Titel:
Fälligkeit kurze Zeit vor Beginn des Kalenderjahres
Normenkette:
EStG § 11 Abs. 2 Satz 2
Schlagwort:
Gewinnermittlung
Rechtsmittelinstanz:
BFH München, Urteil vom 16.02.2022 – X R 2/21
Fundstellen:
HFR 2022, 632
EFG 2021, 1532
DStRE 2022, 129
BeckRS 2020, 47159
LSK 2020, 47159
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Tatbestand
1
Streitig ist, inwieweit die Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Mai, Juni und Juli 2017 (05 bis 07/2017) in Höhe von €, die am 09.01.2018 an das Finanzamt (FA) bezahlt wurden, noch im Veranlagungsjahr 2017 als Betriebsausgaben zum Abzug zu bringen sind.
2
Der Kläger betrieb im Jahr 2017 ein Einzelunternehmen. Hieraus erzielte der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) und unterlag mit diesem Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer nach § 2 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG).
3
Mit der am 05.10.2018 an das FA übermittelten Steuererklärung erklärte der Kläger einen steuerlichen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 94.567,91 €. In der eingereichten Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zum 31. Dezember 2017 waren als Betriebsausgaben Umsatzsteuerzahlungen in Höhe von 25.375,97 € enthalten. Nach den beim FA gespeicherten Erhebungsdaten konnten als Betriebsausgaben nur 21.375,97 € für 2017 berücksichtigt werden. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb wurde dementsprechend um die Differenz in Höhe von 4.000 € - von 94.567,01 € auf 98.567,91 € - erhöht.
4
Die insoweit abweichenden Bescheide über Einkommensteuer für 2017 gegen die Kläger und über den Gewerbesteuermessbetrag gegen den Kläger ergingen am 26.02.2019. .
5
Nachdem das FA jeweils am 17.04.2019 Teilabhilfebescheide hinsichtlich nicht weiter streitbefangener Punkte erlassen hatte, wies das FA jeweils mit Einspruchsentscheidung vom 30.09.2019 die Einsprüche als unbegründet zurück. Mit Schreiben jeweils vom 30.10.2019 erklärten die Kläger, dass sie nur noch die Umsatzsteuervorauszahlungen 05 bis 07/17 in Höhe von 3.047 € weiterverfolgen.
6
Die am 31.10.2019 erhobenen Klagen gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid wurden mit Beschluss vom 23.Juli 2020 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Az.: 15 K 2604/19 fortgeführt. Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger vor, dass Betriebsausgaben grundsätzlich in dem Kalenderjahr abzusetzen seien, in dem sie geleistet worden seien (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ausnahmsweise könnten regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die kurze Zeit (bis zu 10 Tage) vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres anfallen, in dem Jahr berücksichtigt werden, in dem sie wirtschaftlich entstanden sind. Umsatzsteuervorauszahlungen seien unstrittig solche regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben. Allerdings komme die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG nur zur Anwendung, wenn die Fälligkeit und die Zahlung innerhalb kurzer Zeit liegen. Unstreitig sei, dass die streitigen Umsatzsteuervorauszahlungen innerhalb kurzer Zeit geleistet worden seien (Zahlungszeitpunkt 09.01.2018). Bei den noch strittigen Umsatzsteuervorauszahlungen für Mai 2017, Juni 2017 und Juli 2017 in Höhe von insgesamt 3.047 € liege - was nicht weiter streitig sei - die Fälligkeit nicht innerhalb kurzer Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres.
7
Allerdings habe es der Bundesfinanzhof - BFH - in seinem Urteil vom 27.06.2018 (Az.: X R 44/16 Rz. 12) ausdrücklich offengelassen, ob auch die Fälligkeit der Zahlung innerhalb kurzer Zeit, d.h. innerhalb von 10 Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres liegen müsse. Das Finanzgericht Köln habe in seinem Urteil vom 24.09.2015 Az.: 15 K 3676/13 (EFG 2016, 230 zu Nr. 3) die Fälligkeit der Zahlung innerhalb kurzer Zeit als zusätzliches Kriterium für die zeitliche Zuordnung ausdrücklich verneint. Diese Auffassung vertrete auch Krüger in Schmidt, EStG 34. Aufl., 2015, § 11 Rz. 27 ff. Nach dieser Rechtsauffassung seien die Zahlungen noch im Jahr 2017 als Betriebsausgabe zu berücksichtigen.
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2017 und des Gewerbesteuermessbescheides für 2017 - beide vom 17.04.2019 - sowie der Einspruchsentscheidungen - jeweils vom 30.09.2019, die am 09.01.2018 geleisteten Umsatzsteuervorauszahlungen für Mai bis Juni 2017 in Höhe von 3.047 € im Veranlagungsjahr 2017 als Betriebsausgaben in Abzug zu bringen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
10
Zur Begründung führt das FA aus, dass die Umsatzsteuerzahlungen für die Zeiträume Mai, Juni und Juli 2017 zwar erst am 09.01.2018 geleistet wurden, allerdings hätten die Fälligkeiten dieser Zahlungen - was zwischen den Parteien nicht weiter streitig sei - offensichtlich nicht innerhalb kurzer Zeit gelegen. Die Zahlungen könnten daher gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG erst im Jahr der Zahlung, also 2018 als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.
