Titel:
Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Tarifvertrag, Arbeitsvertrag, Manteltarifvertrag, Anspruch, Elternzeit, Urlaubsanspruch, Ausschlussfrist, Leasingvertrag, Fahrzeug, Vertragsschluss, Provision, Sonderausstattung, unangemessene Benachteiligung, nicht ausreichend, kein Anspruch
Schlagworte:
Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Tarifvertrag, Arbeitsvertrag, Manteltarifvertrag, Anspruch, Elternzeit, Urlaubsanspruch, Ausschlussfrist, Leasingvertrag, Fahrzeug, Vertragsschluss, Provision, Sonderausstattung, unangemessene Benachteiligung, nicht ausreichend, kein Anspruch
Rechtsmittelinstanz:
LArbG München, Urteil vom 03.12.2020 – 3 Sa 563/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 46475
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.780,00 € netto zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 26.06.2019.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Widerklage wird abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 37%, die Beklagte zu 63% zu tragen.
5. Der Streitwert wird festgesetzt auf 11.436,62 €.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Frage, ob dem Kläger ein Anspruch zusteht wegen vom Arbeitgeber einbehaltener Nettobeträge im Rahmen von Mehrkosten für Leasingraten wegen Sonderausstattung eines Dienstwagens, ob dem Kläger zudem ein Anspruch zusteht wegen Provisionen / wegen einer Prämie und ob der Beklagten ein Schadenersatzanspruch zusteht wegen Schäden am zurückgegeben Dienstwagen.
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Der Kläger war bei der Beklagten angestellt als Gebietsverkaufsleiter. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des Klägers zum 31.12.2018. Der Anstellungsvertrag (Bl. 6 ff d.A.) beinhaltete die folgende Ausschlussfrist (Bl. 9 d.A.):
„§ 10 Ausschlußklausel Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Vertrag und solche, die mit diesem Vertrag in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit der Ansprüche gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.
Nach Ablauf dieser Fristen ist eine Geltendmachung von Ansprüchen ausgeschlossen.
Diese Ausschlußfristen gelten nicht für Ansprüche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung und für Erstattungsansprüche des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber vom Finanzamt wegen nicht oder nicht ausreichend einbehaltener Lohnsteuer und Kirchensteuer nachträglich in Anspruch genommen wird.“
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Die Parteien schlossen zudem eine Vereinbarung hinsichtlich Provisionen (nachfolgend Provisionsregelung 2018), welche sich laut Überschrift auf Bayern (und davon auf die Postleitzahlen 80000-87999 und 90000-94999) und auf den Zeitraum 01.01.2018 bis 31.12.2018 bezog (vgl. Bl. 10 d.A.). Dem Kläger wurde ein Dienstauto für dienstliche und private Zwecke zur Nutzung gestellt mit Wirkung zum 07.03.2016. Aufgrund der vom Kläger gewünschten Sonderausstattung entstanden 3.780,00 € netto Mehrkosten in Bezug auf die Leasingraten. Dieser Betrag wurde in 12 gleichen Raten zu je 315,00 € vom jeweiligen Monatsgehalt des Klägers abgezogen, beginnend mit der Märzabrechnung 2016. Die Parteien schlossen hierzu einen DienstwagenÜberlassungsvertrag (Bl. 11 ff d.A.), welcher ausschnittsweise wie folgt lautete (Bl. 12 und Bl. 15 f d.A.)
„§ 3 KOSTEN / WARTUNG UND PFLEGE DES FAHRZEUGES
3.1 Die monatlichen Leasing-Kosten des PKWs (Fahrzeugausstattung inkl. Der Sicherheitsausrüstung) übernimmt der Arbeitgeber bis zur Höhe eines kalkulatorischen Gesamtbetrages von EUR 743,80 (zzgl. MwSt.)
3.2. Die darüber hinausgehenden angefallenen Kosten für die vom Arbeitnehmer genwünschte Sonderausstattung - maximal in Höhe von 3.000 EUR - werden ihm in einem Betrag bei der Übergabe des Autos von N.N.in Rechnung gestellt. Im Ausnahmefall kann der Betrag in den ersten 12 Monaten von den monatlichen Bezügen des Arbeitnehmers einbehalten werden.
Im Einzelnen belaufen sich die Mehrkosten auf 3.780,00 netto, die auf 12 Monatsraten beginnend mit der März-Abrechnung - aufgeteilt und vom Netto-Gehalt abgezogen werden (EUR 315,00,- monatlich.
