmen der Kontaktaufnahme zu dem Prüfer … durch seinen Vater ähnliche Angaben in Frage, die das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung als übliche, auf der Hand liegende Informationen bezeichnet habe. Im Unterschied zu dem streitgegenständlichen Fall sei dort wohl eher der Grundsatz Anonymität verletzt gewesen. Eine Zuordnung seiner Klausur zu seiner Person wäre nur mithilfe der Prüfungsnummer möglich gewesen. Diese sei aber nicht mitgeteilt worden.
38
Auch die Information, ihm fehlten lediglich 0,25 Punkte, verletzten nicht den Grundsatz der Anonymität. Eine solche Mitteilung wäre außerdem nicht nur unrichtig, da ihm lediglich 0,05 Punkte fehlen würden, sondern zudem auch ungeschickt gewesen. Die Anonymität werde auch nicht dadurch aufgehoben, dass der Prüfer Umstände und Sachverhalte über ihn selbst oder seinen Vater kenne. Der Prüfer kenne damit jedenfalls nicht seine Arbeit, jedenfalls kenne er nicht ihn als Verfasser.
39
Keinesfalls zutreffen könne die Ansicht des Antragsgegners, hinsichtlich der Frage eines objektiven Verfahrensfehlers sei es ohne Belang, dass die fragliche Kontaktaufnahme ohne sein Wissen und Wollen erfolgt sei. Insoweit sei nur an Fälle zu denken, in denen Dritte dem Prüfer die hier in Frage stehenden Informationen oder gar noch intensivere Angaben zukommen ließen, welche die Anonymität tatsächlich aufheben würden. In diesem Fall läge ein Verfahrensfehler vor, der dem Prüfling nicht zugerechnet werden könne. Dennoch müssten ausgehend vom Standpunkt des Antragsgegners Sanktionen ergriffen werden. Dies könne nicht sein, da sonst Außenstehende etwa aus unlauteren Gründen Einfluss auf das Prüfungsergebnis nehmen könnten.
40
Wenn der Antragsgegner schon die - nicht bestehende - Ermächtigungsgrundlage ausdehnen wolle, müsse er den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Diesem könne nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch dadurch Rechnung getragen werden, dass in solchen Fällen von einer Sanktion abgesehen werde, in denen der Unwertgehalt eines unlauteren Prüfungsverhaltens ausnahmsweise als gering anzusehen sei und daher die Schwelle der Sanktionswürdigkeit nicht überschritten werde. Da die Neubewertung durch einen weiteren Prüfer im Überdenkungsverfahren nicht geregelt sei, sei es Sache des Normgebers, dahingehende Vorschriften in die Prüfungsordnung aufzunehmen. Solange diese fehlten, bestehe keine Rechtsgrundlage für den angegriffenen Bescheid. Damit stehe das Ergebnis der schriftlichen Prüfung unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Nachprüfung fest, wonach die von ihm angefertigte Arbeit zu Aufgabe 4 nicht mit 4,0 Punkten, sondern mit 4,5 Punkten zu bewerten sei, so dass er zum mündlichen Teil der Prüfung zuzulassen sei.
41
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. September 2020 hat die Kammer sinngemäß darauf hingewiesen, dass möglicherweise die Entscheidung über das Auswechseln des Prüfers ohne Rechtsgrundlage ergangen sei, da es sich um eine Zwischenentscheidung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens handele. Nachdem die abschließende Entscheidung im Nachprüfungsverfahrens schon nicht justiziabel sei, könne erst Recht eine vorgelagerte Entscheidung wie hier gerichtlich nicht angegriffen werden. Entsprechend hat die Kammer die Aufhebung des angegriffenen Bescheids angeregt.
42
Hierzu nimmt der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2020 sinngemäß im Wesentlichen dahingehend Stellung, auf Grundlage des erteilten Hinweises, besitze der Antragsteller bereits kein allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. Dieses setze u.a. voraus, dass die Inanspruchnahme des Gerichts zur Durchsetzung der Rechte des Prüflings erforderlich und nicht rechtsmissbräuchlich sei. Erforderlich sei sie aber nur dann, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung überhaupt geeignet sei, die Rechtsstellung des Prüflings zu verbessern. Sei die Klage dagegen sinnlos, weil sie auch im Erfolgsfall den Antragsteller in der Sache seinen Zielen nicht näher bringe, weil diese aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht erreichbar seien, bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Letzteres sei hier der Fall. Soweit das Verwaltungsgericht davon ausgehe, dass es an einer Rechtsgrundlage für den angegriffenen Bescheid fehle, da es sich lediglich um eine Zwischenentscheidung im Nachprüfungsverfahren handele und der Erlass eines Verwaltungsakts daher gar nicht erforderlich gewesen sei, könnte der Antragsgegner auch nach gerichtlicher Aufhebung des Bescheids - wie dort geregelt - die Prüferauswechslung vornehmen, lediglich ohne den Antragsteller hierüber förmlich zu bescheiden. Der Antragsteller könne mit seiner Klage in der Sache daher nichts erreichen. Seine Klage habe dem Anschein nach Erfolg, mit seinem eigentlichen Begehren - der Verhinderung der Prüferauswechslung - könne er aber von vornherein nicht durchdringen, da er sich gegen die Umsetzung der in dem Bescheid angekündigten Vorgehensweise nicht wehren und seine Rechtsstellung insoweit nicht verbessern könne. Zudem würde der angegriffene Bescheid, wäre er lediglich eine nicht angreifbare Zwischenentscheidung, auch keinen Eingriff in die Rechte des Antragstellers bewirken. Für eine nicht eingreifende Maßnahme bedürfe es aber nach dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts keiner Rechtsgrundlage, sodass der Hinweis der Kammer zweifelhaft erscheine. Der Antragsgegner beabsichtige - auch vor dem Hintergrund einer möglichen abweichenden Rechtsauffassung des Berufungsgerichts - nicht, den streitgegenständlichen Bescheid aufzuheben.
