Titel:
Rechtswidrige Missbilligung wegen pflichtwidriger Heimfahrten
Normenketten:
BayDG Art. 7 Abs. 1 S. 2, Art. 23 Abs. 3 S. 2, Art. 32 S. 1
BeamtStG § 34 S. 3, § 47 Abs. 1
VwGO § 42 Abs. 1 Alt. 1, § 113 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2, § 124a, § 167
Leitsätze:
1. Der Erlass einer Missbilligung steht im Ermessen des Dienstvorgesetzten und kann gerichtlich nur eingeschränkt dahingehend überprüft werden, ob der gesetzliche Rahmen verkannt, ob ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt wurden, wobei auch zu prüfen ist, ob die ausgesprochene missbilligende Äußerung in einem angemessenen Verhältnis zum Anlass steht (stRspr BayVGH, BeckRS 2016, 48877). (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Dienstvorgesetzte legt hinsichtlich des Vorwurfs pflichtwidriger Heimfahrten einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde, wenn sich aus den entsprechenden zu führenden Listen keine zuverlässige Schlussfolgerung hinsichtlich des vorgeworfenen Pflichtverstoßes der ungenehmigten Heimfahrten mit dem Dienstfahrzeug ergibt. (Rn. 57 – 58) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Recht der Landesbeamten, Ausspruch einer qualifizierten Missbilligung, Vorwurf der weisungswidrigen Nutzung von Dienstfahrzeugen bzw. fehlerhaften Eintragung von Fahrten in Fahrtenbücher, Fehlerhaft zugrunde gelegter Sachverhalt, Einheitliche Ermessensausübung, Dienstvergehen, Genehmigung, Vergleich, Dienstfahrzeuge, Fahrtenbücher
Fundstelle:
BeckRS 2020, 4635
Tenor
I. Die Nr. 2 der Verfügung des Polizeipräsidiums * vom 6. Oktober 2018 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die schriftliche Missbilligung seines Verhaltens im Zusammenhang mit Unregelmäßigkeiten bei Fahrten mit Dienstfahrzeugen.
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1. Der am * 1980 geborene Kläger steht als Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 12; letzte Ernennung am 1. August 2013) in Diensten des Beklagten. Er ist seit dem 1. Dezember 1998 bei der KPI * im Bereich des Polizeipräsidiums * tätig.
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2. Mit einem im Dezember 2016 u.a. beim Polizeipräsidium *eingegangenen anonymen Schreiben wurde dem Kläger und anderen Polizeibeamten der KPI * u.a. vorgeworfen, Dienstfahrzeuge in nicht unerheblichem Maße für private Fahrten - insbesondere zwischen Dienststelle und Wohnort - genutzt zu haben. Nach einem ersten Schreiben im Jahr 2012 seien die Privatfahrten zunächst zurückgegangen, mittlerweile nähmen die Privatfahrten wieder deutlich zu. All dies geschehe mit Wissen und Duldung des Leiters der KPI, Polizeioberrat (POR) *.
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3. Das Polizeipräsidium * bat das Bayerische Landeskriminalamt mit Schreiben vom 30. Dezember 2016 darum, Ermittlungen gegen den Leiter der KPI * sowie „unbekannte Beamte“ durchzuführen.
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Durch interne E-Mail des Polizeipräsidiums * wurden unter anderem folgende Dokumente weitergeleitet:
- Präsidiumsschreiben des Polizeipräsidiums * vom 22. August 2011, wonach für jedes Dienstkraftfahrzeug ein Fahrtenbuch anzulegen sei. Für jede Fahrt müsse u.a. der Fahrtzweck eingetragen werden.
- Präsidiumsschreiben des Polizeipräsidiums * vom 1. August 2012 zur Anordnung und Genehmigung von Dienstreisen.
4. Das Polizeipräsidium * teilte dem Kläger mit Schreiben vom 30. Mai 2017 mit, dass disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen ihn eingeleitet worden seien, welche bis zum endgültigen Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ausgesetzt würden.