§ 7 RÜCKGABE DES DIENSTWAGENS
7.1 Die Gebrauchsüberlassung des Dienstwagens ist an das bestehende Arbeitsverhältnis gebunden und endet automatisch spätestens mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.
7.2 Der Arbeitgeber behält sich vor, nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses, gleich durch welche Partei, insbesondere im Falle einer Freistellung des Mitarbeiters, den Dienstwagen vorzeitig heraus zu verlangen.
7.3 Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Überlassung des Dienstwagens an die Aufgabe des Arbeitnehmers als Außendienstler gebunden ist. Ändert sich das Aufgabengebiet des Arbeitnehmers, so ist der Arbeitgeber berechtigt, dem Arbeitnehmer das Nutzungsrecht an dem Dienstwagen entschädigungslos zu entziehen.
7.4 Der Arbeitnehmer ist auf Verlangen des Arbeitgebers in folgenden Fällen verpflichtet, den Dienstwagen zurückzugeben:
a) bei Unterbrechung der Tätigkeit des Arbeitnehmers insbesondere durch Elternzeit (ohne Teilzeitbeschäftigung beim Arbeitgeber) und während der Mutterschutzfristen
b) bei Wehrdiensteinsätzen
c) bei unbezahltem Sonderurlaub oder
d) bei Krankheitszeiten nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums
7.5 Der Rückgabe-Termin des Dienstwagens am Ende der Leasingzeit wird dem Arbeitnehmer rechtzeitig mitgeteilt. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, zu diesem Termin alle noch ausstehenden Reparaturen / Inspektionen etc. rechtzeitig vorher ausgeführt zu haben. Das Fahrzeug muss am Übergabetermin ein einem gereinigten und gepflegten Zustand sowie ohne jegliche Schäden sein (s. auch § 3.5 und 3.6).
Zudem hat A.A. Leasing zu diesem Termin eine Liste mit nicht akzeptierten Rückgabezuständen erstellt, in die jederzeit eingesehen werden kann.“
4
Der Leasingvertrag der Beklagten hingegen hatte eine Laufzeit von 3 Jahren.
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Der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag Groß- und Außenhandel Bayern lautet ausschnittsweise wie folgt (aktuell geltende Fassung):
1. räumlich: für das Land Bayern
2. betrieblich: für die Betriebe und Betriebsabteilungen des Groß- und Außenhandels sowie deren Hilfs- und Nebenbetriebe, soweit sie dem Betriebszweck des Hauptbetriebes dienen. Ausgenommen sind Nebenbetriebe, für die eine besondere tarifliche Regelung gilt.
3. persönlich: für alle Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen und für Auszubildende. Ausgenommen sind alle Personen, die nach § 5 Abs. 2 und 3 Betriebsverfassungsgesetz nicht als Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen im Sinne dieses Gesetzes gelten.“
6
Der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag Groß- und Außenhandel Hessen lautet ausschnittsweise wie folgt (aktuell geltende Fassung):
„§ 19 Fälligkeit und Erlöschen von Ansprüchen
1. Gehalt und Lohn sind am Schluß des vereinbarten Entgeltzeitraums, Provisionen und Vergütungen für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit spätestens am Schluß des folgenden Monats fällig, soweit Mehrarbeit nicht nach § 5 Ziff. 4 durch Freizeit abgegolten ist.
2. Der Anspruch nach Ziff. 1 sowie alle übrigen Ansprüche aus dem Tarifvertrag sind binnen drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Urlaubsanspruch ist bis zum 31. Dezember des laufenden Kalenderjahres geltend zu machen. Weitere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind spätestens drei Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich anzuzeigen.
3. Die Ansprüche nach Ziff. 1 und 2 erlöschen, wenn sie nicht innerhalb der darin festgesetzten Fristen schriftlich dem anderen Vertragspartner gegenüber erhoben wurden. Dies setzt jedoch die Erfüllung des § 22 voraus.
Ein Abdruck dieses Manteltarifvertrages muß an geeigneter Stelle im Betrieb, die jedem zugänglich ist, zur Einsicht ausliegen.“
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Der Kläger behauptet, dass er einen Anspruch habe in Bezug auf die einbehaltenen 3.780,00 € netto, da der DienstwagenÜberlassungsvertrag AGBs enthalte, welche eine unangemessene Benachteiligung darstellen würden. Aufgrund des § 7.2. habe der Arbeitgeber nach Kündigung - egal ob durch Arbeitnehmer oder Arbeitgeber - jederzeit das Recht, den Dienstwagen herauszuverlangen. Damit sei es in der Hand der Beklagten gewesen, ob der Kläger überhaupt den Nutzen aus der Sonderausstattung ziehen kann. Es liege eine Fallkonstellation vor, welche nach der BAG-Rechtsprechung (Urt. v. 09.09.2003, 9 AZR 574/02) die Grenzen einer zulässigen Vertragsgestaltung überschreite. Ein Ausverhandeln der Bedingungen liege nicht vor.