43
Der Antragsteller nimmt zu dem Hinweis des Gerichts im Kern sinngemäß dahingehend Stellung, aufgrund der Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG unterlägen auch im Nachprüfungsverfahren Verfahrensfehler - im Unterschied zu Bewertungsfehlern - der gerichtlichen Kontrolle. Dies habe das Bundesverwaltungsrechts mit Urteil vom 24. Februar 1993 (Az. 6 C 3592) klargestellt. Dort sei in den Urteilsgründen ausgeführt, das Gericht gebe dem Prüfling mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Verfahrensaussetzung Gelegenheit zu prüfen und abzuwägen, ob er tatsächlich vorrangig das verwaltungsinterne Verfahren des Überdenkens der Prüfungsentscheidung durchführen wolle oder nicht vielmehr - mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Entscheidung - allein eine Rechtskontrolle durch das Verwaltungsgericht anstrebe, bei der er auch Rechtsfehler zum Beispiel im Prüfungsverfahren geltend machen könne. Damit habe das Bundesverwaltungsgericht deutlich gemacht, dass - wie vorliegend -Verfahrensfehler auch im Überdenkungsverfahren justiziabel seien. Außerdem bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz im Fall der Weigerung der Prüfungsbehörde, ein Überdenkungsverfahren durchzuführen. Entsprechend sei unter Beachtung von Art. 19 Abs. 4 GG auch hier gerichtlicher Rechtsschutz zu gewähren. Soweit das Bundesverwaltungsgericht die Missachtung grundlegender Anforderungen an die Gestaltung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens thematisiere und diese Problemstellung ungefragt aufgreife, werde deutlich, dass auch in dieser Fallgestaltung gerichtlicher Rechtsschutz gewährt werden solle. Auch handele es sich bei der angegriffenen Entscheidung nicht um eine nicht überprüfbare Zwischenentscheidung, weil die abschließende Entscheidung im Nachprüfungsverfahren nicht überprüfbar sei. Vielmehr sei streng zwischen Verfahrens- und Bewertungsfehlern zu differenzieren. Erstere seien - wie hier - gerichtlich voll überprüfbar. Hier werde weder eine Prüfungsbewertung angriffen noch enthalte der fraglich Bescheid eine solche Bewertung. Die tief in Grundrechte eingreifende Entscheidungen müsse einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen und könne nicht nach Belieben, aus dem Nichts und ins Blaue hinein getroffen werden. In diesem Zusammenhang sei auch die Intention des Antragsgegners von Bedeutung, die in den Ausführungen im Termin zur mündlichen Verhandlung zum Ausdruck komme. Danach liege die konkrete Beschwer der angegriffenen Entscheidung darin, dass die in dem Nachprüfungsverfahren zunächst erfolgte Neubewertung mit 5, statt ursprünglich mit 4 Punkten, wieder aufgehoben werde und im Rahmen der Bewertung durch einen weiteren Prüfer die Möglichkeit bestehe, dass wieder die ursprüngliche Bewertung zustande komme. Es werde deutlich, dass es dem Antragsgegner nicht darum gehe, eine sachgerechte Bewertung zu akzeptieren bzw. herbeizuführen, sondern darum, ihn in seinem beruflichen Fortkommen zu behindern.
44
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die Sitzungsniederschrift vom 24. September 2020 und auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

II.
45
Der zulässige Antrag ist in vollem Umfang begründet. Denn der Antragsgegner war nicht befugt, die angegriffene Entscheidung in der Form des Verwaltungsakts zu treffen.
46
1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in Fällen, in denen die Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet hat, die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage ganz oder teilweise wiederherstellen.
47
a) Der Antrag ist zulässig. Insbesondere besteht für den statthaften Antrag ein Rechtsschutzinteresse. Dem Antrag steht auch nicht § 44a VwGO entgegen.
48
aa) Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft, da aufgrund des hier angeordneten Sofortvollzugs die Klage keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Zudem ist hier in der Hauptsache die Anfechtungsklage einschlägig.
49
bb) Für den Antrag besteht auch ein Rechtsschutzinteresse.