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5. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft * vom 28. Dezember 2017 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger aus tatsächlichen Gründen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da ihm keinerlei Straftaten mit der für eine Anklageerhebung notwendigen Gewissheit nachzuweisen seien.
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Der Verdacht des Arbeitszeitbetrugs („Einchippen“ und darauffolgendes Duschen in der Dienstzeit) habe durch keinen der vernommenen Zeugen als eigene Beobachtung wiedergegeben werden können.
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Hinsichtlich des Verdachts des unbefugten Gebrauchs von Dienstfahrzeugen sei ein Vergleich der eingetragenen Fahrten des Klägers mit den Fahrtnachweisheften der letzten fünf Jahre erfolgt. Hierbei seien die Fahrten mit den Zeitnachweisen (BayZeit), den übermittelten Dienstnachweisordnern (Jahre 2012 bis 2017) sowie den dienstlichen Outlookkalendern und Tischkalendern des Klägers abgeglichen worden. Es habe im Rahmen der Auswertung festgestellt werden können, dass der Kläger 355 Fahrten mit dem Dienstfahrzeug durchgeführt habe. Hiervon sei keine einzige als Heimfahrt deklariert worden.
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Außerdem habe festgestellt werden können, dass als Fahrstrecke sehr häufig „*“ erfasst worden sei. Dabei handele es sich wohl um den Stadtteil * in, in welchem der Kläger mit seiner Familie wohne. Zudem falle auf, dass der Kläger im Vergleich zu seinen Kollegen auffällig viele Fahrten in der Mittagszeit getätigt habe.
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Es hätte auch weitere Auffälligkeiten im Hinblick auf die Eintragungen in die Fahrtnachweise des Klägers gegeben [wird ausgeführt].
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Ob die Fahrten des Klägers auf private Interessen zurückzuführen und nicht dienstlich veranlasst gewesen seien, könne jedoch mangels Kenntnis und Nachvollziehbarkeit der genauen Ermittlungstätigkeit nicht abschließend beurteilt werden.
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6. Mit Schreiben des Polizeipräsidiums * vom 13. März 2018 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass das Disziplinarverfahren nach Abschluss des Strafverfahrens fortgesetzt werde (Art. 23 Abs. 3 Satz 2 BayDG).
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Trotz der Einstellung des Strafverfahrens seien durch die Ermittlungen des Bayerischen Kriminalamts vom Kläger begangene Dienstpflichtverletzungen festgestellt worden. Die im Strafverfahren getätigten Feststellungen würden ohne erneute Prüfung in das Disziplinarverfahren übernommen (Art. 25 Abs. 2 BayDG).
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Durch die strafrechtlichen Ermittlungen hätten für den Zeitraum vom 6. Mai 2013 bis zum 11. November 2017 insgesamt 355 Fahrten des Klägers als Fahrzeugführer festgestellt werden können. Bei den Eintragungen in die Fahrtnachweishefte der vom Kläger genutzten Dienstfahrzeuge habe festgestellt werden können, dass der Kläger entgegen der Weisungslage von Anfang Juni 2013 bis Ende Dezember 2016 bis auf zwei Ausnahmen am 3. Juni 2013 und am 13. August 2013 nie den Fahrtzweck eingetragen habe. Auch die Sichtung der internen Dienstnachweise habe zu den Fahrten des Klägers keinen näheren Aufschluss gebracht, da auch dort nur die Fahrstrecke, nicht jedoch der Fahrtzweck eingetragen worden sei. Der dienstliche Grund und die dienstliche Notwendigkeit der Fahrten seien in diesem Zeitraum weitestgehend nicht nachvollziehbar.
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Die Ermittlungen hätten darüber hinaus ergeben, dass bei den 355 vom Kläger im überprüften Zeitraum unternommenen Fahrten keine einzige Fahrt als Heimfahrt deklariert worden sei. Auch in der Liste der genehmigten Heimfahrten, die beim Dienststellenleiter geführt worden sei, sei in den Jahren 2013 bis 2017 keine einzige Fahrt des Klägers enthalten.