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Zudem bestünden Provisionsansprüche und ein Anspruch auf eine Prämie. Er habe im März 2018 ein Gerät namens S.S. an die Firma H.H. GmbH in Wien verkauft. Es errechne sich eine Provision von 409,50 € brutto. Auch andere, nach Österreich verkaufte Geräte seien verprovsioniert worden. Er sei neben Bayern auch Gebietsverkaufsleiter für Österreich gewesen. Wenn die Beklagte auf das Einsatzgebiet (also das Gebiet, wohin das Gerät geliefert wird) - wie bei dem anderen streitgegenständlichen Gerät I.I. - abstelle, müsse sie dies auch bei dem Gerät S.S. tun; ansonsten sei dies widersprüchlich. Provisionsrechtlich spiele es keine Rolle, wie weit die Vertriebsrechte der Beklagten tatsächlich gehen, sodass der Einwand der Beklagten, sie habe für S.S. keine Vertriebsrechte in Österreich, ins Leere gehe. In jedem Fall sei der Umsatz dem Kläger provisionsrechtlich zuzurechnen. Des Weiteren errechne sich ein provisionspflichtiger Umsatz i.H.v. 408,10 € hinsichtlich des von ihm vermittelten Verkauf des Geräts I.I. an das R.R. Bayern / Kreisverband Würzburg aus dem Jahr 2018. Er alleine habe den Kunden im Zeitpunkt des Verkaufs betreut. Eine Verprovisionierung eines anderen Mitarbeiters werde bestritten. Des Weiteren habe er Provisionsansprüche (in Summe von 585,24 € brutto) wegen unberechtigten Abzugspositionen. Die Abzugspositionen seien folgende: 490,48 €, 145,63 €, 60,61 € und 40,21 € (vgl. Bl. 75 d.A). Unter Berücksichtigung dieser vorstehenden Provisionen (selbst bei Berücksichtigung nur einer Provision davon) sei das Jahresziel erreicht, so dass nach der Provisionsregelung 2018 dann die Prämie von 2.500,00 € brutto zusätzlich geschuldet sei.
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Ausschlussfristen stünden den Zahlungsansprüchen nicht entgegen. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist (§ 10) sei AGBrechtlich unwirksam. Ein Manteltarifvertrag (weder der für Bayern noch der für Hessen) sei nicht anwendbar.
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Die Widerklage sei unbegründet, da die Beklagte die von ihr selbst gestellte Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag (vgl. dort § 10) nicht gewahrt habe. Auf die Unwirksamkeit derselben könne der Arbeitgeber sich nach der BAG-Rechtsprechung nicht berufen.
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Die Klagepartei beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
a) 3.780,00 € netto sowie
b) 4.202,84 € brutto jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Abweisung der Klage und sie beantragt im Wege der Widerklage:
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Der Kläger wird verurteilt an die Beklagte ein Betrag von 3.453,78 €, nebst 5% Zinsen seit Zustellung der Widerklage zu bezahlen.
die Abweisung der Widerklage.
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Die Beklagte behauptet, dass in Bezug auf die Mehrkosten wegen der Sonderausstattung eine Individualvereinbarung vorliege, sodass die AGB-Kontrolle ausgeschlossen sei. Der Kläger habe die Sonderausstattung gewünscht. Eine solche Individualabrede sei nach der BAG-Rechtsprechung (Urt. v. 09.09.2003, 9 AZR 574/02) zulässig. Auf die Frage der Beklagten per Email v. 10.11.2015 und auf die nochmalige Nachfrage per Email v. 11.11.2015, ob der Kläger der Kostenübernahme der 3.780,00 € zustimme, habe der Kläger diese bestätigt, sodass eine AGB-Kontrolle ausscheide (vgl. Anlage D3 = Bl. 109 d.A.). Zudem sei zu sehen, dass auch keine unangemessene Benachteiligung vorliege, da der Kläger das Dienstauto während 34 von den 36 Monaten Leasinglaufzeit durchaus nutzen konnte.
