Titel:
Minder schwerer Fall des Totschlags
Normenkette:
StGB § 21, § 64, § 213
Leitsätze:
1. Ein minder schwerer Fall konnte im vorliegenden Fall nur unter Heranziehung des § 21 StGB als vertyptem Strafmilderungsgrund angenommen werden (Aufhebung durch BGH BeckRS 2021, 11124). (Rn. 77 – 81) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Hang des Angeklagten, im Übermaß alkoholische Getränke zu sich zu nehmen, war für die Begehung der Tat nicht mitursächlich, sondern ein bloßes Begleitsymptom (Aufhebung durch BGH BeckRS 2021, 11124). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
minder schwerer Fall, vertypter Strafmilderungsgrund, symptomatischer Zusammenhang, Strafzumessung
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 23.03.2021 – 1 StR 52/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 47010
Tenor
1. Der Angeklagte ist schuldig des Totschlags.
Er wird deshalb zu einer Freiheitsstrafe von
2. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.
Entscheidungsgründe
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A. Persönliche Verhältnisse
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I. Persönlicher/beruflicher Werdegang
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1. Der Angeklagte wurde am 04.07.1984 als zweites Kind seiner Eltern in geboren.
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Die Eltern des Angeklagten, zu denen er nach wie vor Kontakt hat, sind berentet und wohnen in . Zu einer im Jahr 1980/81 geborenen älteren Schwester, die behindert geboren wurde und im Jahr 1987 verstarb, hatte der Angeklagte keinen Kontakt. Er erfuhr von den Eltern erst im Alter von zehn Jahren von deren Existenz. Der Angeklagte wuchs, bis er im Jahr 2004 auszog, im elterlichen Haushalt auf. Seine Beziehung zu den Elternteilen war gleich gut, wenngleich der Vater in Erziehungs- und Schulangelegenheiten strenger und autoritärer war. Gelegentlich wurde er vom Vater geschlagen.
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In seinem ersten Lebensjahr wurde der Angeklagte, nachdem beide Elternteile berufstätig waren, in einer Krippe untergebracht. Im Alter ab ca. 3/4 Jahren besuchte er den Kindergarten. Im 7. Lebensjahr wurde der Angeklagte regulär eingeschult und besuchte zunächst die Grundschule für die Dauer von vier Jahren. Im Anschluss wechselte er auf das Gymnasium, an dem er im Jahr 2003 das Abitur erlangte. Während der Angeklagte beim Besuch der Grundschule keine Probleme hatte, fiel sein Leistungsniveau am Gymnasium deutlich ab. Unter dem Druck des Vaters blieb er auf dem Gymnasium.
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Nach der Schulausbildung absolvierte der Angeklagte bis zum Oktober 2004 seinen Grundwehrdienst und begann im Anschluss eine Ausbildung zum Industrietechnologen bei der Firma Siemens in Erlangen. Er zog aus dem elterlichen Haushalt aus und wohnte in einer eigenen Wohnung in Erlangen. Diese Ausbildung, die er auf Anraten seines Vaters begann, brach er nach drei Monaten wieder ab und nahm in Anschluss einen Job als Maschinenbediener in Pretzfeld an, wo er von Februar bis September 2005 arbeitete. Im Anschluss war er bis August 2006 in der IT-Abteilung der Firma in Erlangen tätig und begann im September 2006 eine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik bei der Firma im Raum Würzburg, die er im Februar 2010 erfolgreich abschloss. Im Jahr 2006 zog der Angeklagte nach Würzburg, wo er zusammen mit seiner späteren Familie bis zum Jahr 2017 lebte. Von April 2010 bis zum Januar 2015 arbeitete der Angeklagte als Kundenbetreuer bei der Firma, die Lungenfunktionstestgeräte produzierte, überwiegend in Spätschicht. Aufgrund aufgetretener Probleme mit seiner Ehefrau (s.u.) beendete er diese Tätigkeit und wechselte zur Firma in Zell am Main, wo er von Februar bis Oktober 2015 arbeitete. Von November 2015 bis April 2016 befand sich der Angeklagte nach der Geburt seiner Tochter in Elternzeit und begann im Mai 2016 eine Tätigkeit als Prüftechniker bei der , wo er im Home-Office und im Außendienst eingesetzt war. Nachdem er im Oktober 2018 wegen einer PKW-Fahrt unter Alkoholeinfluss seinen Führerschein verlor, wurde der Angeklagte von seinem Arbeitgeber bei voller Lohnfortzahlung zunächst freigestellt mit der Auflage, sich in eine Therapie zu begeben. Eine solche absolvierte der Angeklagte jedoch nicht, nachdem seine Ehefrau mit dem Sohn schwanger und er der Ansicht war, diese würde eine wochenlange Abwesenheit wegen ihrer Eifersucht nicht tolerieren. Infolge dessen verlor der Angeklagte diese Arbeitsstelle und war erwerbslos.
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Nach mehreren Klinikaufenthalten bis zum 30.07.2019 (s.u. Ziffer II) lebte der Angeklagte zunächst von Krankengeld, Übergangsgeld und Arbeitslosengeld I in Höhe von ca. 1600/1700 € netto. Nach der letzten Entlassung aus der Klinik im Allgäu lebte er zusammen mit seiner Ehefrau in, die ihm an diesen Ort nachzog, wovon er zunächst keine Kenntnis hatte. Nach der Trennung der Eheleute im September 2019 kehrte der Angeklagte für kurze Zeit in die vormalige Ehewohnung in zurück, löste diese auf und zog wieder nach, wo seine Frau noch wohnte. Am 01.02.2020 begann er eine Tätigkeit als Elektroniker für Betriebstechnik bei der Firma . Dort wurde er zwischenzeitlich entlassen.
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2. Seine Ehefrau , geboren am , die gelernte Hauswirtschafterin war, lernte der Angeklagte in Würzburg im Sommer/Herbst 2007 kennen. Sie wurden im Mai 2011 ein Paar und zogen im September 2011 in der Wohnung des Angeklagten in Würzburg zusammen. Der Angeklagte und heirateten am 01.04.2015. brachte den am 30.10.2010 geborenen Sohn mit in die Ehe. Am 23.07.2015 kam das gemeinsame Kind zur Welt, am 30.08.2018 der Sohn .
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Die familiären Verhältnisse waren ambivalent. Die Beziehung der Eheleute war einerseits von Zuneigung und bis zuletzt von regelmäßigen sexuellen Kontakten geprägt, andererseits kam es aufgrund der stets vorhandenen Eifersucht von, die dem Angeklagten immer wieder außereheliche Verhältnisse unterstellte, zu erheblichen Spannungen. Zwischen den Ehegatten entwickelten sich stundenlange Streitereien, die sich stets um die von behauptete Untreue des Angeklagten drehten, was ihn psychisch stark belastete. kontrollierte den Angeklagten auch durch regelmäßige Anrufe an dessen Arbeitsstellen, insbesondere während längerer Dienstfahrten und Spätschichten. Der Angeklagte litt auch unter einer zunehmenden Alkoholerkrankung (s.u.III), was bei Streitigkeiten mit seiner Frau öfters dazu führte, dass er aggressiv wurde und es zu Ohrfeigen und Schubsereien zwischen den Ehegatten kam. Teilweise ging die Aggressivität von aus. Die Familie wechselte mehrfach ihren Wohnsitz. Im Jahr 2017 zog sie zunächst nach Reisbach (Niederbayern), von wo sie aber schon 2-3 Wochen später wieder wegzog, weil das angemietete Haus nicht fertiggestellt worden war. Es erfolgte dann ein Umzug nach Osterhofen (Landkreis Deggendorf), wo die Familie bis zum Juni 2018 in einer Dachgeschosswohnung lebte. Anschließend erfolgte der Umzug in eine Etagenwohnung nach Schöllnach (Landkreis Deggendorf).