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Vom Bayerischen Landeskriminalamt sei aber zumindest eine Heimfahrt des Klägers am 26. Mai 2015 festgestellt worden. Darüber hinaus hätten sich bei Durchsicht der Fahrtenlisten weitere Fahrten, bei denen es sich mangels entsprechenden Eintrags in der Heimfahrten-Liste bzw. sonstigen Angaben um nicht genehmigte Heimfahrten des Klägers handeln müsse, ergeben (28.5./29.5.2013, 28.4./29.4.2014, 19.3./20.3.2015, 21.9./22.9.2015, 7.12./8.12.2015, 2.6./3.6.2016, 19.7./20.7.2016).
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Im Ermittlungsbericht des Bayerischen Landeskriminalamts gebe es zudem weitere Auffälligkeiten hinsichtlich der Fahrten des Klägers mit Dienstfahrzeugen und den zugehörigen Eintragungen in die Fahrtennachweise [wird ausgeführt].
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7. Durch Schreiben des Polizeipräsidiums * vom 29. August 2018 wurde dem Kläger der Abschluss der Ermittlungen des Disziplinarverfahrens mitgeteilt. Dabei wurde nach erneuter Darlegung der sich aus den Ermittlungen des Bayerischen Landeskriminalamts ergebenden Vorwürfe hinsichtlich der Eintragungen der Dienstfahrten u.a. ausgeführt, dass aufgrund der langjährigen Tätigkeit des Klägers im Bereich des Polizeipräsidiums * davon auszugehen sei, dass dem Kläger die Präsidiumsschreiben vom 22. August 2011 und 1. August 2012 bekannt seien.
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Nach dem ersten anonymen Schreiben im Jahr 2012 habe es am 22. Januar 2013 bei der KPI * eine interne Besprechung mit allen Mitarbeitern gegeben. Bereits eine Woche zuvor habe der KPI-Leiter eine eingehende Besprechung mit den Angehörigen des Kommissariats 1 abgehalten.
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Als Konsequenz der Besprechung vom 22. Januar 2013 habe der Dienststellenleiter der KPI * am 28. Januar 2013 Detailfestlegungen für die künftige Handhabung von Heimfahrten mit Dienstfahrzeugen per E-Mail versandt. Es sei festgelegt worden, dass künftige Heimfahrten mit Dienstfahrzeugen ausschließlich von ihm oder seinem Vertreter genehmigt werden dürften und in eine Heimfahrten-Liste eingetragen würden.
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Am 6. Februar 2013 habe eine Dienstbesprechung des damaligen Leiters E 3 mit den Leitern der K-Dienststellen stattgefunden. Daraufhin sei am 14. Februar 2013 für alle Beschäftigten der KPI * eine weitere Besprechung anberaumt worden. An dieser Besprechung habe auch der damalige Polizeivizepräsident und der ehemalige Leiter E 3 teilgenommen. Von diesen sei ausdrücklich auf die geltende Regelungslage hingewiesen worden.
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Im Nachgang der Besprechungen habe der Dienststellenleiter der KPI * eine dienststelleninterne Regelung erlassen, wonach ab dem 1. Mai 2013 für die KPI * uneingeschränkt die Regelungslage des Polizeipräsidiums * aus dem Schreiben vom 22. August 2011 gelte.
23
Dem Kläger sei also zumindest ab Anfang 2013 die einschlägige Regelungslage bzgl. der Führung der Fahrtenbücher bekannt gewesen.
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Er habe also die einschlägigen Vorgaben zur Führung der Fahrtnachweishefte und der Genehmigung von Dienstreisen bezüglich der Heimfahrten mit einem Dienstfahrzeug und die Anweisungen des KPI-Leiters missachtet und dadurch seine Dienstpflichten verletzt. Es sei nicht mehr nachvollziehbar, ob die vom Kläger getätigten Heimfahrten mit Dienstfahrzeugen tatsächlich - wie behauptet - allesamt genehmigt worden seien. In die vorgesehene Heimfahrten-Liste sei keine einzige seiner Heimfahrten eingetragen worden. Es fehle auch jegliche Dokumentation in den Fahrtenbüchern und den Dienstnachweisen. Es verblieben Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit von vielen seiner Fahrten im überprüften Zeitraum. Eine Klärung sei wegen fehlender Eintragungen aber nicht mehr möglich.