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Der Kläger habe keinen Anspruch auf Provisionen. In Bezug auf das Gerät S.S. sei festzustellen, dass der Kläger zwar auch auf dem Vertriebsgebiet Österreich tätig gewesen sei. Der Kläger übersehe aber, dass er nur insoweit für Österreich tätig war, wie die Beklagte auch Vertriebsrechte für dieses Land innehatte. Für die Firma S.S. habe die Beklagte nur Vertriebsrechte für Deutschland (nicht für Österreich) gehabt. In Bezug auf das Gerät I.I. sei festzustellen, dass die Provision an den Außendienstmitarbeiter fließe, in dessen Vertriebsgebiet das Gerät geliefert werde (hier: Würzburg). Verprovisioniert worden sei deshalb der für Würzburg zuständige Außendienstmitarbeiter (= Herr P.P.). Es bestehe auch kein Anspruch unter Berücksichtigung der Ziff. 8 der Provisionsregelung, da der Kläger Herrn P.P. nicht unterstützt habe. In Bezug auf die weiteren Provisionen sei schon nicht nachvollziehbar, welche Positionen der Kläger einklage. Denn die geltend gemachten Einzelpositionen ergäben in der Summe 736,93 € und nicht 585,24 €. Mangels Erreichung des Jahresziels sei die Prämie (=. 2.500,00 €) nicht geschuldet; zudem sei schon nicht nachvollziehbar, warum nur durch eine Provision das Jahresziel erreicht und damit die Prämie geschuldet sei.
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Sämtliche Zahlungsansprüche seien zudem verfallen wegen der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist in § 10, hilfsweise nach dem allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag Groß- und Außenhandel Bayern (dort Ausschlussfrist in § 18) und höchsthilfsweise nach dem Manteltarifvertrag Groß- und Außenhandel Hessen (dort Ausschlussfrist in § 19). Der Manteltarifvertrag Bayern sei einschlägig, da es in der Rechtsprechung anerkannt sei, dass es auf den Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses ankomme. Der Kläger sei stets von seinem häuslichen Büro (in Bayern) gestartet, um seiner Außendiensttätigkeit nachzukommen. Höchsthilfsweise sei der Manteltarifvertrag Hessen (dort § 19) einschlägig.
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Der Anspruch aus der Widerklage ergebe sich daraus, dass der Kläger das Dienstauto mit Schäden zurückgegeben habe. Folglich stehe der Beklagten ein entsprechender Schadenersatzanspruch zu.
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Im Übrigen wird hinsichtlich des Vorbringens der Parteien Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der öffentlichen Sitzungen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
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1. Der Antrag zu 1. ist teilweise begründet. Es besteht lediglich der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 3.780,00 € netto nebst Zinsen. Kein Anspruch besteht im Hinblick auf die Provisionen bzw. Prämie.
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a) Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückzahlung der einbehaltenen 3.780,00 € netto (= Mehrkosten für die Leasingraten). Nach der BAG-Rechtsprechung (BAG NZA 2004, 484) sind die Grenzen unzulässiger Vertragsgestaltung im Rahmen der AGB-Kontrolle überschritten, wenn bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Fahrzeug zurückzugeben ist und dennoch für die restliche Laufzeit des Leasingvertrags die Leasingraten in einem Einmalbetrag zu bezahlen sind seitens des Arbeitnehmers. In der vorliegenden Streitsache liegt diesbezüglich ein vergleichbarer Fall vor.
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Zunächst ist festzustellen, dass die AGB-Kontrolle eröffnet ist, da der DienstwagenÜberlassungsvertrag AGBs iSd § 305 ff BGB enthält. Richtig ist zwar, dass der Kläger mit Email v. 11.11.2015 die Zuzahlung bestätigte. Allerdings stand in der vorangegangenen Email der Beklagten v. 11.11.2015 bzw. v. 10.11.2015 (vgl. Anlage D3 = Bl. 109 d.A.) nichts von der Ziff. 7.2 des DienstwagenÜberlassungsvertrags, wonach der Arbeitgeber sich nach Kündigung des Arbeitsvertrags - egal von welcher Seite - vorbehält, das Dienstauto vorzeitig herauszuverlangen, sodass von einem individuellen Ausverhandeln nicht ausgegangen werden kann. Selbst wenn der DienstwagenÜberlassungsvertrag nur zur einmaligen Verwendung beabsichtigt gewesen wäre, lässt dies die AGB-Kontrolle nach § 310 III Nr. 2 BGB nicht entfallen.