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Die leiblichen Kinder der Eheleute, und , wurden am 22.01.2019 aufgrund einer einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts - Familiengericht - Deggendorf, mit welcher den Eltern insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder vorläufig entzogen wurde, durch das Jugendamt des Landratsamts Deggendorf in Obhut genommen. Grund für das Einschreiten des Jugendamts waren mehrere Gefährdungsmitteilungen insbesondere seitens der Grundschule Osterhofen-Altenmarkt, welche seit Oktober 2017 besuchte. Dieser sei häufig dreckig und sehr verschmutzt in der Schule angekommen, habe teilweise nur verdreckte oder gar keine Unterhosen getragen. Seitens der Schule wurden Alkohol- und finanzielle Probleme der Familie vermutet, weshalb ein Hausbesuch durch das Jugendamt durchgeführt wurde. Nachdem dabei die Überforderung der Eltern offensichtlich war, wurde der Familie eine sozialpädagogische Familienhilfe nahegelegt, an der der Angeklagte zunächst Interesse zeigte, die aber auf Betreiben von nicht angenommen wurde, die jegliche Hilfestellung ablehnte. Nach weiteren Gefährdungsmitteilungen an das Jugendamt bis Oktober 2018 durch die Grundschule in Altenmarkt, der Grundschule in Schöllnach nach Umzug der Familie dorthin und der Polizei in Deggendorf, wonach der Angeklagte alkoholisiert mit dem Pkw gefahren sei und sich dabei seine Tochter ohne Kindersitz und ungesichert auf der Rückbank befunden habe, erfolgte eine erneute Überprüfung der familiären Verhältnisse durch das Jugendamt. Dabei schien der Angeklagte erheblich psychisch belastet und abgemagert. Er äußerte selbst Hilfebedarf, insbesondere in gesundheitlicher Hinsicht. Hierauf wurde der Familie eine sozialpädagogische Familienhilfe zur Seite gestellt, die nur widerwillig annahm. Nach kurzer Zeit verweigerte sie die Zusammenarbeit mit der Familienhilfe aufgrund persönlicher Antipathie mit den weiblichen Hilfekräften und ihrer Vermutung, diese wollten ihren Mann verführen. Eine weitere Hilfeleistung lehnte die Kindesmutter dann völlig ab. Der zunächst kooperative Angeklagte ordnete sich dem Willen seiner Frau unter und übernahm deren Ansichten, was schließlich zum Einschreiten des Jugendamts und des Familiengerichts führte.
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Am 02.01.2019 veranlasste schließlich die Mutter von Enkels aus der Familie, welcher äußerte vom Angeklagten die Herausnahme ihres geschlagen worden zu sein. Die allein sorgeberechtigte Mutter stimmte der Inobhutnahme zu. lebt seitdem in einem Kinderheim in Aschaffenburg. Zu ihm hatte der Angeklagte seitdem keinen persönlichen Kontakt mehr.
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Die leiblichen Kinder der Eheleute Pflegefamilie in Deggendorf. Der Angeklagte leben seit ihrer Inobhutnahme in einer nahm die mit dem Jugendamt vereinbarten Umgangskontakte bis zu seiner Verhaftung in dieser Sache regelmäßig wahr. besuchte ihre Kinder nur anfangs regelmäßig und verweigerte wiederum zunehmend die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und äußerte sich dahingehend, nichts mit ihren Kindern und den Jugendämtern zu tun haben zu wollen. Als sie im Januar 2020 ungeplant an einem Umgangskontakt mit und teilnahm, an dem auch die Pflegemutter zugegen war, kam es zu einem heftigen Streit zwischen und der Pflegemutter, weil sie dieser vorwarf, ein Verhältnis zu ihrem Mann zu haben. Der Umgangskontakt musste abgebrochen werden. Seitdem hatte sie keinen persönlichen Kontakt mehr zu und .
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3. Wegen neu aufflammender heftiger Streitigkeiten, die sich wiederum um die nicht nachlassende Eifersucht von drehten, trennten sich die Ehegatten vorübergehend im September 2019. warf dem Angeklagten vor, außereheliche Beziehungen mit dem Personal der Fachklinik aufgebaut zu haben und nach seiner Entlassung mit Mitarbeiterinnen der ambulanten Nachsorge. Dem Angeklagten gelang es nicht, das Vertrauen von zu gewinnen, wenngleich diese schon während seiner Therapie in der Fachklinik zu Klärung der Situation an Gesprächen beteiligt war. Es gelang dem Angeklagten aber auch nicht, sich von seiner Ehefrau zu lösen. Er hegte die Hoffnung, dass die Familie nach erfolgreichen Therapien - auch seitens - wieder zueinander finden könnte. Ihm gegenüber gab an, Grund für ihren Umzug nach Röthenbach sei ihr Wunsch nach einem Neuanfang gewesen.
II. Alkoholkonsum des Angeklagten/Behandlungen
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Der Angeklagte begann ab dem Alter von ca. 14 Jahren regelmäßig Alkohol zu trinken, zunächst in Form von Bier, ab dem Alter von 17 Jahren zusätzlich in Form von AlkoholMischgetränken. Während und nach seiner Zeit bei der Bundeswehr steigerte der Angeklagte seinen Alkoholkonsum auf ca. 4 Halbe Bier und ca. 50 ml Schnaps pro Tag, meist in den Abendstunden. Nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes im Jahr 2018 trank der Angeklagte über den Tag verteilt ca. 7 Halbe Bier pro Tag und weiterhin Schnaps. Dem Angeklagten gelang es in der Folgezeit nicht, seinen Alkoholkonsum nennenswert zu reduzieren.
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Nach der Inobhutnahme seiner Kinder begab sich der Angeklagte in der Zeit vom 27.02.2019 bis zum 16.04.2019 in stationär psychiatrische Behandlung ins Bezirksklinikum, an der zunächst eine Entgiftung durchgeführt wurde. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten beim Angeklagten eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik (ICD-10 F 43.2), psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol, Abhängigkeitssyndrom (ICD-10 F 10.2); psychische und Verhaltensstörung durch Alkohol, Entzugssyndrom (ICD-10 F 10.3).
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Im Hinblick auf die weiterhin bestehende Therapiemotivation des Angeklagten begab er sich sodann vom 16.04.2019 bis zum 30.07.2019 in stationäre Entwöhnungsbehandlung in die Fachklinik .. Nach der Entlassung schaffte es der Angeklagte nur 3 - 4 Wochen abstinent zu bleiben. Unter dem Druck der Streitigkeiten mit seiner Frau und auftretender Frustration trank der Angeklagte vermehrt Alkohol und erreichte ab September/Oktober 2019 wieder Trinkmengen von bis zu 7 - 8 Bier und 150 ml Schnaps pro Tag an den Wochenenden.
III. Strafrechtliche Vorahndungen
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Der Angeklagte ist bislang einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten. Das Amtsgericht Deggendorf verurteilte den Angeklagten im Verfahren 1 Cs 11 Js 8686/18 am 12.12.2018, rechtskräftig seit dem 12.01.2019, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40 €. Zudem wurde eine Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis bis zum 11.11.2019 verhängt.
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Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte fuhr am 25.10.2018 gegen 16:15 Uhr mit dem Pkw Audi, amtliches Kennzeichen auf der Bahnhof straße in 9..4508 Schöllnach, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war. Eine bei ihm am 25.10.2018 um 16:55 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,79 Promille. Seine Fahruntüchtigkeit hätte der Angeklagte bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen. Durch die Tat erwies sich der Angeklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.
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Die Strafe ist zwischenzeitlich vollstreckt durch Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe vom 03.06.2020 bis zum 17.07.2020.
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Der Angeklagte befindet sich in dieser Sache nach seiner vorläufigen Festnahme am 08.03.2020 seit dem 09.03.2020 bis zum 02.06.2020 und wieder ab dem 18.07.2020 in dieser Sache in Untersuchungshaft.
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Die Wohnung in Röthenbach, welche das Ehepaar ab September 2019 bewohnte, mussten sie im Januar 2020 räumen. Der Angeklagte und mieteten sich daraufhin am 25.01.2020 zwei getrennte Zimmer im Hotel (Hostel) in 8..8131 Lindau (Bodensee) an, wobei sie jedoch regelmäßig zusammen in einem Zimmer übernachteten. Ihre Beziehung verbesserte sich indes nicht. Nach wie vor war die Eifersucht von das dominierende Thema. Immer wieder warf diese dem Angeklagten außereheliche Beziehungen vor und spionierte diesem nach, u.a. auch anlässlich dessen Vorstellungsgespräch bei der Firma . Am 01.02.2020 bezog der Angeklagte eine eigene Wohnung in der in Lindau, um den Streitigkeiten auszuweichen. Diese musste er jedoch zum 29.02.2020 wieder räumen, nachdem den Angeklagten unangemeldet dort aufsuchte und es wiederum zu lautstarken Auseinandersetzungen kam, anlässlich derer von Nachbarn die Polizei gerufen wurde. klingelte dort unkontrolliert bei anderen Mietern, um ins Haus zu gelangen und erbrach sich in den Hausflur. Der Angeklagte mietete sich daher am 29.02.2020 erneut ein Zimmer im Hotel, zuletzt das Zimmer mit der Nr. 12, in dem er regelmäßig seine Frau schlafen ließ, da diese in einem 8- Betten-Zimmer untergebracht war und er die Erwartung hatte, sie werde so erkennen, dass er keine andere Beziehung habe. Nach wie vor hegte der Angeklagte die Hoffnung auf eine Besserung der Beziehung nach einer Ehetherapie. Er unterstützte auch finanziell, indem er ihr Zimmer bezahlte.