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Der Verweis des Klägers darauf, dass in der Dienststelle generell keine Fahrtzwecke eingetragen worden seien, sei unrichtig. Es habe auch bei der KPI * Beschäftigte gegeben, welche die Fahrtenbücher ordnungsgemäß geführt hätten. Richtig sei aber, dass die Fahrtenbücher und Dienstnachweise der Dienststelle jahrelang durchgehend lückenhaft und schlampig geführt worden seien und dies von der Dienststellenleitung nicht abgestellt worden sei.
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Der Kläger habe schuldhaft gegen Dienstpflichten verstoßen und damit ein Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen. Er habe gegen die Pflicht, dienstlichen Anordnungen zu folgen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. Präsidiumsschreiben vom 22. August 2011 bzw. vom 1. August 2012 und den Verfügungen des KPI-Leiters) sowie gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen.
27
Dem Kläger wurde gemäß Art. 32 Satz 1 BayDG Gelegenheit zur Äußerung binnen eines Monats gegeben.
28
8. Durch Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 4. Oktober 2018 wurde zu den erhobenen Vorwürfen Stellung bezogen.
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Die von der Staatsanwaltschaft * und der Staatsanwaltschaft * in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landeskriminalamt durchgeführten Ermittlungen hätten keine Dienstpflichtverletzungen des Klägers ergeben. Seitens des Landeskriminalamts seien lediglich Vermutungen ausgesprochen worden.
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Der Vorwurf, der Kläger habe keinen Fahrtzweck eingetragen, könne so nicht aufrechterhalten werden. Im genannten Zeitraum habe kein Mitarbeiter des Kommissariats des Klägers einen Fahrtzweck angegeben. Dies gelte für die gesamte Dienststelle und die Nachbardienststelle. Es habe insofern auch keine Beanstandungen gegeben. Entweder müssten also gegen sämtliche Beamten disziplinarrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden oder der Vorwurf müsse fallengelassen werden.
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Da in der Zeit zwischen Mai 2013 und Dezember 2016 keine Fahrtzwecke eingetragen worden seien, sei vom Kläger bei den ihm vorgeworfenen Heimfahrten ebenfalls kein Fahrtzweck angegeben worden. Dies könne nicht gesondert gerügt werden. Bei sämtlichen Fahrten, die entsprechend gekennzeichnet worden seien, sei vom Kläger zuvor die Genehmigung des Dienststellenleiters bzw. Kommissariatsleiters eingeholt worden. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine Beanstandung hierzu gegeben.
32
9. Mit Verfügung des Polizeipräsidiums * vom 8. Oktober 2018, bei der Bevollmächtigten des Klägers eingegangen am 18. Oktober 2018, wurde das gegen den Kläger eingeleitete Disziplinarverfahren eingestellt (Nr. 1.) und das Fehlverhalten des Klägers schriftlich missbilligt (Nr. 2).
33
Unter weitgehender Wiederholung der Ausführungen im Anhörungsschreiben vom 29. August 2018 werden die Gründe für die schriftliche Missbilligung erläutert.
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Im Rahmen der Begründung der Einstellung des Disziplinarverfahrens und des Ausspruchs der Missbilligung wird der zuvor aufgeführte Sachverhalt, welcher die Dienstpflichtverletzungen in tatsächlicher Hinsicht darstellen soll, einheitlich behandelt und nicht getrennt gewürdigt.
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10. Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten ließ der Kläger am 14. November 2018 Klage erheben mit folgendem Antrag:
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Die Ziffer 2. der Verfügung des Polizeipräsidiums * vom 8. Oktober 2018, Az.:, wird aufgehoben.
37
Die Begründung der Klage erfolgte mit Schriftsatz vom 18. Februar 2019. Es wurden weitestgehend die Argumente aus dem Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 4. Oktober 2018 wiederholt.