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Die Klausel würde im Falle einer Kündigung durch den Arbeitgeber zu Ende Febr. 2017 (also bei Einbehalt der letzten Rate durch den Arbeitgeber) dazu führen, dass die Mehrkosten komplett beglichen wären, der Leasingvertrag jedoch noch 2 Jahre weiterlaufen würde, was eine unangemessene Benachteiligung des Klägers iSd § 307 I 1 BGB darstellt. Denn der Kläger hätte in diesem Fall die Mehrkosten zwar komplett bezahlt, er könnte jedoch für 2 Jahre das Kfz und damit die Sonderausstattung nicht nutzen. Zu sehen ist hierbei, dass allein das Stellen unbilliger Vertragsbedingungen von der AGB-Kontrolle sanktioniert wird unter Außerachtlassung, wie sich die Vertragsbedingung im konkreten Fall auswirkt. Folglich führt das Argument der Beklagten, dass der Kläger das Auto in 34 Monaten der 36monatigen Leasinglaufzeit nutzen konnte, nicht zur Angemessenheit der Vertragsbedingungen. Die vom BAG missbilligte Praxis des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer für Leasingraten zahlen zu lassen, auch wenn er das Auto nicht mehr benutzen kann, liegt bei der vorliegenden Vertragsgestaltung gleichermaßen vor.
25
b) Der Anspruch ist nicht wegen einer Ausschlussfrist erloschen.
26
Die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist (vgl. § 10 Arbeitsvertrag) ist als AGB nach § 307 I 1 BGB unwirksam, da sie den vom BAG festgesetzten Zeitraum nicht einhält. Das BAG hat entschieden, dass eine Ausschlussfrist mindestens 3 Monate betragen muss (BAG v. 28.9.2005, 5 AZR 52/05). § 10 Arbeitsvertrag enthält jedoch eine Ausschlussfrist von nur 2 Monaten.
27
Der Manteltarifvertrag Groß- und Außenhandel Bayern ist nicht einschlägig (und damit auch nicht die darin enthaltene Ausschlussfrist), da bereits der Geltungsbereich des Tarifvertrags nicht eröffnet ist. Denn es ist nicht ersichtlich ist und auch nicht vorgetragen, dass die Beklagte einen Betrieb in Bayern unterhält. Soweit die Beklagte auf das häusliche Büro des Klägers und auf den Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses abstellt, verkennt sie, dass der Manteltarifvertag ausweislich seines Wortlauts in § 1 hinsichtlich seines Geltungsbereich eindeutig lediglich auf Betriebe in Bayern abstellt. Folglich bleibt kein Raum für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Fallgestaltungen, in denen der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses in Bayern liegt - ohne dass es jedoch einen Betrieb in Bayern gibt.
28
Es liegt auch kein Verfall des Anspruchs vor wegen der Ausschlussfrist des Manteltarifvertrags Groß- und Außenhandel Hessen in § 19. Denn ein solcher Verfall setzt nach § 19 Abs. 3 iVm § 22 den Aushang des Manteltarifvertrags im Betrieb voraus. Ein solcher Aushang wurde beklagtenseits nicht vorgetragen, sodass bereits aus diesem Grund ein Verfall nach hessischem Manteltarifvertrag nicht ersichtlich ist. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, sämtliche Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Ausschlussfrist vorzutragen (vgl. Natter/Gross, ArbGG Kommentar, 2. Aufl., § 58 ArbGG, Rn. 92).
29
c) Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.
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2. Es besteht kein Anspruch des Klägers auf die Provisionen bzw. auf die Prämie.
31
a) Der Kläger beruft sich bezüglich der Provision hinsichtlich des Geräts S.S. darauf, dass dieses Gerät durch seine Tätigkeit an eine Firma in Österreich geliefert wurde und er neben Bayern auch Gebietsverkaufsleiter für Österreich sei, so dass ein Anspruch aus der Provisionsregelung 2018 bestehe. Die Klage ist insoweit unschlüssig, als dass die Provisionsregelung 2018 nur Bayern (und davon auch nur bestimmte Postleitzahlen) erfasst. Es ist nicht ersichtlich, warum allein aufgrund der Bezeichnung des Klägers als Verkaufsleiter Österreich die für Bayern geltende Provisionsregelung 2018 analog gelten sollte. Auch wenn - wie der Kläger behauptet - andere Verkäufe nach Österreich in der Vergangenheit verprovisioniert werden sollten, fehlt es an ausreichend substantiiertem Vortrag, warum eine konkludente Provisionsabrede (mit welchen genauen Bedingungen) für sämtliche Verkäufe nach Österreich (ungeachtet der räumlichen Reichweite der Vertriebsrechte der Beklagten) geschlossen wurde. Folglich ist es auch nicht widersprüchlich, dass die Beklagte im Zusammenhang mit dem Gerät S.S. die Lieferung eines Geräts nach Österreich alleine nicht für die Verprovisionierung ausreichen lassen möchte. Denn es ist bereits dem Grunde nach nicht ersichtlich, auf welche Anspruchsgrundlage der Kläger sich stützen möchte, soweit es um nach Österreich gelieferte Produkte geht, da die Provisionsregelung 2018 nicht einschlägig ist, da sich diese nur auf Bayern (und davon nur bestimmte Postleitzahlen) bezieht.