50
Grundsätzlich ist das Rechtsschutzbedürfnis im Rahmen von Anträgen nach § 80 Abs. 5 VwGO unproblematisch zu bejahen, da die Anordnung von Sofortvollzug für den Adressaten nachteilig ist. Dagegen fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, sofern ein gerichtliches Offenhalten der Hauptsache für die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht erforderlich ist. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, wobei das Rechtschutzinteresse im Zweifel zu bejahen ist (vgl. so zum Ganzen Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 132).
51
Danach kann der Antragsteller hier ein Rechtschutzinteresse geltend machen.
52
Zunächst ist festzuhalten, dass der Antragsgegner hier - was die Parteien nicht in Frage gestellt haben - durch Verwaltungsakt gehandelt hat. So sind nicht nur die Tatbestandsmerkmale nach Art. 35 BayVwVfG erfüllt, auch kann das streitgegenständliche Schreiben des Antragsgegners vom 12. Juni 2020 vor dem objektiven Empfängerhorizont nur als Verwaltungsakt verstanden werden (vgl. von Alemann/Scheffczyk in Beckscher Online-Kommentar VwVfG, 49. Edition Stand 1.10.2020, § 35 Rn. 36). So enthält das Schreiben einen Tenor, die Anordnung von Sofortvollzug und ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:versehen.
53
Weiter ist die Anordnung von Sofortvollzug für ihn ersichtlich nachteilig bzw. der Umstand vorteilhaft, dass die seitens des Antragsgegners getroffene Entscheidung zum Prüferaustausch nach etwaiger Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zumindest vorerst keine Wirkung entfaltet. Denn damit wäre vorläufig der status quo vor Prüferauswechslung mit der Folge wiederhergestellt, dass der Antragsteller aufgrund der Besserbewertung des Prüfers … bei dem derzeitigem Stand des Nachprüfungsverfahrens die Voraussetzungen zur Zulassung zur mündlichen Prüfung erfüllt hätte. Dagegen wäre die Prüferauswechslung für ihn nachteilig, da er auf diese Weise zumindest Gefahr liefe, den beschriebenen status quo zu verlieren.
54
Dem steht auch nicht entgegen, dass die streitgegenständliche Entscheidung, wäre sie nicht in Gestalt eines Verwaltungsakts ergangen, nicht justiziabel gewesen wäre, worauf noch einzugehen sein wird. Zwar besteht deswegen aus Sicht des Antragstellers die Gefahr, dass er sein Ziel der Verhinderung der Prüferauswechslung am Ende nicht erreichen könnte, sofern der Antragsgegner der Sache nach an seiner Entscheidung festhält und nach etwaiger Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids - nicht justiziabel - den Prüferausstausch erneut vornimmt und durchführt, ohne die Handlungsform des Verwaltungsakts zu wählen. Dennoch besitzt der Antragsteller ein legitimes Interesse daran, Sofortvollzug und Bestandskraft des ergangenen Bescheids, die sich allein aus der Handlungsform des Verwaltungsakts ergeben, abzuwenden. Denn eine verständige Partei in der Lage des Antragstellers darf davon ausgehen, dass ihre in einem gerichtlichen oder sonstigem Verfahren vorgebrachten Argumente zum einen gehört werden und zum anderen zumindest geeignet sein können, eine nachfolgende, ggf. auch nicht justiziable Entscheidung in ihrem Sinne jedenfalls zu beeinflussen. Würde dagegen der Standpunkt vertreten, der Antragsteller könne den ergangenen Bescheid mangels Rechtsschutzbedürfnis nicht zulässig angreifen, müsste sich die betroffene Behörde kaum bzw. weit weniger intensiv - auch nicht intern - mit den vorgebrachten Argumenten auseinandersetzen, sondern könnte regelmäßig auf die eingetretene Bestandskraft des ergangenen Bescheids verweisen.
55
Darüber hinaus besteht ein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers auch deswegen, weil der Antragsgegner - gänzlich legitim - ausgeführt hat, er beabsichtige - auch vor dem Hintergrund einer möglichen abweichenden Rechtsauffassung des Berufungsgerichts - nicht, den streitgegenständlichen Bescheid aufzuheben. Hiermit bringt der Antragsgegner auch zum Ausdruck, dass er potentiell von weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen ausgeht, bei denen der hier in Frage stehende Bescheid entscheidungserheblich sein könnte. Auch vor diesem Hintergrund besteht ein legitimes Interesse des Antragstellers, den Bescheid genauso gerichtlich überprüfen lassen zu können. Würde dem Antragsteller hingegen das Rechtsschutzinteresse abgesprochen wäre ihm dies im Wesentlichen abgeschnitten, obwohl der Antragsgegner letztlich zum Ausdruck gebracht hat, er halte den fraglichen Bescheid auch zukünftig für rechtserheblich.