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Der psychische Zustand von Servicemitarbeiterin im Hotel , die im Februar 2020 eine Tätigkeit als in Lindau aufnahm, wurde während ihres Aufenthalts im Hostel zunehmend labil. Anfang Februar bemerkte die Hostel-Managerin eine vollgekotete Hose in der Gemeinschaftstoilette, die sie schließlich zuordnen konnte. Auf Befragen teilte diese mit, sie habe Blut im Stuhl. Die von angebotene Hilfe lehnte sie ab. Mitte Februar erschien mit einem Brillenhämatom an der Hotelrezeption, dessen Herkunft unbekannt blieb. Am 27.02.2020 lief sie der Hostel-Managerin unmittelbar in der Nähe des Hostels vor das fahrende Fahrzeug, so dass diese eine Vollbremsung machen musste, um eine Kollision zu vermeiden. nahm daraufhin mit ins Hotel, wobei diese während der Fahrt auf den Beifahrersitz urinierte. wirkte auf hektisch und fahrig. Sie bettelte beim Hotelpersonal/anderen Gästen nach Geld und verleugnete ihren Mann. Den Vorfall vom 27.02.2020 nahm schließlich zum Anlass, das Gesundheitsamt des Landratsamts Lindau und das Betreuungsgericht am Amtsgericht Lindau über die Vorfälle zu informieren. Nach einer Anhörung durch den zuständigen Betreuungsrichter am 28.02.2020 erließ dieser einen Beschluss zu Vorführung von zur Untersuchung im Bezirksklinikum Kempten, der am Folgetag vollzogen wurde. Am 01.03.2020 wurde dort wegen mangelnder Eigengefährdung, jedoch gegen ärztlichen Rat, wieder entlassen. Diese Geschehensabläufe wertete wiederum als gezielte Aktion ihres Mannes zusammen mit , denen sie eine Beziehung unterstellte, um sie beiseite zu schaffen.
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Die Situation blieb bis zum 08.03.2020 unverändert. übernachtete regelmäßig im Zimmer des Angeklagten, ihre Eifersucht war das prägende Thema.
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Der Angeklagte und seine Ehefrau verbrachten schließlich auch den Abend des 08.03.2020 zusammen in Lindau. Sie gingen etwa gegen 18:00 Uhr gemeinsam in ein asiatisches Restaurant in Lindau, wobei der Angeklagte mindestens ein Bier und einen Schnaps zu sich nahm. Im Verlauf des 08.03.2020 hatte der Angeklagte wenigstens 5 - 6 Bier und mindestens 2 Schnäpse konsumiert. Gegen 19:30 Uhr kehrten beide in das Hotel zurück und begaben sich gemeinsam auf das Zimmer des Angeklagten mit der Nr. 12.
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Etwa gegen 20.00 Uhr kam es zu einem verbalen Streit der Ehegatten, bei dem dem Angeklagten, der sich - aus Blickrichtung der Zimmertüre - in das linke Bett des Zimmers gelegt hatte und versuchte zu schlafen, hartnäckig vorwarf, mit fremd zu gehen. Aufforderungen des Angeklagten, ihn endlich in Ruhe zu lassen oder zu gehen, ignorierte . Der Angeklagte wollte sich schließlich den Vorhaltungen und Anschuldigungen seiner Frau entziehen und vor dem Gebäude eine Zigarette rauchen, um so - auch aus Sorge vor dem anstehenden nächsten Arbeitstag, bei dem er nicht negativ, insbesondere nicht alkoholbedingt auffallen wollte - Ruhe zu finden. Er stand etwa zwischen 20.20 Uhr und 20.30 Uhr von seinem Bett auf, ging in Richtung Zimmertüre und zog sich etwas an. Währenddessen hielt ihm seine Frau weiterhin vor, er wolle sie loswerden. Beim Anziehen sah der Angeklagten rechts von sich auf einem Tisch ein Küchenmesser liegen. In diesem Moment fasste er spontan den Entschluss, seine Frau mit dem Messer anzugreifen, um sie zum Schweigen zu bringen. Er nahm das Messer, welches aus massiven Stahl gefertigt, einseitig scharf geschliffen war und eine Klingenlänge von ca. 20 cm und einer Breite von 2,5 cm aufwies, in die rechte Hand und ging auf seine in ca. 2 Meter Entfernung zwischen den Schlafbetten stehende Ehefrau schnell zu. Als er sich unmittelbar vor dieser befand, führte er ohne rechtfertigenden Grund mit dem rechten ausgestreckten Arm wissentlich und willentlich einen gezielten, mit kurzer Amplitude geführten Stich in Richtung des Unterleibs von aus. Dabei drang er mit dem Messer ca. 4 cm tief in das Gewebe der Vorderinnenseite des rechten Oberschenkels nahe der Leiste von ein, unmittelbar über dem Gefäßstrang. Deren Arterie im rechten Oberschenkel wurde durchtrennt und die Vene durchstochen. Hierdurch kam es bei zu einem hohen Blutverlust, infolge dessen sie unmittelbar zu Boden ging und das Bewusstsein verlor. Trotz Reanimationsmaßnahmen des vom Angeklagten herbeigerufenen Rettungsdienstes verstarb infolge des massiven Blutverlustes am 08.03.2020 um 22.05 Uhr im Krankenhaus Lindau, Friedrichshafener Straße 82 in 8..8131 Lindau.
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Der Angeklagte erkannte bei Ausführung des Stichs die Gefahr einer tödlich verlaufenden Verletzung und nahm den Tod von zumindest billigend in Kauf.
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Das Tatmesser legte der Angeklagte nach Absetzen des Notrufs hinter einem auf einem Tisch stehenden Mikrowellengerät ab.
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Eine beim Angeklagten am 08.03.2020 um 22.24 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,9 Promille. Zum Todeszeitpunkt lag bei eine Blutalkoholkonzentration von 0,25 Promille vor.
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Die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen, war nicht beeinträchtigt. Allerdings war seine Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, zum Tatzeitpunkt auf Grund einer akuten Belastungssituation nicht ausschließbar erheblich vermindert. Die kognitive Fähigkeit des Angeklagten, die Folgen seines Handelns abzuschätzen, war jedoch nicht beeinträchtigt.
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Nachdem bewusstlos zusammengebrochen war, setzte der Angeklagte um 20.31 Uhr einen Notruf ab, bei dem er die Adresse des Hotels mitteilte und angab, seine Frau habe ein Messer im Rücken. Er stellte sich vor die Eingangstüre zum Hostel und wartete auf die Rettungskräfte, um ihnen die Türe zu öffnen und das Zimmer zu zeigen, in dem seine Frau lag. Nach dem Eintreffen der ersten Polizeistreife der Polizeiinspektion Lindau, führte der Angeklagte die Polizeibeamten und zum Zimmer und öffnete ihnen die Türe. kauerte dabei sitzend, mit dem Kopf nach vorne gebeugt mit Blickrichtung Fenster zwischen den Betten und war nicht mehr ansprechbar. Nachdem der Angeklagte des Zimmers verwiesen wurde, traf er im Hotelflur auf die Polizeibeamten und der Grenzpolizeiinspektion Lindau, die ihn zur Eigensicherung durchsuchten. Auf Nachfrage nach verbotenen Gegenständen teilte er mit, einen Pfefferspray mit sich zu führen, den er daraufhin ablegte. Dabei äußerte er gegenüber, seine Frau habe ein Messer im Rücken, er habe ihr das Messer in den Rücken geworfen. Diese Äußerung wiederholte er nach Belehrung durch und gab auf Nachfrage an, Grund sei ein Streit gewesen, in dem ihm seine Frau wiederholtes Fremdgehen vorgeworfen habe. Auf Nachfrage teilte er mit, das Messer würde hinter dem Mikrowellengerät liegen, wo es aufgefunden und sichergestellt werden konnte.
I. Persönliche Verhältnisse
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1. Die Feststellungen der Kammer zum persönlichen und beruflichen Werdegang des Angeklagten beruhen auf den insofern zeugenschaftlichen Angaben des Sachverständigen , deren Richtigkeit der Angeklagte ausdrücklich bestätigte.