38
Der vom Beklagten zugrunde gelegte Sachverhalt sei danach unrichtig. Ein Dienstvergehen könne auch nicht darin liegen, dass der Kläger von Vorgesetzten genehmigte Heimfahrten ordnungsgemäß durchgeführt habe. Darüber hinaus sei der Sachverhalt auch rechtlich falsch gewürdigt worden [wird ausgeführt].
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11. Mit Schreiben des Polizeipräsidiums * vom 2. April 2019 wandte sich der Beklagte gegen das Klagebegehren. Für ihn ist beantragt,
40
Die Klage sei zwar zulässig, aber nicht begründet.
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Aufgrund der Ermittlungsberichte des Bayerischen Landeskriminalamts stehe fest, dass der Kläger im Zeitraum vom Mai 2013 bis Ende 2017 vielfach gegen bestehende dienstliche Richtlinien und Weisungen verstoßen habe. Auf diese Vorgaben seien die Beamten der KPI * auch mehrfach hingewiesen worden.
42
Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass angeblich alle Mitarbeiter der KPI * im genannten Zeitraum die Führung der Fahrtenbücher und Dienstnachweise in ähnlicher Weise gehandhabt hätten. Die tatsächliche Regelungslage sei ihm seit Anfang 2013 bekannt gewesen, es habe kein Anlass zur Abweichung bestanden. Der Verweis auf das Fehlverhalten von Anderen könne sein Fehlverhalten nicht rechtfertigen.
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12. Am 20. Februar 2020 fand mündliche Verhandlung statt, in der die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert wurde. Der ehemalige Dienststellenleiter der KPI, POR, wurde als Zeuge einvernommen. Die Beteiligten haben die schriftsätzlich angekündigten Anträge wiederholt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten und der Gerichtsakte sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 20. Februar 2020.
Entscheidungsgründe
45
Die Klage ist zulässig und begründet.
46
1. Die Klage ist zulässig.
47
Insbesondere ist sie als Anfechtungsklage i.S.v. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da Nr. 2 der Verfügung vom 8. Oktober 2018 einen Verwaltungsakt i.S.v. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG darstellt. Da dem Kläger die schuldhafte Begehung eines Dienstvergehens i.S.v. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG vorgeworfen wird, liegt hier die schärfste Form einer Missbilligung - eine sog. qualifizierte Missbildung - vor, welche zugleich die Tatbestandsvoraussetzungen eines Verwaltungsakts i.S.v. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG erfüllt (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 3 ZB 14.1781 - BeckRS 2016, 48877 Rn. 18 m.w.N.).
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2. Die Klage ist auch begründet.
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Die Nr. 2 der Verfügung des Polizeipräsidiums * vom 8. Oktober 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), da das dem Kläger vorgeworfene Dienstvergehen sich hinsichtlich der ungenehmigten Heimfahrten (S. 3 der Verfügung vom 6. Oktober 2018) nicht erhärtet hat (a.) und dieser Umstand angesichts der einheitlichen Ermessensausübung seitens des Beklagten (S. 9 ff. der Verfügung vom 6. Oktober 2018) zur Aufhebung der gesamten Nr. 2 der Verfügung vom 8. Oktober 2018 führt (b.).
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a. Die schriftliche Missbilligung des Verhaltens des Klägers durch Verfügung des Polizeipräsidiums * vom 8. Oktober 2018 erfolgte u.a. aufgrund des Vorwurfs, dass er keine einzige Fahrt im Zeitraum zwischen Mai 2013 und Dezember 2016 als Heimfahrt deklariert habe, obwohl vom Bayerischen Landeskriminalamt eine Heimfahrt am 25. Juni 2016 festgestellt worden sei. Zudem hätten sich bei Durchsicht der vom Landeskriminalamt erstellten Fahrlisten weitere Fahrten ergeben, bei denen es sich aufgrund des erfassten zeitlichen Ablaufs und des angegebenen Start- bzw. Zielorts, um Heimfahrten mit einem Dienstfahrzeug gehandelt haben müsse (28.5/29.5.2013, 28.4./29.4.2014, 19.3./20.3.2015, 21.9./22.9.2015, 7.12./8.12.2015, 2.6./3.6.2016, 19.7./20.7.2016). Es sei nicht mehr nachvollziehbar, ob die vom Kläger im überprüften Zeitraum getätigten Heimfahrten mit dem Dienstfahrzeug tatsächlich genehmigt worden seien. In die vorgesehenen Heimfahrten-Listen sei jedenfalls keine Eintragung erfolgt.