56
Schließlich folgt aus der Überlegung ein Rechtsschutzbedürfnis, dass sich mit dem Standpunkt des Antragsgegners Adressaten behördlicher Entscheidung regelmäßig - mangels Rechtsschutzbedürfnis - in der Sache keinen Rechtsschutz erlangen könnten, sofern von Behördenseite zutreffend in der Sache, aber unzutreffend in der Handlungsform des Verwaltungsakts gehandelt wurde. Hiergegen spricht aber entscheidend, dass bereits die Wahl der Handlungsform des Verwaltungsakts als solche einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, worauf noch einzugehen sein wird. Im Übrigen bliebe es nach dem Standpunkt des Antragsgegners, zumindest was Rechtsschutzmöglichkeiten angeht, letztlich folgenlos, würde im Extremfall von Behördenseite schon eine Prüfung unterlassen, welche Handlungsform rechtlich geboten ist.
57
cc) Auch § 44a Satz 1 VwGO steht der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen. Die Vorschrift sieht vor, dass Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können. In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass die genannte Vorschrift schon tatbestandlich nicht greift, wenn die Sachentscheidung selbst allgemein nicht mit Rechtsbehelfen angegriffen werden kann (vgl. Posser in Beckscher Online-Kommentar VwGO, 55. Edition Stand 1.10, 2019, § 44a Rn. 24). So liegt der Fall hier, da die abschließende Entscheidung des Antragsgegners im Überdenkungsverfahren allgemein nicht mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann, worauf noch näher einzugehen sein wird.
58
b) Der Antrag ist auch begründet.
59
aa) Anerkannt ist, dass das Gericht im Rahmen seiner Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit des Sofortvollzugs auf Grundlage der sich im Zeitpunkt der Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber trifft, ob das sofortige Vollziehbarkeitsinteresse der Behörde oder aber das Aufschubinteresse des Antragstellers überwiegt. Da das Verwaltungshandeln nicht lediglich nachgeprüft wird, kommt es insoweit auf etwaige behördliche Ermessensfehler nicht an (vgl. zum Ganzen Gersdorf, Beckscher Online-Kommentar VwGO, 55. Edition Stand 1.10.2019, § 80 Rn. 183). Für die gerichtliche Ermessensentscheidung ist maßgeblich, ob der (sofort vollziehbare) Verwaltungsakt (offensichtlich) rechtmäßig ist bzw. ob und ggf. inwieweit sich Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit ergeben. So wird bei einem offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakt - besonderes Vollzugsinteresse unterstellt - keine Veranlassung bestehen, die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Dagegen wird im Fall eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung bestehen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 90).
60
bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat der Antrag hier in vollem Umfang Erfolg. Die angegriffene Entscheidung ist offensichtlich rechtswidrig, weil sie in der Handlungsform des Verwaltungsakts ergangen ist, obwohl hierfür keine Rechtsgrundlage besteht.
61
(1) In Prüfungsangelegenheiten sind die Kontrollmöglichkeiten der Verwaltungsgerichte eingeschränkt. Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist es nicht, ggf. zu strenge oder ungerechte bzw. so empfundene Beurteilungen zu korrigieren, indem das Gericht seine eigenen Bewertungsmaßstäbe an die Stelle der Beurteilungen der Prüfer setzt. Im Wesentlichen betreffen die verwaltungsgerichtlichen Kontrollmöglichkeiten die Einhaltung der Regelungen des einschlägigen Prüfungsverfahrens sowie der Grenzen des prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraums (vgl. so zum Ganzen Fischer in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 804). Als Ausgleich dieser lediglich eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle besitzt der Prüfling bei berufsbezogenen Prüfungen aus Art. 12 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Überdenken der Bewertung seiner Prüfungsleistungen im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens. Damit wird zugleich in Ergänzung des gerichtlichen Rechtsschutzes eine Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit erfüllt. Bringt der Prüfling substantiierte Einwendungen gegen die der Prüfungsbewertung zugrunde liegenden Wertungen vor, ist die Prüfungsbehörde verpflichtet, diese Einwendungen den beteiligten Prüfern zuzuleiten. Diese haben sodann innerhalb des ihnen zustehenden prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums ihre zuvor abgegebene Bewertung zu überdenken (vgl. so zu dem Ganzen BVerwG, U.v. 30.6.1994 - 6 C 4.93 - BeckRS 1994, 31223296).