11
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
12
Die Klage ist unbegründet.
13
1. Im Rahmen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG sind Betriebsausgaben gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Gleiches gilt nach § 7 Satz 1 GewStG auch für die Gewerbesteuer. Als Ausnahme von diesem Grundsatz sieht § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m.
14
Abs. 1 Satz 2 EStG für gewisse Fälle eine periodengerechte Berücksichtigung von Ausgaben vor. Danach gelten regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die beim Steuerpflichtigen kurze Zeit vor oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, abgeflossen sind, als in diesem Kalenderjahr angefallen. Als „kurze Zeit“ gilt ein Zeitraum von bis zu 10 Tagen (BFH-Urteil vom 11.11.2014 VIII R 34/12, BStBl. II 2015, 285).
15
2. Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG für eine Zuordnung der am 09.01.2018 gezahlten Umsatzsteuervorauszahlungen für Mai, Juni und Juli 2017 zum Streitjahr 2017 nicht erfüllt.
16
a) Umsatzsteuervorauszahlungen sind regelmäßig wiederkehrende Ausgaben (BFH-Urteil vom 01.08.2007 XI R 48/05, BStBl. II 2008, 282, Rz. 12 und vom 11.11.2014 VIII R 34/12, BStBl. II 2015, 285).
17
Die streitigen Umsatzsteuervorauszahlungen wurden von dem Kläger am 09.01.2018 und damit „kurze Zeit“ im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG nach Beendigung des Kalenderjahres entrichtet.
18
b) Die Zuordnung der Zahlungen zum Kalenderjahr 2017 scheitert jedoch daran, dass ihre Fälligkeit gemäß § 18 Abs. 1 Satz 4 Umsatzsteuergesetz - UStG - am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums ist, d.h. im Streitfall, aufgrund der gewährten Dauerfristverlängerung am 10. Juni, 10. Juli und 10. August 2017 (§ 18 Abs. 1 Satz 1 UStG, § 46 Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuerdurchführungsverordnung). Die streitigen Umsatzsteuervorauszahlungen waren infolgedessen nicht innerhalb des 10-Tages-Zeitraums des § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG fällig.
19
c) Eine Fälligkeit kurz vor Beginn oder nach Ende des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit der Ausgaben wird in der Rechtsprechung als einschränkende Voraussetzung für eine vom tatsächlichen Zahlungsjahr abweichende Zuordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG erachtet (BFH-Urteile vom 24.07.1986 IV R 309/84, BStBl. II 1987, 16; vom 01.08.2007 XI R 48/05, BStBl. II 2008, 282; vom 11.11.2014 VIII R 34/12, BStBl. II 2015, 285 und vom 24.08.2017 VI R 58/15, BStBl. II 2018, 72). Hiernach gebietet der Ausnahmecharakter der Vorschrift eine restriktive Auslegung. Es sollen lediglich Zufallsergebnisse bei kurzfristigen Zahlungsverschiebungen vermieden werden und nicht die Grundsätze der Bilanzaufstellung auf die Auslegung von § 11 EStG übertragen werden (BFH-Urteile vom 09.05.1974 VI R 161/72, BStBl. II 1974, 547 und vom 24.07.1986 IV R 309/84, BStBl. II 1987, 16). Insoweit sind Nachzahlungen zum Jahreswechsel, die nicht kurz vorher oder nachher fällig sind, im Jahr der Zahlung zu berücksichtigen (Krüger-Schmidt, EStG, 39. Aufl., 2020 zu § 11 Rz. 27; Geiermann, ABC der Bilanzierung 2019/2020, 17. Aufl. 2019/2020, Stichwort: Abfluss von Ausgaben, Rz. 25).
20
d) Nichts andres ergibt sich auch aus dem Urteil des FG Köln vom 24.09.2015, EFG 2016, 230, das mit Urteil des BFH vom 24.08.2017 Az.: VI R 58/15, BStBl. II 2018, 72 aufgehoben wurde. Hier wurde festgestellt, dass § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG auf nicht laufend gezahlten Arbeitslohn (sonstige Bezüge) nicht anwendbar ist, sondern dass diese im Zeitpunkt des Zuflusses zu versteuern sind. Im Urteil des BFH vom 27.06.2018 Az.: X R 44/16 wurde das Problem, ob auch die Fälligkeit innerhalb des 10-Tages-Zeitraumes liegen müsse, offengelassen, da es insoweit nicht entscheidungsrelevant war, da die entsprechenden Zahlungen innerhalb des 10-Tages-Zeitraumes geleistet wurden.
21
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.