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2. Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen, insbesondere zur Beziehung zwischen dem Angeklagten und seiner Frau beruhen auf den glaubhaften und glaubwürdigen Angaben des Angeklagten, deren Richtigkeit im Rahmen der Beweisaufnahme festgestellt werden konnte. Die chronische Eifersucht von und deren dominanter Einfluss auf den Angeklagten ergibt sich wiederum aus den Angaben des Sachverständigen, dem neben den eigenen Angaben des Angeklagten die ärztlichen Unterlagen der Kliniken und zur Verfügung standen und über deren Inhalt er in der Hauptverhandlung berichtete. Hiernach bestand beim Angeklagten eine nachhaltige starke psychische Belastung auf Grund der familiären Situation. In der Fachklinik sei ein Paargespräch mit der Ehefrau dokumentiert, in dem der Angeklagte seine starke Belastung durch die massive Eifersucht artikulierte, aber seine Treueerklärung nicht annahm und darauf beharrte, er habe zum weiblichen Klinikpersonal Beziehungen aufgebaut.
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Der Zeuge, zuständiger Mitarbeiter des Landratsamts Deggendorf für die Familie des Angeklagten, schilderte das schwierige familiäre Umfeld, in dem der Angeklagte zwar Hilfebedarf erkannte und im Einzelgespräch auch artikulierte. In Anwesenheit seiner Frau habe sich der grundsätzlich kooperative Angeklagte jedoch dem Willen seiner Frau untergeordnet, die Hilfestellung strikt ablehnte. Herr schilderte auch die Umstände, die zur Inobhutnahme von und führten sowie die Anfang des Jahres 2019 erfolgte Heimunterbringung von . Auch der Zeuge l schilderte, dass den im Jahr 2018 in der Familie platzierten weiblichen Hilfskräften außereheliche Beziehungen zu ihrem Mann unterstellte, was schließlich zum Scheitern der gewährten sozialpädagogischen Familienhilfe führte. Er berichtete auch vom abgebrochenen Umgangskontakt Anfang Januar 2020, in dem Selbiges der Pflegemutter vorwarf und worüber er informiert worden war. Der Zeuge KHK berichtete ebenfalls vom Ergebnis der Ermittlungen über das familiäre Umfeld, insbesondere der von ihm erfolgten Einvernahme der Nebenklägerin, die Mutter der Getöteten, die zum Hauptverhandlungstermin wegen Reiseunfähigkeit nicht erscheinen konnte. Diese beschrieb desolate, verwahrloste familiäre Verhältnisse mit starken psychischen Auffälligkeiten beider Ehegatten, in denen es zu regelmäßigen Eskalationen bis hin zu körperlicher Gewalt zwischen den Ehegatten und des Angeklagten gegenüber gekommen sei. Von den Gewaltausbrüchen sei ihr insbesondere von berichtet worden, worauf sie das Kind aus der Familie holte.
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3. Die Feststellungen zur Alkoholerkrankung des Angeklagten und deren Behandlung in den Kliniken und ergeben sich wiederum aus den Angaben des Sachverständigen .
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4. Die Feststellungen zur strafrechtlichen Vorahndung des Angeklagten beruhen auf dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister sowie dem teilweise verlesenen rechtskräftig gewordenen Strafbefehl des Amtsgerichts Deggendorf vom 12.12.2018.
II. Einlassung des Angeklagten zur Sache
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Der Angeklagte hat sich zur Tat wie folgt über seine Verteidigerin eingelassen:
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Seine Frau sei am Sonntagmorgen noch in seinem Zimmer im Hostel gewesen. Es sei noch alles in Ordnung gewesen und sie hätten sich gut verstanden. Tags zuvor habe er seine Kinder in Deggendorf besucht. Während seine Frau tagsüber zur Arbeit ins Hotel Seereich in Lindau gegangen sei, habe er nichts unternommen. Er habe im Bett gelegen und sich einige Videos im Internet angeschaut. Dabei habe er dann - auch schon vormittags - angefangen Bier zu trinken und auch etwas Wodka. Über den Tag verteilt habe es sich in etwa um 5 - 6 Bier und 2 Schnapsgläser Schnaps gehandelt. Grund für den Alkoholkonsum sei gewesen, dass er am Abend zuvor auf dem Rückweg aus Deggendorf von der Polizei kontrolliert worden war. Die Polizeibeamten hätten eine Tablette in seinem Rucksack gefunden und ihm vorgeworfen, es handele sich um Ecstasy. Tatsächlich habe es sich um ein Krampfschutzmittel und kein Betäubungsmittel gehandelt, das er in der Klinik erhalten habe. Dies habe ihm das Bezirksklinikum auf telefonische Nachfrage bestätigt. Der Vorfall habe ihn aber sehr aufgewühlt. Das Gefühl zu Unrecht beschuldigt zu werden habe ihn sehr nervös gemacht.
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Als seine Frau am Nachmittag von der Arbeit zurückgekommen sei, sei sie wieder zu ihm ins Zimmer gekommen und habe vorgeschlagen, gemeinsam Essen zu gehen. Er habe eingewilligt. Seine Frau sei in dem Moment gut drauf gewesen und es habe keine Anzeichen gegeben, dass es wieder ein Drama gebe. Er habe geglaubt, seine Frau wolle sich mit ihm über ihre neue Arbeitsstelle im Hotel Seereich unterhalten, so dass sie ein normales Gesprächsthema hätten, ohne sich zu streiten. Sie hätten dann wie vereinbart gemeinsam etwa gegen 17.30 Uhr oder 18.30 Uhr ein chinesisches Restaurant in Lindau besucht. Dort hätten sie dann beide etwas gegessen und getrunken, ein Glas Wein und er ein Glas Bier. Nach dem Essen hätten sie beide noch einen starken chinesischen Schnaps erhalten. Während des Essens habe seine Frau zwar wieder mit dem Thema „andere Frauen“ angefangen, sie hätten aber erst nur ganz normal miteinander geredet, ohne sich zu streiten. Indirekt habe seine Frau aber auf angespielt. Er habe dann versucht, das Gespräch so auszulenken, dass es nicht wieder eskalierte. Etwa gegen halb acht seien sie wieder gemeinsam zurück ins Hostel. Er habe sich ziemlich betrunken gefühlt und eigentlich nur noch schlafen wollen. Er habe gewusst, tagsüber zu viel getrunken zu haben und er habe am nächsten Tag auf keinen Fall mit Alkohol an seiner neuen Arbeitsstätte auffallen wollen. Seine Intention sei gewesen, unbedingt Ruhe zu finden, um nicht das Verlangen zu entwickeln, weiteren Alkohol zu sich zu nehmen. sei dann wieder mit ihm auf sein Zimmer, wobei er ein ungutes Gefühl hatte und ihr gesagt habe, sie solle ihn schlafen lassen. Er habe sich dann - aus Blickrichtung der Eingangstüre - in das linke Bett des Zimmers gelegt. habe sich auf das rechte Bett gesetzt und immer weiter auf ihn eingeredet, weil sie an eine Beziehung zwischen ihm und glaubte. Seine Aufforderung, ihn endlich in Ruhe zu lassen, habe seine Frau nicht beachtet. Seine Versuche, sie zu ignorieren, indem er sich mit dem Rücken zu ihr drehte, hätten nichts gebracht. Sie habe ihn wachgerüttelt und in den Rücken bzw. Arm gezwickt, so dass er nach einem kurzen Einnicken wieder wach geworden sei. Es sei dann wieder von vorne losgegangen. Er sei schließlich aufgestanden und habe vor die Türe gehen wollen, um zu rauchen, seine Gedanken zu sortieren und sich zu beruhigen. Schon vor dem Aufstehen habe er ihr gesagt, sie solle ihn in Ruhe lassen oder gehen. Gedanken, die Polizei zu rufen, habe er wieder verworfen, nachdem er diese schon am Abend des 07.03.2020 zu Hilfe gerufen habe und die Beamten geäußert hätten, nichts für ihn tun zu können. Er sei neben dem Tisch mit der Mikrowelle gestanden und habe sich angezogen. habe da noch auf dem rechten Bett gesessen, wieder angefangen und ihm vorgeworfen, er wolle sie nur loswerden. Er sei in diesem Moment psychisch völlig am Ende gewesen und habe sich hilflos gefühlt, weil alle seine Beteuerungen nichts nutzten. Im Hinterkopf sei noch die Sorge um den anstehenden Arbeitstag mitgeschwungen. Im Affekt habe er dann nach einem Messer gegriffen, das auf dem Tisch mit der Mikrowelle gelegen sei und er habe es mit rotierender Bewegung nach seiner Frau geworfen, die mit angewinkelten, leicht gespreizten Beinen, in halbseitlich zu ihm gewandter Position auf dem Bett gesessen sei. Er habe ihr nur Angst machen wollen, damit sie ihn endlich ernst nehme und aus seinem Zimmer gehe. Er habe nicht damit gerechnet, dass das Messer sie mit der Klinge treffen könnte, sondern gedacht, er treffe sie - wenn überhaupt - mit dem Griff. In diesem Moment habe er nicht groß darüber nachgedacht, es sei alles in Sekunden gegangen. Der Wurf sei nur als Abschreckung gedacht gewesen. Als er dann registriert habe, dass das Messer sie getroffen habe, sei er wie in einer Art Tunnelblick und voller Adrenalin zu ihr hingerannt. Seine Frau habe das Messer herausgezogen und Blut sei ausgetreten. Sein erster Gedanke sei gewesen, dass sie jetzt alles voll bluten und es Ärger geben werde. Als er gemerkt habe, wie schlimm die Verletzung ist und seine Frau beim Versuch aufzustehen ohnmächtig zusammengebrochen sei, habe er nach seinem Handy gegriffen und den Notarzt angerufen.