62
Die konkrete Ausgestaltung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens obliegt dem Gesetzbzw. Verordnungsgeber, wobei das Verfahren nicht zwingend - etwa im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens - dem gerichtlichen Verfahren vorzuschalten ist. Bezogen auf die hier in Frage stehende Prüfung des Ersten Juristischen Staatsexamens wird der Anspruch auf Überdenken im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens durch ein eigenständig ausgestaltetes Verfahren nach § 14 JAPO (Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen vom 13.10.2003, GVBl. S. 758, BayRS 2038-3-3-11-J; vgl. so zum Ganzen BVerwG, B.v. 9.8.2012 - 6 B 19/12 - juris Rn. 3 ff.) erfüllt. Dagegen scheidet vorliegend das Überdenken in einem Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO bereits deswegen aus, weil das Landesjustizprüfungsamt bei dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz - also einer obersten Landesbehörde im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO - angesiedelt ist, sodass es für die Klageerhebung keines Widerspruchsverfahrens bedarf (vgl. BayVGH, U.v. 9.4.1997 - 7 B 95.1797 - BeckRS 1997, 19380). Die hieraus folgende Parallelität von verwaltungsinternem Kontrollverfahren und gerichtlichem Verfahren ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden (so BVerwG, B.v. 9.8.2012 - 6 B 19/12 - juris Rn. 6). Das Klageverfahren ist nach § 94 VwGO auf entsprechenden Antrag des Prüflings auszusetzen, solange die Prüfungsbewertung in dem Verfahren nach § 14 JAPO überdacht wird (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.1993 - 6 C 35/92 - NVwZ 1993, 681; BayVGH, B.v. 8.2.2012 - 7 BV 11.2480 - BeckRS 2012, 50744 Rn. 18).
63
Bei dem Überdenkungsverfahren handelt es sich um ein bloßes - wenn auch formalisiertes - Gegenvorstellungsrecht (BayVGH, U.v. 4.6.2002 - 7 B 01.499 - NVwZ-RR 2003, 257; B.v. 8.2.2012 - 7 BV 11.2480 - BeckRS 2012, 50744). Dies ergibt sich bereits aus § 14 Abs. 5 JAPO, der die Regelungen zum Nachprüfungsverfahren dahingehend abschließt, dass § 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO - also die Vorschriften zur Klagefrist im Verwaltungsprozess - unberührt bleibt. Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass das Nachprüfungsverfahren nicht den Eintritt der Bestandskraft des Prüfungsbescheids abwendet, sondern dass hierzu fristgemäß Klage erhoben werden muss (vgl. BayVGH, U.v. 4.6.2002 - 7 B 01.499 - NVwZ-RR 2003, 257). Materiellrechtlich stellt sich das Nachprüfungsverfahren als Antrag dar, die ergangene Prüfungsentscheidung nach Art. 48 bzw. 49 Abs. 1 BayVwVfG aufzuheben (BayVGH B.v. 8.2.2012 - 7 BV 11.2480 - BeckRS 2012, 50744), wobei ein entsprechender, das früherer Prüfungsergebnis abändernder Bescheid lediglich dann ergeht, sofern das Nachprüfungsverfahren tatsächlich eine geänderte (Gesamt-)Bewertung ergeben hat (vgl. BayVGH, U.v. 4.6.2002 - 7 B 01.499 - NVwZ-RR 2003, 257). Damit wird das gerichtliche Verfahren lediglich um ein Verfahren zum Überdenken der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren prüfungsspezifischen Wertungen ergänzt. Dagegen ersetzt es weder die verwaltungsgerichtliche Kontrolle noch eröffnet es den Rechtsweg neu. Vielmehr obliegt es der eigenverantwortlichen Entscheidung des Prüflings, ob er sich auf die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens beschränkt oder/und Klage erhebt (vgl. so zum Ganzen BayVGH B.v. 8.2.2012 - 7 BV 11.2480 - BeckRS 2012, 50744). Sofern das Überdenkungsverfahren durchgeführt ist, ist die entsprechende, zugunsten des Prüflings bestehende Verfahrensgewährleistung erfüllt. Dies gilt selbst dann, wenn den Prüfern im Rahmen des Überdenkens (neue) Korrekturfehler unterlaufen sein sollten. Es besteht grundsätzlich kein gerichtlicher Rechtsschutz in Bezug auf das Überdenkungsverfahren (vgl. zum Ganzen Fischer in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018 Rn. 799).
64
(2) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe erweist sich der streitgegenständliche Bescheid mangels Rechtsgrundlage für die Handlungsform des Verwaltungsakts als offensichtlich rechtswidrig.
65
(a) Aus dem Umstand, dass es sich bei dem Überdenkungsverfahren um ein - wenn auch formalisiertes - bloßes Gegenvorstellungsrecht handelt, ergibt sich im Ausgangspunkt, dass der Antragsgegner lediglich befugt ist, dieses Verfahren entsprechend formlos - etwa durch ein einfaches Mitteilungsschreiben - zu beenden, sollte es nicht zu einer Abänderung der früheren Prüfungsbewertung kommen. Eine Ermächtigungsgrundlage, über das Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens als solches durch Verwaltungsakt zu entscheiden, ist weder in § 14 JAPO normiert noch sonst ersichtlich. Vielmehr würde ein solches Verständnis auch gänzlich dem Wesen des Überdenkens als Gegenvorstellungsverfahren widersprechen. Denn bei einem Gegenvorstellungsverfahren handelt es sich bereits definitionsgemäß um ein grundsätzlich formloses Verfahren (vgl. Kirchberg in Quaas/Zuck/Funke-Kaiser, Prozesse in Verwaltungssachen, 3. Aufl. 2018, Rn. 343).