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Jedenfalls hinsichtlich dieses Vorwurfs liegen die (tatsächlichen) Voraussetzungen für ein Dienstvergehen i.S.v. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG und damit für eine (qualifizierte) Missbilligung nicht vor.
52
Die schriftliche Missbilligung eines bestimmten Verhaltens eines Beamten bildet eine Unterform der in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayDG vorgesehenen missbilligenden Äußerungen, die nicht ausdrücklich als Verweis bezeichnet werden und keine Disziplinarmaßnahmen darstellen. Als Missbilligung wird grundsätzlich jede dienstaufsichtliche Beanstandung des Verhaltens eines Beamten betrachtet, gleichgültig in welcher Form sie geschieht. Die Missbilligung findet ihre Rechtsgrundlage in der aus dem allgemeinen Beamtenrecht folgenden Geschäftsleitungs-, Weisungs- und Aufsichtsbefugnis des Dienstherrn, die ihn im Rahmen der Dienstaufsicht berechtigt, auf eine reibungslose und rechtsfehlerfreie Erledigung der Dienstgeschäfte hinzuwirken und bei Bedarf kritisch einzuschreiten. Die Missbilligung ist als gemilderter Tadel eines der Ordnung zuwiderlaufenden Verhaltens zu verstehen, der spezial- und/oder generalpräventiven Zwecken dient. Es handelt sich um ein außerdisziplinarrechtliches pädagogisches Mittel, das Dienstvorgesetzte besitzen, um auf ein dienstlich zu beanstandendes Verhalten angemessen reagieren zu können. Die Ermächtigung, ein dienstliches Verhalten eines Beamten zu missbilligen, ergibt sich aus der dem Dienstherrn im Rahmen des beamtenrechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnisses zustehenden Leitungs-, Aufsichts- und Weisungsbefugnis. Der Dienstherr ist aufgrund dieser Befugnis berechtigt und nach den Umständen des Einzelfalls sogar verpflichtet, auf die reibungslose und fehlerfreie Erledigung der Dienstgeschäfte hinzuwirken und erforderlichenfalls kritisch-missbilligend gegen unterstellte Beamte einzuschreiten. Diese müssen eine rechtmäßige missbilligende Äußerung infolge der ihnen aufgrund des Beamtenverhältnisses obliegenden Treue- und Folgepflicht hinnehmen (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 3 ZB 14.1781 - BeckRS 2016, 48877 Rn. 8 ff. m.w.N.).
53
Eine missbilligende Äußerung kann nur ausgesprochen werden, wenn objektiv ein Anlass bestanden hat, sich missbilligend über den Beamten zu äußern. Dann steht der Erlass einer Missbilligung im Ermessen des Dienstvorgesetzten. Die Entscheidung kann gerichtlich nur dahingehend - eingeschränkt - überprüft werden, ob der gesetzliche Rahmen verkannt, ob ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt wurden, wobei auch zu prüfen ist, ob die ausgesprochene missbilligende Äußerung in einem angemessenen Verhältnis zum Anlass steht (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 3 ZB 14.1781 - BeckRS 2016, 48877 Rn. 11 f. m.w.N).
54
Vorliegend hat der Beklagte jedenfalls hinsichtlich des Vorwurfs der nicht richtigen Eintragungen bzw. pflichtwidrigen Heimfahrten einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt. Insofern kann dem Kläger für die konkret benannten (vermeintlichen) Heimfahrten ein (schuldhafter) Verstoß gegen die Pflicht, dienstlichen Anordnungen von Vorgesetzten nachzukommen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG), nicht nachgewiesen werden.