32
b) Der Kläger beruft sich hinsichtlich der Provision hinsichtlich des Geräts I.I. darauf, dass er alleine den Kunden R.R. Bayern Kreisverband Würzburg bei Vertragsschluss betreut habe und sich der Provisionsanspruch aus der Provisionsregelung 2018 ergebe. Die Postleitzahl von Würzburg (97070) findet sich jedoch nicht auf der Provisionsregelung 2018, da sich diese lediglich auf die Postleitzahlen 80000-87999 und 90000-94999 bezieht. Folglich besteht kein Provisionsanspruch. Auch besteht kein Anspruch unter dem Aspekt der Regelung innerhalb der Provisionsregelung 2018 (vgl. Ziffer 8 der Provisionsregelung), wonach bei Wechsel des Kunden in ein anderes Verkaufsgebiet eine Provision nach Unterstützungsgrad gezahlt werden kann, wenn der zuständige Kollege erheblich unterstützt wurde. Es ist hierbei weder vorgetragen noch ersichtlich, wie der für Würzburg zuständige Kollege Herrn P.P. vom Kläger unterstützt worden ist. Der bloße Hinweis, dass die Regelung unklar sei und dass dies zu Lasten des Arbeitgebers gehe, führt nicht zur Bejahung eines diesbezüglichen Anspruchs, da Rechtsfolge des § 307 I 2 BGB lediglich die Unwirksamkeit der Regelung wäre - deren Intransparenz zu Gunsten des Klägers unterstellt.
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c) Auch im Übrigen bestehen keine Provisionen im Hinblick auf die klägerseits geltend gemachten Abzugsposten (490,48 €, 145,63 €, 60,61 € und 40,21 €). Denn es ist bereits nicht nachvollziehbar, welche Posten der Kläger genau einklagen möchte, da die Summe dieser Posten nicht 585,24 € beträgt, sondern 736,93 €. Zudem fehlt es an einem schlüssigen Vortrag, welche genauen Geschäfte von welchem Datum mit welcher Firma aufgrund welcher Berechnung verprovisioniert werden sollen.
34
d) Es besteht kein Anspruch auf die Prämie. Da die vorstehenden Provisionsansprüche nicht bestehen, scheidet auch eine Jahresendzielerreichung iSd § 9.2 der Provisionsregelung 2018 aus. Denn selbst nach Vortrag des Klägers ist es für die Zielerreichung erforderlich, dass zumindest eine der vorstehenden Provisionen geschuldet ist. Dies ist jedoch nicht der Fall.
35
Die Widerklage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Vortrag der Beklagten enthält keine Tatsachenbehauptungen, warum die einschlägige Ausschlussfrist (vgl. § 10 des Arbeitsvertrags) gewahrt sein soll. Dies gehört jedoch zum unverzichtbaren Vortrag, der zur Schlüssigkeit der Klage gehört (BAG BeckRS 2006, 42741). Die Klausel ist zwar AGBrechtlich unwirksam, da sie lediglich einen Zeitraum von 2 Monaten vorgibt und damit den Mindestzeitraum nach der BAG-Rechtsprechung von 3 Monaten nicht einhält (vgl. BAG v. 28.09.2005, 5 AZR 52/05). Auf die Unwirksamkeit kann sich der Arbeitgeber jedoch nicht berufen, da er selbst die Klausel gestellt hat und folglich die Berufung auf die Unwirksamkeit der Klausel widersprüchlich und treuwidrig wäre (BAG NZA 2006, 257).
36
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 II ArbGG, 92 I 1 ZPO.
37
Die Streitwertfestsetzung erfolgte nach § 61 I ArbGG, §§ 3 ff. ZPO.