66
Wenn aber bereits im Rahmen der (formlosen) Abschlussentscheidung eines (erfolglosen) Gegenvorstellungsverfahrens keine Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts besteht, gilt dies erst Recht für Entscheidungen, die den Abschluss des Gegenvorstellungsverfahrens lediglich fördern und der Abschlussentscheidung zeitlich und inhaltlich vorgelagert sind. Denn bei solchen vorausgehenden Entscheidungen handelt es sich inhaltlich betrachtet lediglich um ein „Minus“ im Vergleich zur abschließenden (formlosen) Entscheidung.
67
Danach besteht für die hier in Frage stehende Entscheidung der Prüferauswechslung keine Befugnis, durch Verwaltungsakt zu handeln. Denn die vorgelagerte Auswechslungsentscheidung bereitet die abschließende Entscheidung im Überdenkungsverfahren lediglich inhaltlich vor.
68
(b) Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Prüfungsbehörde die ursprüngliche Prüfungsentscheidung nach Abschluss des Überdenkungsverfahrens nach Art. 48 BayVwVfG (sofern ein Rechtsfehler vorliegt) oder nach Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG (sofern der Beurteilungsspielraum betroffen ist) abändert, sofern sich zugunsten des Prüflings eine Änderung der ursprünglichen Prüfungsbewertung ergeben hat (vgl. BayVGH, U.v. 4.6.2002 - 7 B 01.499 - NVwZ-RR 2003, 257). Dennoch handelt es sich bei der Abschlussentscheidung in dem formalisierten Gegenvorstellungsverfahren nach § 14 JAPO um eine formlose Entscheidung ohne Verwaltungsaktscharakter. Dies ist für den Fall des erfolglosen Nachprüfungsverfahren unmittelbar ersichtlich, da der Prüfling in diesem Fall lediglich eine formlose Mitteilung sinngemäß dahingehend erhält, das Nachprüfungsverfahren habe zu keiner Verbesserung der Prüfungsbewertung geführt. So hat auch der Antragsgegner sinngemäß ausgeführt, dass Nachprüfungsverfahren ende ggf. mit der Bekanntgabe des Misserfolgs. Aber auch für den Fall, dass das Ergebnis des Nachprüfungsverfahren letztlich zu einer Abänderung der ursprünglichen Prüfungsbewertung (zugunsten des Prüflings) führt, ergibt sich nichts anderes. Denn auch in diesem Fall findet das Nachprüfungsverfahren zunächst formlos seinen Abschluss in der ggf. lediglich behördeninternen Feststellung, dass und wie sich der Prüfling verbessert hat. Lediglich als Folge dieses formlosen Ergebnisses wird sodann der ursprünglich ergangene Prüfungsbescheid nach Art. 48, 49 Abs. 1 BayVwVfG abgeändert.
69
(c) Eine Ermächtigungsgrundlage des Antragsgegners ergibt sich auch nicht aus einer Überlegung, wonach dieser ggf. lediglich einer inhaltlichen Ermächtigung bzw. einer Ermächtigung der Sache bedürfe, wobei er in der Wahl der Handlungsform frei sei. Denn nach überzeugender und herrschender Ansicht verlangt der Vorbehalt des Gesetzes eine Ermächtigungsgrundlage auch dahingehend, dass die Verwaltung befugt ist, sich gerade der Handlungsform des Verwaltungsakts zu bedienen (vgl. von Alemann/Scheffczyk in Beckscher Online-Kommentar VwVfG, 49. Edition Stand 1.10.2020, § 35 Rn. 95 m.w.N.). Dabei ergibt sich der Eingriff allein aufgrund der Handlungsform des Verwaltungsakts daraus, dass diese Handlungsform fehlerunabhängig Wirksamkeit beansprucht und mit potentieller Bestandskraft verbunden ist (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 25). Entgegen der Auffassung des Antragsgegners liegt damit bereits in der Wahl der Handlungsformen des Verwaltungsakts als solcher ein Eingriff, sofern hierfür keine Ermächtigungsgrundlage besteht (von Alemann/Scheffczyk a.a.O.; Stelkens a.a.O.). Hier besitzt der Antragsteller ein legitimes Interesse daran, ggf. auch im Rahmen des Fortgangs des Verfahrens den Antragsgegner von seinen Argumenten zu überzeugen. Im Fall der Bestandskraft eines rechtswidrigen Verwaltungsakts könnte der Antragsgegner indes im Wesentlichen auf diese verweisen und müsste sich kaum bzw. weniger intensiv mit etwaig neuen Argumenten des Antragstellers auseinandersetzen.