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Am Telefon habe er gesagt, dass seine Frau ein Messer im Rücken habe, weil er dachte, dann würde ganz schnell Hilfe kommen. Danach habe er das Messer vom Boden aufgehoben und unter die Mikrowelle geschoben. Den Grund hierfür könne er nicht mehr nachvollziehen. Anschließend sei er aus dem Zimmer, um vor dem Haus auf den Notdienst zu warten und den Einsatzkräften den Weg zu zeigen. Dort sei er auch nach wenigen Sekunden von der Polizei angetroffen worden. Auf dem Flur vor dem Zimmer habe er einem Polizisten auf Nachfrage gesagt, wo das Messer liege. Sowohl am Abend des 08.03.2020 als auch am nächsten Tag, als ihm das Versterben seiner Frau eröffnet worden sei, habe er jeweils angegeben das Messer nach ihr geworfen zu haben.
III. Feststellungen zum Vortatgeschehen
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Die Feststellungen zum Vortatgeschehen ergeben sich aus der insofern glaubwürdigen Einlassung des Angeklagten und der Zeugin, die über den Aufenthalt der Ehegatten im Insel-Hotel berichtete. Sie schilderte den kurzzeitigen Auszug des Angeklagten Anfang Februar 2020 und wie er Ende des Monats Februar 2020 wieder ein Zimmer im Hotel anmietete, wobei sie vom Angeklagten selbst über die Gründe hierfür unterrichtet wurde. Sie beschrieb auch die von ihr selbst wahrgenommenen Verhaltensauffälligkeiten von im Februar, die sie zum Anlass nahm, das Gesundheitsamt und das Betreuungsgericht zu informieren. Die Zeugin schilderte auch, wie ihr mehrmals von eine Beziehung zum Angeklagten vorgeworfen wurde, was sie stets verneint habe. Nach dem kurzfristigen Aufenthalt von im Bezirkskrankenhaus Kempten, der sich auch aus dem vom Zeugen KHK geschilderten Ermittlungsergebnis ergibt, habe sich ihr gegenüber ungehalten und verbal aggressiv gezeigt. Diese habe sich offenbar angegriffen gefühlt und habe nach dem Eindruck der Zeugin nicht als hilflos dastehen wollen. Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben der Zeugin ergaben sich nicht. Diese waren glaubhaft, die Zeugin glaubwürdig.
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1. Hinsichtlich der Feststellungen zu den Geschehensabläufen bis zur Tatbegehung folgt die Kammer der insoweit nachvollziehbaren Einlassung des Angeklagten. Das von ihm geschilderte Verhalten seiner Frau fügt sich zwanglos in ihr Verhalten während der Ehe ein.
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2. Die vom Angeklagten zugefügte Verletzung ist zur Überzeugung der Kammer indes auf einen gezielten Stich des Angeklagten in deren Unterleib zurückzuführen. Die Behauptung des Angeklagten, er habe lediglich das Messer in Richtung seiner Frau geworfen, um sie zu erschrecken, ist aufgrund des Ergebnisses des rechtsmedizinischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. und des biomechanischen Gutachtens des Sachverständigen widerlegt.
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a) Der Sachverständige Prof. Dr. durchgeführten Leichenöffnung der Schenkelbeuge zwei Querfinger breit stellte bei der von ihm am 09.03.2020 fest, dass in deren rechten unterhalb des Leistenbandes, 70 cm oberhalb der Fersensohle, eine schlitzförmige Hautdurchtrennung vorlag, die diagonal von links unten nach rechts außen oben in einem Winkel von fast 45° verlief. Bei der durchgeführten Sondierung des Stichkanals konnte eine Eindringtiefe von 4 cm im Weichgewebe festgestellt werden, ein Auftreffen des Messers am Knochen war nicht ersichtlich. Diese Verletzung war nach den Erläuterungen des Sachverständigen Prof. Dr. todesursächlich. Sie führte zur Durchtrennung der Vena Sphena magna, der Arteria femoralis superficialis, der Arteria femoralis profunda und der Vena femoralis, was schließlich zum Verbluten führte. Der medizinische Sachverständige erläuterte, dass die Lage und die Achse des Stichkanals sowie dessen Verlauf es als die wahrscheinlichste Variante erscheinen lassen, dass der Stich von einem frontal gegenüberstehenden Rechtshänder mit etwa vergleichbare Körpergröße - wie der Angeklagte - mit der rechten Hand geführt worden ist, wobei die Klinge zwischen Daumen und Zeigefinger aus der Faust heraus gestanden sei. Bei einer kurzen, stoßartigen, bei herabhängendem Arm vor dem Körper diagonal von unten seitlich rechts nach vorne links geführten Stichbewegung würde das Opfer exakt so getroffen, wie es der tatsächlichen Verletzung entspreche. war zum Zeitpunkt der Tat nach dem vom Zeugen KHK dargestellten Ermittlungsergebnis mit einer handelsüblichen Jeanshose bekleidet. Diesen Umstand legte auch der Sachverständige Prof. Dr. seinen gutachterlichen Ausführungen im Hauptverhandlungstermin zugrunde und erläuterte, dass bei einer Herbeiführung der Stichverletzung durch einen Messerwurf ein deutlich tieferer Stichkanal bis hin zum Oberschenkelknochen zu erwarten gewesen wäre. Der Wurf müsste mit einer Wucht ausgeführt worden sein, dass das Messer in der Lage war, sowohl die Jeanshose als auch die Haut zu durchtrennen. Eine Jeanshose biete einem eindringenden Gegenstand etwa der gleiche Widerstand wie die menschliche Haut, die wiederum mit den Eigenschaften etwa einer Schweineschwarte vergleichbar sei. Unberücksichtigt sei dabei, dass die Hose einer sitzenden Person im Bereich der Leistengegend üblicherweise sog. Sitzfalten werfe und damit einen noch größeren Widerstand biete. Ein mit einer solchen Wucht geführter Messerwurf habe dann aber eine solche kinetische Kraft, dass der Stich nicht im Weichteilgewebe des Oberschenkels enden würde. Das Weichteilgewebe unter der Haut biete einem spitzen, einseitig scharf geschliffenen massiven Messer wie dem Tatmesser keinen Widerstand mehr. Das eindringende Messer werde dann erst durch härtere Körperteile gestoppt, was im Bereich des Stiches nur der Knochen sei. Dieser sei bei Frau Berndt völlig unversehrt gewesen. Weiterhin erläuterte der Sachverständige Prof., dass aufgrund der anatomischen Lage des Stichs zwei Finger breit unter dem Leistenband es höchst unwahrscheinlich sei, dass eine sitzende Person, sei sie auch mit dem Oberkörper leicht nach hinten abgestützt, durch ein fliegendes Messer an dieser Stelle getroffen werden könnte. Der Verlauf des Stichkanals sei bei der vom Angeklagten beschriebenen Tatvariante nicht mit der von Angeklagten geschilderten seitlichen Sitzposition seiner Frau in Übereinstimmung zu bringen.
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Die Kammer folgt den nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. . Sie waren von großer Sachkunde getragen. Der Sachverständige ist der Kammer aus einer Vielzahl von Verfahren als überaus erfahrener rechtsmedizinischer Gutachter bekannt. Auch der Angeklagte und seine Verteidigerin konnten keine Aspekte vorbringen, die die Schlüssigkeit der Ausführungen des Sachverständigen Prof. infrage stellen würden.
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Bereits aufgrund der Erläuterungen des Sachverständigen Prof. Dr. Kammer daher zum Schluss, dass die Stichverletzung durch einen kommt die im Stehen herbeigeführten kurzen Stich des Angeklagten in den Unterleib von herbeigeführt wurde, wobei sie sich im Nahbereich frontal gegenüber standen.
