Titel:
Keine Tierhalterhaftung bei Verschmutzungen durch krankheitsbedingten Kotabsatz eines Hundes
Normenkette:
BGB § 833
Leitsätze:
1. Ein Tierhalter haftet aus § 833 BGB nur dann, wenn sich eine typische Tiergefahr realisiert, die sich aus dem unberechenbaren und instinktgemäßen selbstständigen Verhalten des Tieres und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter ergibt (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verschmutzt ein vorübergehend in Pflege befindlicher Hund Wände, Böden und Möbel der Wohnung der Pflegperson aufgrund krankheitsbedingtem blutigen Durchfalls mit unkontrollierbarem Kotabsatz, so handelt es sich nicht um ein der Tierhalterhaftung unterfallendes, vom Tier selbst steuerbares Verhalten. (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Tierhalter, Haftung, Schaden, Hund, Krankheit, Kot, Pflege
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Urteil vom 28.04.2021 – 3 U 272/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 46411
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um Ansprüche, die der Hund des Beklagten in der Wohnung der Kläger verursacht hat.
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Die Kläger sind gemeinschaftliche Eigentümer des von ihnen bewohnten Anwesens …. Vor dem 08.06.2018 hatten die Kläger den Hund… der im Eigentum des Beklagten, des Vaters der Klägerin zu 1., steht, wegen einer Urlaubsreise der Eltern der Klägerin zu 1. in ihre Wohnung zur vorübergehenden Pflege aufgenommen.
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Am 08.06.2018 zwischen 0.30 und ca. 4.30 Uhr befand sich der Hund alleine in der Wohnung der Kläger, ohne dass diese anwesend waren. Nach Rückkehr der Klägerin zu 1. in die Wohnung stellte diese fest, dass der Hund die Wände, Böden und Möbel der Wohnung großflächtig mit blutigem Kot verschmiert hatte. Dem zugrunde lage eine Basophile Gastroenteritis allergischer Genese des Hundes, die durch hochgradigen blutigen Durchfall, wobei der Hund den Kotabsatz nicht kontrollieren kann, gekennzeichnet ist.
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Die Kläger, die eine Haftung des Beklagten gem. § 833 BGB für gegeben halten, machen gegenüber dem Beklagten Schadenersatzansprüche aufgrund von den Klägern behaupteter Bodenbelegsarbeiten im Wohn- und Esszimmer sowie Malerarbeiten von insgesamt 6.628,04 € zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 6.628,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für das Jahr seit 13.12.2018 sowie weitere 749,92 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für das Jahr seit 13.12.2018 zu bezahlen.
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Der Beklagte ist der Auffassung, dass eine Anspruchsgrundlage nicht bestünde, weil sich schon eine Tiergefahr nach klägerischem Vortrag nicht realisiert habe.
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Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.07.2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Es besteht keine Anspruchsgrundlage, aus der die Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten auf Ersatz des geltend gemachten Schadens ableiten könnten.
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1. Eine vertragliche Anspruchsgrundlage ist durch die Kläger schon nicht dargelegt. Aufgrund des - insoweit nur bruchstückhaften - Vorbringens der Kläger hierzu ist jedoch nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass kein vertragliches Verwahrungsverhältnis oder ein anders gestaltetes Rechtsverhältnis mit Rechtsbindungswillen, das auch eventuelle Schadensersatzansprüche mit umfassen sollte, zwischen den Parteien zustande gekommen ist, sondern dass vielmehr der Beklagte als Vater der Klägerin zu 1. im Rahmen eines reinen innerfamiliären Gefälligkeitsverhältnisses den Hund übernommen hat, ohne im Falle von Schadensverursachungen des Hundes gegenüber den Klägern einstehen zu wollen. Anderes ist jedenfalls seitens der Kläger nicht vorgetragen worden.
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2. Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB scheitert schon daran, dass für ein Verschulden des Beklagten keinerlei Vortrag seitens der Kläger erfolgt ist.
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3. Insbesondere besteht aber auch kein Anspruch gemäß § 833 Abs. 1 BGB. Die Haftung des Tierhalters gemäß § 833 BGB ist eine Gefährdungshaftung, wobei der Grund für die strenge Tierhalterhaftung in der typischen Tiergefahr liegt. Dies bedeutet, dass in dem der Natur des Tieres entsprechend unberechenbaren und instinktgemäßen selbstständigen Verhalten des Tieres und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter eine Haftung begründet sein soll (BGH NJW 14, 2434). Nur für den Fall, dass sich diese typische Tiergefahr verwirklicht, soll der Halter als derjenige, der die Gefahr im eigenen Interesse schafft und beherrscht, dafür einstehen müssen (Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 833 RdNr. 2).
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Vorliegend hat sich aber schon keine typische Tiergefahr realisiert. Denn die typische Tiergefahr muss sich dann auch „durch ein Tier“ im Sinne eines Zurechnungszusammenhangs zwischen dem tierischen Verhalten und dem Schaden verwirklicht haben, das heißt die Rechtsgrundverletzung muss ihre Ursache zumindest auch in der Verwirklichung spezifischer oder typischer Gefahr in der Natur des Tieres haben. Dies ist nach dem insoweit unstreitig gebliebenen klägerischen Vortrag aber schon nicht der Fall. Es liegt schon kein Verhalten, d.h. willens- oder zumindest instinktgesteuertes Tun oder Unterlassen des Tieres, vor. Die Kläger tragen selbst vor, dass der blutige Durchfall, der die Schäden der Kläger verursacht haben soll, aufgrund einer basophilen Gastroenteritis allergischer Genese verursacht worden sei, die durch hochgradigen blutigen Durchfall gekennzeichnet sei, wobei der Hund den Kotabsatz nicht kontrollieren könne. Soweit aber ein Tier den eigenen Kotabsatz nicht kontrollieren kann - und dies ist unstreitig -, so liegt schon kein tierisches Verhalten vor, das eine Haftung im Sinne des § 833 BGB begründen könnte. Denn kann liegt schon kein durch das Tier selbst steuerbares Verhalten vor.
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Die typische Tiergefahr setzt aber ein über die bloße physische Anwesenheit hinausgehendes Verhalten des Tieres voraus (Palandt, BGB, § 833 BGB, RdNr. 7). Da vorliegend die Ursache für die Schadensverursachung, nämlich der unwillkürliche Kotabsatz des Hundes, aber kein Verhalten ist, sondern durch den Hund selbst nicht kontrollierbar war, fehlt es schon an der Grundvoraussetzung einer Haftung seitens des Beklagten gemäß § 833 BGB.
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Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Die Klage blieb daher ohne Erfolg.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.