70
(d) Auch eine etwaige erstmalige oder gesonderte Beschwer des Antragstellers durch die angegriffene Entscheidung, wie sie der Antragsgegner im Termin zu mündlichen Verhandlung thematisiert hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch eine solche Beschwer würde nichts an dem Rechtscharakter des Überdenkungsverfahrens als bloßes Gegenvorstellungsverfahren ändern. Entsprechend bringt auch eine etwaige neue oder erstmalige Beschwer als solche keine Rechtsgrundlage hervor, um in einem formlosen Gegenvorstellungsverfahren durch Verwaltungsakt handeln zu können. Soweit der Antragsgegner im Termin zur mündlichen Verhandlung mit der Fallgestaltung eines erst im Nachprüfungsverfahren entdeckten Unterschleifs mit der Folge der Bewertung der Gesamtprüfung mit null Punkten argumentiert hat, führt auch diese nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn in einem solchen Fall könnte der Antragsgegner grundsätzlich - das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen unterstellt - aufgrund § 13 Abs. 6 Satz 1 JAPO handeln. Die genannte Vorschrift regelt sinngemäß, dass (bislang) ergangene Bewertungen zurückgenommen und stattdessen die Note „ungenügend“ (0 Punkte) festgesetzt werden kann, sofern sich nachträglich eine Täuschung bzw. ein Täuschungsversuch herausstellt. Hierin liegt eine Rechtsgrundlage, die - womöglich neben Art. 48 BayVwVfG - zu einem Tätigwerden in der Handlungsform des Verwaltungsakts ermächtigt. Für die hier in Frage stehende Entscheidung bzw. die Abschlussentscheidung im Überdenkungsverfahren ist aber Ähnliches nicht ersichtlich.
71
(e) Entgegen der Rechtsansicht des Antragstellers ist das Überdenkungsverfahren grundsätzlich auch nicht hinsichtlich etwaiger Verfahrensfehler justiziabel. Denn dies widerspräche bereits dem Charakter des Überdenkungsverfahren als (formalisiertem) Gegenvorstellungsverfahren. Auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 24.2.1993 - 6 C 35/92 - NVwZ 1993, 681) ergibt sich nichts anderes. Vielmehr stellt das Bundesverwaltungsgericht in dem bezeichneten Urteil die möglichen Vorgehensweisen eines Prüflings nach gerichtlichem Hinweis gegenüber: Zum einen sei das gerichtliche Verfahren auf Antrag des Klägers auszusetzen, sofern er sich - ggf. noch im gerichtlichen Verfahren - entscheide, eine Überdenkungsverfahren durchzuführen. Zum anderen könne der Prüfling - so das Bundesverwaltungsgericht - „mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Entscheidung […] allein eine Rechtskontrolle durch das VG“ anstreben, „etwa weil er auch Rechtsfehler, z. B. im Prüfungsverfahren oder im Hinblick auf eine falsche und damit rechtswidrige fachspezifische Bewertung, geltend macht und meint, daß seinem Rechtsschutzbegehren mit einer schnellen Aufhebung der Prüfungsentscheidung durch das VG am besten gedient sei“. Dem lässt sich nicht entnehmen, dass Verfahrensfehler im Überdenkungsverfahren justiziabel sein könnten. Denn das Bundesverwaltungsgericht beschreibt in der hier wörtlich wiedergegebenen Textpassage lediglich die Fallgestaltung, dass ein Prüfling auf ein Überdenkungsverfahren verzichtet und lediglich das gerichtliche Verfahren durchführt. In dieser Variante fehlt es aber gerade an einem Überdenkungsverfahren, so dass dem fraglichen Urteil insoweit nichts zu etwaigen Verfahrensfehlern in diesem Verfahren entnommen werden kann. Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts klargestellt, dass ausnahmsweise dann um gerichtlichen Rechtsschutz betreffend Überdenkungsverfahren nachgesucht werden kann, wenn sich die Prüfungsbehörde weigert, überhaupt ein solches Verfahren durchzuführen (vgl. BVerwG, B.v. 9.8.2012 - 6 B 19/12 - juris Rn. 10). Für den Fall der Missachtung grundlegender Anforderungen an die Gestaltung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens hat es die Frage offen gelassen (BVerwG a.a.O.). Wenn also mit der - aufgrund der Rechtsnatur des Überdenkungsverfahrens als bloßes Gegenvorstellungsverfahren - überzeugenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Überdenkungsverfahren lediglich ausnahmsweise einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein soll bzw. sein könnte, muss dieses im Grundsatz nicht justiziabel sein. Sonst ergäben die erörterten Ausnahmen keinen Sinn. Schließlich bewirkt der Umstand, dass das Überdenkungsverfahren grundsätzlich nicht justiziabel ist, auch nicht, dass der Antragsteller mit Blick auf die Prüfungsentscheidung rechtlich schutzlos wäre. Denn ein Prüfling besitzt stets die Möglichkeit - ggf. zusätzlich zu dem Überdenkungsverfahren -, den Prüfungsbescheid im Wege der Klage anzugreifen.