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b) Dieses Ergebnis wird im Weiteren durch die Ausführungen des Sachverständigen gestützt, der das biomechanischen Gutachten erstattete und untersuchte, ob die Verletzung der Geschädigten durch den Wurf mit einem Messer entstanden sein könnte. Der Sachverständige bestätigte zunächst die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. zu den Eigenschaften der menschlichen Haut und der Widerstandskraft handelsüblicher Jeanshosen. Der Sachverständige c führte dabei insbesondere Wurfversuche, unter anderem mit dem vom Angeklagten beschriebenen Tatmesser durch, indem er es gegen eine mit einer 3,5 cm dicken Styropor-Schaumstoffschicht versehenen Faserplatte warf, die wiederum eine Stärke von 4 mm aufwies. Dabei habe sich herausgestellt, dass das Messer aus einer Entfernung von ca. 3 m tatsächlich so geworfen werden kann, dass die Spitze der Klinge in die Zieloberfläche eindringt. Je mehr die Entfernung zum Zielobjekt reduziert werde, umso schlechter sei das Versuchsergebnis ausgefallen. Damit aus einer Entfernung ab ca. 3 m ein Eindringen des geworfenen Messers in die Zieloberfläche habe erreicht werden können, habe es aber an der Spitze gehalten werden und konzentriert mit subjektiv nicht unerheblichen, aber deutlich submaximalen Körpereinsatz geworfen werden müssen. Diese Feststellung ist wiederum mit der vom Angeklagten geschilderten Wurfhandlung, die sich - als er sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden habe - in nur wenigen Augenblicken zugetragen haben soll, in nicht in Übereinstimmung zu bringen. Weiter schilderte der Sachverständige, dass für ein Eindringen eines geworfenen Messers in ein Zielobjekt stets ein lotrechtes Auftreffen der Messerspitze auf das Zielobjekt erforderlich sei. Anderenfalls kippe das Messer zur Seite. Es sei jedoch sehr unwahrscheinlich und ein extremer Zufall, wenn eine sitzende Person im Bereich der Leistengegend lotrecht von der Spitze eines geworfenen Messers getroffen werden würde. Im Übrigen bestätigte der Sachverständige auch aus biomechanischer Sicht die Einschätzung, dass der Stichkanal bei der Getöteten anders verlaufen wäre, wenn der Angeklagte das Messer auf seine seitlich vor ihm sitzende Ehefrau geworfen hätte. Darüber hinaus bestätigte er aufgrund der von ihm durchgeführten Untersuchungen das vom Sachverständigen Prof. Dr. wiedergegebene Ergebnis, dass ein geworfenes Messer, das in der Lage sei, eine handelsübliche Jeanshose und Haut zu durchdringen, nicht im reinen Weichteilgewebe geendet wäre. Wenn bei den Wurfversuchen ein tatsächliches Eindringen des Messers in das Zielobjekt habe erreicht werden können, sei - bis auf einen Ausnahmefall - nicht nur der Schaumstoff, sondern auch die darunterliegende Faserplatte durchstoßen worden.
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c) Dass der Angeklagten den Stich im Bereich der Schlafbetten des Zimmers ausführte sowie die Entfernung zwischen dem Tisch, an dem der Angeklagte ursprünglich stand und der Position seiner Frau ergibt sich aus dem in Augenschein genommenen Lichtbildern und den Angaben des Zeugen .
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Die Kammer hat hinsichtlich der Tatörtlichkeit die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gefertigte, mit einem Maßstab versehene Panoramalichtbildaufnahme des Zimmers Nr. 12 des Insel-Hotels in Lindau (Blatt 297 d.A.) in Augenschein genommen, auf die ausdrücklich verwiesen wird. Dieses hatte nach dem angegebenen Maßstab eine Breite von ca. 2,75 m und eine Tiefe von ca. 5,5 m. Am rechten unteren Bildrand ist der Tisch zu sehen, von dem der Angeklagte das Messer nahm und später hinter dem Mikrowellengerät ablegte. Der Abstand zwischen dem Tisch und dem ersichtlichen rechten Bett des Zweibettzimmers, auf dem vor der Tat saß, beträgt in etwa 1,75 bis 2 Meter. Zwischen den Betten beträgt der Abstand weniger als 1 Meter. Blutspuren befinden sich nach dem Lichtbild allein im Bereich zwischen den Betten. Nach den Angaben des Zeugen PHM, der im Rahmen des Notfalleinsatzes als erste Einsatzkraft das Zimmer betrat, kauerte zu diesem Zeitpunkt bewusstlos zwischen den Betten. Im Übrigen hat der Angeklagte auch selbst nicht behauptet, seine Frau hätte sich auf ihn zubewegt.
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4. Die Feststellungen zur Alkoholisierung des Angeklagten und seiner Ehefrau ergeben sich aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität München, der auch das Blutalkoholgutachten und die chemisch-toxikologischen Gutachten erläuterte. Hiernach hat die bei der getöteten anlässlich ihrer Obduktion entnommenen Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 0,25 Promille im Mittelwert ergeben. Die toxikologische Untersuchung des zusätzlich bei der Obduktion entnommenen Mageninhalts und des Venenbluts habe lediglich die Aufnahme von Nicotin, Cotinin und Coffein ergeben. Die Aufnahme oder Beibringung von Substanzen, die geeignet waren, Einfluss auf ihre Bewusstseinslage oder Handlungsfähigkeit zu nehmen, konnten nicht nachgewiesen werden. Soweit der Wirkstoff Lidocain im Blut nachgewiesen wurde, ist dies durch eine Verabreichung im Rahmen der notärztlichen bzw. intensivmedizinischen Versorgung zurückzuführen.
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Die beim Angeklagten am 08.03.2020 um 22.24 Uhr entnommene Blutprobe habe einen Mittelwert von 1,90 Promille ergeben. Zurückgerechnet auf den Tatzeitpunkt gegen 20.30 Uhr errechne sich eine maximal mögliche Blutalkoholkonzentration von 2,58 Promille. Die chemisch-toxikologische Untersuchung der beim Angeklagten entnommenen Haarprobe habe keine Anhaltspunkte für die Aufnahme von Betäubungsmitteln innerhalb eines Zeitraums von etwa 4 Monaten vor der Tat ergeben. Auch die chemisch-toxikologische Untersuchung der beim Angeklagten entnommenen Blutprobe ergab keine Anhaltspunkte für die Aufnahme von Arzneimitteln oder anderweitiger Suchtstoffe, die geeignet waren, die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zu beeinflussen.
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5. Der Angeklagte handelte zur Überzeugung der Kammer wenigstens mit bedingtem Tötungsvorsatz. Die Kammer hat hierbei sämtliche objektiven und subjektiven für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände abgewogen und bewertet.
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a) Das kognitive Element des bedingten Vorsatzes ist erfüllt. Hierfür spricht schon die objektive Lebensgefährlichkeit des Tuns des Angeklagten. Er hat seiner Frau mit einem scharfen, spitzen und massivem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von ca. 20 cm, das im Rahmen der Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurde, gezielt in Richtung Unterleib gestoßen. Es ist allgemein bekannt, dass sich dort stark durchblutete empfindliche Organe und wichtige Blutbahnen befinden, bei denen schon geringe Verletzungen nicht mehr beherrschbare, lebensbedrohliche Folgen haben können. Vor diesem Hintergrund spricht auch die relativ geringe Eindringtiefe des Messers von 4 cm nicht gegen das Wissenselement des Vorsatzes. Dafür, dass dem Angeklagten angesichts seiner schulischen Bildung und seines beruflichen Hintergrunds im Allgemeinen die potentielle Gefährlichkeit seines Tuns nicht bewusst war, spricht nichts.