55
Gemäß Nr. 1.7 des Präsidiumsschreiben vom 1. August 2012 können Dienstreisen im Einzelfall an der Wohnung angetreten oder beendet werden, wenn die dabei notwendige Fahrt zwischen Dienststelle und Wohnort in der Dienstreisegenehmigung beinhaltet ist. Unabhängig davon, ob im Falle der dem Kläger hier vorgeworfenen Heimfahrten wirklich Dienstreisen i.S.v. Nr. 1.1 des Präsidiumsschreibens vom 1. August 2012 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 BayRGK vorlagen, ergibt sich aus dieser Regelung jedenfalls, dass Heimfahrten des Klägers zumindest dann nicht pflichtwidrig waren, wenn sie durch den Leiter der KPI * genehmigt wurden. Dass solche Heimfahrten genehmigt werden konnten, entsprach auch der internen Praxis der KPI *. Dies ergibt sich sowohl aus der Weisung des ehemaligen Leiters der KPI * vom 28. Januar 2013 (Blatt 93 f. des Teils 1 der Vorgangsakten) als auch aus dessen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2020 (S. 5 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
56
Der Zeuge * konnte sich in der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2020 daran erinnern, dass er im Jahr 2015 zwei Heimfahrten genehmigt habe (S. 5 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Warum diese Fahrten in der für das Jahr 2015 geführten Genehmigungsliste nicht auftauchten (Blatt 531 des Teils 2 der Vorgangsakten), könne er nicht mehr sagen. Die geführte Liste habe allerdings lediglich internen Zwecken gedient, um sagen zu können, wo der jeweilige Beamte und das jeweilige Dienstfahrzeug seien.
57
Diese Ausführungen zeigen, dass die dem Vorwurf der ungenehmigten Heimfahrten (auch) zugrunde liegenden internen Listen der KPI * (vgl. S. 7 der Verfügung vom 8. Oktober 2018) keine zuverlässige Schlussfolgerung dahingehend erlauben, dass die dem Kläger in der Verfügung vom 8. Oktober 2018 vorgeworfenen Heimfahrten auch tatsächlich nicht genehmigt worden waren. Vielmehr kann aus dieser Liste weder zuverlässig gefolgert werden, dass in diesem Zeitraum keine Heimfahrten des Klägers erfolgten, noch, dass etwaige Heimfahrten nicht genehmigt wurden. Die Vornahme der entsprechenden Eintragungen in der Heimfahrtenliste war prinzipiell Sache des Leiters der KPI * bzw. dessen Stellvertreter, sodass das Fehlen solcher Eintragungen nicht dem Kläger vorzuwerfen ist. Nichtsdestotrotz wurde dem Kläger auch ausdrücklich das Missachten der Vorgaben bezüglich der Genehmigung von Heimfahrten mit dem Dienstkraftfahrzeug vorgeworfen (vgl. S. 7 der Verfügung vom 8. Oktober 2018) und somit nicht nur die fehlende Eintragung des Fahrtzwecks in diesen Fällen.
58
Damit hat der Beklagte seiner Verfügung vom 8. Oktober 2018 jedenfalls insoweit einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt, da er es für möglich hielt, dass in den von ihm konkret genannten Fällen keine Genehmigung vorhanden war, weil diese Heimfahrten nicht in der Genehmigungsliste auftauchten. Ein Pflichtverstoß des Klägers kann aber insofern nicht sicher nachgewiesen werden und ihm demnach auch nicht in Form einer Missbilligung vorgehalten werden. Wenn der Beklagte sich dafür entscheidet dem Kläger ausdrücklich ein Dienstvergehen i.S.v. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG vorzuhalten - wenn auch „nur“ in Form einer schriftlichen Missbilligung - muss sich die notwendige vorwerfbare Dienstpflichtverletzung - wie auch im Disziplinarrecht - aus einem sicher vorliegenden Sachverhalt ergeben.