72
(f) Hier liegt auch keine Fallgestaltung vor, in der mit der - soeben dargestellten - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, B.v. 9.8.2012 - 6 B 19/12 - juris Rn. 10) ausnahmsweise eine gerichtliche Kontrolle des Überdenkungsverfahrens geboten ist bzw. sein könnte, also im Fall der Weigerung der Prüfungsbehörde, überhaupt ein Überdenkungsverfahren durchzuführen, bzw. im Fall der Missachtung grundlegender Anforderungen an die Gestaltung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens. Hier weigert sich der Antragsgegner keineswegs, das Überdenkungsverfahren durchzuführen, sondern beabsichtigt vielmehr, dieses nach Prüferauswechslung und Überdenken durch den neuen Prüfer abzuschließen. Auch ist nicht ersichtlich, dass mit der Prüferauswechslung grundlegende Anforderungen des Überdenkungsverfahrens missachtet würden. Zunächst ist eine solche Prüferauswechslung im Überdenkungsverfahren nicht schlechterdings ausgeschlossen. Dies wird schon mit Blick auf Fallgestaltungen der rechtlichen oder tatsächlichen Unmöglichkeit ersichtlich, etwa wenn der Prüfer ggf. auch aus Sicht des Prüflings offensichtlich befangen ist oder gar verstorben ist. Auch sonst verstößt die Prüferauswechslung hier jedenfalls nicht gegen grundlegende Anforderungen des Überdenkungsverfahrens. Vielmehr erscheint die Entscheidung des Antragsgegners in der Sache nachvollziehbar und vertretbar. Zwar muss auch mit Blick auf die antragstellerseits hervorgehobene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur etwaigen Sanktionierung von Prüflingen in Fällen der Kontaktaufnahme zu Prüfern im Nachprüfungsverfahren (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.2012 - 6 C 19/11 - NVwZ 2012, 1188) ein vermittelnder Maßstab mit Blick auf Entscheidungen zur Prüferauswechslung im Nachprüfungsverfahren gefunden werden. Auf der einen Seite dürfen es mit der Argumentation des Antragstellers (gänzlich) Unbeteiligte nicht in der Hand haben, unaufgefordert durch gezielte Informationen über Prüfungskandidaten gegenüber der Prüfungsbehörde bzw. Prüfern das gesamte Prüfungsverfahren zu torpedieren, etwa weil ein Prüfer bereits aufgrund Kenntnisnahme dieser Informationen aus dem Prüfungsverfahren ausscheiden müsste. Dies würde letztlich die Durchführbarkeit von Prüfungsverfahren überhaupt gefährden. Auf der anderen Seite ist auch dem allgemeinen Rechtsgrundsatz Rechnung zu tragen, dass Verwaltungsverfahren objektiv, neutral und fair entschieden werden (Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 21 Rn. 1). Ebenso schützenswert erscheint das Vertrauen der Allgemeinheit in eine solche Arbeitsweise der Verwaltung. Vor diesem Hintergrund erscheint die Entscheidung des Antragsgegners zur Prüferauswechslung nachvollziehbar und vertretbar, so dass jedenfalls kein Fall eines Verstoßes gegen grundlegende Anforderungen des Überdenkungsverfahrens ersichtlich ist. Nicht entschieden werden muss hier die Frage, ob sich zum Ausgleich der widerstreitenden Positionen etwa die allgemeinen Grundsätze zum Recht der Besorgnis der Befangenheit insbesondere nach Art. 21 BayVwVfG eignen, die jedenfalls Ausdruck des genannten allgemeinen Rechtsgrundsatzes sind (Schmitz a.a.O.). Hierbei käme es nicht auf die - kaum feststellbare - Frage der tatsächlichen Befangenheit eines Prüfers aufgrund (ungefragt) erhaltener Informationen an, sondern auf die entsprechende Wahrnehmung etwa von verständigen und vernünftigen (Mit-)Prüflingen (vgl. allgemein zur maßgeblichen Perspektive Schmitz a.a.O. Rn. 10). Schließlich kann die Kammer auch nicht erkennen, dass der Antragsgegner - so wohl das Vorbringen des Antragstellers - die Absicht oder Intention verfolgen würde, den Antragsteller an seinem beruflichen Fortkommen zu hindern. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Ausgang des Nachprüfungsverfahrens auch nach Prüferauswechslung weiterhin offen ist.
73
Nach alledem hat der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz in der Sache Erfolg, weil der Antragsgegner mangels entsprechender Ermächtigung nicht die Handlungsform des Verwaltungsakts wählen durfte.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass das Unterliegen des Antragsgegners darauf zurückgeht, das er nicht durch Verwaltungsakt handeln durfte, dieselbe formlose Entscheidung in dem Überdenkungsverfahren aber jedenfalls nicht justiziabel gewesen wäre. Denn für die Kostenfolge aus § 154, Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt, sind die Gründe für den Misserfolg ohne Bedeutung (vgl. Hartung/Zimmermann-Kreher in Beckscher Online-Kommentar, 55. Edition Stand 1.10.2020, § 154 Rn. 2).
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3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs. Insoweit ist nicht nur der einstweilige Charakter des vorliegenden Verfahrens zu berücksichtigen, sondern auch, dass Streitgegenstand nicht das Bestehen bzw. Nichtbestehen des Ersten Juristischen Staatsexamens ist, was im Hauptsacheverfahren regelmäßig einen Streitwert in Höhe von 10.000,00 EUR rechtfertigen würde -, sondern lediglich eine vorgelagerte Entscheidung, die den Abschluss des Überdenkungsverfahrens erst vorbereitet.