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Die Kammer sieht aber auch keine ausreichenden Anhaltspunkte, dass der Angeklagte trotz der festgestellten Alkoholisierung und trotz eines - nach dem Sachverständigen Ormanns nicht ausschließbaren - affektiven Erregungszustandes in der konkreten Tatsituation nicht mehr in der Lage war, das Risiko einer möglichen Tötung seiner Frau zu erkennen. Nach den Feststellungen der Kammer zum Geschehensablauf handelte es sich gerade nicht, wie der Angeklagte es schilderte, um einen völlig unüberlegten „Reflex“ beim Erblicken des Messers. Der Angeklagte musste vielmehr nach dem Tatentschluss und dem Ergreifen des Messers noch die Distanz zu seiner Frau überwinden. Dass der Angeklagte dabei durchaus noch in der Lage war, die Situation realistisch zu reflektieren, belegt seine eigene Einlassung, wonach er eigentlich aus dem Hotelzimmer gehen wollte, um eine Zigarette zu rauchen und etwas zur Ruhe zu kommen. Er machte sich seinen Angaben zu Folge auch Sorgen um den nächsten Tag, von dem er befürchtete, an seinem neuen Arbeitsplatz negativ aufzufallen und überlegte sogar, die Polizei zu rufen. Nach der Tatbegehung war der Angeklagte in der Lage, einen Notruf unter Angabe der exakten Adresse abzusetzen. Er führte die Einsatzkräfte zum Zimmer und reagierte insgesamt unauffällig. Er wusste auch noch um den Tierabwehrspray in seiner Jacke. Sowohl PHM, als auch die Zeugen PHM und PHK beschrieben den Angeklagten in dieser Situation lediglich als etwas aufgewühlt, aber ansonsten unauffällig. PHM schilderte, dass er beim Angeklagten keine Ausfallerscheinungen bemerkte, als der ihn zum Zimmer führte. Nach den Angaben von PHK konnte er beim Angeklagten nur leichten Alkoholgeruch feststellen. Der Angeklagte habe alles verstanden und mit ihm sei eine ganz normale Unterhaltung möglich gewesen. Auch der Sachverständige s verneinte vor diesem Hintergrund kognitive Beeinträchtigungen des Angeklagten zum Tatzeitpunkt.
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b) Die Kammer bejaht auch das voluntative Element des bedingten Vorsatzes. Der Angeklagte nahm den Tod seiner Frau billigend in Kauf.
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Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Angeklagte sich mit den Folgen seines Handelns abfand bzw. diese ihm gleichgültig waren, mag ihm der Tod seiner Frau an sich auch unerwünscht gewesen sein. Bei Würdigung aller Einzelfallumstände ist die Kammer hiervon überzeugt. Ausreichende Indizien, auf Grund derer sich die Kammer die Überzeugung hätte bilden können, der Angeklagte habe auf einen glimpflichen Ausgang vertraut, konnten nicht festgestellt werden. Hierfür könnte zwar zunächst der vom Angeklagten nach der Tat abgesetzte Notruf sprechen. Dieser ist zur Überzeugung der Kammer aber vielmehr auf eintretende Reue des Angeklagten zurückzuführen, als auf Grund der schweren Verletzungsfolgen in sich zusammensackte. Einen Rückschluss auf die subjektive Vorstellung bei Ausführung des Stiches erlaubt dieser nicht zumal der Angeklagte relativ ruhig und überlegt auftrat. Auch der Umstand, dass der Angeklagte vorliegend nur einen Stich ausgeführt hat, lässt einen bedingten Tötungsvorsatz nicht entfallen. Dieser ist vielmehr mit erheblicher Wucht und mit einem großen, schweren Stahlmesser geführt worden und durchdrang sowohl die relativ widerstandsfähige Jeanshose wie auch die Haut.
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Dafür, dass der Angeklagte seine Frau nicht nur verletzen wollte, sondern er sich mit ihrem möglichen Tod abfand, spricht zunächst die vom Angeklagten zur Überzeugung der Kammer erkannte Gefährlichkeit seines Handelns. Sein zielgerichtetes Vorgehen gegen seine Ehefrau in einem beengten Raum, in dem dieser nach den festgestellten räumlichen Verhältnissen keine Ausweichmöglichkeit und keine realistische Selbstverteidigungsmöglichkeit mehr verblieb, stellt ein weiteres gewichtiges Indiz für einen bedingten Tötungsvorsatz dar. Nachdem der Angeklagte unmittelbar vor der Tatbegehung in Begriff war, das Zimmer zu verlassen, ist die Kammer der Überzeugung, dass zu diesem Zeitpunkt auch nicht mit einem solchen Angriff ihres Mannes rechnete.
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Motivlage des Angeklagten für die Begehung der Tat war zur Überzeugung der Kammer, aus Wut und Frustration die nicht mit ihren Eifersuchtsvorwürfen aufhörende Frau endlich zum Schweigen zu bringen und nicht nur - wie er es behauptet - diese zu erschrecken, damit sie geht. Dies hätte der Angeklagte einfacher dadurch erreichen können, indem er seine Frau schlicht des Zimmers verwies. Sie hatte ein eigenes (Mehrbett-) Zimmer im gleichen Hotel zur Verfügung. Wenn der Angeklagte aber zum Erreichen seines Ziels zum äußersten Mittel eines Angriffs mit einem Messer gegen seine Frau griff, dem sie nicht mehr entkommen kann, akzeptierte er auch den Eintritt des äußersten Taterfolgs, ihren Tod.
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Die Alkoholisierung des Angeklagten kann auf Grund seines bereits dargestellten völlig unauffälligen Verhaltens bei seiner vorläufigen Festnahme am 08.03.2020 keine Zweifel am voluntativen Element des bedingten Vorsatzes begründen. Ein affektiver Erregungszustand des Angeklagten kann dies aus Sicht der Kammer ebenfalls nicht in Frage stellen, weil er - wie ausgeführt - unmittelbar vor der Tatbegehung noch zur einer abwägenden Betrachtung der Situation imstande war. Von besonderer Bedeutung ist dabei auch in diesem Zusammenhang, dass die Einlassung des Angeklagten, er habe, nachdem er das Messer erblickte, es ohne Nachzudenken binnen Sekundenbruchteilen nach seiner Frau geworfen, widerlegt ist. Es handelte sich um einen gezielt geführten Angriff gegen seine in etwa 2 Meter Entfernung stehende Ehefrau. Ein affektiver Erregungszustand mag daher - wie noch darzustellen sein wird - nicht ausschließbar die Hemmschwelle des Angeklagten zur Tatbegehung herabgesetzt haben, lässt aber eine willentlich begangene Handlung, deren mögliche Folgen der Angeklagte erkannte und sich mit ihnen abfand, nicht entfallen.
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6. Die Feststellungen der Kammer zur nicht ausschließbaren eingeschränkten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt ergibt sich aus den Erläuterungen des Sachverständigen .
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a) Anhaltspunkte dafür, dass die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht seiner Tat einzusehen aufgehoben war, bestehen nicht.
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b) Die Fähigkeit des Angeklagten nach dieser Einsicht zu handeln, war nach den Ausführungen des Sachverständigen auf Grund seiner Alkoholisierung nicht erheblich vermindert.
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Die Alkoholisierung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt mit einer maximalen Blutalkoholkonzentration von 2,58 Promille sei erheblich gewesen. Der Angeklagte leide auch unter einer psychischen und Verhaltensstörung durch Alkohol mit Abhängigkeitssyndrom nach ICD-10 F 10.21.
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Die Abhängigkeitserkrankung des Angeklagten erfülle indes die Voraussetzungen eines Eingangsmerkmals i.S.d. § 20 StGB nicht, nachdem Wesensveränderungen oder hirnorganische Beeinträchtigungen der Gedächtnisfunktion bei ihm nicht feststellbar seien. Die akute Alkoholintoxikation zum Tatzeitpunkt erfülle ebenfalls nicht das Eingangsmerkmal der krankhaft seelischen Störung i.S.d. § 20 StGB. Die Alkoholisierung des Angeklagten sei zwar erheblich gewesen. Nach dem Tatgeschehen am 08.03.2020 habe der Angeklagte aber keinerlei psychopathologische Auffälligkeiten oder Leistungseinbußen an den Tag gelegt. Dies decke sich mit den Erkenntnissen anlässlich der Aufnahme des Angeklagten im Bezirksklinikum Ende Februar 2019. Dort sei der Angeklagte mit einer Atemalkoholkonzentration von 1,85 Promille aufgenommen worden, wobei er wach und zu allen Qualitäten voll orientiert gewesen sei, im Kontakt freundlich und kooperativ und nicht intoxikiert wirkte.
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Die Kammer folgt der nachvollziehbaren in sich widerspruchsfreien Erläuterungen des Sachverständigen bei eigener kritischer Würdigung der vorliegenden Umstände. Auch wenn die Alkoholisierung des Angeklagten mit einer maximal anzunehmenden Blutalkoholkonzentration von 2,58 Promille erheblich war, rechtfertigt sich hieraus noch nicht der Schluss auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB. Es gibt keinen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz darüber, dass allein wegen einer bestimmten BAK zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit auszugehen ist. Maßgeblich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung unter Einschluss psychodiagnostischer Beurteilungskriterien, besonders bei alkoholgewöhnten Tätern wie dem Angeklagten. Vorliegend konnte auch die Kammer im Rahmen ihrer Beweisaufnahme keine psychopathologischen Einschränkungen des Angeklagten feststellen. Insofern wird auf die unter Ziffer 5 a) ausführlich dargelegte unauffällige Verhaltensweise des Angeklagten gegenüber den Polizeibeamten Briesner, Schuler und Walther verwiesen. Der Angeklagte hat ausweislich seiner Einlassung keine auffälligen Erinnerungslücken. Er konnte vielmehr die Geschehnisse detailliert darlegen.