59
b. Zwar liegen im Fall des Klägers nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens deutliche Anhaltspunkte dafür vor, dass er durch die jahrelange Nichteintragung des Fahrtenzwecks in die Fahrtenbücher der Dienstfahrzeuge schuldhaft gegen dienstliche Weisungen von Vorgesetzten (Präsidiumsschreiben vom 22. August 2011 und Weisung des ehemaligen Dienststellenleiters der KPI * vom 25. April 2013) verstoßen hat. Da aber der Beklagte die ausgesprochene Missbilligung im konkreten Fall zusätzlich rechtsfehlerhaft auf den Vorwurf von ungenehmigten Heimfahrten (s.o.) gestützt hat, hat er das ihm hinsichtlich der Aussprache einer (qualifizierten) Missbilligung zustehende Ermessen nicht in rechtsfehlerfreier Art und Weise ausgeübt. Er hat nämlich einen Sachverhalt miteinbezogen, für welchen ein objektiver Anlass für eine Missbilligung nicht gegeben ist (s.o.).
60
Aufgrund des ausdrücklich vom Beklagten in der schriftlichen Missbilligung herangezogenen disziplinarrechtlichen Grundsatzes der Einheitlichkeit des Dienstvergehens (vgl. S. 9 der Verfügung vom 8. Oktober 2018) wurden die dem Kläger vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen seitens des Beklagten hinsichtlich ihres Schweregrades einheitlich gewürdigt (vgl. S. 9 ff. der Verfügung vom 8. Oktober 2018) und auch einheitlich bewertet (vgl. S. 11 der Verfügung vom 8. Oktober 2018: „Ihr Fehlverhalten erfordert jedoch in jedem Fall eine dienstrechtliche Maßregelung und Pflichtenermahnung, die in Form einer schriftlichen Missbilligung (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayDG) ausgesprochen wird. Es ist davon auszugehen, dass diese schriftliche Missbilligung Ihres Fehlverhaltens den Zweck der Pflichtenmahnung in ausreichendem Umfang erfüllt“ [Hervorhebung nicht im Original]).
61
Der Beklagte hat damit sowohl das ihm angesichts der wohl objektiv vorliegenden Dienstpflichtverletzung (s.o.) zustehende Entschließungsermessen zur Aussprache einer Missbilligung als auch das Auswahlermessen hinsichtlich der Art der auszusprechenden Missbilligung (vgl. VG Regensburg, U.v. 13.3.2019 - RN 1 K 18.90 - BeckRS 2019, 14914) unter einheitlicher Zugrundelegung eines zumindest teilweise unzutreffenden Sachverhalts ausgeübt.
62
Da für die erkennende Kammer anhand der einheitlichen Ausübung des Entschließungs- und Auswahlermessens durch den Beklagten somit nicht ersichtlich ist, ob er aufgrund der objektiv vorliegenden Pflichtverletzungen auch eine schriftliche (qualifizierte) Missbilligung ausgesprochen oder es bei einer milderen Maßnahme belassen hätte, kann somit die Aufhebung der ausgesprochenen qualifizierten Missbilligung auch nur einheitlich erfolgen. Es ist mit anderen Worten nicht ersichtlich, dass es sich um mehrere die Ermessensausübung des Beklagten jeweils selbständig tragende Gründe handelte (siehe dazu: BVerwG, U.v. 26.11.1987 - 2 C 53.86 - NJW 1988, 783/784). Vielmehr ist davon auszugehen, dass der der Verfügung vom 8. Oktober 2018 zu Grunde liegende Sachverhalt in seiner Gesamtheit zu der getroffenen Entscheidung führte und damit die Rechtmäßigkeit von der Sachgemäßheit aller Beweggründe abhängt und nur einheitlich beantwortet werden kann.
63
Daher kann auch dahinstehen, ob die konkrete Art und Weise der Ermessensausübung des Beklagten durch das Unterlassen jeglicher Sanktionen gegenüber solchen Beamten der KPI, die ebenfalls den Fahrtenzweck nicht in die Fahrtenbücher eintrugen, den Anforderungen von Art. 3 Abs. 1 GG gerecht wurde, d.h. ob für diese differierende Vorgehensweise sachliche Gründe vorhanden waren (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 22.4.1995 - 4 B 55. 95 - BeckRS 1995, 31228610).
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3. Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Gründe, die Berufung zuzulassen, bestehen nicht (§ 124 Abs. 2, § 124a VwGO).