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c) Im Rahmen der Hauptverhandlung kam der Sachverständige indes zum Ergebnis, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt nicht ausschließbar an einer akuten Belastungsreaktion nach ICD 10 F- 43.0 litt. Hierfür sprächen insbesondere der vorliegende chronische Beziehungskonflikt des Angeklagten mit seiner Frau, die erfolgte Fremdplatzierung der Kinder, der am Tag zuvor erfolgte Polizeieinsatz, die am Abend des 08.03.2020 aufkommende Angst des Angeklagten um seinen Arbeitsplatz und der Alkoholgenuss des Angeklagten als konstellativer Faktor. Die akute Belastungsreaktion stelle - nicht ausschließbar - eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung des Angeklagten i.S.d § 20 StGB dar, auf Grund derer seine Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war. Diese tiefgreifende Bewusstseinsstörung könne, so der Sachverständige, zu einem Impulskontrollverlust geführt haben, in Folge dessen der Angeklagte der Tatbegehung keinen ausreichenden Widerstände mehr bieten konnte.
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Auch dieser nachvollziehbaren Einschätzung des Sachverständigen folgt die Kammer. Aus Sicht der Kammer spricht für einen forensisch relevanten Affekt des Angeklagten besonders seine nachvollziehbare zunehmende Sorge um den anstehenden Arbeitstag und seinen Arbeitsplatz, sollte er der zu befürchtenden stundenlangen Diskussionen mit seiner Frau keine Ende setzten können.
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Die Feststellungen zum Nachtatgeschehen beruhen auf den glaubhaften Angaben der glaubwürdigen Polizeibeamten, und .
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D. Rechtliche Würdigung
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Der Angeklagte hat sich daher wegen Totschlags gem. § 212 StGB schuldig gemacht.
73
Der Straftatbestand des Totschlags sieht eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu 15 Jahren vor. In einem minder schweren Fall (§ 213 StGB) beläuft sich der Strafrahmen auf ein bis zu 10 Jahren.
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II. Minder schwerer Fall
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Vorliegend sind bei umfassender Würdigung des Angeklagten und seiner Tat die Voraussetzungen für das Vorliegen eines sonstigen minder schweren Falles i.S.d. § 213 Alt. 2 StGB gegeben.
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1) Ein Totschlag im Sinne von § 213 1.Alt. StGB liegt nicht vor. Das vom Angeklagten geschilderte Verhalten seiner Ehefrau nach dem gemeinsamen Abendessen auf dem Zimmer Nr. 12 des Hotels stellt keine schwere Beleidigung als geeignete Provokationshandlung i.S.d. § 213 Alt.1 StGB dar. Die bereits bekannten Vorwürfe von Kathrin Berndt stellten für den Angeklagten kein außergewöhnliches Ereignis dar. Deren chronische Eifersucht und die daraus resultierenden Streitigkeiten bis hin zu körperlichen Auseinandersetzungen hat die bisherige Ehe geprägt und mit zu den desaströsen Familienverhältnissen beigetragen. Die Vorhaltungen seiner Frau waren in der konkreten Tatsituation nichts Neues für den Angeklagten, die er als schwere Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit empfinden konnte. Eine schwerwiegende Kränkung liegt bei objektiver Betrachtung darin nicht.
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2. Es liegt jedoch ein sonstiger minder schwerer Fall i.S.d. § 213 Alt. 2 StGB vor. Das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und die Täterpersönlichkeit weichen vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maße ab, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist.
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a) Die Kammer hat dabei zunächst die Vorgeschichte der Tat und die Beziehung des Angeklagten zu seiner Frau herangezogen. Dabei war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er durch die chronische Eifersucht seiner Frau und deren jahrelanger Tyrannei starken psychischen Belastungen ausgesetzt war, die auch kein Ende nahmen, als das Familiengefüge durch die Inobhutnahme der Kinder endgültig zerplatzte, u.a. weil beharrlich keine Hilfe annehmen wollte. Zuletzt war er derjenige Elternteil, der noch Kontakt zu den Kindern hielt. Auch seine sich neu anbahnende berufliche Existenz schien aus seiner Sicht wegen der ständigen Auseinandersetzungen gefährdet.
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Zu Gunsten des Angeklagten war ferner zu berücksichtigen, dass er
- ein Teilgeständnis ablegte und zumindest einen Angriff mit dem Messer auf seine Frau einräumte,
- in einer aufgeheizten Situation die Tat spontan beging,
- bislang strafrechtlich nur unwesentlich und nicht einschlägig in Erscheinung getreten ist und die strafrechtliche Vorverurteilung in Zusammenhang mit der ihm nicht vorwerfbaren Alkoholsucht stand,
- noch versuchte, das Leben seiner Frau zu retten, indem er einen Notruf absetzte und
- auch im Rahmen der Hauptverhandlung nach dem persönlichen Eindruck der Kammer seine Tat glaubwürdig bereut.
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All die vorgenannten Erwägungen reichen in ihrer Gesamtheit jedoch noch nicht aus, einen minder schweren Fall zu begründen. Es muss andererseits auch gesehen werden, dass der Angeklagte sich Ende des Jahres 2019/Anfang des Jahres 2020 bewusst wieder in eine Situation begab, in der er mit massiven psychischen Belastungen in Folge des Verhaltens seiner Ehefrau rechnen musste. Er wusste auch, dass seine Streitigkeiten mit bis hin zu körperlichen Auseinandersetzungen führen können.
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b) Die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigt sich aber schließlich daraus, dass neben den o.g. Erwägungen zusätzlich die zu Gunsten des Angeklagten anzunehmende erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit i.S.d § 21 StGB als vertypter Strafmilderungsgrund herangezogen wird.
III. Strafzumessung i.e.S.
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Unter nochmaliger umfassender Würdigung aller o.g. Strafzumessungserwägungen hält die Kammer eine Freiheitsstrafe von
8 Jahren für Tat und Schuld angemessen. Dabei hat die Kammer insbesondere nochmals die akute Belastungssituation des Angeklagten, die nicht ausschließbar zu einer eingeschränkten Steuerungsfähigkeit führte, berücksichtigt.
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F. Maßregeln der Besserung und Sicherung
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Die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 64 StGB liegen nicht vor.
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Der Angeklagte hat zweifelsohne einen Hang, im Übermaß alkoholische Getränke zu sich zu nehmen. Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Tat auch alkoholisiert. Gleichwohl lässt sich ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang und der Tat des Angeklagten nicht sicher zur Überzeugung der Kammer feststellen. Ein solcher Zusammenhang liegt vor, wenn die Tat ihre Wurzeln in dem Hang findet, also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln hat. In der Tat muss die hangbedingte Gefährlichkeit des Täters zum Ausdruck kommen. Dies ist vorliegend nicht gegeben. Es handelt sich um eine Beziehungstat, in der der Angeklagte auf Grund des penetranten Verhaltens seiner Ehefrau in einen Erregungszustand geriet, was zum Tatentschluss führte und deren Ausführung charakterisierte. Die Tat ist nicht Ausdruck der von einem Trinker ausgehenden Gefährlichkeit.
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Der Kammer ist bewusst, dass es grundsätzlich ausreicht, wenn neben anderen Umständen der Hang des Täters mit dazu beigetragen hat, die Tat zu begehen und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist. Bereits die Mitursächlichkeit der Alkoholisierung zur Tatbegehung liegt nicht vor. Nach den Erläuterungen des Sachverständigen im Hauptverhandlungstermin stellte die Alkoholisierung des Angeklagten ein bloßes Begleitsymptom dar, das aus psychiatrischer Sicht nicht zur Tatbegehung beigetragen hat. Diese Erläuterungen waren für die Kammer in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Nach den bereits dargestellten überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auf Grund seiner Alkoholisierung nicht beeinträchtigt. Zwar müssen für die Annahme der Voraussetzungen des § 64 StGB die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht vorliegen. Vorliegend lässt sich - wie dargelegt - aber nicht feststellen, dass die geistig-psychische Leistungsfähigkeit des hochgradig alkoholgewöhnten Angeklagten bei Begehung der Tat nennenswert beeinträchtigt war.
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Angesichts des Umstandes, dass dem Tötungsdelikt eine ganz spezielle Familien- und Personenkonstellation zu Grunde lag, kann aus der abgeurteilten Tat zur Überzeugung der Kammer jedenfalls keine Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden, der Angeklagte werde auch in Zukunft weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465, 472 Abs. 1 StPO.